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Die Physiker
Eine Tragikomödie von Friedrich Dürenmatt
Materialmappe
Materialmappe zu „Die Physiker“
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis......................................................................................................................... 2
1. Vorwort .................................................................................................................................... 3
2. Friedrich Dürrenmatt….............................................................................................................. 4
2.1 Dürrenmatts „21 Punkte zu den Physikern“ ......................................................................... 4
2.2 Weitere Werke .................................................................................................................... 5
3. Das Stück ................................................................................................................................. 6
3.1 Goldener, armer König Salomo............................................................................................ 6
4. Besonderheiten der Inszenierung .............................................................................................. 7
4.1 Das Regiekonzept ............................................................................................................... 7
4.1 Kostüme / Bühnenbild......................................................................................................... 8
5. Die Physiker – Eine Komödie ..................................................................................................... 9
6. Die wichtigsten Figuren .......................................................................................................... 13
7. Wissenschaft: Chancen und Gefahren ..................................................................................... 14
7.1 Atombombe: Die Verantwortung der Wissenschaftler.................................................. 16
7.2 Fritz Haber ........................................................................................................................ 17
7.3 Wernher von Braun – Held der Raumfahrt oder Kriegsverbrecher?..................................... 17
7.4 Gesellschaftliche Moral des Wissenschaftlers..................................................................... 18
8. Die Geschichte der Psychiatrie ................................................................................................ 20
8.1 Antike und Mittelalter...................................................................................................... 20
8.2 17. und 18. Jahrhundert................................................................................................... 21
8.3 18. Jahrhundert bis heute ................................................................................................ 21
8.3.1 Das dunkle Kapitel: Nationalsozialismus.......................................................................... 22
9. Der Beruf Kostümassistentin: Gabriela Wanzek........................................................................ 24
10. Ein Theater-Knigge ............................................................................................................... 27
11. Quellen................................................................................................................................. 28
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1. Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
die Tragikomödie „Die Physiker“ ist eines der bekanntesten Werke Friedrich Dürrenmatts. Es
beinhaltet zahlreiche Themen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wesentlich das
gesellschaftliche, wissenschaftliche und politische Leben bestimmten. Im Mittelpunkt steht
natürlich die Frage nach der Verantwortung von Forschung und Wissenschaft und deren -
zumindest manchmal - sehr zweifelhaften Folgen für die Menschheit. Das Thema hat bis heute
nichts an Brisanz eingebüßt. Anfang der sechziger Jahre dachte man dabei an die Kernspaltung,
heute an Retortenbabys, Klone, Präimplantationsdiagnostik und Gerätemedizin. Topaktuell bietet
das Stück also eine Möglichkeit, sich im Rahmen des Schulunterrichtes über sämtliche Probleme
der heutigen Gesellschaft zu beschäftigen.
In dieser Mappe finden sie zahlreiche Hintergrundinformationen über die Pforzheimer
Inszenierung, wie zum Beispiel das Regiekonzept, die Kostüme und die Einsichten in die Berufe am
Theater. Außerdem finden Sie hier viele Materialien, die für den Unterricht interessant sind, wie die
Geschichte der Psychiatrie, die Komödiengattung und die Wissenschaftsethik. Die Mappe dient zur
Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuches mit den Schülern, da sie außer den theoretischen
Auseinandersetzungen viele praktische Übungen und Diskussionsanregungen beinhaltet.
Wenn Sie noch Fragen oder Anregungen haben, können Sie gerne Kontakt mit uns aufnehmen. Wir
freuen uns immer über ein Feedback von Ihnen. Wir hoffen, Sie und Ihre Schüler bald als Gäste in
unserem Haus begrüßen zu dürfen und wünschen Ihnen viel Spaß beim Durchstöbern der
Materialmappe.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Theaterpädagoginnen am Theater Pforzheim,
Margarita Rudenstein, Nathalia Kahlert
Tel.: 07231 – 39 3259 oder 07231 – 39 1473
theater.paedagogik@stadt-pforzheim.de
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2. Friedrich Dürrenmatt…
wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen, einem Dorf im
Kanton Bern, als Sohn eines Pfarrers geboren. Sein
Großvater Ulrich Dürrenmatt war Redakteur einer
Landzeitung und Verfasser satirischer Gedichte. Sein Vater
wollte, dass Friedrich Theologie studiert. Dürrenmatt
wollte Maler werden, doch zu einem Kunststudium kam es
trotzdem nicht. Professionelle Maler machten sich
teilweise über seine Bilder lustig, deshalb wandte er sich
enttäuscht von der Kunst ab. Also studierte er nach seinem
Abitur 1941 Literatur, Philosophie und Naturwissen-
schaften in Bern und Zürich. 1946 heiratete er die
Schauspielerin Lotti Geißler und bekam einen Sohn und zwei Töchter mit ihr. Er begann mit dem
Schreiben von kleinen Erzählungen für verschiedene Zeitungen und verfasste Theaterkritiken und
Auftragsarbeiten, mit denen er seinen Lebensunterhalt finanzierte. In dieser Zeit probierte er sich
auch an Komödien. Diese blieben allerdings zunächst unbeachtet. Im April 1947 wurde schließlich
sein Stück „Es steht geschrieben“ im Schauspiel Zürich uraufgeführt. Sei dem wurde Dürrenmatt
berühmt. Einige seiner Stücke, wurden sogar verfilmt. Doch die bekanntesten blieben bis heute
„Der Besuch der alten Dame“ und „Die Physiker“.
Das Anliegen, dass Dürrenmatt an seine Werke hatte, war dass diese das Publikum irritieren und
zum Denken bewegen sollten, weshalb seine Werke von Recht und Unrecht, Macht und Gewalt
handeln.
Am 14. Dezember 1990 starb Friedrich Dürrenmatt in seinem Haus in Neuchâtel.
2.1 Dürrenmatts „21 Punkte zu den Physikern“
1. Ich gehe nicht von einer These, sondern von einer Geschichte aus.
2. Geht man von einer Geschichte aus, muss sie zu Ende gedacht werden.
3. Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre
schlimmstmögliche Wendung genommen hat.
4. Die schlimmstmögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Sie tritt durch Zufall ein.
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5. Die Kunst des Dramatikers besteht darin, in einer Handlung den Zufall möglichst wirksam
einzusetzen.
6. Träger einer dramatischen Handlung sind Menschen.
7. Der Zufall in einer dramatischen Handlung besteht darin, wann und wo wer zufällig wem
begegnet.
8. Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.
9. Planmäßig vorgehende Menschen wollen ein bestimmtes Ziel erreichen. Der Zufall trifft sie
immer dann am schlimmsten, wenn sie durch ihn das Gegenteil ihres Ziels erreichen: Das,
was sie befürchteten, was sie zu vermeiden suchten (z.B. Ödipus).
10. Eine solche Geschichte ist zwar grotesk, aber nicht absurd (sinnwidrig).
11. Sie ist paradox.
12. Ebenso wenig wie die Logiker können die Dramatiker das Paradoxe vermeiden.
13. Ebenso wenig wie die Logiker können die Physiker das Paradoxe vermeiden.
14. Ein Drama über die Physiker muss paradox sein.
15. Es kann nicht den Inhalt der Physik zum Ziel haben, sondern nur ihre Auswirkungen.
16. Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkungen alle Menschen.
17. Was alle angeht, können nur alle lösen.
18. Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.
19. Im paradoxen erscheint die Wirklichkeit.
20. Wer dem Paradoxen gegenübersteht, setzt sich der Wirklichkeit aus.
21. Die Dramatik kann den Zuschauer überlisten, sich der Wirklichkeit auszusetzen, aber nicht
zwingen, ihr standzuhalten oder sie gar zu überwältigen.
