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Heft 2/2010 Militärgeschichte im Bild: Deutsche Schützenpanzer des Eurokorps auf Militärparade in Paris, 14. Juli 1994. Denken auf den Krieg hin Luxemburg im Zweiten Weltkrieg Frankreichs »seltsame Niederlage« 1940 Deutsche Kriegsmarine in Frankreich C 21234 ISSN 0940 - 4163

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Militärgeschichte im Bild: Deutsche Schützenpanzer des Eurokorps auf Militärparade in Paris, 14. Juli 1994.

Denken auf den Krieg hin

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EditorialImpressum

Deutsche Soldaten auf den Pariser Champs Elysées, Schützenpanzer mit dem Eisernen Kreuz vor dem Arc de Triomphe – seit einigen Jahren marschie-ren Deutsche in der Parade am franzö-sischen Nationalfeiertag mit. Für Franzo-sen und Deutsche war dies zunächst ein ungewöhnlicher Anblick, rief er doch

zwangsläufig Erinnerungen an die Zeit hervor, als die Wehrmacht durch Paris marschierte. Der Jahrestag des deutschen Angriffs fand im Mai diesen Jahres in Frankreich viel Aufmerksamkeit. Im Sommer 1940 kapitulierten die französischen Streitkräfte vor der Wehrmacht. Mit den französischen Kriegserinnerungen befasst sich Stefan Martens. Er hinterfragt die These, dass die Niederlage von 1940 noch heute »Frankreichs Trauma« sei. Mit der Besetzung Frankreichs 1940 beschäftigen sich auch Lars Hellwinkels For-schungen über die deutsche Kriegsmarine an der Kanalküste und Nina Janz´ Blick auf eine historische Quelle zum Waffenstilstand von Compiègne im Juni 1940.

Nicht nur Frankreich wurde 1940 von deutschen Truppen ero-bert, auch die Niederlande, Belgien und Luxemburg wurden be-setzt. Doch gerade die Geschichte der Besatzungszeit in Luxem-burg fand und findet außerhalb des kleinen Landes wenig Beach-tung. Hans-Erich Volkmanns Darstellung will einen Beitrag dazu leisten, dies zu ändern. Er zeichnet die Jahre 1940 bis 1944 in Luxemburg nach.

Besondere Beachtung verdient der Beitrag aus der Feder Man-fred Messerschmidts. Er untersucht das militaristische Gedanken-gut in der deutschen Gesellschaft lange vor dem Ersten Weltkrieg: »Denken auf den Krieg hin«.

Heute sind Luxemburg, Frankreich und Deutschland durch EU, NATO und Eurokorps auch militärisch eng miteinander verbun-den. Deutsche Schützenpanzer während einer Militärparade 1994 in Paris vor dem Arc de Triomphe sind ein starkes Bild für die deutsch-französische Aussöhnung.

Für Ihr Interesse an der Militärgeschichte dankt

Klaus Storkmann M.A.Major

MilitärgeschichteZeitschrift für historische Bildung

Herausgegebenvom Militärgeschichtlichen Forschungsamtdurch Oberst Dr. Hans-Hubertus Mack undOberst i.G. Dr. Winfried Heinemann (V.i.S.d.P.)

Produktionsredakteurder aktuellen Ausgabe:Major Klaus Storkmann M.A.

Redaktion:Hauptmann Matthias Nicklaus M.A. (mn)Hauptmann Magnus Pahl M.A. (mp)Oberstleutnant Dr. Harald Potempa (hp)Major Klaus Storkmann M.A. (ks)Mag. phil. Michael Thomae (mt)Bildredaktion:Dipl.-Phil. Marina SandigLektorat:Dr. Aleksandar-S. VuletićLayout/Grafik:Maurice Woynoski / Medienwerkstatt D. Lang

Anschrift der Redaktion:Redaktion »Militärgeschichte«Militärgeschichtliches ForschungsamtPostfach 60 11 22, 14411 PotsdamE-Mail: MGFARedaktionMilGeschichte@

bundeswehr.orgHomepage: www.mgfa.de

Manuskripte für die Militärgeschichte werden an obige Anschrift erbeten. Für unverlangt eingesand-te Manuskripte wird nicht gehaftet. Durch Annah-me eines Manuskriptes erwirkt der Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung, Übersetzung usw. Die Honorarabrechnung erfolgt jeweils nach Veröffentlichung. Die Redaktion behält sich Kürzun-gen eingereichter Beiträge vor. Die Wiedergabe in Druckwerken oder Neuen Medien, auch auszugs-weise, anderweitige Vervielfältigung sowie Über-setzung sind nur nach vorheriger schriftlicher Zu-stimmung erlaubt. Die Redaktion übernimmt keine Verantwortung für die Inhalte von in dieser Zeit-schrift genannten Webseiten und deren Untersei-ten.

Für das Jahresabonnement gilt aktuell ein Preis von 14,00 Euro inklusive Versandkosten (inner-halb Deutschlands). Die Hefte erscheinen in der Regel jeweils zum Ende eines Quartals. Die Kün-digungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende des Bezugszeitraumes. Ihre Bestellung richten Sie bitte an: SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Stellmacherstraße 14, 26506 Norden, E-Mail: [email protected]

© 2010 für alle Beiträge beimMilitärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA).

Druck:SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Norden

ISSN 0940-4163

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ServiceDas historische Stichwort:Schlacht bei Tannenberg 1410 22

Medien online/digital 24

Lesetipp 26

Quellen deutscher Militärgeschichte 28

Militärgeschichte kompakt 29

Ausstellungen 30

Militärgeschichteim BildDeutsche Schützenpanzer auf französischer Militärparade 31

An der traditionellen Militärparade zum französischen Nationalfeiertag nahmen am 14. Juli 1994 erstmals deutsche Solda-ten des Eurokorps mit Schützenpanzern des Typs Marder teil. Foto: AFP Bertrand Guay/Getty

Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe:

Oberleutnant Boder Erler, Universität der Bundeswehr München;Oberstleutnant i.G. Dr. Martin Hofbauer, MGFA, Potsdam;Nina Janz, Bundesarchiv, Referat MA 5, Freiburg i.Br.;Major d.R. Dr. Agilolf Kesselring, HelsinkiMatthias Rawert M.A., Freiburg i.Br.;Christopher Schaefer, Universität Trier, Praktikant am MGFA;Korvettenkapitän Dr. Rüdiger Schiel, MGFA, Potsdam;Leutnant Daniel Uhrig, Offizierschule der Luftwaffe, Fürstenfeldbruck, Praktikant am MGFA;Hauptmann d.R. Rouven Daniel Wauschkies, Studienrat am Vincent-Lübeck-Gymnasium, Stade

Inhalt

Denken auf den Krieg hin4

Prof. Dr. Manfred Messerschmidt, geboren 1926 in Dortmund, 1970 bis 1988

Leitender Historiker am Militärgeschicht-lichen Forschungsamt in Freiburg i.Br.

Am Wegrand der Geschichte

Luxemburg unter deutscher Besatzung 1940 bis 1944

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Prof. Dr. Hans-Erich Volkmann, geboren 1938 in Montabaur,1994 bis 2003

Leiter Abteilung Forschung am Militär-geschichtlichen Forschungsamt in Potsdam

Die »seltsame Niederlage« im Sommer 1940

Frankreichs Trauma bis heute? 12

Dr. Stefan Martens, geboren 1954 in Sorengo (Schweiz), seit 2002 stellvertretender Direktor

des Deutschen Historischen Instituts in Paris

Die deutsche Kriegsmarine in Frankreich 1940 18

Dr. Lars Hellwinkel, geboren 1974 in Verden an der Aller, Historiker, Studienrat

am Gymnasium Athenaeum, Stade

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Schon vor der Französischen Revo-lution wandten sich Publizisten in Deutschland gegen die Idee

vom Ewigen Frieden. Sie erblickten im »kriegerischen Geist« eine notwendige Stütze des Patriotismus. Dieser vorre-volutionäre »Bellizismus« hielt wieder-kehrende Kriege für erforderlich zur Aufrüttelung der trägen Massen. Die revolutionären Ereignisse schienen diese Auffassung zu bestätigen. Über-sehen wurde die gänzlich andere Vor-stellung in der Frühphase der Revolu-tion, als die Nationalversammlung im Mai 1790 mit einem in den Verfas-sungstext übernommenen Dekret ent-schied, dass die französische Nation auf Eroberungskriege verzichte und niemals gegen die Freiheit eines Volkes vorgehen werde.

Die innere Dynamik der revolutio-nären Entwicklung und die Reaktion der europäischen Mächte offenbarten schnell die brüchige Verbindung von Frieden und Freiheit. Die Zeit war nicht reif für die Lösung der Verfassungge-benden (National-)Versammlung (Kon-stituante). Ihr Scheitern sollte weitrei-chende Auswirkungen auch auf das

politische Denken in Deutschland im 19. Jahrhundert haben. Der Weg dahin führte zunächst über eine Entschei-dung in Paris: Im November 1792 sagte die Konstituante allen Völkern Hilfe zu, die sich von ihrer monarchischen Herrschaft befreien wollten. Damit steuerte sie auf kaum noch kontrollier-bare kriegerische Unternehmungen zu, die ideell zwar dem Selbstbestim-mungsrecht der zu befreienden Völker dienen sollten, die aber sehr leicht als Vorwand für egoistische Machtentfal-tung genutzt werden konnten, wie sie kurz darauf Napoleon I. exzessiv prak-tizierte. Ermöglicht wurde sein Vorge-hen mit den unter den französischen Königen seit Langem aufgebauten Streitkräften und mit neuen national begeisterten Massenaufgeboten, die nahezu unempfindlich gegen Rück-schläge machten. Die Befreiungsidee konnte Napoleon zur militärisch taug-lichen Offensivstrategie ausformen, wodurch sie in Gefahr stand, zur machtpolitisch nützlichen Ideologie zu degenerieren. Mit ihr sind Kriege zur Sache von Nationen und Gesellschaften gemacht worden. Carl von Clausewitz

Denken auf den Krieg hin

5�Generalmajor Carl von Clausewitz (1780–1831). Lithografie von Franz Michaelis nach Karl Wilhelm Wach.

5�Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte (1765–1814). Gemälde von Heinrich Plähr, Anfang 19. Jahrhundert.

5�Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Schlegel (1770–1831). Gemälde von Joh. Jacob Schlesinger, 1831.

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nannte diese Kriege »absolute Kriege«: »man könnte zweifeln, dass unsere Vorstellung von dem ihm [= dem Krieg] absolut zukommenden Wesen einige Realität hätte, wenn wir nicht gerade in unseren Tagen den wirklichen Krieg in dieser absoluten Vollkommenheit hät-ten auftreten sehen. Nach einer kurzen Einleitung, die die französische Revo-lution gemacht hat, hat ihn der rück-sichtslose Bonaparte bald auf den Punkt gebracht.«

Absoluter oder »wahrhaftiger Krieg«

Nicht zuletzt liegt in der Instrumentali-sierung der Freiheits- oder Befreiungs-idee begründet, dass in Deutschland, insbesondere infolge der militärischen Katastrophe Preußens 1806, Bemü-hungen um die Idee des Friedens oder das bellum iustum, den »gerechten Krieg«, kaum von Belang geblieben sind. Die Nachwirkung Friedrichs des Großen trug zu dieser Entwicklung ebenso bei wie die Haltung der konser-vativen Eliten. Clausewitz’ Versuch, die Natur des Krieges zu erfassen und zu systematisieren, lieferte nichts zu den großen Themen der naturrecht-lichen Völkerrechtswissenschaft. Krieg als Phänomen der Politik, als Gegeben-heit an sich, wurde zu seinem Studien-objekt. Er betrachtete den Krieg wie ein Chirurg, der das Problem der Gesund-heit der Allgemeinmedizin überlässt. Die Abkoppelung vom Recht zeigt sich, wo Clausewitz von den »positi-ven Zielen« des Krieges sprach: der

Denken auf den Krieg hin

4 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

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Niederwerfung des Gegners oder »nur der Eroberung eines Teiles der feind-lichen Länder«.

Clausewitz stand die Erfahrung sei-nes Zeitalters vor Augen: das Staat und Gesellschaft wie im Sturm erfassende und umwälzende Ereignis der Franzö-sische Revolution, das die ganz Europa umgestaltende Kriegführung Napole-ons ermöglichte. Clausewitz zog vor diesem Hintergrund folgendes Resü-mee: »der Friede ist die Schneedecke des Winters [ ... ], und der Krieg ist die Glut des Sommers [ ... ], die die Kräfte der Erhebung schnell entfaltet und zur Reife treibt.« Wofür? Clausewitz be-klagte den Mangel an Nationalsinn in Deutschland. Er selbst sprach vom preußischen und deutschen Patriotis-mus. Seine Hoffnung richtete sich da-rauf, dass Deutschland eine Monarchie werde oder sich höchstens in zwei Staaten teile, was mittels Unterjochung der übrigen deutschen Staaten zu be-werkstelligen sei. Kein Krieg der Zu-kunft, meinte er, werde anders denn als Nationalkrieg angesehen und ge-führt werden.

Um Clausewitz’ Begriff des »absolu-ten Krieges« wird bis heute kontrovers diskutiert. John Keegan lässt Clause-witz zum »ideologischen Vater des ers-ten Weltkrieges« werden. Als Verkünder »kriegerischen Geistes« blieb seinem Werk »Vom Kriege« allerdings nahezu jede Wirkung versagt, nicht nur weil es erst 1832/34 erschien. Noch in der Ein-führung zur 5. Auflage sprach Gene-raloberst Alfred Graf von Schlieffen 1905 von »einer eher philosophie-renden Betrachtungsweise, die den heutigen Leser nicht immer anmutet«.

Auch Gerhard von Scharnhorsts Ver-such, Preußen gegen Napoleon »kämp-ferisch« einzustellen, blieb nur gerin-ger Erfolg beschieden. Mit seinem »Vorläufigen Entwurf der Verfassung der Provinzialtruppen« glaubte er, Op-ferbereitschaft »für die Erhaltung des Staates« erzeugen zu können, »Opfer-bereitschaft gegen einen Vernichtungs-krieg«, die den durch den Krieg erzeug-ten kriegerischen Geist der stehenden Armee einigermaßen ersetzen könne. Aber das Projekt für einen von Begeis-terung getragenen Verteidigungskrieg scheiterte sowohl am Widerstand kon-servativer Offiziere und des Königs als auch am fehlenden Willen des Bürger-tums. Nur knapp zwölf Prozent der

Freiwilligen von 1813/14 gehörten den »gebildeten Ständen« an. Höhere Be-amte und Professoren wurden ganze 33 Personen gezählt.

Den von der Militärpflicht befreiten Gesellschaftsgruppen ist das freiwil-lige Opferbringen für den Staat nicht leicht gefallen. Der Krieg beförderte ein Umdenken, das bei einigen zum veränderten Denken über den Krieg selbst wurde. Zwischen 1806 und 1813/14 lief dieser Prozess wachsender Einstim-mung auf einen künftigen Krieg ab. Die Niederlage Napoleons in Russland wirkte dabei nicht unwesentlich mit. Besonders fassbar wird der Ablauf an den Schriften und Reden Johann Gott-lieb Fichtes. Wahrhafter Krieg sei der Volkskrieg zur Befreiung des Vater-landes, der letztlich auf die Einigung der deutschen Länder hinwirkende Krieg – ein Verteidigungskrieg zwar, aber ein Krieg mit »Anstrengung aller Kräfte, Kampf auf Leben und Tod, kei-nen Frieden ohne vollständigen Sieg«, stellte Fichte etwa 1813 fest.

Der Krieg des Staates

Der »Staat« stand nicht im Mittelpunkt von Fichtes politischer Philosophie. Aber bald, in einer sich restaurativ ein-richtenden Gesellschaft, sollten Staat und Krieg in eine Beziehung zueinan-der gesetzt werden, die das einstige philosophische Ideal des freien Welt-bürgers nicht zulassen konnte. Der Krieg wurde nun als positive, Staat und Nation befruchtende Kraft gese-hen, nicht wie bei den vorrevolutio-nären Bellizisten primär als Begeiste-rung weckende Droge. Er erhielt jetzt eine ethische, charakterbildende Qua-lität zuerkannt und damit eine dem Frieden vorzuziehende nationalpäda-gogische Bedeutung. In der Idee der Staatsräson des Historikers Leopold von Ranke klingt diese Konsequenz an. Ranke sprach zwar mehr von Macht-kämpfen als vom Krieg: Im »Über-einanderherfallen der Staaten« sah er »Kräfte, und zwar geistige, Leben her-vorbringende, schöpferische Kräfte, selber Leben, es sind moralische Ener-gien«. Für den Philosophen Georg Wil-helm Friedrich Hegel war »das Volk als Staat« sogar die absolute Macht auf Er-den. Den Militärstand bezeichnete He-gel als den »Stand der Allgemeinheit«. Tapferkeit mit dem »Endzweck der

Souveränität des Staates« wurde von ihm noch stringenter als in der Defini-tion der Subordination in der preußi-schen Armee begründet: »Gänzlicher Gehorsam und Abthun des eigenen Meinens und Raisonierens, so Abwe-senheit des eigenen Geistes und Ent-schlossenheit – das feindseligste und dabei persönlichste Handeln gegen In-dividuen, bei vollkommen gleichgül-tiger, ja guter Gesinnung gegen sie als Individuen.« Die Kriegsartikel ver-langten – weniger anspruchsvoll – vom Soldaten, allen Vorgesetzten Achtung und Gehorsam zu erweisen und ihre Befehle genau zu befolgen.

Die von Hegel formulierte absolute Verfügbarkeit des Soldaten, die den Vorstellungen der preußischen Refor-mer – Scharnhorst und August Neid-hardt von Gneisenau – vollkommen widersprach, traf sich mit seiner An-sicht vom Kriege, die schon von den Bellizisten des 18. Jahrhunderts vertre-ten worden war: Krieg sei zur Erhal-tung der Gesundheit notwendig, um sie »vor der Fäulnis« zu bewahren. Ein ewiger Friede bewirke »ein Versump-fen der Menschen«. Hegel meinte aller-dings, anders als Clausewitz, neuere Kriege würden »menschlich« geführt werden, Feindschaft werde wegen der Pflicht, den Anderen zu achten, zu-rücktreten.

Bemerkenswert ist, dass im Vormärz in der preußischen Armee keine nen-nenswerten Stimmen zum Krieg und Völkerrecht zu vernehmen waren. Die Revolution und Napoleon hatten einen Schock bewirkt. Monarchie und Revo-lution wurden als unvereinbare Ge-genprinzipien gesehen. Rückkehr zum vorrevolutionären Denken schien gera-ten. Die wichtigsten Errungenschaften der preußischen Heeresreform wurden beseitigt oder den restaurativen Ver-hältnissen angepasst, wie durch den Einbau der Landwehr in die Linien-armee und die Reduzierung des als Volksaufgebot geplanten Landsturms zu einer Reserve älterer Gedienter. Die allgemeine Wehrpflicht blieb aller-dings als Einrichtung erhalten. Reform-gegner befürchteten mit Blick auf Landwehr und allgemeine Wehrpflicht denn auch, sie werde Widerstand und Unzufriedenheit organisieren. Tat-sächlich aber fiel der Soldat ab 1819 wieder in die Rolle des Untertanen zu-rück.

�Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

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Nationalkrieg ohne Beteiligung des Volkes

Erst im Gefolge der Einigungskriege 1866/71, die mit der Linienarmee ohne demokratische Elemente wie den Land-sturm geführt wurden, änderte sich die Stimmung. Eine sozialdarwinistisch aufgeladene Staats- und Kriegsideolo-gie wurde sichtbar. Noch die Vorge-schichte der Kriege stand unter völlig anderen Erwartungen. Der spätere preußische Kriegsminister Albrecht Theodor Emil Graf von Roon meinte zwar 1854 in der Denkschrift »Etwas Geschriebenes – Unthunlich Gebliebe-nes«, Preußen sei Deutschlands natür-licher Vorkämpfer, aber für »die poli-tischen Zwecke des Staates« komme es nicht nur auf die materielle Wucht der Armee an, sondern auch auf den »sie nationell und traditionell durchdrin-genden Geist«. National – das war bei ihm wie bei Generalstabschef Helmuth von Moltke und Prinz Wilhelm von Preußen, dem späteren König und Kai-ser, identisch mit dem Aufgehen der li-beralen nationalen Bewegung in Preu-ßens Kraft. Aber ein politisches Pro-gramm für einen »Nationalkrieg« exis-tierte nicht. Gedacht wurde an eine Lösung der deutschen Frage ohne We-ckung des revolutionären Geistes, der seit dem Olmützer Vertrag von 1850 endgültig zusammen mit der Revolu-tion besiegt schien. Österreich galt der militärischen Führung mehr und mehr als außerdeutsche Macht. Bei Roon

und Moltke zeichnete sich gelegentlich die Vision eines Krieges ab, bei dem es um die Zusammenfassung eines deut-schen Staatenkomplexes ging, der Eu-ropa die Stirn bieten und vielleicht, so Moltke, seine magnetische Kraft »bis zu den Deutschen der unerlösten Gebiete« ausstrahlen werde, wie mancher 48er bereits geträumt hatte. Aufgrund solcher Überlegungen dachte Moltke 1859 an einen Präventivkrieg gegen Frankreich zur Erreichung der preußischen Hege-monie in Deutschland. Gern hätte er den »Nationalkrieg« nach Westen, »nicht für, aber mit Österreich« geführt.

Otto von Bismarck gab der preußi-schen Politik die nach Königgrätz füh-rende Richtung. Nach dem Sieg über Österreich 1866 schwenkte der natio-nale Liberalismus auf seine Linie ein. Der preußische Militärstaat war auf dem Weg, die nationalliberalen Hoff-nungen zu realisieren. Moltke erkannte die Chancen des eingeschlagenen We-ges. Während der Luxemburgischen Krise 1867 meinte er, der Anlass sei gut, er habe einen nationalen Charak-ter, »man benutze ihn also«. In einem deutsch-französischen Krieg erblickte er die wichtigste Voraussetzung für die Entbindung der Energien, die der natio-nale Kristallisationsprozess erforderte.

Im Ergebnis ist wohl festzuhalten, dass dieser »militärische Nationalis-mus«, begeistert begrüßt und bewun-dert von der bürgerlichen nationallibe-ralen Strömung, die »Idee des Krieges« in der deutschen Gesellschaft überwie-

5�Generalfeldmarschall Albrecht Graf von Roon (1803–1879), Aufnahme um 1870.

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5�Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke (1800–1891), Aufnahme von 1888.

gend positiv besetzt hat. Seine Resul-tate widerlegten für diese Gesellschaft die Bestrebungen der demokratischen Kräfte. Der nationale Krieg »ohne Volk« wurde zum Geschenk für das Volk. Wer dies nicht so akzeptierte, ge-riet in Gefahr, als Staatsfeind betrachtet zu werden. Die Energien allerdings, die er entfesselte, gingen in Richtun-gen, die seine Planer Bismarck und Moltke nicht wünschen konnten. Im-merhin hat Moltke einen Extermina-tionskrieg (Vernichtungskrieg) gegen Frankreich führen wollen und Bis-marck schloss keinen Versöhnungs-, sondern einen Diktatfrieden, der das Selbstgefühl der Franzosen tief ver-letzte, der aber Frankreich als Groß-macht bestehen ließ.

Segen der Macht – totaler Krieg

Der »Zeitgeist« produzierte nach 1871 radikale Weiterentwicklungen. Nach dem Sieg über Frankreich und der Pro-klamation des Deutschen Kaiserreiches unter preußischer Führung 1870/71 steuerte der Neuhegelianer Adolf Las-son sozialdarwinistische und völkische Ideen bei. In seinem Buch »Prinzip und Zukunft des Völkerrechts« weissagte er, eine Weltrechtsordnung müsse zur »gemeinsamen Fäulnis und Verwe-sung« führen, während der Hass der Völker das Mittel zur Sicherung der Heiligtümer des Vaterlandes sei. Der Staat könne »sich niemals einer Rechts-ordnung wie überhaupt keinem Willen außer ihm unterwerfen«. Ähnlich argu-mentierte 1873 der Münchener Staats-rechtler Maximilian Anton Seydel: »Zwischen den Staaten kann mithin kein Recht sein, zwischen ihnen gilt nur Gewalt.«

Der einflussreiche nationalkonserva-tive Historiker Heinrich von Treitschke führte die Gerechtigkeit des Krieges auf das Bewusstsein einer sittlichen Notwendigkeit zurück. Er müsse als von Gott gesetzte Ordnung begriffen werden. Treitschke, der 1896 starb, wurde eine Art Vordenker des bürgerlichen Reichspublikums, das sich sagen ließ, es sei eines Mannes unwürdig, den Ge-danken des ewigen Friedens zu denken.

Moltke, der noch 1840 angenommen oder doch gehofft hatte, dass der Gang der Weltgeschichte eine Annäherung zum Frieden sei, betrachtete nun den Krieg als Bestandteil der göttlichen

Denken auf den Krieg hin

6 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

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Weltordnung. Noch weiter ging Gene-ral Julius von Hartmann 1878 in seiner Schrift »Militärische Notwendigkeit und Humanität«, deren Tendenz in der für das Offizierkorps bestimmten Ge-neralstabsstudie »Kriegsbrauch im Landkriege« (1902) wiederzufinden ist. Hartmanns bornierter, kultur- und ge-sellschaftsindifferenter Standpunkt gip-felte in dem Satz: »Das militärische Kriegsziel beruht in dem, was der Ge-waltact des Krieges selbst und unmittel-bar zu Wege bringen will.« In besetzten Gebieten forderte dieser »Realismus«, Rechtsgefühl und Patriotismus der Be-völkerung zum Schweigen zu bringen. Einen »richtig angewandten und zweckmäßig geregelten Terrorismus« zählte der General zu den wirksamen Mitteln. Die Generalstabsschrift führte entsprechend aus: »Humanitäre An-sprüche, d.h. Schonung von Menschen und Gütern, können nur insoweit in Frage kommen, als es die Natur und der Zweck des Krieges gestatten.«

Dieses Konzept eines totalen Krieges widersprach grundsätzlich den in Genf, Brüssel und in Den Haag erreich-ten internationalen Vereinbarungen. Die Reichsleitung sah offenbar keinen Grund einzuschreiten. Diesem Denken musste Rücksicht auf neutrale Staaten systemwidrig erscheinen. Der Schlief-fenplan wurde zum Anwendungsfall solcher militärischer Weisheit. Er passte nicht zu Clausewitz’ Sicht des Krieges.

Eine wichtige Stimme war auch der sich auf Treitschke berufende General

Friedrich Adolf Julius von Bernhardi, der in seinem Buch »Deutschland und der nächste Krieg«, das 1913 bereits in 6. Auflage vorlag, ein Kapitel dem Thema »Die Pflicht zum Kriege« wid-mete. Damit suchte er die Kriegspolitik und den militärischen Aktionsspiel-raum aus den Fesseln auch der »realis-tischen« Völkerrechtstradition zu lö-sen, die ohnehin dem Staat das Recht auf extreme Maßnahmen zwecks Selbsterhaltung zugestand. Bernhardis »Pflicht zum Kriege« forderte indes unabhängig von Bedrohungen solcher Art die Bereitschaft zum Krieg des na-tionalen Egoismus: gedacht als »Präven-tivkrieg«, und zwar nicht zur Abwehr eines bevorstehenden Angriffs eines Feindstaates, sondern zwecks Befriedi-gung von Machtbedürfnissen und He-gemonialbestrebungen.

Der Präventivkrieg

Bei diesem »Präventivkriegsgedan-ken« spielte die Überzeugung von der Unvermeidbarkeit des Krieges mit. Dies zeigte sich etwa 1905, als der Ge-neralstab die Schwäche Russlands aus-zunutzen gedachte. Schlieffen betonte gegenüber dem Reichskanzler »die große Schwächung der russischen Streitkräfte in Europa« und gab damit einer im Generalstab vertretenen Mei-nung Ausdruck. Wilhelm Groener, 1918 Nachfolger Erich Ludendorffs als Generalquartiermeister, erinnerte sich: Schlieffen habe schon im Mai 1905, als

in Großbritannien ein Bündnis mit Frankreich gefordert wurde, den Kai-ser und die Regierung zum Krieg ge-gen Frankreich aufgefordert, um auf diese Weise das Netz zu zerreißen, das sich fest um uns zusammenzog. »Wir waren wohl mehr oder weniger alle mit dem Grafen Schlieffen einer Mei-nung.« Auf der Lagebesprechung am 8. Dezember 1912 erklärte der Nachfol-ger Schlieffens, Helmuth von Moltke (d.J.): »Ich halte einen Krieg für unver-meidbar und: je eher, je besser.« Seine Gründe: Die Armee käme in eine im-mer ungünstigere Lage, »denn die Gegner rüsteten stärker als wir«.

Auf dieser Lagebesprechung, von Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg als »Kriegsrat« bezeichnet, waren neben Kaiser und Kanzler die Spitzen von Armee und Marine anwe-send. Ob hier der Entschluss zum Krieg gefasst wurde, ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Vorherr-schend war bei unterschiedlicher Mei-nung zur Zeitfrage die Auffassung, dass ein baldiger Krieg für Deutsch-land eher günstig sei. Unabhängig von der Frage des Kriegsziels – Kontinen-talhegemonie, Weltpolitikoptionen, Sorge vor Überrüstung durch die Flü-gelmächte – herrschte die Befürchtung vor, in die Defensive zu geraten, und der Gedanke, Deutschland müsse und könne sich durch einen Präventivkrieg aus dieser Lage befreien. Was so vorbe-reitet, angedacht bzw. geplant wurde, war jedenfalls völkerrechtlich kein Prä-ventivkrieg. Und mit der am 1. August 1914 erfolgenden Kriegserklärung an Russland wurde er es auch nicht.

Dennoch glaubten die Deutschen, sie befänden sich in einem Verteidigungs-krieg. Die missbrauchte Metapher vom Präventivkrieg entfaltete ihre Wirkung bis weit in die Zeit der Weimarer Repu-blik hinein, und noch die NS-Propa-ganda profitierte davon. Der Schatten der Militärstaatstradition lag von Be-ginn an über der Weimarer Republik.

Manfred Messerschmidt

Literaturtipp

Manfred Messerschmidt, Denken auf den Krieg hin. In: Lothar Schröder (Hrsg.), Der 1. September 1939 und der Überfall auf Polen. Erinnerung – Mahnung – Verpflich-tung, Schkeuditz 2010 (= Beiträge zur Militärgeschichte und Militärpolitik, 12), S. 55–84.

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5�Der Historiker Heinrich von Treitschke (1834–1896).

5�Generaloberst Helmuth von Moltke d.J. (1848–1916). Aufnahme von 1910.

�Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

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8 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Luxemburg unter deutscher Besatzung

5�Luxemburger Widerstand: Entfernung deutscher Wegweiser.

Schon im Ersten Weltkrieg hatte das Kaiserliche Deutschland die politische Neutralität des mit ihm

in Zollunion verbundenen Großher-zogtums Luxemburg durch die militä-rische Okkupation missachtet. Die deutsche Niederlage 1918 bewahrte Luxemburg vor der Nachkriegsanne-xion durch seinen großen östlichen Nachbarn. Dafür hatten nicht nur die Alldeutsche Partei im Reich, die die na-tionale Vereinigung aller deutschen Volksgruppen forderte, sondern vor allem deutsche Großkonzerne der Montanindustrie votiert. Diese be-stimmten bis Kriegsende das Wirt-schaftsgeschehen in Luxemburg, ehe sie auf französischen Druck ebenso wie deutsche Banken und Versicherungen ihre Unternehmen aufgeben mussten. Mangels des nötigen Eigenkapitals ge-riet das Luxemburger Wirtschaftsleben nun weitgehend unter französischen und belgischen Einfluss. 1921 ging das Großherzogtum eine Wirtschafts- und Währungsunion mit Belgien ein. Nach der nationalsozialistischen Machtüber-nahme 1933 witterten die ehemaligen deutschen Eigentümer im Blick auf die Restitution ihrer Unternehmen in Luxemburg Morgenluft. Sogenannte volkstumspolitische Kreise, nicht zu-letzt Vertreter der rheinischen Landes-geschichte, gaben aufgrund germa-nischer Rassengemeinschaft mit den moselfränkischen Luxemburgern und unter Herstellung eines fadenscheini-gen historischen Beziehungsgeflechtes mit Unterstützung der nationalsozia-listischen Volksdeutschen Bewegung im Großherzogtum die Parole »Heim ins Reich« aus. Im Zuge der sich seit der Rheinlandbesetzung 1936 dynami-sierenden nationalsozialistischen Ex-pansionspolitik wuchs in Luxemburg die berechtigte Furcht vor einer deut-schen Invasion.

Durch den raschen militärischen Er-folg in Polen ermutigt, gab Hitler am 9. Oktober 1939 die Anweisung zur Vor-

bereitung des Westfeldzuges durch den »luxemburgischen, belgischen und holländischen Raum«. Parallel zu den militärischen Angriffsplanungen liefen bei der Wehrmacht die Vorbereitungen zur Installation von Besatzungsverwal-tungen. Anders als in Polen wollte sich die Wehrmacht die ihr völkerrechtlich zufallende Rolle der Okkupationsad-

ministration nicht durch die Abgabe von Kompetenzen an andere Institutio-nen, etwa die SS, beschneiden lassen. Hitler trug dem zunächst Rechnung, als er dem Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther von Brauchitsch, die Besatzungshoheit im Westen übertrug. Als die Wehrmacht am 10. Mai 1940 die Grenzen zu Luxem-

Am Wegrand der Geschichte

Luxemburg unter deutscher Besatzung 1940 bis 1944

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9Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

burg überschritt, stieß sie nur im in-dustriellen Süden auf schwachen fran-zösischen Widerstand, der rasch ge-brochen wurde.

Die Luxemburger Bevölkerung nahm den deutschen Einmarsch mit stum-mem Protest zur Kenntnis in der Er-wartung, dass die Okkupationsverwal-tung nach dem Beispiel des Ersten Weltkrieges sich im Rahmen des Kriegsvölkerrechts bewegen werde, was denn auch im Großen und Ganzen der Fall war. Die Truppe wurde ange-wiesen, Rücksicht auf die Bevölkerung und deren Eigentum zu nehmen und die Militärverwaltung arbeitete mit den Landesbehörden zusammen. An-sprechpartner war die sogenannte Re-gierungs- bzw. Landeskommission an-stelle der mit der Großherzogin ins Exil gegangenen Luxemburger Regierung. Die Okkupationsmacht suchte so rasch wie möglich die Wirtschaft vor allem durch die Inbetriebnahme der stillge-legten Gruben und Hütten wiederzu-beleben. Das fiel besonders schwer, weil rund 100 000 Luxemburger (ein Drittel der Bevölkerung) aus dem in-dustrialisierten Süden in den agra-rischen Norden oder nach Frankreich geflohen waren. Sie wurden zunächst mit dem Notwendigsten versorgt und dann sukzessive repatriiert. Der Auf-rechterhaltung des Zahlungsverkehrs dienten die neben der weiterhin gül-tigen Luxemburger und belgischen Währung eingeführten Reichskredit-kassenscheine, die einem zugunsten der Besatzungsmacht festgelegten Wechselkurs unterlagen. Sie sollten verhindern, dass Wehrmachteile oder -angehörige Waren unbezahlt requi-rierten, was die Versorgungslage der

Bevölkerung zusätzlich erschwert und das Verhältnis zur Besatzungsmacht weiter belastete hätte. Die rüstungs-wirtschaftlichen Dienststellen erfassten die in Luxemburg vorhandenen Roh-stoffe und kriegswichtigen Güter, trans-portierten sie aber zugunsten einer Produktion im besetzten Land nur in geringen Mengen ins Reich. All diese Maßnahmen steigerten zwar nicht die Sympathiewerte der Wehrmacht, wohl aber die Bereitschaft der Luxemburger, sich mit ihr zu arrangieren.

Das sollte sich abrupt ändern, als Ende Juli 1940 der Gauleiter von Ko-blenz-Trier, Gustav Simon, der Militär-administration als Chef der Zivilver-waltung (CdZ) zunächst beigegeben wurde. Als am 2. August 1940 ein Füh-rererlass bestimmte: »Der Chef der Zivilverwaltung untersteht mir unmit-telbar und erhält von mir allgemeine Weisungen«, bedeutete dies die Auflö-sung der Militärverwaltung. Hitlers Auftrag an Simon lautete, »die Herzen der Luxemburger für das Deutschtum« als Voraussetzung zur Eingliederung ihres Landes in das Großdeutsche Reich zu gewinnen. Zur erfolgreichen Erfüllung dieser Aufgabe fehlte es Si-mon nicht an Handlungsspielraum, denn außer dem mit weitreichenden wirtschaftlichen Vollmachten ausge-statteten »Wirtschaftsdiktator« Her-mann Göring konnte dem CdZ keine Oberste Reichsbehörde ins Handwerk pfuschen. Die Bestallung der Gauleiter Robert Wagner für das Elsass sowie Josef Bürckel für Lothringen in ähn-licher Funktion kann als Auftakt für die Eingliederung dieser Territorien in das »Dritte Reich« verstanden werden. Diese blieb zwar offiziell einer Frie-

densregelung vorbehalten, was aber ei-ner sukzessiven De-facto-Annexion während des Krieges nicht im Wege stand. Um dieses Ziel zu erreichen, er-ließ Simon zunächst törichte »Germa-nisierungsmaßnahmen« unter der Pa-role: »Luxemburg ist ein deutsches Land«. Sie beruhten auf der irrigen An-nahme, man müsse nur einen dünnen kulturellen französischen Firnis entfer-nen, um darunter ein sich freudig be-kennendes Deutschtum freizulegen. Folglich wurde die von der Luxembur-ger Oberschicht favorisierte franzö-sische Sprache nun grundsätzlich ver-boten. Französische Namen mussten eingedeutscht, entsprechende Auf-schriften entfernt werden und selbst das Tragen von Baskenmützen stand unter Strafe. Simon war zutiefst davon überzeugt, durch eine konsequente Be-seitigung von französisch-romanischen Einflüssen der Mehrheit der Luxembur-ger ein Bekenntnis zum Deutschtum und zum Reich abringen zu können. Eine solche »Entwelschungsaktion« war auch der Abriss des Denkmals für die während des Ersten Weltkrieges auf französischer Seite gefallenen Luxemburger, der jedoch zu erheb-lichen Unmutsäußerungen in der Be-völkerung führte. Die sogenannte Per-sonenbestandsaufnahme vom Herbst 1941, eine Umfrage unter der luxem-burgischen Bevölkerung, von der sich der CdZ ein Bekenntnis zum Deutsch-tum erhoffte, sollte sogar zum poli-tischen Desaster werden. Als erste Stichproben ergaben, dass die Luxem-burger die drei politisch brisanten Fra-gen zu Nationalität, völkischer Zuge-hörigkeit und Muttersprache weit überwiegend mit »Luxemburgisch«

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5� ... und vor der Synagoge der Hauptstadt des Großherzog-tums, undatierte Aufnahmen.

