1.3. Ägypten als Teil des römischen Reiches · 2012-07-09 · 1.3. Ägypten als Teil des...

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1.3. Ägypten als Teil des römischen Reiches

1.3.1. Ägypten als kaiserliche Provinz von der römischen Eroberungunter Octavian (Augustus) bis zu Kaiser Diokletian (30 v. Chr.-284/85 n. Chr.)

Ägypten wird einem vom Kaiser selbst ernanntenPraefectus Alexandreae et Aegypti unterstellt.Die Gaueinteilung wird zunächst beibehalten:Gau (Nomos), Bezirk (Topos) und Dorf (Kome).

Makrostrukturell wird das Land jedoch endgültig in drei Epistrategien aufgeteilt:Delta und alle Gebiete westlich und östlich davon,Heptanomia und Arsinoites (von der Deltaspitze bis zur Südgrenze des Hermopolites),Thebais mit dem Dodekaschoinos.Im späten 2. Jh. soll bereits das Delta in eine westliche und eine östliche Epistrategie geteilt worden sein. Die höhere Verwaltungsebene wird(weiterhin) mit griechisch sprachigen Ägypternbesetzt, die lokale Verwaltung (auf Dorfebene) auch mit ägyptisch sprachigen.

Die rechtlich privilegierten griechischen Poleis (Alexandria, Naukratis und PtolemaisHermiu) behalten zunächst ihren Status, 130 n. Chr. kam als Neugründung noch auf Anweisung von Kaiser Hadrian Antinoupolis/Antinoë hinzu.Die Metropoleis (Gauhauptstädte) bleiben weiterhin Sitz der Gauverwaltung, aber rechtlich nur Dörfer, auch wenn sie (wohl schon unter Augustus) eigene Magistrate (Archonten) bekamen.

Das änderte sich erst mit dem Besuch von Kaiser Septimius Severus um 200, der allen Metropoleis einen Stadtrat (Boule) geben ließ. Damit waren sie den Poleis noch nicht gleichgestellt, jedoch war dies der erste Schritt in diese Richtung. Die Maßnahme diente vor allem der Dezentralisierung der Verwaltung und der Effektivierung des Steuersystems.Severus Sohn und Nachfolger Caracalla verlieh in einem Edikt (ConstitutioAntoniniana) 212 allen freien Bürgern des Reiches das römische Bürgerrecht. Damit sind auch die Privilegien der (griechischen) Polisbürger im Prinzip hinfällig.

Die ägyptischen Tempel behalten gewisse steuerliche Freiheiten, die Priesterämter bleiben erblich. Der Landbesitz der Tempel wird aber erheblich beschnitten, was auch die Einkünfte schmälert. Tempelbauten werden im Laufe der Zeit immer weniger gefördert. Die Änderungen im Steuersystem (Kopfsteuer, Arbeitsverpflichtung, Zwangszuweisung von Land, Liturgien) dienen vor allem der effektiven Erhöhung staatlicher Einkünfte.

In Ägypten kommt es immer wieder, insbesondere in Alexandria, im 2. und 3.Jh. zu politischen Unruhen und ethnisch-religiösen Konflikten, zwischen Juden, Griechen und Ägyptern und anderen Völkerschaften (z.B. Jüdischer Aufstand 115-117 in Alex., Auflösung der jüdischen Gemeinde; „Strafgericht Caracallas“ 215).

Serapeum von Alexandria in römischer Zeit

Isis & Serapis

Funeräre Kultur der frühen römischen Epoche

Leichentuch einer Frau, 1. Jh. (Saqqara)

Grabstele (Herkunft unbekannt), spätes 2.Jh.

Grabstelen aus Terenuthis (Westdelta), Mitte 2.Jh.

Die Seeoase Fajjum – wirtschaftliches und kulturelles Zentrum

Narmuthis

Tebtunis

Aus der priesterlichen Wissenschaft in Tebtunis: „klassisch ägyptischer“ Text in hieratischer Schrift mit demotischen und „altkoptischen“ Glossen.

Römerzeitliche Spuren in Oberägypten:Der Luxortempel als römisches Kastell

Philae: „heidnisches“ Kultzentrum für Ägypterund Nubier bis zum 6. Jh.

