Foto: Norbert Wiegand Anzeichnen, Bohren, Feilen und Schrauben · ein etwas anderes Praktikum unter...

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20 LOKALESMITTWOCH,

9. MÄRZ 2016

MELLE/OLDENDORF. Pas-send vor der nahenden Grill-Saison bohrt, schraubt undfeilt er zusammen mit Maxi-milian Riemer (13), MarvinWegmann (15) und BartoszPapadopulos (14) in derWerkstatt des OldendorferUnternehmens „Werges Ma-schinenbau“.

Was die vier Achtklässlervon der Meller Oberschule

Ratsschule dort machen, istein etwas anderes Praktikumunter der Überschrift „Gene-rationen-Werkstatt“. Sieschauen nämlich nicht nurHandwerkern und Techni-kern bei firmenüblichen Ar-beiten über die Schultern,sondern bauen selbst etwas –einen kleinen Grill, den sienachher als ihr persönlichesEigentum mit nach Hausenehmen können.

„Wenn man etwas für sichselbst baut, ist die Motivationgrößer, deshalb lernt manauch mehr und schneller“, er-klärt Ulrich Franke, der dievier Jungs mit Unterstützungvon Werkstattmeister PatrickKnappmeier betreut. „BeimBauen ihres eigenen Grills

können Daniel, Maximilian,Marvin und Bartosz einenHandwerksberuf hautnah er-leben“, ergänzt der erfahreneMaschinenschlosser UlrichFranke, der von der FirmaWerges immer für die Prakti-kanten abgestellt wird.

Handwerk erleben

„Es macht uns vor allemviel Spaß, mit den Maschinenzu arbeiten“, zeigt Maximili-an die Blechschere, die Bohr-maschine und den Plasma-Schneider. Sie haben damitin die Quadrat-Eisen dieLöcher für die rundenRost-Stangen gebohrt, alleMetallteile zugeschnittenund Gewinde geschnitten,damit der Rost am Ende zu-

sammengeschraubt werdenkonnte.

„Ein echtes Problem war,alle Stangen gleichzeitig ein-zusetzen – da brauchten wirviel Geduld und eine ruhigeHand“, blickt Daniel auf eineschwierige Aufgabe zurück.„Die Holzgriffe für den Grill-Rost haben wir uns zuschi-cken lassen, denn bei Wergesgeht es nur um Metall.“ Anden nächsten beiden der ins-gesamt sieben Nachmittagemüssen die Jungs noch dasGestell für den Grill bauen.„Die Generationen-Werkstattist ganz anders als Schule, beider Arbeit können wir unsnämlich gut miteinanderüber alles unterhalten“,meint Maximilian.

Neben der Arbeit an ihrenGrills haben sich die Acht-klässler auch über das Ma-schinenbau-UnternehmenWerges informiert, das vor al-lem Sondermaschinen fürganz spezielle Wünsche vonKunden in allen Teilen derWelt herstellt. So werden dieDächer und Wände von Hy-mer-Wohnmobilen mit Wer-ges-Maschinen produziert,ebenso Verkleidungen vonKühlhäusern. Außerdembaut Werges Türen und Tore.Anhänger und Landmaschi-nen sind eher ein kleiner Be-reich des Oldendorfer Betrie-bes mit mehr als 50 Beschäf-tigten.

„Es wird immer schwieri-ger, geeigneten handwerkli-

chen Nachwuchs zu finden“,nennt Seniorchef FriedhelmWerges einen Grund, warumsein Betrieb beim Projekt„Generationen-Werkstatt“mitmacht. Schon so manchervermeintlich schwache Schü-ler habe sich später als guterHandwerker erwiesen, blickter auf seine Erfahrungen zu-rück.

„Und auch wenn aus einemPraktikanten kein spätererLehrling wird, so geben dieJungs ihre Erfahrungen mituns doch an Mitschüler, El-tern und Lehrer weiter“, kün-digt Juniorchef ChristophWerges an, dass es im nächs-ten Jahr eine weitere Auflageder Generationen-Werkstattin seinem Betrieb geben wird.

Generationen-Werkstatt: Echte Praxis mit einem erfahrenen Handwerker – Mehr als ein Praktikum

Von Norbert Wiegand

Anzeichnen, Bohren, Feilen und Schrauben

Daniel Knaus (14) freutsich schon darauf, baldauf seinem eigenen,selbst gebauten Grill dieersten Würstchen zubrutzeln.

