FAMILIEN- UND ERBRECHT - Schindler Attorneys · Schindler:Dessenungeachtetsollte der Unternehmer...

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  • 3DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

    FAMILIEN- UND ERBRECHT

    DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

    Die Übergabe von Unternehmen kannderzeit in Österreich zu sehr attrakti-ven Bedingungen stattfinden, da dafürseit 2008 weder Erbschafts- nochSchenkungssteuer anfallen.Neben einer Fortführung desUnternehmens durch Familien-mitglieder können auch der Verkaufund die Fremdgeschäftsführung sinn-volle Alternativen sein. Zu beachtendabei ist immer das Pflichtteilsrecht:

    Nachkommen und Ehegatten desVerstorbenen steht bis auf wenigeAusnahmen ein gewisser Anteil amNachlass zu. Ohne sorgfältige Vorsorgedurch den Unternehmer kann dieAusübung der Pflichtteilsrechte dasUnternehmen bedrohen, da zurBefriedigung der Pflichtteils-berechtigten mangels anderenVermögens die Unternehmenssubstanzdienen müsste.

    Unternehmer müssen vorsorgenWas sind die häufigsten Schwierig-keiten, auf die Sie bei Ihrer Bera-tung von Unternehmensnachfol-gen stoßen?Clemens Philipp Schindler: Die prob-lematischsten Fälle sind in der Regeljene, in denen gar keine Vorsorge ge-troffen wurde – weder durch Über-gabe zu Lebzeiten, noch durch eineletztwillige Verfügung wie etwa einTestament. Es kann immer passie-ren, dass ein Unternehmer verstirbt,geschäftsunfähig wird oder er-krankt. Unsere klare Empfehlunglautet daher, dass man sich mit demThema der Unternehmensnachfolgefrühzeitig auseinandersetzt.

    In jungen Jahren weiß ein Unter-nehmer aber vielleicht noch garnicht, wie die Nachfolge aussehensoll.. .Schindler: Dessen ungeachtet sollteder Unternehmer zu-mindest Vorsorge füreinen Notfall treffenund zwar sowohl füreine Nachfolge als auchfür eine vorübergehen-de Verhinderung. Es istganz entscheidend,auch diese temporärenSituationen im Auge zuhaben.Wenn der Unter-nehmer beispielsweisegeschäftsunfähig wird, kann esschnell dazu kommen, dass das Ge-richt einen Erwachsenenvertreterbestellt, den sich der Betroffenenicht ausgesucht hätte. Hier kannman mit einer VorsorgevollmachtAbhilfe schaffen.Philipp Hoyos: Die Vorsorgevoll-macht wurde mit 1. Juli 2018 im Zu-ge des Erwachsenenschutzgesetzesreformiert. Sie ermöglicht dem Voll-machtgeber, für den Fall seinerkünftigen Geschäftsunfähigkeitunter anderem zu bestimmen, werseine Geschäfte lenken soll. Die Vor-sorgevollmacht kann sowohl für denprivaten als auch den unternehmeri-schen Bereich – etwa die Ausübungder Stimmrechte – erteilt werden.

    Was sind die häufigsten Probleme,wenn es eine Regelung für dieNachfolge gibt?Schindler: Bei einer Übergabe stelltsich oft das Problem, dass die Kom-

    Schindler: Wenn man das Unterneh-men weiterführt, muss man sichüberlegen, welche wirtschaftlichenMöglichkeiten man hat. Gibt es Ver-mögen oder Liegenschaften nebendem Unternehmen,ist es sinnvoll, zur Ab-sicherung der Familiemit diesem Vermögenzu arbeiten. Es könnteaber auch im Unter-nehmen nicht be-triebsnotwendigesVermögen geben, et-wa Immobilien, dienicht gebraucht wer-den. Hier kann eineOption sein, diese Immobilien zuentnehmen oder heraus zu spalten,wobei dieser Vorgang in der RegelSteuern auslösen wird. Dann gibt esnoch die Möglichkeit von Mindest-ausschüttungen. Wovon wir jeden-falls abraten, ist die Versorgung Fa-milienangehöriger mit Dienstverträ-gen im Unternehmen.

    Wieso?Hoyos: Das kann rechtlich sehr prob-lematisch sein. Die verbotene Einla-genrückgewähr besagt, dass nur dasaus der Gesellschaft an die Gesell-schafter herausfließen darf, was einfestgestellter Jahresgewinn ist. Ins-besondere sehen wir dieses Themain Form von nicht fremdüblichenGehältern. Ein anderes Beispiel sindüberhöhte Mieten. Bei einem Ver-stoß haften dann die Geschäftsfüh-rer persönlich. Praktische Relevanzhat das bei einer Insolvenz odereinem Verkauf.

    Wenn das Vermögen beziehungs-weise das Unternehmen nicht oder

    nur schlecht teilbar ist, ist es alsoschwierig, alle Angehörigen fair zuversorgen...Schindler: Viel zu wenige Unterneh-mer überlegen sich den Verkauf als

    Alternative. Dabeihilft das auch dabei,ein Gefühl zu bekom-men, was das Unter-nehmen überhauptwert ist. Mit dem Ver-kaufserlös kann manseinen Kindern oderanderen Familienmit-gliedern Vermögenzukommen lassen,das bei der Fortfüh-

    rung des Unternehmens gebündeltwäre. Auch die Frage nach einerFremdgeschäftsführung anstelleoder in Ergänzung eines Nachfolgersaus der Familie stellen sich vieleUnternehmer nicht. Das ist ein Feh-ler. Auch wenn man sich im Endef-fekt dagegen entscheidet, diese Al-ternativen sollte man sich jedenfallsdurch den Kopf gehen lassen.

