Trialog 05/2011 - „Ich hoffe, sie schafftden Ausstieg”

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4|2006 www. heilsarmee.ch Magazin für ein Leben voll Hoffnung /2 2006 ¥ 2. Jahrgang Ein schlechtes Gewissen hat Beatrice* manchmal, aber Vorwürfe macht sie sich keine. Ihre drogenabhängige Schwester Katrin* lebt auf der Strasse. Beatrice sagt dazu: „Es ist ihr Leben, für das sie auch selber verantwortlich ist. Aber ich hinterfrage meine jetzige Rolle. Was ist meine Aufgabe?” So sucht Beatrice immer wieder mit der Situation klarzu- kommen und einen Umgang mit ihrer Schwester zu finden, der sie weder über- fordert noch unter Druck setzt. Kein hoffnungsloser Fall Beatrice erzählt von der Gratwanderung zwischen helfen und aufgeben, zwischen abgrenzen und offen sein. Und sie er- wähnt, wie Gebet die Beziehung zu ihrer Schwester verändert. „Ich weiss, dass ich nicht krampfhaft etwas tun muss, sondern alles in Gottes Hand legen kann. Und ganz wichtig: Ich weiss, dass es für Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt. So kann ich immer wieder aus der Unruhe in seine Ruhe kommen.” Beatrice sinniert auch darüber, wie es kommt, dass Geschwister, die unter dem gleichen Dach aufwachsen, sich so ver- schieden entwickeln. Und sie gibt Aus- kunft, was bei der Erziehung ihrer eige- nen Tochter im Vordergrund steht. Lesen Sie dazu die Seiten 5 und 6! *Namen von der Redaktion geändert von Mensch zu Mensch zu Gott zu Mensch 5 | 20 9 „Die Bären bei Laune halten” Gesellschaft 3 Nicht nur Pillen lindern Schmerzen Ratgeber 0 – Heilsarmee betreut Asylsuchende Am Werk „Ich hoffe, sie schafft den Ausstieg” Sie landete in den Drogen: Geschwister können sich sehr verschieden entwickeln, selbst wenn sie im gleichen Haushalt aufwachsen (Symbolbild).

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Nicht nur Pillen lindern Schmerzen „Die Bären bei Laune halten” Heilsarmee betreut Asylsuchende

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Page 1: Trialog 05/2011 - „Ich hoffe, sie schafftden Ausstieg”

4|2006�

www.heilsarmee.ch

Magazin für ein Leben voll Hoffnung �/2 2006 ¥ �2�. Jahrgang

Ein schlechtes Gewissen hat Beatrice* manchmal, aber Vorwürfe macht sie sich keine. Ihre drogenabhängige Schwester Katrin* lebt auf der Strasse. Beatrice sagt dazu: „Es ist ihr Leben, für das sie auch selber verantwortlich ist. Aber ich hinterfrage meine jetzige Rolle. Was ist meine Aufgabe?” So sucht Beatrice immer wieder mit der Situation klarzu-kommen und einen Umgang mit ihrer Schwester zu finden, der sie weder über-fordert noch unter Druck setzt.

Kein hoffnungsloser FallBeatrice erzählt von der Gratwanderung zwischen helfen und aufgeben, zwischen abgrenzen und offen sein. Und sie er-

wähnt, wie Gebet die Beziehung zu ihrer Schwester verändert. „Ich weiss, dass ich nicht krampfhaft etwas tun muss, sondern alles in Gottes Hand legen kann. Und ganz wichtig: Ich weiss, dass es für Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt. So kann ich immer wieder aus der Unruhe in seine Ruhe kommen.” Beatrice sinniert auch darüber, wie es kommt, dass Geschwister, die unter dem gleichen Dach aufwachsen, sich so ver-schieden entwickeln. Und sie gibt Aus-kunft, was bei der Erziehung ihrer eige-nen Tochter im Vordergrund steht.Lesen Sie dazu die Seiten 5 und 6!

*Namen von der Redaktion geändert

von Mensch zu Mensch zu Gott zu Mensch 5 | 20��

9 „Die Bären bei Laune halten”

Gesellschaft

3Nicht nur Pillen lindern Schmerzen

Ratgeber

�0 – ��Heilsarmee betreut Asylsuchende

Am Werk

„Ich hoffe, sie schafft den Ausstieg”

Sie landete in den Drogen: Geschwister können sich sehr verschieden entwickeln, selbst wenn sie im gleichen Haushalt aufwachsen (Symbolbild).

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DIALOG

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ImpressumGründer: William Booth Generalin: Linda Bond Leiter für die Schweiz, Österreich, Ungarn: Territorialleiter Kurt Burger

Leiter Marketing und Kommunikation:Martin KünziRedaktionsleiterin:Gabrielle KellerHeilsarmee Hauptquartier, Postfach 6575, Laupenstrasse 5, 3001 BernTelefon: 031 388 05 91, Fax 031 388 05 95,[email protected]

Redaktionsteam TRIALOG:Elsbeth Cachelin, Redaktorin, ([email protected]), Yves Landis, Timon Stettler, Daniela Zurbrügg

Layout:Rolf Messerli, HQ, BernDruck: Ast & Fischer AG, WabernAuflage: 12'000

Jahresabonnement TRIALOG(erscheint siebenmal jährlich)Preis: Franken 24.– / 44.–* / 49.–***Ausland / **Luftpost

Bildnachweis:S. 1 : Foto-CD/NetDoktor.de/Egger ; S. 2, 7 : ZVG/Iseli ; S. 3 : ZVG /Messerli ; S. 4 : ZVG ; S. 5 : Saul Davis / galarapid ; S. 6 : J. Maurer/J. Tschanz ; S. 8 : Messerli ; S. 9 : Landis/Iseli ; S. 10 - 11 : Alexander Egger/ ZVG ; S. 12 : Messerli/Cachelin

Umfrage Seite 2:Dora Rufener

Editorial: Elsbeth Cachelin, Redaktorin

Grün ist in

Mein Orangenbaum verlor letzten Winter fast alle Blätter. Kahl und fahl stand er im Topf. Mutig schnitt ich fast die ganze Krone zurück. Und nur wenige Tage später zeigten sich am Stamm grüne millimeterkleine Blätter. Grün – die Farbe der Hoffnung.

