Allgemeine Pathologie Charakteristika von Erkrankungen Feststellung des Todes Wertigkeit der...

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Allgemeine Pathologie

• Charakteristika von Erkrankungen• Feststellung des Todes• Wertigkeit der klinischen Sektion• Organspende

Internetversion Vorlesung Pathologie I (3)

Was ist Gesundheit?

Der Zustand des völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens (WHO)

GesundheitGesundheit

PsychosozialeFaktoren

PsychosozialeFaktoren

Lebensstil,Gesundheits-

verhalten

Lebensstil,Gesundheits-

verhalten

SozioökonomischeRahmenbedingungen

SozioökonomischeRahmenbedingungen

Biologische,genetische

Begebenheiten

Biologische,genetische

Begebenheiten

Gesundheitswesen- Prävention

- med. Versorgung

Gesundheitswesen- Prävention

- med. VersorgungUmweltUmwelt

Familiäres, soziales, berufliches Umfeld

Was ist Krankheit?

Eine Krankheit ist ein Zustand, in demeine körperliche Abnormalität zum Verlust der Gesundheit führt

• Das bloße Vorliegen einer Abnormalität ist nicht zum Nachweis einer Krankheit ausreichend, obwohl es ein frühes Stadium einer Krankheit anzeigen kann

• Krankheit setzt immer auch eine „schlechte Gesundheit“ („ill health“)voraus

Basis aller Krankheiten ist die Schädigung der kleinsten lebenden Einheit der Körpers,der Zelle

Rudolf Virchow (1821-1902)

Krankheits-Klassifikationen

•Jede (benannte) Krankheit zeigt eine Reihe bestimmter Charakteristika

- Ursache(n)- Symptome,- morphologische Veränderungen- funktionelle Veränderungen- etc.

• Viele Erkrankungen zeigen gleicheCharakteristika und können daher in Krankheits-Klassifikationssystemen zusammengefasst werden

angeboren

Entzündung

Kreislaufstörung

Wachstumsstörung

Trauma

erworben

nicht-genetischerworben/umweltbedingt

Zystische Fibrose (CF)

nicht-neoplastisch

neoplastisch

chronisch

gestörte Immunität

Metabolisch/degenerativ

Immundefizienz

Gefäßokklusion

Schock

chemisch, etc.

kinetische Kräfte

Allergie, Autoimmunität, etc.

akut

genetischvererbt

akzidentell/iatrogen

spontan

Knochenfraktur

Aspirin-induziertesMagenulkus

Blutungsschock

Herzinfarkt

AIDS

Morbus Basedow

Diabetes mellitus

Osteoartritis

Appendizitis

Tuberkulose

Lungenkrebs

gutartigeProstata-Hyperplasie

Trisomie 21

Fehlbildungen durch Rötelviren

Gehirnschädigung durchHypoxie während d. Geburt

Art der Aquisition Pathol. Klassifikation Subklassifikation Beispiele

ÄtiologieLehre von den auslösenden Faktoren

PathogeneseAblauf der Reaktion des Organismus auf den schädigenden (ätiologischen) Faktor bzw. die Schädigung

KrankheitsmechanismenKrankheitsmechanismen

Klinische PathologieKlinische Pathologie

ÄtiologieUrsache

(auslösender Faktor)von Krankheiten

ÄtiologieUrsache

(auslösender Faktor)von Krankheiten

PathogeneseAblauf der Reaktionen

des Organismusauf die Einwirkung desätiologischen Faktors

PathogeneseAblauf der Reaktionen

des Organismusauf die Einwirkung desätiologischen Faktors

Allgemein gültigeGesetzmäßigkeiten

der Ursache und Entstehungvon Krankheiten

Allgemein gültigeGesetzmäßigkeiten

der Ursache und Entstehungvon Krankheiten

Ätiologische Typen von Krankheiten

• angeborene oder vererbte Krankheiten• erworbene Krankheiten• multifaktorielle Krankheiten

