Post on 19-Jun-2015
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Die sicherheitspolitische Bedeutung der Türkei in der EU
Schriftliche Arbeit in „PS Möglichkeit und Grenzen der EU als
sicherheitspolitischer Akteur“
G1
SoSe 2006
Lehrveranstaltungsleiter: Prof. Dr. Thomas PANKRATZ
Vorgelegt von:
Name: Anna DINGASCHWILLI
Matrikelnummer: 0108854
Studienkennzahl: A300
Name: Selver ISLAMAJ
Matrikelnummer: 0402763
Studienkennzahl: A300, A312
Vorgelegt am: 27. Juni 2006
2
Inhaltsverzeichnis:
I. Vorwort ............................................................................................................................... 2
1. Kurzer Überblick – Türkei auf dem Weg zur Europa ........................................................3
2. Sicherheitspolitischer Aspekte eines Türkeibeitritts ..........................................................4
2.1 Die Interessen der USA bezüglich des Beitritts der Türkei zur EU ............................4
2.2 Beziehungen zwischen USA und die Türkei ..............................................................5
2.3 Die Türkei als Nato-Mietglied .....................................................................................5
3. Europas Interessen an die Türkei .......................................................................................6
3.1 Wirtschaftliche Interessen Europas ..............................................................................6
3.2 Sicherheitspolitische Interessen der EU .......................................................................7
4. Türkische Interessen an der EU .........................................................................................8
4.1 Wirtschafts- und Politische Interessen der Türkei .......................................................8
4.2 Weitere Interessen der Türkei ........................................................................................10
5. Die Rolle der Türkei in der EU ........................................................................................11
5.1 Beziehungen zu den Staaten des Kaukasus ..............................................................12
5.2 Der Kontakt zum Nahen Osten ..................................................................................14
5.3 Der Balkan und die Türkei .........................................................................................15
X. Nachwort ......................................................................................................................... 15
3
I. Vorwort
In dieser Arbeit möchten wir uns mit der Frage des EU-Beitritts der Türkei beschäftigen.
Dabei wollen wir die Interessen beider Seiten besprechen, sowie die Rolle der Türkei als
Sicherheitspolitischer Akteur innerhalb der EU. Wichtig ist anzumerken, dass die Türkei
sowohl Vorteile als auch Nachteile für EU bringt, doch gilt es diese zu durchleuchten, und
genauer zu Analysieren.
Wir werden uns mit der Fragestellung beschäftigen.
3
1. Welche europäischen Interessen und speziell sicherheitspolitische Aspekte bestehen
gegenüber der Türkei?
2. Stellt oder löst ein EU-Beitritt der Türkei Sicherheitsprobleme Europas?
Wir möchten die Zukunftsperspektiven eines EU-Beitritts der Türkei anhand dieser Punkte
bearbeiten. Wichtig ist dabei, dass wir uns nicht in zu viele Details verlieren, und deswegen
andere, vielleicht auch wichtige Details, nur kurz anschneiden. Was uns interessiert ist, der
Punkt ob die Türkei als Stabilisierungsfaktor für die Konfliktherde rund um sich, fungieren
kann, oder eher das Gegenteil der Fall sein wird. Denn durch den Irakkrieg, und der
Konzentration vom Terrorismus im Irak, könnte eine neue Konfliktgrenze an die Haustür
Europas gelangen. Zudem sind da noch die Innenpolitischen Probleme, wie die ungelöste
Kurdenfrage, ebenfalls eine Herausforderung für die EU. Die Türkei muss zwar diese
Minderheitenfrage klären, bevor sie beitritt, aber auch in der EU selbst gibt es Regionen, die
Probleme mit Minderheiten haben.
Ist die Angst der „Europäer“ vor einem Zustrom an türkischen Gastarbeitern berechtigt, oder
gibt es da Möglichkeiten die Zuwanderung einzugrenzen. In dieser Arbeit, werden wird
versuchen so viele Fragen wie möglich zu beleuchten, und denen auf dem Grund zu gehen.
1. Kurzer Überblick – Türkei auf dem Weg zur Europa
Die politische Frage einer Aufnahme der Türkei in die Europäische Union ist mittlerweile seit
fünfzig Jahren gestellt, aber immer noch ohne Antwort.
Im Jahre 1959 bewarb sich Türkei um eine Mitgliedschaft in der EWG - Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft. Vier Jahre später wurde zwischen der EWG und der Türkei ein
Assoziierungsabkommen geschlossen.