In den Seiten „mittendrin” dieses TRIALOGs lesen Sie über die Hoffnung von Beatrice, deren Schwester im Drogenmilieu lebt – diese Hoffnung gründet auf der Tatsache, dass es für Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt. Sie lesen, wie K.V. hofft, der gelähmt im Bett liegt. Und Sie lesen, wie die Hoffnung in Gott und damit eine ganz neue Lebensperspek-tive dort anfängt, wo menschliches Hoffen am Ende ist. Hoffnung vermitteln wollen auch die PAG-Stellen der Heilsarmee; hier werden Asylsu-chende begleitet und betreut (Seite 10).Seit Fukushima haben die grünen Parteien Zulauf und viel Hoffnung wird in die die grüne Energie gesetzt. Von der „Windkraft für alle” lesen Sie auf Seite 12. Ein weiteres „grünes” Thema finden Sie auf Seite 9, wo der Wärter vom Bärenpark Bern über seine Schützlinge Auskunft gibt.

Ich wünsche Ihnen eine ermutigende Lektüre – mögen Sie neue Hoffnung fassen!

Bei seelischen Schmer-zen rede ich mit Gott da-rüber. Auch mit andern Menschen auszutauschen, hilft mir. Eine Bewälti-gungsstrategie ist ferner zu singen, Bibelworte zu zitieren oder spazieren zu gehen. Durch Ablenkung und Distanz verändern sich oftmals Einstellung und Gefühl zum Problem.Christine Brunner-Kormann

Eigentlich habe ich nicht so oft Schmerzen. Wenn ich aber Schmerzen habe, warte ich zuerst ab, wie sie sich entwickeln, bevor ich ein Medikament nehme. Nützen die Tabletten nichts, gehe ich zum Arzt. Bei psychischen Schmer-zen ist es hilfreich, mit einem Kollegen darüber zu sprechen.

Stefan Rufener

Schmerzen gehören zu meinem täglichen Leben. Ich kann recht gut damit umgehen, indem ich meine Gelenke mit einem küh-lenden Gel einreibe und sie schone. Wenn ich wegen Schmerzen nicht schlafen kann, stehe ich auf und lese oder löse Kreuzworträtsel. Ausser bei Zahnschmerzen nehme ich selten Schmerz-mittel.

Eva Rütsche

Wie gehen Sie mit Schmerz um? Durch Mark und Bein gehenIn der Alltagssprache gibt es Ausdrücke und Redewendungen, die aus der Bibel stammen. Wir stellen sie Ihnen vor.

Wenn wir ein erschreckendes, durch-dringendes Geräusch hören – etwa einen Schrei – reagiert unser Körper darauf: Der Schrei geht durch Mark und Bein. Dieser Ausdruck umschreibt Geschehen und Ge-fühl bildhaft.Bereits der Autor des Hebräerbriefs im Neuen Testament braucht dieses Bild, be-schreibt aber damit die Kraft des Wortes Gottes (Kapitel 4, 12). Dieses ist „schär-fer als jedes zweischneidige Schwert”. Es durchdringt alles, und nichts und niemand kann es aufhalten. Es vermag nicht nur Mark und Knochen zu scheiden, sondern auch Seele und Geist: Gottes Wort deckt auf, zeigt Gut und Schlecht.

Thomas Anliker, Mitarbeiter Redaktion

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LEBENSHILFE • RATGEBER

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Dauerhafte Schmerzen, deren Ursachen nicht erklärbar sind, beeinträchtigen den Alltag erheblich. Die Gefahr dabei ist, dass sich ein „Teufelskreis” einstellt: Wegen Schmerzen verhalten sich die Menschen weniger aktiv, büssen dadurch geistige wie körperliche Fitness ein, was sich mit Muskelschwäche und Gelenk-steifigkeit auswirkt. Hinzu kommen oft „Stress und Angst” sowie Ärger oder Frustration, welche mit Schlafstörungen verbunden sind. Aufgrund von Arbeits-unfähigkeit schliesslich können Geld-sorgen, Beziehungsprobleme, Zukunfts-ängste mit Stimmungsschwankungen oder Depressionen auftreten. Dies wie-derum verstärkt, unterhaltet oder löst die biologischen Schmerzen direkt aus.

Mit Schmerzen lebenObwohl der Arzt alle seine Möglich-keiten für eine direkte Behandlung der Schmerzen versuchen wird, werden die Patienten oft mit der Tatsache konfron-

Werkzeugkit gegen den Schmerz packen Daniel Meier

In der Schweiz leiden rund eine Million Menschen an chronischen Schmerzen. Es gilt, den Teufelskreis der Schmerzen zu durchbrechen. Der Rheumatologe Daniel Meier gibt Auskunft.

tiert, dass sie mit chronischen Schmer-zen leben lernen müssen. Oft löst dies im Menschen eine „kann ich nicht”-Re-aktion aus. Personen, die früher vielen Aktivitäten nachgegangen sind (Berufs-tätigkeit, Haus- und Gartenarbeit, Sport, Reisen oder Ausflüge) haben diese oft mit schwindendem Selbstvertrauen be-reits aufgegeben.

