Das ‚Haus der digitalen ildung‘ als Analyse und … · 2017-11-27 · •Computernutzung im...

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Das ‚Haus der digitalen Bildung‘ als Analyse-und Entwicklungswerkzeug für Schulen

Prof. Dr. Ira Diethelm

Didaktik der Informatik - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg,

Mitglied im Digitalrat.Niedersachsen und Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft für Informatik e.V.

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Beobachtungen zum Diskurszur Digitalisierung und Bildung

• Fokussierung auf Technikeinsatz (Schulcloud, Tablets, W-LAN)

• Inhaltliche Reduktion (Anwendungen, Produkte, Programmieren, Fake-News)

• Nutzung von Verheißungsstrukturen

• Verallgemeinerungen von Einzelfällen

• Illusorische Erwartungen

• Überschätzung der „Digital Natives“

• Technikgläubigkeit u. Verteufelungen

• Lehrerbashing / Schulbashing

• Hohe Emotionalität

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Bardo Herzig (Literatur-)Studie: Wie wirksam sind digitale Medien im Unterricht

Lernen mit Digitalen Medien hat im Schnitt einen relativ geringen nachweisbaren Effekt auf den Lernerfolg.

• „Herkunftsbedingte“ Unterschiede: Schüler_innen von Gymnasien schneiden im Schnitt besser ab.

• Computernutzung im internationalen Vergleich am Ende der Liste.

• Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, in denen es einen negativen Zusammenhang gibt zwischen Häufigkeit der Computer-nutzung in der Schule und computerbezogenen Kompetenzen.

• Die Teilnahme von Lehrenden an Fort- und Weiterbildungen ist unterdurchschnittlich.

• Wenig Zutrauen in eigenen Unterricht mit Digitalen Medien.

Digitale Kompetenz

„… bedeutet die Fähigkeit, Informationen zielgerichtet zu suchen, zu bewerten und eigene Inhalte in digitaler Form für andere Nutzer zur Verfügung zu stellen (suchen – bewerten – verbreiten). […] Sie umfasst auch ein technisches Grundverständnis, das über die Bedienung aktueller Geräte hinausgeht und Grundkenntnisse über ihre Funktionsweise und diejenige digitaler Medien, über die Software-Entwicklung und Algorithmik, über Netzwerktechnologien und IT-Sicherheit bzw. Datenschutz beinhalten muss. Dazu zählen nicht zuletzt Grundfertigkeiten im Programmieren („coding“).“

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Was wir wissen

• Digitale Spaltung stagniert, gerade in D große Unterschiede nach sozialer Herkunft bzgl. computerbezogener Fähigkeiten (ICILS)

• Die Kinder erlernen in D den Umgang mit der digitalen Welt nicht von selbst, erwerben Kompetenzen zumeist außerhalb der Schule

• Der bloße Einsatz digitaler Umgebungen fördert nicht das Lernen

• Lehrkräfte stehen digitalen Medien verhalten bis ablehnend gegenüber

• Fast alle Berufe erfordern Computerkenntnisse

• Um als mündiger Bürger über Einsatz von KI und IT-Systemen entscheiden und diesen kontrollieren zu können, sind Grundkenntnisse über IT und ihrer Grenzen nötig (Netzneutralität, selbstfahrende PKW, Predictive Policing)

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• https://www.kmk.org/aktuelles/thema-2016-bildung-in-der-digitalen-welt.html

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KMK-Strategie: Ausschnitte

• „Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule leitet sich aus der Aufgabe ab, die Schülerinnen und Schüler angemessen auf das Leben in der derzeitigen und künftigen Gesellschaft vorzubereiten und sie zu einer aktiven Teilhabe zu befähigen. “

• „Erlangen entsprechender Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse ermöglichen, die sie zu einem selbstständigen und mündigen Leben in einer digitalen Welt befähigen. “

• „sollte das Lernen mit und über digitale Medien und Werkzeuge bereits in den Schulen der Primarstufe beginnen“.