Am 1.01.96 wurde zum ersten Mal zwischen der Europäische Union und einem
Nichtmitgliedstaat der EU die Zollunion eingerichtet. Am 11.12.99 hat die Türkei offiziell den
Status als Beitrittskandidat zuerkannt bekommen.
Im Kopenhagen 2002 wurde beschlossen, dass die EU im Dezember 2004 über die
Aufnahme von Beitrittsverhandlungen entscheiden würde, vorausgesetzt, die Türkei
Kopenhagener Kriterien erfühlen würde.
Am 17.12.04 haben EU Staats- und Regierungschefs in Brüssel beschlossen, dass ab dem
3. Oktober 2005 mit der Türkei Verhandlungen über den EU-Beitritt aufgenommen werden.
Es wurden zwar am 3.10.05 die Verhandlungen aufgenommen mit dem Ziel Türkei in der EU
aufzunehmen, aber man muss dazu sagen, dass Ergebnis von diesen Verhandlungen noch
offen steht und voraussichtlich es lang offen bleiben wird. Beitrittsverhandlungen können 10
bis 15 Jahre dauern.
4
2. Sicherheitspolitischer Aspekte eines Türkeibeitritts
• Für wessen Sicherheit ist der EU Beitritt der Türkei wichtig - für die EU oder für die
Türkei?
• Welche Akteure sind unter sicherheitspolitischen Aspekten zu berücksichtigen?
• Welche Rolle spielen die USA für den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union?
2.1 Die Interessen der USA bezüglich des Beitritts der Türkei zur EU
Sicherheitspolitscher Aspekt Türkeibeitritts muss man von drei Blickwinkeln betrachten.
Denn außer Europa und Türkei spielt bei Türkeiaufnahme in der Europäischen Union US-
amerikanische Interessen ziemlich große Rolle. USA ist seit neunziger Jahren starke
Befürworter für Türkeiintegration in Europäische Gemeinschaft. Die Anschläge vom 11.
September 2001 haben europäische Sicherheitsstrategie inspiriert und Türkei als
geopolitischer Akteur für zukünftige Europa hervorgehoben aber nicht für die amerikanische
Regierung. Strategische Rolle der Türkei war schon seit der Truman Doktrin bekannt.1
Strategische Überlegungen bezüglich Türkei US-amerikanische Aspekte hört man oft von
europäischen Politikern in den Medien. Es gibt viele Aspekte der US-amerikanischen
Haltung in der Türkei-Frage. Ein möglicher EU-Beitritt der Türkei war seit Jahren ein
wesentlicher Bestandteil der strategischen Vorstellungen der USA.
• Die Türkei als einziger moslemischer Staat mit festem demokratischem Staatsapparat
wäre ein Vorbild für andere moslemische Länder.
• Einbindung der Türkei in der Europäischen Union sichert klare Zugehörigkeit
strategisch äußerst wichtigen Partner der USA für die längere Zeit.
• Finanzielle Lasten von USA die seit Jahrzehnten für die Türkei geleistet werden,
werden auf Europa überlagert.
1
Vgl. Andrea K. Riemer: Strategische und geopolitische Überlegungen der USA zur EU-Integration der Türkei.
In: Erich Reiter (Hg.) Sicherheitspolitische und strategische Aspekte eines Beitritts der Türkei zur Europäischen
Union. Wien 2006. S. 86
5
2.2 Beziehungen zwischen USA und die Türkei
Wenn man in der Geschichte bilateraler Beziehungen zwischen der Türkei und den USA
zurückblickt wird man feststellen, dass die Türkei strategische und geopolitische Bedeutung
für die USA nach dem Zweiten Weltkrieg gewonnen hat. Denn die Türkei war in der
Schlüsselposition in der Region des Nahen und Mittleren Ostens sowie für den Balkan. Die
Lage der Türkei durch die Kontrolle der Meerengen zwischen Ägäis und Schwarzem Meer
war immer ein wichtiger Punkt für die amerikanische Haltung. Ein weiterer Punkt ist, dass die
Türkei sich geographisch nahe am größten Teil der Weltenergiereserven befindet, die
besonders im Nahen Osten und im Kaspischen Becken liegen.
Türkische Beziehungen mit Israel, die sowohl auf ökonomische, als auch militärische Ebene
laufen sind für die USA von großer Bedeutung. Türkei hat Schlüsselposition in dieser Region
und wirkt stabilisierend.
„Kurdenfrage“ und aktuelle US-amerikanische Interessen im Irak wirft ein Schatten in
Beziehungen zwischen Türkei und USA. Die amerikanisch-kurdische Beziehungen im Nord
Irak sind sehr gut. USA distanziert sich von den militärischen Lösungen, die von seitens der
Türkei erwünscht sind. Man kann es als indirekten Antwort zu türkischen Haltung verstehen.