Mons Claudianus: Steinbruchsiedlung

Hellenistisch-orientalische Kultur „sogar“ in den Oasen

Hibis in der Kharga Oase

Dendara in Oberägypten

Hermopolis & Antinoupolis

Religion & Literatur vom 1.-3. Jh.

Das Museion von Alexandria wird auch unter den römischen Herrschern alsBibliothek und Stätte von Bildung und Gelehrsamkeit gefördert.Weiterhin wirken hier Gelehrte, deren Werke im ganzen Imperium Verbreitungfinden. Einer seiner bekanntesten Vertreter ist Claudius Ptolemaeus (ca. 83- 161 n. Chr.), der berühmte Astronom und Geograph, dessen Werk zu Sternen und Planeten (Almagest) bis in die Zeit von Kopernikus gültig war. Seine Kartographie wurde noch von Kolumbus verwendet und erst durch die Entdeckungsfahrten im 16.-18. Jh. ersetzt.

Philosophie und religiöse Ideen werden zu neuen Systemen verwoben.Insbesondere, ausgehend von der Übersetzung des Alten Testamentes ins Griechische(Septuaginta), macht der jüdische Gelehrte Philon von Alexandria (20/15 v. Chr. – 42 n. Chr.) die philosophische Bibelexegese zu seiner Lebensaufgabe. Seine „platonische Theologie“ schafft einen neuen Gottesbegriff. Sein Werk beeinflusst das Neue Testament und die christliche Exegetik, aber auch die gnostischen Systeme.

Die christliche Botschaft, das Evangelium, wurde zunächst in Alexandria verkündet, umsich dann über die Metropoleis mit ihrer zweisprachigen Bevölkerung zu verbreiten. In der christlichen Tradition, besonders Ägyptens war es der Evangelist Markus selbst, der die „gute Botschaft“ von Christus als Erlöser in Alexandria predigte und hier 68 den Märtyrertod fand.

Aber über das zweifellos sich weit in Ägypten verbreitende Christentum sind wir vor dem 3. Jh. kaum informiert. Wir wissen von Bischof Demetrios von Alexandria (189-231/2), der bereits drei Bischöfe weihte. Um 320 versammelte Bischof Alexander bereits fast 100 Bischöfe auf einer Synode.

Aber nach den Berichten der Kirchenväter Tertullian (ca. 160-220) und Irenaeus von Lyon(ca. 140-200) war Ägypten vor 189 keine orthodox christliche Provinz, sondern geprägt von verschiedenen ‚Häresien‘. So seien ein „Hebräerevangelium“ und ein „Ägypter-evangelium“ im Umlauf gewesen.

Die „Konkurrenten“ der christlichen Kirche waren einerseits die noch virulenten heidnischen Kulte, besonders der Triade Osiris/Serapis, Isis und Horus/Harpokrates.Dann aber vor allem die philosophisch-theologischen Offenbarungsreligionen der Hermetik und der Gnosis.

Isis lactans 3. Jh.

Harpokrates

Isis-Thermutis

Die Hermetik bezieht sich auf die ägyptische Weisheitsliteratur und das priesterliche (Geheim-)Wissen, das allerdings griechisch-philosophisches Gepräge bekam und ganz und gar auf dem Boden der hellenistisch-orientalischen Kultur steht. Der ägyptische Gott Thot, hier Hermes Trismegistos, offenbart seinem Sohn Tat oder Asklepios, zuweilen in Dialogen, die erlösende Weisheit und die Wahrheit über Gott, den Kosmos und die Stellung des Menschen darin. Die Texte liegen in lateinischer, griechischer und seit dem Handschriftenfund von Nag Hammadi (1945) zum Teil auch in ägyptisch-koptischer Sprache vor.

Die der Hermetik verwandte aber wohl jüngere Gnosis (Erkenntnis, Wissen) ist ebensoauf Offenbarung der Wahrheit durch Erkenntnis ausgerichtet, hat sich aber verstärktauch christliches Gedankengut angeeignet, was sich in der der Verwendung biblischer Themen und Personen besonders deutlich wird. Die Gnosis vertritt einen Gegensatz von Körper und Seele, die aus dem eigentlichen Himmel, den der Mensch nicht erkennen kann, „gefallen“ ist und dorthin zurück möchte. Durch Gnosis erfährt der Mensch die Wahrheit über die Schöpfung von Himmel und Erde und über sein Seelenheil. Die gnostischen Systeme und Lehren sind sehr vielfältig und vielgestaltig und können auch nichtchristliches (z.B. hermetisches) Gedankengut enthalten.