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10 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Luxemburg unter deutscher Besatzung

statt Deutsch beantworteten, verzich-tete Simon auf die Veröffentlichung des Auszählungsergebnisses.

Parallel zur Germanisierungspolitik verlief die Zerstörung des Luxembur-ger Staatswesens durch Auflösung der Abgeordnetenkammern, des Staats-rates sowie der Verwaltungskommis-sion. Die preußische Gemeindeverwal-tung wurde eingeführt, während gleichzeitig nicht wenige der höheren luxemburgischen Beamten ins Reich versetzt und gegen deutsche ausge-tauscht wurden. Die Landräte und der Oberbürgermeister der Landeshaupt-stadt stammten aus dem Reich. Hinge-gen konnten sich Bürgermeister und Amtsbürgermeister weiterhin aus Luxemburgern rekrutieren. Zur poli-tischen Abstützung erfolgte flankie-rend der Aufbau eines Parteiapparates der NSDAP mit Kreis- und Ortsgrup-penleitern. Letztlich erlangte nahezu das gesamte preußisch-deutsche Rechtswesen in leicht modifizierter Form Gültigkeit.

Das rassenideologisch- und territo-rial-machtpolitische Interesse des poli-tischen Regimes traf sich nicht nur mit dem wirtschaftsexpansiven der deut-schen Industrie, sondern auch mit dem rüstungsökonomischen der Wehr-macht. Deren Augenmerk galt insbe-sondere den führenden Hüttenkonzer-nen ARBED und HADIR, die großteils aus bis 1918 deutschen Unternehmen zusammengefügt worden waren und in etwa die Produktionskraft des euro-päischen Branchenführers, der Ver-einigten Stahlwerke, besaßen. Wenig verwunderlich, dass diese luxembur-gischen Konzerne die Begehrlichkeiten der deutschen Montanindustrie weckten, die alte Eigentumsrechte für sich reklamierte. Auch die »Reichs-werke Hermann Göring«, die sich an-strengten, aus der industriellen Kriegs-beute ein dominantes europäisches Wirtschaftsimperium zu schaffen, zeigten Interesse. Das wirtschaftliche Konkurrenzgerangel offenbarte die Po-lykratie des NS-Regimes: In Luxem-burg paarten sich Reichs- mit Partiku-larinteressen des CdZ als Gauleiter, konkurrierten staatliche Machtansprü-che mit parteipolitischen. Zumeist setzte sich Simon durch. So wusste er einen Zugriff der Reichswerke auf die ARBED, den Hitler zunächst begüns-tigt hatte, durch eine persönliche Inter-

vention bei seinem »Führer« zu verhin-dern. Der CdZ vereitelte auch alle Ver-suche, die ARBED durch die Wieder-herstellung ehemaliger deutscher Eigentumsverhältnisse zu zerstückeln. Vielmehr zielte seine Politik darauf ab, Luxemburg dem 1941 in Gau Mosel-land umbenannten Gau Koblenz-Trier anzugliedern, um seinen agrarstruktu-rierten Parteisprengel um ein hoch in-dustrialisiertes Territorium zu erweitern. Simon war bestrebt, seinen Altgau, der verwaltungsrechtlich zur Preußischen Rheinprovinz zählte, durch Vereinigung mit Luxemburg zu einem administra-tiv selbstständigen und wirtschaftlich lebensfähigen Reichsgau umzuwan-deln. Da Hitler dieses Ansinnen unter-stützte, fanden bezüglich ARBED und HADIR wie im gesamtindustriellen Be-reich des Großherzogtums keine zwangs-weisen Eigentumsänderungen statt, sondern es blieb bei der Einsetzung von Treuhändern. Zu Enteignungen kam es lediglich im Rahmen der »Ari-sierung jüdischen Besitzes«, die die Mi-litärverwaltung zuvor strikt abgelehnt hatte. Lediglich an der Existenzgrenze wirtschaftende Luxemburger Bauern erwarben landwirtschaftliche Parzel-len zwangsenteigneter Juden. Ansons-ten aber ließen sich die Luxemburger durch den billigen Erwerb jüdischen Vermögens weder moralisch desavouie-ren noch politisch kaufen. Nutznießer der »Arisierung« waren daher in der Regel Reichsdeutsche.

Mit der Einführung der Reichsmark geriet der Luxemburger Zahlungsver-kehr unter deutsche Kontrolle. Die Geld- und Kreditgeschäfte übernah-men zum einen die Deutsche Bank (vormals Banque Générale) und die Dresdner Bank (vormals Banque Inter-nationale à Luxembourg), die einige örtliche Banken schluckten, während die Commerzbank sich mit einer Filiale auf dem Land begnügen musste. Die drei großen deutschen Geld- und Kre-ditinstitute kamen in Luxemburg nicht so recht zum Zuge, weil Simon der flä-chendeckenden Einrichtung kommu-naler Sparkassen, die sich politisch kontrollieren und in ihrem Finanzge-baren leichter dirigieren ließen und zu-dem die wirtschaftspolitische Position des CdZ festigten, den Vorzug gab. De-ren Gewinne konnte man über erzwun-gene Reichsanleihen zur Kriegsfinan-zierung effizienter abschöpfen als die

der Banken, von denen die Dividenden der Aktionäre abzuziehen waren.

Auch in Luxemburg wurde die Ver-sorgung der Bevölkerung durch Ra-tionierung gewährleistet, wobei diese wegen des dortigen höheren Lebens-standards mit Rücksicht auf die poli-tische Stimmung z.T. großzügiger aus-fiel als im Altreich. Trotzdem sank das politische Barometer auf den Gefrier-punkt, als in Anbetracht der desolaten Kriegslage an der Ostfront im Septem-ber 1942 auf Drängen der Wehrmacht und nach dem Vorbild im Elsass und in Lothringen – entgegen der politischen Einsicht Simons – auch in Luxemburg die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde. Das löste eine politisch-ökono-mische Kettenreaktion aus: Zum einen brach in den Hütten und Gruben ein etwa zweitägiger Streik aus, auf den der CdZ, sein politisches Scheitern vor Augen, nur mit standgerichtlichen Er-schießungen und sondergerichtlichen Strafmaßnahmen zu reagieren wusste. Zum anderen konstituierte sich eine Widerstandsbewegung, die neben an-deren Obstruktionshandlungen junge Luxemburger, die sich der Wehrpflicht entzogen, versteckte und versorgte.

6� Bekanntmachung über vollstreckte Todesurteile gegen Luxemburger.

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11Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Waren bislang politisch unzuverlässige Beamte und zumeist Intellektuelle samt Familien in Richtung deutscher Osten umgesiedelt worden, so kamen nun die Angehörigen der Wehrdienst-flüchtigen in »Sippenhaft« dazu. Hier-bei handelte es sich nicht selten um Bauernsöhne, deren Angehörigen die Höfe entzogen und zumeist umgesie-delten Südtirolern und osteuropä-ischen »Volksdeutschen« übergeben wurden. Letztlich beschwor die Wehr-pflicht ein vertracktes politisches und sozioökonomisches Problem herauf – das der ausländischen Zwangsarbeiter. Ohne Fremdarbeiter war die Luxem-burger Wirtschaft nie ausgekommen. Während der Besatzung ließ Simon eine vom Reich verfügte »Auskämm-aktion« nach Arbeitskräften in allen nicht kriegswichtigen Unternehmen absichtlich scheitern, gerade wegen der politischen Stimmungslage in Luxem-burg. Auch den Fraueneinsatz wusste er, ideologiekonform – nach national-sozialistischer Vorstellung gehörte die deutsche Frau an Herd und Tisch – auf ein Minimum zu reduzieren. Ein Teil der fehlenden Arbeitskräfte wurde durch Verlockung und Zwang vor allem aus Italien, Frankreich und Bel-gien rekrutiert. Aber letztlich waren die Arbeitsplätze der zum Reichsar-beitsdienst und zur Wehrmacht Einge-zogenen ohne »Ostarbeiter« und so-wjetische Kriegsgefangene nicht mehr zu besetzen, was der CdZ eigentlich verhindern wollte. Denn deren unzu-reichende Unterbringung, mangelnde Versorgung und sklavenhalterische Be-handlung eigneten sich nicht für einen Werbefeldzug zur freiwilligen Einglie-derung der Luxemburger in das »Dritte Reich«. Zudem war ihr Einsatz betriebs-ökonomisch wenig sinnvoll. In Hütten und Gruben ließen sich ausgemergelte Kriegsgefangene und schlecht ernährte »Ostarbeiter«, zumeist weiblichen Ge-schlechts, oft mit Kindesanhang, kaum zur Schwerstarbeit einsetzen, die we-nigsten mangels Ausbildung auf ande-ren qualifizierten Arbeitsplätzen. Den-noch leisteten die Luxemburger Indus-trie wie die Gesamtwirtschaft einen bedeutenden kriegsökonomischen Bei-trag.

Die Befreiung Luxemburgs durch die Amerikaner am 9. September 1944 be-deutete für die Rüstungsstrategen des Reichsministeriums für Bewaffnung

und Munition in Anbetracht des im-mer weiter schrumpfenden deutschen Wirtschaftsraumes eine derartige Ein-buße an Schwerindustrie und Kriegs-potenzial, dass sie die Wehrmacht auf möglichst rasche Rückeroberung des verlorengegangenen Territoriums drängten. Sie setzten ihre Hoffnungen auf die Ardennenoffensive Ende 1944, nach deren Scheitern das Schicksal des »Dritten Reiches« auch rüstungsöko-nomisch besiegelt war. Für Luxemburg hatte das letzte vergebliche militärische Aufbäumen des NS-Regimes verhee-rende Folgen. Durch die Kampfhand-lungen verlor das Großherzogtum etwa ein Drittel des gesamten Wohn-raums, 157 Brücken lagen in Schutt. Von den Zerstörungen waren mehr als 38 Prozent der Bevölkerung betroffen. In der überwiegend agrarisch struktu-rierten nördlichen Hälfte des Großher-zogtums galt annähernd die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche als verwüstet.

Das dem Land zugefügte mensch-liche Leid kann hier nicht beschrieben, sondern durch wenige Zahlen nur an-gedeutet werden. Rund 2 Prozent der luxemburgischen Bevölkerung kamen im Wehrmachteinsatz, in Konzentrati-onslagern, als Widerständler und im Zusammenhang mit der Ardennenof-

fensive ums Leben. Verglichen damit hatte Frankreich 1,5 Prozent seiner Be-völkerung als Opfer zu beklagen und Großbritannien unter einem Prozent. So bedarf es keiner weiteren Erklärung dafür, dass die aus der Besetzung re-sultierenden tragischen Ereignisse sich tief in das historische Gedächtnis der Luxemburger eingegraben haben und noch heute gegenwärtig sind. Das Großherzogtum hat die materiellen Kriegsschäden weitgehend aus eigener Kraft beseitigt. Die Bundesrepublik Deutschland war lediglich dazu bereit, den Kriegsopfern bzw. deren Angehö-rigen nach deutschem Recht eine Ver-sorgung zuzugestehen. Statt des Blickes zurück im Zorn sahen die Luxemburger Regierungen jedoch von nachhaltigen Reparationsforderungen gegenüber der Bundesrepublik ab. Stattdessen trugen sie zukunftsorien-tiert dazu bei, den Rechtsnachfolger des kriegsschuldigen Deutschen Rei-ches, die Bundesrepublik Deutschland, bündnispolitisch zu disziplinieren und mit in die Verantwortung für ein verei-nigtes Europa einzubeziehen, um mili-tärische Konflikte zwischen dessen Staaten für die Zukunft auszuschlie-ßen.

Hans-Erich Volkmann

5� US-Truppen befreien Ettelbrück, Ende 1944.

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12 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Frankreichs »seltsame Niederlage«

5�Sinnbild des französischen Traumas? Wachaufzug der Wehrmacht auf den Champs Elysées, Paris Herbst 1940.

Aus dem Wald hervorbrechende deutsche Panzer, zerstörte Städte und Flüchtlinge, die am Straßen-

rand verzweifelt Deckung vor Tiefflie-gern suchen: Mit diesen vom Sirenen-geheul der Stukas untermalten Bildern werden die französischen Medien in diesem Jahr wieder an den Westfeld-zug und den Zusammenbruch Frank-reichs im Sommer 1940 erinnern. Noch einmal wird die Rundfunkansprache, in der Marschall Philippe Pétain am 17. Juni erklärte, dass der Kampf eingestellt werden müsse, zu hören sein – ebenso wie der Appell, mit dem General Charles de Gaulle einen Tag später über die BBC in London zu dessen Fortsetzung aufforderte. Es werden Filmausschnitte der Wochenschau fol-gen mit Hitler, der beim Erhalt der Sie-gesnachricht im Führerhauptquartier freudig aufstampft und dann am 22. Juni die französische Delegation zu den Waffenstillstandsverhandlungen im

historischen Salonwagen von Mar-schall Ferdinand Foch in Compiègne empfängt. Und zum Schluss dürfen na-türlich jene Bilder nicht fehlen, die ihn vor dem Eiffelturm und bei seiner mor-gendlichen Rundfahrt durch das men-schenleere Paris zeigen.

»La débâcle«

Die Inszenierung jenes »schrecklichen Jahres«, wie die dramatischen Ereig-nisse gern umschrieben werden, ist für die Medien Routine geworden. Doch wie ist es tatsächlich um die Erinne-rung der Franzosen an ihre »seltsame Niederlage« bestellt? Unter dem Titel »L’étrange défaite« sind posthum die Aufzeichnungen erschienen, mit de-nen der Historiker und Widerstands-kämpfer Marc Bloch noch im Jahr der Niederlage als einer der Ersten das Er-lebte zu verstehen versucht hatte. Wa-rum musste Europas führende Militär-

macht nach nur sechs Wochen kapi-tulieren? 1,8 Millionen Soldaten gerie-ten damals in Gefangenschaft, von denen die meisten erst nach dem Ende des Krieges aus Deutschland zurück-kehren sollten. Hatte die militärische oder die politische Führung des Landes kläglich versagt? Welche Rolle spielte der Pazifismus, der nach dem Grauen des Ersten Weltkrieges in Frankreich weitverbreitet war? Oder hatten die innenpolitischen Gegensätze, die nach der Bildung der ersten Volksfront- Regierung 1936 offen zu Tage traten, die Verteidigungsanstrengungen des Landes gelähmt? Wie stand es um den Einfluss der Finanzwelt und der Indus-trie oder gar der Intellektuellen? Die Forschung hat sich zu vielen dieser Fragen geäußert, doch bis heute gibt es keine verbindliche Antwort, ob, wann und wie Frankreich das Trauma der Niederlage von 1940 überwunden hat.

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Die »seltsame Niederlage«

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13Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Im Gegensatz zu früheren Annah-men wissen wir heute dank der Arbei-ten von Karl-Heinz Frieser, dass die französische Armee nach Zahl und Qualität ihrer Waffen der Wehrmacht bei Beginn des Krieges mindestens ebenbürtig war. Die Niederlage war das Ergebnis einer völlig verfehlten Strategie und großer Defizite auf der Führungsebene. Auf die Nachricht vom Angriff hin ließ General Maurice Gamelin am 10. Mai 1940 seine Trup-pen nach Belgien einmarschieren. Der Oberbefehlshaber erwartete, dass sich der deutsche Vormarsch am Schema von 1914 orientieren würde, und hatte sich deshalb mit General Lord Gort, dem Chef der British Expeditionary Force, darauf verständigt, die besten und schnellsten alliierten Verbände bis an den Fluss Dyle vorrücken zu lassen. Dort, weit vor der französischen Grenze, sollten sie die Wehrmacht stoppen. Als drei Tage später in ihrem Rücken die Pan-zerarmee des Generals Heinz Guderian bei Sedan die Maas überquerte, waren ihm die Hände gebunden: eine Um-kehr des eigenen Vormarsches, um den Vorstoß der deutschen Verbände zum Kanal zu stoppen, war ausgeschlossen und Reserven standen nicht zur Verfü-gung. So wie Hitler mit seiner Entschei-dung für den Sichelschnitt-Plan des Ge-nerals Erich von Manstein hatte auch Gamelin alles auf eine Karte gesetzt.

Zwar gelang die Evakuierung der eingeschlossenen über 300 000 bri-tischen und französischen Soldaten aus Dünkirchen über See nach England, doch für die weitere Kriegführung standen Frankreich so seine schlag-kräftigsten Verbände nun nicht mehr zur Verfügung. Die Flüchtlingsbewe-gung, die schon beim deutschen Ein-marsch in Belgien eingesetzt hatte, schwoll dramatisch an. Nach den Er-fahrungen im Ersten Weltkrieg hatte Frankreich in den nördlichen Departe-ments die Errichtung von Auffangla-gern vorbereitet, doch statt der erwarte-ten 800 000 kamen 2 Millionen Flücht-linge, die nach der Kapitulation des bel-gischen Königs Leopold III. am 28. Mai und dem Ende der Kämpfe in Dünkir-chen am 4. Juni unaufhörlich weiter Richtung Süden drängten.

Neugier und Bedauern, mit denen der 1933 aus Deutschland emigrierte Schriftsteller Alfred Döblin in Paris an-fangs noch die ersten hochbeladenen

»Matratzenautos« beobachtet hatte, verflogen und Panik erfasste nicht nur ihn, als die Deutschen die neue Ab-wehrfront an der Somme durchbra-chen. Am 3. Juni bombardierte die Luftwaffe die Flughäfen Orly, Villacou-blay und Le Bourget sowie Teile des 15. und 16. Pariser Arrondissements. Un-ter den 254 Toten waren 195 Zivilisten. Am 8. Juni wurden die Schulen ge-schlossen. Verschärft wurde die Lage, als sich das Gerücht verbreitete, die Re-gierung werde Paris zur offenen Stadt erklären und sich am 10. Juni Richtung Tours absetzen. Der Flüchtlingsstrom verwandelte sich nun endgültig zu ei-ner Flutwelle, die auf ihrem Weg nach Süden alles mit sich riss.

