Post on 17-Sep-2018
Die mit dem Plop’Humorvoll spröde in der Werbung, herb im Geschmack:
Die Flensburger Brauerei bringt norddeutsche Lebensart zu den Biertrinkern des ganzen Landes – und wächst damit
gegen den Trend. Das neue Ziel: Weltweit sollen es künftig mehr Menschen ploppen lassen
Hans-Peter Heyen (links) und Andreas
Tembrockhaus führen gemeinsam die
Flensburger Brauerei Emil Petersen
GmbH und Co. KG
Management_Best Practice 11Deutsche Bank_r e s u l t s
Kein Hopfen, keine Hefe, kein Gerstenmalz.
Ganz ohne den langen Weg durch Sudkessel
und Filteranlagen wird das Brauwasser bei
der Flensburger Brauerei auch pur abgefüllt. Etwas
Kohlensäure zugesetzt, fertig ist das Erfrischungs-
getränk. Verkauft wird das Mineralwasser, genauso
wie das Kernprodukt Bier, in bauchigen Flaschen
mit patentiertem Bügelverschluss. Es sei völlig ge-
schmacksneutral, wirbt die nördlichste Brauerei
Deutschlands – in diesem Fall ein Qualitätsmerk-
mal. Besonders beliebt sei das Mineralwasser
bei Unternehmen der Region, die es bei Meetings
auf den Tisch stellen, sagt Andreas Tembrockhaus,
der als Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing
verantwortlich ist. Das charakteristische Ploppen,
mit dem sich der Gummiring von der Flaschenöff-
nung löst, kann eine streng geschäftliche Atmo-
sphäre durchaus lockern. Den Werbeeffekt nimmt
Tembrockhaus gern mit.
Weg von alten Werbeklischees„Plop’“ – das ist das Markenzeichen von Flens.
Das Wort steht auf den Bierkästen über dem Fir-
menschriftzug, und auf der Homepage gibt es das
Geräusch gar als MP3-Download. Nicht nur bei
der Verpackung geht die Brauerei einen eigenen
Weg. Abseits der herrschenden Werbeklischees
hat sie ein unverwechselbares Image aufgebaut,
das ganz auf der norddeutschen Lebensart fußt.
Authentisch, humorvoll und sogar ironisch wird
geworben. Mit Erfolg: Auf dem schrumpfenden
deutschen Biermarkt legte die Flensburger Brau-
erei zuletzt deutlich zu: plus 15 und plus sieben
Prozent in den vergangenen beiden Jahren.
Es sind besondere Voraussetzungen, die das
Brauereigeschäft vom Lebensmittelsektor un-
terscheiden. Seit rund 100 Jahren dürfen auch in
Norddeutschland für die untergärigen Biere aus-
schließlich Wasser, Gerstenmalz, Hefe und Hopfen
verwendet werden. „Das ist der einheitliche Quali-
tätsmaßstab, auf den sich deutsche Brauer beru-
fen“, sagt Tembrockhaus. „Die Möglichkeiten zur
Differenzierung sind damit stark eingeschränkt.“
Kontrolle durch Mensch und Maschine: Probenentnahme in der computergesteuer-ten Brauanlage. 35 000 Flaschen kann die Brauerei pro Stunde abfüllen
Mitarbeiter sortieren beschä-
digte Flaschen aus: Durchschnittlich
35-mal wird jede Flens-Flasche wiederverwendet
Management_Best Practice12 Deutsche Bank_r e s u l t s
Zwar verweist Flens auf die Güte der eigenen Roh-
stoffe: Küstengerste von Nord- und Ostsee, Hefe aus
eigener Zucht und vor allem „das allerbeste Was-
ser“, sagt Hans- Peter Heyen. Mit 59 Jahren ist Heyen
ein erfahrener Braumeister – er arbeitete unter an-
derem für den Kölsch-Hersteller Küppers und die
Pils-Brauerei Jever. Gemeinsam mit dem früheren
Beiersdorf- und Tchibo-Manager Tembrockhaus
übernahm er 2010 das operative Geschäft, nachdem
sich die Eigentümerfamilie zurückgezogen hatte.
„Es gab zuvor einige schwierige Jahre“, sagt Heyen.
Die Flensburger Brauerei brauchte frischen Wind.