2.2 Weitere Werke
• Der Richter und sein Henker. Kriminalroman, erschienen zwischen 15. Dezember 1950 und
31. März 1951 in acht Folgen im Beobachter. Benziger, Einsiedeln 1952 (Verfilmt in 1975).
• Der Verdacht. Kriminalroman, erschienen zwischen 15. September 1951 und 29. Februar
1952: als Kriminalroman im Beobachter. Benziger, Einsiedeln 1953
• Die Stadt. Prosa I–IV. Arche, Zürich 1952 (enthält neun zwischen 1942 und 1946
entstandene Erzählungen, darunter Der Tunnel)
• 1949: Romulus der Grosse. Eine Komödie. – UA: 25. April, Stadttheater Basel, Regie: Ernst
Ginsberg)
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• 1953: Ein Engel kommt nach Babylon – UA: 22. Dezember, Münchner Kammerspiele, Regie:
Hans Schweikart
• 1956: Der Besuch der alten Dame. Eine tragische Komödie – UA: 29. Januar,
Schauspielhaus Zürich, Regie: Oskar Wälterlin
3. Das Stück Die Protagonisten des Stückes sind drei Männer, von denen sich zwei für die berühmten Physiker
Isaac Newton und Albert Einstein halten und einer, dem der König Salomo als Geist erscheint.
Letzterer, hat eine Formel in seinem Besitz, die in den falschen Händen zur Vernichtung aller
Menschen führen könnte. Die mysteriöse Erscheinung des Königs erfand er um sich vor einem
Missbrauch der Formel zu schützen. Die beiden Physiker sind Geheimagenten zweier rivalisierender
Geheimdienste und haben sich nur in das Irrenhaus einschleusen lassen um die Formel zu
bekommen und für ihre Zwecke zu gebrauchen.
Die Krankenschwestern kommen ihren Patienten langsam auf die Schliche, weshalb sie sterben
müssen. Möbius vernichtet die Formel, bevor die Polizei eintrifft. Und es gelingt ihm seine Kollegen
zu überzeugen, ihre Existenz aufgrund der Gefahr, die davon ausgeht, geheim zu halten. Allerdings
haben sie nicht mit Mathilde Zahnd, der Chefärztin gerechnet, die sich heimlich alle
Aufzeichnungen kopiert hat. Wie sich herausstellt, ist sie die einzige Verrückte in dieser Anstalt. Sie
glaubt unter anderem tatsächlich, im Auftrag des Königs Salomos zu handeln und will mit der
Formel die Weltherrschaft erringen. Die Physiker, die nun wegen der Morde offiziell als Verrückte
abgestempelt im Irrenhaus eingesperrt bleiben, haben keine Chance ihre Pläne zu verhindern.
3.1 Goldener, armer König Salomo
Dass Dürrenmatt die Geschichte des biblischen König Salomo als eine Parabel einer sich selbst
vernichtenden Menschheit nimmt, ist sicherlich kein Zufall. Denn als Sohn eines protestantischen
Pfarrers ist er mit den Geschichten aus der Bibel aufgewachsen.
„...Möbius, der erkennt, welche entsetzlichen Folgen seine Forschungen haben könnten, will die
Verantwortung übernehmen und seine Gedanken verbergen. Wie Ödipus will er das Schicksal
abwenden, die Prophezeiung von Unheil ungültig machen durch seine Klugheit. Und wie Ödipus
scheitert er, tragischer Held in seiner Hybris, komisch in einer Verblendung, die er für Überlegenheit
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hält. Möbius wählt die Maske des Irrsinnigen, dem König Salomo erscheint. Salomo ist Israels
bedeutendster König, Erbauer des Tempels, Herrscher weithin, erfolgsgekrönt im Krieg wie im
Frieden. Gesegnet mit Macht, Reichtum, aber vor allem auch mit Weisheit, Glauben und
Gerechtigkeit. Alles besitzt er, beherrscht er, alles neigt sich vor ihm. Er spricht und streitet mit
seinem Gott. 1000 schöne Frauen, von tributpflichtigen Fürsten geschenkt, leben in seinem Harem,
und der weise König lässt ihnen ihre Götter, Zeugnis seiner klugen Liberalität. Ein Fürst, ein Held,
ein Liebhaber und auch ein Philosoph und Dichter. Die biblischen Bücher der Sprüche, des
Predigers und das Hohe Lied werden ihm zugeschrieben. Gemahnt und gelehrt hat er, aber auch
der Liebe gehuldigt mit unvergleichlichen Versen: „ Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein
Siegel an deinen Arm! Denn die Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer unbezwinglich wie das
Totenreich; ihre Glut ist Feuerglut, eine Flamme des Herrn.“ Das Land blüht und gedeiht unter
Salomos Herrschaft, Glanz, Reichtum und Weisheit strahlen. Nach 40 Jahren Herrschaft aber
wendet sich Salomo von Gott ab, opfert auch anderen Göttern, und Gott straft ihn. Der Größte ist
der Elendste geworden, der arme König Salomo, der Möbius heimsucht. Auch hier eine Geschichte
der Hybris, die den Menschen zu Fall bringt. Die Weisheit ohne Gottesfurcht zerstört den Reichtum.
Wissen, nur genutzt zur hemmungslosen Ausbeutung der Natur, zerstört die Grundlagen allen
Lebens. Die anvertraute Erde ist durch die Hybris der Menschheit zu einem radioaktiv verseuchten
Planeten geworden, so lautet die letzte Erkenntnis von Möbius als Salomo…“ (Georgia Eilert)
Welche Querverweise und Themen aus dem Christentum hat Dürrenmatt noch in
„Die Physiker“ geschmuggelt?
4. Besonderheiten der Inszenierung
4.1 Das Regiekonzept
----- Von Regisseurin Sylvia Richter -----
Die Inszenierung soll am Anfang ihrer Gattung gerecht werden und die Leichtigkeit einer Komödie
vermitteln. Dafür wurde das Stück aus dem Salon der Villa des privaten Sanatoriums in den kleinen
Park vor der Villa verlegt. Die Natur im Park steht für Ordnung, eine schöne, saubere, scheinbar
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perfekte Welt voller „Gutmenschen“. Und plötzlich, eh man sich versieht, sitzt man in einem
Drama. Ein Mord nach dem anderen geschieht und die
Ärztin tut alles dafür, die Weltherrschaft an sich zu
reisen. Man sitzt vor einer dreckigen, ekligen,
schwarzen, klaustrophobischen Welt und fragt sich:
war alles Schöne von Anfang an nur eine optische
Täuschung, künstlich hergestellt, um den Schein zu
waren? Immerhin verfolgt Frl. Doktor ihre
wahnsinnigen Pläne schon seit geraumer Zeit. Auch die Figuren des Stückes sind so aufgebaut,
dass zwar fast alle einen Defekt haben, dieser aber nicht plakativ und auf den ersten Blick nicht zu
erkennen ist. So ist Frl. Dr. von Zahnd eine schöne Frau, kein Buckel, keine sichtbare körperliche
Missbildung. Erst gegen Ende des Stückes, als die durchaus attraktive Frau Doktor Ihre Perücke
abnimmt und der Zuschauer mit dem Anblick einer
hässlichen Glatze konfrontiert wird, wird einem
bewusst, wie viel untergründige Hässlichkeit in
dieser Frau steckt. Der Grund, dass dies nicht
bereits am Anfang der Inszenierung sichtbar wird
ist folgender: Der Zuschauer soll diese Figur
unvoreingenommen und neutral ansehen, damit er
nicht auf die Gedanken kommt, dass diese Frau
nur darum an die Macht will, weil sie ihr Äußeres
durch die hohe Stellung zu kompensieren versucht. Ihre Intelligenz und ihre Machtposition
innerhalb des Sanatoriums sollen vordergründig bleiben. Genauso verhält es sich auch mit den
anderen Figuren.
4.1 Kostüme / Bühnenbild
----- Von Bühnen- und Kostümbildner Stefan A. Schulz -----
Die Kostüme sind original im Stil der 60er Jahre gehalten, damit der Zuschauer alles aus der
Distanz beobachten kann, ohne sich zu sehr mit den Figuren zu identifizieren. Denn laut
Dürrenmatt muss man sich von einer Sache distanzieren, um darüber nachdenken zu können. Wäre
das Stück in die heutige Zeit versetzt, wäre der Zuschauer direkt mit aktuelle Problemen
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konfrontiert und könnte nicht den nötigen emotionalen Abstand gewinnen, um die Dinge kritisch
betrachten zu können.