Da Türkei Amerikanern Zugang zum Nordirak durch sein Territorium verwehrt hat. Die US-
Außenministerin Condoleezza Rice im Februar 2005 betonte, dass die USA erwarten
türkische Unterstützung in der Politik gegen Syrien und den Iran.
2.3 Die Türkei als Nato-Mietglied
Entscheidend für amerikanisch-türkische Beziehungen war NATO-Beitritt der Türkei im Jahr
1952. Der NATO-Beitritt war gleichzeitig ausschlaggebend für die weitere
sicherheitspolitische Entwicklung in der Region, und gab der Türkei einen Platz im
sicherheitspolitischen System Europas. Die Türkei diente bis zum Ende des Kalten Krieges
als Außenposten der NATO an der Grenze zum Herrschaftsbereich der Sowjetunion im
Kaukasus.
Seit 1963 ist die Türkei der Europäischen Union durch ein Assoziierungsabkommen
verbunden. Die NATO-Mitgliedschaft der Türkei wurde gegen Ende der 60er und Beginn der
70er einer ernsthaften Prüfung unterzogen. Die Herrschaft von Erzbischof Makarios in
Zypern und der Obristenputsch in Athen 1967 verschärften die Gegensätze der NATO-
Mitgliedsstaaten Griechenland und Türkei. 1973 marschierten türkische Truppen in Zypern
ein und besetzten den Nordteil der Insel. Nur unter Vermittlung der Vereinten Nationen und
der NATO konnte ein Waffenstillstand vereinbart werden, der noch heute von den Vereinten
6
Nationen überwacht wird. Die Situation in Zypern offenbart das Für und Wider einer Politik
des Einschlusses von Problemzonen in ein militärisches Bündnis: Es gibt den anderen
Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, zur Problemlösung intern beizutragen, birgt aber auch das
Risiko eines instabilen Binnenverhältnisses.
Die Türkei verfügt mit 823.000 Soldaten über die zweitgrößte Armee des Bündnisses. Der
Verteidigungshaushalt macht 4,9% des Bruttoinlandsproduktes der Türkei aus (Fischer
Weltalmanach 2006, Frankfurt am Main). Im ersten Golfkrieg diente der Flughafen Incirlik als
wichtigste Basis der USA zur Niederwerfung des Irak. Im zweiten Golfkrieg 2003 verweigerte
das türkische Parlament die Bereitstellung des Flughafens und den Durchmarsch
amerikanischer Truppen durch die Türkei. Dies führte zu einer Anspannung der
amerikanisch-türkischen Beziehungen.
Die Türkei ist komplett gleichberechtigtes und vollkommen integriertes Mietglied in allen
Institutionen der NATO. Außerdem, Türkei ist der einzige NATO-Partner mit überwiegend
muslimischer Bevölkerung. Die Türkei hat einen weitgehenden Zugang zu amerikanischer
Ausrüstung und Technologie. Die Verteidigungsverbindungen zwischen Türkei und USA im
Großen und Ganzen funktionieren gut, daher hat die Türkei kein Interesse außerhalb NATO
zu agieren, von türkischer Seite wird EU nicht als Sicherheitsakteur wahrgenommen.
3. Europas Interessen an die Türkei
• Wirtschaftliche Interessen
• Sicherheitspolitische Interessen
• Kulturelle und soziale Aspekte
3.1 Wirtschaftliche Interessen Europas
Wie man es deutlich sehen kann, Europas Interessen, sowie Interessen Türkei war am
Anfang auf die Wirtschaft gerichtet. Wirtschaftliche Vorteile beruht auf gegenseitige Vorteile.
Die Türkei ist heute unter den europäischen Nicht-Mietgliedern der EU jenes Land, das am
engsten in die Union integriert ist.2
Wie schon erwähnt die Zollunion ist die engste Form
wirtschaftlicher Integration unterhalb des Niveaus der Mitgliedschaft. Heute ist die EU für die
Türkei der bei weitem wichtigste Wirtschaftsraum: etwa die Hälfte ihres Außenhandels
2
Vgl. Dr. Heinz Kramer: Europäische Interessen in den Beziehungen zur Türkei. In: Informationen zur
Sicherheitspolitik Nr. 5/02 1998
7
wickelt sie mit der EU ab. Etwa 65% aller ausländischen Direktinvestitionen in der Türkei
kommen aus der EU. Umgekehrt gilt, dass die Türkei zu den 10 größten Handelspartnern
der EU zählt.
