Frank Berger Der römische Schatzfund von Jever 1850

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    Oldenburger J ahrbuch

    Oldenburger Landesverein fr Geschichte, Natur- undHeimatkunde

    Oldenburg, 1957

    Frank Berger: Der rmische Schatzfund von Jever (1850)

    urn:nbn:de:gbv:45:1-3267

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    Old enbu rger Jahrb uch 100, 2000 227

    Frank Berger

    Der rmische Schatzfund von Jever (1850)

    1. Entdeckungsgeschichte

    Beim Abgraben von Kies stieen Arbeiter am 5. Mrz 1850 an der Prinzengraft inJever in Sichtweite des Schlosses auf einzelne und zusammenkorrodierte Silber-

    mnzen, die als rmisch erkannt wurden. Die Fundstelle liegt zwischen der 1844abgerissenen Albanitorwache und dem ehemaligen Armenhaus, dem heutigenSophienstift. Zwar lag der Fundort auerhalb der stdtischen Bebauung, aberinnerhalb der Befestigungsanlagen auf einem Vorwerk. Dieses wurde vermutlichbei einem Festungsausbau des Jahres 1536 angelegt, aber seit dem 18. Jahrhundertnicht mehr militrisch genutzt. Bauttigkeit und Bodenbewegungen bei der Errich-tung von Armenhaus und Albanitorwache mssen hier recht hufig vorgekommensein, doch wurde der Schatz davon wohl nie betroffen noch gar angeschnitten. DieMnzen lagen offenbar in 1,80 m Tiefe in ungestrtem Boden. Deshalb ist es kaumanzunehmen, da der Schatz ber eine grere Entfernung zusammen mit Erdeherantransportiert und so sekundr verlagert wurde. Ein Fundgef wurde nicht

    entdeckt. Noch drei Tage spter fand man vereinzelt Mnzen.Der Schatzfund verursachte natrlich bei den Findern und in der Umgebung einegroe Aufregung. Die Gesamtzahl der Mnzen wurde auf 3000 bis 5000 Stckgeschtzt. Ca. 2200 Exemplare verkaufte der Hauptfinder fr wenig Geld sofort aneinen rtlichen Goldarbeiter, der sie einem Altonaer Goldwarenfabrikanten zumEinschmelzen bergab. Die brigen Mnzen wurden in alle Winde zerstreut undgelangten in diverse Haushaltungen in Jever. Als die Kenntnis des Schatzfundes am8. Mrz 1850 die Behrden und Gebildeten erreichte, war das meiste schon frimmer verschwunden.Unsere heutigen Kenntnisse ber den Schatz verdanken wir dem Lehrer Stracker-

    jan, dem Stadtdirektor Mller und dem Oldenburger Bibliothekar Dr. Merzdorf.

    Als Lehrer Strackerjan sich um den Fund kmmerte, war es schon fast zu spt. Erberichtete, dass schon 2000 der Mnzen verkauft worden waren. In den Jeverlndi-schen Nachrichten 1850 beschreibt er die Fundstelle und zhlt diejenigen Denareauf, die er selbst zu Augen bekommen hat: So weit wir die gefundenen Mnzen

    Anschrift des Verfassers: Dr. Frank Berger, Historisches Museum Frankfurt, Saal-gasse 13, 60311 Frankfurt. Unvernderter Text des Vortrags anllich des 150jhri-gen Bestehens des Oldenburger Landesvereins fr Geschichte, Natur- und Heimat-kunde e.V. am 12. Mrz 2000 in Jever.

