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    Paul White

    Dschungel doktorauf Safari

    Christliche

    Literatur-Verbreitung e. V.

    Postfach 11 01 35 33661 Bielefeld

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    1. Auflage 2008 (CLV)

    Originaltitel: Jungle Doctor

    Originalverlag: The Paternoster Press, Exeter, Grobritannien

    der deutschen Ausgabe 1969R. Brockhaus Verlag Wuppertal und Zrich

    2008 by CLV Christliche Literatur-VerbreitungPostfach 11 01 35 33661 BielefeldInternet: www.clv.de

    bersetzung: Gottfried MllerUmschlag: typtop, Andreas Fett, MeinerzhagenSatz: CLVDruck und Bindung: CPI Ebner & Spiegel, Ulm

    ISBN 978-3-86699-111-8

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    Inhalt

    Ein Auto, ein Augenkrankerund der Mann der Kuh 7

    Sukuma 15

    Tod und Verderben dem Knig der Raubtiere 21

    Ein Leopard im dunklen Busch 29

    Pannen, Operationen und eine Tragdie 37

    In berschwemmungen, ohne Benzinund im Schlepptau 49

    Wieder daheim 63

    Keilriemen und Malaria 69

    Zwei und zwei sind 77

    Luse und viel Elend 83

    Feuer und Schlangen 99

    Fieber, Fliegen und ein Kampfum Leben und Tod 105

    In letzter Minute 123

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    Ein Auto, ein Augenkranker

    und der Mann der Kuh

    Hher, Samson!Einen Zentimeter nur!

    Noch ein bisschen!Halt!!!Ich lag der Lnge nach unter dem alten kastenfr-

    migen Ford. Von meinem Lagepunkt aus konnte ichTanganjika aus einem ungewhnlichen Blickwinkel

    betrachten. Auf der einen Seite standen weit aus-einander zwei riesige afrikanische Beine. Samsonversuchte mit aller Kraft, die linke Seite des Wagenshochzuheben, whrend ich den Wagenheber zu-rechtrckte. Ich sah, wie seine Muskeln langsam er-schlafften. Er lie das Fahrgestell vorsichtig herun-

    ter, grunzte und holte erst einmal tief Luft.Vor uns lag das, was man in Afrika eine Strae

    nennt. Durch die Vorderrder hindurch erblickte ichein typisches innerafrikanisches Alltagsbild. Von ei-nem niedrigen Gogohaus aus Lehm- und Flecht-werkwnden schauten Grasbschel und Krbisfla-schen herab. Dahinter lief ein kleiner Junge, mit ei-nem Knppel in der Hand, herum; neben ihm grastemageres, buckliges Vieh in einem Durcheinandervon Bcken und dickschwnzigen Schafen.

    Die schrille Pfeife des Tanganjika-Expresses zer-

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    riss die Stille des tropischen Mittags; der Zug arbei-tete sich mhsam auf seiner Siebenhundertmeilen-

    fahrt landeinwrts von Daressalam an der Kste desIndischen Ozeans zu den groen Seen. Der unge-whnliche Laut schreckte Hunderte von Ibissen auf,die zwischen den Hirsehalmen daherstolzierten undnach den Raupen pickten. Mit heftigem Flgelschlagstoben sie in die Hhe und zogen groe Kreise. Durch

    eine Lichtung im Dorngebsch beobachteten wir denZug. Die Wagen der dritten Klasse waren mit Afrika-nern, Indern und Arabern berfllt. Erschpft drein-schauende Europer sahen mit verlorenen Blickenber die weiten Ebenen. Das Geratter der Rder ver-

    lor sich langsam in der Steppe.Samson blies den Schlauch, der ein Loch hatte, aufund legte ihn in den feinen Sand. Vorsichtig nahm erihn wieder hoch; ein winziger Krater im Sand zeigteihm, wo das Loch war.

    Schnell kennzeichnete er die Stelle. Dann fuhr er

    mit der Hand ber die Innenseite des Gummireifensund zog den steinharten Dorn hervor, der die Ur-sache unserer Panne war. Zehn Minuten spter rat-terten wir weiter.

    Wir durchquerten vier Flsse und kreuzten die Ei-senbahnlinie, bevor wir Kikombo mit seinen schmut-zigen Geschftshusern aus Lehmziegeln und sei-nem groen Marktplatz erreichten. Jenseits der Stadtkamen wir auf eine Ebene, die whrend der achtmo-natigen Trockenzeit unfruchtbar dalag und mit wu-chernden Dornbschen bestanden war; doch die Re-

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    genflle gaben ihr ein vllig verndertes Aussehen.Kurz vorher waren schwere Gewitter niedergegan-

    gen; das Aussehen der Landschaft wurde nun von ei-nem wsten Durcheinander bunter Winden geprgt.Groe rote und gelbe Stockrosen wuchsen in Men-gen auf einem Hgel, der sich zum Flussufer hinun-terneigte. Der Fluss selbst war immerhin eine Vier-telmeile breit; sein Bett bestand aus hartem nassen

    Sand, nachdem er in der Nacht zuvor die brausen-den Wassermassen von den Bergen ber sich hattehinwegwlzen lassen.

    Wir nherten uns dem Flussbett. Samson zog dieBremse und deutete mit dem Kinn zum fernen Ufer

    hinber, wo die Strae pltzlich vor einem sechs Futiefen Abhang endete. Der reiende Strom der Was-serbche hatte Tausende Tonnen von Sand mitgeris-sen und ein Gebiet von einer Viertelmeile in eine ein-zige wogende Flut verwandelt. Daudi holte eine Ha-cke heraus und begann mit Samson den Uferhang

    abzuflachen, damit wir weiterfahren konnten.Gerade wollte ich mit zupacken, da erblickte ich

    einen alten Mann, der drei Khe vor sich her trieb.Zwei kleine Jungen begleiteten ihn. Der Alte schautezu mir herber und beschattete seine Augen. Da er-hellte sich sein Gesicht und er eilte auf mich zu.

    Mbukua, Buana.Mbukua, erwiderte ich.Wir schttelten uns die Hnde; ich erkannte in

    ihm einen meiner schwersten Flle wieder. SeineFe und Beine waren damals fast ganz mit Brand-

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    wunden bedeckt gewesen, und seine beiden Augentrugen noch Merkmale von Star-Operationen.

    Na, Mulewa, wie geht es dir?Mulewa?, fragte er kopfschttelnd. So heieich nicht!

    Aber natrlich heit du so. Ich wei doch noch,wie ich deine Brandwunden behandelte, als du blindwurdest, weil du in ein Feuer hineingeraten warst.

    Habe ich dir nicht die Augen operiert und dir dasAugenlicht wiedergegeben?

    Gewiss, Buana, das stimmt schon, aber ich heienicht Mulewa er lachte herzlich. Das war ein-mal mein Name. Jetzt heie ich Benjamin. Guck

    mal! Er nahm ein hlzernes Flschchen, das er umden Hals hngen hatte, zog den Korken heraus undschttete zwei kleine Gegenstnde in seine Hand,die wie schmutzige halbierte Erbsen aussahen. Eswaren seine Augenlinsen. Er hielt sie mir hin undsagte:

    Zehn Jahre lang, Buana, haben mich diese Din-ger nicht sehen lassen. Ich konnte sie einfach nichtloswerden; auch der Medizinmann und meine Ver-wandten schafften es nicht. Nur du mit deinem klei-nen Messer konntest es; und siehe da, ich verstand,wie Jesus Snde wegnehmen kann, diesen Schmutzder Seele. So wurde ich Christ und jetzt heie ichBenjamin. Diese drei Khe hier bringe ich nach Bui-giri als mein Dankopfer an Gott.

    Vorsichtig tat er seine Augenlinsen in die Flaschezurck, die er sich wieder umhngte. Du hast mit

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    deinem Messer viel besser gepredigt als mit deinerZunge, bemerkte er dabei.

    Gerade einen Tag vorher hatte Samson mich nochan eine berhmte Predigt erinnert, die ich einmal ge-halten hatte. In aller Einfalt hatte ich der Versamm-lung erzhlt, ich htte gesehen, wie eine Menge vonBffeln sich von Ast zu Ast geschwungen und be-hnde mit ihren Schwnzen herumgewirbelt htte.

    Wem man bedenkt, dass der Affe auf Suaheli nyaniund der Bffel nyati heit, begreift man, wie leichtsolche Fehler entstehen knnen.

    Wie geht es dir denn jetzt, Benjamin, fhlst dudich wieder krftig?

    Ja, Buana, ganz krftig; nur meine Brustschmerzt ein wenig.Er schlug seinen grauen berwurf zurck und

    lie sich auf einem Felsbrocken mitten im Flussbettnieder. Buana, wenn du dein Hrrohr bei dir hast Ich wrde mich sehr freuen, wenn du mich unter-

    suchen knntest.Ich klopfte leicht und horchte.Es hat nicht viel Sinn, einen Afrikaner whrend

    einer solchen Prozedur neunundneunzig sagen zulassen; daher hatte ich das Wort ngombe gewhlt.Es ist Tschikogo-Dialekt und bedeutet Kuh.

    Der alte Mann atmete tief und sagte ngombe,whrend ich aufmerksam horchte. Ich ahnte nicht,dass ich noch vor dem Abend gehrigen rger mitdem Wort Kuh haben wrde. Ich beruhigte denMann und versprach ihm noch fr denselben Tag

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    Arznei, wenn er ins Krankenhaus kme. Er rief mirLebewohl zu und trieb seine Khe wieder an. Nach

    kurzer Zeit hatten wir das Flussufer gengend abge-flacht, um unsere Reise fortsetzen zu knnen. EineMenge Leute kam uns entgegen, als wir uns Buigirinherten. Jeder von ihnen trieb eine hckerige Kuhauf die Kirche zu. Meistens sieht man die Einheimi-schen Getreide in kegelfrmigen Krben transportie-

    ren wobei die Frauen sie geschickt auf dem Kopfbalancieren, whrend die Mnner sie auf den Schul-tern tragen , doch heute war es eine viehische An-gelegenheit. Vor dem Krankenhaus hielten wir an.Der alte afrikanische Pfarrer und der Dorfschullehrer

    eilten herbei, um uns die Hand zu schtteln.Mbukua, Buana, riefen sie.Ale mbukuenji, erwiderte ich.Buana, es tut sich viel bei uns in diesem Jahr. Un-

    sere Leute haben beschlossen, Gott als Erntedank-opfer aus jedem Haushalt eine Kuh zu geben.

    Hinter der Kirche vernahm man das Brllen undStampfen von Viehherden. Der Erntedankgottes-dienst war sehr eindrucksvoll. Nach dem Gottes-dienst schossen mir eine Menge Gedanken durchden Kopf. Dort hinten musste eine Herde von etwavierzig Khen stehen. Obwohl diese abgehrtetenSteppentiere nicht viel mehr als einen halben LiterMilch am Tag gaben, konnten wir mit zwanzig Li-tern Milch allerhand anfangen. Die Kinder im Kran-kenhaus wrden jeden Tag frische Milch haben daswre ein vernichtender Schlag gegen die furchtbare

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    Rachitis. Weiter dachte ich an die Rinder und die fa-mose Abwechslung, die ein Kalbsbraten in unser tg-

    liches Einerlei von zhen Zweigroschen-Hhnchenbringen wrde. Diese und hnlich rosige Ideen be-wegten mich in jenen Augenblicken.

    Und schon hatte ich den alten Geistlichen an ei-nem seiner Knpfe gepackt und rief: Pastor, das istja prima! Mit allen diesen ngombes werden wir die

    Kinder krperlich strken knnen und ihnen helfen,Krankheiten zu berwinden. Die Kinder knntensogar lernen, wie man Khe ordentlich und saubermelkt! Der Alte bedeckte sein Gesicht mit den Hn-den; aber ich fuhr seelenruhig fort: Wir werden ih-

    nen beibringen, wie man Eimer keimfrei macht. Daswird ein Musterbetrieb in der Milchwirtschaft. Glau-ben Sie mir, es wird ein mchtiger Schritt vorwrtssein in der Wohlfahrt des Stammes hier.

    Er versuchte alles, um sein Lachen zu verbergen.Der Dorflehrer hustete vernehmlich und Daudi stahl

    sich schnell davon, um den Khler zu fllen. Sam-son stand mit ernster Miene neben uns, blinzelte abervergngt mit den Augen. Er wandte sich an mich:

    Hast du dir die Herde schon einmal angesehen,Buana?

    Noch nicht, Samson, warum?Nun komm, wir gehen mal hin.Das Husten des Lehrers musste eine ansteckende

    Wirkung haben, denn der Pastor hustete auch, wo- bei ihm vor unterdrcktem Lachen die Trnen ausden Augen traten.

