Die Vorschläge zur strukturellen Reform des EU ETS. Aktuelles vom Weg zu einem Hybrid-Instrument

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Vortrag von Dr. Felix Christian Matthes, Berliner Energietage 2014, Workshop des Öko-Instituts "Das Emissionshandelssystem der Europäischen Union vor der nächsten Reform"

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Die Vorschläge zur strukturellen Reform

des EU ETS.

Aktuelles vom Weg zu einem Hybrid-

Instrument

Berliner Energietage 2014

Workshop des Öko-Instituts

» Das Emissionshandelssystem der Europäischen Union

vor der nächsten Reform «

Dr. Felix Chr. Matthes

Berlin, 20. Mai 2014

• Aktueller Überschuss ca. 2 Mrd. EUA (inkl. Offsets)

• Projektion für 2020: ähnliche Größenordnung

Abschmelzen durch Backloading auf ca. 1,7 Mrd. EUA zur Mitte der

Dekade

durch Wiedereinführung der Backloading-Mengen gegen Ende der

Dekade wieder ein Überschreiten der Schwelle von 2 Mrd. EUA

Merkposten: Wegfall der antizipierten Netto-Nachfrage des

Flugverkehrs

• Projektion für den Überschuss: bis gegen Ende der Dekade 2020/30

keine Knappheit

• Faktisch befindet sich das EU ETS im Status eines intertemporalen

Hybrid-Systems

Mengenbegrenzung formal weiter existierend, aber für Preisbildung

kurz- und mittelfristig nicht relevant

Preisniveaus größer Null erklären sich nur über die (spekulative)

Erwartung langfristiger Knappheiten oder politischer Interventionen

Emissionshandelssystem der Europäischen Union

Stand und Determinanten des Überangebots

Emissionshandelssystem der Europäischen Union

Projektionen für den Surplus bis 2020

0

500

1,000

1,500

2,000

2,500

Hisorical use ofCDM & JI credits

Crisis Future use ofCDM & JI credits

Constant emissions ReferenceScenario

Totalsurplus

2008 to 2012 2013 to 2020

mln

EU

A,

CE

R o

r E

RU

Beiträge der Stromerzeugung aus Erneuerbaren

zur Emissionsminderung im EU ETS

Öko-Institut 2012

0

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800

1,000

1,200

1,400

2005 2010 2015 2020 Integratedpackage

Baseline Integratedpackage

Baseline

Historical data NREAP (2011) 2020 projection (2008) 2030 projection (2008)

mln

t C

O2

Geothermal

Solar & ocean

Wind

Biomass

Hydro

• Ziele

kein politisches Momentum für Revision der THG-Ziele für 2020

(Fehl-Fokussierung auf International Treaty statt International Efforts)

anlaufende Debatte für 2030er Ziele

• Treibhausgas-Emissionsminderungsziele in der Bandbreite von

40-50%

• wichtige Unterscheidung: domestic vs. domestic + credits

• Debatte THG Ziel vs. THG+REG-Ziele vs. THG+REG+EE-Ziele

• EU ETS

Backloading zur Bewahrung der politischen Glaubwürdigkeit

Strukturelle Reform des EU ETS als klimapolitisches Großprojekt der

nächsten EP-Legislatur

bei Scheitern: Renationalisierung der Klimapolitik (nationale Mindest-

preise etc., Mindestpreis UK, Kohle-Steuer NL, Debatte FR etc.)

• Andere Sektorpolitiken als gesonderte Herausforderung

Klimapolitik der Europäischen Union

Aktueller Stand

• Anpassung des linearen Reduktionsfaktors (LRF) über eine Revision

der Ziele für 2020

kurzfristig möglich, derzeit nicht absehbar

• Direkte Überführung des Backloading in ein Set-aside

sinnvoll, aber derzeit nicht absehbar

im Rahmen einer vorgezogenen Market Stability Reserve vielleicht

• Anpassung des linearen Reduktionsfaktors im Kontext der Ziele für

2030

Review des Linearen Reduktionsfaktors derzeit für 2025 vorgesehen,

müsste vorgezogen werden

Größenordnung des linearen Reduktionsfaktors ist abhängig

• von den übergeordneten THG-Emissionsminderungszielen

• vom Beginn der Wirksamkeit

• vom Beitrag der Emissionshandelssektoren (~ 2/3)

alles zwischen 2,0 und 3,5% p.a. ist möglich

Emissionshandelssystem der Europäischen Union

Strukturelle Reform (1)

Aktuell diskutierte THG-Ziele nicht im Zielkorridor

Wird das EU ETS zu spät wirksam?