Beurteilung der Pathogenese durch

• Faktoren, die direkt zur Krankheit führen• Prozesse, die durch diese Faktoren

ausgelöst werden• Reaktionen des Organismus auf die

eingetretenen Veränderungen• Zeitliche Abfolge der Erkrankung

- akut (Tage bis Wochen)- chronisch

Beispiel, wie eine einzige Ätiologie (Infektion mitStreptokokken) über verschiedene pathogenetische Abläufe verschiedene Krankheiten hervorrufen kann

• eine gewöhnliche Tonsillitis• eine Endokarditis der Herzklappen,

- bei vorgeschädigter Herzklappe• eine Glomerulonephritis

- Bildung von Antigenen gegen Bakterienproteine- Antigen-Antikörper-Komplexe werden in den Glomerula abgelagert

• eine rheumatische Herzkrankheit- Kreuzreaktion der antibakteriellen Antikörper mit Proteinen der Herzwand

Rheumatisches FieberBegriffsbestimmung

• Charakterisiert durch Gelenksschmerzen,Hautrötung und Fieber

• Pathologische Immunreaktion nach einerInfektion (im Pharynx) durch ß-hämolysierende Streptokokken

• Assoziiert mit einer Pankarditis• Betroffen überwiegend Kinder (5 – 15 Jahre),

häufiger Jungen

Folgen einer Erkrankung

• Heilung (restitutio ad integrum oder Regeneration)• Defektheilung

- bleibender morphologischer und/oder funktioneller Defekt (Reparation)

• Remission- vorübergehender Rückgang oderVerschwinden einer Erkrankung

• Rezidiv- Wiederauftreten einer Erkrankung

• Tod

Tod

In Phasen ablaufender Vorgangdes Sistierens von Lebensfunktionen

Agonie

supravitaleReaktionen

früheLeichen-erscheinungenspäte

Akute Krise(inkomplette Dysregulation,z. B. Atemstillstand)

Finale Krise(komplette Dysregulation)

Klinischer Tod

Biologischer Tod

Autolyse

Fäulnis

Verwesung

Vita reducta

Vita minima

Individualtod

intermediäresLeben

postmortalePhase

kadaverösesStadium

Herzstillstand

Gehirntod

Phasen des Übergangs zwischen Leben und Tod

mod. nach Berg SP (1984)

• Der Herzstillstand ist ein wesentliches Kriteriumdes klinischen Todes (= im Regelfall der Individualtod)

• Ohne Reanimationsbedingungen tritt nach etwa7 – 10 Minuten später der Hirntod ein

• Der Hirntod wird dann zum Kriterium desIndividualtodes, wenn unter Reanimations-bedingungen das Herz weiter schlägt

• In der Phase des intermediären Lebens erfolgt ein gestaffeltes Absterben der Organe/Gewebe(„Absterbeordnung“)

• Nach ca. 20 Stunden ist die intermediäre Phasedurch den biologischen Tod beendet

• Die Grenze zwischen Leben und Tod ist fließend• Rein morphologisch kann somit nicht unterschieden

werden, wann und ob ein Individuum noch lebt oder schon gestorben ist

• Wichtigstes Zeichen des Lebens ist das Vorliegeneiner Funktion (R. Virchow)

• Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt (§1 BGB)

• Unter strafrechtlichen Aspekten beginnt das Lebenmit den Beginn des Geburtsvorganges (§216 StGB)

• Zur Definition des Todes gibt es keine Vorschriften- die rechtsverbindliche Feststellung des Todes beruht alleine auf einer ärztlichen Diagnose

DiagnostikDiagnostik

Biopsien,Zytopathologie

Biopsien,Zytopathologie

IntraoperativeGefrierschnitt-

diagnostik

IntraoperativeGefrierschnitt-

diagnostik

Operations-präparate

Operations-präparate

AutopsienAutopsien

intra vitam

post mortem

>95%

<5%

Rolle der Obduktion in unserer Gesellschaft

• Zunehmende Inanspruchnahme der Rechtspflege- Kenntnis und Beachtung medizinrechtlicher Grundlagen als unabdingbare Voraussetzung ärztlichen Handelns

