Post on 15-Aug-2019
D A S W O C H E N M A G A Z I N
37 | 08.09.2017 | www.magazin-forum.de | 3,30 €
Duell der Profis
KOMMT DIE
E-AUTO-QUOTE?Warum die
Elektro mobilität in
Deutschland noch
nicht funktioniert
In keinem Wahlkreis wird der Kampf um das Direkt-mandat so prominent ausgefochten wie in Saarlouis. Hier bemühen sich die Bundesminister Heiko Maas (SPD) und Peter Altmaier (CDU) um Wählerstimmen
MEHR ALS NUR HAARE Der Hairstylist und Blogger
Daniel Golz bringt frischen
Wind in die Friseursalons
NEUES DTB-DREAMTEAMBoris Becker und Barbara Rittner
sollen das deutsche Tennis
wieder an die Weltspitze führen S
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37 | 08.09.2017 | www.magazin-forum.de | 3,30 €
BUNDESTAGSWAHL 2017
8. September 2017 | FORUM 95
KLIMASCHUTZ | WISSEN
WARTEN AUF DIE GRÜNE WELLENach dem Abgasskandal scheint der Dieselmotor
am Ende. Der Elektroantrieb könnte ihn ersetzen,
wird in Deutschland aber kaum verkauft. Nun
fordert das Umweltministerium eine E-Auto-Quote.
Warum funktioniert die Elektromobilität nicht?
lektroautos werden in Deutsch-land kaum verkauft. Trotz �-nanzieller Förderung von Staat
und Herstellern hatten von 3,4 Millio-nen neu zugelassenen Pkw 2016 gerade einmal knapp 60.000 einen Elektro- oder Hybridantrieb. Das Bundesum-weltministerium will den Absatz nun mit einer E-Auto-Quote vorantreiben. Im Herbst, so heißt es, rechne man dort mit einem Vorstoß. Über die Höhe der Quote werde man noch sprechen, sagt Umwelt-Staatssekretär Jochen Flas-barth. Martin Schulz hatte bereits eine verbindliche Quote gefordert, Kanzle-rin Merkel hinge-gen lehnt sie ab.
Die Autobauer rechnen mit ei-
nem Anteil von etwa 25 Pro-zent bis 2025. Und sie geraten unter Druck. Drohende Fahrverbote, eine Quote von mindestens acht Prozent in China ab 2018 und die Ankündi-gungen verschiedener Länder, Ver-brennungsmotoren in den nächsten Jahren komplett zu verbieten, setzen
sie unter Zugzwang. Auch Bundes-kanzlerin Merkel hat sich bereits für
ein Ende des Verbrennungsmotors aus-gesprochen – ohne jedoch ein genaues
Datum zu nennen. Die Autohersteller investieren also, nehmen große Summen in die Hand, um die Entwicklung der Elektroautos voranzutreiben.
Das E-Auto könnte einfacher, sauberer und bald auch günstiger werden – doch noch will es kaum jemand haben. Woran liegt das? Experten nennen unterschied-liche Gründe: zu wenig Reichweite, mangelhafte Ladeinfrastruktur, gerin-ge Modellauswahl und zu hohe Kosten
trotz Kaufprämie. Selbst wer das E-Auto erst mal nur gemietet testen wolle, stehe vor Problemen. Denn auf 1.000 Neuzu-lassungen der Autovermieter kommen gerade einmal drei Elektroautos, wie eine Studie des Center Automotive Reserach (CAR) der Universität Duisburg-Essen zeigt. Die sogenannte EV-Quote, die im Kern rein batteriebetriebene Autos und Plug-in-Hybride erfasst, lag bei den Ver-mietern bei gerade einmal 0,3 Prozent. Damit ist sie kaum höher als im Vorjahr, wo sie bei 0,2 Prozent lag. CAR-Direk-tor Ferdinand Dudenhö�er bezeichnet das Ergebnis als „enttäuschend“, haben
doch selbst Privat-personen (1,07 Pro-zent), Autobauer und Handel (1,08) und Unternehmen (1,59) im ersten
Halbjahr mehr Elektroautos neu zuge-lassen. Dabei, so glaubt Dudenhö�er, könnten die Autovermieter entscheiden-de Impulse in puncto Elektromobilität setzen. Dass es dazu nicht komme, hängt laut dem Automobil-Wissenschaftler auch mit dem Steuervorteil beim Tanken zusammen. In der Branche müsse man auf die Kosten achten, sonst werde man abgehängt. Eine Elektromobilitäts-Prä-mie für Vermieter hätte die Akzeptanz der E-Autos in Deutschland vorantrei-ben können, ist Dudenhö�er überzeugt.
