Post on 03-Jul-2020
Der Mensch im Zeitalter der neuen Medien aus Sicht der stationären
Rehabilitation
Dr. Petra Schuhler AHG Klinik Münchwies
Gaming
Chatting
Surfing
(…?....)
Computerspiele: Mehrpersonen-Online-Rollenspiele (MMORPG), Ego-Shooter-Spiele, Browserspiele Offlinespiele
Soziale Netzwerke „Facebook“
Zielloses Sammeln von Informationen, Musik-dateien, Filmen, Bildern
Diagnostische Merkmale des pathologischen PC/Internet-Gebrauchs
• wenigstens eine Form des Krankheitsbildes mit mehr als 30 Stunden/Woche schul-, ausbildungs- oder berufsfremd • dichotome Störung intrapsychischer und
interaktiver Funktionen in virtueller vs. realer Welt• Verlust eines angemessenen Realitäts-
bezugs• Negative körperliche, psychische
und soziale Folgen
Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch gaming - chatting - surfing
Am häufigsten: Gaming
Stationäre Reha-BehandlungMänner : Frauen
9 : 1
3 Kernfiguren
Tank Damage Dealer
Online-RollenspieleFaszination MassivelyMultiplayerOnlineRolePlayingGame
Healer
• Telepräsenz
• Immersion
• Passung zwischen innerem Bedürfnis und medialem Angebot
Merkmale der PC/Internet-Aktivität
Soziale Welt der PC-/Internet-Angebote
„Ich habe über 120 Freunde im Spiel, die haben mir alle zum Geburtstag gratuliert.“
„Ich habe über 120 Freunde im Spiel, die haben mir alle zum Geburtstag gratuliert.“
„Wenn mir einer dumm kommt, dann entfreunde ich mich von ihm und setze ihn auf die ignore-Liste.
Praktisch um überflüssige Kontakte auszusortieren...“
„Wenn mir einer dumm kommt, dann entfreunde ich mich von ihm und setze ihn auf die ignore-Liste.
Praktisch um überflüssige Kontakte auszusortieren...“
„Offline? In der Wirklichkeit? Da bin ich nur ein müder Abklatsch meiner
selbst.“
„Offline? In der Wirklichkeit? Da bin ich nur ein müder Abklatsch meiner
selbst.“
„Im PC, da werde ich zu dem, was ich sein kann. Das ist meine Welt. Da bin ich wie ein Fisch im
Wasser.“
„Im PC, da werde ich zu dem, was ich sein kann. Das ist meine Welt. Da bin ich wie ein Fisch im
Wasser.“
Dichotome StörungIntrapsychischer und interaktiver Funktionen
Schaffensrausch:Ich bin WeltspitzeSchaffensrausch:Ich bin Weltspitze
Null Bock: es ist schwer,die Konsequenzen des
eigenen Handelns abzu-sehen, unheilvolle
Konstellationen zu erkennenoder die Chancen zu sehen,
das eigene Verhalten zuändern, „Biss“ zu entwickeln,
an einer Sache dran zubleiben, Durchzuhalten
Null Bock: es ist schwer,die Konsequenzen des
eigenen Handelns abzu-sehen, unheilvolle
Konstellationen zu erkennenoder die Chancen zu sehen,
das eigene Verhalten zuändern, „Biss“ zu entwickeln,
an einer Sache dran zubleiben, Durchzuhalten
Wo ich ganz bei der Sache bin?
Dichotome StörungIntrapsychischer und interaktiver Funktionen
Das Ich wird ideal erlebt: steht im Mittelpunkt, Anerkennung, Kontrolle, Macht, Erfolg, Attraktivität, Liebe in PC und Internet
Das Ich wird ideal erlebt: steht im Mittelpunkt, Anerkennung, Kontrolle, Macht, Erfolg, Attraktivität, Liebe in PC und Internet
Das Ich wird schwach er-lebt: an den Rand gedrängt,
unattraktiv, Ablehnung,Hohn, Angst, Beschämung,
Misserfolg in der Realität
Das Ich wird schwach er-lebt: an den Rand gedrängt,
unattraktiv, Ablehnung,Hohn, Angst, Beschämung,
Misserfolg in der Realität
Wie sich der Mensch sieht - Selbstwertregulation
Dichotome StörungIntrapsychischer und interaktiver Funktionen
Freude, Glück, Stolz,Schaffensrausch, Wärme
und Geborgenheit,konsequenzenarme Abfuhr
aggressiver Regungen,Erleben von Zugehörigkeitzu einer Gruppe, munterund unternehmungslustig
Freude, Glück, Stolz,Schaffensrausch, Wärme
und Geborgenheit,konsequenzenarme Abfuhr
aggressiver Regungen,Erleben von Zugehörigkeitzu einer Gruppe, munterund unternehmungslustig
Angst-, Leere- und Schamgefühle, Angst vor
Aggressionen, konfliktscheu und isoliert, Lebens-
Hemmung
Angst-, Leere- und Schamgefühle, Angst vor
Aggressionen, konfliktscheu und isoliert, Lebens-
Hemmung
Mit viel Gefühl …
Dichotome StörungIntrapsychischer und interaktiver Funktionen
soziale Kontakte können besser kontrolliert werden, sind steuerbarer, eindeutiger, machen weniger Angst
soziale Kontakte können besser kontrolliert werden, sind steuerbarer, eindeutiger, machen weniger Angst
Große Hemmung im Kontaktmit anderen
Große Hemmung im Kontaktmit anderen
Im Umgang mit anderen
Was wirkt im virtuellen Raum?