• „Die Länder verpflichten sich [dass alle SuS], die zum Schuljahr 2018/2019 in die Grundschule eingeschult werden oder in die Sek I eintreten, […] die in diesem Rahmen formulierten Kompetenzen erwerben können.“

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• Es „tritt nun neben die traditionellen Kulturtechniken Rechnen, Lesen und Schreiben der kompetente Umgang mit digitalen Medien.“

• Umsetzung nicht durch ein Fach, sondern integraler Bestandteil aller Curricula,

• fachspezifische Beiträge

• „Die Entwicklung und das Erwerben der notwendigen Kompetenzen für ein Leben in einer digitalen Welt gehen über notwendige informatische Grundkenntnisse weit hinaus und betreffen alle Unterrichtsfächer.“

• Die „Kompetenzen in der digitalen Welt“ umfassen sechs Kompetenzbereiche

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Drei Rollen digitaler Technologien im Unterricht unterscheiden

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Digitale Artefakte (IKT)

Lehr-Lern-Mittel

Werkzeug

Gegenstand

Vgl. (Hartmann, Näf, Reichert, 2004, S.6)

Geforderte Kompetenzen

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Beispiele geforderter Kompetenzen

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Lehrerbildung• Mit zunehmender Digitalisierung entwickelt sich auch die Rolle der Lehrkräfte weiter.

• Lehrkräfte benötigen Hintergrundwissen, nur so selbstbewusster, reflektierter Einsatz

• Wenn sich in der „digitalen Welt“ die Anforderungen an Schule und damit an alle Lehrkräfte nachhaltig verändern, dann wird perspektivisch Medienbildung integraler Bestandteil aller Unterrichtsfächer sein und nicht mehr nur schulische Querschnittsaufgabe.

• Alle Lehrkräfte müssen selbst über allgemeine Medienkompetenz verfügen und in ihren fachlichen Zuständigkeiten zugleich „Medienexperten“.

• Schüler zu befähigen, die eigene Medienanwendung kritisch zu reflektieren und Medien aller Art zielgerichtet, sozial verantwortlich und gewinnbringend zu nutzen, gehört damit perspektivisch in jedes fachliche Curriculum.

• Daher ist in der fachspezifischen Lehrerbildung für alle Lehrämter die Entwicklung entsprechender Kompetenzen verbindlich festzulegen.

Folge: Enormer Fortbildungs- und Beratungs-/Begleitungsbedarf zur Digitalisierung!

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https://www.gi.de/aktuelles/meldungen/detailansicht/article/dagstuhl-erklaerung-bildung-in-der-digitalen-vernetzten-welt.html

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Dagstuhl-Dreieck: Drei Perspektiven auf denselben Gegenstandsbereich

Mediale Perspektive:

Wie begegnet mir das?

Wie und wann nutze ich was? Typische

Anwendungen und Funktionsumfänge

kennen, Nutzen einschätzen

Einsatz digitaler Werkzeuge zur Gestaltung passiver digitaler oder

analoger Medien u. Produkte zur Problemlösung (z. B. Poster,

Folien, Blogs, Videos)

analysieren

und verstehen

(urteilen)

problemlösen

und gestalten

(handeln)

Technologische-strukturelle Perspektive

Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive

Anwendungsbezogene Perspektive

Erweitertes Dagstuhl-Dreieck

(sehen)

7. Anwendungsbezogene Perspektive:Wie und wann nutze ich was? Typische Anwendungen und Funktionsumfänge kennen, Nutzen einschätzen

8. Technologische Perspektive:Wie und warum funktioniert das?Prinzipien der Digitalisierung, Automatisierung, Vernetzung verstehen

9. Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive:Wie und warum wirkt das?Wechselwirkungen u. Normen kennen und beurteilen

4. Anwendungsbezogene Perspektive: Einsatz digitaler Werkzeuge zur Gestaltung passiver digitaler oder analoger Medien u. Produkte zur Problemlösung (z. B. Poster, Folien, Blogs, Videos)

5. Technologische Perspektive: Gestaltung aktiver digitaler Medien und Technologie zur Problem-lösung (z. B. Apps, Skripte o. Makros erfinden, programmieren, verändern, explorieren

6. Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive: Gestalten von Interaktion, Kommunikation u. Gemeinschaftsprozessen, sich selbst ausdrücken (z. B. Web 2.0-Technologien einsetzen)

2. fachdidaktischer Einsatz:z.B. Lesehilfen, Geometrie-Software, Vokabel-Apps, phys. Simulationen, fachspezifische OER

3. informeller, individueller Einsatz:Nachschlagewerke, Videos etc. für binnen-differenziertes oder individuelles Lernen

1. pädagogisch-organisatorischer Einsatz Schulserver, Tablets, smarte Tafeln, OER allgemein, ...