Einige der Figuren haben kleine Macken, die aber nicht sofort auffallen oder die man nicht sofort
bewusst wahrnimmt. Gemeint sind beispielsweise die weißen Haare der drei Buben, Glatze bei Frl.
Doktor, Alkoholabhängigkeit des Inspektors. Ansonsten sind die Figuren sehr stilisiert und akkurat,
theatral leicht übertrieben, aber nicht plakativ.
Ebenso sind die kleinen Schäden und Macken im Bühnenbild erst auf den
zweiten Blick zu erkennen: Kunstrasen, leicht abgeblätterte Fassade der
prunkvollen Villa etc. Ab und zu huscht ein Alien durch das Bild. Er soll einen
Störeffekt haben, die Zuschauer wachrütteln. Der Zuschauer soll sich
wundern; wahrnehmen, dass irgendetwas in dieser perfekten Idylle nicht
stimmt. Ab der Mitte des Stückes verändert sich das Bühnenbild in ein kahles
Fabrikgelände. Eine Plane fällt herunter, der Rasen wird mit Industrieöl
verschmutzt, man sieht ein Metallgerüst, dort, wo vorher die Villa stand.
Dadurch soll die Fallhöhe von Vorher zu Nachher und die Ausbreitung der Schäden durch die
Industrialisierung auch visuell vermittelt werden.
Wenn man das Stück in die heutige Zeit versetzen wollte, wie könnten die
Kostüme der einzelnen Figuren aussehen? Ihr könnt die Kostüme beschreiben oder auch zeichnen.
5. Die Physiker – Eine Komödie
Dürrenmatt definiert sein Stück als eine Komödie. Dies ist, seiner Meinung nach, die einzig
mögliche Bühnenform, aus der heraus sich das Tragische noch erzielen lasse. Die Tragödie, so
Dürenmatt, zeigt eine überschaubare Welt mir klaren Regeln und Grenzen, wo der Held für sein
Schicksal selbst verantwortlich ist. Unsere Welt ist eine ganz andere, wo jeder in einem
Gesellschaftssystem eingeschlossen ist, aus dem es keinen Ausweg gibt und der Mensch nicht nach
freiem Willen handelt, sondern sich dem Willen anderer unterwerfen muss. Diese chaotische Welt
ist nur in einer Theaterform der Komödie darstellbar, meint Dürrenmatt. Zusätzlich schafft die
Komödie eine Distanz zum Zuschauer, der so unabhängig reflektieren und zu seinem eigenen Urteil
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kommen kann. Bei einer Tragödie ist der Zuschauer in einer eher mitfühlenden Position, er leidet
mit dem Helden mit. Um wichtige Schlüsse für das eigene Leben ziehen zu können, darf das nicht
passieren. Aus diesen Gründen entschied sich Dürrenmatt, dieses eher ernstere Thema des Stückes
in die Form einer Komödie zu verpacken.
Die klassische Komödie nimmt ihren Ursprung im antiken Griechenland. Zu Ehren des
Fruchtbarkeitsgottes Dionysos wurden fröhliche Festumzüge veranstaltet, bei denen die Feiernden
Chorlieder sangen, in dem die ruhmreichen Taten des Dionysus gepriesen wurden. Daneben kamen
improvisierte heitere Theatereinlagen zur Aufführung, aus welchen später eigenständige komische
Stücke entstanden.
Im Gegensatz zur Tragödie mit ihren drei Einheiten von Handlung, Ort und Zeit, hat die Komödie
einen lockeren Aufbau und nimmt keine Rücksicht auf die Aristotelischen Regeln. Einer der ersten
großen Komödiendichter im antiken Griechenland war Aristophanes. Er und seine Nachfolger
wurden zum lautstarken Sprachrohr für die Masse. In den komischen Stücken wurde das politische
System, die leitenden Staatsmänner und bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens
kritisiert. Gestaltet wurden die Werke durch allgemein verständliche heitere Form und einfachere
Sprache.
Man unterscheidet grob drei Typen der Komödie:
Charakterkomödie: Komödie, deren komische Wirkung weniger auf Verwicklungen
der Handlung, als auf der Darstellung eines komischen Charakters beruht.
Typenkomödie: Komödie, deren komische Wirkung auf dem Handeln bestimmter
stehender Typen beruht.
Situationskomödie: Komödie, deren komische Wirkung besonders durch Verwechslungen,
Verkettung überraschender Umstände, Intrigen o.Ä. entsteht.
Welchem der drei Komödientypen entspricht das Werk Dürrenmatts „Die Physiker“
am meisten? Kann man in diesem Fall von einer Mischform sprechen? Was spricht gegen eine
Komödie?
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Das Genre Spiel
Die Klasse wird in 3er Gruppen aufgeteilt. Jeder der Gruppen bekommt die untenstehende Szene in
die Hand und ein Filmgenre zugeteilt. Z.B. Komödie, Drama, Melodrama, Trickfilm, Western usw. Die
Gruppen lesen die Szene und improvisieren sie anschließend in jeweiligem Genre. Dafür haben die
Schüler ca. 10 min Zeit. Am Ende stellt jede Gruppe ihre Arbeit den anderen vor.
Auszug aus „Die Physiker“
EINSTEIN: Jetzt kommen wir nur noch aus dem Irrenhaus, wenn wir gemeinsam vorgehen.
MÖBIUS: Ich will ja gar nicht fliehen. Ich finde nicht den geringsten Grund dazu. Im
Gegenteil. Ich bin mit meinem Schicksal zufrieden.
NEWTON: Doch ich bin nicht damit zufrieden. Sie sind ein Genie und als solches
Allgemeingut. Kommen Sie mit mir! In einem Jahr erhalten Sie den Nobelpreis.
MÖBIUS: Soll ich den unschuldigen spielen? Es war meine Pflicht, die Auswirkungen zu
studieren, die meine Feldtheorie und meine Gravitationslehre haben würden. Das
Resultat ist verheerend. Eine Technik würde ermöglicht, die jeder Phantasie
spottet, falls meine Untersuchung in die Hände der Menschen fiele.
EINSTEIN: Das wird sich kaum vermeiden lassen.
NEWTON: Die Frage ist nur, wer zuerst an sie herankommt.
MÖBIUS: Sie wünschen dieses Glück wohl Ihrem Geheimdienst, Newton, und dem
Generalstab, der dahintersteht?
NEWTON: Warum nicht. Um den größten Physiker aller Zeiten in die Gemeinschaft der
Physiker zurückzuführen, ist mir jeder Generalstab gleich heilig.
EINSTEIN: Mir ist bloß mein Generalstab heilig.
NEWTON: So wie ich das sehe, Einstein, müssen unsere beiden politischen Systeme jetzt
wohl Möbius aus der Hand fressen.
EINSTEIN: Im Gegenteil. Er wird uns gehorchen müssen. Wir beide halten ihn schließlich in
Schach.
NEWTON: Wir beide halten wohl mehr uns in Schach. Unsere Geheimdienste sind leider auf
die gleiche Idee gekommen. Geht Möbius mit Ihnen, kann ich nichts dagegen
tun, weil Sie es verhindern würden. Und Sie wären hilflos, wenn sich Möbius zu
meinen Gunsten entschlösse. Er kann hier wählen, nicht wir.
EINSTEIN: Holen wir die Revolver.
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NEWTON: Kämpfen wir.
EINSTEIN: Es tut mir leid, dass die Angelegenheit ein blutiges Ende findet. Aber wir müssen
schießen. Aufeinander und auf die Wärter ohnehin. Im Notfall auch auf Möbius.
Er mag der wichtigste Mann der Welt sein, seine Manuskripte sind wichtiger.
MÖBIUS: Meine Manuskripte? Ich habe sie verbrannt, bevor die Polizei zurückkam. Um
sicherzugehen.
EINSTEIN: Es ist zum Wahnsinnigwerden.
NEWTON: Offiziell sind wir das ja schon.
