Post on 10-Oct-2019
Simulationsgespräch mit einer Mutter
Referentin: Andrea Beissenhirtz
Dipl. Psychologin
Datum: 21.03.2015
Umgang mit „schwierigen“ Eltern und elterlicher Kritik
Ablauf
� Wann wird es schwierig, wann ist es leicht?
� Was hat Einfluss auf die Kommunikation?
� Fallbeispiel
� Simulationsgespräch mit einer Mutter
� Feedback /Reflexion zum Simulationsgespräch
� Weitere Informationen zum Fallbeispiel
� Umgang mit Konflikten
� Ende des Fallbeispiels
� Ein Kurzfilm: Buddha on the train
Wann wird es schwierig, wann ist es leicht?
„leichte“ Eltern
„schwere“ Eltern
Warum sortieren wir?Was hat das für Auswirkungen
im Umgang miteinander?
Wann wird es schwierig, wann ist es leicht?Beobachtungen aus dem Klinikalltag
„schwierige“ Eltern
�hochbelastet
�kein Vertrauen
�schlechte Erfahrungen
�wenig Wertschätzung
�fühlen sich nicht ernst genommen
�wenig flexibel
�Perspektivwechsel nicht möglich
�schwere Kommunikation
„leichte“ Eltern
� haben Vertrauen
� wertschätzend
� dankbar
� offen für Veränderungen
� Perspektivwechsel möglich
�leichte Kommunikation
Kommunikation
Friedemann Schulz von Thun:
�Vier Seiten einer Nachricht: „Du, da vorne ist grün“
Ampel ist grün
Du brauchst meine
Hilfestellung!
Gib Gas!Ich habe
es eilig
Kommunikation
Mit vier Ohren empfangen
Beispiel aus dem Klinikalltag
Sender Empfänger
„Jonas ist noch nicht gewickelt!“
„Die Mutter traut mir die
Versorgung nicht zu!“
„Ich weiß nicht was ich gesagt habe,
bevor ich die Antwort
meines Gegenübers gehört habe.“
Paul Watzlawick
Kommunikation
Drei Empfangsvorgänge:
1.Etwas wahrnehmen
2.Etwas interpretieren
3.Etwas fühlen
Die Art des Empfangs
kann vom Sender nur bedingt beeinflusst werden!
Beispiel:
Sie erzählen ihrem Partner, was Sie am
Wochenende gerne mit der Familie unternehmen
wollen. Ihr Partner runzelt die Stirn.
Kommunikation
Kongruente und inkongruente Nachrichten
�Kongruent = wenn alle Signale (verbale und nonverbale) stimmig sind
�Inkongruent = verbale und nonverbale Signale stehen in Widerspruch zueinander => löst Irritation aus!
Nonverbale Kommunikation
� Die verbale Kommunikation hat ca. 25-30% Anteil an Kommunikationsvorgängen.
� Die Nonverbale Kommunikation (Mimik, Gestik, Tonfall, Atmosphäre, Haltung, Lautstärke…) hat einen Anteil von ca. 70-75%!
� Dient zum - Ausdrücken von Emotionen
- zur Übermittlung von Einstellungen (z.B. Sympathie)
- Darstellung von Persönlichkeitseigenschaften (z.B. Schüchternheit)
- Modulation einer verbalen Nachricht (ergänzen, verdeutlichen, ersetzen, einschränken)
� Die Körpersprache ist schwerer bewusst zu beherrschen => „wahrer“ / „echter“
Nonverbale Kommunikation
� Mimik
� Gestik
� Körperhaltung- und bewegung
� Tonfall (schmeichelnd, aggressiv)
� Berührung
� Geruch (Schweiß, Parfum, Atemalkohol)
� Augenkontakt
� Interpersonelle Distanz
� Äußere Erscheinung (Kleidung, Frisur)
�Jemand der Ruhe ausstrahlt, kann die Spiegelneurone des anderen antriggern, ohne dass dieser es bemerkt.
Wahrnehmung
� subjektiv
� unvollständig
� selektiv
Kippbild
Hase oder Ente?
Selbsterfüllende Prophezeiungen
� Eine Prophezeiung (Voraussage, Erwartung, Besorgnis, Überzeugung, Verdacht) wird durch eigenes Verhalten erzwungen.
� Erwartet jemand ein bestimmtes Verhalten von seinem Gegenüber, erzwingt er durch eigenes Verhalten genau dieses Verhalten: Geschichte vom Hammer
� Beispiele:- Voraussage der Verknappung /Verteuerung von Waren
- Angst vor Bluthochdruck
- Horoskope
- Rosenthal-Effekt
Kommunikation in der Palliativversorgung
„Now we tell, but how well?“
J.Holland
�Es bedarf einer gewissen Übung, Reflexion über Grundprinzipien und Techniken der Kommunikation in schwierigen Situationen.