Die Szenen, die sich auf den Straßen abspielten, waren unbeschreiblich und das Leid der Menschen unvorstellbar. Die Flüchtlingskarawanen wurden zur Zielscheibe gegnerischer Angriffe, ver-stopften Straßen und Brücken und behin-derten dadurch die eigenen Truppen. Deutsche Flugzeuge waren allgegen-wärtig, und nach der Kriegserklärung Mussolinis fürchteten viele, dass bald auch italienische Maschinen über ihren Köpfen erscheinen würden. Die eige-nen Soldaten waren nicht in der Lage,

die Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, vor Angriffen zu schützen. Als der Strom die Loire erreichte, muss-ten die Flüchtenden zu ihrem Entset-zen erkennen, dass auch die zivilen Be-hörden, von der Präfektur bis hin zu Gendarmerie und Feuerwehr, mit der Situation völlig überfordert waren. Noch schlimmer war für sie die Er-kenntnis, dass viele der Beamten längst geflohen waren.

Im allgemeinen Chaos achtete kaum einer noch auf die Nachrichten, die von der Regierung zunächst aus Tours und dann aus Bordeaux kamen. Minister-präsident Paul Reynaud, der seinen Ri-valen Édouard Daladier als Kriegsmi-nister am 5. Juni 1940 entlassen hatte, suchte verzweifelt nach Verbündeten. Aus unterschiedlichen Gründen waren jedoch weder Großbritannien noch die USA bereit, den Untergang Frankreichs abzuwenden. Die Hoffnung Reynauds, das Vertrauen der Bevölkerung zu-rückzugewinnen, indem er den 84-jäh-rigen Marschall und »Helden von Ver-dun«, Philippe Pétain, in seine Regie-rung aufnahm, erfüllte sich nicht. Denn schon nach wenigen Tagen machte Pétain deutlich, dass er die Niederlage für unvermeidlich erachtete und den

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5�Zwei, die für die Niederlage verantwortlich gemacht wurden: Édouard Daladier (1884–1970, Ministerpräsident 1938 bis 1940) und Generalstabschef Maurice Gustave Gamelin (1872–1958, im Bild links hinter Daladier), hier während eines Besuches im Elsass, undatierte Aufnahme.

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Frankreichs »seltsame Niederlage«

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

5�Franzosen auf der Flucht vor den Deutschen, Aufnahme vom Juni 1940.

Kampf um keinen Preis von Nordafrika aus fortsetzen würde. Am 16. Juni resi-gnierte Reynaud und trat zurück. Pétain wurde sein Nachfolger und er-klärte sich am 17. Juni zur Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen mit Deutschland bereit. Der Aufruf des im Vergleich zum greisen Marschall in Frankreich praktisch unbekannten und »jungen«, 49-jährigen Generals Charles de Gaulle verhallte im allgemeinen Chaos zunächst weitgehend ungehört. Am 22. und 24. Juni unterzeichnete Frankreich mit Deutschland und Ita-lien einen Waffenstillstand. Weite Teile

des Landes wurden besetzt. Am 10. Juli versammelten sich die französischen Abgeordneten in Vichy, übertrugen Pétain die vollziehende Gewalt und be-auftragten ihn mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Nach knapp 70 Jahren war die Dritte Republik Ge-schichte.

Schuldzuweisungen

Die Katastrophe von 1940 geriet nach dem Krieg rasch in Vergessenheit. Man erinnerte sich lieber an den Freuden-taumel bei der Befreiung 1944 und den

heldenhaften Widerstand der Rési-stance. Neben der allgemeinen Ten-denz des Menschen, Unangenehmes im Zweifel zu verdrängen, hatte eine Reihe, zum Teil sehr unterschiedlicher Faktoren diese Entwicklung begüns-tigt. Zwar war das Vichy-Regime mit dem Versuch kläglich gescheitert, durch den Prozess von Riom 1942 den führenden Vertretern der Dritten Re-publik und der Volksfront die alleinige Schuld an der Katastrophe zuzuwei-sen. Die unter dem Schlagwort »Anti-France« verfolgte Politik der systema-tischen Ausgrenzung und Verfolgung von Kommunisten, Freimaurern und Juden hatte jedoch das Bewusstsein der Franzosen geprägt. Nach dem Krieg hatten dann die beiden sich un-versöhnlich gegenüberstehenden poli-tischen Lager – Kommunisten und Gaullisten – mit ihrer unterschied-lichen Sicht auf die Vergangenheit je-den Versuch einer kritischen Aufarbei-tung blockiert. Die Erinnerung an eine innenpolitisch tief gespaltene, militä-risch vernichtend geschlagene, am Bo-den liegende Grande Nation passte in kein politisches Bild.

Erst Ende der 1970er Jahre haben sich französische Historiker detailliert mit der Vorgeschichte und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs befasst. 1978 lo-ckerte Frankreich seine Archivbestim-mungen. In Paris entstand mit dem In-stitut d’histoire du temps présent (IHTP) erstmals ein auf die Zeitge-schichte spezialisiertes Institut. Lag bis dahin das Hauptaugenmerk auf der Résistance, wandte man sich nun vor-dringlich der Geschichte des Vichy-Re-gimes zu. Die Affären um Klaus Bar-bie, den »Schlächter von Lyon«, René Bousquet, den ehemaligen Polizeiminis-ter, oder Maurice Papon, der als Unter-präfekt die Deportation der Juden in Bordeaux organisiert hatte, fanden in der Öffentlichkeit große Beachtung. Zum 60. Jahrestag im Jahr 2000 wur-den in Paris auf einer internationalen Tagung Strategie und Verlauf der mili-tärischen Operationen von 1940 disku-tiert. Angesichts von nach neuesten Be-rechnungen knapp 60 000 Gefallenen und über 120 000 Verwundeten zwi-schen dem 10. Mai und dem 22. Juni brauchte die vielgescholtene Armee des Jahres 1940 den Vergleich mit der des Ersten Weltkrieges nicht zu scheuen. Was die Entschlossenheit und

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3�Unter deutscher Besat-zung: Deutsche Soldaten vor dem Tor des mit dem Hakenkreuz beflaggten französischen Innenmini-steriums in Paris. Auf einem Hinweisschild am Tor steht »Sonderkom-mando RF-SS Paris«, Aufnahme nach 1942.

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1�Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

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die Moral der Bevölkerung vor und während des Zusammenbruchs betraf, wurde die angebliche Sabotage der ei-genen Rüstungsindustrie durch kom-munistische Arbeiter ebenso als Le-gende entlarvt wie die Existenz einer »fünften Kolonne«.

Das Urteil über die 1940 regierende politische und zivile Führungselite des Landes hingegen fiel sehr viel kri-tischer aus. Von Ausnahmen wie dem Präfekten Jean Moulin abgesehen, der 1943 als Führer des inneren Wider-standes von Klaus Barbie verhaftet und ermordet wurde, erfüllten die Behör-den weder die in sie gesetzten Erwar-tungen noch die ihnen obliegenden Aufgaben. In der Ausnahmesituation des Krieges hatte dieses doppelte Ver-sagen verheerende Folgen. Es waren zwar nur zwei von vielen, aber doch die entscheidenden Ursachen, warum Frankreich im Sommer 1940 in einen tiefen und anhaltenden Schockzustand (traumatisme) verfiel.

Die Soldaten der Armee von 1940, die große Opfer gebracht hatten und deren eigentliche Leidenszeit mit Kriegsge-fangenschaft und Zwangsarbeit in Deutschland für über eine Million von ihnen erst noch beginnen sollte, laste-ten neben der politischen Führung ei-nen Teil der Niederlage der eigenen Zi-vilbevölkerung an. Diese wiederum hatte sich zunächst hinter der Maginot-Linie in Sicherheit geglaubt. Als sie sich dann von den Behörden, der Ar-

mee und vor allem ihrer Luftwaffe im Stich gelassen fühlte, wandte sie sich auf der Suche nach Hilfe an die neuen Herren im Lande – die Regierung in Vichy aber durchaus auch an den deut-schen Besatzer.

In den ersten Wochen versuchten so-wohl Pétain, der »Chef de l’État fran-

çais«, als auch der Deutsche Militärbe-fehlshaber in Paris, die Verzweiflung der Bevölkerung für ihre Ziele zu nut-zen. Beide Seiten wollten möglichst rasch wieder zu geordneten Verhält-nissen zurückkehren. Die Ernüchte-rung war groß, wenn die Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr erkennen mussten, dass sich die Deutschen bereits in ihrer Stadt häuslich eingerichtet hatten und nichts mehr wie früher war und sein würde. Dabei mussten sie sich sogar noch glücklich schätzen, denn trotz al-ler Anstrengungen waren noch im März 1941 mehr als eine Million Franzo-sen nicht nach Hause zurückkehrt. Die wachsende Unzufriedenheit und die Erkenntnis, dass die Regierung in Vichy die Repatriierung der Flüchtlinge offen-kundig nicht gegen den Willen des Be-satzers durchzusetzen vermochte, war eine der Quellen, aus denen der fran-zösische Widerstand seine Mitglieder rekrutierte. 1940 rief die Einrichtung der Flüchtlingslager die ersten Hilfsor-ganisationen auf den Plan. Sie wuch-sen rasch zu einem Netzwerk zusam-men, aus dem sich später eines der wichtigsten Hilfsinstrumente bei der Hilfe für verfolgte Juden und insbeson-dere deren Kinder entwickeln sollte. 5�Unter deutscher Besatzung: Deutsche Offiziere in einem Pariser Straßencafe 1940.

Henri Philippe Pétain (1856–1951). Marechal de France und Chef de l‘État français. 1877 trat Pétain in die École spéciale militaire de Saint-Cyr ein. Er nahm am Ersten Weltkrieg teil und wurde zum General ernannt, 1916/17 verteidigte er Verdun und wurde so zum »Helden von Verdun«. 1917 folgte seine Ernennung zum Oberbefehlsha-ber des französischen Heeres, 1918 zum Marschall von Frankreich, 1929 zum Mitglied der Académie Française, 1931 zum Inspektor für die Luftverteidigung, 1934 zum Kriegsminister, und im März 1939 zum Bot-schafter in Spanien. Am 16. Juni 1940, angesichts des Zusam-menbruchs, wurde er zum Ministerprä-sidenten berufen. Seit dem 10. Juli 1940 war er Chef de l‘État français (Staatsschef der Vichy-Regierung). 1944/45 wurde er unter deutscher Be-wachung nach Sigmaringen ver-bracht. Er stellte sich im April 1945 den franzö-sischen Behörden und wurde im Au-gust 1945 vom Obersten Gericht in Pa-ris zum Tode verurteilt, daraufhin von Regierungschef Charles de Gaulle zu le-benslänglicher Festungshaft auf der Île d‘Yeu begnadigt, wo er auch starb.

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5�»Seid ihr französischer als er?« Französisches Propagandaplakat mit Marschall Pétain.

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16 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Frankreichs »seltsame Niederlage«

Wann hat sich Frankreich vom Schock der Niederlage erholt und wie schnell hat es die Wende zur Résistance vollzo-gen, oder hatte es mit den Nachwir-kungen des Traumas länger zu kämp-fen? Denkt man an die Debatten um den Roman »Suite française« der 1903 in der Ukraine geborenen Schriftstelle-rin Irène Némirovsky, dann spricht vieles für die zweite Vermutung. Némi-rovsky hatte 1940 den Einmarsch der Deutschen nach Frankreich aus nächs-ter Nähe erlebt. In der Zwischenkriegs-zeit noch von der Pariser Gesellschaft begeistert gefeiert, stand sie nun als Ausländerin und Jüdin plötzlich allein. Schonungslos hielt Némirovsky der französischen Gesellschaft des Som-mers 1940 den Spiegel vor. Auch der zweite Teil des Romans, in dem sie den täglichen Umgang der Besetzten mit dem Besatzer in einem fiktiven Dorf schilderte, stand im krassem Wider-spruch zum Bild der von Anfang an zum Widerstand entschlossenen Fran-zosen.

Der kritische Blick auf die mensch-lichen Abgründe, die sich während des »Exode« überall in Frankreich auftaten, war nicht neu. In der Beschreibung sei-ner »Schicksalsreise« hatte zuvor auch schon Alfred Döblin ausführlich seine Erlebnisse auf den verschiedenen Stati-onen seiner Flucht aus Paris in Rich-tung Süden beschrieben.

Während Döblin auf seiner weiteren Flucht über Lissabon in die USA emi-grierte und so den Krieg überlebte, wurde Irène Némirovsky 1942 depor-tiert und in Auschwitz ermordet – im selben Jahr, in dem Jean Marcel Bruller, genannt Vercors, sein Theaterstück im Untergrund veröffentlichte, mit dem er den Widerstandsgeist dokumentierte. Durch einen Zufall wurde Némirovs-kys unvollendet gebliebenes Manu-skript 60 Jahre später entdeckt und 2004 veröffentlicht. Der Roman elektri-sierte die französische Öffentlichkeit, weil die Autorin mit »geradezu bru-talem Spürsinn«, so damals die Kritik, darin »das Tableau eines egozen-trischen, feigen, deprimierenden, gele-gentlich unfreiwillig komischen Frank-reich angesichts von Flucht, Kollabora-tion und Okkupation« aufdeckte. Hatte Frankreich daher nicht allen Grund, im Jahr 2004 seinem deutschen Nachbarn in Caen noch einmal symbolisch die Hand zur Versöhnung zu reichen?

Kurz zuvor hatte auf Einladung von Präsident Jacques Chirac am 6. Juni zum ersten Mal ein deutscher Bundes-kanzler an den Feierlichkeiten aus An-lass der alliierten Landung in der Nor-mandie teilgenommen.

»Das schreckliche Jahr«

Die Folgen des 1940 erlittenen Traumas werden offenkundig immer noch un-terschätzt, weil sich die französische Forschung in erster Linie auf das Vi-chy-Regime und die Besatzungszeit fo-kussiert. Wie steht es um den »trauma-tisme« und die Erinnerung an das »schreckliche Jahr« im Jahr 2010, sieb-zig Jahre nach den Ereignissen? Auf der Suche nach Erklärungen gibt es nach wie vor Unbelehrbare, die von einem Komplott sprechen, wobei als Rädelsführer jene genannt werden, die später zu den führenden Vertretern des Vichy-Regimes zählten. Selten gewor-den sind diejenigen, die in der Tradi-

tion der kommunistischen Partei die Schuld bei der französischen Wirt-schafts- und Finanzelite suchen. Doch ebenso wenig, wie es Beweise für eine organisierte Rüstungssabotage durch kommunistische Arbeiter gibt, war Frankreich 1940 Opfer eines politischen Komplotts oder gar einer »Verschwö-rung des Großkapitals«.

Seit jüngstem wird auch in Frank-reich das Argument vertreten, dass schon 1920 mit der erzwungenen Un-terzeichnung der Pariser Friedensver-träge von 1919 der Keim für die spätere Katastrophe gelegt wurde. Das Bild, das von der neuen Friedensordnung und dem Völkerbund gezeichnet wird, ist vernichtend und kaum weniger düs-ter als die Beschreibung vom geschei-terten Zusammenspiel zwischen den führenden europäischen Mächten nach dem Machtantritt Hitlers. Inkompe-tenz und Verkennung der Interessen des eigenen Landes ebenso wie der des Gegners, gepaart mit Entschluss- und

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5�Ein Händedruck symbolisiert die Kollaboration: Der französische Staatschef Mar-schall Pétain begrüßt Adolf Hitler auf der Bahnstation von Montoire, 24. Oktober 1940 (in der Mitte: Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop).

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1�Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Tatenlosigkeit der führenden poli-tischen Akteure, konnten unter diesen Umständen nur in einer vernichtenden Niederlage enden. Doch reicht die Be-hauptung tatsächlich aus, dass Frank-reich angesichts des globalen Versa-gens im Grunde nie eine Chance hatte, um das Ausmaß der Katastrophe von 1940 zu erklären?

Sehr viel gebräuchlicher dagegen ist es nach wie vor zu sagen, dass die be-reits im Verfall befindliche Dritte Repu-blik im Sommer 1940 Schiffbruch erlitt und nicht Opfer einer Selbstversen-kung war, weil sie verbraucht und aus-gelaugt mit ihren Möglichkeiten am Ende war. In den entscheidenden Stun-den herrschte auf der »Brücke des Staatsschiffs« Streit und es fehlte ein erfahrener Lotse, der es aus den Untie-fen wieder hätte herausmanövrieren können. Kurzfristig kam dies zwar den Machenschaften der »Totengräber«

(Fossoyeurs) entgegen, langfristig aber standen in der Stunde des Untergangs mit Charles de Gaulle und Jean Mon-net bereits Männer für den späteren Neuanfang und Wiederaufstieg Frank-reichs bereit.

Sollte man nicht eher des 11. Novem-ber 1940 gedenken? Im Herbst 1940 hatte der Deutsche Militärbefehlshaber in Frankreich angeordnet, dass die an diesem Tag bis dahin überall im Land organisierten Feiern aus Anlass des Endes des Ersten Weltkrieges zu unter-bleiben hätten. Die Pariser Studenten wollten sich dem nicht fügen und rie-fen zu einer feierlichen Kranzniederle-gung am Grabmal des Unbekannten Soldaten unter dem Arc de Triomphe auf. Auf den Champs-Élysées kam es daraufhin zu zahlreichen Zwischenfäl-len. Die Zahl der Demonstranten wird auf bis zu 2500 Studenten und Ober-schüler geschätzt, von denen 1041 ver-haftet wurden – meist von der franzö-sischen Polizei. Die Anführer wurden vor Gericht gestellt und die Deutschen ließen die Sorbonne schließen. Über die Wirkung der Niederlegung des Gebindes in Form eines Lothringer-Kreuzes und des Singens der Marseil-laise auf die Passanten ist wenig be-kannt. Liegt hier vielleicht der Grund, warum das Ereignis trotz des Votums des Generals in Frankreich bald in Ver-gessenheit geraten war?

In der Rückschau wird die Demon-stration heute als der Beginn des akti-ven Widerstandes in Frankreich gese-hen. Für viele der Studenten begann am 11. November 1940 der Weg, der sie

Die Vichy-Regierung

Nach dem Waffenstillstand übertru-gen die Abgeordneten und Sena-toren am 10. Juli 1940 Ministerpräsi-dent Philippe Pétain die vollziehende Gewalt und beauftragten ihn mit der Ausarbeitung einer neuen Verfas-sung. Vichy, ein kleiner Kurort im unbesetzten südlichen Frankreich, wurde neuer Regierungssitz. Die USA und andere Staaten erkannten die Vichy-Regierung an. Sie kontrollierte außer den südlichen Landesteilen zu-nächst auch alle französischen Kolo-nien, verlor aber in Afrika und Nah-ost nach und nach ihre Macht an die »Freien Franzosen«. Pétains Stellver-treter Pierre Laval trat entschieden für eine Zusammenarbeit mit Deutsch-land ein, wurde aber von Pétain im Dezember 1940 entlassen. Als neuer Regierungschef versuchte Admiral François Darlan vergeblich, von Deutschland Zugeständnisse für fran-zösische Waren- und Rüstungsliefe-rungen zu erhalten. 1942 kehrte Laval ins Amt zurück. Er forcierte mit der Einführung der Arbeitsdienst-pflicht die Kollaboration mit Deutsch-land und bekämpfte nach dem deut-schen Einmarsch in den unbesetzten Teil Frankreichs im November 1942 mit der 1943 gegründeten Miliz aktiv die Résistance. Kurz vor der Befrei-ung verließ die Vichy-Regierung im Juli 1944 das Land und nahm bis Kriegsende ihren Sitz in Sigmarin-gen.

im weiteren Verlauf des Krieges in die Résistance oder an die Seite de Gaulles in London führte. Eine Inschrift unter dem Arc de Triomphe erinnert heute an beide – am selben Ort, an dem An-gela Merkel und Nicolas Sarkozy im Jahr 2009 die deutsch-französische Ver-ständigung symbolisch bekräftigt ha-ben.