EINSTEIN: Damit sind wir Ihnen endgültig ausgeliefert, Möbius.
NEWTON: Und dafür musste ich eine Krankenschwester erdrosseln und Deutsch lernen.
EINSTEIN: Während man mir das Geigen beibrachte. Eine Tortur für einen völlig
unmusikalischen Menschen.
MÖBIUS: Wir sind Physiker. Wir müssen wissenschaftlich vorgehen. Wir dürfen uns keinen
Denkfehler leisten, weil ein Fehlschluss zur Katastrophe führen müsste. Es gibt
Risiken, die man nicht eingehen darf: Der Untergang der Menschheit ist ein
solches. Was die Welt mit den Waffen anrichtet, die sie schon besitzt, wissen wir,
was sie mit jenen anrichten würde, die ich ermögliche, können wir uns denken.
Unsere Wissenschaft ist schrecklich geworden, unsere Kenntnisse tödlich. Es gibt
für uns Physiker nur noch die Kapitulation vor der Wirklichkeit. Wir müssen
unser Wissen zurücknehmen, ich habe es bereits getan. Es gibt keine andere
Lösung, auch für euch nicht.
EINSTEIN: Was wollen Sie damit sagen?
MÖBIUS: Ihr besitzt Geheimsender?
EINSTEIN: Na und?
MÖBIUS: Ihr benachrichtigt eure Auftraggeber. Ihr hättet euch geirrt. Ihr seid wirklich
verrückt.
EINSTEIN: Dann sitzen wir hier lebenslänglich.
NEWTON: Gibt es wirklich keinen anderen Weg?
MÖBIUS: Keinen.
EINSTEIN: Ich bin ein anständiger Mensch. Ich bleibe.
NEWTON: Ich bleibe auch. Für immer.
MÖBIUS: Ich danke euch.
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6. Die wichtigsten Figuren
Johann Willhelm Möbius: Ist einer der drei Physiker. Er hat eine revolutionäre Entdeckung
gemacht und befürchtet das Schlimmste, wenn diese in falsche Hände gerät. Also flüchtet er
mitsamt seiner Entdeckung in eine psychiatrische Einrichtung und gibt vor, mit König Salomo
persönlich zu sprechen, um seinen vorgetäuschten Wahnsinn zu untermauern. Am Ende findet er
die Kraft, seine Memoiren zu vernichten. Leider zu spät.
Herbert Georg Beutler, auch Newton, eigentlich Alec Jasper Kilton ist der zweite der drei
Physiker und ein Spion eines westlichen Geheimdienstes. Er gibt vor, geisteskrank zu sein und gibt
sich für Newton aus, um Möbius für seine Regierung auszuspionieren und ihn für seine Seite zu
gewinnen. Dafür musste er Deutsch lernen. Er verspricht Möbius den Nobelpreis und drängt ihn,
seine Entdeckungen der Menschheit zu übergeben. Eine Verantwortung des Wissenschaftlers für
seine Entdeckungen lehnt er ab, stattdessen schiebt er die Verantwortung der Allgemeinheit zu.
Ernst Heinrich Ernesti, auch Einstein, eigentlich Joseph Eisler ist der dritte Physiker im Bunde.
Er täuscht ebenfalls eine Geisteskrankheit vor und gibt sich als Einstein aus. Auch er ist ein Spion
und repräsentiert den Ostblock. Eisler fordert Möbius auf, sich für seine Regierung zu entscheiden
gibt aber zu, in seinem System nicht frei zu sein und keine Möglichkeit der politischen
Einflussnahme zu haben, kann daher auch keine Garantie für die moralische Verwendung der
Erfindung geben. Letztlich schiebt er die Verantwortung auf die politischen Machthaber ab.
Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd: Frl. Doktor ist die Besitzerin und Leiterin der
psychiatrischen Anstalt und die einzige Verrückte in dieser Einrichtung. Sie ist ein Mitglied einer
alten Adelsdynastie von reichen und bedeutenden Irren. Am Anfang spielt sie eine großzügige,
menschliche Ärztin. Am Schluss fällt jedoch ihre Maske und man erkennt, wie intelligent,
machtbesessen und skrupellos sie ist.
Richard Voß: Er ist der typische Kommissar in Hut und Mantel, der etwas überarbeitet wirkt. Im
ersten Akt ist er stark daran interessiert, die Mörder zu fassen, was er allerdings nicht kann, weil
diese offiziell für psychisch krank erklärt wurden. Im zweiten Akt hat er die irren Maßstäbe
akzeptiert und kann so ganz entspannt darauf verzichten, den Mörder unbedingt verhaften zu
müssen.
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Monika Stettler ist eine junge, etwas naive Krankenschwester. Sie durchschaut Möbius` Tarnung
und verliebt sich in ihn. Sie hält ihn für einen Genie. Monika ist es leid sich für Menschen
aufzuopfern, die ihr nichts bedeuten und will ab jetzt, nur für einen Mann da sein und sich um ihr
eigenes Glück kümmern. Also arrangiert sie die Entlassung von Möbius aus dem Irrenhaus und
leitet eine Heirat und einen Umzug in die Wege. In ihrer Begeisterung merkt sie nicht, dass Möbius
nicht von ihren Plänen angetan ist. So fühlt er sich gezwungen, Monika zu ermorden.
Pressekonferenz
Es werden Kärtchen mit allen Figuren aus den „Physikern“ erstellt, sowie mit bekannten Zeitungen
und Zeitschriften z.B. Spiegel, Bild, Brigitte, GEO, Frankfurter Allgemeine. Die Schüler ziehen jeweils
eine Karte und erfahren so, wer sie sind. Die Figuren und die Reporter der Zeitungen setzen sich in
2 Reihen gegenüber. Nun kann die Pressekonferenz beginnen. Die Reporter stellen ihre Fragen,
entsprechend ihrer Zeitschrift, an die Figuren. Diese beantworten die Fragen in „Ich-Form“.
Wer bin ich?
Die Schüler suchen sich eine Figur aus dem Stück „Die Physiker“ aus, ohne zu verraten, wen sie
gewählt haben. Nun bekommen sie ca. 5-10 min Zeit, um zu überlegen und auszuprobieren, wie
sich dieser Figur bewegt und was ihre typische Geste ist. Nun stellen sich alle in einer Reihe auf.
Einer nach dem anderen geht vor und führt seinen Gang mit Geste vor. Die anderen müssen
erraten, wer es ist.
7. Wissenschaft: Chancen und Gefahren
Um die Aussage des Stückes besser verstehen zu können, sollte man sich die politische Situation in
der Welt in den Jahren 1961-62 betrachten. Die Zeit war vom Koreakrieg, dem Mauerbau und der
Kubakrise geprägt. Die Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki lag nicht allzu lange zurück und
beschäftigte die Menschen immer noch. Die Supermächte Sowjetunion und die USA rüsteten sich
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auf, das Verhältnis der beiden Länder wurde immer angespannter. Die Angst vor dem möglichen
Atomkrieg lag in der Luft. In dieser Zeit schrieb Dürrenmatt sein Stück von dem scheinbar
verrückten Physiker Möbius, der eine Formel fand, die scheinbar das Potential hat, die Welt zu
zerstören, wenn sie in falsche Hände gerät. Darum gibt der Wissenschaftler sein Leben und seine
Forschung auf und flüchtet in eine Irrenanstalt. Was dann daraus wird, hat er nicht vorhersehen
können: Seine Schriften kommen in die Hände einer verrückten Irrenärztin, die damit Unheil
anrichten will.
Friedrich Dürrenmatt wollte auf einer Seite der Welt deutlich machen, dass es die Pflicht eines
Wissenschaftlers ist, für die Menschheit gefährliche, oder zumindest bei negativem Gebrauch
gefährliche, Entdeckungen oder Erfindungen dieser unbedingt ohne Ausnahme vorzuenthalten, um
sie zu schützen. Das Stück zeigt aber auch auf, dass es so gut wie unmöglich ist, wissenschaftliche
Ergebnisse auf Dauer erfolgreich zu verbergen.