�Gelungene Kommunikation ist ein Hauptgrund der Zufriedenheit der Patienten.
�Patienten können sofort einschätzen, ob Kommunikation gelingt oder nicht.
�Vertrauensvolle Kommunikation ist die wichtigste Bewältigungsquelle, die wir haben!
Der Fall: Jonas*, 4 Jahre, Familie Lehr*
Diagnosen:
�Schwer einstellbare symptomatisch fokale Epilepsie bei ausgedehnter cerebraler Malformation mit kortikaler Dysplasie der li Hemisphäre
�Bilaterale spastische Cerebralparese
�Allgemeine Entwicklungsstörung
* Namen geändert
Der Fall: Jonas*, 4 Jahre, Familie Lehr*
Leidvolle Symptome von Jonas:
�Unruhephasen
�V.a. Schmerzen
�Gestörter Nachtschlaf
�Trinkverweigerung
Quellen von Leid bei der Familie:
�Hilflosigkeit und Überforderung bzgl. der Symptombewältigung
�Hohe Belastung durch eine erschwerte Krankheitsverarbeitung
�Partnerkonflikte
�Stark belastete Familiensituation, starker Schlafmangel der Mutter
* Namen geändert
Der Fall: Jonas, 4 Jahre, Familie Lehr
Ziele für den Aufenthalt auf Station Lichtblicke:
1.Einschätzung und Optimierung der Unruhephasen
2.Einschätzung der Schmerzsymptomatik, ggf. Schmerztherapie
3.Einschätzung und Optimierung des Tag-Nacht-Rhythmus
4.Entlastung der Familie
Genogramm der Familie Lehr
Zeitstrahl
Der Fall: Jonas, 4 Jahre, Familie Lehr
Erste Beobachtungen und Einschätzungen:
�Aufnahmegespräch:
- Unruhe: 3 Ursachen lt. Eltern: Epilepsie, Magen-Darm-Probleme und Blockaden; aktuelle Einschätzung: Blockade => müsse beim Chiropraktiker gelöst werden
- Hohe Belastungssituation: alles funktioniere nur noch im Notfallprogramm, Luft sei raus, Eltern können nicht mehr
- Frage: sind wir zu diesem Zeitpunkt die Richtigen?
�Eltern fühlen sich auf Station Lichtblicke nicht willkommen
�Eltern wünschen dringend nachts eine Überwachung mit Videobabyphone
Der Fall: Jonas, 4 Jahre, Familie Lehr
Angebote an die Eltern:
�Videobabyphone wird nach Überprüfung der Technik genutzt (für die Sicherheit und Entlastung der Eltern)
�Es wird ein Tagesplan mit Entlastungszeiten für die Mutter erstellt
�Ziel: gemeinsame Basis finden, Beziehungs- und Vertrauensaufbau
Die simulierte Gesprächssituation
� Frau Lehr hat das Gefühl auf der Station „Lichtblicke“unerwünscht zu sein, ist enttäuscht. Der Aufenthalt war für sie ein Anker, der Anker bröckelt.
� Umgang und Kommunikation mit Frau Lehr ist schwer, keiner möchte in die Versorgung der Familie, Kontakt wird vermieden
� Frau Lehr vertraut dem Behandlungsteam nicht, greift die Pflege verbal an.
Situation mit der Bezugspflege:
� Frau Lehr kommt morgens zum Schwesternzimmer. Ihr fällt auf, dass der Ton des Videobabyphons runtergedreht ist…
Beobachtungsaufgaben
� Achten Sie auf die nonverbale Kommunikation (Mimik, Gestik, Körperhaltung) von „Frau Lehr“ und der „Pflege“.
� Was hört „Frau Lehr“, was hört die „Pflege“?
Feedback
Das Eisbergmodell
Das „Häschengehirn“
Grobe Unterteilung:
�„Häschen“: intuitive, schnelle Teilsichert das Überleben
�„Denker“: Bewusstsein, Reflexion,
Sprache, braucht viel Zeit und
Aufmerksamkeit, im Notfall hinderlich
�Im Normalfall gute Zusammenarbeit
�Im Notfall: blitzschnelle Trennung
Notfallmechanismen treten in Kraft:
fliehen, kämpfen, erstarren
�Der „Denker“ kann nur zuschauen,
steuern kann er nicht!