- Identifikatorischer Sog- Imaginative und projektive Prozesse- Aufladung eines Selbstideals- Abfuhr starker negativer Affekte- Konsequenzenarme Kommunikation- „Leichte“ Kommunikation- Schaffensrausch
Mit welchem Ergebnis?Realität und deren Kommunikation treten zurück, magern ab, verlieren an Bedeutung, machen schließlich Angst
Merkmale der PC/Internet-Aktivität
• Immersion
- Zurücktreten der realen Erlebniswelt hinter die virtuelle Realität – Eintauchen in die virtuelle Welt
- Fokussierung der Aufmerksamkeit auf virtuelle Inhalte und Abläufe
- Zurücktreten der realen Lebenswirklichkeit
- Überwertiges Immersionserleben: Virtuelles Geschehen wird präferiert
Teilhabebeeinträchtigungen
Einschränkungen in der beruflichen Leistungsfähigkeit:
Konzentrations- und Reaktionsstörungen
Ausdauerfähigkeit
Defizite im Anpassungs- und Umstellungsvermögen
Vermeidungsverhalten
Interaktionelle Defizite
Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch bei Patient/Innen der stationären
psychosomatischen und Suchtrehabilitation
Schuhler, P.(1); Sobottka, B.(2); Vogelgesang, M.(1); Fischer, T.(2); Flatau, M.(1); Schwarz, S.(2); Brommundt, A.(2); Beyer, L(3); Petry, J.
(2010 – 2012)
(1) AHG Klinik Münchwies(2) AHG Klinik Schweriner See
(3) Hochschule für Gesundheit und Sport Berlin
Fragestellungen
Ist der pathologische PC-/Internet-Gebrauch ein eigenständiges Krankheitsbild?
Welche Unterschiede bestehen zu den Diagnosegruppen: pathologisches Glücksspielen stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen andere psychische Störungen im Indikations-gebiet Psychosomatik
Untersuchungsmerkmale
Soziodemografische Variablen
Soziale und berufliche Integration
Symptomatologie
Persönlichkeitsorganisation
Interpersonelle Probleme
Selbstwertregulierung
27%73%
44%56%
40%60%
59%41%
Partnerschaft (%)- ohne Partnerschaft- mit Partnerschaft
49%51%
58%42%
56%44%
66%34%
Erwerbstätigkeit (%)- ohne Erwerbstätigkeit- mit Erwerbstätigkeit
Gruppe andere psych. StörungenN=98
Gruppestoffgeb.Abhängig-keitN=97
GruppePath. Glücks-pielenN=100
GruppePath. PC-/InternetGebrauchN=100
Soziodemografische Merkmale
Ergebnisse
SymptomatologieVier-Gruppen-Vergleich
PC -/ Internet Glücksspielen Abhängigkeit andere psychische Störungen
Skalenmittelwerte
0 1 2 3
Depressivität (BDI)
Impulsivität (BIS)
Somatisierung (SCL-90R)
Zwanghaftigkeit (SCL-90R)
Unsicherheit im Sozialkontakt (SCL-90R)
Depressivität (SCL90-R)
Ergebnisse
PC -/ Internet Glücksspielen Abhängigkeit andere psychische Störungen
Skalenmittelwerte
0 1 2 3
Persönlichkeitsvariablen (NEO-FFI)Vier-Gruppen-Vergleich
Neurotizismus
Extraversion
Offenheit für Erfahrungen
Verträglichkeit
Gewissenhaftigkeit
Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch:eigenständiges Krankheitsbild –nicht Begleitsymptom einer anderen psychischen Störung
Zusammenfassung
Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch:
Zusammenfassung
Ausgeprägte Unterschiede bestehenzu stoffgebundenen Abhängigkeits-erkrankungen auf den Dimensionen:
- Persönlichkeitsorganisation- Depressivität- Selbstwertschätzung- interpersonelle Probleme
Anerkennung als eigenständige psychische Erkrankung
Soziale und berufliche Desintegration, ausgeprägte psychische und somatische Komorbidität begründen besondere Reha-bedürftigkeit und stationäre Verweildauer von 8-12 Wochen
Spezifisches Therapieprogramm bei PC-/Internet-Pathologie ist erforderlich
Schlussfolgerungen
Mehrdimensionale Therapie
KörpertherapieKörpertherapie
Psycho-therapiePsycho-therapie
ErgotherapieErgotherapie
SozialesTraining
SozialesTraining
Bewegungs-therapie
Bewegungs-therapie
Pharmako-therapie
Pharmako-therapie
Sozio-therapieSozio-
therapie
Berufs-trainingBerufs-training
Mehr-dimensionale
Therapie
Mehr-dimensionale
Therapie
Pre/Postvergleich SCL-90-R
Mittelwerte aus SCL-90-R Untersuchung, N=72Signifikante Mittelwertunterschiede, p<.05
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Therapiebeginn Therapieende
Literatur
Schuhler, P. & Vogelgesang, M. (2011) Abschalten statt abdriften. Weinheim: Beltz
Schuhler, P. & Vogelgesang, M. (2012) Pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Eine Therapieanleitung. Göttingen: Hogrefe (im Druck, April 2012)