Körper und SeeleÄrzte, die sich mit diesen Problemen befassen, suchen in einem ersten Schritt nach körperlichen Schmerzursachen. Diese gehen oft vom Bewegungsappa-rat und/oder von Störungen im Nerven-system aus. Gelingt keine ursächliche Behandlungsmöglichkeit, kann in einem zweiten Schritt eine individuelle Thera-piezusammenstellung erfolgen. Optimal ist, wenn dabei Rheumatologen, Neu-rologen, interventionelle Schmerzthe-rapeuten oder Psychiater/Psychologen zusammenarbeiten. Meist kann eine

deutliche Reduktion der Schmerzen so-wie mehr Lebensqualität und Funktiona-lität auch in der Gesellschaft oder Fami-lie erreicht werden.

Tabletten und PhysiotherapieDer Rheumatologe befasst sich mit schmerzhaften Störungen am Bewe-gungsapparat (Wirbelsäule, Gelenke, Muskulatur, Sehnen und Knochen). Die-se können ihre Ursache im Bewegungs-apparat selber, aber auch anderswo ha-ben. Aus diesem Grund ist eine breite diagnostische Betrachtungsweise mit sorgfältiger klinischer Untersuchung und Zusatzabklärungen notwendig. Das the-rapeutische Spektrum umfasst vor allem für entzündlich-rheumatische Erkran-kungen neue, zum Teil bahnbrechende Medikamente. Die Physiotherapie hat in der Behandlung nach wie vor einen gros-sen Stellenwert. Die sogenannte „inter-ventionelle Schmerztherapie” bietet sich ebenfalls an.

Erfreuliche ErfolgeBei der Behandlung von chronischen Schmerzen muss der Patient auch auf menschlicher Ebene betreut und das Be-wusstsein für den vorgenannten „Teufels-kreis” geschult werden. Dazu kommt der Erwerb des „Schmerzwerkzeugkoffers” für den alltäglichen Umgang mit nicht beeinflussbaren Schmerzen. Hier muss nach wie vor „Schmerzbereitschaft” von Betroffenen verlangt werden. Oft sind die Ärzte mit nicht erfüllbaren Erwar-tungen von Seiten des Patienten kon-frontiert. Aber auch erfreuliche Erfolge nach jahrelangen Leidensgeschichten kommen vor, und der Arzt gewinnt bei jedem einzelnen Patienten neue Erfah-rung hinzu.

www.rheumapraxis-bern.ch

Werkzeuge gegen Schmerzen: Von der Bettflasche über Physiotherapie hin zu Schmerzmitteln und verändertem Umgang.

Dr. med. Daniel Meier betreut und behandelt Patienten mit

rheumatischen Leiden.

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PEOPLE

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Herausgepickt. TRIALOG stellt Ihnen vor:

Roland Dougoud – statt Sicher-

heitsagent Heils-armeeoffizier

„Was gibt es Besseres, als Menschen den Weg zu einem neuen Leben mit Jesus Christus zu zeigen?” Raphael Brändle, 24, Theologiestudent und Mitglied der Heilsarmee, arbeitet in Basel auch als Strassenevangelist. Er führt somit den Auftrag der Heilsarmee, die Kirche auf die Strasse zu bringen, aus. Immer wie-der erlebt er dabei, wie Menschen von Jesus berührt und verändert werden: „Ich unterstütze die Heilsarmee in ihrer Aufgabe, Menschen zu suchen, die in den Fängen eines Lebens ohne Gott ge-fangen sind”.

Als Sicherheitsagent, Spediteur, Sach-bearbeiter Liegenschaft und vieles mehr hatte Roland Dougoud, 54, be-reits gearbeitet, bevor er die eidgenös-sische Matura abschloss und sich 1998 zum Heilsarmeeoffizier ausbilden liess. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in London am Internationalen Haupt-quartier der Heilsarmee ist Kapitän Dougoud seit September 2010 wieder in der Heilsarmee Schweiz tätig. Sein neues Arbeitsfeld am Hauptquartier in der Abteilung Evangelisation: as-sistierender Abteilungsleiter. „In die-ser Aufgabe unterstütze ich Offiziere und Angestellte auf vielfältige Art. Die Mischung aus administrativer und geistlicher Arbeit entspricht mir sehr.”In einer praktizierenden katholischen Familie aufgewachsen, war es für Ro-land Dougoud eine Überraschung, als Gott ihn durch eigenartige Umstände

Fast dreissig Jahre arbeitete Mary-Claude Beyeler, 60, im Sortierbetrieb einer Heils-armee-Brocki. Hier hatte Gebrauchtes durchaus seinen Wert. Im Museum der Heilsarmee in Bern bearbeitet sie heute alte Schrift- und Tondokumente, Fotos, Filme, die für die Zukunft wertvoll sind. Die Heilsarmee-Kirche prägt seit Jah-ren ihren Glauben an Jesus Christus: „In schweren Zeiten konnte ich dank meines Glaubens Mut und Zuversicht schöpfen.” – Das galt besonders während der Krank-heit und dem Tod ihres Mannes.

zur Heilsarmee führte und später dazu bewegte, die Offiziersschule zu besuchen. „Ich staune über Gott und bin ihm von Herzen dankbar, dass er mich diesen Weg geführt hat”, sagt er rückblickend auf die letzten zehn Jahre. Nebst seiner Arbeit als Heils-armeeoffizier ist Roland gerne mit dem Motorrad unterwegs, bemüht sich, regelmässig Fitness zu be-treiben, und liest gerne Sachbücher.