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    Daudi fllte gerade eine Bchse mit Wasser; er be-fand sich auf der anderen Seite des Missionshauses,

    von wo eine Lachsalve nach der anderen herber-schallte.Fragend sah ich meinen Begleiter an: Was gibt

    es denn da blo, Samson? Jetzt konnten wir dieDornbuscheinzunung und das Vieh darin sehen.Worber lachen sie blo? Was habe ich denn dies-

    mal Falsches gesagt?Nichts, Buana, was du sagtest, war richtig;

    aber vielleicht verstehst du das Wort ngombe nichtganz.

    Doch, natrlich. Ngombe bedeutet Kuh!

    Dann schaute ich mir die Tiere an, und langsamdmmerte es mir.Samson sah mein vor Erstaunen dummes Gesicht

    und brach in Gelchter aus. Wie du siehst, Buana,bedeutet ngombe nicht nur Kuh, sondern auch derMann der Kuh (also Stier). Schau nur hin, es sind al-

    les Mnner.Ich setzte mich auf das Trittbrett meines Wagens

    und lachte lachte lachte.

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    Sukuma

    Daudi stie die Tr mit dem Fu auf; mit einer Bchsein jeder Hand kam er herein und goss Wasser in einekleine Zinkwanne. In ihr konnte ich auf keinen Fallmehr als eine Krperhlfte unterbringen, aber eine

    andere Artvon Wannenbad gibt es im afrikanischenBusch nicht. Daudi grinste, als er den Raum verlie:

    Buana, die Wanne hat einen dnnen Boden.Wenn du dich hineinsetzt, gibt sie laute Tne vonsich! Und so war es auch.

    Mitten in meine Badebemhungen hinein kameine dringliche Stimme von der Tr:Hodi, Buana?Lindile (einen Augenblick), brllte ich, warf ein

    Handtuch ber mich und trat an das Fenster. Wasist los?

    Ein Kranker, Buana.Es war ziemlich dunkel, doch beim Schein des

    Neumondes konnte ich ein afrikanisches Sanitts-auto ausmachen eine Tragbahre, bestehend aus ei-ner langen Stange, an die mit starken Dornen eineDecke geheftet war. Schick sie hinber ins Kranken-haus; in fnf Minuten bin ich unten.

    Vor der Tr traf ich Samson. Ehh, schimpfte er,drei Monate zu spt eingeliefert! Die Medizinmn-ner sind am Ende ihrer Kunst angelangt, das Kindist halb tot und jetzt kommen sie zu uns. Es ist ein

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    zehnjhriges Mdchen, Buana. Es liegt da mit an-gezogenen Beinen, so er setzte sich auf die Erde

    und zog die Knie unter das Kinn , und sie hat Ge-schwre ! So etwas hast du noch nie gesehen.Wir eilten hinber in den Vorbehandlungsraum,

    dessen Lehmdach von Gras berwuchert war. Aufdem Boden sa, auf einer Decke zusammengekau-ert, eine verhrmte kleine Einheimische. Ich beugte

    mich ber sie, um sie zu betrachten. Unter beidenKnien hatte sie Geschwre, die grer waren als eineHandflche. Sie war ber und ber mit Hautaus-schlgen und Wunden bedeckt. Ein Fleck auf demUnterarm lie Aussatz vermuten. Ich ordnete Be-

    handlung und frische Kleider an. Doch erst nach lan-gem Gezeter erklrten die Angehrigen sich bereit,sie bei uns zu lassen. Schlielich erlaubten sie uns,sie spter ber die Berge nach Mwumi zu bringen,wo wir sie operieren mussten, um ihre Beine wiedergerade zu richten. Ich sah zu, wie die Oberschwester

    und eine Afrikanerin vorsichtig die grsslichen Ge-schwre verbanden. Was musste das arme Kind inseiner Lehmhtte gelitten haben, wo es nach Art derEinheimischen auf einer Kuhhaut, nur von einer al-ten Matte bedeckt, gelegen hatte.

    Am anderen Morgen waren wir bereit, zu unseremnchsten Krankenhaus zu fahren. Wir winkten demPersonal dieser C.M.S.1-Auenstation zum Abschiedzu und fuhren die Berge hinunter auf die kaum er-

    1 Churchman Missionary Society = die Missionsgesellschaft, der Dr. Whiteangehrte.

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    kennbare Spur zu, die die Hauptstrae zur Kstedarstellte.

    Die Strae fhrte uns durch ein Dornbusch-dickicht. Bisweilen befanden wir uns in einem rich-tigen Tunnel, wenn die Zweige sich ber uns be-rhrten. Rechts lag ein kleiner See; seine flachen Stel-len waren mit Wasserlilien der verschiedensten Far- ben belebt. Enten und Gnse schwammen davon

    und eine Schar weier Reiher flog kreischend auf,als wir vorbeifuhren. Die Sonne ging gerade mit gro-er Pracht unter. Unsere glitschige Strae wand sicheinen gerllbedeckten Abhang hinunter. Sie fhrtezickzackfrmig in eine Ebene, die in der Regenzeit

    einen zwei Meilen breiten Fluss bildete, in der Tro-ckenzeit jedoch lediglich eine Vertiefung zwischenden beiden Hhen darstellte. Der Name des Flusseswar Tschinjasungue.

    Ich wurde an einen Tag im vorigen Jahr erinnert,als der Bischof auf Fahrt war. Sein Auto war im

    schwarzen Schlamm stecken geblieben und vomHochwasser erwischt worden. Er und sein Autojunge Jakob hatten den halb versunkenen Wagen schnellan einen Baum gebunden und dann zuschauen ms-sen, wie die Fluten stiegen, bis nur noch das Dach zusehen war. Dann mussten sie eine lange Zeit beimLicht der Sturmlaterne durch den Schlamm watenund nachdem der kleine Afrikaner in ein tiefesWasserloch gerutscht war eine noch lngere Zeitohne Licht auskommen.

    Meine lustigen Erinnerungen an anderer Leute

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    Jetzt, Buana, schnell, flsterte Samson.Der Verschluss klickte. Es war ein herrlicher An-

    blick. Der Tnzer glnzte von Schwei und Fett; dieFuchsschwnze an seinen Fukncheln konnte manvon unserem Standort aus gut sehen, ebenso dashelle Blau um seinen Mund und die roten Rnderum seine Augen. Er fhrte noch eine Reihe von So-lokunststcken vor, mehrere Ajas, und blies dabei

    schrille Tne auf einer Art Posthorn.Samson ergriff meinen Arm. Der Huptling kam

    auf uns zu. Er war ein alter Bekannter und ein dank- barer Patient. Nach der blichen Begrungszere-monie fragte er: Hast du Fotos gemacht, Buana? Du

    hast wohl den Tanz in deinem kleinen schwarzenKasten eingefangen? Ich zeigte ihm die Kamera.Der Staub und Gestank waren kaum noch auszu-

    halten. So ging ich mit dem Huptling zum Wagenzurck. Um vorzubeugen, gab ich ihm vier Tablet-ten Aspirin, denn ich war sicher, dass diese Festlich-

    keiten bei ihm mit Kopfschmerzen enden wrden.Eine Viertelstunde ohrenbetubender Lrm underderschtterndes Getrampel von tausend Fenwaren auch fr mich mehr als genug.

    Wie blich bockte der Motor und sprang nicht an.Der Huptling holte ein Dutzend seiner Leute zumSchieben. Sie grlten vor Freude und begannen ei-nen regelrechten Gesang, dessen Verse immer mitsukuma endeten.

    Was heit denn sukuma, Samson?, fragte ich.Schiebt, Buana.

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    Gut. Von heute an soll der Wagen Sukuma hei-en!

    Wie zum Protest sprang die Maschine an undschon sausten wir um die nchste Ecke. Ich hrte un-sere Freunde noch ein letztes sukuma brllen. Wirhatten die letzte Etappe auf unserer Reise nach Mpu-apua begonnen.

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    Tod und Verderben

    dem Knig der Raubtiere

    Es war gegen Mittag, als wir am Haus der Missions-gesellschaft ankamen. Es lag am Abhang des histo-

    rischen Mpuapua-Berges. Von hier aus konnten wirviele Meilen hgeliger Ebene berblicken. Das Per-sonal des nahe gelegenen Krankenhauses kam her-beigerannt, um uns zu begren. Etwa ein DutzendPatienten wartete auf Behandlung. Ich wusste, dass

    noch vor Abend die Nachricht von meiner Ankunftsich berall herumgesprochen haben und ihre Zahlauf weit ber hundert anwachsen wrde.

    Beim Mittagessen hie der diensttuende Missio-nar uns willkommen. Er war whrend seiner Studen-tenzeit ein ausgezeichneter Hockeyspieler gewesen.

    Sie haben es mit Ihrer Ankunft gut getroffen,mein Lieber, lchelte er. Der Landwirtschaftsbe-amte hat uns fr heute zum Abendessen eingeladen.Ich habe bereits zugesagt, und zwar auch fr Sie. Erversprach auch, uns weder zhe Hhnchen noch Spi-nat vorzusetzen. brigens ich habe eine glnzendeLwengeschichte fr Sie auf Lager. Das heit lassenwir lieber heute Abend unseren Gastgeber erzhlen.Ich selbst war nmlich derjenige, der den Lwen ge-schossen hat.

    Von drauen drang Lrm herein. Das bedeutete

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    Arbeit fr mich. Ich ging hinauf zum Krankenhausund verbrachte den Nachmittag bei Hrrohr und

    Spritzen. Samson und Daudi splten eifrig Flaschen.Offenbar hatten die meisten Kranken groe Schmer-zen, was aber ihre Frhlichkeit keineswegs zu be-eintrchtigen schien. Die wirklich schlimmen Fllebehandelte ich; die anderen Patienten erhielten eineKarte mit dem Vermerk Mist. Mag. Sulph.

    Am spten Nachmittag richteten wir die Apo-theke neu ein. Vor dem kleinen Krankenhaus mitseinem Grasdach und seinen Lehmwnden sitzend,wog ich sorgfltig die verschiedenen Arzneimittel abund verteilte sie in Flaschen. Bis Sonnenuntergang

    hatte ich 45 Liter von sechs verschiedenen Arzneienabgefllt.Samson und ich trugen die Flaschen in den Vor-

    ratsraum zurck. Zwei Schwestern halfen uns; da-bei wollten sie die Sachen unbedingt auf dem Kopfbalancieren. Mir lief es hei und kalt ber den R-

    cken, als ich sie unbekmmert mit den groen Fla-schen voller Hustensaft daherlaufen sah.

    Am Abend brach ich mit dem Geistlichen auf; wirhatten nur eine Meile bis zur Regierungshauptstadtzu laufen. Dort also erwartete uns der Landwirt-schaftsbeamte zum Essen.

    Der Weg fhrte durch eine sehr dunkle Gegend.Mein Begleiter leuchtete mit der Taschenlampe voran.

    Es war erst vorige Woche, als ich den L-wen schoss, Doktor, neun Fu vom Kopf bis zumSchwanz. Ein

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    Hinter uns hrten wir ein wieherndes Grunzen.Ich fasste den Arm des Pfarrers. Was war denn

    das?! Er lachte. Ach, nur ein altes Flusspferd, dasjeden Abend in diesem Teil der Welt spazieren geht.Es kommt von dem See dort drben.

    Nach einem vortrefflichen Abendessen setztenwir uns zu einer Tasse Kaffee auf die mit Moskitonet-zen umzogene Veranda. Es duftete angenehm nach

    Frangipani. Mein Gastgeber hob seine Tasse hoch:Ein dreifaches Hoch auf unseren Pfarrer, und Un-tergang und Tod dem Knig der Raubtiere und allenseinen Genossen!

    Na, dann schieen Sie mal los!, lachte ich.

    Wir machten es uns bequem und er begann: Es istgerade einen Monat her, als mein Diener jammerte,einer unserer besten Ochsen sei gettet worden. EineWoche spter verschwanden zwei weitere Ochsenauf geheimnisvolle Weise. Als ich nach Hause kam,untersuchte ich die Gegend und nahm Johannes mit.