Der Manichäismus geht dagegen auf den Religionsstifter Mani (216-276/77) zurück, der zunächst in einer jüdisch-christlichen Täufersekte in Mesopotamien im Sasanidenreich wirkte. Er betrachtete sich als Zwillingsbruder von Jesus Christus, als der im Johannesevangelium (14,16) verheißene Paraklet. Er zog in Folge als Missionar durch Persien und Indien. Seine Lehre, der Manichäismus, ist von verschiedenen Religionen und religiösen Strömungen beeinflusst (Gnosis, Christentum, Zarathustra und Buddha). Der Manichäismus verbreitete sich durch Mission nach Ägypten (Missionare Adda, Pappos und Thomas) und sogar bis nach China und wurde im Uigurenreich (Ostturkestan) sogar Staatsreligion. Er passte sich den im Lande üblichen Religionen erstaunlich flexibel an. Der Manichäismus lehrt ebenso einen Gegensatz von Körper und Seele und führt einen Dualismus von Gut und Böse ein, dessen Kampf die Welt bestimmt. Das Böse ist das Materielle personifiziert in der Hylé (bei Aristoteles als Begriff für Materie).

Alexandria als Sitz von Gelehrsamkeit, Forschung und Philosophie bringt weiter Geistesgrößen hervor, die die frühchristliche Theologie mitbestimmen, aber deren philosophische Theologie für die christliche Heilsbotschaft der Kirche teils sogar abwegig erscheint und später bekämpft wird. Clemens von Alexandria (ca. 150-215) und Origenes (ca. 185-252), der auch als einer der bedeutendsten Philologen der Spätantike gilt, sind ihre namhaftesten Vertreter. Origenes soll 2000 Bücher verfasst haben und gab in den Hexapla eine erste synoptische Gesamtausgabe des Alten Testamentes in sechs Kolumnen heraus. Clemens und Origenes gründen in Alexandria eine eigene Schule, die vor allem der Bibelexegese dient (Katechetenschule).

Die frühchristliche philosophisch-theologische Exegese wirkte aber in steter Beziehung und Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie. Deren bedeutendster Vertreter war zweifellos der Neuplatoniker Plotin (ca. 204-270), dessen Philosophie besonders viel Einfluss auf die damaligen religiösen Strömungen hatte (Hermetik, Gnosis, Manichäismus, Christentum). Plotin, Clemens und Origenessollen Schüler des platonischen Philosophen Ammonios Sakkas (der wie Sokrates nichts niederschrieb) in Alexandria gewesen sein. Bedeutendster Schüler und wesentlichster Überlieferer von Plotins Werk war Porphyrius (234-ca. 305).

Die Krise des römischen Imperiums im 3. Jahrhundert.

Die sog. Zeit der „Soldatenkaiser“

Das 3. Jh. ist einerseits eine Epoche der Verbreitung der christlichen Lehre im römischen Reich, aber auch schwerster Christenverfolgungen (bes. 201/202 unter Sept. Severus und249-251 unter Decius), die später zu einer besonderen Märtyrerverehrung in der Kirche Anlass geben.

Der bedeutendste Bischof Alexandrias in dieser Epoche war Dionysios (Bischof von 247-265), ein Schüler des Origenes und Leiter der Katechetenschule. Der Verfolgung unter Decius entzieht er sich durch Flucht. Auch zu seiner Rechtfertigung setzt er sich für die Vergebung und Buße zur Wiederaufnahme vom Christentum unter Zwang abgefallener Christen ein. Auf ihn geht wohl die gerade in der ägyptischen Kirche beliebte und verbreitete Form der Osterfestbriefe zurück. Er soll sich in theologischen Fragen mit seinem Namensvetter auf dem Bischofsstuhl in Rom auseinandergesetzt haben. Unter Kaiser Valerian (253-260) wurde er verbannt.

Um 250 ist auch bereits Hermopolis als Bischofssitz bezeugt. Kaiser Gallienus (260-268) beendet 260 per Edikt die Christenverfolgung.275 geht Antonius, der Begründer des ägyptischen Mönchs- und Asketentums, in die Wüste.