Raphael Brändle bringt die Kirche

auf die Strasse

Mary-Claude Beyeler: Von

der Brocki ins Museum

In der Familie mit vier Kindern und als Offizier ist es für Markus Weidmann, 35, eine Herausforderung, den Alltag in Liebe und Verantwortung zu leben: „Aber ich darf immer wieder erfahren, auch wenn ich nicht perfekt bin, wie Gott eingreift und wirkt.” Seit 2008 leitet er zusammen mit seiner Frau die Heilsar-mee-Gemeinde in Zofingen. In dieser Arbeit begleitet er Menschen und ver-kündet in Wort und Tat das Evangelium. Dabei „ … erfüllt es mich mit Freude und Hoffnung, auf Gottes Wort zu hören und zu antworten.”

Markus Weid-mann erlebt, wie

Gott wirkt.

„Es ist ein Privileg, zu wissen, dass man am richtigen Platz ist”. Sandra Josi, 34, sieht sich in Beruf und Berufung auf Gottes Führung angewiesen: Die Heils-armeeoffizierin begleitet Menschen auf der Schattenseite des Lebens. Sie ver-sucht, ihnen zu helfen und sie mit den Augen von Jesus zu sehen – was nicht immer einfach ist. Daneben unterstützt und ermutigt sie junge Mütter. „Und zusammen mit den eigenen vier Kin-dern sowie Hund, Katze, Hühnern und Meerschweinchen entdecke ich jeden Tag etwas Neues!”

Sandra Josi sieht mit andern

Augen

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MITTENDRIN

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Beatrice, du und deine Schwester sind gleich aufgewachsen – wie erklärst du dir den Unterschied?Ich denke, es liegt am unterschiedlichen Charakter und der Rolle in der Familie sowie am unterschiedlichen Umgang mit Problemen.

Setzt man zuerst alle Hebel in Bewegung, um zu helfen, und gibt irgendwann auf?Ja, wir taten einiges, um zu helfen – er-mutigten zum Gespräch, zum Ausstieg mit Hilfe von Therapien, halfen mit Geld. Sieht man aber keine Bereitschaft zur Veränderung und nur das Fass ohne Boden, beginnt man aufzugeben.Das Ganze ist eine Gratwanderung zwi-schen resignieren und dranbleiben.Meine Eltern sind noch stärker konfron-tiert: Sie bezahlen Versicherungen, erhal-ten Besuche des Betreibungsamtes …

Kommt der Punkt, wo man nichts mehr davon wissen will?

Wählen zwischen Leben und TodFragen: Elsbeth Cachelin

Katrin* lebt als Drogenabhängige auf der Strasse. Ihre Schwester Bea-trice* erzählt von der Gratwanderung zwischen helfen und resignieren und davon, dass es bei Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt.

„Sieht man keine Bereitschaft zur Veränderung, ist das Helfen wie ein Fass ohne Boden”.

Am Anfang gibt man Zeit und Hilfe, ist nachsichtig. Als meine Schwester aber die Chancen nie wahrnahm, musste ich lernen, die Verantwortung bei ihr zu las-sen. Aber die Bereitschaft zu helfen ist da, wenn es erwünscht ist oder sich die Chance bietet.

Wie gelingt das Abgrenzen?In diesem Punkt bin ich mir nicht recht im Klaren. An-statt mich auf gesunde Art abzugrenzen, verdränge ich. Das heisst, ich denke sehr wenig im Alltag an sie; ich treffe sie kaum, rufe sel-ten an und habe Mühe, für sie zu beten. Die Folge ist ein schlechtes Gewissen, Unsicherheit hinsichtlich handeln oder nicht handeln. Auch stresst es mich, wenn sich Leute bei mir nach ih-rem Befinden erkundigen.

Machst du dir Vorwürfe? Ich mache mir keine Vorwürfe, dass meine Schwester in dieser Situation ist oder dass ich zu wenig getan hätte. Es ist ihr Leben, für das sie auch selber verant-wortlich ist. Aber ich hinterfrage meine jetzige Rolle. Was ist meine Aufgabe, ohne dass ich mich überfordere oder un-ter Druck setze? Ich möchte einen guten Umgang finden.

Wo siehst du Gott in dieser Sache?In Bezug auf meine Schwester sehe ich ihn als liebenden Gott, der uns den freien Willen gegeben hat und uns zwi-schen „Leben und Tod” wählen lässt. Ich glaube aber auch, dass Jesus, der gute Hirte, die 99 „braven” Schafe lässt und dem einen verlorenen, „ungehorsamen” Schaf nachgeht. Voller Liebe sucht er es, bis er es findet. In Bezug auf mich: Er be-gleitet mich durch jede Gefühlsschwan-kung, jede Trauer, jede Hoffnung – und er macht mir keine Vorwürfe!

Dann hilft dir der Glaube konkret?Ja, denn ich weiss, dass Gott meine Schwester immer noch liebt. Ich weiss

„Als Mutter will ich meinem Kind vermitteln, dass es einzigartig und von Gott geliebt ist”.

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MITTENDRIN

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Hoffen mitten im Grauen Gabrielle Keller

Er war ein Macher: fröhlich, zupackend, hilfsbereit. In jenem Sommer vor fünf Jahren fuhr er mit seiner neuen Freundin in den Süden. Voller Übermut sprang er über einen Felsvorsprung ins Meer. Der Rest ging schnell: der Aufprall, die Be-wegungslosigkeit, die Ambulanz …Seither liegt K.V. im Bett. Seine Freun-din hat ihn verlassen, die meisten sei-ner Freunde auch. Seine Tage bestehen darin, fernzusehen, zu telefonieren, die Decke anzustarren. Da die Nerven nicht komplett durchtrennt sind, peinigen ihn Schmerzen rund um die Uhr. „Der Preis, den ich für mein Leben bezahlen muss, ist zu hoch, die Rechnung geht nicht mehr auf”, sagt er – seit fünf Jahren. Den-noch lässt ihn die Forschung hoffen, dass

Drogensüchtigen helfen ist oft eine Gratwanderung zwischen resignieren und hoffen.

auch, dass ich nicht krampfhaft etwas tun muss, sondern alles in Gottes Hand legen kann. Und ganz wichtig: Ich weiss, dass es für Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt. So kann ich immer wieder zur Ruhe kommen und hoffen, dass sie den Aus-stieg schafft.