Haus der digitalen Bildung(9 Facetten digitaler Medien und Technologien)

UnterrichtsgegenstandZiel: Erschließen, Hinterfragen, Verstehen und Beurteilen

Gestaltungsmittel und -gegenstandZiel: Kreatives, produktives Handeln und Gestalten

UnterrichtsmittelZiel: Lernprozesse unterstützen

OrganisationsmittelZiel: Bildung verbessern

Ausbildung und Habitus der Lehrkräfte

Ira Diethelm und Torsten Brinda

Verteilung der KMK-Kompetenzen auf Facetten des Hauses der digitalen Bildung:

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Blick in die GeschichteBereits 1987 BLK-Beschluss zur Informationstechnischen Grundbildung

blieb ohne Wirkung, weil:

• Damals kaum Reaktion in der Lehrerbildung

• Verwechslung von Einsatz von Computern als Lernmittel und Werkzeugmit Lernen ÜBER Medien / Computer /Digitales (als Unterrichtsgegenstand)

• Überschätzung der Technik und dersog. „Digital Natives“

• integrativ => keine Verantwortlichkeit, keine Qualitätssicherung

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Schwerpunkte in aktuellen Papieren (persönlich gefühlte Verteilung)

• KMK-Strategie, 2016 und Bundestagsantrag, 2015:

• Länderkonferenz MedienBildung(LKM, 2015):

• Enquette-Kommission, 2011:

• BLK-Beschluss 1987:

Grundverständnis für den Gegenstandsbereich ist Voraussetzung für selbstbestimmten und zielgerichteten Einsatz als Werkzeug / Unterrichtsmittel<

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Mögliche Schritte für Schulen• Genau über die Rolle der Technologien und Medien reflektieren und mit Lehrern,

Schülern, Eltern kommunizieren (nicht nur Mittel, auch Gegenstand!)

• Reflektions- / Zielfindungsprozess initiieren um Potentiale u. Protagonisten zu identifizieren (Wer hat wozu Lust und Talent – und warum?)

• Vorhandene Medienkonzepte und Lehrpläne anhand des Hauses der digitalen Bildung auf Abdeckung untersuchen, Stärken und Lücken finden

• Konkrete Verteilung der Verantwortung: was genau in welche Fächer integriert und was in einem eigenen Fach mit dafür fachlich und fachdidaktisch ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet werden kann/muss.

• Alle Lehrkräfte müssen auf Sicht mindestens zu der selben digitalen Bildung verpflichtet werden wie die Schüler (auch wenn sie es nicht unterrichten)

• Vielfältige, gleichberechtigte Zugänge und unterschiedliche Innovationsgeschwindigkeiten ermöglichen (Lehrerraumkonzept)

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Analysevorschlag für zu Haus:

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1. Nehmen Sie alle Medienkonzepte / Schulprogramme / Leitbilder / Schulcurricula und markieren Sie (nur) zutreffende Stellen in der zugehörigen Farbe des Hauses

2. Schneiden Sie die Papiereentsprechend auseinanderund legen Sie sie in die Felder des Hauses

3. Wo häuft es sich? -> Akteurebündeln / verknüpfen, Stärken ausbauen

4. Wo sind Lücken? -> Nur nicht erwähnt oder wirkliche Lücke? Weitere Akteure und Fächer einbinden

Aufgabe für jetzt: Wo verorten Sie Ihre Schule?

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Bitte verteilen Sie Klebepunkte:

• grün = bereits für alle Schüler verankert / umgesetzt / Verantwortung benannt

• gelb = Handlungsbedarf erkannt, erste Maßnahmen laufen o. beantragt / Verantwortung benannt / nur für einige Schüler umgesetzt

• rot = noch offen / Verantworliche fehlen / bisher nicht verortet / umgesetzt

Diskussionsrunden:

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• Welche Fächer / Akteure haben hier den Hut auf?

