EESG/04/03/01 © Peter Weichhart Modul 04/03 Das Interview: Die Lehre von der Frage, Teil 3...

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EESG/04/03/01

© Peter Weichhart

Modul 04/03Modul 04/03Das Interview:Das Interview:

Die Lehre von der Frage,Die Lehre von der Frage,Teil 3Teil 3

Einführung in die empirischeEinführung in die empirischeSozialforschung für GeographenSozialforschung für Geographen

SS2009

290217 VU2 Std., 3 ECTS-Punkte

Mittwoch 12.30 -14.00; Hs. I (NIG) , Kapitel 29.01; 29.04; 29.05

EESG/04/03/02

Sensible Fragen: Entschärfung und Verharmlosung

„Haben Sie an Ihrem Arbeitsplatz schon einmal Büromaterial gestohlen?“

„Haben Sie schon einmal ein paar Blei-stifte oder irgendwelche andere Dinge, die so auf Ihrem Schreibtisch herumlie-gen, mit nach Hause genommen?“

EESG/04/03/03

Sensible Fragen: Überrumpelung

„Bitte denken Sie einmal genau nach, an welchem Tag Sie das letzte Mal einen Bleistift oder irgend welche andere Dinge, die so auf Ihrem Schreibtisch liegen, nachHause mitgenommen haben."

EESG/04/03/04

Sensible Fragen: Mitläufereffekt I

„Es ist ja bekannt, dass die meisten Be-schäftigten hin und wieder Kleinigkeiten wie Bleistifte von ihrem Arbeitsplatz mit nach Hause nehmen. Wann ist das bei Ihnen das letzte Mal vorgekommen?“

EESG/04/03/05

Sensible Fragen: Mitläufereffekt II

„Bei einer Umfrage wurde festgestellt, dass 92% aller Berufstätigen gelegent-lich Kleinigkeiten wie Bleistifte vom Arbeitsplatz mit nach Hause genom-men haben...“

EESG/04/03/06

Sensible Fragen: Thema „selbstverständlich“ machen

„Jeder Mensch ist schon einmal schwarz mit dem Bus gefahren. Schließlich schadet man damit niemandem. Wie oft kommt das im Jahresdurchschnitt bei Ihnen vor?“

EESG/04/03/07

Praktiken der Manipulation I

• Die „scheinbar offene Frage“:

„Sind Sie der Meinung, dass man die Schulpolitik der Regierung unterstützen sollte?“

• Geschlossene Fragen mit unvollständigen Antwortmöglichkeiten;

• Die nicht gewünschte Antwortmöglichkeit wird umständlich oder verwirrend formuliert.

EESG/04/03/08

Praktiken der Manipulation II

• „Unerwünschte“ Antwortalternativen stehen am Anfang, „erwünschte“ am Ende einer lan- gen Liste.

• Bei prinzipiell möglichen Mehrfachnennungen wird nur eine Antwort zugelassen:

„Welchen Politiker halten Sie für beson-ders fähig: A, B, C...? Bitte nur einen Namen ankreuzen!“

EESG/04/03/09

Praktiken der Manipulation III

• Die „erwünschte“ Antworttendenz erhält gegenüber der „unerwünschten“ mehr Alternativen;

• suggestive Formulierungen durch stereotype Wendungen.

EESG/04/03/10

Grundregel:

Manipulative Methoden sind um so „erfolg-reicher“ sind, je weniger stark die Meinungder Befragten zum Forschungsgegenstand ausgeprägt ist.

Die Zieldimension einer Frage

EESG/04/03/11

... kennzeichnet die eigentlich relevanteProblemstellung des Items. Sie spezi-fiziert das Ziel des Messprozesses.

Das entscheidende Problem bei der Formulierung einer Frage ist die Operationalisierung der Ziel-dimension.

Das Beispiel „Sozialstatus“

EESG/04/03/12

„Messung“ über theoretisch begründete Be-stimmungsfaktoren:

• Macht, Einfluss;

• Mittelverfügbarkeit, Einkommen;

• „Verwirklichungspotential“, Selbstbe- stimmtheit;

• soziale Reputation, „Ansehen“.

EESG/04/03/13

Zieldimension „Stellung im Beruf“, Operationalisierungsmöglichkeiten:

„Nehmen Sie an Ihrem Arbeitsplatz eine

ausführendemittlere oderleitende

Position ein?“

(Zutreffendes bitte ankreuzen.)

EESG/04/03/14

„Für wie viele Mitarbeiter an Ihrem Arbeitsplatz sind Sie der unmittelbare Vorgesetzte, der Weisungen erteilt oder Aufsichts- und Kontroll-aufgaben auszuüben hat ?

keine Funktion als Vorgesetzter 1-2 Mitarbeiter 3-5 Mitarbeiter 6-10 Mitarbeiter mehr als 10 Mitarbeiter.“

(Zutreffendes bitte ankreuzen.)

Zieldimension „Stellung im Beruf“, Operationalisierungsmöglichkeiten:

Fremddimension

EESG/04/03/15

Als Fremddimension können wir jede inhaltliche Deutungsmöglichkeit einer Frage ansehen, die nicht exakt der eigentlich intendierten Zieldimension entspricht.

