Post on 25-Aug-2019
Prof. Dr. Niclas SchaperVorlesung Organisationspsychologie 1
Lehrstuhl für Arbeits- und OrganisationspsychologieUniversität Paderborn
Einführung in die Organisationspsychologie 13-06-06
Thema der heutigen Stunde:
• Instrumente zur Teamdiagnose- Teams in Organisationen
- Ziele von Teamdiagnosen
- Prozessanalytische Verfahren
- Konferenzkodierung
- Strukturanalytische Verfahren
- Fragebogen zur Arbeit im Team (FAT)
- Teamklimainventar (TKI)
- Resümee
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Kennzeichen von (Arbeits-)Gruppen bzw. Teams
Gemeinsame,aus mehreren Teilaufgabenbestehende Arbeitsaufgabe
Wir - Gefühl
unmittelbareZusammenarbeit
gemeinsameZiele
mehrerePersonen
gemeinsameWerte
gemeinsameSpielregeln
zeitlicheDauer Rollenverteilung
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Arten von Gruppen bzw. Teams in Organisationen
Klassifikation von Heeg (1988) orientiert an den Aufgaben von Gruppen:
• Führungsgruppen
• Beratungsgruppen
• Projektgruppen
• Ausführungsgruppen
• Lern- und Problemlösegruppen
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Ziele und Adressaten von Teamdiagnosen
Ziele:• Analyse der gegenwärtigen Situation des Teams
• Stärken-Schwächen-Analyse / Benchmarking
• Bedarfsermittlung für Teamentwicklungsmaßnahmen
• Initiierung des Dialogs im Team
• Sensibilisierung für gruppeninterne Prozesse
• Evaluierung von Teamentwicklungsmaßnahmen
Adressaten:• Teammitglieder
• Berater
• Personal-/Organisationsentwickler
• Management / betriebliche Interessensvertreter
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Prozessanalytische Teamdiagnoseverfahren
• Diese beruhen auf Verhaltensbeobachtungen.
Es wird unterschieden zwischen:
Gering standardisierten Prozessanalysen:Sie werden meist im Rahmen der diagnostischen Phase von Teamentwicklungsmaßnahmen durchgeführt (z.B. Beobachtung einer Gruppendiskussion oder –besprechung)
Standardisierten Prozessanalysen:Sie wurden im Rahmen der Kleingruppenforschung entwickelt und dienen zur Klassifikation des Verhaltens in Kleingruppen.
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Prozessanalytische Teamdiagnoseverfahren
• Beispiel für eine standardisierte Prozessanalyse:
Interaktions-Prozess-Analyse (IPA) nach Bales (1950):Sie dient zur Beschreibung von Verlauf und Dynamik eines Gruppenprozesses, indem die Interaktionsinhalte nach bestimmten Kategorien (gemäß ihrer Funktion) eingeordnet werden (z.B. äußert Meinung, drückt Wünsche aus, bestärkt andere)
• Die Kodierung des (Interaktions-)Verhaltens bei standardisierten Prozessanalysen erfolgt durch geschulte Beobachter
in direkter Form anhand von strukturierten Beobachtungsbögen oder
zeitversetzt anhand von Videoaufzeichnungen oder Transkripten der Aufzeichnungen
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Konferenzkodierung (KONFKOD) nach Fisch (1989)
• Methode zur Analyse von Entscheidungs- und Problemlösungsprozessen in Gruppen
• Zielsetzungen der Analyse:
Ermittlung von Regelhaftigkeiten im Ablauf von Gruppendiskussionen
Theorie- und datengestützte Rückmeldung von förderlichen und hemmenden Interaktionsprozessen bei Trainingsgruppen
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Kodiereinheit und –regeln der Konferenzkodierung
• Kodiereinheit:- Redebeiträge einzelner Personen - eine Einheit umfasst eine Aussage, einen Gedanken
oder eine thematische Einheit
• Kodierregeln: Pro Einheit wird kodiert- Zeit (Stunde: Minute: Sekunde), - Wer spricht zu wem - Wichtige Aussageninhalte
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Inhaltliche Beobachtungskategorien der Konferenzkodierung