    Bei Unternehmensübergabenkommt es ja oft zu einem Pflicht-teilsverzicht...Hoyos: Ja. Das Pflichtteilsrecht spieltbei er Übergabe immer eine wesent-liche Rolle. Die Motivation hintereinem derartigen Verzicht ist, dasUnternehmen nicht in Gefahr zubringen. Vielen ist gar nicht bewusst,wie viele Unternehmen dieses Frei-spielen von Mitteln langfristig nichtüberleben.

    Wie können sich Pflichtteilsbe-rechtigte, die einen Verzicht abge-ben, trotzdem absichern?Schindler: Viele Betroffene wissen

    nicht, dass ein Pflichtteilsverzichtentsprechend ausgestaltet werdenkann. Es kann zum Beispiel vorgese-hen sein, dass das, was ich für mei-nen Verzicht bekomme, mindestenseinem bestimmten Prozentsatz desVermögens zum Zeitpunkt des Able-bens des Unternehmers entspricht.Es gibt die Möglichkeit, laufende Zu-wendungen vorzusehen. Es kannauflösende Bedingungen geben, et-wawenn sich das Vermögen des Erb-lassers bis zu seinem Ableben übereine bestimmte Bandbreite hinausverändert. Verzicht bedeutet nichtVerzicht auf alles und auch nicht,dass wir die Zukunft völlig ausblen-den müssen.

    Muss der Pflichtteil in Geld be-stehen?Schindler: Hier unterscheiden sichdie Rechtsordnungen. In Österreichgibt es seit 2017 die Möglichkeit,über die Einräumung einer Begüns-tigtenstellung in einer Privatstif-tung, den Pflichtanteil zu decken.Das ist in anderen Jurisdiktionennicht möglich.

    Apropos andere Rechtsordnungen:Haben viele Unternehmensnach-folgen einen internationalen Be-zug?Hoyos: In vielen unserer Fälle gibt eseinen internationalen Aspekt. Sei es,dass die Kinder dort studieren, einEhegatte aus einem anderen Landstammt oder ein Teil des Unterneh-mens liegt dort.

    Welche Auswirkungen hat das kon-kret?Hoyos: Die Veränderung des Wohn-sitzes kann für erbrechtliche Verfü-gungen Konsequenzen haben. Aufeinen Österreicher, der in Deutsch-land gelebt hat, ist österreichischesErbrecht ohne entsprechendeRechtswahl nicht anwendbar.

    Wir haben in Österreich momentaneine sehr attraktive Rechtslage fürUnternehmensübergaben...Schindler: Derzeit haben wir keineErbschafts- und Schenkungssteuer,das heißt, die Aufteilung erfolgt von100 Prozent und nicht von einementsprechend reduzierten Betrag.Das kann sich aber jederzeit ändern.

    „Die Vorsorgevoll-macht kann für denprivaten und unter-nehmerischenBereich gesonderterteilt werden.“PhilippHoyos,Rechtsanwalt

    Clemens Philipp Schindler und PhilippHoyos imGespräch über Nachfolgefragen in Unternehmen. [ Dimo Dimov]

    Nachfolge.Wer die Übergabe seines Unternehmens nicht plant, bringt den Betrieb in Gefahr.petenzen nicht klar verteilt sind.Unserer Erfahrung nach funktionierteine zu starke Verschränkung ver-schiedener Personen sehr schlecht.Wenn alle alles gemeinsam machen,also über Expansion, neue Produkte,Mitarbeiterabbau gemeinsam ent-scheiden, ist der Streit oft vorpro-grammiert. Es braucht eine klare Re-gelung und eine klare Trennung derBereiche, soweit das vom Unterneh-men her möglich ist.

    Das ist schwierig, weil der Unter-nehmensübergeber doch meistensalle Familienmitglieder gleich undfair behandeln will. . .Hoyos: Das Problem ist, dass oft diegrößten Vermögenswerte im Unter-nehmen stecken und der Unterneh-mer darüber hinaus nicht genügendVermögen hat, um das Unterneh-men unbelastet an einen Nachfolger

    zu übergeben undandere Familienmit-glieder mit Geld zubefrieden. Deswe-gen wird für die Fa-milienmitglieder oftdie Beteiligung amUnternehmen ge-wählt. Hier mussman aber deren Ein-flussmöglichkeitenabgrenzen. Der, der

    das Unternehmen führt, muss dienotwendige Freiheit haben, umunternehmerisch tätig zu werden.Gibt es hier immer wieder Auseinan-dersetzungen, kann das Unterneh-men sehr schnell in eine Schieflagegeraten.

    Wie kann der Übergeber für seineFamilie finanziell vorsorgen?

    AD PERSONAM

    Clemens Philipp Schindler istGründer und Partner der KanzleiSchindler Attorneys. Der Rechts-anwalt und Steuerberater ist aufGesellschaftsrecht, Mergers &Acquisitions und Steuerrecht speziali-siert. Philipp Hoyos ist bei SchindlerAttorneys als Rechtsanwalt in denBereichen Private Clients,Gesellschaftsrecht und streitigenVerfahren tätig.

    „Viel zu wenigeUnternehmerüberlegen sich denVerkauf alsAlternative.“Clemens Philipp Schindler,Rechtsanwalt undSteuerberater