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Factsheet II NovoSeven ® : Struktur, Pharmakologie, Wirkungsweise, Anwendung

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Factsheet II

NovoSeven®: Struktur, Pharmakologie,

Wirkungsweise, Anwendung

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Struktur von NovoSeven® Der physiologisch im menschlichen Organismus vorkommende Faktor VII hat die

Struktur eines aus 406 Aminosäuren zusammengesetzten Polypeptids.1-2 Die

bereits 1986 durchgeführte Kristallstrukturanalyse zeigt eine leichte und eine

schwere Kette (Abb. 2). In der schweren Kette befindet sich das aktive katalytische

Zentrum. Die leichte Kette enthält die für die Signaltransduktion wichtige EGF-

Domäne sowie die ebenfalls für die Signalübertragung wichtige Gla-Domäne. Hier

befindet sich auch der Bindungsort für Kalziumionen.

Abb. 1: Sekundärstruktur des humanen Gerinnungsfaktors VII. Quelle: Hagen FS et al. Character-ization of a cDNA coding for human factor VII. Proc Natl Acad Sci USA 1986; 83 (8): 2412-2416. Persson E et al. Recombinant coagulation factor VIIa - from molecular to clinical aspects of a versatile haemostatic agent. Thromb Res 2009 Dec 16. [Epub ahead of print].

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Abb. 2: Tertiärstruktur des humanen Gerinnungsfaktors VII. Quelle: Persson E et al. Recombinant coagulation factor VIIa - from molecular to clinical aspects of a versatile haemostatic agent. Thromb Res 2009 Dec 16. [Epub ahead of print].

Nach Isolation des Gens, das im menschlichen Genom für den Gerinnungsfaktor VII

(FVII) kodiert, war es möglich, dieses Gen in Säugetierzellen zu übertragen (mit der

DNA der Zelle zu „rekombinieren“), die dadurch befähigt wurden, Faktor VII human-

identisch zu produzieren. Der biofermentativ gewonnene (rekombinante), aktivierte

Faktor VII (rFVIIa, NovoSeven®) ist mit dem im Plasma des Menschen

vorkommenden physiologischen, aktivierten Faktor VII identisch. Dies trifft nach den

Untersuchungen von Lund-Hansen3 und Thim4 für folgende Parameter zu:

• Aminosäuresequenz,

• Aminosäurezusammensetzung,

• Gamma-Carboxylierung,

• Peptidstruktur,

• Biologische Aktivität und abgeschwächt auch für die Zusammensetzung der

Kohlenhydratseitenkette3-4

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Pharmakokinetik von NovoSeven® bei Patienten mit Hemmkörper-Hämophilie Die Pharmakokinetik von NovoSeven® wurde unter Verwendung des Faktor VII-

Gerinnungs-Assays bei 12 pädiatrischen (2 - 12 Jahre) und 5 erwachsenen Patienten

ohne akute Blutung untersucht.5-6 Für die untersuchten Dosen von 90 und 180 µg

pro kg Körpergewicht (KG) wurde Dosisproportionalität bei Kindern nachgewiesen.

Dies stimmt mit früheren Ergebnissen zu niedrigeren Dosen (17,5 - 70 µg/kg KG

rFVIIa) überein.7 Die Clearance scheint mit dem Alter zusammenzuhängen, denn bei

pädiatrischen Patienten war die mittlere Clearance höher als bei erwachsenen

Patienten (78 verglichen mit 53 ml/kg/h), wogegen in beiden Gruppen eine mittlere

terminale Halbwertszeit von 2,3 Stunden bestimmt wurde. Das mittlere

Verteilungsvolumen im Steady-State betrug 196 ml/kg bei pädiatrischen Patienten

verglichen mit 159 ml/kg bei Erwachsenen.5-6

Bioäquivalenz raumtemperaturstabiles NovoSeven® und

Vorgängerformulierung

Die randomisierte Doppelblind-Studie von Bysted et al. (2007)8 diente dem Nachweis

der Bioäquivalenz des neuen, bis zu 25° C raumtemperaturstabilen rFVIIa (VII25) mit

dem zuvor vertriebenen rFVIIa. Die weiteren Untersuchungsziele umfassten die

kurzfristige Sicherheit und Verträglichkeit des neuen Produkts sowie die

pharmakokinetischen Daten beider rFVIIa-Formulierungen von 22 Probanden, die

beide Prüfpräparate erhalten hatten.

Die Studie belegte die Bioäquivalenz des bisherigen rekombinanten FVIIa und der

bis zu 25° C raumtemperaturstabilen Formulierung von rFVIIa. Alle

pharmakokinetischen Parameter für rFVIIa und VII25 lagen im vordefinierten

Bioäquivalenzbereich (0,80 bis 1,25). Bei allen Probanden stieg die Aktivitätskurve

innerhalb von 5–10 Minuten nach Injektion von rFVIIa oder VII25 auf ein Maximum

an und beide Kurven zeigten einen ähnlichen Verlauf beim Abfall der FVIIa-Aktivität.