    Buana, sagte er, berall wimmelt es von Lwen und in der Tat, so war es. Im Blumenbeet meinerFrau waren Fuspuren von Lwen; sogar auf denTreppenstufen am Hauseingang entdeckte ich wel-che. Viele Einheimische wagten gar nicht, bei Nachtdas Haus zu verlassen. So hielten der Pfarrer undich Kriegsrat. Wir planten eine Lwenjagd. Uns bei-den kam ein glnzender Gedanke. Wir wollten allesso lassen, wie es war: Das Vieh sollte im gewohntenKral bleiben und wir wollten uns hinter einem gro-en Baum verstecken, jeder mit einer Sportbchse

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    und einem schweren Gewehr bewaffnet. So etwaszu planen, war sehr leicht, aber als wir am nchs-

    ten Abend nach Einbruch der Dunkelheit losgingenund unsere Kampfstellungen hinter dem Baumrie-sen bezogen hatten, war uns die Sache doch nichtganz geheuer. Wir waren sechs, unser Pfarrer hier,vier Afrikaner und ich. Zwei der Afrikaner stieenals Sphtrupp zu dem Kral vor. Wir kontrollierten

    die Ladung unserer Gewehre. Beide Lufe waren mithaselnussgroen Bleikugeln geladen; und wie Siewissen, reien diese Dinger, aus nchster Nhe ab-gefeuert, in jedes Tier ein Loch von der Gre einesSuppentellers.

    Die Grillen zirpten leise im Gras. Moskitosschwirrten umher. Offenbar hatten auch sie das leb-hafteste Interesse am weiteren Verlauf der Dinge.Jenseits des Viehhofes heulte eine Hyne. Die Herdegeriet in Unruhe, und als der Mond ber dem dorn- buschbewachsenen Hgel auftauchte, vernahmen

    wir das heisere Brllen eines Lwen.Wir starrten erwartungsvoll in das Dunkel, konn-

    ten aber nichts erkennen. Mit einem Stck Kreidefrbten wir die Zielvorrichtung der Gewehre wei.Da wir beim Abschuss nur wenige Meter von einemhungrigen Lwen entfernt sein wrden, konnten wires uns nicht leisten, danebenzuschieen. Ein Schlagmit seiner Tatze und eine Todesanzeige konnte ab-geschickt werden.

    Das Gesumme der Insekten dauerte an, nicht je-doch das Brllen des Lwen. Es war irgendwie un-

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    heimlich, den Abhang beobachten zu mssen, vondem wie wir genau wussten der Lwe herab-

    schlich. Dort vor uns lauerte der Tod und dochschien alles so friedlich und ruhig. Die Ebene hinteruns schimmerte im Mondlicht und der mitterncht-liche Wind bewegte sanft die Bltter.

    Ich blickte zum Pastor hinber.Mitternacht, knurrte ich, und diese Moskitos

    fressen mich bald auf! Ich wnschte, ich wre imBett das war auch mein Wunsch. Die Minuten kro-chen wie die Insekten dahin. Ringsum war es still;pltzlich lie eine Hyne ihr schauriges Gelchterhren. Einer unserer Afrikaner fuhr schlaftrunken

    hoch, stolperte ber die Beine des nchsten und fielkrachend ins Gebsch. Die Hyne machte sich ausdem Staub.

    Aja, eh, aja, jaja, gue,sthnte der Afrikaner undrieb sich seine zerschundenen Glieder. Wir kichertenleise vor uns hin.

    Dann wurde es wieder langweilig. Ich blickte aufdie Leuchtziffern meiner Uhr.

    Zwei Uhr, Pastor. Eine Viertelstunde geben wirihm noch. Wenn er bis dahin nicht zum Vorscheinkommt, dann ins Bett!

    Zehn weitere Minuten vergingen. Der Pastor rich-tete sich auf und reckte die Glieder. Gerade hrte ichihn tief ghnen, als einer der Einheimischen ihn ander Schulter packte und auf einen Punkt dicht hinterdem Viehhof deutete.

    Der Schlaf war wie weggeblasen. Ich stand rechts

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    von dem Baum, unser Pastor links. Jeder von unssphte vorsichtig um seine Baumseite herum. Dort,

    im Eingang des Krals, sah ich den gewaltigen Kr-per und die dunkle Mhne eines wahrhaft knig-lichen Lwen. Der Mondschein lie ihn noch grererscheinen.

    Das Vieh schnaubte erschrocken und versuchte,durch die Buschhecke auszubrechen. Deutlich hrten

    wir den Atem des Lwen. Langsam und ohne jedeEile ging er in die Umzunung hinein.

    Da blitzte meine Lampe auf; der Lichtschein hieltihn fest wie ein Scheinwerfer das Flugzeug. SeineAugen funkelten blutrot, er ffnete das Maul zu ei-

    nem wtenden Knurren. Das war das verabredeteZeichen zum Feuern.Der Pastor schoss.Der Lwe brllte heiser, erhob sich halb auf die

    Hinterbeine und kam taumelnd wieder herab.Fr einen Augenblick dachte ich, er wolle sich

    zum Sprung ducken. Ich griff nach der Kugelbchsean meiner Schulter.

    Aber ich brauchte nicht auch noch abzudrcken;das riesige Tier fiel donnernd zu Boden; es warmausetot.

    Wir traten heran, um uns den Lwen anzu-schauen, und errterten gerade, ob er wohl neun Fuvom Kopf bis zum Schwanz gro sein knnte, da lieuns eine schleichende Bewegung in der Dunkelheitwieder zu den Gewehren greifen.

    Ich frchtete schon, es sei ein zweiter Lwe, doch

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    was davonlief, war nichts anderes als ein Schakal,der Beute gewittert hatte.

    Unser Gastgeber schenkte sich noch eine TasseKaffee ein, whrend ich ihm meinen Beifall frdie Geschichte zollte. Wir hrten die BBC2-Nach-richten. Die Schlge der Uhr von Londons Big Bendrhnten durch den Lautsprecher und drauen heul-ten Hynen. Es war ein wahrhaft ungewhnlicher

    Zusammenklang.Als der Pfarrer und ich nach Hause gingen, schien

    der Mond voll auf uns herab. Undeutliche Schattenhuschten ber den Weg.

    In jedem Busch meinte ich eine schwarze Mhne

    zu erblicken. Um jede Ecke fhlte ich etwas schlei-chen, und mein Herz stand beinahe still, als ichim hohen Gras jenseits des Missionshauses einKnacken und Brechen vernahm. Doch diesmal be-ruhigte ich mich wieder: Deutlich zeichnete dasMondlicht die Umrisse eines Nilpferdes ab.

    2 British Broadcasting Corporation = eine englische Radiogesellschaft.

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    Ein Leopard

    im dunklen Busch

    Jemand stie die Tr zu meinem Zimmer auf. Eswar noch dunkel. Ich sphte durch die Moskitovor-

    hnge.Hodi?, fragte eine Stimme.Karibu, erwiderte ich. Herein kam ein Arbeiter

    des Krankenhauses.Use ku hospitali, mbera! (Buana, komm schnell

    ins Krankenhaus.) Ich tastete nach meinen Kleidernund folgte ihm im Laufschritt. Die Knpfe machteich mir unterwegs zu. In dem niedrigen Kranken-hauszimmer arbeiteten wir fieberhaft beim Scheineiner Sturmlaterne. In einer halben Stunde konntenwir drei Menschen das Leben retten. Die Anstren-

    gung war der Mhe wert. Die Mutter htte unserealte afrikanische Schwester allein behandeln knnen,aber die Zwillinge wren ohne mein Eingreifen amMorgen gewiss tot gewesen. Ich war erstaunt berdie Leistungsfhigkeit der alten Muendua. Sie be-hielt bei allem einen klaren Kopf. Die Babys schie-nen sich zu erholen. Ich taufte sie Sing und Sang.Whrend ich der Mutter den Puls fhlte, flstertesie: Buana, meine vier Kinder sind alle gestorben;sie wurden im Busch geboren, aber diese zwei wer-den leben.

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    Da brummte die alte Muendua: Fttere sie, wieich es dir sage, und sie werden am Leben bleiben.

    Gib ihnen Haferbrei, und sie sterben wie die ande-ren.Die Sonne erhob sich ber den Hgel, wo der

    Lwe erlegt worden war.So frh auf den Beinen, Doktor!?, lachte mein

    Freund, als er mir den Tee brachte.

    Ja, Pastor, aber vor dem Frhstck drei Men-schenleben zu retten, ist ein ganz netter Tagesanfang,meinen Sie nicht auch?

    Ich wollte eigentlich vor Mittag fertig sein, mussteaber zuerst einen Fall mit einem Schlangenbiss und

    danach unseren lecken Autokhler verarzten. Es warvier Uhr, als wir endlich aufbrachen. Bis Kongua wa-ren es zwanzig Meilen. In einem indischen Ladenkaufte ich drei Kanister Benzin. Meine Augen fielenauf einige Packungen Schokolade. Ich berlegte ei-nen Augenblick, ob es wohl Luxus wre, sie mir zu-

    zulegen. Ich kam zu dem Ergebnis, dass es nicht sosei, und kaufte sie.

    Die Strae wand sich am Fu der Hgelkette hin.Sie war sehr glitschig und wir erlebten einige aufre-gende Rutschpartien. Da wir eine wertvolle Ladunghatten, steuerte ich den Wagen mit grter Vorsicht.In Mpuapua hatte ich nmlich meine Frau und mei-nen kleinen Jungen zu der Zeit noch ein Baby ab-geholt, um sie fr den Rest ihrer Ferien nach Konguazu bringen.

    Ich sah besorgt auf meine Uhr. Es war halb fnf.

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    Wir konnten gut vor Einbruch der Dunkelheit inKongua sein, doch auf Safari in Tanganjika wei man

    nie, was die nchste Stunde bringt. Gerade warenwir da angelangt, wo ich vor zwei Tagen den afri-kanischen Tanz beobachtet hatte, als ein Mann wiewahnsinnig die Strae herabgerannt kam und wildmit den Armen fuchtelte. Ich hielt an:

    Buana, der Huptling braucht dich dringend,

    keuchte er, ganz auer Atem. Mit einem tiefen Seuf-zer folgte ich dem Boten. Wir fanden den Huptlingmit einer Anzahl der ltesten des Stammes um eineFrau herumstehen; sie lag am Boden. Ihr ganzer Kr-per zuckte in alarmierender Weise. Sie rollte mit den

    Augen und ihre dicken Lippen bewegten sich unauf-hrlich.Buana, rief der Huptling mir zu, diese Frau

    hat matschisi, der Teufel ist in ihr.Dagegen habe ich eine Medizin, erwiderte ich

    lchelnd und nahm eine Flasche aus der Tasche im

    Wagen. Die eingefallenen Wangen der Frau gingenin erschreckender Weise auf und nieder. Ihr Kopf fielvon einer Seite auf die andere, sodass man befrch-ten musste, er wrde herunterfallen.

    Ich reichte Daudi die Flasche. Sorgsam zog er denKorken heraus, trat an die Frau heran und blies ihrsanft den Duft der Flssigkeit ins Gesicht. Einen Au-genblick lang rollten ihre Augen furchterregend, ihrKrper zitterte. Doch sogleich wurde sie ruhig, hus-tete einmal frchterlich und setzte sich aufrecht hin,erschpft, doch wieder ganz ruhig.

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    Der Huptling und seine Leute sahen voll Ver-wunderung zu.

    Jah , riefen sie, so etwas haben wir noch nichtgesehen. Ist das eine Medizin!Daudi blies ein wenig zu ihnen hin. Sie hielten die

    Hand vor den Mund. Eh, das ist scharf!Mindestens fnf Minuten sprachen sie erregt mit-

    einander. Dann fragte der Huptling: Was war das

    fr eine Medizin, Buana? Ist es ein Geheimnis? Ge-hrt es zu den Dingen, die nur rzte kennen? Darfich berhaupt danach fragen?

    Aber sicher, Mutemi. Es gibt nicht viele Geheim-nisse ber unser Krankenhaus und unsere Arzneien.

    Diese Medizin fhre ich im Auto mit, fr den Fall,dass wir einem Lwen begegnen.Jah, sie ist scharf. Aber sind Gewehre nicht doch

    noch schrfer?Ein Jagdschein kostet Hunderte von Schillingen;

    deshalb schtze ich mich auf meine Weise. Ich ver-

    sichere dir, dass der grimmigste Lwe seine An-griffslust verliert, wenn er hiervon eine Flasche insGesicht bekommt.

    Jah , lie Daudi vernehmen, der wrde hus-ten! In der Tat, Ammoniak ist eine vortreffliche Me-dizin.