Ihre Grill-Roste haben Daniel, Bartosz, Marvin und Maximilian (vorne, v. l.) schon fertig, das Gestell müssen sie mit Unterstützung von Werkstattmeister Patrick Knappmeier und Maschi-nenschlosser Ulrich Franke noch bauen. Foto: Norbert Wiegand

nw MELLE. Es sind überwie-gend Jungen, die in der Schu-le Probleme haben und ma-chen. Daraus ergibt sich derAnsatz des Projektes Genera-tionen-Werkstatt, das sichvor allem an männlicheSchüler zwischen zwölf und15 Jahren richtet. Das Prin-zip: Jung lernt von Alt.

Oft sind Väter in der häus-lichen Erziehung nicht odernicht genügend präsent.Schon in Kita und Grund-schule haben es kleine Jun-gen meist mit Erzieherinnenund Lehrerinnen zu tun.Männliche Vorbilder sindrar.

.Riesige Panflöte gebaut

Offenbar kommt die weib-lich geprägte Erziehungmehr den Mädchen zugute.Jungen verbringen heute vielZeit mit digitalen Medien,anstatt zu toben, auf Bäumezu klettern oder Seifenkistenzu bauen. Das führt dazu,dass die schulischen Leistun-gen nachlassen, es gibt Prob-leme mit Lehrern und Eltern.Weitere Folgen sind man-gelndes Selbstbewusstseinund wachsende Aggressivi-tät.

Diesen Jungs fehlt oft dasUmfeld, in dem sie sich aus-reichend bewegen, ihrenDrang nach Aktivitäten lebenund selbst etwas schaffenkönnen, auf das sie hinterherstolz sind“, erklärt JohannesRahe. „Ihnen fehlen männli-che Vorbilder, die sie ermuti-gen, genau so zu sein“, meintder Initiator der Generatio-nen-Werkstatt. Zwölf- bis 15-Jährige bräuchten nämlichWahrnehmung und Wert-schätzung, um sich für eineSache begeistern zu können.

Aus diesen Erkenntnissenund Einschätzungen ist dasKonzept der Generationen-Werkstatt entstanden, übri-gens in wissenschaftlicher Zu-sammenarbeit mit dem Göt-tinger Neuro-Biologen undHirnforscher Gerald Hüther:Jungen, die in der Schulenicht zurechtkommen, kom-men in einen mittelständi-schen Handwerksbetrieb, wosie an einem Nachmittag proWoche acht bis zehn Wochenlang von einem aktiven Ruhe-ständler oder erfahrenenHandwerker betreut werden.

Der Un-Ruheständler re-präsentiert die „erfahreneGeneration“, er gibt sein Wis-sen mit Freude an die „kom-

mende Generation“ weiter.Die dritte und „aktive Gene-ration“ ist dabei das mit-machende Unternehmen.„Schon einige der teilneh-menden Firmen haben soverborgene Zukunftstalenteentdeckt, Eltern und Schülererhalten wichtige Hilfen beider beruflichen Orientie-rung, und die Un-Ruheständ-ler freuen sich, dass ihr Fach-wissen gebraucht wird“, istRahe überzeugt, dass alledrei Generationen von demProjekt profitieren.

Im Jahr 2016 gibt es 35 Pro-jekte der Generationen-Werkstatt im Bezirk derHandwerkskammer Osna-

brück - Emsland - GrafschaftBentheim, nach fünf Projek-ten im Jahr 2014 und 18 Pro-jekten im Jahr 2015. Zu denselbst gestellten Aufgabengehörten beispielsweise derBau einer überdimensiona-len Panflöte von Schülern derBödiker Oberschule beiVoss-Gebäudetechnik inHaselünne, die Restaurie-rung eines Opels Calibra imAutohaus Sinus Hendriks inVeldhausen durch Schülerder Wilhelm-Staehle-Schuleund der Bau einer ganzenHausecke mit dem Bauunter-nehmen Günter Terfehr inRhede.

Dass etwas geschaffenwird, was nichts mit den übli-chen betrieblichen Abläufenzu tun hat, unterscheidet dieGenerationen-Werkstättenvon herkömmlichen Prakti-ka. „Wenn das Selbstbewusst-sein wieder gewachsen undder Funke der Begeisterungbei den Jungen erst gezündethat, dann verstehen sie auch,warum sie Mathe und Physiklernen müssen“, hat Johan-nes Rahe festgestellt. Die Ge-nerationen-Werkstatt ist dasProjekt der Ursachen-Stif-tung, die Johannes Rahe ge-gründet hat.

Wahrnehmung und Wertschätzung kann neue Begeisterung wecken

Männliche Vorbilder tun Jungen gut

Gerald Hüther Foto: dpa

nw MELLE. Johannes Rahewar ein erfolgreicher Unter-nehmer. Aus Dankbarkeitüber den guten Verlauf seinesLebens will er „der Gesell-schaft etwas Positives zu-rückgeben“. Deshalb gründe-te er im Jahr 2008 mit einemengagierten Team die Ursa-chenstiftung.

