Digitale Transformation: Auswirkungen auf Alltagskultur ... · Auswirkungen auf Alltagskultur,...

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Prof. Dr. Benjamin Jörissen

Lehrstuhl für Pädagogik mit dem Schwerpunkt

Kultur, ästhetische Bildung und Erziehung

http://joerissen.name

benjamin@joerissen.name

Bundesverband Deutscher Stiftungen,

Herbsttagung des AK Bildung

Stiftung Mercator, Essen, 9. Dezember 2016

Digitale Transformation:

Auswirkungen auf Alltagskultur,

Kulturgüter und sozialen

Zusammenhalt

1.

Drei Arten, den

Zusammenhang von

Bildung und digitaler

Transformation zu denken

Digitalisierung als …

didaktische Ressource

pädagogischer Gegenstand

kultureller Prozess

Digitalisierung als …

didaktische Ressource

Fokus: Transformation von Lehrmitteln

Digitalisierung als …

pädagogischer Gegenstand

Fokus: Transformation von Lehrinhalten

Digitalisierung als …

kultureller Prozess

Fokus: Transformation von Lebenswelten

Bedingungsgefüge

„Digitalisierung bietet

Subjekten neue Lernmittel

und -chancen!“

„Digitalisierung muss

Subjekten am Gegenstand

‚vermittelt’ werden!“

„Digitalisierung

transformiert Kultur,

Sozialität und also auch

Subjektivität.“

didakt. Ressource

päd. Gegenstand

kultureller Prozess

Gefahren verkürzter

Wahrnehmung

2.

Es war einmal … der ungetrübte Blick auf

die Potenziale digitaler

Medialität

„Medienbildung“

(2009)

• kollaborative Wissensarbeit auf

Wikipedia

• Gemeinschaftsbildung in

Online-Communities

• Avatare als Pluralisierung von

Identitäten

• Biographisierung auf Youtube

(historische Präsentationsfolie, anno 2010)

Onyx Ashanti – BeatJazz

https://www.ted.com/talks/onyx_ashanti_this_is_beatjazz

SLOrk – Standford Laptop Orchestra

http://slork.stanford.edu/

http://sonic-pi.net/

2.

„Software Studies“:

ein machtkritischer

Blick auf Digitalität

Die neuen medialen Möglichkeiten digital

basierter Kommunikation und Artikulation

entstehen in technologisch geschlossenen, rigide

ökonomisierten und rigide

überwachungsorientierten Räumen.

„Digitalisierung“ ist zunehmend gleichbedeutend

mit „neuen Regierungstechnologien“.

Kernproblem:

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Das digitale Netz ist ein Myzel. Was uns gegenständlich – z.B. als

pädagogisches Problem oder pädagogischer Gegenstand – begegnet,

sind nur seine Manifestationen. Die Infrastruktur selbst bleibt unsichtbar.

Das digitale Netz ist ein Myzel. Was uns gegenständlich – z.B. als

pädagogisches Problem oder pädagogischer Gegenstand – begegnet,

sind nur seine Manifestationen. Die Infrastruktur selbst bleibt unsichtbar.

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Daten Netze

Interfaces

Software

Software

Daten Netze

Interfaces

„Digitalität“

ist nicht identisch mit

„Medialität und

Kommunikation“

„code is law“

vs.

„code as logos“

Lawrence Lessig (2000). Code Is Law. On Liberty in Cyberspace.

http://harvardmagazine.com/2000/01/code-is-law-html [20.6.2015]

Wendy Hui Kyong Chun: Programmed Visions: Software and Memory. MIT Press 2011.

Lawrence Lessig (2000). Code Is Law. On Liberty in Cyberspace.

http://harvardmagazine.com/2000/01/code-is-law-html [20.6.2015]

Wendy Hui Kyong Chun: Programmed Visions: Software and Memory. MIT Press 2011.

„code is law“

vs.

„code as logos“

„Softwarization“ von Logistik, Kommunikation,

Management

Parisi, L. (2016). Contagious Architecture: Computation, Aesthetics, and Space. MIT Press.

Hörl, E., & Parisi, L. (2013). Was heißt Medienästhetik?

Zeitschrift für Medienwissenschaft, 8(2).

Environmentalität

Hörl, E., & Parisi, L. (2013). Was heißt Medienästhetik?

Zeitschrift für Medienwissenschaft, 8(2).