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    kennen, sind die berwiegend meisten von Hadrian und Trajan, ziemlich viele vonDomitian und Titus, weniger von Vespasian, sehr wenige von Nero und Sabina.Auerdem sind uns bekannt geworden nur 3 Vitellius, 1 Julia, 1 Marciana, 1 Ploti-

    na, 1 Matidia, 1 griechische Mnze und, was das Auffallendste ist, nur 1

    AntoninusPius". Auerdem sollen noch andere Gegenstnde aus Silber dabei gefunden wor-den sein.Am 16. Mrz kam Bibliothekar Dr. Merzdorf nach Jever. Er informierte sich bei Leh-rer Strackerjan nach dem Stand der Dinge und erfuhr, dass das meiste schon wegwar. Stadtdirektor Mller hatte inzwischen alle verbleibende Stcke gegen eine ent-sprechende Abfindung an die Arbeiter sichergestellt. Ihm ist die Rettung desSchatzfundes von Jever zu verdanken. Merzdorf fand bei Mller ca. 400 Denare inungereinigtem und oxydiertem Zustand vor und schaute sie sich an: Nach ober-flchlicher Durchsicht ergab sich, dass diese Denare aus den Jahren 69 - 170 nachChristus unter den Kaisern Vitellius bis Antoninus Pius geprgt seien, und meist ver-

    schiedene Stempel - fast nie Doubletten - zeigten, dass die Kaiser Trajan und Ha-drian in berwiegender Anzahl vertreten seien, whrend andere seltener sich vor-fanden. Durch Zufall sind die seltensten Stcke, die dem Fund angehrten, in festeHnde gekommen, aus denen dieselben schwer zu erhalten sein drften so z. B. dieMnzen der Julia, Sabina, Plotina und ein Antoninus Pius. Das Auffinden und aus-suchen war selbst den Mnzunkundigen durch die Brustbilder leicht." Von denweiteren silbernen Gegenstnden erfuhr Merzdorf nur noch von einem silbernensog. Ohrlffel. Er empfahl Stadtdirektor Mller, fr die Mnzen eine Kaufsummezu zahlen, die dem doppelten Silberwert entsprche und kam dabei auf 150 TalerKaufpreis. Aus heutiger Sicht war diese Summe angemessen und eher hoch. DieFinder werden als arme Familienvter bezeichnet, die das Geld gut brauchen kn-

    nen. Die Mnzen aus dem Gewahrsam des Stadtdirektors Mller und auch der Sil-berlffel wurden der Empfehlung gem fr die groher/.oglichen Sammlungenerworben.

    Der literarische Niederschlag des Fundes von Jever war sehr gering. Neben demBericht von Lehrer Strackerjan in den Jeverlndischen Nachrichten gab es nur nocheine Notiz in der Numismatischen Zeitung vom April 1850 auf Seite 56:Mnzfund. Zu anfang vorigen Monats fanden Arbeiter zu Jever gegen 4-5000rmische Silberdenare etwa 4-5 Fu tief in der Erde, sie waren grtenteils sehr guterhalten, mssen jedoch zuerst von einer schwrzlichen, ein wenig mit Grnspanversetzten Umhllung chemisch befreit werden. So viel bis jetzo bekannt gewordenist, sind sie von den Kaisern Nerva, Vespasion, Domitian, Trajan und Hadrian und

    es haben sich unter ihnen noch keine numismatischen Seltenheiten vorgefunden.Merkwrdig bleibt es, da man bis jetzo in dieser Gegend noch keine berbleibselaus der Rmerzeit aufgefunden hat, was Veranlassung zu der Annahme gab, dadie Bewohner dieser Gegend in keinem Verkehre mit den Rmern gestanden ht-ten, auch ber deren Anwesenheit in derselben nichts Geschichtliches vorliegt."Auf der Basis dieser Notizen wird der Schatz von Jever von Mommsen 1860 bisStupperich 1980 aufgefhrt. Die Wiederauffindung und Rekonstruktion des Schat-zes unternahm 1981 der Bonner Archologe Volker Zedelius. Er identifizierte dieber 400 Mnzen des Oldenburger Landesmuseums, die berwiegend ohne Fund-hinweis unter den brigen rmischen Mnzen der Sammlung lagen. Weitere Dena-

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    re ermittelte er im Schlomuseum zu Jever. Diese waren teilweise als Einzelstcke,teilweise mit Sammlungen in den Bestand gekommen. Unter ihnen befinden sichviele der eher seltenen Stcke, von denen Strackerjan und Merzdorf berichteten, so