• Inhaltliche Lenkung- Frage mit Feststellung (FF)- Informationsfrage (IF)
• Prozedurale Lenkung- Frage zum Verfahren (VF)- Verfahrensgesichtspunkte, Vorschlag zum Vorgehen (VG)
• Aufgabenbezogene Aktivitäten: Inhalte und Sachbeiträge- Feststellung, Analyse (FA)- Meinung (M)- Information (I) - Erläuterung (E)- Lösungsvorschlag (L)
• Sozio-emotionale Beiträge- positive bzw. negative Bewertung von Personen oder Handlungen (B+ / B-)- Zustimmung bzw. Ablehnung von Inhalten (Z / A)- angenehme, positive, freundliche Gefühle (G+)- unangenehme, negative, unfreundliche Gefühle (G-)
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Auswertung und Reliabilität der Konferenzkodierung
• Rollenverhalten, typische Verhaltensmuster- für jeden TN wird ausgewertet, welche Kategorie eine Person
vorzugsweise benutzt - Analyse charakteristischer Verhaltensmuster
wie z.B. Informand, Bewerter, Diskussionsleiter etc.- Anzahl der Beiträge pro Person (Aktivitätsmaß)
• Regulation des Gruppenprozesses- „Wer zu wem“-Matrizen (z.B. Sendermuster, Empfängermuster oder
Asymmetrie zwischen gesendeten und empfangenen Akten)• Qualitative Analysen
- inhaltsanalytische Auswertung bedeutsamer Äußerungen (z.B. Analyse von Argumentationsstrukturen)
• Reliabilität von KONFKOD:- Beurteilerübereinstimmung: zwischen .61 - .91 (Kappa-Kennwert)
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Strukturanalytische Teamdiagnoseverfahren
• Sie beruhen auf Fragebögen, Ratingbögen oder Adjektivlisten
• Hierbei wird nach der Wahrnehmung der Teammitglieder zu bestimmten Merkmalen des Teams oder seiner Mitglieder gefragt (z.B. Teamklima)
• Sie vermitteln eine Art „Schnappschuss“ der Gruppe zu einem Zeitpunkt
• Sie sind meist leicht handhabbar, zeitökonomisch und praxistauglich
• Im Vergleich zu prozessanalytischen Verfahren ist das ermittelte Bild wenig detailgetreu und grob
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Übersicht zu Strukturanalytischen Teamdiagnoseverfahren
Soziometrie-Verfahren:- (z.B. Sympathie- und Antipathie-Fragen nach Moreno, 1956)
Adjektivratingliste:- (z.B. SYMLOG-Adjektivliste in Anlehnung an IPA-Kategorien
nach Faßheber & Krohn, 1982)
Fragebögen zu Lern-, Denk- und Problemlösestilen- (z.B. Myers-Briggs-Typen-Indikator, 1962)
Fragebögen zu Teamrollen:- (z.B. Belbins Team-Role-Self-Perception, 1981)
Verhaltensnahe Fragebögen:- (z.B. Fragebogen zur Arbeit im Team nach Kauffeld, 2001)
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Fragebogen zur Arbeit im Team (FAT) nach Kauffeld (2001)
• Verhaltensnahes, strukturanalytisches Instrument zur Diagnose verschiedener Aspekte der Zusammenarbeit im Team
• Beruht auf dem Team-Reflexivity-Modell nach West (1994)
• Itemgenerierung mit Personalentwicklungs-Beraternund einschlägigen Wissenschaftlern
• Zielsetzung der Analyse:- Identifikation von Stärken und Schwächen eines Teams- Initiierung und Begleitung von Teamentwicklungsprozessen- Stand der Gruppen- und Teamentwicklung im Unternehmen ermitteln
• Zielgruppen des FAT: ganz unterschiedliche Formen von Teams aus verschiedenen Unternehmensbereichen und -ebenen
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Theoretische Grundlage des FAT: Team Reflexivity Modell (West, 1994)
Teamreflexivity als Möglichkeit zum Lernen und zur Entwicklung im Team. West geht dabei von zwei fundamentalen Dimensionen des Funktionierens von Teams aus:
• Task Reflexivity:bezieht sich auf die Aufgabe, die das Team zu erledigen hat; hierzu gehören die Teamziele, Aufgabenorientierung sowie die Wege, diese Ziele zu erreichen.