Die Autobauer selbst bewerben ihre E-Autos unter anderem mit Versprechen wie „CO2-Emission 0,0 Gramm pro Ki-lometer“. Umweltfreundlich soll es sein, besser für Mensch und Natur, werden Vertreter nicht müde zu betonen. Doch so einfach ist das nicht. Denn die Her-stellung und das Recyclen von E-Autos verursacht eben auch Schmutz. Genauso
KAUM E-AUTOS
IM UMLAUF
96 FORUM | 8. September 2017
WISSEN | KLIMASCHUTZ
wie die Produktion der Batterien und des Stroms. Und Letzterer ist entscheidend für die Umweltverträglichkeit: Werden E-Autos mit Kohlestrom geladen, sind sie schädlicher für das Klima als Ver-brenner. Werden sie mit Ökostrom gela-den, stellt sich die Frage, wie viel Strom benötigt wird und wo der herkommt. Die rund 45 Millionen Autos auf deut-schen Straßen mit umweltfreundlichem Ökostrom zu betreiben, würde etwa 100
Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr verbrauchen. Das ist in etwa so viel wie Sonne und Wind in Deutschland liefern, heißt: Es wäre nichts mehr üb-rig für andere Geräte, die mit Ökostrom funktionieren sollen.
Dazukommt, dass der größte Anteil der Patente für den elektrischen Antrieb von Unternehmen in Ostasien gehalten wird. Die Batteriezellen werden häu�g im Osten Chinas gefertigt. Dort, wo viele Kohlekraftwerke stehen. Dass die Herstellung der Batterien zudem deut-lich umweltschädlicher sein könnte als bislang angenommen, hat gerade erst
eine Studie des schwedischen Umwelt-ministeriums gezeigt. Damit sich ein Elektroauto von der Größe eines Tesla Model S ökologisch rechnet, muss es etwa acht Jahre gefahren werden. Bei der Herstellung entstünden pro Kilo-
wattstunde Speicherkapazität rund 150 bis 200 Kilo Kohlendioxid-Äquivalente. Umgerechnet auf die Batterien eines sol-chen Models wären das rund 17,5 Ton-nen CO2. Acht Jahre braucht das E-Auto um in der CO2-Bilanz zu gewinnen. For-
BATTERIEZELLEN
AUS CHINA
CAR-Direktor Ferdinand
Dudenhöffer glaubt,
dass die Autovermieter
entscheidende Impulse in
puncto Elektromobilität
hätten setzen können.
Die Quote soll kommen,
über die Höhe werde man
noch sprechen, sagte
Umwelt-Staatssekretär
Jochen Flasbarth.
Die Anzahl an Ladesäulen
in Deutschland ist –
im Gegensatz zum
führenden Norwegen –
geradezu lachhaft.
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8. September 2017 | FORUM 97
KLIMASCHUTZ | WISSEN
INFO
Der Elektromotor ist ein Motor, der
elektrische Energie in mechanische
umwandelt. Er kann auf verschiedene
Art und Weise gebaut und betrieben
werden. Er besteht aus verschie-
denen Teilen: einem Rotor (Anker/
Läufer), einem Stator, einem Kommu-
tator, einer Bürste, einer Welle und
einer Stromquelle.
Der Rotor ist der bewegliche Teil des
Motors und bewegt sich zwischen
den beiden Polen des Stators. Er wird
von einer Welle gehalten, die drehbar
gelagert ist. Um den Rotor herum ist
eine Spule mit mehreren Windungen
gewickelt, die von einem elektrischen
Strom durchflossen wird. Die Strom-
versorgung erfolgt über die Bürsten,
die am Rotor angebracht sind. Der
Stator ist meist ein Dauermagnet,
der ein konstantes Magnetfeld er-
zeugt. Die Stromquelle versorgt den
Motor mit Strom. Bei dem Einsatz
von Gleichstrom muss der Strom mit-
hilfe eines Kommutators umgepolt
werden. Der Kommutator oder auch
Stromwender genannt dient der Um-
polung im Elektromotor. Die Welle ist
ein stabförmiges Maschinenelement,
das im Elektromotor zur drehbaren
Lagerung des Rotors dient. Die Bürs-
te versorgt den Rotor mit Strom.