    Denare von Nero, Galba, Vitellius, der Domitia, von Marc Aurel und Lucius Verus.Drei Denare schlielich liegen jetzt im Ostfriesischen Landesmuseum in Emdenund weitere zwei im Westflischen Landesmuseum fr Kunst und Kulturgeschichtein Mnster.Leitmnze der Ermittlungen von Zedelius war die Leierdrachme Trajans. Er stelltenur Mnzen zusammen, die eine hnliche Korrosion, Patina und einen vergleichba-ren Erhaltungszustand durch die scharfe Reinigung hatten. Am Ende kam er auf564 Mnzen, die er im Jahre 1982 in einem Aufsatz publizierte. Der Silberlffel kamin die Groherzogliche Altertmersammlung, die 1919 zum Teil versteigert wurde.Er drfte sich unter den versteigerten Stcken befunden haben, da er heute nichtmehr nachzuweisen ist und leider liegt auch keine Zeichnung des Lffels vor.

    2. Inhalt des Fundes

    Von ursprnglich 3000 bis 5000 Denaren knnen wir heute noch 564 Stck nachwei-sen. Auch mit dieser Anzahl ist der Schatzfund von Jever noch der grte erhaltenermische Mnzschatz in Norddeutschland. 44 Exemplare befinden sich davon heu-te noch in Jever selbst, im Schlomuseum, und die berwiegende Mehrheit nichtweit davon entfernt im Oldenburgischen Landesmuseum.Die nchstkleineren Denarschtze kennen wir aus Neuhaus an der Oste (345 Dena-re erhalten), Rinteln (243), Lashorst (186), Middels-Osterloog (80), Rtenbrock (75),

    Laatzen (74) und Grpel (65). Das Schicksal, dass die meisten Mnzen abhandengekommen sind, beschrnkt sich nicht auf Jever. In Filsum in Ostfriesland stehen6 vorhandene Denare zwei Pfund verschollenen Stcken gegenber und aus Welse-de bei Hameln sind aus einem Topf voll Mnzen nur vier Stck bekannt.Die Mnzen des Schatzfundes reichen zeitlich von Augustus bis Septimius Severus.lteste Mnze ist ein Gaius/Lucius - Denar des Augustus in stark abgegriffenemZustand, geprgt 2/1 v. Chr. in Lyon. Dem folgen ein Denar des Nero (54-68), einerdes Galba (68/69 n. Chr.) und zwei des Vitellius (69 n. Chr.). Die Flavischen Kaiser(Vespasian/ Titus/ Domitian) sind mit 133 Denaren vertreten. Nach 14 Denaren desNerva (96-98) machen 250 Denare des Trajan (98-117) den Lwenanteil des Fundesaus. Eine Besonderheit ist darunter eine sog. Leierdrachme des Trajan aus Lykien.

    Dieser Mnztyp wurde eigentlich fr den lokalen Mnzumlauf in Kleinasien ge-prgt, gert aber gelegentlich unter die rmische Reichsprgung und wanderte somit den Denaren in den Norden. Wichtig fr die Akzeptanz dieser uerlich garnicht so fremdartigen Mnze war, dass die in Gewicht und Feingehalt den regul-ren Denaren in etwa entsprach. Der folgende Kaiser Hadrian (117-138) ist mit 144Mnzen am zweitstrksten vertreten. Von ihm gibt es eine irregulre Nachprgungeines Denars im Fund, eine sog. Barbarische Nachahmung. Das Ende bilden 10 De-nare des Antoninus Pius (138-161), zwei des Marc Aurel (161-160) und zwei desSeptimius Severus (193-211). Die Zugehrigkeit von drei Denaren des Severus Alex-ander (222-235) zum Fund ist hchst unsicher.