• Social Reflexivity:umfasst soziale Faktoren, die beeinflussen, wie die Teammitglieder das Team als soziale Einheit wahrnehmen; es geht um soziale Unterstützung im Team, das Teamklima sowie Methoden der Konfliktlösung
• Je nach Ausprägung auf diesen beiden unabhängigen Dimensionen kann eine Zuordnung der Teams zu vier Typen erfolgen
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Theoretische Grundlage des FAT: Team Reflexivity Modell (West, 1994)
High TaskReflexivity
Low SocialReflexivity
High SocialReflexivity
Cold efficiencyteam
Dysfunctionalteam
Fully functioningteam
Cosyteam
Low TaskReflexivity
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Dimensionen, Subdimensionen und Beispielitems des FAT
Strukturorientierung (task reflexivity)
• Zielorientierung • Die Ziele unseres Teams sind klar.• Ich identifiziere mich mit den Zielen des Teams.
• Aufgaben-bewältigung
• Wir koordinieren unsere Anstrengungen gut.• Informationen werden rechtzeitig ausgetauscht.
Personorientierung (social reflexivity)
• Zusammenhalt • Wir fühlen uns als Team.• Die Teammitglieder helfen sich gegenseitig, wenn einer in
Zeitnot gerät.• Verantwortungs-
übernahme• Alle bringen sich in gleichem Maße in das Team ein.• In unserem Team fühlt sich jeder für das Gesamtergebnis
der Arbeit verantwortlich.
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Itemformat und Gütekriterien des FAT
Itemformat des FAT: bipolare Aussagenpaare mit sechsstufiger Ratingskalazur Beantwortung, welcher Aussage man mehr zuneigt
Unsere Ziele sind realistisch und erreichbar.
Unsere Ziele sind unrealistisch und unerreichbar.
Reliabilität:- Interne Konsistenz: .76 - .90- Interrater-Konsistenz: .41 - .94
Interkorrelationen der Skalen: .39 - .79
Validität:- Korrelationen der FAT-Skalen mit Produktivität: .28 -.49- Korrelationen mit subjektiv eingeschätztem Arbeitserfolg: .56 -.74- Korrelationen mit Arbeitszufriedenheit: .36 - .45
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Fallbeispiel für FAT-Resultate:Vergleich eines Vertriebs-Führungsteams mit Referenzwerten
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Fallbeispiel für FAT-Resultate:Vergleich eines Führungsteams im Vertrieb mit Referenzwerten
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Fallbeispiel für FAT-Resultate:Vorher-/Nachhermessung beim Vertreibs-Führungsteam
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Fallbeispiele für FAT-Resultate:Vorher-/Nachhermessung beim Vertriebs-Führungsteam
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Teamklimainventar (TKI) nach Brodbeck et al. (2000)
• Der TKI beruht auf der 4-Faktorentheorie von West (1990), die Befunde zum Zusammenhang zwischen Klima, Innovation und Leistung in Organisationen systematisiert
- Teamarbeit wird im Rahmen dieser Theorie als zentraler Promoter von Veränderung und Innovation begriffen
- Die Theorie beantwortet die Fragen, welche Faktoren Innovation in Arbeitsgruppen fördern bzw. behindern und wie diese Faktoren erfasst werden können
- Es werden vier übergeordnete Dimensionen des Teamklimasangenommen, die die Qualität und Quantität von Innovationen und Leistungen in Arbeitsgruppen beeinflussen:
VisionAufgabenorientierungPartizipative SicherheitUnterstützung für Innovation
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Dimensionen und Subskalen des TKI
Vision Aufgaben-orientierung
PartizipativeSicherheit
Unterstützung für Innovation
Klarheit
Wertschätzung
Einigkeit
Erreichbarkeit
Hohe Standards
Reflexion
Synergie
Info.-Verteilung
Sicherheit
Einfluss
Kontaktpflege
Bereitschaft
Umsetzung
Soz. Er-wünscht-
heit
Soz. Aspekte
Aufgaben-aspekte
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Beispielitems des TKI
• Vision / Einigkeit:Inwieweit stimmen Sie persönlich mit den Zielen des Teams überein?