„Auch gibt es keine Möglichkeit, Denkbares geheim zu halten. Jeder
Denkprozess ist wiederholbar. (…) Was einmal gedacht wurde, kann
nicht mehr zurückgenommen werden“
„Wir sind in unserer Wissenschaft an die Grenzen des Erkennbaren
gestoßen. (…) Wir haben das Ende unseres Weges erreicht. Aber die
Menschheit ist noch nicht soweit. (…) Unsere Wissenschaft ist
schrecklich geworden, unsere Forschung gefährlich, unsere
Erkenntnisse tödlich. Es gibt für uns Physiker nur noch die Kapitulation
vor der Wirklichkeit. Sie ist uns nicht gewachsen. Sie geht an uns
zugrunde, Wir müssen unser Wissen zurücknehmen (…). In der Freiheit
sind unsere Gedanken Sprengstoff. (…) Entweder bleiben wir im
Irrenhaus oder die Welt wird eins. Entweder löschen wir uns im
Gedächtnis der Menschheit aus, oder die Menschheit erlischt.“
Ob diese Forderung in der heutigen Zeit überhaupt eingehalten werden kann, ob die Wissenschaft
ein Mittel zum Zweck ist, der Profitsucht unterstellt oder doch kontrolliert werden kann, muss
diskutiert werden. Außerdem muss man bedenken, dass die Forschung viele Chancen mit sich
bringt, vorausgesetzt sie wird zu friedlichen Zwecken betrieben. Aber wo zieht man die Grenze
zwischen Chancen und Risiken? Und wie kann man sich davor schützen, dass etwas, was einst
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erfunden wurde, nicht doch irgendwann in die falschen Hände gerät und den Menschen schadet?
Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich die Wissenschaftsethik:
Die Wissenschaftsethik befasst sich mit den ethischen Aspekten der wissenschaftlichen Forschung.
Dies bezieht sich sowohl auf ethische Standards innerhalb der Wissenschaften als auch auf die
gesellschaftlichen Auswirkungen des Forschungsprozesses.
In letzen Jahren wurden mehrere Kommissionen gegründet, die auf diesem Gebiet tätig sind,
darunter:
• Die Weltkommission für Ethik in Wissenschaft und Technologie (COMEST), gegründet 1998
von UNESCO
• Das Referat für Technik- und Wissenschaftsethik (rtwe), zuständig für alle Hochschulen für
Angewandte Wissenschaften (Fachhochschulen) des Landes Baden-Württemberg
Wie viel Verantwortung hat die Wissenschaft? Hier einige Beispiele aus der Geschichte:
7.1 Atombombe: Die Verantwortung der Wissenschaftler
Nachdem im August 1942 in den USA der Bau einer Atombombe zum
vorrangigen Ziel erklärt worden war, übernahm der US-Physiker Robert
Oppenheimer die Leitung des Atomforschungszentrums in Los Alamos. Dort
arbeiteten Wissenschaftler aus aller Welt an dem Bau der Bombe.
Auch viele europäische Forscher, die in die USA emigriert waren, stellten sich
in den Dienst der US-Atomforschung, darunter die beiden Ungaren John von
Neumann und Edward Teller, die Deutschen Ernst Fuchs und Hans Albrecht Bethe, der Österreicher
Otto Robert Frisch sowie der Italiener Enrico Fermi.
Viele, der am Bau der Atombombe beteiligten Wissenschaftler, waren sich über die Konsequenzen
ihrer Forschungsergebnisse im Klaren. Die meisten lehnten aber die Verantwortung für die Folgen
ihrer Arbeit ab. So erklärte Oppenheimer schon am 31. Mai 1945 im Namen seiner Wissenschaftler-
Kollegen: “Zwar ist es wahr, dass wir zu den wenigen Bürgern zählen, die Gelegenheit hatten, den
Einsatz der Bombe sorgfältig zu erwägen. Indes erheben wir keinen Anspruch auf besondere
Zuständigkeit für die Lösung politischer, gesellschaftlicher und militärischer Probleme, die sich im
Gefolge der Atomenergie einstellen.“
Quelle: http://www.wissen.de/atombombe-die-verantwortung-der-wissenschaftler
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7.2 Fritz Haber
Der Name dieses Wissenschaftlers wird besonders mit der Entwicklung und
des Einsatzes von tödlich wirkenden Chemikalien (Beispiele: Chlor, Phosgen,
Senfgas) als erstes Massenvernichtungsmittel der Menschheitsgeschichte in
Verbindung gebracht (erster Einsatz am 22.04.1915 in Ypern; Resultat etwa
1.000 Tote und 10.000 Verletze). Trotz dieser Begebenheiten hat Haber 1919
den Nobelpreis bekommen - für das Haber-Bosch-Verfahren. Kurz nach dem
1. Weltkrieg hat Haber (zusammen mit anderes Wissenschaftlern) zwecks Herstellung von
Insektenvernichtungsmitteln) das Zyklon B entwickelt, welches später von den Nationalsozialisten
zum Massenmord an Juden verwendet wurde.
7.3 Wernher von Braun – Held der Raumfahrt oder Kriegsverbrecher?
War er ein Held der Raumfahrt oder ein Kriegsverbrecher? Auf jeden Fall war
Wernher von Braun ein Technik-Genie mit zweifelhafter Moral. Vor 100 Jahren
wurde der deutsche Raketenkonstrukteur geboren, der Hitlers Wunderwaffe
"V2" baute und die US-Astronauten ins All brachte.
Die drei jungen Männer, die mitten in Berlin Gegenstände in die Luft jagen,
sind Idealisten - ziemlich kaltschnäuzige Idealisten. Sie haben sich in den Kopf
gesetzt, eine Rakete zu entwickeln. Sie wollen ein Geschoss bauen, das sich aus eigener Kraft vom
Erdboden erhebt, durch den Himmel zischt und eines Tages zu fernen Planeten fliegt.
Auf einem verlassenen Schießplatz experimentieren sie deshalb Anfang der 1930er Jahre mit
Raketendüsen und Flüssigtreibstoffen. Manchmal waren sie erfolgreich. Oft gab es einfach nur
einen lauten Knall.
Die Berliner Raketenbastler haben ein großes Problem: Ihr Hobby ist kaum zu finanzieren. Das
ändert sich, als eines Tages eine schwarze Limousine vorfährt. Drei Männer steigen aus und
interessieren sich für die Raketen. Sie sind vom Militär, vom Heereswaffenamt. "Uns war das
ziemlich egal, wir brauchten Geld", wird einer der Bastler später sagen. "Moralische Bedenken
waren uns fremd, wir waren einzig daran interessiert, den Weltraum zu erkunden. Uns stellte sich
daher nur die Frage, wie wir die goldene Kuh am besten melken konnten."
Materialmappe zu „Die Physiker“
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Dieser junge Raumfahrtenthusiast hieß Wernher von Braun, damals gerade einmal 20 Jahre alt, ein
Visionär, genial und skrupellos zugleich. Jahrzehnte später sollte er sowohl die V2 als auch die
Saturn V entwickeln, Hitlers Vergeltungswaffe und Kennedys Mondrakete. Und er sollte immer dort
zur Stelle gewesen sein, wo es eine Kuh zu melken gab: bei den Nazis, die London mit einer
neuartigen Waffe vernichten wollten, beim amerikanischen Militär, das eine Rakete für seine
Atombomben suchte, bei einem jungen US-Präsidenten, der den kalten Krieg im Weltall gewinnen
wollte. Es war ein Leben für die Rakete, ein Leben für die Raumfahrt. Im März 2012 wäre Wernher
Magnus Maximilian Freiherr von Braun 100 Jahre alt geworden.
"Amoralischen Opportunismus" attestiert Michael Neufeld, Raumfahrthistoriker im National Air
and Space Museum in Washington, dem deutschen Raketenpionier. Mehr als 20 Jahre lang hat sich
Neufeld mit dem Leben von Brauns beschäftigt. Eine fast 700 Seiten starke Biographie ist daraus
hervorgegangen ("Wernher von Braun: Visionär des Weltraums - Ingenieur des Krieges", Verlag
Siedler). Neufeld sieht in von Braun den Prototyp eines Wissenschaftlers, der sich nicht um die
gesellschaftlichen und politischen Folgen seines Handelns schert. Wie einst Goethes Faust sei der
Physiker einen Pakt mit dem Teufel eingegangen - mit durchaus verständlichen Hintergedanken:
"Er wollte etwas erreichen, das seines Erachtens eine Verbesserung für die Menschheit bedeutet."