Bewirkt das Beten Veränderung?Das ist ein Versprechen, das Gott selber gibt. Ich bin sehr, sehr dankbar zu wis-sen, dass viele Menschen mit viel Herz und einer grossen Hoffnung für meine Schwester beten. Im Moment bin ich für meine Schwester noch keine aus-dauernde Fürbitterin. Zu stark bin ich am Verarbeiten, bin unsicher. Aber ich halte mich an der Verheissung fest, dass Gebet verändert – auch mein eigenes Herz.

Wie baust du die Geschichte deiner Schwester in den Umgang mit deiner kleinen Tochter ein?An der Geschichte meiner Schwester ist mir Folgendes wichtig geworden:

Ich denke, das Grundproblem von zer-störerischem Verhalten ist wenig oder keine Selbstliebe. Wir Menschen sehen uns oft nicht mit den Augen Gottes, der sagt: „Ich habe dich wunderbar gemacht. Du bist meine geliebte Tochter, mein ge-liebter Sohn”. Mit dem Wissen „ich bin bedingungslos geliebt” kann ich mich selber lieben und auch anderen Liebe weitergeben.

eines Tages Läsionen im Rückenmark re-pariert werden können. Monatlich ruft er in die Uniklinik an und wird mehr oder weniger freundlich auf später vertröstet. K.V. zählt die Minuten, die Stunden, die sich alle gleichen. Und hofft, und hofft, und hofft …Die Bibel sagt, glücklich sei, wer nicht auf Menschen, sondern auf Gott hoffe. Wer sozusagen das Ziel hinter dem sicht-baren Ziel anpeile. Samuel Koch, der verunfallte „Wetten, dass …”-Kandidat, ist in einer ähnlichen Situation wie K.V. Im Gegensatz zu diesem glaubt Samuel Koch fest an Gottes Rettungskraft. Beide kämpfen auf ihre Art. Beide werden viel-leicht nie mehr gehen können. Glücklich ist jener, der jenseits seines Leides auf

den sieht, der am Kreuz unser aller Leid auf sich genommen hat. Er hat uns Trost in diesem Leben und in der Ewigkeit ver-sprochen.

Als Eltern möchten wir unseren Kindern vermitteln, dass sie in ihrer Art einzig-artig, von Gott gewollt und unabhängig von ihrem Charakter von ihm geliebt sind. In dieser Haltung möchten wir mit ihnen umgehen.

*Namen der Redaktion bekannt

Gabrielle Keller möchte mit K.V. die Hoffnung in Gott teilen.

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MITTENDRIN

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Gegen das ErmüdenMenschen an ihren Grenzen wissen nicht, wie weiter; sie sind also am Ende ihrer Möglichkeiten. An sie richtet sich der Prophet Jesaja (Text blauer Kasten). Um sie zu ermutigen, spricht er vom trös-tenden, unvergleichlich starken Gott. Im Text fallen die Gegensätze auf: ermüden – fliegen, gehen, laufen. Das Harren hat der Mensch verlernt. Alles muss immer schneller gehen, es gibt kein Stehenblei-ben. Das ermüdet, hier lauert das Burnout. Warten auf das Wirken Gottes erfordert

Geduld und Ver-trauen. Aber der starke Gott lässt jene nicht los, die mit ihm rechnen. Er „beflügelt“, gibt die Kraft, zu laufen und vor-wärts zu gehen.

Bruno Frei, Heilsarmeeoffizier im Ruhestand

„ Aber alle, die auf den Herrn harren (vertrau-end warten), bekom-men neue Kraft, es wachsen ihnen Flügel wie dem Adler. Sie ge-hen und werden nicht müde, sie laufen und brechen nicht zusam-men.”

Die Bibel Jesaja 40, 31

Wie weiter, wenn die Hoffnung stirbt?

Die geschlagenen Frauen und Kinder kamen meistens am Boden zerstört ins Frauenhaus – ohne Hoffnung, ohne Vertrauen in das Leben und in die Men-schen. Ich konnte ihnen nur helfen, weil ich wusste, dass es eine Hoffnung gibt, die nicht enttäuscht: Gott verspricht in seinem Wort, dass er den Menschen, die ihm vertrauen, die Hilfe nicht entzieht, sie nicht im Stich lässt. Da ich das selbst in meinem Leben immer wieder erfahren hatte und erfahre, konnte ich diese Hoff-nung weitergeben.

Worauf gründet diese Hoff-nung? Je mehr wir Gott und Jesus Christus kennen, desto sicherer ist der Grund un-serer Hoffnung: Gott ist kein Mensch, er lügt nicht. Was er verspricht, erfüllt sich. Durch Jesus Christus versichert uns Gott, dass er uns so liebt, wie niemand ande-rer. Jesus liebte und begleitete nicht nur die Menschen während seines Lebens.