Allen diesen Erklärungsversuchen ist eins gemein: Auch 70 Jahre nach dem »débacle« bzw. der »seltsamen Nieder-lage« liefern sie nur Teilantworten auf die eingangs gestellten Fragen nach dem wann und wie. Es bleibt die Frage: Sind in der französischen Gesellschaft die Auswirkungen des 1940 erlittenen Traumas im Grunde bisweilen selbst heute noch spürbar? Wie steht es um die Folgen der damaligen verzweifel-ten Suche der Menschen nach Halt und Orientierung in Gestalt eines entschlos-senen Anführers und den Zweifeln am Führungsgeschick der eigenen politi-schen und militärischen Eliten? Wie wirkte sich der Vertrauensverlust in die Kompetenz und Ordnungsmacht des Staates und seiner Behörden aus? Der Krieg zwang die Menschen dazu, den Alltag selbst zu organisieren und so das tägliche Überleben zu sichern. Die Franzosen besannen sich ihrer ei-genen Fähigkeiten und das »Système D« (von se débroullier = sich zu behel-fen wissen) wurde zum geflügelten Wort für dieses Improvisationstalent, von dem sie sich bis weit in die Nach-kriegszeit leiten ließen.

Stefan Martens

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5�Sinnbild der Aussöhnung: Der französische Staatspräsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl gedachten am 22. September 1984 in Verdun der Ge-fallenen der beiden Weltkriege.

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18 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

5�Französischer Marinesoldat mit Matrosen der deutschen Kriegsmarine, undatiert.

Mit der deutschen Besatzungs-zeit in Frankreich eng ver-bunden ist das Schicksal der

französischen Atlantikhäfen als Stütz-punkte der deutschen Kriegsmarine. Für die deutsche Marineführung bedeu-tete die Einnahme der französischen Küsten im Sommer 1940 die unerwar-tete Realisierung eines schon in der Kai-serzeit gehegten Wunsches nach einer verbesserten Ausgangsposition für die deutsche Seekriegführung. Plötzlich war die Möglichkeit gegeben, aus der »Enge der Deutschen Bucht« auszubre-chen und im offenen Atlantik die Ent-scheidung gegen den maritimen Haupt-gegner Großbritannien zu suchen.

Innerhalb eines nur sehr kurzen Zeit-raums schaffte es die Kriegsmarine, ein funktionierendes Werftensystem, ver-teilt auf fünf französische Hafenstädte mit unterschiedlichsten Vorausset-zungen, aufzubauen. Die Präsenz der deutschen Kriegsmarine hat diese Ha-fenstädte nicht nur bis heute geprägt, sie war auch ein wichtiger strategischer Faktor in der Führung des deutschen U-Boot-Krieges im Nordatlantik, und spätestens seit der Verfilmung des au-tobiografischen Romans »Das Boot« des ehemaligen Marine-Kriegsbericht-erstatters Lothar-Günther Buchheim sind die Atlantikstützpunkte ein Inbe-griff für die deutsche Seekriegführung von Frankreichs Küsten aus.

Die Kriegsmarine und der Westfeldzug

Als die deutsche Wehrmacht am 10. Mai 1940 Frankreich angriff, erfolgte die Offensive des Heeres für die Kriegs-marine völlig unerwartet. Die an der Nordseeküste vorhandenen Einheiten, vor allem Minensuch- und Vorposten-verbände, hatten keinerlei Weisungen erhalten und der damalige Führer der Minensuchboote West, Kapitän zur See und Kommodore Friedrich Ruge, er-fuhr von der neuen Lage erst aus den morgendlichen Rundfunknachrichten. In den strategischen Überlegungen der

deutschen Seekriegsleitung spielte zu diesem Zeitpunkt das gerade erst be-setzte Norwegen eine sehr viel wich-tigere Rolle als die französische Küste. Zudem hatte der Generalstabschef des Heeres der Marineführung noch im Oktober 1939 versichert, dass eine Er-oberung französischer Häfen am At-lantik durch eine Landoffensive mehr als fraglich sei. Im Oberkommando der Kriegsmarine waren also alle Augen nach Norden gerichtet. Während die Seekriegsleitung Pläne für den Ausbau

des neuen Flottenstützpunktes Trond-heim schmiedete und den größten Teil der deutschen Flotte nach Norwegen befahl, überschlugen sich im Westen die Ereignisse. Bereits am 21. Mai 1940 standen die ersten deutschen Truppen an der französischen Kanalküste.

Der Kriegsmarine standen für die Kriegführung im Westen anfangs le-diglich drei U-Boote zur Verfügung, die im Ärmelkanal operierten. Im Ver-lauf des deutschen Vormarsches wur-den auch noch Schnellboote in den Ka-

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Die deutsche Kriegsmarine in Frankreich

Die deutsche Kriegsmarine in Frankreich 1940

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19Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

nal entsandt, um dort die alliierten Truppentransporte anzugreifen. Diese Einheiten sollten jedoch die einzigen im Westfeldzug eingesetzten Verbände der Kriegsmarine bleiben. Größere Schiffe wurden auch dann nicht einge-setzt, als das Oberkommando der Wehrmacht die Kriegsmarine um eine Unterstützung bei der Bekämpfung der britischen Rückzugstransporte vor Dünkirchen bat. Im Oberkommando der Kriegsmarine legte man zu diesem Zeitpunkt mehr Aufmerksamkeit auf die geplante Schlachtschiffoperation »Juno« in Nordnorwegen und zum an-deren unterschätzte man einfach die britischen Möglichkeiten für eine Eva-kuierung der in Dünkirchen einge-schlossenen Expeditionsstreitkräfte. Zwar sollte den deutschen Marineein-heiten neben der Versenkung eines französischen U-Boots auch noch die Zerstörung dreier alliierter Zerstörer gelingen, der Großteil der während der Evakuierung von Dünkirchen ver-senkten alliierten Schiffe war jedoch aus der Luft unter vernichtenden Be-schuss gesetzt worden. Den Alliierten gelang es, 338 266 Mann, darunter 123 000 Franzosen, nach Großbritan-nien zu überführen. Der Anteil der Kriegsmarine am Kampfgeschehen war also sehr gering, der Nutzen, den sie schließlich aus dem Westfeldzug zog, jedoch weitaus größer.

Die Besetzung der französischen Häfen

Die französische Marine hatte sich bis zu Beginn des deutschen Angriffs auf Frankreich auf den Schutz der Geleit-züge zwischen der Biskaya und Nord-afrika konzentriert. Zwar beteiligten sich französische Seestreitkräfte mit ih-ren Bordgeschützen an den Kämpfen um die Häfen Boulogne, Calais und Dünkirchen, ihr Einsatz vor der Küste konnte die deutschen Panzerverbände aber nicht aufhalten. Am 14. Juni 1940 wurde Paris kampflos besetzt. An der Küste stieß General Rommel mit der 7. Panzerdivision am selben Tag 240 Kilometer tief nach Westen in Richtung auf den französischen Marinehafen Cherbourg vor.

Während die neue französische Re-gierung unter Marschall Philippe Pétain das Deutsche Reich um einen Waffenstillstand ersuchte, begann die

französische Marine mit der Evakuie-rung ihrer Stützpunkte im Mutterland. Auf Befehl der französischen Admira-lität steuerten die größeren Einheiten Nordafrika an. Die Masse der leichten Seestreitkräfte und Hafenbetriebsfahr-zeuge flüchtete sich dagegen in die Hä-fen entlang der britischen Kanalküste, wo sie bis Kriegsende verbleiben sollte. Auf deutscher Seite stand man diesen Evakuierungsmaßnahmen relativ hilf-los gegenüber. Neben dem Werfen von Seeminen durch die Luftwaffe und dem erfolglosen Versuch der Kriegs-marine, die französischen Schiffe durch einen gefälschten Funkspruch ihres Oberbefehlshabers, Admiral François Darlan, zur Umkehr zu bewegen, stan-den keine weiteren Mittel zur Verfü-gung. In den Marinehäfen von Brest und Lorient wurden die Schiffe, die nicht mehr seeklar gemacht werden konnten, versenkt und die Docktore und Hafenkräne gesprengt. Über den beiden Städten lagen die Rauchschwa-den der angezündeten Treibstoffvor-räte. In den Werkstätten der Arsenale machten die Arbeiter die Maschinen unbrauchbar und in den Öfen brann-ten die Unterlagen der französischen Schiffbauleitungen und die Akten der Marinepräfekturen. Kein Tropfen Öl und keine einzige technische Zeich-nung sollte dem deutschen Gegner in die Hände fallen. Als der französische Marinepräfekt von Brest schließlich am 19. Juni 1940 kapitulierte, waren der Hafen verwaist und die Kaiflächen und Trockendocks durch versenkte Schiffe blockiert.

Zwei Tage nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Brest erreichte der als Befehlshaber vorgesehene deut-sche Vizeadmiral Lothar von Arnauld de la Perière, der erfolgreichste U-Boot-Kommandant im Ersten Weltkrieg und der Seekriegsgeschichte insgesamt, die wichtige Hafenstadt. Diese Tatsache zeigt noch einmal, wie sehr die Vor-gänge im Westen die Kriegsmarine überraschten und wie die ersten Maß-nahmen durch Hast und Improvisa-tion geprägt waren. Das Hauptaugen-merk des neuen Befehlshabers galt vor allem der schnellen Nutzbarmachung des Hafens. Dabei mangelte es der Kriegsmarine vor allem an für den Ha-fenbetrieb notwendigen Fahrzeugen. So stand der Kriegsmarine noch im Juli 1940, als vor Brest die Besatzung eines auf See niedergegangenen deutschen Flugzeugs gerettet werden sollte, nur ein einziges hochseetaugliches Fahr-zeug zur Verfügung. Alle für den Ha-fenbetrieb wichtigen Fahrzeuge, vom Leichter, einem Wasser-Transportfahr-zeug ohne eigenen Antrieb, über Schlep-per bis hin zum Schwimmkran, muss-ten entweder zeitaufwendig geborgen oder aus Deutschland an die Atlantik-küste gebracht werden. Auch Minen-suchstreitkräfte waren nur unzurei-chend vorhanden.

Trotz der mangelhaften Vorausset-zungen entschied das Marinegruppen-kommando West schon am 23. Juni 1940, in Brest einen U-Boot-Stützpunkt einzurichten. Zwar sollte der Befehls-haber der U-Boote, Konteradmiral Karl Dönitz, nach einer persönlichen In-

5�Das Arsenal von Brest gekentertes U-Boot im Hafenbecken, Juni1940.

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Die deutsche Kriegsmarine in Frankreich

20 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

spektion der Häfen angesichts der Zer-störungen in Brest dem Hafen von Lo-rient als neuem Hauptstützpunkt der deutschen U-Boot-Waffe am Atlantik den Vorzug geben, der Aufbau einer funktionierenden Werftorganisation für die gesamte Atlantikküste war je-doch unumgänglich. Dabei schien die U-Boot-Waffe weitaus organisierter zu sein als der Rest der Marine, denn Dö-nitz hatte bereits vor seiner Abreise aus Deutschland einen Eisenbahnzug mit Torpedos und anderen Versorgungs-gütern in Richtung Atlantikküste beor-dert. Diese trafen unbeschadet in Lo-rient ein und bildeten die Grundlage für die neue U-Boot-Reparaturwerft. Bereits am 7. Juli 1940 lief U 30 als ers-tes deutsches U-Boot im neuen Stütz-punkt ein.

Der Aufbau der Werften

Der erste Organisationsplan des Ober-kommandos der Kriegsmarine für die neuen Stützpunkte in Frankreich vom Juli 1940 sah für Brest den Ausbau zu einem Stützpunkt 1. Ordnung vor. Zu Stützpunkten 2. Ordnung für leichte Überwasserstreitkräfte wurden an der

Kanalküste die Häfen Boulogne und Cherbourg bestimmt. Saint-Malo war als Einsatzhafen für Überwasserstreit-kräfte vorgesehen. Außerdem sollten an der Atlantikküste Saint-Nazaire und Lorient zu Stützpunkten 2. Ordnung ausgebaut werden – der erste Hafen für Streitkräfte jeder Art, der zweite für U-Boote. Weiter südlich waren die Hä-fen von La Rochelle-Rochefort und Bayonne als Einsatzhäfen für leichte Seestreitkräfte gedacht und im Schutz der Halbinsel Quiberon sollte ein An-kerplatz für Überwasserstreitkräfte al-ler Art entstehen.

Das Hauptamt Kriegsschiffbau bat aber bereits am 17. Juli 1940 wegen der Unmöglichkeit, die zahlreichen neuen Stützpunkte personell und materiell auszustatten, die Stützpunktforde-rungen für Frankreich auf ein Mindest-maß zu beschränken und womöglich sogar auf Brest zu verzichten. Neben den fehlenden Arbeitskräften behin-derten auch die Zerstörungen vom Sommer 1940 die Nutzung des Hafens. So verfügte der Hafen im Juli 1940 le-diglich über ein betriebsklares Tro-ckendock. Die Dauer der Wiederher-stellung der übrigen Dockanlagen war

zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ab-zusehen und funktionsfähige Kräne waren ebenfalls nicht vorhanden. Je-doch konnten die Werkstätten des ehe-maligen französischen Marinearsenals ohne Einschränkungen genutzt wer-den. Da die deutsche Seekriegsleitung aber zwischenzeitig den Entschluss ge-fasst hatte, den Seekrieg künftig vor allem im Atlantik zu führen, wurde der Ausbau von Brest immer dringlicher. Dabei war diese Entscheidung gegen den Rat der Marinebefehlshaber vor Ort gefallen und wurde auch innerhalb der Seekriegsleitung kontrovers disku-tiert. Als der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine am 9. Oktober 1940 end-gültig entschied, Brest zum neuen Hauptstützpunkt der deutschen Flotte auszubauen, waren seit der Einnahme der französischen Atlantikküste im Juni 1940 fast vier Monate verstrichen. Die Nutzung des Hafens durch die großen Überwasserstreitkräfte blieb je-doch über die gesamte Okkupations-zeit durch die Schäden an den Hafen-anlagen beeinträchtigt. Als die deut-schen Schlachtschiffe im Februar 1941 in Brest eintrafen, waren die großen Trockendocks noch immer nur bedingt betriebsbereit und die aus Deutschland herangeschafften Hafenkräne befan-den sich noch im Aufbau. Ein weiteres Problem war der Luftschutz, da Brest schon 1940 in Reichweite britischer Flugzeuge lag. Lediglich die U-Boote konnten sich ab September 1941 auf eine verbunkerte Reparaturwerft mit allen erforderlichen technischen Anla-gen stützen.

Zusammenarbeit mit der französischen Marine

Aufgrund ihres Mangels an Facharbei-tern war die Kriegsmarine in der Aus-nutzung der französischen Häfen und Arsenale von vornherein auf die Zu-sammenarbeit mit den mit den Anla-gen vertrauten, französischen Stellen angewiesen. Dies traf sowohl für die Handelshäfen von Bordeaux, Saint-Na-zaire oder La Pallice als auch für die ehemaligen französischen Marinestütz-punkte Cherbourg, Brest und Lorient zu. Vor allem wurden französische Ar-beiter gebraucht, da eigene Kräfte nicht ausreichend zur Verfügung standen. Neben dem Umbau ehemaliger franzö-sischer Fischdampfer zu deutschen 5�Organisationsplan der deutschen Seekriegsleitung für Frankreich, Juli 1940.

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Hilfskriegsschiffen hoben französische Kräfte die in den Arsenalen versenkten Schiffe oder erledigten in den franzö-sischen Werkstatteinrichtungen deut-sche Reparaturaufträge. Zwar hatte noch im Juli 1940 der Leiter der Amts-gruppe Werften im Hauptamt Kriegs-schiffbau gefordert, dass in franzö-sischen Werftanlagen aufgrund der Sa-botagegefahr keine Reparaturen an deutschen Kriegsfahrzeugen durchge-führt werden sollten, die nur schlep-pende Arbeiterzuweisung aus der Hei-mat ließ den deutschen Marinedienst-stellen vor Ort jedoch keine andere Wahl. Noch im Februar 1941 waren zum Beispiel in Brest trotz der strate-gischen Bedeutung des neuen Stütz-punktes erst 470 deutsche Arbeiter ein-getroffen. Ihnen standen 6349 franzö-sische Arbeiter gegenüber, die für die Kriegsmarine eine wichtige Arbeiterre-serve bildeten, welche, wenn auch nicht auf größeren Kriegsschiffen, dann doch zumindest indirekt in den Werkstätten oder an Bord der nicht we-niger wichtigen deutschen Hilfskriegs-schiffe eingesetzt werden konnte.

Der Oberbefehlshaber der franzö-sischen Marine, Admiral Darlan, akzep-tierte die Annahme der Arbeiten für die deutsche Besatzungsmacht vor dem Hintergrund der Kollaborations-politik des Vichy-Regimes. Die Direk-toren der französischen Arsenale wur-

den angewiesen, ihren Arbeitern zu verdeutlichen, dass jedes Entgegen-kommen gegenüber der Besatzungs-macht Vorteile für Frankreichs Zukunft bringe. Neben der Arbeit in den Werk-stätten unterstützte die französische Marine die deutsche Kriegsmarine aber auch mit der Gestellung von Besat-zungen für die Schlepper und Hafen-betriebsboote in den Häfen des besetz-ten Gebietes, mit Marinegendarmen

5�Der Marinebefehlshaber Westfrankreich, Admiral Eugen Lindau, bei der Inspektion französischer Marinefeuerwehr, 1942.

als Wachkräften an den Toren der Ar-senale und mit dem Einsatz franzö-sischer Marinefeuerwehr bei den alli-ierten Luftangriffen auf die deutschen Marinestützpunkte am Atlantik. Nach einer Meldung der Kriegsmarine aus dem Jahr 1943 waren nicht weniger als 186 Offiziere, 3069 Soldaten, 909 Be-amte, 2313 Angestellte und 25 753 Ar-beiter der französischen Marine in den vier Arsenalen von Cherbourg, Brest, Lorient und Toulon für die Kriegsma-rine tätig. Die meisten versahen ihren Dienst bis zur Befreiung des Landes und nur wenige von ihnen mussten sich nach 1944 für ihr Tun während der Besatzungszeit rechtfertigen; von der französischen Marine wurden sie nach dem Krieg anstandslos übernommen. In der französischen Marinegeschichts-forschung wird diese militärische Zu-sammenarbeit weiterhin verschwiegen, sie war jedoch die wesentliche Voraus-setzung für die erfolgreiche Nutzung der französischen Häfen durch die deutsche Kriegsmarine.