Der Fall: Jonas, 4 Jahre, Familie Lehr
Familiengespräch:
�sich unwillkommen fühlen thematisiert
�Spiegelung: Mutter vertraut uns nicht- Mutter sagt sie vertraut uns
�Spiegelung, wie wir Frau Lehr wahrnehmen- Mutter berichtet über Ängste bzgl. Krampfanfälle, keinen
Krampfanfall verpassen, steht für Gehirnschädigung => Gespräch mit Neuropädiaterin
- Häschengehirn vorgestellt: Frau Lehr kämpft
- Weiterer Umgang miteinander: Frau Lehr wünscht sich direkte Rückmeldung: z.B. „Ich fühle mich angegriffen“
�Deutlich Entlastung im Umgang miteinander
Der Fall: Jonas, 4 Jahre, Familie Lehr
Weiterer Verlauf:
�Einzelgespräche: Themen Entlastung und Krankheitsverarbeitung
- hat den Anspruch an sich Krankheit von Jonas und Lebensumstände anzunehmen, Gefühle kommen nicht hinterher, Annahme, wenn sie nicht mehr so traurig ist
- Negative Bewertung von Traurigkeit und Weinen = Ausweglosigkeit
- Keine Kraft mehr: Entlastungsmöglichkeiten thematisiert: amb. KiHoDi, Hospiz, ambulante Psychotherapie
�Behandlung Panaritium + Schmerztherapie
�Schlafstörung (häufiges Aufwachen): Melatonin, Lendormin
�Entlassung geplant
Umgang mit Konflikten
� ruhig bleiben
� klar und verständlich informieren
� nachfragen
� Kompromiss schließen
� sich nicht auf Diskussionen einlassen
� sachlich bleiben
� Möglichkeiten erarbeiten
� Verständnis zeigen
� sich im Team gegenseitig unterstützen
� aufmerksam zuhören
� wahrnehmen, ernst nehmen
� evtl. entschuldigen, begründen
� im Zweifelsfall weiter delegieren
Konstruktiver Umgang mit Konflikten
Grundelemente gelingender Kommunikation
Aktives Zuhören
�Gesagt heißt nicht unbedingt gehört!
�Gehört heißt nicht unbedingt verstanden!
�Der Empfänger versteht das, was der Sender meint
�Ist keine Technik sondern eine Grundhaltung
Grundelemente gelingender KommunikationAktives Zuhören
Regeln:
�Ehrliches, offenes Interesse
�Aufmerksamkeit zeigen
�Zuhören ohne zu werten
�Zuhören ohne Lösungsvorschläge
�Positive Körpersprache
�Nicht unterbrechen
�Störfaktoren ausblenden
�Eigene Gedanken abschalten
Grundelemente gelingender KommunikationAktives Zuhören
Signale:
Verbal Nonverbal
Nachfragen Augenkontakt
Kommentieren Kopfnicken
Interpretieren offen zuwenden
Gefühle ansprechen Notizen machen
�„Was meinen Sie damit?“
�„Bitte erzählen Sie mir mehr davon!“
�„Was macht Ihnen am meisten Sorge?“
Grundelemente gelingender Kommunikation
Empathische Antwort
�Gefühle, Meinungen, Ansichten nicht bewerten
�Nicht vorschnell argumentativ beantworten
�Rückspiegelung: „Ich höre Dich und verstehe, was Du
meinst.“
�Unabhängig von eigener Zustimmung und eigenen Gefühlen
„Ja, es macht Ihnen Angst, wenn Ihr Kind so unruhig ist.“
„In einer Fünftelsekunde kannst du eine Botschaft
rund um die Welt senden.
Aber es kann Jahre dauern, bis sie von der Außenseite
eines Menschschädels nach innen dringt.“
Ch.F. Kettering
Der Fall: Jonas, 4 Jahre, Familie Lehr
Familiengespräch:
�Therapiesteuerung schwierig bis nicht möglich- Therapie wird durch Fr. Lehr gesteuert, Medikament
(Antiepileptikum) nicht gegeben
- Einschätzung Fr. Lehr: Apydan verursacht Erbrechen, Übelkeit, Schlafstörungen, war in Not am Wochenende
- Wir können Therapie so nicht verantworten
Der Fall: Jonas, 4 Jahre, Familie Lehr
Teamgespräch (Team Lichtblicke, Neuropädiaterin, Klinikleiter):
�Keine akute Kindeswohlgefährdung
�Vertrauensverhältnis nicht gegeben => stoßen an Verantwortungsgrenze
�Info an Kinderarzt: weitere Kontakte zur Neuropädiatrie oder Palliativteam nur über Kinderarzt
�Compliance in Medikamentenverabreichung nicht gegeben
�Einschätzung: Eltern-Kind-Interaktionsstörung
�Ergebnis: wir haben keinen Behandlungsauftrag, da Zusammenarbeit bei fehlender Vertrauensbasis nicht möglich
Es gibt Grenzen
das Scheitern
das Nicht-Erreichen
das Nicht-Helfen können
Akzeptanz der Nicht-Akzeptanz
Inkompetenz
kompensations
Kompetenz
Dr. M. Gründel
Kurzfilm: Buddha on the train
„Wer andere erheitern kann, ist von Natur aus Arzt“
Demokrit (460-370 v. Chr.)