• Aufgabenorientierung / Reflexion:Sind die Teammitglieder bereit, die Grundlagen der eigenen Arbeit in Frage zu stellen?
• Partizipative Sicherheit / Einfluss:Jede Ansicht wir angehört, auch wenn es die Meinung einer Minderheit ist.
• Unterstützung für Innovation / Bereitschaft:Die Personen im Team suchen ständig nach neuen Wegen, Probleme zu betrachten.
• Soziale Erwünschtheit / Soziale Aspekte:Es gibt niemals Spannungen zwischen Personen im Team.
• Soziale Erwünschtheit / Aufgabenaspekte:Mit Leichtigkeit erreicht das Team durchweg die höchsten Ziele.
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Aufbau und Durchführung des TKI
• TKI besteht aus insgesamt 44 Fragen:- 38 Items zu 4 zentralen Dimensionen (13 Subskalen) und - 6 Fragen zur sozialen Erwünschtheit (2 Subskalen)
• Beantwortung der Fragen anhand 5-stufiger bipolarer Likert-Skala
• Dauer der Beantwortung: ca. 15 Min.
• Vertraulichkeit bzw. Anonymität der Beantwortung sollte gesichert sein
• Zur standardisierten Durchführung sollte schriftliche Instruktion befolgt werden
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Auswertung des TKI
• Es sollten mindestens 70% der Gruppenmitglieder den Fragebogen beantwortet haben
• Teamsummenwerte werden anhand von Normwerten in Stanine-Wertetransformiert
• Interpretation der Ergebnisse anhand eines Profilblatts:
mittlere Stanine-Werte sind als Hinweise auf Möglichkeiten zur Verbesserung des Teamklimas zu werten
unterdurchschnittliche Werte weisen auf Bedarf für intensive und strukturierte Interventionen hin
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Gütekriterien des TKI
• Reliabilität (Interne Konsistenz bzw. Cronbachs Alpha):
Hauptdimensionen im Durchschnitt .86 (Range: .81 - .89)
Subskalen im Durchschnitt .71 (Range: .61 - .82)
• Validität:
„Vision“ und „Unterstützung für Innovation“ weisen mittlere bis hohe Zusammenhänge mit - der selbst- und fremdeingeschätzten Innovation (.37* - .64**) - und dem selbst- und fremdeingeschätzten Teamerfolg auf (.50** - .66**)
„Aufgabenorientierung“ und „Partizipative Sicherheit“weisen moderate bis mittelhohe Zusammenhänge mit diesen Kriterien auf (.24 -.48**)
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Resümee zur Teamdiagnose
Prozessanalytische Verfahren Strukturanalytische Verfahren
Fokus • Objektive Realität • Subjektive Wahrnehmung der Teammitglieder
Methodischer Zugang
• Verhaltensbeobachtung • Fragebogen
Vorteile • Hoher Informationswert• Detailgenauigkeit• Adäquate Abbildung komplexer
Phänomene• Keine bzw. geringe Reaktivität
• Hohe Standardisierung• Geringer Zeitaufwand• Geringer Bedarf an Ressourcen
Nachteile • Geringe Standardisierung• Hoher Zeitaufwand• Hoher Bedarf an Ressourcen• Kodiertraining erforderlich
• Grobes Bild• Hohe Reaktivität
bei wiederholtem Einsatz• Keine Information über
Mikroprozesse