    Eine halbe Stunde konnten wir noch bei Tageslichtfahren, als wir zum Endspurt aufbrachen; doch kaumhatte ich die enge und holprige Ausfahrt des Dorfesverlassen, da zischte es im Hinterreifen Die Sonneging eben hinter dem kegelfrmigen Berg unter, an

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    dem es nach Aussage der Einheimischen spukte.Im Eiltempo wechselten wir den Reifen und wei-

    ter ging es. Die berhngenden Dornbuschste ver-grerten die Dunkelheit, sodass ich die Scheinwer-fer einschalten musste. Doch sie leuchteten nichtauf. Unser Baby war hungrig; es fing an zu schreien.Ich sprang heraus, hob die Motorhaube hoch und begann, das Drahtgewirr zu untersuchen. Aus dem

    hinteren Teil des Wagens kramte ich eine Taschen-lampe hervor, stolperte aber im Halbdunkel ber ei-nen Stock und fiel hin. Die Lampe war zerbrochen. Sohatte ich nichts mehr, womit ich den Bauch des altenklapprigen Autos htte operieren und flicken knnen.

    Ich wagte nicht, ein Streichholz anzuznden, dennum mich herum roch es stark nach Benzin. Einen Au-genblick berlegte ich, dann rief ich Daudi und Sam-son, und im Nu brannte ein loderndes Feuer von tro-ckenen Dornbuschsten etwas abseits des Wagens.

    Meine Frau schritt mit dem Kind auf und ab. Sie

    war noch in Rufnhe und bewunderte gerade die Sil-houette der Berge gegen das tiefdunkle Rot des erl-schenden Sonnenuntergangs.

    Da rief sie: Hier macht jemand einen frchter-lichen Krach!

    Samson horchte angespannt. Bibi lauf, kommschnell hierher! Tschuwi!

    Das ist ein Leopard, Mary!, keuchte ich. Siesprang in den Feuerschein zurck. Dort drauen imDunkeln konnten wir eine dunkle Gestalt schleichensehen.

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    Unsere Situation war alles andere als rosig. DieScheinwerfer konnte ich einfach nicht reparieren. Da

    saen wir nun in der Dunkelheit, und um uns herumschlich die gesamte Tierschau des zoologischenGartens von Tanganjika.

    Im Schein des Feuers knieten wir uns hin, undich legte Gott unsere ausweglose Lage dar. Ich batihn, uns zu helfen. Im Geiste sah ich uns alle schon

    wieder sicher im Wagen sitzen. Das Kind schlief,die Moskitos umschwrmten uns und keiner konnteuns etwas anhaben, obwohl sie sicher alle malaria-verseucht waren.

    Ich versuchte, das Innere des Wagens zu erleuch-

    ten, indem ich das flackernde Licht mit Hilfe desRckspiegels auf den Motor fallen lie. Schnell fandich den Fehler, flickte den gerissenen Draht und um-wickelte ihn mit Isolierband, um gleich darber be-lehrt zu werden, dass die durchgebrannte Sicherungdie Ursache war. Das wre nichts Besonderes ge-

    wesen, wenn nicht irgendjemand in Mpuapua sichmeine Dose mit Ersatzsicherungen ausgeliehenhtte. Noch einmal schien es, als steckten wir hoff-nungslos im Dschungel fest, mitten in der Tierwild-nis im dunkelsten Afrika.

    Noch einmal betete ich still um Hilfe. Zu allemberfluss wurde ich auch noch hungrig. Da dachteich an die Schokolade. Hier war die Lsung derSchwierigkeiten! Ich war mir am Morgen nichtim Klaren gewesen, ob ich die Schokolade kaufensollte, doch zweifellos hatte Gott, der jede Kleinig-

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    keit im Voraus bedachte, dies alles vorausgeplant.Ich bastelte mir eine Ersatzsicherung, indem ich ein

    Stck Silberpapier um ein Stckchen wickelte, undklemmte sie in den Halter. Ein Drehen des Schaltersund die Strae vor uns war hell erleuchtet.

    Jah , staunte Samson, suanu (gut), und nebenmir hrte ich meine Frau sagen: Gott sei tausendDank! Ich rief die anderen Jungen, und auf gings.

    Selten habe ich Licht so zu wrdigen gewusst wiein jener Nacht. Schon nach einer Stunde kamen wirnach Kongua. Die Stadt macht durchaus keinen be-sonderen Eindruck. Sie liegt weitab von der Bahn-strecke, tief in den Bergen versteckt und hat nur eine

    Handvoll Huser. Doch an jenem Tage empfing sieeine Nachricht, die sie noch weithin bekannt machensollte.

    Ich holte den Postsack aus dem Auto hervor. Diediensttuende Schwester, die diese missionsrztlicheAuenstation leitete, stellte ihn zur Seite und half

    meiner Frau und dem Kind aus dem Wagen. Dannffnete sie ihre Post.

    Begeisterung beschreibt kaum unsere Gefhle, alswir lasen, dass dieses kleine C.M.S.-Krankenhaus,das zu bauen weniger als hundert Pfund gekostethatte, in einem weltweiten Wettbewerb den groenPreis fr die Kinderpflegewoche erhalten hatte.

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    Pannen, Operationen

    und eine Tragdie

    Mittags wollte ich in Berega sein. Das waren nurzweiundsiebzig Meilen; daher dachte ich, wir wr-

    den es einige Pannen eingerechnet bequem schaf-fen. Doch wir saen immer noch fest, nicht einmalauer Sichtweite von Kongua, und es war bereitszehn Uhr.

    Samson flickte das elfte Mal die Reifen:

    Kah, brummte er, ich mchte blo mal wissen,warum dieses Volk immer die ste von den Dorn- bschen schneidet und mitten auf den Weg wirft.Fnf Dornen in diesem Reifen, sechs in dem da! Ichging um den Wagen herum und sah nach dem Vor-derrad. Auch das war platt. Samson blickte auf und

    lachte.Vor morgen kommen wir nicht nach Berega,

    Buana. Ich werde weiter flicken, geh du am bestenfotografieren.

    Ich half ihm, den Wagenheber unter die Achse zusetzen. Dann schlenderte ich den Hang hinab, aufden Dorfmarkt zu.

    Dieser Platz, den die Einheimischen Soko nennen,hatte schon immer meine Neugierde erregt. Als ichan der langen Reihe von Krbisflaschen, Tonkr-gen, Kalebassen und lbchsen vorbeiging, musste

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    ich lcheln. Jedes Mal, wenn ein Gef der Handdes rotbemtzten Suahelis, der den Wasserhahn

    bediente, nher kam, verlie eine Frau die schwat-zende Menge, die unter einem Baum Schutz vor derSonne gesucht hatte. Zwei kleine Mdchen hattennichts anderes zu tun, als dauernd die Tpfe weiter-zuschieben. Die besonders Klugen unter den Afrika-nerinnen nahmen ein gewundenes Tuch, legten es

    auf den Kopf, setzten ihr volles Gef darauf und ba-lancierten es so nach Hause. Vorher jedoch rcktensie ihr Baby auf dem Rcken zurecht, riefen den an-deren ein Wort des Abschieds zu und zogen davon,manche zehn Meilen weit durch die Ebene.

    Ich machte einige Aufnahmen und unterhieltmich mit dem Marktmeister ber die Ernte. Lngstbevor es in Sicht war, kndigte unser altes Auto mitRattern und Stoen sein Kommen an. Es war elf Uhr,als ich an Bord kletterte. Eine lange Zeit fhrte unsder Weg an Bergen mit gezackten Granitfelsen vor-

    bei. Wir berholten einige der Frauen mit ihren Was-serkrgen. Jedes Mal, wenn eine Frau uns kommenhrte, hielt sie ihren Krug fest, ging zur Seite undwinkte uns lchelnd zu, wenn wir vorbeifuhren.

    Die Strae stieg allmhlich an. Hinter Rubeho,einem Flecken, der stolz seine indischen Ldenzur Schau stellte, kamen wir auf einen steilen, un-gezunten Bergpass und erlebten eine Reihe vonRutschpartien auf roter Erde. Die Gegend wies mehrund mehr Wald auf. Hier war die Affenbevlkerungin ihrem Element. Bisweilen berragte das Gras un-

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    Ich untersuchte sie sorgfltig und versprach ihr, sieam Nachmittag zu operieren.

    Doch das war leichter gesagt als getan. Der Ope-rationstisch war zu kurz und musste mit Benzin-kanistern verlngert werden. Die Patientin warwenig auf die Operation vorbereitet; aber man mussetwas riskieren, wenn man Blitztouren zu siebenKrankenhusern macht, die ihrerseits wieder nur

    einen Teil meines Aufgabengebietes in Tanganjikaausmachten.

    Nach der alten Frau kamen drei Leute mit rie-sigen Geschwren. Alle waren schon sechs Monateund lnger in Behandlung gewesen. Ihre Beine wa-

    ren so weit, dass man mit gutem Erfolg Hautbertra-gungen machen konnte.Diese Jungen kommen auch heute Nachmittag

    an die Reihe, Schwester, und dann werden wir dengebrochenen Arm dieses Kindes in Ordnung brin-gen. Ist es tatschlich schon drei Wochen her, seit

    dieser Unfall passiert ist? Das wird eine bedenklicheOperation hier drauen, ohne Rntgengert. Auchdie vielen Schwellungen machen es schwierig, dieBruchstelle zu befhlen. Damit werden wir wohl denganzen Nachmittag zu tun haben.

    Ein dnner Bergnebel kam herunter und nahmuns das Licht weg. Wir arbeiteten im Vorunter-suchungsraum. In der Tr stand eine afrikanischeSchwester mit einer Flitspritze und machte alle neu-gierigen Fliegen oder Wespen kampfunfhig. bermeinem Kopf hing ein Bettlaken als Hilfsdecke aus-

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    gebreitet, denn bisweilen fiel Gras oder Lehm vonder Decke herab, was mitten in einer Operation nicht

    sehr dienlich ist.Zuerst kam die alte Frau an die Reihe. Sie tat alles,was wir ihr sagten, und in einigen Augenblicken wardie Sache erledigt. Sie wurde ins Krankenzimmer ge-tragen. In einem Stckchen Tuch hatte sie die Augen-linsen, die ich beseitigt hatte und die sie so viele Jahre

    lang nicht hatten sehen lassen. Dann setzten wir den Jungen mit dem gebrochenen Arm unter Narkose.Whrend die Schwester die letzte der drei Hautber-tragungen verband, sah der afrikanische Lehrer zurTr herein.

    Buana, darf ich zusehen? Ich nickte. Er beobach-tete neugierig unsere Arbeit, bis er pltzlich ther indie Nase bekam. O-o-o-oh, rief er, ah-a-a-ach! Dasriecht aber stark!

    Schlafmedizin, erklrte ich.Jah, versetzte er und hielt sich die Nase zu. Ich

    mchte lieber wach bleiben.Der Patient verlor langsam das Bewusstsein. Ich

    rckte den Arm wieder in die richtige Stellung undbefhlte die Knochen etwa fnf Minuten lang. Dannwar ich zufrieden: Die Bruchenden der Knochenscheinen in guter Ausrichtung zu sein. Gib mir bitteden Gipsverband.

    Der Vater meines kleinen Patienten hatte aus-nahmsweise zuschauen drfen. Ich vernahm seinetiefe Stimme. Er brummte etwas in fremdem Dialektvor sich hin. Der Pfleger lachte: Er meint, Buana,

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    es ntze gar nichts, eine Binde aus Stoff anzulegen,auch wenn Mehl darauf sei. Der Arm brauche Eisen

    oder Holz als Halt.Inzwischen war der Gips hart geworden.Sag ihm, er solle herkommen und ihn anfassen,

    sagte ich. Er kam heran und betastete den Gips be-hutsam.

    Jah, rief er aus, er ist hart wie Zement. Das ist

    Magie!Und schon war er verschwunden.Das ganze einheimische Personal hielt sich anein-

    ander fest vor Lachen. Ein Pfleger rannte hinter ihmher, um ihm die Sache zu erklren, und eine halbe

    Stunde spter zog der Mann mit einer Streichholz-schachtel voll Gips nach Hause, um dessen Wirksam-keit allen Freunden und Verwandten zu demonstrie-ren.

    Ich wusch den Gips von meinen Hnden undwandte mich an die Schwester. Noch etwas auf dem

    Programm?Ja, lchelte sie. Da ist ein Mann, dessen Zhne

    mir zu fest sind. Ich habe mich an einem faulen ver-sucht, doch ohne Erfolg. Er mchte, dass Sie ihn be-handeln.

    Ich betubte einen Nervenstrang, und er war sehrerstaunt, dass sein Unterkiefer dick und gefhlloswurde. Der Pfleger stand als Kopflehne hinter demHocker. Der Unterkieferknochen des Afrikaners warhart wie Elfenbein. Der Zahn zeigte tatschlich we-nig Lust, seine Hhle zu verlassen.