Auch als man ihn umgebracht hatte, war seine Macht nicht gebrochen: Er aufer-stand am dritten Tag. Durch ihn können wir ewiges und lebenswertes Leben ha-ben, und zwar schon hier und jetzt. Wir müssen unsere Hoffnung nicht auf etwas Ungewisses setzen, sondern auf einen lebendigen, liebenden Gott. Diese Hoff-nung erweist sich seit Jahrtausenden als wahr; Millionen von Menschen haben sie erprobt und erfahren. Gott gibt Hoffnung

und Mut durch sein Wort, die Bibel. Diese Hoffnung trägt durch schwere Zeiten, gibt Kraft zum Neuanfang, macht Mut zum Weitergehen. Das Ende der menschlichen Hoffnung kann zum Anfang der Hoffnung in den lebendigen Gott werden.

*Ruth Tschopp leitete während elf Jahren ein Frauenhaus der Heilsarmee.

Wenn die menschliche Hoffnung nicht mehr über Wasser hält, wird der Glaube an Gott zum Rettungsring.

Hoffnung ist für jeden Menschen lebenswichtig, weil sie auch in schwierigen Zeiten über Wasser hält. Was, wenn die Hoffnung am Erlöschen ist?

Ruth Tschopp*

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FAMILIE • FREIZEIT • SERVICE

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In der Schweiz fehlt es Tausenden von Menschen am Lebensnotwendigen. Die Heilsarmee bietet den Notleidenden ganzheitliche und unbürokratische Hilfe mit Essensabgabe, Notschlafstellen und vielem mehr. Gleichzeitig vermittelt sie ihnen Hoffnung und Lebenssinn.

Möchten Sie der Heilsarmee helfen, die Not von Bedürftigen zu lindern? Eine Möglichkeit, die Heilsarmee zu unter-stützen, ist sie im Testament zu begün-stigen. So können Sie über Ihren Tod hinaus Gutes bewirken.

Wenn ein Mensch stirbt, hat dies immer auch Konsequenzen für andere. Die Be-schäftigung mit dem eigenen Nachlass ist deswegen auch eine lebensbejahende Haltung, welche die Zukunft ordnet und für andere absichert.

Um die Wichtigkeit eines Testaments im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu stärken, wird im Herbst 2011 vom Ver-ein MyHappyEnd erstmals ein Tag des Testaments durchgeführt. Die Heilsar-mee unterstützt diesen Tag und bietet Ihnen ein kostenloses Erstgespräch mit unserer Fachperson in Erbschaftsangele-genheiten an.

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an:

Stiftung Heilsarmee SchweizUrsula HänniPostfach 6575, 3001 BernTel. 031 388 06 39ursula_haenni@swi.salvationarmy.orgwww.heilsarmee.chwww.myhappyend.org

Der Tag des Testaments schafft Klarheit

AbonnementWir würden uns freuen, Sie zu den Abonnentinnen und Abonnenten von TRIALOG zählen zu dürfen. Sie profi-tieren von der Lektüre und unterstützen gleichzeitig die Arbeit der Heilsarmee!

Das Jahresabonnement mit sieben Nummern kostet Fr. 24.– (Ausland Fr. 44.–)

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Die Heilsarmee bietet Ferien für Kinder, Teenager, Frauen und Familien an.

Interessiert? – Dann verlangen Sie einfach die Lager -Agenda bei der Heilsarmee in Ihrer Nähe oder beim Nationalen Hauptquartier in Bern: Laupenstrasse 5, 3001 Bern Tel. 031 388 05 91 / Fax 031 388 05 95 www.heilsarmee.ch / www.salvy.ch

Lust auf Ferien?

Heilsarmee-Museum und ArchivSonderausstellung: „Die Heilsarmee gemalt von Salu-tisten” bis 16.02.12Dauerausstellung über die Entstehung der Heilsarmee in der Schweiz

Laupenstrasse 5 (im Hinterhof), 3008 BernDienstag bis Donnerstag 9.00 bis 12.00 Uhr und 14.00 bis 17.00 Uhr sowie nach VereinbarungTel 031 388 05 91/79

Kommen Sie vorbei!

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GESELLSCHAFT

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Was gefällt Ihnen an der Arbeit mit den Bären am meisten?Heinz Stämpfli: Dass sich im Verlauf der Zeit eine persönliche Beziehung zwi-schen mir und den Bären entwickelt hat. Die Bären kennen mich und ich kenne sie. Sie hören auf meine Stimme und kommen sofort gelaufen, wenn ich sie rufe. Zur Belohnung erhalten sie dann etwas Süsses wie Honig oder Beeren.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus?Meine Tätigkeit ist vielseitig; sie umfasst einerseits die Pflege der Bären, anderer-seits aber auch Unterhaltsarbeiten, die Kontrolle der Elektrozäune, den Kontakt mit dem Tierarzt, die Organisation von Führungen, das Erteilen von Auskünften. Und mein Tagesablauf ist stark von der Jahreszeit abhängig.

Welche Art von Pflege erhalten die Bären?

Die Bären sind „pflegeleicht”. Wich-tig ist, dass sie beschäftigt sind und sich nicht langweilen. Sonst kann es passieren, dass sie in eine gewisse Stereotypie verfallen. Um dies zu vermeiden, müssen wir erfinderisch sein. Wir legen Duftspuren, gefrieren alle möglichen Arten von Esswaren und servieren ihnen diese in Form einer Bärenglace, verstecken Erd-nüsse in Heuballen oder geben ihnen Kokosnüsse und schauen zu, wie sie diese zu öffnen versuchen.

Woher stammen die Bären des Bä-renparks?Björk, das Weibchen, stammt aus Dänemark und kam im Mai 2004 mit ihrer Schwester Barba in den Tierpark

Dählhölzli. Das Männchen Finn kam 2008 aus Finnland ins Dählhölzli. Im Oktober 2009 zogen Björk und Finn dann in den neu eröffneten Bärenpark. Im Dezember 2009 durften wir hier die Geburt ihrer bei-den Jungen Berna und Urs miterleben.