Lars Hellwinkel

Literaturtipp

Lars Hellwinkel, Der deutsche Kriegsmarinestützpunkt Brest, Bochum 2010 (= Kleine Schriftenreihe zur Militär- und Marinegeschichte, 16).

5�Historisches Erbe als Kulisse für ein Kunstprojekt: der deutsche U-Boot-Bunker in Saint-Nazaire 2007.

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22 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Service Das historische Stichwort

Um das Jahr 1190, also während des dritten Kreuzzuges, ent-stand ein Krankenpflegeorden,

der 1198 in einen Ritterorden, den so-genannten Deutschen Orden, umge-wandelt wurde. Papst Innozenz III. be-stätigte dies ein Jahr später. Der Orden erwarb erste Besitzungen in Palästina, Armenien und Zypern, ab 1200 auch in Deutschland und verbreitete sich schließlich über große Teile Europas. Die Konkurrenz mit älteren Ritteror-den im Königreich Jerusalem und die gescheiterten Kreuzzüge veranlassten den Orden, sich ein neues Betätigungs-feld zu suchen.

Herzog Konrad von Masowien rief 1225/26 den Deutschen Orden zur Be-kämpfung der noch heidnischen Pru-ßen, eines baltischen Volksstammes, in das Kulmer Land in Preußen. 1231 be-gann ein Missionskrieg; rund 50 Jahre später, 1283, war die Eroberung Preu-ßens im Wesentlichen beendet. Die Be-stätigung Kaiser Friedrichs II. 1226 in der Goldenen Bulle von Rimini sowie

die Urkunde Papst Gregors IX., in der er das Kulmer Land und Preußen un-ter den Schutz der Kirche stellte, för-derten die Unabhängigkeit des Deut-schen Ordens und beauftragten ihn zu-gleich mit »Heidenkampf« und »Hei-denmission«. Außer in Preußen fasste der Deutsche Orden auch in Livland – im heutigen Lettland – schnell Fuß. Dort hatte 1202 ein eigener Kreuzzugs-orden, der sogenannte Schwertbrüder-orden, einen Missionskrieg und Sied-lungsausbau begonnen. Nach einer vernichtenden Niederlage 1236 gegen die Litauer an der Saule schlossen sich die Reste dem Deutschen Orden an. Damit verfügte dieser an der nordöst-lichen Ostsee über ein zweites großes Herrschaftsgebiet, das aber keine di-rekte Landverbindung zu Preußen be-saß und von der Region Schemaitien, einer russischen Landschaft, durch-trennt war.

Von entscheidender Bedeutung wa-ren die Beziehungen zu den Nachbarn. Das Verhältnis zum christlichen König-

reich Polen gestaltete sich zunächst neutral, teilweise sogar positiv, ver-schlechterte sich jedoch ab dem frühen 14. Jahrhundert aufgrund von Gebiets-streitigkeiten spürbar. Gegen das heid-nische Litauen aber unternahm der Or-den Jahr für Jahr Kriegszüge, an denen regelmäßig Kreuzfahrer aus dem Reich und aus Westeuropa teilnahmen.

Die litauisch-polnische Union von 1386 änderte die Situation grundle-gend. In einer spektakulären Hochzeit vermählte sich die polnische Königs-tochter Jadwiga (Hedwig) mit dem li-tauischen Großfürsten Jagiełło, der als Władysław IV. zum König von Polen aufstieg. Der Vertrag legte fest, dass sich Jagiełło um die Rückgewinnung verlorengegangener Gebiete für die polnische Krone bemühen sollte und dass sich der litauische Großfürst mit seinem Volk taufen ließ. Damit ent-stand ein Doppelstaat, dessen Macht von der Grenze des Heiligen Römi-schen Reiches bis zum Moskauer Um-land sowie zum Schwarzen Meer reichte

3�Zusammenstoß der deutschen Ordensritter mit dem polnisch- litauischen Heer in der Schlacht von Tannenberg. Miniatur aus der Chronik des Diebold Schilling, 1484/85.

Schlacht bei Tannenberg 1410

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23Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

und mit dessen Einzelländern der Deut-sche Orden bisher schon heftige militä-rische Konflikte ausgetragen hatte. Au-ßerdem war Litauen zum Christentum übergetreten, womit die Legitimation eines Kreuzzuges gegen Nichtchristen entfiel. Konsequent verboten 1395 der römisch-deutsche König und 1404 der Papst den Heidenkampf, was aber den Deutschen Orden nicht daran hinderte, die Kreuzzüge fortzusetzen.

Ungeklärt blieb zunächst die schwe-lende Auseinandersetzung um das Ge-biet Schemaitien. Der Orden begehrte diese Region, um eine territoriale Ver-bindung zwischen seinem preußischen Ordensland im Süden und seinem liv-ländischen Besitz im Norden herzu-stellen. Die Litauer hingegen waren be-strebt, mit dem Erwerb des russischen Besitzes an die Ostsee vorzudringen. Im Jahr 1398 trat zwar der litauische Großfürst Witold aus taktischen Erwä-gungen (Friede von Sallinwerder) dieses Gebiet an den Orden ab, doch die Unterwerfung gelang dem Orden trotz mehrerer Kriegszüge nicht. 1409 brach schließlich in Schemaitien ein Aufstand mit Unterstützung Witolds aus, der den Beginn des »Großen Krieges« von 1409 bis 1411 zwischen dem Deutschen Orden und Polen-Li-tauen markierte. Nach dem Angriff des Ordens unter seinem Hochmeister Ul-rich von Jungingen und einem auf neun Monate ausgehandelten Waffen-stillstand rüsteten sich beide Seiten bis zum Frühsommer des Jahres 1410 zum entscheidenden Schlag.

Die zeitgenössischen Quellen über die Kämpfe sind propagandistisch ge-prägt; eine genaue Rekonstruktion des Schlachtverlaufs ist daher schwierig. So variiert in der heutigen Literatur die Einschätzung der Größe der beiden Heere beträchtlich. Für den Deutschen Orden reichen die Zahlenangaben von 11 000 bis zu 27 000. Die Anzahl der Ordensritter machte dabei nur einen kleinen Anteil aus und dürfte kaum mehr als einige Hundert betragen ha-ben. Hinzu kamen berittene Gefolgs-leute, berittene Armbrustschützen, In-fanterie und Artillerie. Der Anteil der Söldner war, wie auch auf polnisch-li-tauischer Seite, beträchtlich. Beim Or-den konnten 3700 Söldner nachgewie-sen werden. Für das polnisch-litau-ische Heer reichen die Gesamtzahlen von 20 000 bis 39 000 Kämpfern.

Unstrittig ist jedenfalls die nume-rische Unterlegenheit des Ordens-heeres, was sich am Aufmarsch der bei-den Kontingente verdeutlicht. Der pol-nische König formierte sein Heer in drei Linien. Am linken Flügel standen die Polen, verstärkt mit Rittern aus Böhmen, Mähren, Schlesien und Un-garn. Am rechten Flügel befehligte Großfürst Witold neben den Litauern auch tatarische und russische Abtei-lungen, die allesamt leichter bewaffnet und gerüstet waren als die schwerge-panzerten Ritter des Ordens. Der Hoch-meister Ulrich von Jungingen hatte sein Heer ursprünglich ebenfalls in drei Linien aufmarschieren lassen. Als er jedoch die lange Front des gegne-rischen Heeres sah, gliederte er auf zwei Linien um. Damit dünnte er die eigenen Reihen aus, verbreiterte aber die Aufstellung, um nicht vom Feind umgangen zu werden.

Die eigentliche Schlacht fand am 15. Juli 1410 zwischen den Dörfern Tannen-berg und Grünfelde statt, weshalb das Ereignis in der polnischen Geschichts-schreibung »Schlacht bei Grunwald« genannt wird. Das Ordensheer hatte bereits einen Nachtmarsch hinter sich, um das polnisch-litauische Heer zu überraschen, was auch gelungen wäre. Ulrich von Jungingen aber wagte kei-nen sofortigen Angriff. Gewarnt war-tete Władysław Jagiełło ab und hielt seine Truppen im kühlen Schatten eines Waldes zurück, während die Ordens-truppen in voller Rüstung mehrere Stunden in der gleißenden Julisonne unter Waffen standen. Erst nachdem Gesandte des Ordens dem polnischen König symbolisch zwei Schwerter überreicht hatten, ließ dieser sein Heer antreten.

Um die Mittagszeit begann der Kampf. Auf der rechten Flanke stürmten litauische Truppen gemein-sam mit Russen und Tataren vor, bis sie von Ordensrittern aufgehalten wur-den. Daraufhin griffen die Litauer zu einer möglicherweise schlachtentschei-denden List. Sie zogen sich in einer Scheinflucht zurück, sodass die Or-denstruppen die Schlacht für gewon-nen hielten. Bei der Verfolgung des weichenden Gegners lösten die Or-densritter ihre eigene Schlachtordnung auf. In die entstandene Lücke drangen polnische Einheiten, umfassten den linken Flügel des Deutschen Ordens

und zerschlugen ihn. Im weiteren, wechselvollen Verlauf griff der Hoch-meister Ulrich von Jungingen selbst mit seiner Reserve in die Schlacht ein. Er durchbrach zwar mehrfach die Rei-hen des polnischen Hauptheeres, schei-terte aber schließlich an der Über-macht. Der Hochmeister fiel und mit ihm die Mehrzahl der Ordensritter. Auch die polnisch-litauische Seite erlitt große Verluste.

Tannenberg war – gemessen an der Zahl der beteiligten Kämpfer – eine der größten Schlachten des europäischen Mittelalters. Dem Deutschen Orden versetzte die Niederlage »zwar nicht den Todesstoß, bedeutete für ihn aber eine Katastrophe« (Klaus Militzer). Ne-ben der beinahe vollständigen Füh-rungselite hatte der Orden knapp ein Drittel seiner Ritter aus Preußen verlo-ren. In den folgenden Wochen fiel fast das gesamte Ordensland dem pol-nisch-litauischen Heer in die Hände, nur das Haupthaus, die Marienburg, konnte sich behaupten. Der spätere Hochmeister Heinrich von Plauen or-ganisierte eine eilig aufgestellte Vertei-digung, die den Angreifern standhielt. Nach zwei Monaten musste der pol-nische König Władysław Jagiełło die Belagerung aufgeben. Das verlorene Land fiel schnell wieder an den Deut-schen Orden zurück.

Ein halbes Jahr später, am 1. Februar 1411, wurde der Erste Frieden von Thorn geschlossen. Hinsichtlich seines Herrschaftsgebietes erlitt der Deutsche Orden praktisch keine Einbußen. Schwierig gestalteten sich dagegen die finanziellen Lasten, vor allem die Aus-lösung der Geiseln. Die Forderungen beliefen sich auf 100 000 Schock Gro-schen bzw. 260 000 Gulden und gelten als Ursache für die Finanznot des Or-dens in den folgenden Jahrzehnten. Dies soll aber nicht darüber hinweg-täuschen, dass »die Gründe für seinen Niedergang ganz überwiegend in Preußen selber zu suchen sind« (Hart-mut Boockmann).

Martin Hofbauer

Literaturtipp

Klaus Militzer, Die Geschichte des Deutschen Ordens, Stuttgart 2005.

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online

Service

24 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Medien online/digital

online

Mehr sein als scheinen. So könnte das Motto der Verantwortlichen

für dieses geschichtswissenschaftliche Informationsangebot lauten. Denn was sich hier in relativ nüchterner Gestal-tung präsentiert, bietet dem interessier-ten Benutzer fundierte und umfassende Einblicke sowohl in verschiedene his-torische Themengebiete als auch in die Grundlagen der Forschung.

Gerade einmal vier Rubriken umfasst die Startseite: »Themen«, »Länder«, »Recherche«–, »Lehren und Lernen«. Und es ist die Themenseite, der man den Ursprung von historicum.net an-merkt. Handelt es sich doch um das Ergebnis des Projekts »Server Frühe Neuzeit« der Deutsche Forschungsge-meinschaft, der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Bayeri-schen Staatsbibliothek. So existiert bei-spielsweise momentan kein Themen-block, der sich mit der Zeit vor der Renaissance befasst. Doch deuten An-gebote wie »Bombenkrieg« oder »Zwangs-arbeit Rhein-Erft-Ruhr« darauf hin, dass die Seite thematisch und chronolo-gisch zunehmend erweitert werden soll.

Die einzelnen Themen werden in un-terschiedlicher Intensität abgehandelt. Neben Quellen- und Literaturhinwei-sen finden sich Aufsätze sowie Links zu ähnlichen Seiten im Web. Dies ist sozusagen der Standard. Manche The-

www.historicum.net

menseiten verfügen jedoch zusätzlich über Zeitleisten, verweisen auf spezi-fische Archive oder Museen, führen zu im Internet veröffentlichten Magister-arbeiten und bieten eine Übersicht ak-tueller Forschungsprojekte. Wer sich gerade mit einem der aufgeführten Be-reiche beschäftigt, hat hier eine wahre Fundgrube an Informationen vor sich!

In der Rubrik »Länder« werden zur-zeit zehn Staaten sowie die Region Ost-mitteleuropa vorgestellt, wobei deren thematische Unterseiten häufig zu ex-ternen Aufsätzen weiterleiten, die in ihrer Gesamtheit allerdings nicht im-mer ein vollständiges Bild der jeweils behandelten Epoche ergeben. Zahl-reiche Verweise zu Quellen und Litera-tur sowie Links zu Institutionen run-den das Angebot ab.

Wie man es auf vielen anderen ge-schichtswissenschaftlichen Webseiten ebenfalls findet, bietet die Rubrik »Re-cherche« umfangreiche Infos zur bi-bliografischen Arbeit. Die »Neuerwer-bungen« sind dagegen vorwiegend für in München ansässige Forscher rele-vant, beziehen sie sich doch ausschließ-lich auf das Angebot der Bayerischen Staatsbibliothek.

Das Highlight ist die Rubrik »Lehren und Lernen«. Eingeführt wird hier in das Handwerk des Historikers mit Schwerpunkt auf E-Learning und dem Einsatz von Computern bei der Re-cherche. Zur Didaktik der Geschichte wird eine umfangreiche Bibliografie

angeboten. Die »Links-Winks« als letz-ter Menüpunkt schließlich stellen der-art viele Webseiten für historisch Inte-ressierte vor, dass man aufpassen muss, sich nicht darin zu verlieren.

Als Fazit lässt sich feststellen, dass diese Seite mehr als nur einen Besuch wert ist. Angesichts der gewaltigen Fülle an Links und Unterseiten ist den Betreibern von historicum.net nur zu wünschen, dass es ihnen gelingen möge, bei den geplanten Erweite-rungen ein gewisses Maß an Übersicht-lichkeit zu bewahren.

Matthias Rawert

Unser Krieg

Zwischen dem 1. September 1939, als die Wehrmacht die Grenze zu Po-

len überschritt, und dem 8. Mai 1945, dem Tag der Unterzeichnung der be-dingungslosen Kapitulation, führten Hitler und seine Schergen einen gna-denlosen Krieg. Nach den überraschen-den anfänglichen Siegen über Polen und Frankreich wendete sich das Blatt bald zu Ungunsten Deutschlands. Die Ausweitung zu einem Weltkrieg durch den Kriegseintritt der USA Ende 1941, spätestens aber Anfang 1943 mit der Niederlage der Wehrmacht bei Stalin-grad markierte schließlich den Anfang vom Ende. Auch der Aufruf von Goeb-bels zum »Totalen Krieg« im Februar 1943 vermochte daran nichts mehr zu ändern. An allen Fronten befand sich die Wehrmacht nun auf dem Rückzug. Wie erlebten die Bevölkerung und der einfache Soldat die Kriegsjahre in der Heimat bzw. an der Front?

»Heimat Deutschland 1933–1945« aus der Reihe »Unser Krieg«, produ-ziert von Michael Kuball, zeigt private, ungeschnittene Amateuraufnahmen aus dieser Zeit in Deutschland. Das Filmmaterial folgt der Chronologie des Krieges. Es reicht von ersten Farbfilm-aufnahmen, bei denen »viele Amateure irritiert vom stechenden Rot« der Fah-nen sind, über die einzigen Aufnah-men des Konzentrationslagers in Dachau vor der Befreiung bis hin zu Aufnahmen eines Kriegsgefangenenla-gers bei Dortmund, wo gefangene Afri-kaner scheinbar ausgelassen Tänze auf-

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onlineonline 2�Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

digitalAufnahmen von Freunden oder Fami-lienangehörigen der Filmer schlicht kommentiert. Originale Radionach-richten aus Großbritannien und Frank-reich über den Kriegsbeginn sowie An-sprachen Hitlers ergänzen die Palette. Die als Gemeinschaftsproduktion von ARD und Arte zunächst im Fernsehen ausgestrahlte Sendung gibt ein direktes Bild der Geschichte wider – unzensiert und unverstellt. Die Aufnahmen »zei-gen alle dasselbe grauenvolle Szena-rium, das verantwortlich ist für den kollektiven Albtraum einer ganzen Ge-neration«. Fazit: Absolut sehenswert.

Christopher Schaefer

»Zeitzeugen erzählen«

Lässt sich ein so ereignisreiches Jahr-hundert wie das 20. auf CD abbil-

den, und das nur durch Zeitzeugenbe-richte? Diesen Versuch unternehmen Inge Kurtz und Jürgen Geers mit dem Hörbuch »Meine Geschichte – Zeitzeu-gen erzählen – 100 Jahre Deutschland«. Auf insgesamt 13 CDs berichten fast 15 Stunden lang Menschen aus ihrem Le-ben im vergangenen Jahrhundert, von ihren Erfahrungen und Erlebnissen. Als Zeitzeugen erzählen sie dabei zu-meist aus ihrer Jugend; es kommen also stets Vertreter unterschiedlicher Generationen zu Wort. Die beiden Au-toren umgingen damit auch die Ge-fahr, ganze Lebensberichte einfach an-einanderzureihen. Stattdessen ist eine Geschichtscollage entstanden, in der jede Thematik immer aus mehreren sorgfältig ausgewählten Beiträgen Ge-stalt annimmt. Es fügt sich dadurch ein Bild des vergangenen Jahrhunderts in erstaunlicher Breite und Vielfalt zu-sammen. Personen aus allen Schichten der Gesellschaft und allen Regionen Deutschlands mit den verschiedensten Berufen, familiären Verhältnissen und Hintergründen sprechen über ihre Er-innerungen und bilden so die betref-fende Zeit in vielen Perspektiven ab. Die ganz große Politik bleibt dabei zu-meist außen vor, vielmehr geht es oft um das tägliche (Über-)Leben in schwieriger Zeit – sowohl in lustiger oder anekdotenhafter, als aber auch in ganz ernster und berührender Weise

führen; auch finden sich Aufnahmen von einem frisch verheirateten Pärchen, das 1944 das gemeinsame Wochenende frohgestimmt in Küstrin verbringt – hier »alles noch heile Welt« –, bis der Mann wieder seine Arbeit als Rüs-tungsingenieur in Berlin antreten muss; schließlich folgt die »Vereidigung des letzten Aufgebots«, der Division Her-mann Göring, in Ostpreußen 1945.