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(Abb. 3). Das rFVIIa-Aktivitätsprofil blieb auch in der raumtemperaturstabilen

Formulierung erhalten, die raumtemperaturstabile Formulierung erwies sich als gut

verträglich und ebenso sicher wie die Vorgängerformulierung.

Abb. 3. Zeitlicher Verlauf der durchschnittlichen FVIIa-Plasmaaktivität nach i.v. Bolusinjektion von je 90 µg/kg KG rFVIIa und VII25. Quelle: Bysted BV et al. Haemophilia 2007; 13 (5): 527–532.

Wirkungsweise von NovoSeven®

Die Wirkungsweise von NovoSeven® erklärt sich aus seiner Funktion als

naturidentischer humaner Blutgerinnungsfaktor. Dieser wirkt direkt auf das

hämostatische System.

Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen drei Stadien der Blutgerinnung:

1. Die primäre Hämostase, in der es nach Verletzungen zunächst zu einer

Vasokonstriktion (Gefäßverengung) kommt. Darauf folgt innerhalb weniger Sekunden

eine Adhäsion (Anlagerung) der Blutplättchen (Thrombozyten) an die verletzte

Gefäßwand und innerhalb von Minuten deren Aggregation (Zusammenballung).9-10

2. Die sekundäre Hämostase umfasst die Aktivierung von Gerinnungsfaktoren, die

ebenfalls nach wenigen Sekunden eintritt. Während der folgenden Minuten werden

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Fibrinfäden gebildet, welche durch Quervernetzung in einer stabilen netzartigen

Struktur einen stabilen Wundverschluss bilden.9-11

3. Die Fibrinolyse wird innerhalb von Minuten aktiviert. Zur Auflösung des Gerinnsels

kommt es binnen einiger Stunden.9

Damit das hämostatische System funktionieren kann, müssen verschiedene

Komponenten zusammenwirken: Dazu zählen sowohl die Endothelzellen, das

subendotheliale Gewebe und die glatte Muskulatur in der Gefäßwand als auch die

Thrombozyten und plasmatischen Gerinnungsfaktoren im Blut (zu denen auch Faktor

VII gehört, der sich immer zu einem Anteil von etwa 1% in seiner aktivierten Form

[FVIIa] im Blut nachweisen lässt). Darüber hinaus sind auch körpereigene

fibrinolytische, also gerinnselauflösende Proteine beteiligt.9

Die sekundäre Hämostase, deren Verständnis einen Einblick in die Wirkungsweise

von NovoSeven® erlaubt, umfasst eine Reihe von Interaktionen zwischen den

Gerinnungsfaktoren. Sie findet auf der Oberfläche von Gewebethromboplastin (TF =

Tissue Factor)-tragenden Zellen im Subendothel sowie auf der Oberfläche von

aktivierten Thrombozyten statt. Diese Interaktionen führen zur Bildung großer

Thrombinmengen („Thrombin-Burst“) und schließlich zu einem stabilen

Fibringerinnsel an der verletzten Gefäßwand, wodurch eine Blutstillung erreicht wird.

Im „zellbasierten Modell“ der Blutgerinnung läuft diese in drei sich überschneidenden

Phasen ab: Initiationsphase, Amplifikationsphase und Propagationsphase.2

In der Initiationsphase kommt an der verletzten Gefäßwand der TF mit dem

endogenen Faktor VII und Faktor VIIa aus dem zirkulierenden Blut in Kontakt. Es

bildet sich ein Komplex aus TF und Faktor VIIa, der die Gerinnung initiiert (Abb. 4).

Dieser Komplex aktiviert seinerseits auf der Oberfläche TF-tragender Zellen Faktor

IX zu IXa und Faktor X zu Xa. Letztere Umwandlung kann durch Faktor VIIa auch

direkt induziert werden. Faktor Va aus dem zirkulierenden Blut und Faktor Xa bilden

am Ort der Gefäßverletzung einen Komplex.10-11

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Abb. 4: Schematische Darstellung des Gerinnungssystems. Quelle: Hoffman M, Monroe DM. A cell-based model of hemostasis. Thromb Haemost 2001; 85 (6): 958–965.

Während der Amplifikationsphase führt der Xa/Va-Komplex zur Umwandlung

geringer Mengen von Prothrombin in Thrombin. Thrombin aktiviert wiederum u. a. die

Faktoren V, VIII und die Thrombozyten. Die Faktoren Va, VIIIa und IXa lagern sich

an die Oberfläche aktivierter Thrombozyten an.10-11,13

Dieser Vorgang leitet zur Propagationsphase über. Dabei kommt es gleichzeitig zur

Veränderung der Form thrombinaktivierter Thrombozyten und der Exprimierung von

negativ geladenen Phospholipiden, an denen sich der Komplex der Faktoren

VIIIa/IXa anlagert, was zur Aktivierung von Faktor X führt. Der Faktor Xa/Va-Komplex

katalysiert nun die rasche Umwandlung großer Mengen von Prothrombin in

Thrombin, was zum sog. Thrombin-Burst führt. Hierdurch wird Fibrinogen in Fibrin

umgewandelt, und der fibrinstabilisierende Faktor XIII aktiviert. Das Ausmaß der

Thrombinbildung bestimmt schließlich die Stabilität des Fibringerinnsels und damit