3.2 Sicherheitspolitische Interessen der EU
Europa versucht, sowie es in der Europäischen Sicherheitsstrategie vom Jahr 2003 steht, als
eigenständiger sicherheitspolitischer Akteur zu etablieren.
In den Beziehungen zur Türkei auf europäische Seite dominieren oft unter anderem die
sicherheitspolitischen Interessen. Nach den Terror-Anschlägen vom 11.September 2001
wurde die strategische Bedeutung der Türkei besonders unterstrichen.
Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Europas neue Sicherheitsordnung hauptsächlich
durch die Erweiterung der NATO und der EU nach Osten und Süden entsteht, sowie durch
Beziehungen westlichen politischen Organisationen zu Russland und anderen
postsowjetischen Staaten.
Die Sicherheitsfunktion der EU steht im Vordergrund der politischen Entwicklung. Im ESS
liest man, dass Europa in der Zukunft als globaler Akteur agieren will. Es stellt sich die
Frage, wie wichtig ist die Türkei für die Sicherheit Europas?
Die Befürworter des Beitritts der Türkei zur EU sind überzeugt, dass die Aufnahme der
Türkei zur Sicherheit und Stabilität beitragen wird.
• Stabilität und Sicherheit für Europa oder in Europas kritischen Regionen sind ohne
die konstruktive Mitwirkung der Türkei nicht zu erreichen.
• Dies gilt besonders für Zypernfrage. Das Interesse der EU an einer stabilen Lage im
östlichen Mittelmeerraum wird sich ohne eine Verständigung mit der Türkei nicht
verwirklichen lassen.
• Auch im ehemaligen Jugoslawien, auf dem Balkan und in der weiteren
Schwarzmeerregion sind seit dem Ende des Kalten Krieges die Rolle und der
Einfluss der Türkei gewachsen.
• Für die Türkei ist Stabilität im Balkan eine wesentliche Voraussetzung für
ungefährdete Verbindungen in das übrige Europa. Sie wird daher nicht auf ihre
Bemühungen verzichten, dort zu stabiler Ordnungsbildung in ihrem Verständnis
8
beizutragen. In diesem Streben trifft sich mit dem Anliegen der EU, dieser Region in
eine stabile Ordnungszone zu transformieren.
Fachleute in Sicherheitsfragen vermuten aber, dass die Aufnahme der Türkei in der EU
sicherheitspolitisch keine Vorteile bringen, im Gegenteil sie behaupten, dass es eher
sicherheitspolitische Probleme mit sich bringen würde.3
• Türkei bringt ihre ungelöste Probleme (Innenpolitisch-Kurdenfrage und außenpolitisch
Probleme mit den Nachbarländern, neue Migrationswelle) mit sich.
• Es ist fraglich ob der Beitritt der Türkei zur Zypernfrage eine Lösung finden wird.
• Türkischer Militär wäre keine substantielle Stärkung für die ESVP/GSVP, da sie nur
quantitative Verstärkung mit sich bringen würde, was die EU-Mitgliedstaaten auch
selbst aufbringen können.
• Die Türkei verfolgt ihre nationalen Interessen, sie sieht sich selbst als regionale
Großmacht. Da die Türkei in ihrem EU-Beitritt vor allem wirtschaftlichen Nutzen
sucht, ist anzunehmen, dass die Türkei in Europäischen Sicherheitspolitik eher für
Unstimmigkeiten sorgen wird.
4. Türkische Interessen an der EU
• Verbesserung des Lebensstandards und Verbesserung der Wirtschaft
• Machterhalt der Islamisten
• Machtpolitische und Sozialpolitische Statusänderungen (Macht des Militärs
einschränken)
• Zollfreiheit im Europäischen Raum
• Politische Stabilität
4.1 Wirtschafts- und Politische Interessen der Türkei
„Die Modernisierung der Türkei war stets an Europa orientiert und dies seit Beginn des 19.
Jahrhunderts. Daher ist es folgerichtig, dass die Republik Türkei ihr Reformwerk am
europäischen Wertesystem ausgerichtet hat und an dessen Vollendung heute mit der
Perspektive der EU-Mitgliedschaft arbeitet.“4
3
Vgl. Erich Reiter: Die Situation der EU in ihrer geplanten strategischen Überdehnung. In: Erich Reiter (Hg.)
Sicherheitspolitische und strategische Aspekte eines Beitritts der Türkei zur Europäischen Union. Wien 2006. S.
120ff.
4
, (Die türkische Ökonomie im Falle eines EU-Beitrittes: Chancen und Risiko von Alparslan Yenal).