• Wen sehen Sie hier in der Pflicht? Welche Fächer?

• Wer / welche Fächer können hier Expertise einbringen? Was behindert den Fortschritt hier?

Eickelmann (vgl. ICILS):

• Die digitale Spaltung kann bereits jetzt nachgewiesen werden. Gegenmaßnahmen erscheinen hier dringlich geboten.

• Entgegen mancher Klischees sind nicht alle Jugendlichen so genannte „digital natives“.

• Kompetenzen der KMK gehen im Vergleich zu anderen Ländern nicht weit genug. Grundlegende Kompetenzen wie ‚Computational Thinking‘ sind nur in Ansätzen […] angesprochen, zentrale Bereiche der informatischen Bildung fehlen bisher und zeigen steigende Relevanz.

• „an der Zeit, Konzepte für eine schulische Verankerung der Informatikzu erarbeiten und umzusetzen“

• Gerade dort, wo ein Pflichtfach Informatik fehlt, werden zur Umsetzung der KMK-Strategie Konzepte für die Umsetzung und die entsprechende Lehrerbildung vorgelegt werden müssen.

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LehrplanInformatikBerlin-Brandenburgals Chance

Tipps zum Weiterlesen und Unterrichtsmaterial

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Beat Döbeli Honegger:Mehr als 0 und 1

Begründungen und Argumente

IT2School – gemeinsam IT entdecken www.it2school.de

Unterrichtsmaterial zum Download für technologische Perspektive

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Anregungen, Fragen, Kommentare jederzeit gern unter ira.diethelm@uni-oldenburg.de

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Mediale Perspektive:

Wie begegnet mir das?

Wie und wann nutze ich was? Typische

Anwendungen und Funktionsumfänge

kennen, Nutzen einschätzen

Einsatz digitaler Werkzeuge zur Gestaltung passiver digitaler oder

analoger Medien u. Produkte zur Problemlösung (z. B. Poster,

Folien, Blogs, Videos)

analysieren

und verstehen

(urteilen)

problemlösen

und gestalten

(handeln)

Technologische-strukturelle Perspektive

Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive

Anwendungsbezogene Perspektive

(sehen)

Digitalisierung

Vernetzung

AutomatisierungGrenzenlosigkeit

Paketierung

LongTail

MooreschesGesetz

Lock-in-Effekt

Freemium-Modell

Nutzung statt Besitz

KonvergenzSarnoffs, Metcalfesund Reeds Gesetze

Realisierbarkeit / Grenzen der

Berechenbarkeit

Modularisierung

Dagstuhl-Forderungen

1. Bildung in der digitalen vernetzten Welt (kurz: Digitale Bildung) muss aus technologischer, gesellschaftlich-kultureller und anwendungsbezogener Perspektive in den Blick genommen werden.

2. Es muss ein eigenständiger Lernbereich eingerichtet werden, in dem die Aneignung der grundlegenden Konzepte und Kompetenzen für die Orientierung in der digitalen vernetzten Welt ermöglicht wird.

3. Daneben ist es Aufgabe aller Fächer, fachliche Bezüge zur Digitalen Bildung zu integrieren.

4. Digitale Bildung im eigenständigen Lernbereich sowie innerhalb der anderen Fächer muss kontinuierlich über alle Schulstufen für alle Schüler_innen im Sinne eines Spiralcurriulums erfolgen.

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Dagstuhl-Forderungen

5. Eine entsprechend fundierte Lehrerbildung in den Bezugswissenschaften Informatik und Medienbildung ist hierfür unerlässlich. Dies bedeutet:a. Ein eigenständiges Studienangebot im Lehramtsstudium, das Inhalte aus

der Informatik und aus der Medienbildung gleichermaßen umfasst, muss eingerichtet werden.

b. Die Fachdidaktiken aller Fächer und die Bildungswissenschaften müssen sich der Herausforderung stellen und Forschung und Konzepte für Digitale Bildung weiterentwickeln.

c. Umfassende Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte aus technologischer, gesellschaftlich-kultureller und anwendungsbezogener Perspektive müssen kurzfristig eingerichtet werden.

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