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    Neulich abends war ich wirklich schockiert. Un-ser Postbote hatte auf der siebzig Meilen weiten Stre-

    cke von der Bahn hierher sein Hemd zerrissen. Alsich die Briefe entgegennahm, sah ich ein Stck lepra-kranker Haut durch den Riss. Zum Glck war dieKrankheit erst im Frhstadium und konnte leicht be-handelt werden. Danach kam der Koch und sagte, erhabe einen hnlichen Fleck. Das war nicht gerade ein

    angenehmes Gefhl fr mich.Sie sollten einen vollzeitlichen Arzt hier haben.

    In der Regenzeit haben Sie keine Verbindung zurAuenwelt, und auch bei trockenem Wetter ist dienchste rztliche Hilfe hundert Meilen entfernt.

    Es ist schrecklich, Doktor. Voriges Jahr wurdenwir durch berschwemmungen abgeschnitten, alseine Epidemie von Hirnhautentzndung um sichgriff. Ich selbst behandelte etwa dreiig Flle. Auer-dem musste ich noch die Ausstzigen-Abteilung be-treuen und dazu die Babys zweihundert wurden

    im letzten Jahr hier geboren. Doch die schlimmstenAugenblicke sind die, wenn eine dringende Ope-ration zu machen ist und ich den Patienten sterbensehe, weil eine Schwester eine solche Operation nichtdurchfhren kann.

    Ich staunte ber die Tapferkeit dieser Schwestern.Hundert Meilen vom nchsten Arzt entfernt, hat-ten sie tglich unter den schlechtesten Bedingungenmit ernsthaften klinischen Fllen zu tun; immer frh-lich gingen sie an die Arbeit, ermutigten sich in Er-innerung an die vielen Erfolge und vergaen die ge-

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    legentlichen traurigen Begebenheiten, die unver-meidlich waren.

    Der Nebel war verschwunden und der rote Ballder Sonne ging hinter den Bergen unter.Ich spielte gerade Fuball mit den Jungen, als eine

    Schwester keuchend herbeigerannt kam.Buana, komm schnell ins Krankenhaus!Ich folgte ihr sofort. Als wir ankamen, war es

    fast dunkel. Auf dem Boden lag eine kaum atmendeFrau. Man hatte sie auf einem afrikanischen Bett berFlsse und durch dichtes Unterholz getragen, wobeisie natrlich dauernd gerttelt und geschttelt wor-den war. Eine Schwester brachte eine Sturmlaterne.

    Schnell untersuchte ich die Frau. Sie hatte eine innereBlutung; eine sofortige Operation war notwendig.Ihre Angehrigen kamen aus einem entfernten

    Dorf und sprachen eine Sprache, die weder dieSchwester noch ich verstanden. Der Lagerverwalterdiente uns als Dolmetscher.

    Sag ihnen, Godwin, dass ich sofort operierenmuss. Sie blutet innerhalb des Krpers, und wenn wirdas nicht abstoppen, wird sie sehr bald sterben.

    Er machte dies den Verwandten klar. Sie unter-hielten sich darber. Ich hatte nicht viel chirurgischeAusrstung bei mir; also ging ich an meine Reserve-vorrte.

    Ich brauche Klammem, Schwester, groe undkleine. Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ichzwei Lffel umbiegen und auch die Griffe der La-terne zu Klammern zurechtbiegen.

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    Ein Spirituskocher wurde angezndet und die In-strumente wurden in einer Bchse ausgekocht. God-

    win trat ein.Sie wollen es nicht, Buana. Sie sagen, es sei gegenihre Stammessitte. Erst msse der Vater um Zustim-mung gebeten werden und der wohnt vier Wegstun-den weit weg von hier.

    Noch einmal versuchte ich, ihnen die Dringlich-

    keit des Falles vor Augen zu stellen, doch sie scht-telten finster den Kopf.

    Es ist gegen unsere Sitte.Hrt mal, erklrte ich ihnen. Wenn ihr einen

    Lehmtopf mit einem kleinen Loch habt, durch das

    das Wasser, das ihr vom Brunnen geholt habt, her-ausfliet, was tut ihr dann?Wir stopfen das Loch und alles ist in Ordnung.So ist es mit dem Leben dieser Frau. Lasst mich

    die blutende Ader stilllegen und sie ist gerettet.Wieder schttelten sie die Kpfe. Es soll nicht ge-

    schehen. Es ist nicht unsere Sitte.Ein Bote sauste in die Nacht hinaus, um den Vater

    zu rufen. Selten hat einer einen vergeblicheren Wegangetreten. Nach zwei Stunden fhlte ich ihren Pulsaufflackern und dann stillstehen.

    Die Verwandten weinten, lange und bitterlich. Ichwandte mich Godwin zu und hob die Augenbrauen.

    Nein, Buana, es hat keinen Sinn, ihnen zu sagen,dass es ihre eigene Schuld war. Er zuckte die Ach-seln. Wieder einmal hatte die Finsternis des Heiden-tums und Aberglaubens ein Opfer gefordert.

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    Die Luft duftete nach Frangipani. Der Mond kamhinter den Uluguru-Bergen hervor. Leise sagte die

    Oberschwester:Wenn wir blo mehr Leute, mehr Ausrstungund Arzneien htten wir knnten das Vertrauendieser Menschen im Busch gewinnen, und Tragdienwie diese wrden nicht mehr geschehen. Nur diefrohe Botschaft von dem lebendigen Christus kann

    diese Art von Unkenntnis durchbrechen.

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    In berschwemmungen, ohne

    Benzin und im Schlepptau

    Wenn Regen auf ein dickes Grasdach fllt, klingt essehr weich, beinahe liebkosend. Ich reckte schlaf-

    trunken unter meinem Moskitonetz die Glieder undhatte mich gerade umgedreht, um weiterzuschlafen,als ich Samsons erregte Stimme am Fenster hrte:

    Buana, es regnet. Wenn wir nicht monatelanghierbleiben wollen, mssen wir sofort aufbrechen!

    Ich zog mich an und weckte die Schwester, sagteihr Lebewohl und sprang in den Wagen, den Samsonfr alle Notflle im Schlamm gut ausgerstet hatte.Der Regen prasselte herunter, und schon nach einerhal ben Stunde war die Strae so glitschig wie mitButter bestrichenes Glas. Ungeachtet unserer Schnee-

    ketten rutschte der Wagen bedenklich zur Seite. Ichwarf einen letzten Blick zurck nach Berega, dachtean die Ausstzigen, die ich gesehen hatte, und andie Operationen, die ich durchgefhrt hatte. DieSchwester wrde weitere sechs Monate ohne Hilfeeine Aufgabe zu meistern haben, die dringend einenArzt erforderte.

    Meine Gedanken wurden jh unterbrochen; Sam-son zeigte auf eine schumende Wassermasse, dieuns durch das enge Tal entgegendonnerte. Noch wardie Talsohle trocken. Wir konnten gerade noch die

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    andere Seite erklimmen. Schon fnf Minuten spterwar der Weg von schmutzigem, wild brodelndem

    Wasser bedeckt, das von den Bergen herabstrzte.Wir durchstieen eine dichte Nebelwand, gespanntdarauf, wie wohl die nchsten Tler aussehen wr-den. Glcklicherweise hatten die Sturzbche sienoch nicht erreicht; wir verlieen die Berggegendund gelangten in die offene Ebene, wo die Sonne

    hell herabschien. Irgendetwas Aufregendes hieltendie Niederungen immer fr den Reisenden bereit,und auch dieser Tag bildete keine Ausnahme.

    Wir bogen um eine scharfe Ecke; da standen, keinezehn Meter entfernt, drei ausgewachsene Giraffen

    vor uns. Ein scharfer Tritt auf die Bremse und wirstanden dicht vor ihnen. Von ihren berlegen hohenAussichtstrmen sahen sie uns neugierig und unbe-kmmert an. Dann machten sie kehrt, zuckten ein-,zweimal mit den Schwnzen und verschwanden imGiraffengalopp hinter den nchsten Bschen.

    Samson hob die Kurbel unseres alten Fords aufund schwang sie ber den Motor: Jetzt, Buana,lachte er, folgen wir ihrem Beispiel.

    Zwei Meilen weiter unten stieen wir auf hundertgrasende Zebras. An einem sandigen Wasserlauftrafen wir zwei Hynen. Sie nagten an den Kno-chen, die ihnen ein Lwe brig gelassen hatte. Indemselben Flsschen sank unser Wagen weiter un-ten bis an die Achsen in den lockeren Sand ein. Wirklemmten Holzkeile unter die Rder, hoben sie sober den Sand und legten schwere Holzbalken unter

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    die Reifen, als wrden wir auf Schienen weiterfahren.Endlich steuerten wir unseren kriegsmden Wagen

    vorsichtig zum anderen Ufer hinber, das wir vor-her mit Haken abgeschrgt hatten. Doch auch dannnoch bentigten wir die Hilfe von drei riesigen Afri-kanern; jeder von ihnen war mit einem Gewandvon der Gre eines Taschentuchs bekleidet.

    Samson war ausgelassen und frhlich: Wir ha-

    ben sicher eine gute Safari heute, Buana. Wir sindallen Wassern ausgewichen und bis jetzt ohne Pan-nen geblieben; auerdem ist dies die letzte schlimmeSandgegend, durch die wir hindurchmssen.

    Ich nickte skeptisch: Das stimmt schon, Samson,

    aber weit du jemals, was dir auf einer Safari bevor-steht?Samson schttelte den Kopf: Hier gibt es nicht

    viele Dornen, Buana, und der Motor luft heute soflott.

    Ich wurde ein wenig von seiner Begeisterung an-

    gesteckt und freute mich auch schon auf die schnenweien Gebude des Mwumi-Krankenhauses, diewir wohl am Abend erreichen wrden.

    ber uns erhob sich ein Bergrcken aus Granit.Eine Gazellenherde hatte unser Kommen bemerktund huschte in die schattigen Dornbsche davon.Wir berquerten gerade eine baufllige Brcke.

    Jah, erklrte Samson, bis Kongua sind es nochfnfunddreiig Meilen. Die Hlfte haben wir hin-ter uns, und wie zur Antwort stand der Motor still.Benzin, murmelte der Fahrer vor sich hin. Er klet-

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    terte hinaus, um den Reservekanister in den Tank zuentleeren, kam aber mit klglichem Gesicht wieder

    zurck.Ulange (sieh), Buana! Er hielt einen Kanisterhoch, der zwei Zentimeter ber dem Boden ein Lochhatte. Ein Kistennagel hatte ihn durchlchert; kaumein Viertel des Inhalts war brig geblieben. Bestrztsahen wir uns an. Da saen wir mitten in der Busch-

    steppe, sechzig Meilen von dem nchsten Ort ent-fernt, an dem Benzin erhltlich war. Ganz abgese-hen von den vielen wilden Tieren, die gerade diesenTeil Tanganjikas durchstreiften, konnte eine Verz-gerung wie diese in einem Krankenhaus ohne Arzt

    Menschenleben kosten. Wir hatten zwei Liter lund eine Flasche ther bei uns, doch ich zgerte,diese Flssigkeiten gemischt anzuwenden, denn ichdachte an das Alter des Wagens. Ich schttelte denKopf: Nein, Samson, wir knnen rein gar nichts un-ternehmen. Dies ist wieder einmal ein Fall, in dem

    wir Gott um seine Hilfe anrufen mssen.Zusammen knieten wir an der Stostange nie-

    der und baten Gott, uns beizustehen. Es waren keinewortreichen Gebete, sie waren einfach und auf dieHauptsache gerichtet. Wir vertrauten auf den Vers,der in afrikanischer bersetzung heit: Das heieGebet eines Manes, der mit Gott in Ordnung ist, istwirksam.

    Wir setzten uns hin und warteten. ber unsflatterte mit schrillem Pfiff eine Menge Vgel. DieDornbsche bargen eine groe Zahl flaschenhals-

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    frmiger Nester in sich. Die fleiigen kleinen We-bervgel schnatterten mit groem Lrm umher. Am

    Horizont tauchte eine Gruppe Menschen auf. IhrAnfhrer war ein baumlanger Mann, in dem ich so-gleich den afrikanischen Geistlichen erkannte.

    Mbukua, Doktari Buana.

    Mbukua, Pastor, erwiderte ich und erzhlte ihmunsere Geschichte.

    Oh, mein Sohn wird gleich fr dich nach Mpua-pua gehen, Buana. In vier Tagen wird er mit einemKanister Benzin zurck sein.

    Ich dankte ihm, sagte ihm aber auch, dass wir zuGott um jemanden gebetet hatten, der vorbeikom-

    men solle, um uns mit dem ntigen Kraftstoff zu ver-sorgen.Er schttelte zweifelnd den Kopf: Aber, Buana,

    seit zwei Wochen ist hier kein Lastauto mehr vorbei-gekommen.