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wissen/jahre-wernher-von-braun-moralische-
bedenken-waren-uns-fremd-1.1315461
7.4 Gesellschaftliche Moral des Wissenschaftlers
Auf einem Küchentisch in Berlin ist Otto Hahn und Lise Meitner die erste künstlich herbeigeführte
Spaltung eines Atoms gelungen. Wenige Jahre später explodierten die Atombomben über
Hiroshima und Nagasaki. Seither hat sich das Kernwaffenarsenal der Atommächte ins
Ungeheuerliche, ins Unvorstellbare gesteigert. Ohne die vorangegangene wissenschaftliche
Leistung zweier Forscher hätte die Frage nach der Bewahrung des Friedens in der Gegenwart kaum
gleichzeitig zur Frage nach der Überlebenschance der menschlichen Spezies werden können.
Die vielfach aufgeworfene Frage ist also, ob Otto Hahn und Lise Meitner dafür Verantwortung
tragen. Gesetzt den Fall, die Frage nach der Verantwortung wäre – jedenfalls zu einem Teil – mit
„Ja“ zu beantworten: Wie sollte es eigentlich ein einzelner Forscher moralisch ertragen können, im
Schatten derartiger Gefährdung und eines möglichen moralischen Vorwurfs, noch
Grundlagenforschung oder angewandte Forschung zu betreiben?
Materialmappe zu „Die Physiker“
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Ich will ein anderes Beispiel wählen, das nicht ganz so spektakulär zu sein scheint, jedenfalls nicht
tödlich im physischen Sinne wie das erste, aber doch von sehr weitreichenden, bisher keineswegs
abgeschätzten Folgen: Ohne die Leistung der Forschung, ohne die Leistung einzelner Forscher und
Wissenschaftler wären die Grundlagen der Mikroelektronik nicht gelegt worden. (…)
Wie in vielen Fällen der Verkettung von Ursachen ist es natürlich leicht, sich mit dem Hinweis auf
die Verantwortung anderer zu exkulpieren, das heißt die causa efficiens bei anderen festzumachen.
Das bietet sich an. Die Anwender in der industriellen Umsetzung seien die Verantwortlichen, so
wird man es hören. Oder wenn es sich um Waffen oder um die Kultur insgesamt handelt, wird man
hören, die Politiker seien schuld.
Sicher, ohne einen Politiker wie Roosevelt und seine politischen Berater – übrigens auch ohne
Einsteins Ratschlag – wäre es vielleicht nicht zur Anwendung der Atombombe gekommen. Aber
ohne Otto Hahn und Lise Meitner und ohne andere Wissenschaftler hätte auch der Politiker nicht
die Möglichkeit gehabt, eine derartige Waffe in seine Pläne und in sein tatsächliches Handeln
hineinzunehmen.
Keiner von beiden, weder der Politiker noch der Wissenschaftler, kann die Verantwortung auf den
anderen abschieben. In der Verantwortung hängen sie vielmehr unauflöslich ineinander. Beiden
scheint es auf manchem Gebiet so zu gehen wie dem Zauberlehrling, dem die Kontrolle über den
wundertätigen Besen entglitten ist. Nun wird der Besen zum Unheil und niemand hat es gewollt.
Da bleibt das Schlupfloch, dass derjenige nicht wirklich verantwortlich und nicht wirklich moralisch
haftbar gemacht werden könne, der nicht in der Lage war, den Überblick über die möglichen
Folgen seines Tuns zu haben. Mir scheint dieses Schlupfloch weniger eine Entlastung, sondern
vielmehr die Herausforderung zu sein, sich den Überblick über mögliche Folgen des eigenen
Handelns zu verschaffen.
Sicherlich ist Entwicklung der Wissenschaft durch immer stärkere Spezialisierung gekennzeichnet.
Der fruchtbare Schoß der gemeinsamen Mutter Philosophie hat sie und alle ihre Vorgänger
nacheinander entlassen, nämlich alle jene Disziplinen, deren für uns Laien manchmal
abenteuerliche Aufspaltung jeder von Ihnen in Wirklichkeit auch miterlebt. Man braucht nur die
Kataloge der Lehrstühle und der Institute aufzuschlagen. Ich habe mir den Jahresbericht der Max-
Planck-Gesellschaft angeschaut und habe mich gefragt, wer in dem zuerst genannten Institut eine
Vorstellung von der Arbeit hat, die in dem zuletzt genannten Institut geleistet wird und umgekehrt.
Quelle: http://www.zeit.de/1982/25/gesellschaftliche-moral-des-wissenschaftlers/seite-3
Materialmappe zu „Die Physiker“
20
Assoziationskette
Alle Schüler stellen sich im Kreis auf. Sie bekommen ein Oberthema für diese Übung, wie z.B.
Wissenschaft, Theater, Psychiatrie. Einer fängt an und nennt einen Begriff zu diesem Thema und
läuft auf einen beliebigen Schüler zu. Bevor er bei diesem ankommt, muss der zweite Schüler
reagieren, in dem er das erste sagt, was ihm zu dem genannten Begriff einfällt und auf den
nächsten beliebeigen Schüler zuläuft. Dabei geht es nicht um Richtig oder Falsch – sondern darum,
schnell zu reagieren und seinen Impulsen zu folgen, ohne zu überlegen.
8. Die Geschichte der Psychiatrie
8.1 Antike und Mittelalter
Schon in der Antike bemerkte man psychische Störungen bei den Menschen. Man therapierte die
Patienten auf zweifachem Wege. Auf der einen Seite konzentrierte
man dich auf den Körper. Indem man die Körpersäfte Blut,
Schleim, Gelbe und Schwarze Galle reinigte. Das geschah z.B. mit
Hilfe von Massagen, Aderlässen, Diäten und Schröpfen. Auf der
anderen Seite versuchte man den Verstand zu fördern, indem man
die Kranken kritische Texte lesen ließ und sich um die Aktivierung der Patienten durch
Theaterspiele, Brettspiele oder auch Reisen bemühte. Der römische Autor Celsus hat erstmals
Regeln für den Umgang mit psychisch Kranken formuliert. Er beschreibt vor allem das heilsame
Gespräch = das einfühlende Eingehen auf die Patienten.
Im Mittelalter, beeinflusst durch das Christliche, entwickelte man andere Formen der psychischen
Beeinflussung. Neben dem Exorzismus war dies vor allem der Glaube an wundertätige Reliquien.
Eine dieser Reliquien ist das Grab der irischen Königstochter Dymphna in
Gheel in Belgien. Dort angekommen, übernachteten die kranken mit ihren
Angehörigen bei den Bauern. Schließlich begann man, die Kranken gegen
Entgelt bei den Bauern leben zu lassen, damit sie möglichst nahe bei den
Reliquien sein konnten. Die Kranken erwiesen sich als gute Einnahmequelle,
und die meisten waren in der Lage, bei der Feldarbeit zu helfen. Hier liegt die Wurzel für die heute
wieder praktizierte psychiatrische Familienpflege.
Materialmappe zu „Die Physiker“
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8.2 17. und 18. Jahrhundert
Im späten Mittelalter änderte sich die Situation dramatisch.