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    Das Verlustdatum ist naturgem nach der Prgezeit der jngsten Mnze anzuset-zen. Die Masse des Hortes, 98 % der Mnzen, endet zwar schon um 144 n. Chr.Dann kamen nur noch sehr wenige Stcke hinzu. Meiner Meinung nach beschlie-

    en die zwei Denare des Septimius Severus den Schatz, was gut im Einklang mitden schriftlichen Quellen stnde. Als Vergrabungsdatum des ganzen Hortes knn-ten dann die Jahre um 200 n. Chr. gelten.

    3. Bedeutung des Fundes

    Der Schatzfund besteht ausschlielich aus Denaren. Im rmischen Geldumlauf die-ser Zeit kursierte dem Wert entsprechend berwiegend kupfernes Kleingeld, Dena-re und auch die goldenen Aurei im Wert von 25 Denaren. Allerdings kommen rmi-sche Kupfer- und Goldmnzen dieser Zeit in Norddeutschland nur in ganz

    geringer Anzahl vor. Es gibt dort praktisch nur rmisches Silber, was auf bestimmteGewohnheiten hinweist. Das Fehlen von Kleingeld zeigt, dass ein regulrer Geld-verkehr in Norddeutschland nicht existierte. Das Silber hatte also eine andere Funk-tion. Er war Wertgegenstand, gewiss auch Tauschmittel, nicht aber echtes Geld imrmischen oder in unserem Sinne.Der rmische Denarschatz von Jever soll nicht isoliert betrachtet werden. Seine Bedeu-tung erwchst aus dem Vergleich mit anderen Quellen dieser Zeit, also weiterenSchatzfunden und den schriftlichen Nachrichten aus dem Imperium. Zu fragen istnach dem Beginn, Verlauf und Ende der rmischen Mnzzufuhr nach Norddeutsch-land, nach den Gebieten, in denen sich diese Mnzen befinden, nach der Ursache frdas Einstrmen der Denare und dem abschlieenden Verbleib solcher Geldbetrge.

    Das Datum der Mnzzufuhr wird aus den Prgedaten der Schlussmnzen in denHorten abgeleitet. Dies fhrt in den Zeitraum zwischen 144 und 198 n. Chr. Unbe-stimmt bleibt natrlich der Zeitraum zwischen dem Abschlu des Hortes und sei-ner Verbergung. Der Import der Mnzen geschah recht bald nach dem Prgedatumder Schlussmnzen. Dabei gelangten die Mnzen nicht regelmig, sondern schub-weise nach Norddeutschland. Ein frher Schub war nach 144, ein grerer Schubkam zwischen 168 und 180 an, also in der spten Regierungszeit Marc Aurels undeine weitere grere Zufuhr geschah in der unruhigen Zeit vom Ende der Regie-rung des Caracalla ber das zweite Vierkaiserjahr bis in die ersten Jahre des Septi-mius Severus, datiert also zwischen 190 und 198. Danach endet schlagartig jedegrere Zufuhr von Denaren, obgleich im Reichsgebiet die Ausmnzung zahlen-

    mig einen groen Aufschwung nahm.Die rmischen Denarhorte des 2. Jahrhunderts sind kein speziell norddeutsche Ph-nomen. Der schwedische Historiker Lennart Lind stellt nicht weniger als 403Denarschtze dieser Zeitstellung nrdlich der Donau und stlich des Rheins zu-sammen. Weitere Fundschwerpunkte liegen in Polen, der Ukraine, Dnemark,Schonen, der Mlarregion, land und Gotland.

    Abb. 1 (linke Seile): Denare. Nero (2), Galba (3), Vitellius (4), Vespasian (60), Titus (68), Domi-tian (137), Nerva (140), Trajan (15V, Hadrian (541), Antoninus Pius (545), Marc Aurel (555),Sept. Severus (557). Nach V.ZEDEUUS 1982.

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    Abb. 2: Denarhorte des 2. Jahrhunderts in Nordwestdeutschland. Numerierung nach Berger.