    Ich nickte zustimmend. Ja, Johannes, das stimmt.

    Doch wir wollen trotzdem glauben. Ich bin sicher,dass Gott antworten wird.

    Wir gingen mit ihm in sein Haus. Es war auffal-lend sauber. Seine Frau mahlte gerade Mehl vor derTr. Sie erhob sich und begrte uns. Wir traten ein,und sie kochte in einem kleinen Kessel einen gutenTee.

    Ich freue mich wirklich, Buana, dich heute hierzu haben, sagte sie. Mein jngster Enkel hat sichdoch das Bein verbrannt. Ich habe ihn so behan-delt, wie du uns geraten hast, und Teebltter auf-

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    gelegt; aber willst du nicht mal selber nach ihmschauen?

    Der kleine Junge, ein reizendes Kerlchen von sechs Jahren, lag auf einem Bettchen, das ihm sein Vater,der hiesige Missionslehrer, aus Holz und Weinrankengezimmert hatte. Er war mit einem Moskitonetz be-deckt. Auf seiner Brandwunde lag ein sauberes StckStoff. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, doch er l-

    chelte mich tapfer an, als ich den Verband abnahm.Buana, flsterte er, wird es gleich noch mehr

    wehtun?Jawohl, gndiger Herr, aber nur ein wenig.Vielleicht, Buana, muss ich ein bisschen

    schreien.Ich fasste seine Hand. Macht nichts, alter Junge,das werden wir schon in Ordnung bringen.

    Daudi brachte meinen Arzneikasten und Mullbin-den aus dem Wagen. Als er wiederkam, holte er zweiFlaschen hervor; eine war hellrot, die andere enthielt

    eine farblose Lsung. Die Frau des Pastors hatteWasser aufgesetzt, damit wir Schalen und Instru-mente keimfrei kochen konnten. Behutsam bestrichich die Wunde mit der klaren Lsung und frbte siemit der roten, was meinen kleinen Patienten sehraufregte. Whrend ich darauf wartete, dass sie trock-nete, malte ich ihm mit der roten Flssigkeit Bilderauf mein Bein. Er strahlte ber das ganze Gesichtund rief: Wie schn, ein Europer zu sein! Da kannman auf sich selbst Bilder malen, die andere Leutesehen knnen!

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    Mit einem Ruck sprang Samson auf und rannteschnell wie ein Hirsch auf die Strae.

    Kah, staunte mein Gastgeber, warum macht erdas?Da hrten auch wir das Gerusch eines Fahrzeugs

    in niedrigem Gang. Wir eilten zur Strae. Samsonhatte einen Lastwagen angehalten, der mit Benzin beladen war, und handelte lrmend und mit fuch-

    telnden Armen mit dem Fahrer, einem Araber.Nach einigen Minuten hatte Samson unseren Tank

    gefllt, dazu zwei Ersatzbehlter.Es ist besser, hier zu kaufen, Buana, jeder Ka-

    nister kostet hier einen Schilling weniger als in Do-

    doma.Ich lchelte. Wirklich, Buana, Gott hat unser Ge-bet erhrt. Jetzt knnen wir weiterfahren und habenauerdem noch sechs Schillinge gespart!

    Ich wandte mich nach meinem Gastgeber um.Lass uns Gott dafr danken, Johannes. Seit vier-

    zehn Tagen kein Auto!, hast du gesagt. Na, und jetzt? Eine halbe Stunde Wartezeit, und alle Not istbehoben!

    Unter den Nestern der Webervgel knieten wirnieder und dankten Gott.

    Buana, unser Gott ist tatschlich ein liebenderVater. Das ist wahr, stimmte ich zu. Er antwor-tet, wenn wir unser Leben nach seinem Plan ausrich-ten.

    Wir nahmen Abschied und gingen wieder aufSafari. Hundert Meilen hatten wir zurckzulegen.

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    Wir schafften einen weiteren Meter. Haja, feuerteich sie an. Eine letzte Anstrengung und es ging hin-

    auf und hinber.Wir saen am schrgen Ufer fest. Der Motorbrllte auf.

    Er ist aus dem Gang gesprungen, Buana, meinteSamson und schob einen Stein unter das Hinterrad.Doch dem war nicht so. Wir sahen uns gegenseitig

    an die Achse war gebrochen!Wir befestigten ein langes Seil an der Stostange

    und zogen den Wagen ein Stck weiter; dann setztenwir uns unter einen Busch, machten es uns bequemund warteten auf jemanden, der uns helfen wrde.

    Doch auer Millionen von Fliegen schien sich nie-mand fr uns zu interessieren.Samson reinigte die Zndkerzen, ich bltterte in

    einem medizinischen Journal und Daudi schlief; al-lerdings nur so lange, bis ein Haufen roter Amei-sen ihn entdeckte. Die nchsten zehn Minuten waren

    nicht gerade angenehm fr ihn.In etwa einer Meile Entfernung sahen wir weie

    Ibisse aufsteigen und weite Kreise ziehen.Es kommt jemand, bemerkte Samson. Wir

    horchten. Tatschlich nherte sich ein Lastauto,und schon kam, gefhrlich schaukelnd, eine alteKarre daher. Am Steuer sa ein junger Inder. Mit ho-her Geschwindigkeit nahm er den Fluss in Angriffund blieb an derselben Stelle stecken wie wir.

    Ich band das Tau von unserem Sukuma los undging hin, um ihm aus der Patsche zu helfen.

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    Der Inder bog sich vor Lachen.Das Seil wurde verknotet, und wir fuhren weiter,

    allerdings in verlangsamtem Tempo. In Dodoma be-dankte ich mich aufs Herzlichste bei Suliman; ich zogeinige Fnf-Schilling-Noten hervor, doch er wehrteab.

    Oh nein, Buana, du hast meiner Frau das Lebengerettet. Du hast mein Schlsselbein in Ordnung ge-

    bracht und meinem Grovater sogar das Augenlichtwiedergegeben. Wie sollte ich fr diesen lustigenMorgen auch noch Geld von dir nehmen?!

    Ich bergab meinen Wagen Georg, dem stets l-chelnden griechischen Werkstattbesitzer.

    Morgen frh gegen zehn Uhr, Doktor, ist er fer-tig.Nach einer Stunde sa ich, gebadet und frisch

    gekleidet, bei einer Tasse Tee im Haus des Bischofsvon Zentral-Tanganjika. Ich erzhlte ihm von denErlebnissen unserer Safari und schloss mit den Wor-

    ten:Offen gesagt, Sir, irgendetwas muss mit dem al-

    ten Ford geschehen, sonst wird er noch unser Todsein.

    Mein Teurer, ich wrde Ihnen gern einen besor-gen, aber Sie wissen ja, dass wir kein Geld fr dieAutos der Missionsstationen haben. Bitten Sie Gott,dass er die Mittel dafr schenken mge. Und dastat ich.

    Am nchsten Morgen, als ich Sukuma abholenging, fand ich Samson unter dem Wagen liegen.

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    Er sah sich die Reparaturen an und berechnete dieKosten.

    Georg, fragte ich den Besitzer der Werkstatt,was wrdest du mir fr das Auto geben?Ich?, fragte er erstaunt. Gar nichts.Aber der Wagen ist ausgezeichnet!, heuchelte

    ich.Samsons grinsendes Gesicht sah unter dem Wa-

    gen hervor.Und er lsst sich sehr gut lenken, Buana.Doktor, den Wagen wrde ich nicht geschenkt

    nehmen, antwortete Georg. Er hat fr mich einenviel greren Wert, wenn er jemand anders gehrt.

    Aber vielleicht kann ich ihn fr Sie verkaufen.Ich mchte mir einen neuen anschaffen, undzwar muss er als Krankenwagen dienen knnen undzugleich Raum fr die vielen Arzneien haben, dieich von Krankenhaus zu Krankenhaus fahren muss.Ich brauche ihn sehr bald. Was kostet so ein Wagen,

    Georg?Rund 200 Pfund, Doktor.Ich konnte Samsons und Daudis Gedanken erra-

    ten. Sie wunderten sich und berlegten, woher wohleine solche Summe kommen knnte.

    Whrend wir in den letzten Tagen durch dieSteppe geschaukelt waren, hatte ich Gott die Ange-legenheit hingelegt und ihn um einen neuen Wagengebeten. Ich verlie mich ganz auf sein Versprechen:Bevor sie rufen, will ich antworten, und whrendsie noch reden, will ich sie erhren.

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    Wieder daheim

    Kuetu (zu Hause), atmete Daudi erleichtert auf, alswir die vertrauten hellweien Gebude von Mwumivor uns auftauchen sahen. Schwestern und Pflegerkamen uns vom Krankenhaus entgegengerannt und

    begrten uns strmisch. Eidechsen huschten vonder Garagentr fort. Ich stellte den Motor ab. Wirwaren daheim.

    Am spten Nachmittag machte ich einen Rund-gang durchs Krankenhaus, hinterlie Anordnungen

    fr verschiedene Behandlungen und ging zum gro-en Krankenzimmer hinber. Whrend ich drauenstand und den Tomatengarten eines unserer Helferbestaunte, erklang innen die Stimme von James, dersich selbst Oberschwester zu nennen pflegte.

    Hier kommt eine Ambulanz, Buana.

    Aus dem Lrm, den die Trger machten, schlossich, dass mein neuer Patient ein Erwachsener war.Die Fremden traten ins Krankenzimmer der Mnnerein, setzten ihre Last nieder und schlugen die Deckezurck.

    Kah, verwunderte sich Daudi, Buana, das ist jader Mann, den wir in der Nhe von Mpuapua beidem Tanz sahen.

    So war es; er sah jmmerlich aus und machte einklgliches Gesicht.

    Er heit Muganga, Buana, sagte James.

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    Mbukua, Muganga.

    Mbukua, Buana , erklang die schwache Stimme

    des Kranken vom Fuboden her. Mit einem Ruckzog er die Knie unter das Kinn und gab eigenartigeLaute von sich:

    U-k-k-k-k-, E-e-e-e-e-e-e-, U-k-k-k-k-k.Offenbar befand er sich im Fieberwahn. Ich un-

    tersuchte ihn und gab ihm eine schmerzstillende

    Spritze. Daudi hatte Mugangas ganze Krankheits-geschichte erfahren, und in seinem besten Englischmachte er mir seine Meinung ber dessen Leidenklar.

    Buana, es ist ein Fall von Kieselsteinen im

    Bauch.Oh, erwiderte ich, du meinst Steine in derNiere oder, wie wir Mediziner sagen: Nierenkolik?

    Daudi nickte zustimmend. In sich zusammen-gesunken lag der Patient auf seinem Bett. Er erhieltArzneien. Ein Ziegelstein wurde erhitzt und in ein

    altes Stck Decke gewickelt. Wenn ich nicht dabeigewesen wre, htte der junge Gehilfe das ganze Pa-ket auf dem weichen Zwerchfell des unglcklichenPatienten landen lassen, und zwar nicht gerade sehrsanft. Der Kranke war eingenickt. Als ich nach zweiStunden kam, um nach ihm zu sehen, zeigte er wie-der reges Interesse am Leben. Ich zeigte ihm meineFotografien. Er nahm eine und betrachtete sie, dochim ersten Augenblick konnte er nicht ausmachen,was sie darstellte. Pltzlich ging ein breites Grinsenber sein Gesicht.

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    Jah , rief er, das bin ich. Kah! Sehe ich nichtgroartig darauf aus? He-e-e-e-e, sieh mal meine

    Haare!Traurig rieb er sich mit der Hand ber denSchdel, der inzwischen kahl geschoren wordenwar und nun nackt und glnzend war wie eineBillardkugel. James lchelte und deutete mit demKinn auf einen Frangipanibaum, unter dem das

    abgeschorene Haar und die Kopfbedeckung desPatienten lagen.

    Mugangas Begeisterung legte sich pltzlich, wie-der durchfuhr ein heftiger Schmerz seinen Krper.Es lag auf der Hand: Eine sofortige Operation war

    notwendig. Ich gab Daudi Anweisungen, und er eiltefort, um die Instrumente vorzubereiten.Buana, hauchte der Kranke, ich will diese To-

    desmedizin nicht, nach der du riechst; sie stinkt wiealtes Bier.

    Ich berlegte, was wohl die Hersteller dieses Be-

    tubungsmittels zu diesem Urteil ber ihre Ware sa-gen wrden, und versicherte ihm, dass er die ganzeOperation mit ansehen knne, ohne dabei Schmer-zen zu empfinden. Die Medizin, die ich aus einer Na-del herausspritzen liee, stille jeden Schmerz.