9
Die Türkei hat in den letzen Jahren wirtschaftlich bemerkenswertes Erreichen können. Im
Bereich der Privatisierung5
und im Abbau von Subventionen, konnte sie enorme Fortschritte
erzielen, dass zu einer dynamischen Entwicklung in der Wirtschaft im Laufe der 1990er
Jahre geführt hat. Das Wirtschaftswachstum lag durchschnittlich bei 4%,6
damit über dem
durchschnittlichen EU-Wert. Sie konnte auch mehrere Krisen bewältigen, wie die
Wirtschafts- und Bankkrise 2001. Das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren liegt bei
5,5%, und ist viel höher als im Euro-Gebiet. Dadurch dass die Inflationsrate von 55%, 2001,
auf 9,8%, 2004, gesunken ist, ist eine bessere Voraussetzung zur Anpassung an die EU
gegeben.
Trotz des Wirtschaftswachstums der 90er Jahre, blieb die Gesamtleistung der türkischen
Wirtschaft jedoch enttäuschend. Von den 80er Jahren bis 2001 konnte die Türkei nicht mit
dem OECD-Durchschnitt Schritt halten. Die türkische Wirtschaftswissenschaftlerin Mina
Toksoz schrieb:
„Die türkische Wirtschaft vollzog einen bemerkenswerten Wechsel von importsubstituierter
Industrialisierung hin zu rascher Exportsteigerung und Kapitalmarktliberalisierung … Die
Umwandlung der türkischen Wirtschaft blieb jedoch auf halbem Wege stecken. Die 90er
Jahre sahen in der Folge keine Privatisierung von Staatsunternehmen und keine
Restrukturierung des Bankensektors, wodurch die Wirtschaft wettbewerbsfähiger hätte
werden können. Stattdessen erzeugten die politischen Strukturen der Türkei ab 1987
erhöhte Haushaltsausgaben, sich verschärfende Probleme in den staatlichen Banken und
eine ernsthafte Verschlechterung der Sozialkassen und Pensionssysteme.“7
Beliefen sich die öffentlichen Schulden der Türkei im den 1980er Jahren bei 33%, waren es
2001 schon 61%, wovon die Regierung rund 70% übernehmen muss.8
Deswegen musste die Türkei handeln, und es wurden, im Laufe des Jahres 2001, Reformen
beschlossen, die eine Verbesserung im Land anstrebten. Diese Reformen beendeten
erfolgreich die anhaltende volkswirtschaftliche Instabilität der Türkei und führten zu
Haushaltsüberschüssen, niedrigerer Inflation und Zinsen. 2004 kam eine Gruppe
bedeutender Wirtschaftswissenschaftler zu dem Schluss, dass: „nach den tiefen
Strukturreformen, seit 2001 die Aussicht auf anhaltende volkswirtschaftliche Stabilität
niemals besser war.“9
5
Ahmet und Nurhan Yentürk: Impacts of International Capital inflows on the Turkish Economy,
(October 2, 2002), S. 3.
6
Ilker Ataç: Die Krise der neoliberalen Entwicklungsweise in der Türkei, S. 7.
7
, Islamische Calvinisten - Umbruch und Konservatismus in Zentralanatolien, (19. September 2005, Berlin –
Istanbul), S. 21-22.
8
Siehe Fußnote 6.
9
Islamische Calvinisten - Umbruch und Konservatismus in Zentralanatolien, (19. September 2005, Berlin –
Istanbul), S. 23.
10
Diese „Nationalen Reformen“10
veränderten das Wesen des Staates und sein Verhältnis zur
Gesellschaft tief greifend. Der Staat nahm die Rolle des Vaters ein, und versprach den
Menschen, die eine Arbeit wollen, auch eine zu besorgen.
Durch den Beitritt in der EU, würde die Türkei auch einen sicheren Absatzmarkt haben,
sowie den gleichen Zugang, zu den Märkten, wie die Mitglieder. Zudem sind die
Erwartungen von Subventionen durch die EU ebenfalls hoch, da die Türkei regional sehr
schwach entwickelt ist, und diese mit Hilfe von EU-Geldern an die Zentren anpassen
möchte. Hoffnung auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, durch ausländische Investoren,
die neue Industriezwiege ins Land tragen würden.