Krankheitssymptome wurden als Teufelswerk interpretiert
und die Betroffenen deswegen als Hexen oder Zauberer
von der Inquisition verfolgt. Die „Narren“ oder die „Tollen“,
wie die Kranken bezeichnet wurden, wurden unter
menschenunwürdigen Bedingungen zusammen mit
Strafgefangenen und allen, die sich den Forderungen des
„Zeitalters der Vernunft“ entzogen, in einen gemeinsamen
Raum gesperrt. Als „unvernünftig“ galten unter anderem Bettler, Vagabunden, Dirnen, Arbeitslose,
alle die eine eigene und vor allem eine andere politische Meinung hatten. So entstanden
sogenannte Spitäler, Arbeitshäuser und Zuchthäuser. Wer in so einer Einrichtung ankam, hatte
kaum eine Chance, wieder lebend herauszukommen. Sie
ähnelten eher Gefängnissen als Krankenhäusern. Gewalt
gegen Patienten oder unter Patienten war an der
Tagesordnung. Ärzte gab es nicht. Die Beaufsichtigung der
„Irren“ geschah durch die Wärter. Diese legten die unruhigen
und gefährlichen Patienten in Ketten und prügelten auf sie
ein. Oder zwangen sie, so wie alle andren zu schwerer
körperlichen Arbeit. Ansonsten ließ man die Kranken psychisch
verwahrlosen. Da Geisteskranke als unempfindlich gegenüber Hitze, Kälte, Hunger, Durst und
Schmerzen galten, ließ man sie fast nackt und gab ihnen nur wenig zu essen
und zu trinken.
An manchen Orten wurden psychisch Kranke einem zahlenden Publikum
vorgeführt, z. B. im 1784 gebauten „Narrenturm“ in Wien oder im Londoner
Irrenhaus „Bedlam“.
8.3 18. Jahrhundert bis heute
Schon im 17. Jahrhundert sahen immer mehr Ärzte Verhaltensstörungen als medizinisches Problem
an und lieferten präzise Beschreibungen psychiatrischer Krankheitsbilder. Zur Legende wurde zu
Beginn des 19. Jahrhunderts der Pariser Arzt Philippe Pinel. Er nahm den Geisteskranken die Ketten
ab und führte sie an die frische Luft. Des Weiteren engagierte er sich für die Anerkennung der
Psychiatrie als medizinisches Fachgebiet.
Materialmappe zu „Die Physiker“
22
Es entwickelten sich zwei psychiatrische Ansätze. Die einen Mediziner gingen davon aus, dass alle
psychischen Erkrankungen von körperlichen Erkrankungen ausgehen
und deswegen heilbar seien. Die sogenannten Psychiker sahen
dagegen Geisteskrankheiten als Erkrankung der körperlosen Seele
an, also als Folge von Sünden. Sie therapierten ihre Patienten mit
brutalen körperlichen Methoden, deren Zweck es war, die Seele zu
erschüttern. Einige der Maßnahmen waren z.B. Auspeitschen mit
Ruten, Stöcken und Peitschen und Foltermethoden wie dem
Drehstuhl (auf ihm wurde der Patient so lange gedreht, bis ihm Blut
aus Mund und Nase lief oder er das Bewusstsein verlor),
Schockkuren (Schneebad), Erzeugung körperlicher Erschöpfung
(Zwangsstehen, Brechmittel, Hungerkuren) oder die Einreibung der
Kopfhaut mit Substanzen, die schmerzhafte eitrige Geschwüre hervorriefen. Auch Ameisen,
Elektrizität und glühende Eisen kamen zum Einsatz.
Schließlich entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts an vielen Orten neue Stadtasyle, fast
immer in Form von Universitätskliniken. Dort wurden dann auch wieder Studenten unterrichtet.
Die Ausbildung der Ärzte ging teilweise wieder in die Hände der Universitäten über. Das
Bevölkerungswachstum erforderte allerdings immer höhere Behandlungskapazitäten. So wurden
überall noch mehr Anstalten gebaut, die in aller Regel noch heute in Gebrauch sind. Die
bevorzugte Architekturform waren malerisch in Parks verteilte Villen, in denen die Patienten
teilweise ausgesprochen komfortabel untergebracht waren.
8.3.1 Das dunkle Kapitel: Nationalsozialismus
1920 kam die Schrift mit dem Titel "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" heraus.
Angesprochen wurde der Tod vieler wertvoller Menschen, die im 1. Weltkrieg ihr Leben lassen
mussten, während die Insassen von "Idioteninstituten" ein sicheres Leben führten. Die Autoren
verlangten neben der Tötung von „unrettbar“ kranken, vor allem die Vernichtung „unheilbar
Blödsinniger“, da ihr Leben absolut zwecklos sei und sie eine furchtbar schwere Belastung für die
Angehörigen, wie für die Gesellschaft darstellten. Diese Schrift blieb zunächst ohne Resonanz, fand
aber 1934 im "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ den ersten Niederschlag. Alle mit
psychischen oder physischen Erbkrankheiten, mussten sich sterilisieren lassen, um eine
Vermehrung von "Ballastexistenzen", durch welche die "Volksgesundheit" gefährdet und das
Materialmappe zu „Die Physiker“
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Volksvermögen belastet werde, zu vermeiden. Alle Angehörigen von Heilberufen mussten
"Erbkranke" beim Amtsarzt anzeigen. Zuwiderhandlungen wurden strafrechtlich verfolgt.
Die Aktion T4: 1939 wurde schließlich durch einen geheimen Führererlass die Tötung psychisch
Kranker und geistig Behinderter veranlasst. Insgesamt wurden bis 1945 mehr als 150.000 psychisch
Kranke ermordet.
In der Nachkriegszeit war niemand an der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen interessiert. Die
Situation psychisch Kranker wurde von Politik und Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen.
Erst Ende der 70er Jahre wurden Bücher über die Psychiatrie im Nationalsozialismus beachtet und
verlegt.
Seit 1975 hat man das System der psychiatrischen Versorgung immer weiter differenziert und
verbessert.
Friedrich Dürrenmatt hat „Die Physiker“ 1961 geschrieben. Als Inspiration diente ihm
ein Besuch mit Übernachtung bei einer psychiatrischen Anstalt, die der Mann seiner
Cousine leitete. Der Eindruck, den er damals mitnahm, war „in eine von anderen
Gesetzen bestimmte Welt geraten zu sein“.
Skulpturenbau
Die Schüler werden in Zweiergruppen aufgeteilt. Einer ist ein Bildhauer und „formt“ aus dem
anderen eine Skulptur zu einem vorgegebenen Thema z.B. Schizophrenie oder Wahnsinn. Danach
benennt er diese. Es wird getauscht, nun darf der zweite Schüler ebenfalls Bildhauer sein. Am Ende
stellen sich alle in eine Reihe auf. Nun geht einer nach dem anderen vor, stellt sich, so hin, wie er
geformt wurde und nennt den Skulpturnamen in Ich-Form: „Ich bin der/die/das…“
Materialmappe zu „Die Physiker“
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9. Der Beruf Kostümassistentin: Gabriela Wanzek
Gabriela machte zuerst eine schulische Schneiderlehre in Stuttgart.
Anschließend ging sie auf die Staatliche Modeschule in Stuttgart und
machte eine Ausbildung zum Produktentwickler im Bereich Mode. Seit
der Spielzeit 2010/2011 ist sie am Theater Pforzheim als
Kostümassistentin engagiert.
GW- Gabriele Wanzek; TP – Theaterpädagogik
TP: Wie bist du auf deinen Beruf gekommen? Ist es für dich eine
Zwischenstation auf dem Weg zu einem größeren Ziel?
GW: Ich war als Kind auf der Waldorfschule, dort bekommst du ja sowieso sehr viel
Kulturgeschichte, Musik, Kunst und Theater vermittelt. In der achten und der zwölften Klasse
haben wir Stücke aufgeführt, wo ich mich sehr viel eingebracht habe, bei der Entwicklung der
Kostüme und auch darstellerisch. Dort habe ich gemerkt, dass die Bekleidung für mich wichtig ist
und habe mich entschieden, als Basis eine Schneiderlehre zu machen. Das war genau das Richtige
für mich, da mich der Schnitt allgemein und der Beruf der Gewandmeisterin so interessiert haben.
Als ich in der Modeschule war, habe ich angefangen, mich ebenso für den Entwurf zu interessieren.
Meine Lehrer haben zu mir gesagt: „Sie sind sehr theatralisch, Sie müssen unbedingt ans Theater“.