    Er wurde zum Operationstisch gebracht. Bevorich anfing, betete Samson fr die Gesundung desMannes und um Beistand fr den Doktor und dieGehilfen.

    He-e-e-e, spottete der Patient, du tust geradeso, als ob du Gott kennst.

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    Das stimmt, ich kenne Gott auch, erwiderteSamson. Er ist mein Vater. Fr ihn tue ich meine

    Arbeit, und zu ihm kann ich immer reden. Wir ha-ben ein Lied, das viel besser ist als alle eure Gesnge,die ihr bei euren Tnzen singt. Es handelt von JesusChristus:

    Er hat mich so geliebt,

    Er starb fr mich am Kreuzesstamm,Damit ich in den Himmel komm,

    Gerettet durch sein teures Blut;

    So hat er mich geliebt.

    Wir operierten etwa eine Stunde lang. Mit einemSeufzer der Erleichterung machte ich die letztenStiche; der Kranke wurde angezogen und ins Bett ge-tragen. Mit schwachem Griff fasste er meine Hand.Jah , Buana, vielen Dank. Mulungu umulungulungu(Der Gott der Gtter hat deine Hand ganz sicher ge-

    fhrt). Ich sprte berhaupt keine Schmerzen.Es ist in der Tat der Gott, fgte Daudi hinzu.

    Jetzt schlaf! Deine Sorgen sind zu Ende, unsere ha-ben gerade erst begonnen.

    Am nchsten Morgen betrat ich das Krankenzim-mer. Da sah ich James, den Krankenevangelisten, ne-ben unserem Patienten auf einem Hocker sitzen; seinverwundetes Bein hatte er hochgelegt. In der einenHand hielt er ein Neues Testament, mit der anderenfuchtelte er in der Luft herum, damit Muganga auchja jedes Wort verstehen und wrdigen konnte. Wh-

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    rend ich mir die Hnde schrubbte, hrte ich ihnenzu.

    He-e-e-e-e, besttigte der Kranke. Es ist wirk-lich der lebendige Gott, der mich wieder gesund wer-den lie.

    James las ihm die Geschichte von der Heilungdes rmischen Hauptmannsknechtes vor. Als er fer-tig war, wandte er sich zu dem Kranken und sagte:

    Hier siehst du, wie die Kraft Jesu wirkte. Er warnoch Meilen entfernt von dem kranken Mann, alsdieser geheilt wurde. Genauso kann Jesus seine Kraftan dir wirken lassen, Muganga, obwohl er im Him-mel ist. Du bist am Krper gesund geworden, doch

    du brauchst mehr: Du musst im Herzen gesund wer-den. Du kannst gerettet werden, wenn du ihm deinHerz schenkst.

    Es ist ja nur die Hrte meines Herzens, seufzteMuganga. Ich habe das Wort Gottes in meinem Dorfoft gehrt, aber ich habe ihm nie gehorcht.

    Ich trat an sein Bett. Kah,sagte ich zu ihm, wemhast du denn gehorcht, als du mit deinen Schmerzenhierherkamst?

    Ich kam, weil ich Hilfe brauchte, Buana.Oh, warf James ein, und fr deine Seele

    brauchst du keine Hilfe?Fass mal in meine Hosentasche, James, forderte

    ich ihn auf.Mein afrikanischer Freund holte einen Stein von

    der Gre eines Golfballes hervor.Dieses Ding hier, erklrte ich Muganga, wh-

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    rend wir ihn anzogen, haben wir aus dir heraus-geholt, und der Einzige, der das tun konnte und

    dich von den Schmerzen befreien konnte, war ich.Du verstehst das Gleichnis, nicht wahr?, fragteJames.

    Nur Jesus kann den Stein der Snde fortnehmen,der Schmerzen, Elend, Leid und Tod hervorruft.Fhlst du nicht, dass du seine Hilfe brauchst?

    Einen Monat danach zog der Afrikaner nachHause. James sah ihm nach, als er den langen Pfadzum Dorf hinunterschritt.

    Niemals wird er das praktische Gleichnis, daswir ihm erzhlten, vergessen; er wird den Stein vie-

    len anderen zeigen und ihnen dasselbe sagen. Wahr-haftig, Buana, dein Messer predigt viel besser alsdein Mund!

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    Keilriemen und Malaria

    Drei Monate waren vergangen, seit das letzte Ge-witter die Niederungen berschwemmt hatte, dochnoch war kein grnes Hlmchen zu sehen. Die Bao-babbume standen da wie magere Skelette, und die

    Dornbuschreihen glichen riesigen Drahtverhauen.Das Krankenhaus lag auf einmal wie ausgestor-

    ben da. Mit dem Austrocknen der Teiche hatten sichauch die Moskitos verzogen und mit ihnen die Ma-laria. Die Einheimischen hatten sich neue Htten

    gebaut. Unser Feldzug gegen den Schmutz in denWohnungen der Einheimischen hatte einen Rck-gang des Blattlausfiebers zur Folge. Nichts Drama-tisches ereignete sich, und es gab auch nicht beson-ders viel zu tun. Ich hatte meine Schallplatten in Ord-nung gebracht, und als ich gerade dachte, so ruhig

    wie jetzt knne es noch eine Weile bleiben, kamenneue Sorgen in Form eines Mannes auf einem Esel zuuns geritten. Er berbrachte mir einen Brief, der mirmitteilte, dass ein Kind eines afrikanischen Pastors achtzig Meilen von unserer Station entfernt ernst-haft erkrankt sei. Es war zu weit weg, als dass wirdas Mdchen htten herholen knnen, und es war zukrank, um zu laufen.

    Ich rief Daudi und Samson: Daudi, hol dein Mi-kroskop, die Glasplttchen und alles, was dazuge-hrt. In einer Viertelstunde musst du fertig sein. Du

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    wirst drauen im Urwald eine Blutuntersuchungmachen mssen.

    Samson, zwei Spritzen, Chinin und Arsen bitte,und Arznei gegen die Schlafkrankheit, dazu Anti-septika und den Notoperationskasten. In einer Vier-telstunde geht es los.

    Ich packte einige notwendige Dinge in den Ruck-sack. Das Krankenhaus konnte ohne Weiteres der

    Obhut der Schwester berlassen bleiben. Ich sagtemeiner Familie Lebewohl, band noch schnell einMoskitonetz und eine Hngematte oben auf denRucksack, warf alles hinten in den Wagen, und schonwaren wir fort.

    Es war kein besonders vielversprechender Start:Fast eine halbe Meile schob man uns, ohne dass sichetwas ereignete, aber dann begann Sukuma miteinem Ruck seine Achtzigmeilenfahrt durch denDschungel.

    Fr mich war die Fahrt geradezu bengstigend.

    Whrend wir durch trockene Flussbetten humpeltenund uns mit Mhe durch die Sandmassen bohrten,sah ich stndig auf meine Uhr. Wir wollten das Lebeneines Kindes retten; jede Stunde war kostbar. Der Wa-gen schien zu kriechen und die Uhr zu rasen. Ich hieltden Atem an, als ein schwieriges Flussbett auftauchte,und betete im Stillen. Wir durchquerten es, ohne dassetwas passiert wre. Gleich vor uns fhrte die Kap-Kairo-Strae vorbei. Sechs Meilen dichter Dornbusch-dschungel lagen hinter uns. Eine halbe Stunde hattenwir dazu gebraucht, eine schrecklich lange Zeit.

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    Inzwischen merkten Samson und ich, dass derKhler bereits kochte. Das waren ja gute Aussichten!

    Samson lief, um frisches Wasser hineinzugieen,und ich hob die Haube ab. Man stelle sich meineGefhle vor, als ich sah, dass der Keilriemen desVentilators angerissen war. Dabei hatten wir ihnerst krzlich neu angeschafft, und, was viel schlim-mer war, wir hatten keinen Ersatzriemen. Sofort be-

    gannen wir, ihn zu reparieren. Wir versuchten esmit einem geflochtenen Hanfseil, doch es rutschteab. Ein Einfall nach dem anderen erwies sich alswertlos. Samson wischte sich den Schwei von derStirn. Pltzlich lief ein Grinsen ber sein Gesicht:

    Buana, gib mir einen Schilling. Ich tat es. Er liefin den Busch davon. Ich ging auf und ab. Das Baro-meter stand bei mir auf Sturm. Warum musste dasnun passieren? Doch dann ging ich auf die schattigeSeite des Wagens, kniete am Trittbrett nieder underzhlte meinem himmlischen Vater alles, was mich

    bewegte. Ich bat ihn, dass das Kind durch dieseVerzgerung nicht leiden msse und wir einenAusweg finden knnten, um die Reise fortzusetzen.Ich zog mein Neues Testament heraus und las: DerFriede Gottes, der grer ist als alle Vernunft, be-wahre eure Herzen und Sinne.

    Da hrte ich das Gerusch von Samsons Tritten,und als ich aufblickte, sah ich ihn mit einem StckKuhhaut daherkommen. Er zerschnitt es in Streifenvon der Breite des Riemens, tauchte einen in Wasserund verknpfte die Enden so, dass der neue Riemen

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    gut sa. Als wir ihn anbrachten, klappte es prima.Wir sprangen in den Wagen und fuhren los. Eine

    Reihe weiterer Hautstreifen hatten wir eingeweicht.Nach zehn Meilen hrten wir ein scharfes peng.Der ist hin, rief Samson.In Eile flickten wir einen zweiten zusammen. Die

    Sonne wollte gerade untergehen, als wir am Zielwaren. Daudi besorgte sich eine Kiste fr sein Mi-

    kroskop und stellte sie in das Licht der Scheinwer-fer; dann kam er hinter mir her in das Haus. Unserekleine Patientin lag, in zwei Wolldecken gehllt, aufeinem einfachen Bett, das aus dnnem Holz gezim-mert und mit Streifen aus Kuhhaut bespannt war. Si-

    meon, der afrikanische Geistliche, erzhlte mir kurzdie Krankheitsgeschichte seiner Tochter, ohne etwaszu verheimlichen oder zu beschnigen.

    Daudi hatte inzwischen Blutproben genommenund untersuchte sie. Das grelle Licht der Schein-werfer fiel auf sein angespanntes Gesicht, whrend

    er durch den Augenstutzen des Mikroskops blickte.Das Mdchen hatte 40 Grad Fieber. Es war bewusst-los. Ich untersuchte es gewissenhaft und kam zudem Ergebnis, dass es hchstwahrscheinlich Gehirn-Malaria war. Da rief mich Daudi mit aufgeregterStimme zu sich. Ich trat hinaus und schaute durchdas Mikroskop. Die ganze Scheibe zeigte Blutzellen,in denen es von Malaria-Erregern wimmelte. Ichholte eine Spezialflasche, die Chinin fr Venen-injektionen enthielt. Daudi hielt den Arm des kleinenMdchens, whrend ich ihm die Spritze gab. Daudi

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    und ich knurrten zufrieden vor uns hin, dennoffensichtlich hatte ich die Ader getroffen. Lang-

    sam spritzte ich der kleinen Patientin die Flssig-keit ein, indem wir hofften, dass sie das Leben derKranken erhalten, der Malaria dagegen den Tod be-reiten wrde.

    Die verschiedensten Ksten und Flaschen wur-den aus dem Auto geladen. Ich nahm den Vordersitz

    heraus, baute daraus eine Matratze, entfaltete einMoskitonetz und rollte mich in meine Decke. Im Nuwar ich eingeschlafen.

    Buana, Buana, komm schnell!Es war die ngstliche Stimme der Mutter. Ich

    sprang auf, stie das Netz zur Seite und eilte zu derPatientin. Zuerst dachte ich, sie htte einen Anfall,doch sie wurde nur heftig vom Malariafieber ge-schttelt. Die Mutter brachte eine Bchse mit heiemWasser, und wir wuschen die Kranke. Im Dmmer-schein hinter dem Bett stand der Vater.

    Es steht nicht gut mit ihr, Simeon, flsterte ich.Gemeinsam knieten wir nieder und baten Gott, ermge die verabreichten Arzneien doch segnen, undbeteten fr das Leben der Kleinen.

    Ruf mich beim ersten Hahnenschrei, bat ich dieMutter. Das war um vier Uhr morgens, und als siemich weckte, stellte ich zu meiner uersten Befrie-digung fest, dass das Fieber auf 39 Grad gesunkenwar. Auch der Pulsschlag war besser geworden, undder Nacken zeigte etwas Bewegung.