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die Effektivität der Blutstillung.14 In pharmakologischer Dosis vermag rFVIIa

(NovoSeven®) auch direkt die Umwandlung von Faktor X zu Faktor Xa auf der

Oberfläche lokal gebundener Thrombozyten zu bewirken.15 Das geschieht auch

dann, wenn die Faktoren VIII oder IX nicht verfügbar sind, wie z. B. bei Vorliegen

einer Hämophilie A oder Hämophilie B.16 Sobald Faktor X durch rFVIIa aktiviert wird,

führt er, wie oben beschrieben, im Komplex mit seinem Kofaktor Va zur Bildung

großer Mengen Thrombin, welches Fibrin aktiviert und zur Bildung eines stabilen

Gerinnsels an der Wundfläche und damit zur Blutstillung führt. Auf diese Weise

vermag NovoSeven® Blutungen zielgerichtet am Ort der Gefäßverletzung zu stillen.11

Anwendung von NovoSeven®

Die Anwendung von NovoSeven® erfolgt zur Behandlung und Prophylaxe von

Blutungen als intravenöse Bolusinjektion über einen Zeitraum von zwei bis fünf

Minuten. Die beste Wirksamkeit wird erreicht, wenn die Therapie so früh wie möglich

nach Einsetzen der Blutung erfolgt. Bei Hämophilie mit Hemmkörpern wird zur

Behandlung einer Blutung eine Initialdosis von 90 µg/kg KG empfohlen, wobei bis

zum Sistieren der Blutung weitere Bolusgaben von 90 µg/kg KG in Intervallen von

zwei bis drei Stunden gegeben werden sollten. Seit 2007 ist auch ein Einzelgabe-Regime für die Behandlung von leichten bis mittelschweren Blutungen zugelassen,

bei dem die Dosis 270 µg/kg KG beträgt. Empfohlen wird – soweit möglich – die

Anwendung von NovoSeven® zu Hause („Heimselbstbehandlung“), wobei eine

Broschüre zur sachgerechten Anwendung sowie eine Reihe von Hilfsmitteln und

Informationen für Arzt und Patienten zur Verfügung stehen.* Bei angeborenem Faktor

VII-Mangel liegt die empfohlene Dosierung zur Substitution bei 15-30 µg/kg KG und

sollte bis zum Erreichen einer Hämostase alle 4 bis 6 Stunden wiederholt werden.

Weitere Informationen enthält die Zusammenstellung der relevanten Studiendaten im

Factsheet „Wichtige Studien zu NovoSeven®“ sowie die Fachinformation von

NovoSeven® (Stand Oktober 2010).

* Bitte beim Hersteller anfragen

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REFERENZEN

1. Hagen F et al. Characterization of a cDNA coding for human factor VII. Proc Natl Acad Sci USA 1986; 83 (8): 2412-2416

2. Persson E et al. Recombinant coagulation factor VIIa - from molecular to clinical aspects of a versatile haemostatic agent. Thromb Res 2009 Dec 16. [Epub ahead of print].

3. Lund-Hansen T, Petersen LC. Comparison of enzymatic properties of human plasma FVIIa and human recombinant FVIIa. Thromb Haemost 1987; 58: 270.

4. Thim L et al. Amino acid sequence and posttranslational modifications of human factor VIIa from plasma and transfected baby hamster kidney cells. Biochemistry 1988; 27 (20): 7785-7793.

5. NovoSeven® 1 mg/2 mg/5 mg/8 mg Fachinformation (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels), Oktober 2010, Novo Nordisk A/S.

6. Villar A et al. Pharmacokinetics of activated recombinant coagulation factor VII (NovoSeven® ) in children vs. adults with haemophilia A. Haemophilia 2004; 10 (4): 352-359.

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8. Bysted BV et al. A randomized, double-blind trial demonstrating bioequivalence of the current recombinant activated factor VII formulation and a new robust 25 degrees C stable formulation. Haemophilia 2007; 13 (5): 527-532.

9. Colman RW et al. Overview of haemostasis. In: Colman RW, Hirsh J, Marder VJ, Clowes AW, George JN, eds. Haemostasis and Thrombosis: Basic Principles and Clinical Practice. 4th ed. Philadelphia, PA: Lippincott Williams & Wilkins; 2001: 3–16.

10. Monroe DM, Hoffman M. What does it take to make the perfect clot? Arterioscler Thromb Vasc Biol 2006; 26 (1): 41–48.

11. Hoffman M, Monroe DM. A cell-based model of hemostasis. Thromb Haemost 2001; 85 (6): 958–965.

12. Monroe DM et al. A possible mechanism of action of activated factor VII independent of tissue factor. Blood Coagul Fibrinolysis 1998; 9 (Suppl 1): S15–20.

13. Monroe DM et al. Transmission of a procoagulant signal from tissue factor-bearing cell to platelets. Blood Coagul Fibrinolysis 1996; 7 (4): 459–464.

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15. Hoffman M, Monroe DM. The action of high-dose factor VIIa (FVIIa) in a cell-based model of hemostasis. Dis Mon 2003; 49 (1): 14–21.

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