Der Einfluss von Fremddimensio-nen auf die faktische Antwort

EESG/04/03/16

Ort des Befragten:

1 2 3 4 5 6 7

Zieldimension: Vor-urteil gegen Asoziale

1 2 3 4 5 6 7

Soziale Wünschbarkeit

1 2 3 4 5 6 7

Fremddimension:Wohnungssuche

1 2 3 4 5 6 7

Faktische Antwort

(2 + 6 + 1)/3 = 3

Nach K. HOLM, Hrsg., 1975, S. 66-68

Treffergenauigkeit und Fremdbestimmtheit

EESG/04/03/17

Eine Frage weist eine hohe Trefferge-nauigkeit auf, wenn sie überwiegend auf der intendierten Zieldimension misst.

Als „Fremdbestimmtheit“ bezeichnet mandas Ausmaß, in dem eine Frage auf ei-ner Fremddimension misst.

Fremdbestimmtheit

EESG/04/03/18

... wird besonders durch assoziative und konnotative Wirkung von Worten bestimmt,die in einer Frage enthalten sind. Es sind meist bestimmte „Reizworte“, die bei den Probanden unerwünschte Reaktionen aus-lösen.

Regel:

EESG/04/03/19

Frageformulierungen sollen generell kurz sein (also aus so wenig Worten wie möglich bestehen). Vor allem sollten sie keine Be-griffe oder Wendungen enthalten, die mit einem (vermutlich) hohen Reizwert auf Fremddimensionen messen.

Auch Stimuli können auf Fremddimensionen wirksam werden

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Auch Stimuli können auf Fremddimensionen wirksam werden

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Auch Stimuli können auf Fremddimensionen wirksam werden

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Auch Stimuli können auf Fremddimensionen wirksam werden

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„Mit jemanden um etwas kämpfen“ kann in zweifacherWeise verstanden werden!

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Auch Stimuli können auf Fremddimensionen wirksam werden

Der Kanzler auf Eurer Seite

Mit der SPÖ um die Arbeitsplätze kämpfen.

Beachtenswerte Verallgemeinerungen I

EESG/04/03/20

• Je mehr sich eine Person für ein Thema interessiert, desto gültiger sind die An- gaben.

• Je wichtiger ein Ereignis für eine Person ist, desto genauer werden die Antworten.

• Je weiter ein Ereignis zurückliegt, desto ungenauer werden die Angaben.

Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206

EESG/04/03/21

Beachtenswerte Verallgemeinerungen II

• Je bedrohlicher oder unangenehmer ein Er- eignis für eine Person war, desto eher wird sie es vergessen.

• Je stärker ein Thema soziale Tabus berührt, desto weniger sind Probanden bereit, darü- ber etwas auszusagen.

• Die Bereitschaft zu konkreten Aussagen ist umso höher, je höher die soziale Bewertung des Themas ausfällt.

Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206

Regel

EESG/04/03/22

Fragen sollten kurz, einfach und auf den Denk- und Handlungskontext der Proban-den bezogen sein. Alle sprachlichen Wen-dungen, die Unklarheiten produzieren kön-nen, sind zu vermeiden: doppelte Negati-onen, unklare Begriffe, verzerrte Formulie-rungen etc.

Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 205

Einige Regeln für geschlossene Fragen I

EESG/04/03/23

• Bei einer geschlossenen Frage mit zwei Alternativen hat die letztgenannte die größe- re Anziehungskraft.

• Je eingehender jemand seine Gründe durch- dacht hat, desto weniger wird ihm die vorge- gebene Liste ausreichen.

 Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206

EESG/04/03/24

Einige Regeln für geschlossene Fragen II

• Je weniger jemand seine Gründe durchdacht hat, desto eher wird die Liste als Erleichte- rung angesehen werden. Bei sehr niedrigem Informations- oder Reflexionsstand besteht allerdings die Gefahr des wahllosen Ankreu- zens.

 Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206

EESG/04/03/25

• Unangenehme oder sozial abgelehnte Gründe, die bei offenen Fragen nicht ge- nannt würden, können unter den vorge- brachten Alternativen untergebracht werden.

Einige Regeln für geschlossene Fragen III

 Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206

Zwei Regeln für offene Fragen

EESG/04/03/26

• Die Reihenfolge der Nennungen der Befrag- ten gibt nicht immer ihre subjektive Wichtigkeit wieder; sie können sogar das Wichtigste nicht genannt haben, weil es so selbstverständlich ist. • Die Zahl der Nennungen steigt, je länger man den Befragten Zeit zum Nachdenken gibt oder sie durch Ermutigung auffordert. Aller- dings wächst die Gefahr, dass Interviewer die Antwort im Sinne ihrer Einstellungen und Vor- urteile beeinflussen.

 Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206

Einige Regeln für Listenfragen I

EESG/04/03/27

• Je geringer die Information der Befragten ist, desto eher werden sie versuchen, die „richti- ge“ unter den vorgegebenen Antworten zu erraten. Erfahrungsgemäß wird eine Katego- rie der unteren Mitte angekreuzt („Positions- effekt“).

• Um Positionseffekte zu vermeiden, sollte man die Reihenfolge der Vorgaben innerhalb einer Umfrage wechseln.

 Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206/7

EESG/04/03/28

Einige Regeln für Listenfragen II

• Je länger die Vorgaben, desto größer die Gefahr einer Verwirrung der Befragten, aber um so mehr werden die Nachteile der ge- schlossenen Frage vermieden.

• Je komplexer die vorgegebenen Kategorien, um so eher sind Karten und Listen notwendig.

  Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206/7Nach J. FRIEDRICHS, 1973, S. 206/7

• Je länger und je komplizierter die Vorgaben, desto größer ist der Einfluss der Reihenfolge.