Während diese 52-minütige DVD aus-schließlich Aufnahmen aus Deutsch-land und Österreich enthält, werden 244 Minuten plus Bonusmaterial dem restlichen Europa mit der DVD »Der unbekannte Krieg« gewidmet: ange-fangen mit Aufnahmen vom »Frontall-tag« des Spanischen Bürgerkrieges 1936 über Szenen einer jüdischen Hochzeit in Holland, Bildern von zer-bombten Städten wie Warschau und London, die Bloßstellung eines Paares wegen »Rassenschande« in Polen 1941 bis hin zu Einblicken in den Russland-feldzug »Barbarossa« und dem begeis-terten Empfang für die Alliierten Be-freier 1945 in verschiedensten Städten Europas.

Kuball vermittelt, in Zusammenar-beit mit weiteren Dokumentarfilmern, mit der DVD-Reihe »Unser Krieg« ei-nen eindrucksvollen Einblick in das Leben der Kriegsjahre. Durch Kom-mentare in Text oder Wort werden die

und dabei stets äußerst interessant wie-dergegeben. Es wird erzählt über Be-rufs- und Familienleben, Schulzeit, über Wohlstand und Armut, Mode und Essen, über Geschlechterrollen, Sexua-lität und Moral. Vieles war anders da-mals, aber man stellt auch überrascht fest, dass sich manche Dinge bis heute nicht verändert haben.

Neben Kaiserreich und Weimarer Re-publik nimmt etwa ein Drittel der Do-kumentation die Zeit des Nationalsozia-lismus und des Zweiten Weltkrieges ein. Dieser Abschnitt stellt den stärks-ten, ergreifendsten Teil der Berichte dar, etwa wenn Opfer der NS-Diktatur greifbar machen, wie sich Rassenwahn in Verfolgung und schließlich in Massen-mord verwandelte. Die Nachkriegszeit steht anschließend ganz im Zeichen des Gegensatzes zwischen Bundesrepu-blik und DDR. Leider ist dieser Bereich etwas blasser geblieben. Themen wie die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Anwerbung von »Gastarbei-tern« oder auch der Aufstand des 17. Juni werden beispielsweise nicht angeschnit-ten. Auch die beiden Verantwortlichen für die Dokumentation und die Entste-hung ihres Projektes bleiben außen vor. Dies ist jedoch kein gravierendes Manko. Stattdessen muss die Eingangsfrage eindeutig mit »ja« beantwortet wer-den. Die CD-Sammlung ist für alle Ge-schichtsbegeisterten (und vor allem solche, die es noch werden wollen) un-bedingt zu empfehlen. Keine trockene Geschichtsstunde voller Zahlen und Fakten, sondern leisere und lautere Zwischentöne der Menschen, die durch die vergangenen Jahrzehnte geprägt wurden und nun ihre Erfahrungen an uns weitergeben.

Daniel Uhrig

Unser Krieg. Heimat Deutschland 1933–1945, 1 DVD, 52 Minuten, D 2007. ISBN 978-3-89848-826-6.Unser Krieg. Der unbekannte Krieg. Film-tagebücher 1936-1945, 2 DVDs, 263 Mi-nuten., D 2007. ISBN 978-3-89848-827-3

Meine Geschichte – Zeitzeugen erzählen – 100 Jahre Deutschland, 13 Audio-CDs, 894 Minuten, München 2010. ISBN 978-3-86717-567-8

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Sezessionskrieg

Die Abspaltung der durch Plantagen-wirtschaft und Sklavenhaltung ge-prägten Südstaaten vom industriali-sierten Norden der USA entzündete 1861 den Amerikanischen Bürgerkrieg, den blutigsten Konflikt, der jemals auf amerikanischem Boden ausgetragen wurde. Nach vier Jahren siegten die in der Union verbliebenen Nordstaaten über die personell wie materiell unter-legenen Konföderierten. Für den preu-ßischen Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke war dieser Szessionskrieg ein »Scharmützel zweier bewaffneter Pöbelhaufen, die sich durch das Land verfolgten und von denen nichts ge-lernt werden kann«. Oberflächlich be-trachtet könnte man dem Chef des Großen Generalstabs zustimmen, ver-fügten doch bei Ausbruch des Krieges weder die Nord- noch die Südstaaten über ein schlagkräftiges reguläres Mili-tär. Beide Seiten konnten zunächst nur provisorische, aus Freiwilligen- und Milizverbänden zusammengestellte Armeen in die Schlacht führen. Moltke übersah aber den grundlegenden Wan-del, den die Kriegführung angesichts des technischen Fortschritts genom-men hatte. Der Amerikanische Bürger-krieg gilt heute als der erste »moderne« Krieg in der Geschichte.

Allgemeinverständlich und zugleich wissenschaftlich fundiert benennt Udo Sautter in seinem Überblickswerk Ur-sachen, Verlauf und Ergebnisse dieses Krieges. Er berücksichtigt die politi-schen, sozialen sowie wirtschaftlichen Aspekte und beschreibt anschaulich den durch Schützengräben, Minen, Maschinengewehre und Panzerschiffe bedingten Wandel der Kriegführung. Ergänzt wird die Darstellung durch 25 zeitgenössische Fotografien, zwei Überblickskarten, eine Zeittafel, ein Glossar und einige Leseempfehlungen. mn

Seelower Höhen 194�

»Der Schlüssel für Berlin« – so lautet der Titel eines sowjetischen Propaganda-plakates aus den letzten Kriegswochen. Es zeigt einen lächelnden Rotarmisten, der eine Granate in Schlüsselform im Arm hält, vor dem Hintergrund feuern-der sowjetischer Geschütze. Mit dem »Schlüssel« waren die über 60 Kilome-ter östlich von Berlin liegenden See-lower Höhen gemeint, ein strategisch günstig an der Oder liegender Höhen-zug, der von Truppenteilen der deut-schen 9. Armee verteidigt wurde. Die Rote Armee bereitete die Erstürmung dieses Geländes ab Februar 1945 akri-bisch vor, ehe sie am 16. April 1945 zum entscheidenden Angriff antrat. Nach heftigen Kämpfen durchbrach die angreifende 1. Weißrussische Front am 19. April endgültig die deutsche Verteidigung an der Oder und öffnete damit den Weg nach Berlin.

Die pünktlich 65 Jahre nach der Berli-ner Operation erschienene Arbeit von Uwe Klar und Gerd-Ulrich Herrmann, langjähriger Leiter der Gedenkstätte Seelower Höhen, der regelmäßig und fachkundig Besuchergruppen an die Orte des damaligen Geschehens im Oderbruch führt, bietet Informationen zu den politischen Hintergründen, der Vorbereitung, dem Verlauf sowie den Auswirkungen der Schlacht. Dazu zäh-len auf der Grundlage erstmals von deutscher Seite ausgewerteter Doku-mente der 1. Weißrussischen Front As-pekte der letzten sowjetischen Großof-fensive in Europa: der ebenso unkon-ventionelle wie unglückliche Einsatz von Flakscheinwerfern zur Unterstüt-zung eines Panzerangriffs, der Wett-lauf um Berlin zwischen den sowje-tischen Heerführern Schukow und Ko-new, Verluste der 1. Weißrussischen Front sowie raffinierte Aufklärungs- und Täuschungsmaßnahmen. Dem in-formativen und reich bebilderten Buch sind viele Leser zu wünschen. mp

Äthiopien 186�

Tewordos (Theodor) II., Kaiser von Äthiopien, richtete am 22. Oktober 1862 einen Brief an die britische Königin Victoria. Er bat darin um Unterstüt-zung für durch den Islam unterdrückte Christen. Das Schreiben wurde nie be-antwortet, was Tewordos II. erboste. Er setzte zunächst den britischen Konsul und im Weiteren über 60 europäische Geiseln in der äthiopischen Bergfes-tung Magdala fest. Dieses Vorgehen bedeutete einen Affront gegen das bri-tische Empire, das sich nun zum mili-tärischen Handeln veranlasst sah und seine Fähigkeiten zur Anwendung mi-litärischer Macht über weite Entfer-nungen hinweg einsetzte.

Gerd-Ulrich Herrmann und Uwe Klar, Der Schlüssel für Berlin. Hinter-gründe, Vorbereitung und Verlauf der Schlacht um die Seelower Höhen, Aachen 2010. ISBN 978-3-86933-022-8; 240 S., 19,90 Euro

Volker Matthies, Unter-nehmen Magdala. Strafexpedition in Äthiopien, Berlin 2010 (= Schlaglichter der Kolonialgeschichte, 11). ISBN 978-3-86153-572-0; 195 S., 24,90 Euro

Udo Sautter, Der Ameri-kanische Bürgerkrieg 1861–1865, Stuttgart 2009. ISBN 978-3-8062-2232-6; 208 S., 24,90 Euro

Ab Oktober 1867 erkundeten die Briten äthiopisches Gelände. In Mas-sawa am Roten Meer errichteten sie ei-nen Hafen und in Zulla eine logistische Basis. Die britische Militärmaschinerie konnte 1867 aus allen Teilen des Empi-res anrollen. Die Truppe selbst zählte lediglich 13 088 Mann, davon 9050 In-der und 4038 Briten. Das »Hilfs- und Trosspersonal« erhöhte die Stärke der Streitmacht jedoch auf 62 220 Mann.

Diese Kräfte besiegten am 13. April 1868 die äthiopische Streitmacht, ero-berten Magdala und befreiten die Gei-seln. Tewordos II. beging noch am Tag der Schlacht Selbstmord. Er wurde in Äthiopien als Held gefeiert, wie auch die britisch-indischen Truppen in ihrer Heimat. Über das gesamte Unterneh-men berichteten die zeitgenössische Presse und Memoirenliteratur ausgiebig.

Volker Matthies schildert die Macht-demonstration der Briten sehr anschau-lich. Er zeigt die enormen logistischen Schwierigkeiten ebenso wie die Aus-wirkungen des Unternehmens, und auch die interkulturellen Probleme werden ausgiebig dargestellt und ana-lysiert. hp

Lesetipp

26 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

Service

Page 27: :EITSCHRIFTFÓRHISTORISCHEILDUNG 2_2010 druckreif.pdf · B^a^i~g\ZhX]^X]iZ:EITSCHRIFTFÓRHISTORISCHE"ILDUNG ÌBÀ}iÃV V Ì V iÃÊ ÀÃV Õ }Ã> Ì ÊÊ Heft 2/2010 Militärgeschichte

Piraterie

Das Phänomen »Piraterie«, das in den letzten Jahren einen unübersehbaren Wiederaufstieg erlebt hat, ist in allen seinen Ausprägungen und Schichtun-gen zu vielgestaltig, um ihm mit dem Werkzeug »Marine« allein Herr wer-den zu können. Der im maritimen The-menbereich einschlägig ausgewiesene Autor Eigel Wiese unterlegt diese Kernbotschaft mit einer großen Anzahl von Kurzreportagen, die, jeweils zu-meist in sich abgeschlossen, die Pirate-rie in ihrer Vielgestaltigkeit ausleuch-ten. Der Autor führt den Leser an die wichtigsten geografischen Schwerpunkte des »Piratenunwesens«. Er stellt so-wohl aufsehenerregende Piratenak-tionen als auch die manchmal mehr, manchmal weniger gelungenen Ret-tungsunternehmen in ihren Abläufen dar und analysiert sie. Die Opfer der Piraten – Seeleute, Passagiere, Reede-reien und nicht zuletzt die Finanziers des Seehandels – bilden ebenfalls eine Facette des Gesamtbildes, das dieses

chefs der UdSSR und der USA helfen, künftige drohende Krisen zu vermeiden.

Allein das Gerät und das militärische Personal, das im Oktober 1962 die UdSSR auf Kuba bzw. die USA in Flo-rida aufzubieten hatten, verdeutlichen die Gefahr eines Atomkrieges; darun-ter befanden sich etwa 36 sowjetische nukleare Mittelstreckenraten mit bis zu 2000 Kilometern Reichweite.

Die USA verhängten nach Verstrei-chen eines Ultimatums zum Abbau der sowjetischen Raketen eine Seeblockade über Kuba und versetzten ihre Streit-kräfte in höchste Alarmbereitschaft. Ein Deal zwischen den beiden Mäch-ten beendete die Krise: Abbau der so-wjetischen Startrampen und Abzug der Raketen von Kuba, im Gegenzug Rückholung der in der Türkei statio-nierten, gegen die UdSSR gerichteten US-Mittelstreckenraketen.

Bernd Greiner beschreibt anschau-lich den gefährlichsten Moment des Kal-ten Krieges, wobei er der Vorgeschichte und den drei Protagonisten Kennedy, Chruschtschow und Castro besonderes Augenmerk widmet. Er nimmt an, dass es mit anderen Staatsmännern an der Spitze der drei Staaten gar nicht zu ei-ner Krise gekommen wäre. Die nationale Sicherheit der USA sei zudem von der Raketenstationierung auf Kuba ange-sichts ihrer nach wie vor bestehenden nuklearen Überlegenheit nicht berührt gewesen, vielmehr sei es um das Aus-loten von Macht und das Sichern von Einflusssphären gegangen, wobei hier jedoch erstmals die beiden großen Kontrahenten direkt am Konflikt betei-ligt waren. Er beleuchtet zudem die Rolle von Geheimdiensten und Militärs – darunter auch von untergeordneten Kommandeuren. Ebenso findet die Nachgeschichte ihren Platz. Die Kuba-Krise als »Gipfelpunkt des Kalten Krie-ges«? Ja, konstatiert der Autor, doch keinesfalls ein Wendepunkt. mt

dat und nachmalige CDU-Politiker Jörg Schönbohm seine im Januar 2010 erschienenen Memoiren. Der Unterti-tel kokettiert – als weitere literarische Anspielung – bereits mit dem Ruf des streitbaren Politikers als ewiger »Gene-ral« und Bewahrer »des konservativen Tafelsilbers«. Schönbohm schreibt – in mehreren Exkursen ergänzt von seiner Frau Eveline – über seine Kindheit und Jugend, geprägt durch die Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone, seine 39 Jahre im Dienst der Bundes-wehr, in der er bis zum Inspekteur des Heeres aufsteigt und anschließend auf den Posten eines Staatssekretärs wech-selt, und von seiner späten politischen Karriere als Berliner Innensenator und schließlich Brandenburger Innenminis-ter. Die Schilderung persönlicher Ent-täuschungen spart er nicht aus, wie die von ihm erhoffte, aber von höherer Stelle verhinderte Berufung zum Gene-ralinspekteur der Bundeswehr, um, wie er selbst schreibt, am Ende seiner Lauf-bahn »Militär und Politik zu versöhnen«.

Schönbohm ist und bleibt, das stellt er auf knapp 450 Seiten heraus, ein be-kennender Konservativer, der den Weg in die Politik spät aber eindrucksvoll gefunden hat. Der Untertitel – in An-lehnung an Thomas Manns »Betrach-tungen eines Unpolitischen« von 1918 – wirkt unnötig aufgesetzt, ein Griff zu viel in den Zitatenschatz der Weltlite-ratur. Dem Leser liegen eher die Erinne-rungen eines streitbaren, aber ehrli-chen und wichtigen Protagonisten der deutschen Wiedervereinigung vor.

Rouven Wauschkies

Kuba-Krise 1962

Während des Kalten Krieges waren die Spitzen der beiden Blöcke über das so-genannte »Rote Telefon« verbunden. Es war eines der Ergebnisse der Kuba-Krise 1962 und sollte im Notfall durch das direkte Gespräch der Regierungs-

Eigel Wiese, Piraterie. Neue Dimensionen eines alten Phänomens, Hamburg 2010. ISBN 978-3-7822-108-9; 198 S., 24,90 Euro

Jörg Schönbohm, Wilde Schwermut. Erinne-rungen eines Unpoli-tischen. Mit Beiträgen von Eveline Schönbohm, Berlin 2010. ISBN 9783938844250; 461 S., 29,90 Euro

Bernd Greiner, Die Kuba-Krise. Die Welt an der Schwelle zum Atomkrieg, München 2010. ISBN 978-3-406-58786-3; 128 S., 8,95 Euro

Buch abdeckt. Schließlich wendet sich Wiese den Gegenmaßnahmen zu. Da-bei kommen auch Akteure aus den Be-reichen Versicherungen, Sicherheitsun-ternehmen, Marine oder Reedereien zu Wort. Abgerundet wird das Buch durch einen kurzen Blick hinter die Kulissen der Geldströme, die schon immer die Grundlage der Piraterie gebildet haben.

Fazit: Kein hochwissenschaftliches Nachschlagewerk mit Ewigkeitsan-spruch, aber ein guter, erster Überblick über das breit gefächerte Geschehen im weiten Feld der Piraterie.

Rüdiger Schiel

Schönbohm

»Wilde Schwermut« – mit diesem To-pos aus Ernst Jüngers »Marmorklip-pen« überschreibt der langjährige Sol-

2�Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

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Service Die historische Quelle

Compiègne, 21. Juni 1940 Bundesarchiv-Militärarchiv

Im Wald von Compiègne waren im Juni 1940 Kriegsbe-richterstatter der Propaganda-Kompanie 612, Bild-, Film- und Rundfunkberichterstatter sowie Journalisten aus al-ler Welt Zeugen der Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich. Dort, wo am 11. November 1918 die deutsche Heeresführung den Waffenstillstand unterzeichnen musste, hatte sich nun eine französische Delegation einzufinden – diesmal je-doch unter anderen Vorzeichen als 1918. Der Ort sollte die Symbolik der gelungenen Revanche für 1918 unter-streichen. In der Zwischenkriegszeit war der Wald bei Compiègne von den Franzosen zu einem nationalen Erin-nerungsort umgestaltet worden. Ein Gedenkstein, eine Statue Marschall Ferdinand Fochs und ein monumentales Siegesdenkmal mit einem durch ein Schwert sterbenden Reichsadler erinnerten an den französischen Sieg von 1918. In einer Museumshalle stand der ehemalige Eisen-bahnwagen Marschall Fochs. Für die Waffenstillstands-verhandlungen von 1940 wurde der Wagen aus dem Mu-seum geholt und wieder an seinen ursprünglichen Ort 1918 gerollt. Am 21. Juni 1940 war das französische Sie-gesdenkmal mit der deutschen Reichskriegsflagge ver-hüllt.

Um 15.15 Uhr fuhren Hitler und die Wehrmachtfüh-rung vor, besichtigten kurz den historischen Platz und be-stiegen den Salonwagen. Wenig später traf die franzö-sische Delegation, geführt von General Charles Hunt-ziger, ein. »Man merkt der französischen Delegation [...] die Überraschung und Erschütterung, ja die Bestürzung an, als sie den freien Platz betreten und diesen weltbe-rühmten Wagen frei vor sich sehen«, heißt es im Schrift-stück des unbekannten Kriegsberichters der Propaganda-Kompanie 612 (BArch, RH 45/19). Die französischen Un-terhändler schritten schweigend an der Ehrenkompanie

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

5�An historischer Stelle: Deutsche Soldaten vor dem Eisen-bahnwagen, in dem bereits im November 1918 ein Waffen-stillstand besiegelt worden war.