• Veränderung im Bewusstsein des Bürgers durch- vermehrter Anspruch auf Persönlichkeitsrechte- Infragestellung der ärztlichen Entscheidungsfreiheit- Veränderungen im Umgang mit dem Tod

• Weitgehender Verlust des Gleichgewichtes zwischenindividuellen Rechten und sozialen Pflichten

• Einfluss der Rechtssprechung durch- zunehmende Sanktionsbereitschaft- Verschärfung des Sorgfaltsmaßes des Arztes

Deutschland weist mit Abstand die niedrigsteSektionsfrequenz in ganz Europa auf

• nur etwa 1% der Verstorbenen werden klinisch,

• etwa 8% insgesamt obduziert

Aufgaben und Ziele der Sektion

• Abklärung von Grundkrankheit(en) undTodesursache mit Kontrolle der klinischenDiagnostik und Therapie

• Ausbildung, Weiterbildung und Lehre fürStudierende und Ärzte

• Sektionsbefunde als wichtige Hilfe bei derAufklärung und für den Trost für Angehörige

• Grundlegende Erkenntnisse für gesundheits-politische Entscheidungen

• Erkennung neuer Krankheitsbilder sowie einesGestaltwandels von Krankheiten

• Methode der medizinischen Forschung• Wichtige Qualitätssicherungsmaßnahme

Zustimmung zur Sektion

• Gegen den Willen eines Verstorbenen wirdnie eine klinische/wissenschaftlicheSektion durchgeführt

• Widerspruchslösung (in den Aufnahmebedingungender meisten Krankenhäuser enthalten)

• Zustimmungslösung (= die nächsten Ange-hörigen sind maßgeblich für die Zustimmung)

• Fristenlösung (Widerspruch der Angehörigen inner-halb eines Tages = 24 Stunden)

• Eine klinische/wissenschaftliche Sektion gegen denWillen der Angehörigen kann keine strafrechtlichen, sehr wohl aber zivilrechtliche

Ansprüche (z. B. Schmerzensgeld) nach sichziehen

Warum sollte seziert werden?

• Mindestens 50% der bei der Leichenschauangegebenen Todesursachen sind falsch

• Bei mindestens in 25% in einem KrankenhausVerstorbenen ist das Grundleiden nichtoder nur teilweise (richtig) erkannt worden

• Auswirkungen auf die entsprechende Therapieund Prognose ebenso wie auf gesundheits-politisch relevante Statistiken

• Erkenntnisse für den Arzt• Erkenntnisse für die Angehörigen

Klinische ObduktionenVergleich klinische Diagnose - Obduktionsergebnis

Grundmann E. Autopsy as clinical quality control: a study of 15,143 autopsies. In vivo 1994; 8:945-52

Fazit für die ärztliche Tätigkeit

• Es muss im Interesse des Arztes liegen, sowohlpositive als auch negative Auswirkungenseiner Handlungen zu überprüfen

• Dies gilt natürlich auch für Krankenanstalten• Aufgrund unserer wachsenden Kenntnisse über

die genetische Komponente vielerErkrankungen, wird eine Sektion auch häufigwichtige Erkenntnisse für die Angehörigen eines Verstorbenen bringen

• Jeder Arzt sollte daher in gebührender Weise, aberdoch mit Nachdruck die Angehörigen einesVerstorbenen auf den auch und gerade fürsie unbestreitbaren Erkenntnisgewinn der klinischen Sektion hinweisen

Organspende und Obduktion

• Bereitschaft zur Organspende hängt mit der Bereitschaft zur Obduktionseinwilligung zusammen

• In der Regel haben Länder mit hoherObduktionsfrequenz auch eine „liberalere“Gesetzgebung zur Organspende

• Anzahl an Spenderorgane bestimmt dieWartezeit auf die Transplantation

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Spender/MioEW

Organspender pro 1 Million Einwohner(2007)

NL D B A USA I E

Eurotransplantraum Lebertransplantation:Anzahl Patienten auf LTX Warteliste: 1266Anzahl transplantierter Patienten: 772

Wartezeit auf ein postmortales Spenderorgan

Am Universitätsklinikum Essen werdenzur Zeit in Europa die meistenLebertransplantationen durchgeführt