Wer bestimmt, wie die Bären heissen sollen? Das ist verschieden. Finn war der Sieger-name eines öffentlichen Wettbewerbs.

„Wir legen eine Duftspur für sie”Fragen: Yves Landis

Heinz Stämpfli ist Tierpfleger und Wärter im Bärenpark Bern. Er weiss, wie man die Tiere bei Laune hält.

Und der Name Urs hat seine Geschichte: Es besteht ein Abkommen mit der Stadt Solothurn, wonach jeder neugeborene männliche Bär Urs heissen muss. Als dann Björk im Dezember 2009 die zwei Jungen zur Welt brachte, gingen wir von einem weiblichen und einem männlichen Tier aus. Wir tauften sie Berna und Urs, ohne das Geschlecht eindeutig bestimmt zu haben. Seit Oktober 2010 ist jetzt klar, dass beide Tiere weiblich sind. Urs wurde deshalb in Ursina umgetauft.

Hören die Bären auf ihre Rufnamen?Sie hören weniger auf ihre Namen, son-dern eher auf die Stimme des Wärters.

Welches sind die häufigsten Bären-krankheiten?Sie sind zum Glück selten krank. Wenn wir jedoch das Gefühl haben, dass mit einem Bären etwas nicht stimmt, unter-suchen wir immer als erstes seinen Kot. Dieser gibt meist eindeutige Hinweise zur Krankheitsursache. Sonst ziehen wir den Tierarzt bei.

Welche Berufsausbildung hat ein Bären-wärter?Die Voraussetzungen, um Bärenwärter zu werden, sind eine abgeschlossene handwerkliche Ausbildung und eine an-schliessende dreijährige Zusatzausbil-dung als Tierpfleger.

Finn lässt sich nichts mehr anmerken – die Schusswunde ist gut verheilt.

Die Jungbären Berna und Ursina sollen in Rumänien ein neues Zuhause finden.

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AM WERK

5|20���0

Ein Tisch im Türrahmen dient als Schal-ter, gegenüber ein grosser Warteraum. In den dahinterliegenden Büros arbeiten drei Asylkoordinatoren, eine Buchhalte-rin, ein Praktikant und die Leiterin dieser Stelle für „Professionelle Asylkoordina-tionen auf Gemeindeebene” (PAG) in Konolfingen.

Sie stehen unter grossem DruckIn Konolfingen ist die PAG Anlaufstelle für etwa 200 Asylsuchende mit N-Aus-weis. Das heisst, sie haben eine tempo-räre Aufenthaltsgenehmigung für die Dauer des Asylverfahrens. Menschen mit ungewisser Zukunft. Es laste teilweise ein immenser Druck auf diesen Leuten, sagt Colette Stähli, Leiterin der PAG-Stelle Konolfingen. Deshalb gelte es, diesen Menschen eine stabile Lebenssituation

zu ermöglichen. Vor allem jenen, die zu-sätzlich unter Traumata aus der Zeit in der Heimat oder ihrer Flucht leiden. Aber nicht nur sie, sondern auch die Angestell-ten müssen sich emotional schützen: „Man muss verdrängen können”, sagt Colette Stähli, „denn einerseits verlangen wir von den Asylsuchenden, sich zu integrieren, andererseits können sie jeden Moment einen negativen Asylbescheid bekommen und müssen das Land verlassen.”

Am Schalter zusammenge-brochenMeistens läuft alles ruhig ab. Aber es kann auch passieren, dass sich massive Span-nungen entladen. So geschehen im Fall einer Tibeterin, die mit ihrer Familie hier war, erzählt Colette Stähli. Sie sei sehr en-gagiert gewesen, habe viele Integrations-programme absolviert und innert kurzer

Die Heilsarmee begleitet Menschen beim AsylentscheidThomas Anliker

LeitbildDie Heilsarmee ist eine inter-nationale Bewegung und Teil der weltweiten christlichen Kirche. Ihre Botschaft gründet auf der Bibel.Ihr Dienst ist motiviert durch die Liebe Gottes. Ihr Auftrag ist es, das Evange-lium von Jesus Christus zu pre-digen und menschliche Not ohne Ansehen der Person zu lindern.

Rund 15 000 Menschen haben im Jahr 2010 in der Schweiz Asyl bean-tragt. Der Prozess über Annahme oder Ablehnung kann sich über Wochen, Monate oder Jahre hinziehen. Die Heilsarmee vermittelt, berät, greift ein.

Zeit relativ gut deutsch gesprochen. Nun sei ein weiterführender Sprachkurs abge-lehnt worden. Daraufhin sei die Tibeterin

unter Tränen zusammengebrochen. Sol-che Situationen seien aber selten. Viele Klienten seien nicht nur extrem dankbar, sondern auch gut vernetzt, und wüssten viel über die Schweiz.

Einsatz bei einem kantonalen Be-schäftigungsprogramm.

Einige Asylsuchende erreichen viel – trotz schwieriger Bedingungen.

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AM WERK

Zusammenarbeit zahlt sich aus

Republik Kongo: Auf dem Areal der Heilsarmeeklinik in einem Armenviertel der Hauptstadt Brazzaville herrscht Hoch-betrieb. Zahlreiche Mütter mit unterer-nährten Kindern haben sich eingefunden und lauschen gespannt den Erklärungen der Krankenschwester zum Thema Ge-sundheit und Ernährung. Die Kinder sitzen auf dem Schoss ihrer Mütter und nippen an einem Becher Milch. Die Milch – aus Schweizer Milchpulver angerührt und abgekocht – fördert die Gesundheit und Entwicklung der Kinder. Das Milch-pulver erhält die Heilsarmee Schweiz von der DEZA, die Heilsarmee sorgt für den Transport und die Verteilung an Heilsar-meekliniken im Rahmen von Ernährungs-programmen wie in Brazzaville.Wo der Kontakt zwischen Heilsarmee und DEZA im Bereich Milchpulver seit Jahr-

zehnten direkt geschieht, findet die Zu-sammenarbeit in den anderen Bereichen (personeller Austausch und Entwick-lungsprojekte) indirekt über Brot für alle (BFA) statt. In all diesen Jahren haben sich bei DEZA und Heilsarmee die Arbeitsweisen im En-gagement für die Südländer gewandelt.