Rocker-Image wird zu engGanz bewusst stellt sich Flens in seiner öffentlichen
Selbstdarstellung gegen den Trend. Stoppelbärtige
Modellathleten in der Takelage eines Segelboots,
ausgelassene Menschen in feinem Zwirn, zum
ersten Schluck Bier werden verklärt die Augen ge-
schlossen – so sieht konventionelle Bierwerbung
aus. Ganz anders läuft das bei Flens. „Der Smoking
passt nicht zu uns“, sagt Tembrockhaus. Er setzt drei
kernige Typen auf eine Hollywoodschaukel. Zum
Beispiel die Werbung für das „Edle Helle“ von Flens-
burger, das milder ist als das klassische Pils: Mür-
risch schauen die drei auf die Flasche in ihrer Hand,
verziehen leicht den Mund. Kein Wort wird gesagt.
Schließlich drücken sie doch den Bügelverschluss
auf – plop’ plop’ plop’ – und setzen an. Schmeckt es
den dreien? Weiß man nicht. Bevor sie die Flasche
wieder absetzen, ist der Clip schon vorbei. Die Bot-
schaft kommt dennoch an – das Edle Helle zählt
zu den wachstumsstärksten Produkten von Flens.
Gegen den Mainstream – das ist das Gesetz,
dem das Management entschlossen folgt. Der
günstigeren Kronkorkenflasche erteilte man
schon vor 50 Jahren eine Absage. Bis heute sind
mehrere Beschäftigte nötig, um das Leergut
mühsam per Hand zu öffnen, das verschlossen
zur Brauerei zurückkommt. In den vergangenen
Jahren senkten Konkurrenten die Bittereinheiten,
damit das Bier milder schmeckt. Flens nicht. „Flens
bleibt herb, das passt zur See“, sagt Tembrockhaus.
„Wir können nur nach Süden wachsen“
Drei Männer, eine Schaukel: Knapp zehn Prozent des Umsatzes investiert die Flensburger Brauerei in Werbung – mit maximalem Effekt
Noch ohne eigenes Zutun startete Ende der Sieb-
zigerjahre der erste bundesweite Werbefeldzug.
Der Kieler Autor Rötger Feldmann veröffentlichte
unter dem Namen Brösel die ersten „Werner“-Co-
mics. Ein Selbstläufer für die Flensburger Brauerei.
Denn mit seinen Kumpels leerte der Motorrad-
freak in jedem Band Dutzende Bügelflaschen. Hö-
hepunkt des Werner-Wahnsinns: Beim ganz realen
Wettrennen zwischen Brösel und dem Kieler Wirt
Holgi im Jahr 1988 – selbst gebautes Zweirad ge-
gen Porsche – kamen 250 000 Zuschauer in das
friesische Dorf Hartenholm. Flens lieferte das Bier.
„Die Comics haben uns viel Bekanntheit ge-
bracht“, sagt Tembrockhaus. Er weiß aber, dass ein
Image, das allein auf dem Rocker-Faktor beruht,
auf Dauer nicht funktioniert. „Das wäre uns dann
doch zu eng“, sagt er. „Wir mussten aufpassen,
dass wir nicht allein in dieser Ecke landen.“ FOTO
S S
EIT
E 1
0-11
: MA
RC
US
DE
WA
NG
ER
(1),
FLE
NSB
UR
GE
R B
RA
UE
RE
I (2)
; FO
TOS
SEIT
E 1
3-14
: DPA
/CH
RIS
TIA
N C
HA
RIS
IUS
(3),
FLE
NSB
UR
GE
R B
RA
UE
RE
IManagement_Best Practice 13Deutsche Bank_r e s u l t s
Die derzeitige Werbestrategie zeigt, das es
auch breiter funktioniert – und die Flensburger
Brauerei trotzdem mit spitzem Bleistift rechnen
kann. Das weltberühmte Heavy-Metal-Festival
mit jährlich 75 000 Besuchern im nahe gelegenen
Wacken beliefert die Brauerei nicht mehr – inzwi-
schen wird dort Beck’s ausgeschenkt. „Da muss
man heute bezahlen, um dabei zu sein“, sagt Tem-
brockhaus. „Das wollen wir nicht.“ In der Fußball-
bundesliga, der wichtigsten Werbeveranstaltung
vieler Brauereien, macht sich das Unternehmen
ebenfalls rar – und sponsert günstiger die Spitzen-
handballer der örtlichen SG Flensburg-Handewitt.