„ein automatisches, aber doch nicht-reflexives Denken, das eine

bestimmte Betriebsart der Kalkulation, Klassifikation und

Organisation von Daten bezeichnet und dabei

funktionieren lässt, […] verstanden als ein räumlich denkender

Modus der Macht.“ (S. 41)

Rob Kitchin/Martin Dodge: Code/Space. Software and Everyday Life. MIT Press, 2011.

„Everyware“

http://www.rael-sanfratello.com/?p=1771

Form und Materie als „Ausdruck“ von Code

http://www.emergingobjects.com/2013/09/27/concrete/

„Solutionismus“

Morozov, Evgeny (2013): To Save Everything, Click Here:

The Folly of Technological Solutionism, Philadelphia: Public Affairs.

„computationalism“

David Golumbia: The Cultural Logic of Computation. Harvard Univ. Press 2009.

„[…] the computer encourages a

Hobbesian conception of this political

relation: one is either the person who

makes and gives orders (the sovereign),

or one follows orders. There is no room in

this picture for exactly the kind of

distributed sovereignty on which

democracy itself would seem to be

predicated […]“

David Golumbia: The Cultural Logic of Computation. Harvard Univ. Press 2009.

•„[…] the post-digital is

represented by and

indicative of a moment

when the computational

has become hegemonic.“

Berry, David M. (2014). Post-Digital Humanities. In: Educause Review May/June 2014.

http://er.educause.edu/~/media/files/article-downloads/erm1433.pdf

„we found digital computation

because our society is already so

oriented toward binarisms, hierarchy,

and instrumental rationality“

David Golumbia: The Cultural Logic of Computation. Harvard Univ. Press 2009.

http://tincon.org/

3.

Transformationen auf

der Ebene von

Subjekt, Sozialität,

Kultur

„Alltagskultur“

digital transformierte

Praktiken der

„Subjektivation“*

* (machtgeladene reflexive, kommunikative, rituelle, institutionalisierte

Praktiken, durch die kulturell spezifische Subjektverhältnisse entstehen)

Selbstoptimierung: „Quantified Self“

Selbstbilder: „Selfie“

Individualisierung: „Echokammer“

ProdUser-Imperativ: „Be creative!“

43

favstar.fm Externer Service, der seit 2009 „Favsterne“ und „Retweets“ eines Users sammelt und u.a. in „Leaderboards“ präsentiert.

digital transformierte

Sozialität

Algorithmisierung des

Sozialen

z.B. Facebook-

Filteralgorithmus

Empfehlungs–

algorithmen

Netzwerk-Sozialität

Aufmerksamkeits-

ökonomie

Viral Dynamiken

Smartmobs

Shitstorms

WhatsApp-vernetzte

Peers und Familien

digital entgrenzte

„Gouvernementalität“*

* = in Gesellschaft und Indvidiuum bis in seinen Körper eingelassene

Mentalität der „Selbstregierung“; vgl. „Gouvernementality Studies“

Smart Agriculture

Smart Environments

Monitoring/Controlling Energy Use

Sustainable Behavioral Change toward Healthy Lifestyle

Body Sensor Networks in Clinical Settings/Elder Healthcare …

Social Sensor Networks for Transportation Management

RFID for Next Gen Automotive Services

usw.

Ilyas, M., Alwakeel, S. S., Alwakeel, M. M., & Aggoune, el-H. M. (2014).

Sensor Networks for Sustainable Development. CRC Press.

„Smart“ Everything als

Konglomerat von

Datamining, Überwachung,

Solutionismus und Moralisierung?

digitale Transformation

von Kultur-/gütern

•MIDI

als „lock-in“-Phänomen

Jaron Lanier: Gadget. Warum die Zukunft uns noch braucht.

Frankfurt/M.: Suhrkamp 2010.

MIDI (Music Instrument Digital Interface)

byte 1: note on/off

byte 2: coded note value (diachronic)

byte 3: velocity (0-128)

MIDI (Music Instrument Digital Interface)

byte 1: note on/off

byte 2: coded note value (diachronic)

byte 3: velocity (0-128)

•MP3

als kulturelles Artefakt und

„(im-) perceptual capital“

Sterne, Jonathan (2012). MP3. The Meaning of a Format. Duke Univ. Press

4.

Zwischenfragen

„Bildung“ geschieht immer im Horizont

menschlicher Kultur.

Diese Kultur formt und transformiert sich in

Praktiken und Institutionen.