Öko-Institut 2013

0

1.000

2.000

3.000

4.000

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6.000

1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

mln

t C

O2

e

Aviation (national & international)

Non-ETS sectors

EU ETS (proxy data from 1990 to 2004)

2020 Goal-20...-30%compared to 1990

2030 Goal-40...-55%

2050 Goal-80...-95%

Back-loading

2013/2020

Linear Reduction Factor1.74%2.20% (2021-)

EU ETScap

2050: -75%

Weiterentwicklungsstrategie: nur Cap-Anschärfung

(Existierender) Linearer Reduktionsfaktor 1.74%

-4,000

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0

1,000

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3,000

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

mill

ion

EU

A

Öko-Institut (2012)

Constant 2012 emissions

Constant-100

Constant+100

European Commission (2013)

Weiterentwicklungsstrategie: nur Cap-Anschärfung

Linearer Reduktionsfaktor 2.2% ab 2012

-4,000

-3,000

-2,000

-1,000

0

1,000

2,000

3,000

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

mill

ion

EU

A

Öko-Institut (2012)

Constant 2012 emissions

Constant-100

Constant+100

European Commission (2013)

Weiterentwicklungsstrategie: nur Cap-Anschärfung

Linearer Reduktionsfaktor 2.6% ab 2016

-4,000

-3,000

-2,000

-1,000

0

1,000

2,000

3,000

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

mill

ion

EU

A

Öko-Institut (2012)

Constant 2012 emissions

Constant-100

Constant+100

European Commission (2013)

• Ausweitung der erfassten Sektoren

idealtypisches Lehrbuchmodell

prinzipiell vorstellbar für andere Energiesektoren, andere Sektoren

kaum (Sonderfall Landwirtschaft in Neuseeland, hier aber

Sondersituation)

Upstream-Modell als Voraussetzung (point of regulation ≠ point

mitigation decision)

• Operationalisierungsfragen lösbar (internationale Erfahrungen)

• Effizienzfrage offen

eigentlich entscheidende Frage: Ersatz für komplementäre Politiken

(die teilweise in der Kompetenz der Mitgliedstaten liegen)?

• falls nein (Regelfall im internationalen Raum): neue

Interaktionen zwischen wirkungsmächtigen Komplementär-

politiken und EU ETS (Tendenz: Volatilität & Preisverfall)

• falls ja: Wirksamkeit der CO2-Bepreisung fraglich (Verkehr),

Tendenz: Preisanstieg

Emissionshandelssystem der Europäischen Union

Strukturelle Reformen (2)

• Realität wird durch Koexistenz des EU ETS mit komplementären

Politiken gekennzeichnet sein

zumindest für einige Mitgliedstaaten, denen das Recht darauf nicht

verwehrt werden kann (Kompetenzzuweisung Energiepolitik)

zweifache Unsicherheiten

• makroökonomische Unsicherheiten

• Unsicherheiten über den Effekt wirkungsmächtiger

komplementärer Politiken (die bisher – eher zufälligerweise –

(noch) nicht zur Überschusssituation beigetragen haben, dies

gilt umso mehr, je mehr einschlägige Sektoren einbezogen

werden)

Flexibilitätsmechanismen sind wahrscheinlich unausweichlich

• bezüglich der komplementären Politiken brauchen diese

Referenzpunkte

• (wie auch immer geartete) Ziele, die diese Referenzpunkte

markieren sind sinnvoll und notwendig

Rückschlüsse aus den Reformansätzen für das

EU ETS für übergeordnete Politikansätze

• Flexibilitätsmechanismen

Preiskorridore als klassischer Mechanismus

Regelbasierte Mengenkorridore als neuer Mechanismus

• fixes Minimal-Cap (z.B. orientiert am 95%-Minderungsziel)

• Zusatzmengen in Abhängigkeit von bestimmten Voraus-

setzungen und entsprechenden Triggern

makroökonomische Entwicklung

wirkungsmächtige Komplementärpolitiken

Überschuss- und/oder Preisentwicklung

• Werden nicht ins System gebrachte Zusatzmengen

grundsätzlich oder ggf. nach einem gewissen Zeitraum

gelöscht?

Prozess- bzw. institutionenbasierte Mengenkorridore

• klassische Offenmarktpolitik

Emissionshandelssystem der Europäischen Union

Strukturelle Reformen (3)

• Anpassung (Verschärfung) der Caps (des linearen Reduktionsfaktors

wird nicht hinreichend sein, um das Surplus-Problem zu lösen

• COM-Vorschlag für eine Market Stability Reserve (MSR)

Einführung eines neuen Indikators: “Allowances in circulation” (AiC)

Methode für ein Jahr t (Veröffentlichung t-1 Daten im Mai des Jahrs t)

+ insgesamt ausgegebene EUA von 2008 bis t-1

+ Gesamtzahl der abgegebenen CER/ERU von 2008 bis t-1

‒ Gesamte verifizierte Emissionen von 2008 bis t-1

‒ Gesamtzahl der Emissionsberechtigungen in der MSR

= allowances in circulation (bisher bekannt als Surplus …)

wenn AiC 833 Mio. t CO2e übersteigt, werden 12% der AiC im Jahr

t+1 in die MSR verschoben (abgezogen vom Auktionsbudget)