4.2 Weitere Interessen der Türkei
Die Türkei erhofft sich durch einen Betritt in der EU, eine Verbesserung der politischen Lage,
sei es nach Außen aber auch nach Innen. Das Militär hat in der türkischen Politik eine starke
Präsenz, und beeinflusst auch die Entscheidungen des täglichen politischen Alltags.11
Die
ersten wichtigen Reformen, wurden unter Kemal Atatürk, der auch eine Diktatur errichtete,
geschaffen.12
Es ist auch leicht möglich die Kurdenproblematik, auf die Rolle des Militärs zu
beziehen, da diese die wichtigste Rolle bei dieser Entscheidung spielen. So ist der Konflikt
auch in diesem Jahr, 2006, noch nicht zum Erliegen gekommen, sondern hat ein neues
Ausmaß angenommen. „Offenbar will das Militär das Grenzgebiet und die angrenzende
Region von PKK-Kämpfern säubern, die nach der Schneeschmelze vom Irak her
eingedrungen sind. Ein entscheidender Sieg im seit 22 Jahren schwellenden Konflikt mit der
PKK ist so zwar kaum möglich; andererseits stehen die Chancen dafür derzeit günstig wie
noch nie. Iran und Syrien, die früher der PKK Unterschlupft gewährten, haben seit der US-
Invasion im Irak viele PKK-Leute an die Türkei ausgeliefert.“13
Da die Kurdenfrage eine
Endlose Entwicklung, mit unzähligen bewaffneten Konflikten, ist, scheint die Türkei, sowie
die EU ein Interesse zu haben, dieses Problem endgültig aus der Welt zu schaffen. Immerhin
ist die Zahl der Kurden im Land selber mit rund 20%14
ebenfalls nicht zu unterschätzen. Ich
möchte die Gebiete der Kurden mit einer Karte veranschaulichen.
10
Erich Reiter: Sicherheitspolitische und strategische Aspekte eines EU-Beitritts der Türkei zur Europäischen
Union, (Wien, 2006), S. 71-72.
11
Erich Reiter: Sicherheitspolitische und strategische Aspekte eines EU-Beitritts der Türkei zur Europäischen
Union, (Wien, 2006), S. 67.
12
Erich Reiter: Sicherheitspolitische und strategische Aspekte eines EU-Beitritts der Türkei zur Europäischen
Union, (Wien, 2006), S. 69.
13
Die Presse: Ankara lässt Armee aufmarschieren, (Ausgabe vom Samstag, 22. April 2006, Wien), S. 7.
14
Der Fischer Weltalmanach, Zahlen, Daten, Fakten, (Frankfurt am Main, 2005) S. 772.
11
Karte 1:15
Dadurch, dass die Kurden im Irak mehr Rechte bekommen haben, ist die Angst in der
Türkei, dass sich eine Abspaltungstendenz nur noch verstärken könnte.
Um diese und andere Probleme zu lösen, muss die Türkei auf die Hilfe der EU zählen. Die
Türkei muss jedoch die 35 Verhandlungskapitel,16
wobei sie eines davon am 12. Juni 2006
abgeschlossen haben, verfüllen, dass auch die Kurdenproblematik und die Zypernfrage
betreffen. Diese können nur von der Türkei selbst gelöst werden, wobei die EU eine wichtige
Rolle dabei spielen wird.
5. Die Rolle der Türkei in der EU
Zukünftige Rolle der Türkei nach einem EU-Beitritt! Welche Gefahren gehen
von ihr aus?
• Regionale Großmachtfunktion innerhalb der EU wie GB oder D.
• Brückenkopffunktion zwischen Europa und dem Nahen Osten.
• Ein Beitritt der Türkei würde die EU geographisch mitten in die Probleme des
Kaukasus und des Nahen Ostens setzen in die die Türkei als zentraler
sicherheitspolitischer Akteur der Region selbst direkt involviert ist.
• Die Türkei könnte möglicherweise als enger Verbündeter der USA und starker
Befürworter einer aktiven und global agierenden NATO einen eigenständigen
europäischen Weg in der Sicherheitspolitik erschweren.
15
.
16
.
12
• Vermittler in Krisenregionen wie den Balkan, Kaukasus, Naher Osten.
Türkei als Stabilitätsfaktor und Bindeglied zwischen Europa, Asien und nahost
Region
• Zypernfrage/ Balkanraum/ Schwarzmeerregion
• Zukunft der Kaukasusregion und des Raumes um das Kaspische Meer
mit seinen erheblichen Öl- und Gasvorräten
• Langfristige europäische Energieversorgung/Das Problem der Wassernutzung im
Euphrat- und Tigrisbecken
• Geographische Übergangszone von Europa nach Zentral- und Südasien
Einiger dieser Aspekte werden genauer unter die Lupe genommen, um ein ungefähres Bild
zu schaffen, was die Türkei für die EU tun könnte, bzw. welche Position sie innehaben wird.
Karte 2: Hier werden die Konfliktzonen um die Türkei gezeigt.