Eine Chance für neue ProdukteAuch die geografische Lage prägt die Vermarktungs-
strategie. „Die Absatzgebiete um Brauereien lassen
sich mit den Ringen einer Zwiebel vergleichen. Nach
innen steigt der Marktanteil“, sagt er. „Wir haben
hier zu beiden Seiten das Meer. Statt 360 sind es
nur 180 Grad – und im Norden trinken die Dänen
lieber ihr eigenes Bier.“ Die Flensburger Brauerei
muss nach Süden hin wachsen. „Wir haben gar kei-
ne andere Wahl.“ Dabei wird es schon jetzt enger
auf dem deutschen Markt: Binnen zehn Jahren ist
der Bierkonsum um knapp neun Prozent gesunken.
Wie kann Flens da zulegen, zumal mit einem ver-
gleichsweise teuren Bier? Für Tembrockhaus spielt
es eine zentrale Rolle, dass sich das Unternehmen
im Gegensatz zu vielen deutschen Konkurrenten
noch in Familienbesitz befindet. „Die Großen sind
Flensburger in Daten1888: Fünf Flensburger Bürger
gründen die „Export-Brauerei“,
die später zur Flensburger
Brauereien A. G. wird.
1922: Flensburger Pilsener kommt
neu ins Sortiment.
1970: Absage an den kosten-
günstigen Kronkorken: Flensburger
bleibt beim Bügelverschluss.
1988: Die Marke wird über die
„Werner“-Comics bekannt.
Zum Rennen zwischen Zeichner
Feldmann und dem Kieler Wirt
Holgi – selbst gebautes Motor rad
gegen Porsche – kommen
250 000 Zuschauer.
2010: Die Familie Dethleffsen
übergibt das operative Geschäft
an Andreas Tembrockhaus und
Hans-Peter Heyen.
2016: Aufbau einer neuen
Abfüll- und Verpackungsanlage
für 17 Millionen Euro und
verstärkte internationale
Expansion.
anonym geworden, ihnen fehlt das Emotionale“,
sagt er. „Unsere Kunden trauen uns zu, dass wir
mit Liebe zum Detail brauen.“ Beweise der Be-
geisterung kommen auch per Post: „Wir erhalten
Karten von Leuten, die in den chilenischen Anden
oder in Schanghai unser Bier kaufen konnten.“
Tembrockhaus sieht mittelfristig Raum für bis zu
zehn Prozent Exportanteil – bislang sind es etwa
fünf Prozent.
Ganz ohne Zugeständnisse an neue Bedürfnisse
kommt auch Flens nicht aus. Rasch haben Heyen
und Tembrockhaus die Produktpalette ausgewei-
tet: Weizen, Frühlingsbock, Kellerbier, Radler und
Alkoholfreies zählen inzwischen zum Programm.
Dazu zwei Sorten Fassbrause – auch die herber als
die Konkurrenz aus dem Süden. „Wir geben allen
Produkten eine Chance“, sagt Tembrockhaus. „Aber
wenn wir sehen, dass das nichts wird, dann lassen
wir das auch wieder.“ Moderne Biermixgetränke
etwa wurden wieder aus dem Sortiment entfernt.
Beim Mineralwasser, dem einzigen nicht ge-
brauten Produkt, ist ein solcher Schritt nicht zu
erwarten. Denn es erzielt dank überschaubarem
Herstellungsaufwand eine traumhafte Marge. „Wir
verkaufen das Mineralwasser zum gleichen Preis
wie unser Bier“, sagt Tembrockhaus. Was denken die
wahren Flens-Fans wohl darüber, dass ihre Brauerei
nun auch Geschmackloses ausschenkt? Vermutlich
halten sie es wie die drei Herren in der Schaukel-
werbung: Hauptsache, es ploppt.
THOMAS MERSCH
Logistik 2016: Geliefert wird weltweit. Auch der ehemalige US-Außenminister Colin Powell ist bekennender Flens-Fan
Logistik in den Sechziger-
jahren: Geliefert wird nur in die Nachbarschaft
FOTO
S: F
LEN
SBU
RG
ER
BR
AU
ER
EI,
DPA
/CH
RIS
TIA
N C
HA
RIS
IUSK
OPA
LA
Management_Best Practice14 Deutsche Bank_r e s u l t s