100 Mio. Zertifikate werden aus der MSR zur Auktion gebracht

• wenn AiC 400 Mio. t CO2e unterschreitet

• bei Preistrigger (6 Monate 3 x Durchschnitt der zwei Vorjahre)

Emissionshandelssystem der Europäischen Union

Vorschlag für eine Market Stability Reserve (1)

• Die Idee hinter der Market Stability Reserve

Stromsektor repräsentiert einen wesentlichen Anteil der vom EU ETS

regulierten Emissionen und ist mit Vollauktion konfrontiert

Hedging-Strategien des Stromsektors sind sehr konservativ: Käufe

und Verkäufe werden bis zu 3 Jahre im Voraus abgesichert (nahezu

die gesamte Jahreserzeugung wird im Terminmarkt verlauft)

Hedging schafft eine (physische) Nachfrage nach

Emissionsberechtigungen (kein Cross-commodity Hedging) – auch in

einer Surplus-Situation können Knappheitspreise entstehen

MSR ist ein Instrument, um einen Hedging-Korridor von 400 bis 833

Mio. t CO2e (für einen langen Zeitraum) zu sichern, die

Parametrisierung basiert auf Industrieangaben

• Das Konzept der MSR ist eine „Wette“ darauf, dass das Konzept

eines Hedging-Korridor und seine Parametrisierung zutrifft

in der Gegenwart

in Zukunft (v.a. in einem Low-carbon bzw. RES-intensiven System)

Emissionshandelssystem der Europäischen Union

Vorschlag für eine Market Stability Reserve (2)

Vorschlag für eine Market Stability Reserve

LRF 2.2% (ab 2021) & EC Reference Baseline

-1,000

-500

0

500

1,000

1,500

2,000

2,500

mil

lio

n E

UA

Total Cumulated Surplus

Market stability reserve

Total Cumulated Surplus with market stability reserve

Vorschlag für eine Market Stability Reserve

LRF 2.6% (ab 2016) & konstante Emissionen2012

-1,000

-500

0

500

1,000

1,500

2,000

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mil

lio

n E

UA

Total Cumulated Surplus

Market stability reserve

Total Cumulated Surplus with market stability reserve

MSR mit Hedging-Korridor 0-400 Mio. EUA

LRF 2.2% (ab 2021) & EC Reference Baseline

-1,000

-500

0

500

1,000

1,500

2,000

2,500

mil

lio

n E

UA

Total Cumulated Surplus

Market stability reserve

Total Cumulated Surplus with market stability reserve

MSR (Hedging-Korridor 0-400 Mio. EUA)

LRF 2.6% (ab 2016) & konstante Emissionen 2012

-1,000

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mil

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Total Cumulated Surplus

Market stability reserve

Total Cumulated Surplus with market stability reserve

MSR ab 2016 (Hedging-Korridor 0-400 Mio. EUA)

LRF 2.2% (ab 2021) & EC Reference Baseline

-1,000

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0

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1,500

2,000

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mil

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UA

Total Cumulated Surplus

Market stability reserve

Total Cumulated Surplus with market stability reserve

MSR ab 2016 (Hedging-Korridor 0-400 Mio. EUA)

LRF 2.6% (ab 2016) & konstante Emissionen 2012

-1,000

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0

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2,000

2,500

mil

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n E

UA

Total Cumulated Surplus

Market stability reserve

Total Cumulated Surplus with market stability reserve

• Die Anpassung der Caps (des LRF) ist nötig (Langfrist-Perspektive!)

ist eine Anpassung vor 2021 eine reale Option?

ein LRF größer 2,2% ist konsistenter zu den Langzeit-Zielen

• Die MSR ist ein interessantes Konzept (Kurz- & Mittelfrist-Perspektive)

als ein Hybrid-Mechanismus zwischen Mengen- und Preissteuerung

(der makroökonomische und politische Unsicherheiten reflektiert)

Wirkungen hängen stark von den Annahmen zu bestimmten Hedging-

Strategien im Strommarkt ab

die MSR hat wiederum einen eingebauten Sicherungsmechanismus

(Preis-Trigger)

mit Blick darauf kann der unterstellte Hedging-Korridor – ggf. über die

Zeit – enger gefasst werden oder könnte als MSR-Vintages organisiert

werden (die nach einer bestimmten Frist verfallen)

die MSR könnte kurzfristiger wirksam gemacht werden

Knappheit um 2020 nur über Kombination verschiedener Maßnahmen

• Stilllegung von Surplus-Mengen sollte weiter verfolgt werden

Emissionshandelssystem der Europäischen Union

Strukturelle Reformen (4)

Besten Dank

für Ihre Aufmerksamkeit

Dr. Felix Chr. Matthes

Energy & Climate Division

Büro Berlin

Schicklerstraße 5-7

D-10179 Berlin

f.matthes@oeko.de

www.oeko.de

twitter.com/FelixMatthes