„Ich wollte den Ursachenvon Problemen und Miss-ständen in der mittelständi-schen Arbeitswelt auf denGrund gehen“, erklärt er denNamen seiner Stiftung, die ermit einer Million Euro ausseinem privaten Vermögenausgestattet hat. Ein wesent-liches aktuelles Ziel ist dieFörderung der Generatio-nen-Werkstatt. Für diese sol-len sich aber alle Akteure ausÜberzeugung einsetzen, un-abhängig von finanziellerFörderung; Material- undPersonalkosten übernehmenin der Regel die beteiligtenUnternehmen.

Als Stiftungsgründer istihm wichtig, dass die Ar-beitswelt väterfreundlichergestaltet wird und dass Jun-gen Aufgaben bekommen,

an denen sie wachsen kön-nen.

Johannes Rahe wurde 1944geboren. Sein Vater starb anden Folgen des Krieges, als ervier Jahre alt war. Die kleineLandwirtschaft in Üdinghau-sen-Warringhof war kaum inder Lage, seine Familie zu er-nähren. Gegen viele Wider-

stände entschied er sich alsjunger Mann, Landmaschi-nen-Mechaniker zu werden,statt den Hof zu führen.

Anschließend machte ereine Fachausbildung im Ma-schinenbau und startete da-mit in eine erfolgreiche be-rufliche Zukunft. Schließlichwurde er Unternehmer undübernahm den mittelständi-sche Betrieb Coolit – und dasfür 25 Jahre. Schon in der An-fangszeit als erfolgreicherUnternehmer beschloss er,seinen Blick auf beruflichenErfolg zu richten, um nachder aktiven Zeit mit dem Er-trag eine gemeinnützige Stif-tung zu gründen. Diskussio-nen mit begeisterten Jugend-lichen, die sich für die „DritteWelt“ engagierten, hatten ihnzu diesem Beschluss ge-bracht. Rahe: „Mit meinerStiftung versuche ich, nach-haltig etwas in der Gesell-schaft zu bewirken. Dabeischätze ich sehr den Kontaktzu vielen Leuten und Organi-sationen und gemeinsameskonstruktives Tun. Das moti-viert mich jeden Tag aufsNeue.“

Missständen der Arbeitsweltauf den Grund gehen

Erfolgreicher Unternehmer ist der Gründer der Ursachenstiftung

Johannes Rahe will eine vä-terfreundliche Arbeitsweltfördern. Foto: Norbert Wiegand

nw MELLE. Klaus Stein, 2.Vorsitzender der Generatio-nen-Werkstatt, und JohannesRahe saßen zusammen mitdem Neurobiologen undHirnforscher Gerald Hüther.Dabei skizzierte Hüther dasideale Dorf: „Auf dem Wegzur Dorfschule ziehen Jun-gen vorbei an Dorfschmiede,Tischler, geschlachtet wirdim Keller, Handwerk istsichtbar. Jungen können esanfassen, und ein im Idealfalletwas älterer Dorfschmiedzeigt ihnen die Arbeit.“ DieIdee der Generationen-Werk-statt war geboren.

Die Idee knüpftan das „ideale

Dorf “ an

GENERATIONEN WERKSTATT: EIN IM JAHR 2013 GEGRÜNDETES PROJEKT findet von Jahr zu Jahr mehr Teilnehmer – Jung lernt von Alt – Der bekannteNeurobiologe und Gehirnforscher Gerald Hüther unterstützt das Engagement eines Ex-Unternehmers aus Melle – Johannes Rahe gründet die „Ursachenstiftung“.

Gesamtschule Osna-brück-Schinkel: AutohausHärtel, Osma Aufzüge

Thomas-Morus-SchuleOsnabrück-Haste: Pur-plan Anlagenbau

Ludwig-Windthorst-Schule Ostercappeln:Göckemeyer Metallbau,Tischlerei Vielstädte

Von-Ravensberg-SchuleBersenbrück: AutohausWernsing

Ratsschule Melle: Hu-ning Maschinenbau, Wer-ges Maschinenbau

Lindenschule Buer:Thoma Holzbau

IGS Melle: WennigserMöbelwerkstätten Dodt,Inoex Maschinenbau

Ludwig-Windthorst-Schule Glandorf: DälkenWerkstatt

Oberschule Dörpen: Wil-helm Schomaker Bau

Oberschule Uelsen: Kro-nemeyer Sanitär-Heizung

Wilhelm-Staehle-SchuleNeuenhaus: Neuen-hauser Maschinenbau,Auto Olthoff

Josef-Schule Mettingen:Motorrad Ibbenbüren,Tischlerei Kessling

Wer macht imJahr 2016 mit?