    Das Fundbild der Denarhorte in Nordeutschland ist auffllig. Geringes Fundvor-kommen gibt es im Raum Westfalen und dem Gebiet der Mittelgebirge. Der ber-wiegende Teil der Schatzfunde liegt nrdlich davon im Gebiet von Ems und Weserbis hin zur Elbmndung. Im Elb-Weserdreieck gibt es mit sechs Horten eine beson-dere Fundhufung. Die Fundstellen liegen meist an Wasserlufen und anderen

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    Kommunikationsbahnen. Auffllig ist, da die Funde nicht dicht hinter der Grenze,sondern ber 200 km entfernt davon angetroffen werden. Dies fhrt zu der Fragenach der Ursache dieser Schatzfunde.

    Eine Siedlung einheimischer Bevlkerung gab es im Bereich der Fundstelle nicht. Esist also kein Fund, der im Wohnzusammenhang verborgen wurde. Gelegentlichwerden Schatzfunde als Opfer gedeutet. Diese wurden in Brunnen oder an Quellenniedergelegt, was in Jever an dieser Stelle aber nicht existiert. Auch der zuflligeVerlust einer so groen Menge Geldes scheint ausgeschlossen. Schlielich gibt esdie berlegung von chaukischen Seerubern, die an der Kste Galliens plnderten.Doch es ging im 2. Jahrhundert hier eher friedlich zu und von solchen Rubereienhaben wir keine Nachrichten. Dazu kommt, da der Schatzfund nicht isoliert imRaum steht, sondern in einem breiteren Zusammenhang von Handlungen zu sehenist, die sich zwischen Ems und Oste abgespielt haben.Das Geld kam freiwillig" aus dem Rmischen Reich zu den Germanen. Diesen

    Weg kann es auf zwei Arten genommen haben. Sldner, also Huptlinge mit ihrerGefolgschaft in rmischen Diensten, knnten es mitgebracht haben. Ein solches istvor allem im 4. Jahrhundert im Emsland gut belegt. Das Mitbringen grerer Sum-men macht wenig Sinn im Alltag Norddeutschlands, denn einen rmischen Geld-umlauf gab es hier nicht. Eher schon dienten diese Silberbetrge als Statussymbolder Heimkehrer aus der berlegenen Zivilisation. Solchermaen sind auch anderermische Waren in der Nhe der Denarhorte zu erwarten, die auf eine Anpassungan rmische Lebensgewohnheiten hindeuten. Im Falle von Jever wre dies der mit-gefundene kleine Silberlffel. Doch auch sonst sind Zeugnisse rmischen Alltags,die ber die Mnzen hinausgehen, in Nordwestdeutschland inzwischen zahlreichnachgewiesen.

    Direkte Zahlungen an germanische Stmme berichten die Schriftsteller fr MarcAurel (161-180), seinen Sohn und Nachfolger Commodus (180-192) und Caracalla(211-218). ber Marc Aurel schreibt Cassius Dio, dass er einem Stamm in PannonienBndnisse in Aussicht stellte und ihm Geldgeschenke machte. Ein anderer Hupt-ling drohte dem Kaiser mit Krieg, wenn er kein Geld erhielt (Dio 72,11,1)- Der van-dalische Stamm der Astingen kam nach Dakien in der Hoffnung, fr ihre Hilfe Geldund Land zu erhalten und sie erhielten das Geld auch (Dio 72,12,1). Die anonymverfate Historia Augusta (Marcus 21,6f.) berichtet, dass Marc Aurel germanischeHilfstruppen fr den Einsatz gegen andere Germanen bezahlte. Daraus wird deut-lich, dass Geldzahlungen als Mittel der Auenpolitik eingesetzt wurden und diesesVerfahren knnte schon lnger blich gewesen sein. Die Zahlungen wurden freiwil-

    lig geleistet und man findet sie gerade im Hinterland der romfeindlichen Stmmedes Marcomannenkrieges. Cassius Dio legt solche Zahlungen dem Kaiser Commo-dus als Schwche zur Last, als er den Barbaren fr den Abschluss eines Friedens-vertrages angeblich viel Gold zahlte (Dio 74,6,1). Die Geldberweisungen endendeutlich vor der Jahrhundertwende. Mit Regierungsantritt des Kaisers Pertinax(193) werden sie ausdrcklich eingestellt. Daran hat sich Septimius Severus (193-211) nach Erringung der Alleinherrschaft wohl auch gehalten und stellte die tribut-hnlichen Leistungen endgltig ein. Er verringerte den Silbergehalt der Denare von78 % auf 55 % und erhhte den Sold der Soldaten. Die passive Grenzverteidigungdurch Schutzzahlungen wurde so umgestellt auf eine aktive Grenzverteidigung