Die PAG-Stellen organisieren Woh-nungen, Kurse und Beschäftigungs-programme.

Unterricht in Gesundheit / Ernährung.

Organisieren und eingreifenDie PAG-Stelle betreut ihre Klienten um-fassend. Es werden Wohnung, Deutsch-kurse und Beschäftigungsprogramme or-ganisiert. Das geschieht nach kantonalen Richtlinien. Es wird aber nicht nur ver-mittelt und Geld ausbezahlt. Die Mitar-beiter des PAG greifen auch korrigierend ein. Etwa wenn Kurse nicht besucht wer-den, Verdacht auf Schwarzarbeit besteht oder Beschwerden von Anwohnern oder Vermietern vorliegen.

320 Franken MieteDer Beitrag des Bundes für eine Woh-nungsmiete beträgt pro Person 320 Fran-

Allgemeines Spendenkonto der

Heilsarmee

PC 30-444222-5

PAG-Stellen der Heilsarmee Professionelle Asylkoordinationen auf Gemeindeebene (PAG) ist ein regionaler Zu-sammenschluss von Gemeinden. Die Heilsarmee betreibt im Kanton Bern vier PAG-Stellen zur Entlastung der kommunalen Sozialdienste. Sie übernehmen die Asylkoor-dination von mehr als 100 Berner Gemeinden.Nebst allgemeiner Begleitung und Betreuung organisieren die PAG-Stellen Woh-nungen für die Asylsuchenden. Sie bezahlen zudem Fürsorgeleistungen des Bundes gemäss Vorgaben der kantonalen Behörde aus.

ken inklusive Nebenkosten. Das reicht nur, wenn mehrere Personen in einer Wohnung untergebracht werden können. Geeignete Wohnungen zu finden sei des-wegen oft schwierig. Für manche Ver-mieter komme die Einquartierung von Asylsuchenden generell nicht in Frage.

„Nichts ist stabil in unserem Job, ausser wir selbst”, sagt Colette Stähli. In dieser Arbeit müsse einem klar sein, dass man die Schicksale der Menschen nicht verändern könne. Es gebe aber viele, die unter sehr schwierigen Bedingungen sehr viel erreich-ten. Das seien wunderschöne Momente.

Die Missions- und Entwicklungsarbeit der Heilsarmee Schweiz wird seit vie-len Jahren von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des Bundes unterstützt. Zum Beispiel in Brazzaville.

Geblieben ist der gemeinsame Wille, zur positiven Veränderung der Lebensper-spektiven von Menschen in den Südlän-dern beizutragen. Die Heilsarmee Schweiz dankt der DEZA für die langjährige, wert-volle Zusammenarbeit und gratuliert zum 50-jährigen Bestehen der Schweizer Ent-wicklungszusammenarbeit.www.heilsarmee.ch/missionwww.deza.ch

Thomas Martin, Mitarbeiter Mission & Entwicklung

Die Schweiz engagiert sich seit fünfzig Jahren gegen Armut und für bessere Zukunftsperspektiven in der Welt. Am 17. März 1961 wählte der Bundesrat den ersten Delegier-ten des Dienstes für technische Zusammenarbeit und begründete damit die Schweizer Entwicklungs-zusammenarbeit.

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Auf Wiedersehen

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Wir freuen uns auf eine Kontaktnahme. Überreicht wurde Ihnen TRIALOG durch:

Rätseln Sie mal …

So gehts: Füllen Sie das Rätselgitter mit Zahlen von 1 bis 9. Jede Zahl darf in jeder Zeile, jeder Spalte und in je-dem der neun 3x3 Blöcke nur ein Mal vorkommen! Viel Spass!

Sudoku-SpassLösungen: Sudoku und Rätsel

Ein paar Nummern zu grossSeeufer, Ferienstimmung. Ein kleiner Junge trippelt daher – in den viel zu grossen Schuhen seines Bruders. Strahlend geht er ein paar Schritte. Doch schon stolpert er, purzelt um und die Tränen fliessen. Kennen Sie das – wenn Sie – wie in zu grossen Schuhen – straucheln oder fallen? Vielleicht ist Ihnen das Leben heute ein paar Nummern zu gross, weil Sie einen lieben Menschen ver-loren haben, eine Beziehung am Zerbrechen ist oder die Arbeit Sie überfordert. „Fürchte dich nicht, ich bin dein Gott; ich halte dich mit meiner rechten Hand” (Die Bibel, Jesaja 41). Das sagt Gott auch zu Ihnen. Er will Sie bei der Hand nehmen und beim Weitergehen helfen, will Ihnen Halt und Kraft geben.Zurück zum Seeufer: Noch einmal versuchts der kleine Junge mit den grossen Schuhen. Jetzt stolpert er nicht, sondern kommt langsam Schritt für Schritt voran – er geht an der Hand seines Vaters.

Elsbeth Cachelin

Lösung.

Wort auf den Weg

„Gott, von allen Seiten umgibst du mich, ich bin ganz in deiner schützenden Hand.”

Die Bibel, Psalm 139, 5

Flaschenzug

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