So habe ich mich entschieden, für den Anfang eine Kostümassistenz zu machen. Momentan bin ich
am Überlegen, ob ich weitere Assistenzen, ein Studium für den Kostümbildner oder des
Gewandmeisters mache, da bin ich ganz frei, je nachdem was klappen wird. Der Beruf des
Kostümbildners ist sehr Interessant, bringt aber alle Gefahren mit, die ein Freischaffender Künstler
haben kann. Als Gewandmeister hat man eher einen sicheren Job – dazwischen schwanke ich
momentan, je nach Tagesverfassung.
TP: Wie kreativ ist dein Beruf? Bist du nur das ausführende Personal oder darfst du auch mal
deiner Phantasie den freien Lauf lassen?
GW: Das ist von Ausstatter zu Ausstatter unterschiedlich. Stefan Schulz, der das Bühnenbild und
die Kostüme für „Die Physiker“ macht, fordert sehr, dass ich kreativ bin und eigene Gedanken
Materialmappe zu „Die Physiker“
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einsetze. Ich durfte bei seinen früheren Arbeiten Stoffe und Kostüme anmalen, das hat mir sehr
viel Spaß gemacht.
TP: Was sind deine Aufgaben?
GW: Ich mache Einkäufe, auch im Internet, suche Schuhe aus und biete sie den Ausstattern an. Ich
färbe Kostüme, erstelle Kostümlisten und Umzugspläne, bin zuständig für Probenkostüme und
mache die Anproben-Assistenz.
TP: Und was davon macht dir am Meisten Spaß?
GW: Material färben, malen, bei den Anproben assistieren und natürlich einkaufen! Je nach
Ausstatter darf ich auch meinen Senf dazu geben, das ist dann immer toll, eigene Gedanken
einbringen zu können.
TP: Wie laufen deine Arbeitsprozesse ab?
GW: Erst findet ein Ausstattungsgespräch statt, wo wir alle erfahren, was auf und bei der
Inszenierung zukommt. Danach wird für den Ausstatter ein Termin für die Werkstattabgabe
bekannt gegeben, spätestens bis dahin müssen alle Entwürfe fertig sein. Dann fangen wir an,
Stoffe auszusuchen und zu bestellen, Listen von Dingen zu erstellen, die ich besorgen muss und
dann schon auf die Suche gehen und das nötige kaufen, bis der Ausstatter wieder kommt. Wenn
die Kostüme bereits fertig sind und etwas doch anders kommt, als man geplant hat, muss ich auf
Änderungen reagieren. Ich sitze in manchen Proben und mache Umzugspläne. Am Schluss bin ich
natürlich in den Hauptproben anwesend und schreibe alle Änderungen auf, die schnell bis zur
nächsten Probe noch gemacht werden müssen.
TP: Wie kaufst du ein? Hast du ein bestimmtes Budget? Hast du Lieblingsgeschäfte?
GW: Na ja, das wichtigste Prinzip lautet: je günstiger, desto besser. Natürlich gibt es Ausnahmen.
Eigentlich habe ich keinen Rahmen.
TP: Achtest du auch auf die Qualität?
Materialmappe zu „Die Physiker“
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GW: Nur bei Sachen, bei welchen wahrscheinlich ist, dass man sie wieder verwenden kann, sonst
nicht so sehr.
TP: Gab es schon mal Dinge, die nicht machbar waren? Oder Wünsche der Ausstatter, die
man hier nicht realisieren konnte?
GW: Sehr selten. In der Modeindustrie ist es oft so, dass man etwas nicht machen kann. Im
Theater ist meistens alles machbar. Wenn es schwierig ist, etwas herzustellen, suchen wir nach
Alternativen, um den Wünschen der Ausstatter gerecht zu werden. Ein paar Mal ist es so gewesen,
dass bestimmte Stoffe nicht zu finden waren, dann habe ich sie angemalt, damit sie so aussehen,
wie von uns erwartet wird.
TP: Was ist an der Arbeit an den Kostümen für „Die Physiker“ besonders?
GW: Die Kostüme sind von den 50er und den 60er Jahren inspiriert. Die Physiker sind angezogen
wie historische Personen - Newton und Einstein. Dieses Stück ist Umzugstechnisch nicht sehr
aufwändig, nur die drei Pfleger haben einen schnellen Umzug. Viele Dinge haben wir zusätzlich
eingekauft, die Krankenpfleger-Kostüme wurden beispielsweise im Internet bestellt. Insgesamt
kann man sagen, dass dieses Stück nicht so viel Aufwand für uns bedeutete, wie viele andere
Produktionen. Die Arbeit daran war sehr schön und entspannt.
TP: Gibt es etwas, was du jungen Menschen auf den Weg geben möchtest?
GW: Die Arbeit am Theater macht unglaublich viel Spaß, man lernt immer wieder was Neues und
als Kostümassistentin lernt man fast alle Abteilungen und Gewerke kennen, das finde ich toll!
Welche berufe sind außerdem noch an einer Theaterproduktion beteiligt, damit
die Aufführung reibungslos funktioniert?
Materialmappe zu „Die Physiker“
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10. Ein Theater-Knigge
Hier haben wir ein paar Verhaltensregeln zusammen getragen, damit euer Besuch euch noch lange positiv im Gedächtnis bleibt. Pünktlichkeit – Es ist sehr wichtig, dass ihr rechtzeitig im Theater seid. So könnt ihr ganz in Ruhe Eure Jacken und Mäntel abgeben und noch mal auf die Toilette gehen. Außerdem könnt ihr Euch auf das Stück einstimmen. Garderobe – Eure Jacken, Mäntel, Rucksäcke und Schulranzen könnt Ihr vor der Vorstellung an der Garderobe kostenlos abgeben. So stören sie nicht im Zuschauersaal. Nehmt eure Wertgegenstände immer persönlich an euch. Essen und Trinken – ist während der Vorstellung nicht gestattet. Die Schauspieler spielen in diesem Moment nur für Euch, deshalb ist es nur höflich sie nicht durch raschelnde Tüten o. ä. abzulenken. Des Weiteren stört ihr damit auch eure Nachbarn. Fotos und Filme – Das Fotografieren oder Filmen ist während der Vorstellung nicht erlaubt. Lediglich bei ausgewählten Vorstellungen ist dies gestattet, jedoch ohne Blitz. Bitte fragt vorher nach. Toilette – Bitte geht vor der Vorstellung oder in der Pause zur Toilette. Es sorg für unnötige Unruhe während der Vorstellung und stört Schauspieler und die anderen Zuschauer. Handys – Klingelnde Handys sind peinlich und stören die ganze Vorstellung. Schaltet sie bitte vor der Vorstellung ganz aus. Es bringt nichts sie lautlos oder auf Vibration zu stellen, da die Funkstrahlung des Handys auch in lautlosem Zustand die Technik stören kann. Gespräche – sind während der Vorstellung nicht erwünscht. Auch Flüstern stört die Zuschauer und natürlich die Schauspieler. Nutzt dazu die Pausen. Parfüm/Aftershave - ist nur in geringen Mengen zu verwenden, denn wenn alle Zuschauer in einem Raum sitzen, herrscht sehr schlechte Luft im Zuschauerraum. Applaus – Schauspieler freuen sich wenn sie für ihre Arbeit durch Applaus belohnt werden. Nehmt Euch deswegen die Zeit dazu und seid großzügig damit, wenn Euch die Vorstellung gefallen hat und rennt nicht hinaus sobald der Vorhang fällt.
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11. Quellen
Programmheft „Die Physiker“ – Theater Pforzheim / Georgia Eilert
www.zeit.de
www.sueddeutsche.de/
www.wissen.de
www.wikipedia.de
12. Impressum
Herausgeber
Theater Pforzheim
Am Waisenhausplatz 5
75172 Pforzheim
Texte und Zusammenstellung: Margarita Rudenstein, Natalja Kahlert
Kontakt:
Margarita Rudenstein Tel. 07231/39-3259
Natalja Kahlert Tel. 07231/39-1473
E-Mail: theater.paedagogik@stadt-pforzheim.de