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    mittels eigener Soldaten. Doch bleibt dabei die Frage offen, was sich besser rechnet.In der ffentlichkeit galt es aber als beschmend, wenn eine Weltmacht sich mitGeld bei den Barbaren einkaufen mute.

    Einige Jahre spter unter Caracalla erinnerten sich die Vlkerschaften am Ozeanrings um die Elbmndung der alten Praxis und drohten mit Krieg, wenn sie keinGeld von ihm erhielten (Dio 78.13,3). Zahlungen Kaiser Caracallas an diese Stmmesind archologisch nicht belegt.Die eindeutigen Aussagen der rmischen Texte legen nahe, dass es sich um freiwil-lige tributhnliche Zuwendungen seitens der rmischen Politik handelt. Das Stich-wort heit: Geldzahlung als Mittel der Auenpolitik. Die Silberschtze fhren unsin die groen Linien der Reichsverteidigung. Sie geben Hinweise zu den Zielgebie-ten und den Absichten der rmischen Germanienpolitik fr einige Jahrzehnte.Alle Silberhorte in Nord- und Osteuropa schlieen endgltig etwa zur gleichenZeit. Ob sie bald darauf oder gar Jahrhunderte spter erst verborgen wurden, lt

    sich selten feststellen. Bei den zwei Schatzfunden von Laatzen und Lengerich wur-den einem Denarhort des 2. Jahrhunderts nach 150 Jahren noch einige Beigabenhinzugefgt. Geldempfnger waren gewiss germanische Groe und innerhalb derEliten wurde der Schatz dann weitervermacht. Sie waren als Geschenk der hoch-zivilisierten Weltmacht ein Statussymbol, dessen Bedeutung durch Vergrerungund Beigaben noch erhht wurde. Die Schtze verliehen den Besitzern ein hohesSozialprestige und knnen auch bei religisen und kultischen Handlungen von Be-deutung gewesen sein.

    Der Schatz von Jever sollte in enger Verbindung mit dem nchstgelegenen rmi-schen Denarschatz in Friesland gesehen werden, der 1892 beim Pflgen einesAckers in Middels - Osterloog ans Licht kam. Dieser enthlt 80 Denare, darunter

    eine lykische Leierdrachme des Domitian. Die jngste Mnze aus Middels - Oster-loog wurde 144 n. Chr. geprgt.Damit endet dieser Schatz zeitgleich mit 98 % des Inhalts von Jever. Beide Betrgeknnten damit gleichzeitig in diese Gegend gebracht worden sein. Dem Fund von

    Jever wurde vielleicht spter noch die ein oder andere Mnze beigefgt. Hndlermgen die Kste entlanggesegelt sein und boten rmische Waren an, fr die ja Geldzur Bezahlung da war. Eine gewisse Kommunikation zwischen der sdlichenNordseekste und Gallien gab es noch bis ca. 350 n. Chr.Warum kam der Schatz in den Boden? Wir wissen es nicht. Ein genaues historischbelegtes Ereignis dieser Zeit ist uns nicht berliefert. Der Eigentmer ist gestorbenund mit ihm das Wissen um die Fundstelle. Nachbarstmme knnten angegriffen

    haben. Oder der letzte Besitzer starb pltzlich durch einen Unfall. Der Schatzfundvon Jever kann diese Frage nicht beantworten.