    Als ich wieder erwachte, war es taghell. Samson

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    bewachte die Umgebung des Hauses und gebot je-dem Ruhe, damit ich schlafen konnte. Meine kleine

    Patientin lag zusammengekauert unter der Decke.Ich schlug das Thermometer herunter und legte esihr sanft unter den Arm; als ich die Gleichmig-keit ihres Herzschlages fhlte, musste ich zufriedenschmunzeln. Das Fieber war noch weiter herunter-gegangen.

    Die Lippen bewegten sich. Ich trat nahe an sieheran und vernahm ein einziges Wort, doch das ge-ngte mir vollkommen: Nadabuka (ich bin hung-rig).

    Das war das erfreulichste Erlebnis seit Tagen. Ich

    rief die Mutter, die am Feuer eingenickt war. Ma-rita, sie sagt, sie habe Hunger. Da ergriff sie meineHand, die Trnen rannen ihr die Wangen hinunter.In Eile entfachte sie das Feuer, um dnnen Hafer-schleim zu bereiten. Simeon kam zu mir und fragte:Was Neues, Buana?

    Sehr Gutes, erwiderte ich. Sie ist bei Bewusst-sein und bittet um Nahrung.

    Dank sei Gott dafr, atmete er auf. Buana,ohne deine Hilfe wre sie jetzt bereits tot. Ich bin ge-wiss, dass Gott dich in unser Land geschickt hat, umuns zu helfen. Gibt es viele rzte in Europa?

    Oh ja, lachte ich, eine Menge.Haben sie solche Autos wie du?Nein, solche nicht.Ja, wie, gehen sie zu Fu?Nein, sondern sie besitzen Autos mit blanken,

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    spiegelnden Seiten, schnen Reifen und guten Mo-toren.

    Ich sah hinaus auf meinen Veteranen vor der Tr.Simeon, fast wren wir nicht hierhergekommen,und dann Ich zuckte die Achseln.

    Es war Sonntagmorgen; ich beobachtete die Leute,wie sie in Gruppen ber die Ebene zu der kleinenLehmziegelkirche gingen.

    Die Inneneinrichtung bestand aus lauter Pack-kisten. Die Besucher setzten sich auf den Boden.Schnell war der Raum gefllt. Man brachte mir einenHocker. Ich setzte mich in eine Ecke. Mir bekannte,geistliche Lieder wurden gesungen, dazu die afrika-

    nischen Worte. Der Gottesdienst wurde mit groerBegeisterung, doch in echter Anbetung gehalten.Simeons Ansprache war praktisch und auf die

    Hauptsache ausgerichtet.Seht, begann er, heute Nacht habe ich Buana

    eine Predigt halten sehen: mit dem Mikroskop, einer

    Flasche Arznei, mit Spritze und Nadel. Meine Toch-ter lag im Sterben. Noch nie im Leben haben wir einKind sich so schnell erholen sehen, das so krank warwie sie. Buana kam herein, nahm Blut aus ihrem Fin-ger und fand die Ursache der Krankheit. Denkt nicht,dass es ein Zaubersaft gewesen wre, nein, ein Duduwar in ihrem Blut. Er betete und spritzte dann mit ei-ner hohlen Nadel Medizin in ihren Krper. Die Me-dizin sah wie Wasser aus, doch sie schmeckte nachDistelsaft, und heute Morgen wollte meine Toch-ter etwas zu essen haben! Nichts anderes als diese

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    Medizin kann ihr Leben gerettet haben; und, meineFreunde, das ist ein Abbild von dem, was Jesus fr

    uns am Kreuz tat. Nur sein Tod konnte den Preis frdie Krankheit der Snde in unseren Herzen bezah-len. Wir sind Buana fr seine Hilfe an unserem Kindsehr dankbar. Sollten wir dem Sohn Gottes, der unssogar ewiges Leben gibt, nicht noch viel dankbarersein?

    Ich war stark beeindruckt, als ich die Besucher ihreGaben bringen sah. Anstelle eines herumgereichtenKollektentellers gab jeder sein Opfer. Einige brach-ten Maiskolben, andere Hirsesamen, wieder andereMehl. Jedes kam in ein besonderes Gef.

    Ein dster dreinschauender Mann hielt einen run-den Korb, der fr die Eier bestimmt war. Auf jedes Eiwurde der Name seines Gebers geschrieben; es be-lustigte mich auerordentlich, zuzusehen, wie nachdem Gottesdienst alle Eier in einer Schssel geprftwurden. Zwei waren schlecht. Ich bemerkte, dass der

    Kirchenlteste auf Kriegspfad ging, um sich mitden Spendern dieser Eier zu unterhalten.

    Ich blieb zwei Tage in dem Flecken, um mich da-von zu berzeugen, dass das kleine Mdchen aufdem Wege zur vollkommenen Gesundung war. Amdritten Morgen konnte es schon an die Tr kommenund uns zum Abschied winken; auf gings, nachMwumi zurck.

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    Zwei und zwei sind

    Unser alter Sukuma zieht heute wie ein Zug-vogel, Buana, rief Samson. Ich habe die Znd-kerzen gereinigt, einige neue Drhte eingebautund den ganzen Staub vom Vergaser gewischt.

    Whrend du das Kind geflickt hast, habe ich denWagen ausgebessert.

    Ich lachte ber sein ulkiges Englisch, doch dasLachen verging mir schnell. Wir hrten ein lautesKnirschen, und mit einem unendlich wehmtigen

    Seufzer stand die alte Kiste still und bewegte sichnicht mehr. Ich blickte Samson an. Er schnitt eineFratze. Wir waren fnfzig Meilen vom nchsten Ortentfernt, und das wehleidige Seufzen des Motorswar Unheil verkndend genug. Wir stiegen aus,deckten die Bodenbretter ab, wobei wir uns mit

    Staub und Schmiere ziemlich schmutzig machten nur um herauszufinden, dass der Getriebekastenbeschdigt war, und zwar so sehr, dass wir ihn nichtreparieren konnten.

    Kah, lie sich Samson hren, wir bringen ja al-lerlei fertig mit Stricken, Drhten und Kuhhuten aber beim Getriebe, Buana

    Ich nickte. Ja, Samson, wir wissen uns schonzu helfen, aber das hier ist etwas anderes. Da gibtes nur eins: Wir mssen nach Hause laufen unddann spter Georg aus Dodoma holen, damit er den

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    armen alten Sukuma in sein Autokrankenhaus ab-schleppt.

    Daudi hatte sich inzwischen die Gegend angese-hen. Er deutete mit dem Kinn zu einer Baumgruppehinber. Dort drben liegt eine Missionsschule,Buana. Ich werde dem Lehrer von unserer Lage be-richten; dann schickt er uns die kleinen Jungen, unddie knnen unser Auto an sein Haus ziehen. Er wird

    sich schon um uns kmmern.Schon war er im Busch verschwunden. Nach

    einigen Minuten kam eine Anzahl afrikanischerKinder auf uns zugerannt. Sie hielten an und be-grten mich. Ein Junge zeigte mir seinen gebro-

    chenen Arm.Schau, Buana, sagte er, diese Seite hat der Zau- berdoktor mit einem glhenden Stock verbrannt,dann hat er mir einen Verband aus Mist und Lehmaufgelegt.

    Ich blickte auf eine Menge blaugrner Schram-

    men, einen sprechenden Beweis fr die Grndlich-keit des Medizinmannes. Dann zeigte er mir die an-dere Seite.

    Hier, Buana, hast du deinen weien Puder hin-getan, der steinhart wurde. Eh, und deine Pillen ha-ben alle Schmerzen weggenommen.

    Ein anderer kleiner Junge zog sein Augenlidherunter. Schau, Buana, meine Augen sind wiedergesund, durch deine blaue Medizin.

    Daneben stand ein Mdchen mit geffnetemMund und gab seltsame Tne von sich. Sie wollte

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    mir die Stelle zeigen, wo ich ihr einen Zahn gezogenhatte.

    Alle diese Kinder waren uerst freundlich.Einige ergriffen gleich das Seil, das an der Vorder-achse befestigt war, und zogen. Andere schoben.Unter lautem Gelchter und eigenartigen Gesn-gen wurde unser alter Wagen vorwrtsgezerrt. Sie brachten uns zu einer schmalen Lichtung vor der

    Lehmziegelschule.Ich danke euch vielmals, Kinder, rief ich und

    ging, um den alten Lehrer zu besuchen. Er beglei-tete mich durch die Pforte, und wir betrachteten diekleine, saubere Schule.

    Wie lange unterrichtest du hier schon, Hese-kiel?Ich arbeite jetzt seit zweiundzwanzig Jahren

    mit der Missionsgesellschaft, Buana. Bereits fnf-zehn Jahre bin ich hier. Und immer noch unterrichteich die Kinder. Sie sind es, die eines Tages unseren

    Stamm, ja vielleicht ganz Afrika fhren werden. Ichbin der alte Mann, der die Grundlagen schafft. Mansieht den Kindern nicht viel an, Buana, doch sie be-deuten Groes!

    Die ganze Einrichtung des Klassenzimmers be-stand aus einer Tafel, deren Rckseite das Firmen-zeichen einer bekannten Treibstoffgesellschaft trug;ferner einer Bchse mit einigen Kreidestumpen,drei Krbchen mit kleinen Steinen fr die Rechen-stunde und einem halben Dutzend abgegriffenerNeuer Testamente. Drauen waren im Sand eine An-

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    zahl quadratischer Flchen zu sehen. Hier lernten sieSchreiben und wurden in die tieferen Geheimnisse

    der Mathematik eingefhrt: Zwei plus zwei ergab nach reiflicher berlegung vier!Buana, als du eben ankamst, behandelten wir ge-

    rade die Hygiene, sagte er.Oh, das mchte ich miterleben, rief ich.Ein kleiner Knirps bekam die Anweisung: Du

    bist jetzt eine Laus. Er rannte hinein und kam nachkurzer Zeit mit einer auf den Rcken geschnalltenMatte auf allen vieren wieder herausgekrochen. DieKinder stimmten ein Lied an. Es war die alte Melo-die von Drei blinde Muse, doch die Worte in dem

    Tschigogo-Dialekt erzhlten von drei bsen Lusen,die die Trger des todbringenden Rckfallfiebers wa-ren. Sie lebten in irgendeiner Schlafmatte und warendort sehr glcklich, doch nur so lange, bis deren Be-sitzer zur Schule ging und dort lernte, dass die Lusedas Sonnenlicht meiden, weil sie es nicht vertragen

    knnen. Es folgte Vers auf Vers in lebhaftem Wech-selgesang, worin die Luse sich ber die Hitze be-klagten, und whrend sie in den Schatten taumelten,fielen die Jungen ber sie her und bearbeiteten sienicht gerade sanft mit den Fen. Als man bei die-ser Stelle im Lied angekommen war, strzten alle ge-meinsam auf den Kleinen, der die Laus darstellte;es gab ein tolles Handgemenge und ein wstesGetmmel.

    Hesekiel lchelte vergngt: Auf diese Weise be-halten sie alles gut. Wie viel Arbeit kann ich dir im

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    Krankenhaus ersparen, wenn wir die Kinder vorKrankheiten bewahren knnen!

    Samson erschien an einer Ecke des Schulgebu-des. Auf seinen Schultern trug er einige Wasser-flaschen, Verpflegung und Kleider. Ich packte dieStrick-Hngematte, Schlafdecke und einige notwen-dige Arzneien in einen kleinen Koffer.

    Well, Hesekiel, jetzt mssen wir dich verlassen.

    Vor uns liegt eine Fnfzigmeilen-Safari. Nur gut,dass die Gegend flach ist und es hier nicht viele L-wen gibt.

    Nicht viele, Buana? Nun, in der letzten Nachtwurden im Dorf hinter dem Berg zwei Khe geris-

    sen, und vor einer Woche ttete ein Lwe einen al-ten Mann gerade dort auf dem Weg, den ihr gehenmsst!

    Daudi grinste. Wir werden eben nur am Tagwandern, Buana, nicht wahr? ber Nacht knntenwir in den Husern der Leute bleiben. Wenn du in

    deiner Matte schlfst, finden dich ja die Insektenkaum.

    Die Kinder begleiteten uns ein Stck des Weges,dann winkten sie zum Abschied, und wir began-nen unseren langen Fumarsch durch die Ebene. Eswar brennend hei. Der Dornbusch bildete die ein-zige grere Pflanze, die zu sehen war. Schweigsamwanderten wir stundenlang, bis einige Granitblckeauftauchten, die so aufeinandergetrmt waren, dasssie jeden Augenblick herunterzupoltern drohten. Inihrem Schatten fanden wir die Reste eines Lwen-

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    fraes. Hoch ber uns schwebten drei Riesengeier.