AUFBAU EINES ELEKTROMOTORS
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Bürsten
Spule
Rotor
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Stator Stator
scher wollen daher, dass Hersteller und Verbraucher mit kleineren Batterien aus-kommen. Für die viel geforderte größere Reichweite jedoch werden meist größere Batterien verkauft. Die Rohsto�e der Batterien, Nickel, Kupfer und Lithium beispielsweise, werden oft aus Boden-schätzen in Südamerika gewonnen. Um-weltfreundliche E-Autos sind demnach in der Umsetzung nicht nur komplexer als proklamiert, sondern die gute Luft in Deutschland scheint ihren Preis zu ha-ben: In China und Südamerika wird das Husten lauter.
Wie das E-Auto auf die Straßen kom-men kann, zeigt Norwegen. Nirgendwo fahren mehr solcher Autos als in dem Königreich im hohen Norden. Weil der Staat dort den Verkauf von Elektroautos etwa über Steuervorteile besonders stark angekurbelt hat, entscheiden sich viele Käufer für ein Elektrofahrzeug. Die E-Autos sind beispielsweise von der Zu-lassungssteuer und der 25-prozentigen Mehrwertsteuer befreit. Hinzukommen diverse Vergünstigungen wie kostenloses Parken in vielen Innenstädten, Gratis-Nutzung von Fähren oder das Ausblei-ben der Maut. Das Ergebnis: Der Elek-tro-Anteil an allen Neuzulassungen liegt in dem kleinen skandinavischen Land in diesem Jahr schon bei fast 30 Prozent. Durch den guten Ausbau von Ladestatio-nen, hat man dort auch den Ängsten der Verbraucher, entgegengewirkt, irgendwo in der Pampa liegen zu bleiben. Ab 2025 planen die Norweger sogar den komplet-ten Abschied vom Verbrenner und wer-den damit zum Vorreiter der Elektromo-bilität in Europa.
Die deutsche Elektroauto-Prämie von bis zu 4.000 Euro kann da nicht mithal-ten, der milliardenschwere Topf leert sich kaum. Daran ändern auch ein paar spe-ziell ausgewiesene Parkplätze nichts. Das einst von Angela Merkel veranschlagte Ziel bis 2020 mindestens eine Million E-Autos auf die Straßen zu bringen, ist längst in weite Ferne gerückt. Wer den Ausbau der Ladesäulen übernehmen soll, ist ebenfalls unklar.
Nun also wollen Teile der Politik die Elektromobilität per Quote vorantrei-ben. Martin Schulz hat nach der Die-selaffäre einen Fünf-Punkte-Plan ein-
gereicht. Von höherem Druck auf die Industrie ist die Rede und davon, die Technik eben über jene Quote voran-zutreiben. Angela Merkel lehnt sie ab, zu wenig durchdacht, zu bürokratisch sei eine solche Festlegung. Branchen-Experten raten zu Leitplanken, um neue, umweltfreundliche Autotechnik zu entwickeln und zu etablieren. Eine Technik vorschreiben wollen sie nicht. Denn damit, das befürchten sie, würde die Politik denselben Fehler noch mal machen und auf eine spezielle Technik setzen – ganz wie beim Diesel. Mög-licherweise seien bald andere Techno-logien führend. Möglicherweise aber könnte der Wettkampf der Technolo-
gien auch schon bald entschieden sein. Durch die Quote der Chinesen näm-lich. Ist das Land doch für 40 Prozent der weltweit verkauften Wagen des VW-Konzerns verantwortlich. Allein daran erkenne man, wie wichtig dieser Markt ist, sagt Automobil-Experte Ste-fan Bratzel. Weiter sagt er: „Entspre-chend sind die Vorgaben, die in diesem Markt gelten, enorm leitend und maß-gebend für die Automobilhersteller in Deutschland.“ Führen die Chinesen die Quote ein, da ist sich Bratzel sicher, werden die Autokonzerne umdenken müssen – ob mit oder ohne Vorgaben aus Deutschland.
Laura Kutsch
POLITIKER
SIND SICH UNEINS