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    Der rmische Schatzfund von Jever (1850) 235

    Literatur:

    F. BERGER/CHR. STOESS, Die Fundmnzen der rmischen Zeit in Deutschland, Abt. VII, Niedersachsen undBremen, Band 1-3, Berlin 1988, Nr. 3019 (Jever)

    F. BERGER, Untersuchungen zu rmerzeitlichen Mnzfunden in Nordwestdeutschland (Studien zu Fund-mnzen der Antike, Band 9), Berlin 1992

    L. LIND, Roman denarii found in Swed en. 2. Catal ogue , Stock holm 1981.K. RECLING, Rmischer Denarfund von Frndenberg, in: Zeitschrift fr Numismatik 29, 1912, S. 189-253.S. v. SCHNURBEIN/M. ERDRICH, Rmische Funde im mitteleuropischen Barbaricum, dargestellt am Beispiel

    Niedersachsen, in: 73. Bericht der Rmisch-Germanischen Kommission 1992, S. 5-27.R. WOI.TERS/CHR. STOESS, Die rmischen Mnzschatzfunde im Westteil des Freien Germanien, in: Mn-

    stersche Beitrge zur Antiken Handelsgeschichte, Bd. IV,2, 1985, S. 3-41.V. ZEDHUUS, Zwei Funde rmischer Denare aus dem freien Germanien: Middels-Osterloog und Fickmh-

    len (Bederkesa), in: Studien zur Sachsenforschung 2, 1980, S. 489-514.V. ZEDELIUS, Der groe rmische Denarschatz von Jever (1850) Niedersachsen, in: Studien zur Sachsenfor-

    schung 3, 1982,S. 314- 349. (Grundlegend)

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    Heike Aouni

    Die Einhenkelkanne aus Wiefelstede, Ldkr. Ammerland -Sptrmischer Import" oder mittelalterlicher

    Reliquienbehlter?

    Indem man Gegenstnde in Museen bringt, stellt

    man sie nicht nur fr den Blick der Gegenwartaus, sondern auch fr den zuknftiger Generatio-

    nen, so zoie man es in frheren Zeiten mit anderen

    Dingen fr den Blick der Gtter tat.

    Krzysztof Pomian, Der Ursprung des Museunis.

    Vom Sammeln. Berlin 1998, 70.

    1895 bergab der Organist Harms aus Wiefelstede eine rmische Einhenkelkanneder Groherzoglichen Altertmersammlung" in Oldenburg. Nach der Inventari-sierung stammt der Fund aus der Umgebung des Dorfes Wiefelstede (Abb. 1) (ZOL-

    LER 1990, 211 Nr. 64).' Wie so hufig bei archologischen Altfunden sind auer einerungefhren Lokalisierung keine weiteren Fundumstnde bekannt.Die Groherzogliche Altertmersammlung aus dem Herzogtum Oldenburg wurde1897 geteilt. Whrend die vorgeschichtlichen Objekte ihren Platz im Naturhi-storischen Museum, dem jetzigen Staatlichen Museum fr Naturkunde und Vorge-schichte, fanden, erhielt das Kunstgewerbemuseum, heute eine Abteilung des Lan-desmuseums fr Kunst- und Kulturgeschichte, die rmischen Funde zusammenmit den mittelalterlichen und frhneuzeitlichen Bestnden (MLLER 1999, 14). SeitDezember 1999 befindet sich die kleine Kanne als Dauerleihgabe im StaatlichenMuseum fr Naturkunde und Vorgeschichte.

    1) Fr Ausknfte zur Herkunft der Kanne mchte ich Herrn Dr. M. Rheinbold, Landesmuseum frKunst- und Kulturgeschichte Oldenburg, danken. Herrn Dr. M. Riedel, Rmisch-GermanischesMuseum Kln, sei gedankt fr Einblick in die Klner Studiensammlung. Fr anregende Diskussionenund wertvolle Hinweise danke ich Herrn Dr. M. Erdrich, Universitt Amsterdam.

    Anschrift des Verfassers: Dr. Heike Aouni M.A., Kulturhistorisches Museum Magde-burg, Otto-von-Guericke-Str. 68-73, 39104 Magdeburg, [email protected]

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