5.1 Beziehungen zu den Staaten des Kaukasus
Die Zukunft der Kaukasusregion und des Raumes um das Kaspische Meer mit seinen
erheblichen Öl- und Gasvorräten wird von Entscheidungen der türkischen Politik mitgeprägt.
Gleichzeitig hängen damit wichtige Fragen für die Stabilisierung und Ordnungsgestaltung in
der geographischen Übergangszone von Europa nach Zentral- und Südasien zusammen.
Die schon bestehende Pipeline, Baku –Tbilisi - Ceyhan und ein weiteres Projekt, die
13
Gaspipeline von Baku über Tbilisi nach Erzurum räumt Türkei wesentlichen Machtposition
ein. Besonders gegenüber Europa, da es Energieverbrauch rasant steigt. Gleichzeitig lässt
Europa diese Haltung zur Türkei gegen solche Staaten wie Iran und Russland auszuspielen
und sich nicht Abhängig machen von ihren Energieversorgung.
Nach Meinung der Befürworter EU-Beitritts der Türkei, das türkische Interesse an
langfristiger Stabilität und Ordnungsbildung in der Region Kaukasus deckt sich mit dem
europäischen Interesse und somit stellt einen wichtigen sicherheitspolitischen Aspekt dar. Es
wird behauptet, dass Europas Interesse an einer stabilen und friedlichen Entwicklung durch
die schrittweise Etablierung einer neuen Ordnung, auch in seiner unmittelbaren
Nachbarschaft, ohne Berücksichtigung des Faktors Türkei nicht verwirklicht werden kann
und Türkei-Beitritt diesen Prozess nur positiv beeinflussen und beschleunigen kann.
In dieser Region wurde wirtschaftlicher Beziehungen mit der Türkei nach 90-er Jahren
erheblich verstärkt. Die Türkei verfolgt hier in beiden Zusammenhängen nationale
Interessen, die sich vor allem aus ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu dieser Region und
ihrem Verhältnis zu Russland und dem Iran ergeben.
Die Türkei unterstützt die politische Stabilität Georgiens, auch zur Absicherung des Pipeline
Baku –Tiflis - Ceyhan.
Eine Lösung des Nagorny-Karabach Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan ist
für die Türkei von großer Bedeutung, sowie eine Anerkennung des „Genozides“ an den
Armeniern während des 1. Weltkrieges für eine Verbesserung des türkisch-armenischen
Verhältnisses und für Beitrittsverhandlungen gute Punkte beitragen würde.
Im Tschetschenien-Konflikt versucht die Türkei Gleichgewicht zwischen ihrer Verbundenheit
mit der dortigen islamischen Bevölkerung und ihrem Eintreten für die territoriale Einheit
Russlands zu finden.
Für Europa geht es hier neben den Fragen der Energieversorgung und der Rolle
entsprechender europäischer Industrien vor allem um die wesentliche Frage der künftigen
Ordnung in einer zentralen unmittelbaren Nachbarschaftsregion.
Als Gegenargumente aus der Sicht der Beitrittsgegner sind, dass durch die Türkei-Beitritt
EU-Grenze direkt und unmittelbar zu politisch unstabilen und unsicheren Regionen verlaufen
und Sicherheit der EU in Frage stellen wird. Außerdem Türkei sieht sich als Regionalmacht
im Kaukasus und besonders im Zentralasien, durch geschichtliche Verbundenheit mit Türk-
Staaten und konkurriert mit Russland, der wiederum ihre Interessen in diesen Regionen hat.
ZU Bedenken wäre, dass diese Aspekte möglicherweise die Beziehungen zwischen
Russland und Europa in der Zukunft belasten könnten.
14
5.2 Der Kontakt zum Nahen Osten
„Die Angelegenheiten der Nahostpolitik und auch der Schwarzmeer- und Kaukasuspolitik
wären nötig, um die besonderen Interessen der Türkei als Regionalmacht in ihrer
orientalischen Nachbarschaft zu berücksichtigen und europäisches Engagement außerhalb
der NATO, also ohne Amerika, nicht zu überdehnen.“17
Die Türkei könnte für die
Stabilisierung der Region eingesetzt werden. Nach dem Zerfall der UdSSR und
Jugoslawiens, hat die Türkei eine wichtige Rolle übernommen, und während der
Krisenzeiten auch versucht zu politisch zu intervenieren. Die Turkstaaten waren schon in den
1990er Jahren in engem Kontakt mit der Türkei getreten, dass die Zusammenarbeit der
Union mit dieser Region erleichtern würde. Durch den Konkurrenzkampf mit Russland, ist es
für die Türkei nicht leicht, sich im Nahen Osten durchzusetzen, da Russland ein Interesse
hat, seinen Einfluss durch auszuweiten.