Demokratische, offene Kultur ist durch das

Aushandeln von Legitimitätsansprüchen in

Bezug auf Praktiken und Institutionen geprägt

(Medienbeispiel: Rundfunk).

In den letzten 10 Jahren sind

maßgebliche Räume demokratischer

Kultivierung in Plattformen auf der Basis

proprietärer Software und auf

proprietären Servern eingewandert.

Wessen Wissen, wessen Algorithmen?

Wessen Kommunikationen, wessen Kommunikationsräume?

Wessen Daten, wessen Mehrwert?

Wessen Kreativität, wessen Copyright?

Politik: „Neuland!“

Internetbusiness: „Change the World!“

Zivilgesellschaft: „??“

Politik: „Neuland!“

Internetbusiness: „Change the World!“

Zivilgesellschaft: „??“

übersetzt: „Programmiere eine Plattform, die als Netzwerk-Hub

alte Ökomien kannibalisiert und die Nutzer zu Mitarbeitern macht.“

übersetzt: „Wir haben hier einen noch nicht hinreichend juridifizierten

Bereich; lasst ihn uns nach unseren Regierungslogiken umgestalten.“

übersetzt: „Wie können wir es benutzen?“ /

„Wir hätten gerne das Internet von 2007 zurück.“

5.

Fazit

These 1

Software und ihre (praktischen,

ästhetischen, kommunikativen, sozialen,

ökonomischen, politischen) Logiken sind

für Subjektivations- und

Bildungsprozesse konstitutiv.

Bildung ist ohne Rücksicht auf die

Bedingungen postdigitaler Kultur nicht

mehr zu denken.

These 2

Die Bildungspotenziale digitaler

Architekturen – und damit der heutigen

digitalisierten Welt –

werden beschränkt durch

hegemoniale Effekte auf der Ebene des

Designs von Software.

These 3

„Selbstbestimmung“ als zentrales

Bildungsziel ist daher nicht mehr nur als

deliberative Partizipation innerhalb

vorgegebener Optionsräume realisierbar.

Im Digitalen wie im Sozialen ist ein

Verständnis auf der Ebene konstitutiver

Codes notwendig.

These 4

Die kulturelle und ästhetische Dimension

ist hierbei ebenso wichtig wie die rational-

technische:

Die informationale Sphäre ist Teil unserer

Kultur, so wie Städtebau keine allein

ingenieurstechnische Sache ist.

These 5

Sowohl im Hinblick auf

Selbstbestimmung als auch im Hinblick

auf den Zusammenhang von Digitalität

und sozialer Ungleichheit ist das

digitale Basteln und ästhetische

Spielen im Sinne einer (Re-)

Kultivierung von Akten der Freiheit zu

befördern.

Bastler-Subjekte statt Nutzer-Subjekte!

Digitale Technologie pädagogisch

einsetzen oder vermitteln

ist gut.

Digitale Kultivierung

ist besser.

Prof. Dr. Benjamin Jörissen

Lehrstuhl für Pädagogik mit dem Schwerpunkt

Kultur, ästhetische Bildung und Erziehung

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benjamin@joerissen.name

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Perspektiven:

didakt. Ressource

päd. Gegenstand

kultureller Prozess

„Digitalisierung“ vs.

soziale Ungleichheit?

didakt. Ressource

päd. Gegenstand

kultureller Prozess

Reichweite

didakt. Ressource

päd. Gegenstand

kultureller Prozess

gegenstandsbezogene

Theorie, z.B. e-Learning

gegenstandsbezogene

Theorie, z.B.

„Medienkompetenz“

Sozialtheorie

Kulturtheorie

Netzwerktheorie

Subjekttheorie

Bildungstheorie

Methodologie …

Digitalisierung als …

didakt. Ressource

päd. Gegenstand

kultureller Prozess

e-Learning, z.B. vernetzte

Lernkulturen

„Medienkompetenz“ z.B.

Identität im Internet

Sozialtheorie, z.B.

Netzwerktheorie

Kulturtheorie

Subjekttheorie

Bildungstheorie

Methodologie

„Digitalisierung bietet

Subjekten neue Lernmittel

und -chancen!“

„Digitalisierung muss

Subjekten am Gegenstand

‚vermittelt’ werden!“

„Digitalisierung

transformiert Kultur,

Sozialität und also auch

Subjektivität.“

didakt. Ressource

päd. Gegenstand

kultureller Prozess

Gefahren verkürzter

Wahrnehmung