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vorbei und betraten den Salonwagen. Dort hatten bereits Hitler, Generaloberst Wilhelm Keitel, Generalfeldmar-schall Hermann Göring, Generaloberst Walther von Brau-chitsch, Großadmiral Erich Raeder und Reichsaußenmi-nister Joachim von Ribbentrop am Verhandlungstisch Platz genommen. Beim Eintritt der französischen Dele-gierten erhoben sich Hitler und seine Begleiter und grüßten militärisch. Nach der formellen Übergabe der Waffenstillstandsbedingungen verließen Hitler, Göring und andere Generale den Waggon. Keitel führte die Ver-handlungen weiter. Unter den Klängen des Deutschland-lieds und des Horst-Wessel-Lieds schritt Hitler die Ehren-kompanie ab. Die Waffenstillstandsverhandlungen zogen sich bis in den späten Abend, bis man sich auf den nächs-ten Morgen vertagte. Am 22. Juni 1940 um 18.50 Uhr wur-den schließlich die Vertragstexte von beiden Seiten unter-zeichnet.

Nina Janz

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Militärgeschichte kompakt

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010 29

Die Kapitulationsbedingungen von Compiègne überließen der französischen Regierung in Vichy neben Südfrankreich und den Kolonien auch die Kontrolle über die Armee und die Flotte. Das Gros der französischen Schiffe lag Anfang Juli im algerischen Mers-el-Kébir, besser bekannt als Oran. Die britische Regierung fürchtete – trotz eines gegenteiligen französischen Versprechens –, die Schiffe könnten in deut-sche Hände fallen und dann im Kampf gegen das Empire zum Einsatz kommen. Daher entschied Premierminister Winston S. Churchill, den Franzosen ein Ultimatum zur Übergabe zu stellen. Den Auftrag, die französische Flotte zu übernehmen oder zu versenken, erhielt die in Gibraltar stationierte Force H unter Admiral James Somerville. Er übermittelte den Franzosen am 2. Juli drei Möglichkeiten: 1. Fortsetzung des Kampfes gegen Deutschland auf briti-scher Seite, 2. Internierung der Schiffe in einem britischen Hafen, 3. Internierung der Schiffe in entfernten französi-schen Kolonien in der Karibik oder in den USA. Am Mor-gen des 3. Juli verminten die Briten zunächst die Hafenein-fahrt von Mers-el-Kébir. Der französische Admiral Marcel Gensoul ließ das Ultimatum unbeantwortet verstreichen. Das Schlachtschiff »HMS Hood« eröffnete daraufhin das Feuer auf die Schiffe des einstmaligen Verbündeten. Das Schlachtschiff »Bretange« kenterte und sank. Die Schlacht-schiffe »Dunkerque« und »Provence« wurden in flaches Wasser gesteuert, um ihr Sinken zu verhindern. Sie konnten später wieder flott gemacht werden. Dem Schlachtschiff »Strasbourg« gelang trotz der Minensperre die Ausfahrt auf die offene See. Nach unterschiedlichen Quellenangaben kamen bei dem Angriff mehr als 1000 Franzosen ums Leben. Die Operation gegen Oran stieß auf französischer Seite auf großen Unmut und schädigte das Verhältnis zwischen Vichy und London nachhaltig. Dennoch hielt die franzö-sische Flotte ihr Versprechen und lieferte sich nicht den Deutschen aus. Als die Wehrmacht im November 1942 die im südfranzösischen Hafen von Toulon liegenden Schiffe übernehmen wollte, wurden diese von ihren Besatzungen versenkt, darunter die »Dunkerque«, die »Provence« und die »Strasbourg«.

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1990 erlangte Namibia als eines der letzten afrikanischen Länder die Unabhängigkeit. Dem ging ein jahrzehntelanger militärischer und diplomatischer Unabhängigkeitskrieg vo-raus. Die vormalige deutsche Kolonie Südwestafrika wurde Ende des Ersten Weltkriegs Mandatsgebiet des Völker-bundes. Mandatsmacht wurde Südafrika, das in den 1940er Jahren auch die strikten Rassentrennungsgesetze der an die Macht gekommenen burischen Nationalisten auf Namibia ausdehnte.

Als die Vereinten Nationen (UN) am Ende des Zweiten Weltkrieges das Erbe des Völkerbunds antraten, forderten sie Südafrika wiederholt auf, Südwestafrika in die Freiheit zu entlassen. Aufgrund der Weigerung wurde Südafrika 1966 das Völkerrechtsmandat aberkannt. Die 1960 gegrün-dete South-West Africa People‘s Organisation (SWAPO), die namibische Unabhängigkeitsbewegung, wurde nun-mehr als politischer Vertreter der namibischen Interessen von den UN anerkannt und führte Angriffe von angolani-schem Boden aus. Die UN veröffentlichten eine Flut von Resolutionen, die das südafrikanische Engagement verur-teilten. Jedoch erst nachdem 1978 bei einem südafrikani-schen Luftschlag gegen ein SWAPO-Camp auf angolani-schem Boden zahlreiche Frauen und Kinder getötet worden waren, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolu-tion 435. Sie forderte den Abzug der südafrikanischen Trup-pen und sah die Einsetzung der United Nations Transition Assistance Group (UNTAG) vor, welche die Abhaltung freier Wahlen überwachen sollte. Doch erst zehn Jahre später, mit dem beginnenden Abzug der kubanischen Truppen aus Angola, erklärte sich Südafrika bereit, Namibia freizuge-ben, sodass am 31. März 1989 die ersten UNTAG-Truppen auf dem Flughafen in Windhoek landeten. Auch die Bun-desrepublik und die DDR entsandten September 1989 Poli-zeikontingente nach Namibia, die dort gemeinsam mit an-deren Nationen sechs Monate Dienst taten. Trotz Anfangs-schwierigkeiten wird die UNTAG-Mission als Erfolg ge-wertet, da Namibia in eine stabile Unabhängigkeit entlassen werden konnte. Seit 1990 regiert die SWAPO, durch Wahlen mehrfach demokratisch legitimiert, Namibia.

Bodo Erler

3. Juli 1940 1990

Operation Catapult Namibia wird unabhängig

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3�Die Unabhängigkeitsfeier in Namibia am 21. März 1990.

3�»Vergesst Oran nicht!« Plakat der französischen Vichy-Regierung.

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• Berlin

Geschichte deutscher Luftstreitkräfte seit 1884Luftwaffenmuseum der BundeswehrKladower Damm 18214089 Berlin-GatowTelefon: 0 30 / 36 87-26 01www.luftwaffenmuseum.deDauerausstellungDienstag bis Sonntag9.00 bis 18.00 UhrEintritt frei

• Faßberg

Bundeswehr im EinsatzHaus Schlichternheide/SoldatenheimGroße Horststraße 2029328 FaßbergTelefon: 0 50 55 / 17 25 03Bw: 90-2566-250312. August bis 19. September 2010täglich 8.00 bis 16.00 UhrEintritt frei

• Großbeeren

Preußische TraditionenPrivatmuseum Preußische TraditionenBerliner Straße 123 c14979 GroßbeerenTelefon: 033701 / 559 49 oder 0172-527 45 86Führungen und Veranstaltungen nach Absprache

• Herne

AufRuhr 1225! Ritter, Burgen und IntrigenLWL-Museum für ArchäologieWestfälisches Landes-museumEuropaplatz 144623 HerneTelefon: 02 32 3 / 94 62 80www.lwl-landesmuseum-herne.debis 28. November 2010Dienstag bis Sonntag9.00 bis 17.00 Uhr(Wochenende ab 11.00 Uhr)Eintritt: 3,50 Euroermäßigt: 2,00 Euro

• Kummersdorf

Ständige Ausstellungund Geländeführungen Historisch-Technisches MuseumVersuchsstelleKonsumstraße 515838 Am Mellensee, OT Kummersdorf-GutTelefon: 03 37 03 / 7 70 48www.museumkummersdorf.deSonntag 13.00 bis 17.00 UhrFührungen nach Anmeldung

• Ludwigsburg

Unter dem Takt- und Tambourstock –Militärmusik in Württemberg im Wandel der ZeitGarnisonmuseum Ludwigsburg Asperger Straße 5271634 LudwigsburgTelefon: 0 71 41 / 9 10 24 12www.garnisonmuseum-ludwigsburg.debis 19. Dez. 2010Mittwoch 15.00 bis 18.00 UhrSonntag 13.00 bis 17.00 Uhr(und auf Anfrage)Eintritt: 2,00 Euroermäßigt: 1,00 Euro

• Nordholz

Claus Schenk Graf v. StauffenbergAERONAUTICUMDeutsches Luft-schiff- und Marine-fliegermuseum

Peter-Strasser-Platz 327637 NordholzTelefon: 04 74 1 / 18 19-13 oder -11www.aeronauticum.debis 24. Oktober 2010täglich10.00 bis 18.00 UhrEintritt: 6,50 Euroermäßigt: 2,50 Euro

• Prora

Dauerausstellung zur NVA-GeschichteObjektstraße Block 3/Treppenhaus 218609 Prora Telefon: 03 83 93/ 32 69 6http://www.kulturkunst statt.de/nva.htmlGanzjährig täglich geöffnetEintritt: 6,50 Euroermäßigt: 3,50 Euro

• Seelow

Die Schlacht um die Seelower Höhen im April 1945Gedenkstätte/MuseumSeelower HöhenKüstriner Straße 28a15306 SeelowTelefon: 0 33 46 / 5 97www.gedenkstaette-seelowerhoehen.deDauerausstellungDienstag bis Sonntag10.00 bis 16.00 UhrEintritt: 3,00 Euroermäßigt: 1,50 Euro

• Wünsdorf/Zossen

»Russischer Soldatenalltag«Garnisonsmuseum WünsdorfGutenbergstraße 9 15806 ZossenTelefon: 03 37 02 / 65 4 51www.garnisonsmuseum-wuensdorf.euDauerausstellungMontag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 UhrEintritt: 2,50 Euro

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5�SED-Chef Walter Ulbricht und der 1959 als Matrose dienende Konteradmiral Felix Scheffler.

Service

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Ausstellungen

MilitärgeschichteZeitschrift für historische Bildung

VorschauDie Jahre 1989/90 markieren das Ende des Ost-West-Konfliktes. Seither hat sich die si-cherheitspolitische Lage der Bundesrepublik Deutschland stark verändert. Aus den zwei Armeen im Kalten Krieg wurde die eine dras-tisch reduzierte Armee im weltweiten Ein-satz. Rudolf J. Schlaffer blickt auf das 20-jäh-rige Jubiläum der Armee der Einheit zurück und skizziert wichtige Meilensteine jüngster deutscher Militärgeschichte.

Thomas Lindner stellt eine der blutigsten Schlachten des 18. Jahrhunderts vor. Am 3. No-vember 1760 wollte Friedrich II. mit seiner 58 500 Mann starken Armee bei Torgau den Zusammenschluss der österreichischen und der Reichsarmee verhindern. Daher griff er die Österreicher in Stärke von 52 000 Mann an. Erst um neun Uhr abends stand sein Sieg fest. Auf preußischer Seiten fielen über 16 700 Soldaten, die Österreicher hatten 15 200 Tote zu beklagen.

Helmut Rübsam leistet mit seinem Artikel über die Planungen zum Angriff auf den Suezkanal im Ersten Weltkrieg einen Beitrag zum Verständnis der geostrategischen Ge-samtsituation eines Konfliktes. Der Suez-kanal war die Lebensader des britischen Em-pire und der wichtigste Verbindungsweg zur Kronkolonie Indien. So verwundert es nicht, dass das Deutsche Reich und das mit ihm verbündete Osmanische Reich den Kanal an-greifen wollten.

Klaus Storkmann schließlich berichtet von der Anwendung des »Chinesischen Prinzips« in der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR. Ranghohe Offiziere mussten in der chi-nesischen Volksbefreiungsarmee für eine be-stimmte Zeit als einfache Soldaten Dienst tun. In ihrer Frühzeit übernahm die NVA dieses System. hp

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Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

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14. Juli 1994: Deutsche Schützenpanzer auf französischer Militärparade

Militärgeschichte im Bild

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An der traditionellen Militärparade zum französischen Nationalfeier-

tag nahmen 1994 auch erstmals deut-sche Soldaten mit ihren Schützen-panzern des Typs Marder teil. Paraden dienen nicht nur der Präsentation mili-tärischer Macht. Sie sind zugleich Aus-druck staatlicher Souveränität. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich bislang dieses Zeremoniells enthalten. Bis zum Inkrafttreten des »Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland«, des Zwei-plus-Vier-Vertrages, am 15. März 1991

war die Bundesrepublik Deutschland ohnehin nur eingeschränkt souverän. Angesichts des Missbrauchs militä-rischen Prunks während der national-sozialistischen Diktatur galt seit den Anfängen des westdeutschen Verteidi-gungsbeitrages Zurückhaltung im mi-litärischen Zeremoniell geradezu als Markenzeichen einer Bundeswehr »ohne Pauken und Trompeten«.

Es ist indes kein Zufall, dass die erst-malige Teilnahme deutscher Panzer des Eurokorps an der nationalen fran-zösischen Parade ausgerechnet 1994 stattfand. Am 1. Oktober 1993 war auf-grund eines Beschlusses auf dem deutsch-französischen Gipfeltreffen von La Rochelle vom 22. Mai 1992 das Eurokorps gegründet worden. Einen Monat später wurde es in der »Europa-stadt« Straßburg der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Einrichtung eines deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrates (1987) und der deutsch-französischen Brigade (1989) ebneten den Weg dorthin. Gleichzeitig endete vertragsgemäß im selben Jahr die sowjetische Militärpräsenz auf deutschem Boden: Am 25. Juni 1994 hatten sich die russischen Streitkräfte mit einer Parade in Berlin aus Deutsch-land verabschiedet. Am 12. Juli bestä-tigte das Bundesverfassungsgericht im »Out-of-area-Urteil« die Verfassungs-mäßigkeit des Einsatzes deutscher Truppen außerhalb des NATO-Ge-bietes. Diese Entscheidung wiederum stand in engem Zusammenhang mit der Entwicklung des Krieges in Bos-nien-Herzegowina: Zum Schutz der belagerten bosnischen Hauptstadt Sa-rajevo hatte die NATO im April einen Kreis von 20 Kilometern um die Stadt zur Sperrzone erklärt. Deren Einhal-tung sollte notfalls mit Waffengewalt erzwungen werden.

Die Parade im Juli 1994 in Paris fand also einerseits zu einem Zeitpunkt statt, als die Bundesrepublik Deutsch-

land die militärische Souveränität er-langte, andererseits zeigte sie aber auch, dass Deutschland die Souveräni-tät nur im Verbund mit seinen europä-ischen Partnern hatte erreichen kön-nen. Nationale Alleingänge sollten ein für allemal der Vergangenheit angehö-ren. Der deutsch-französischen Aus-söhnung und Freundschaft kommt in diesem Zusammenhang eine Schlüssel-funktion zu. Nicht umsonst sind sie seit der Regierungszeit Konrad Ade-nauers unverzichtbarer Bestandteil der bundesdeutschen Staatsraison.

Die Symbolik an diesem Julitag hätte stärker nicht sein können: Die deut-schen Panzer rollten die Champs Ely-sées entlang, umrundeten den Arc de Triomphe (Triumphbogen). Dieser war 1806 nach der Schlacht von Austerlitz errichtet worden. Der Sieg Kaiser Na-poleons I. bei der sogenannten Dreikai-serschlacht hatte dem Heiligen Rö-mischen Reich deutscher Nation den Todesstoß versetzt. Unterhalb des Tri-umphbogens befindet sich der Sarg des unbekannten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg mit der »flamme de souve-nir« (Flamme der Erinnerung). Dort findet traditionell am 11. November, dem Tag des deutsch-französischen Waffenstillstandes von 1918, eine ein-drucksvolle Gedenkfeier statt. Der Platz ist nach dem französischen General, Präsidenten und Wegbereiter deutsch-französischer Freundschaft, Charles de Gaulle, benannt.

Die Bilder zeigen die deutschen Schüt-zenpanzer vor dem Arc de Triomphe. Als nationales Hoheitszeichen tragen die Marder das 1813 anlässlich der Be-freiungskrieg gestiftete und 1870/71 so-wie in den beiden Weltkriegen jeweils neu aufgelegte Eiserne Kreuz. Und im Hintergrund wehen »les couleurs«, die blau-weiß-rote französische Trikolore.

Agilolf Keßelring

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2010

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Julian-André Finke, Hüter des Luftraumes? Die Luftstreitkräfte der DDR im Diensthabenden System des Warschauer Paktes. Hrsg. vom MGFA, Berlin: Ch. Links 2010, XII, 395 S. (= Militärgeschichte der DDR, 18), 34,90 Euro, ISBN 978-3-86153-580-5

Militär und Staatssicherheit im Sicherheitskonzept der Warschauer Pakt Staaten. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes und der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR hrsg. von Torsten Diedrich und Walter Süß, Berlin: Ch. Links 2010, X, 371 S. (= Militärgeschichte der DDR, 19), 34,90 Euro, ISBN 978-3-86153-610-9

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Luftstreitkräfte nahmen in den militärischen Planungen des Kalten Krieges auf beiden Seiten des Eisernen Vorhanges eine zentrale Stellung ein. Vor allem die mitteleuropäischen Staaten sahen sich aufgrund einer mögli­chen atomaren Bedrohung aus der Luft gezwungen, ihre Luftverteidigung auf supra nationaler Ebene in den Bündnissen zu organisieren. Die an der Nahtstelle der rivalisierenden Blöcke gelegene DDR war davon in ganz be­sonderer Weise betroffen.Julian­André Finke beschreibt die Integration der ostdeutschen Luftstreit­kräfte in das Luftverteidigungssystem des Warschauer Paktes und analy­siert zugleich, inwieweit die politische und militärische Führung der DDR eigene Spielräume bei der Ausgestaltung der Bündnisluftverteidigung auf ihrem Territorium besaß und in welchem Maße sie durch sowjetische Vor­gaben fremdbestimmt war.

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Machterhaltung – das war aus Sicht der herrschenden Parteien in den Staaten des sowjetischen Imperiums Hauptziel des inneren und des äuße-ren Sicherheitsapparates. Beide Apparate waren daher eng miteinander verflochten und kooperierten sowohl für den Fall innerer Unruhen als auch für einen möglichen Krieg. Bis 1987 verfolgte die Sowjetunion im Warschauer Pakt ein Offensivkonzept mit einem »System der Landesver-teidigung«, das mit beiden Komponenten des Staatsschutzes die Kriegfüh-rung sicherstellen sollte. In diesem Band rekonstruieren Militärhistoriker und Spezialisten für die Geschichte der Staatssicherheitsdienste aus Bulgarien, Deutschland, Rumänien, Serbien, Ungarn und den USA dieses Beziehungsgeflecht.

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