Die Türkei hat versucht sich aus dieser Konfliktzone fernzuhalten, da die Meinungen beim
Nahost-Konflikt, zwischen der Bevölkerung und der Elite weit auseinander gehen. Will die
Elite Israel unterstützen, steht die Bevölkerung auf der Seite der Palästinenser.18
Dies ist anhand einer Karte leichter zu Veranschaulichen, warum die Türkei Israel unterstütz,
und nicht Palästina.
Karte 3: 19
17
Europäische Optionen der Intervention für internationale Sicherheit - die ESVP-Krisenreaktion vor der
Bewährung von Lothar Rühl, S. 5.
18
Erich Reiter: Sicherheitspolitische und strategische Aspekte eines EU-Beitritts der Türkei zur Europäischen
Union, (Wien, 2006), S. 38.
19
Benedikt Raho: Die Rolle der Türkei in einem europäischen Sicherheits- und Verteidigungskonzept,
(Sommersemester 2005, Universität der Politikwissenschaften, bei Prof. Dr. Thomas Pankratz), S. 9.
15
Dadurch dass die in einem Bündnis mit den USA und Israel ist, fällt die Einmischung in
dieser Angelegenheit auch schwer. Zwar würden sie gerne intervenieren, nur können sie
sich schwer gegen eine Seite stellen. So lassen sie dieses Gebiet lieber in Ruhe, und
nehmen eine neutrale Haltung ein.
Zu neuen Problemen kann es jedoch mit der Wasserversorgung kommen. Da die Türkei, die
zwei wichtigsten Flüsse der Region, Euphrat und Tigris, stauen möchte, um das Land mit
Energie zu versorgen, könnte es zu Konflikten mit Syrien und dem Irak kommen, da diese
Länder von diesem Wasser abhängig sind.
5.3 Der Balkan und die Türkei
Diese Region wird von der Türkei immer noch als traditionelles Einflussgebiet gesehen.
Haben sie in dieser Region über Jahrhunderte geherrscht und die Politik dort entschieden,
so sollen wenigstens der Kontakt und der Einfluss in gewissen Mengen erhalten bleiben.
Deswegen war die Türkei20
neben Deutschland einer der wichtigsten Verhandlungspartner
für diese Region, während der Balkanriege in Bosnien und dem Kosovo, da diese Länder
auch eine mehrheitliche muslimische Bevölkerung haben. Die Türkei hat auch die NATO-
Luftangriffe befürwortet, und Hilfe für diese Region geleistet. Sie ist auch in der KFOR, im
Kosovo, repräsentiert.
Die Türkei könnte, wenn die Ägäisfrage um Zypern gelöst ist, im Balkan als
Stabilisierungsfaktor fungieren. Diese Region ist auch für die Türkei ein wichtiger Absatz-
und Investitionsmarkt in der Zukunft.
X. Nachwort
Es ist schwer etwas vorauszusagen, da die Entwicklung in vielen Regionen der Erde nicht
leicht vorausschaubar ist. Wäre sie dass, dann gäbe es auch keine Konflikte. Jedoch eines
können wir mit Sicherheit sagen, dass die Türkei als Stabilisierungsfaktor für die EU dienen
kann, ist durchaus denkbar. Sie hat eine lange Freundschaft zu den meisten Nachbarländern
vorzuweisen, und kann dadurch für die EU hilfreich sein.
Literaturverzeichnis:
1. Erich Reiter: Sicherheitspolitische und strategische Aspekte eines EU-Beitritts der Türkei zur
Europäischen Union, (Wien, 2006).
20
Erich Reiter: Sicherheitspolitische und strategische Aspekte eines EU-Beitritts der Türkei zur Europäischen
Union, (Wien, 2006), S. 48.
16
2. Lothar Rühl: Sicherheitspartner Türkei In: Strategische Analysen/Büro für Sicherheitspolitik. Wien
2004.
3. Heinz Kramer: Europäische Interessen in den Beziehungen zur Türkei (Die Türkei und Europa In:
Informationen zur Sicherheitspolitik Nr. 5.02.1998
4. Sammi Sandawi: Machtkonstellationen im Schwarzmeerraum – Implikationen eines EU-Beitritts der
Türkei und andere Anrainer. In: Integration - Vierteljahreszeitschrift des Institutes für Europäische
Politik in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreises Europäische Integration. 29. Jahrgang, April 2006.
Internetquellen