Post on 30-Jul-2021
Grundlagen der Betriebswirtschaft
Wir wollen in unsrem Wissen vom Gebrauch der Sprache eine Ordnung herstellen:
eine Ordnung zu einem bestimmten Zweck
(z.B. Verständnis der betriebswirtschaftlichen Grundlagen);
eine von vielen möglichen Ordnungen, nicht die Ordnung.
Ludwig Wittgenstein [Philosophische Untersuchungen § 132]
Walter S.A. Schwaiger
Institut für Managementwissenschaften (IMW)
Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften
TUWien
Wien, Dezember 2010
Grundlagen der Betriebswirtschaft 2
Inhaltsverzeichnis
GRUNDLAGEN DER BETRIEBSWIRTSCHAFT.............................................................................................. 4
BILANZTHEORIE: DOPPIK – DOPPELTE ERFASSUNG VON RESSOURCEN-FLÜSSEN .................................................. 7
Stichtagsbezogene Erfolgsrechnung: Vermögensvergleich .............................................................................. 9
Periodenbezogene Erfolgsrechnung: Gewinn- und Verlustrechnung ............................................................. 10
Buchungsmatrix: Grundlage des Rechnungswesens ....................................................................................... 13
REA-basiertes Rechnungswesen: REA-Modellierung von Geschäftsfällen .................................................... 20
FINANZTHEORIE: BEWERTUNG VON INVESTITIONEN UND FINANZINSTRUMENTEN ............................................... 27
Prospektive Investitionsrechnung: Bewertung und Beurteilung von Real-Investitionen ................................ 28
CF-Fixierte Finanz-Investitionen: Erstbewertung am Interbanken-Markt..................................................... 32
CF-Fixierte Finanz-Investitionen: Folgebewertung am Interbanken-Markt .................................................. 44
Finanzinstrumente: Bewertung und Verbuchung – IFRS ............................................................................... 50
CF-Fixierte Finanzinstrumente: Fest und variabel verzinste endfällige Kredite ........................................... 57
Fest verzinste Finanzinstrumente: Erst- und Folgebewertung mit Buchungen .............................................. 70
KOSTENTHEORIE: BEWERTUNG VON SACH- UND DIENSTLEISTUNGEN ................................................................. 80
Leontief-Produktionsfunktion: Linear-limitationales I/O-Modell .................................................................. 81
Prozessorientierte Produktionsfunktion: Prozessorientiertes linear-limitationales I/O-Modell .................. 102
Prozessorientierte Kostenrechnung: Konstruktion und Kalibrierung von Kostenmodellen ......................... 120
Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation): Was kostet ein Produkt? ........................................................... 143
Kostenträgerzeitrechnung (Erfolgsrechnung): Woher kommt der GUV-Betriebserfolg? ............................ 148
Erweiterung der gesetzlichen Kostenrechnung: Einbeziehung kalkulatorischer Kosten.............................. 155
KONTROLLTHEORIE: PLANUNG-, KONTROLLE- UND LENKUNG-AKTIVITÄTEN .................................................. 157
Kybernetisches Management-Modell: Integriertes PDCA-Rahmenwerk ..................................................... 157
X-Controlling-Modell: Modellierung als stereotypisiertes Aktivitätsdiagramm .......................................... 160
Absatz-Controlling: Design und Ausgestaltung des Controlling-Modells .................................................... 163
Absatz-Controlling: Vom Feedback- zum Feedforward-Regelungsmodell................................................... 168
Stochastische Kontrolltheorie: Stochastisch optimale Steuerung (SOS) ...................................................... 170
Theorie stochastischer Prozesse: Rationale Planung unter Unsicherheit .................................................... 176
MANAGEMENT-INFORMATIONS-SYSTEM: DESIGN UND IMPLEMENTIERUNG ...................................................... 184
Ingredients: REA Model, Business Process Management, … ....................................................................... 185
Integrated ERP: REA based Management Information Systems .................................................................. 186
Integrated ERP: Business Model Driven Enterprise Architecture ............................................................... 187
ERP-Control: Integrated ERP – JBossSeam Implementation ...................................................................... 188
VERZEICHNISSE UND ANHÄNGE ......................................................................................................................... 190
Literaturverzeichnis ...................................................................................................................................... 190
Anhang: Die blinden Menschen und der Elefant .......................................................................................... 193
Anhang: Programmierung in ERP-Control .................................................................................................. 194
Übungsbeispiele............................................................................................................................................ 196
Theorie-Fragen ............................................................................................................................................. 196
Rechenbeispiele ............................................................................................................................................ 198
Grundlagen der Betriebswirtschaft 3
Aufgaben-/Problemstellungen ...................................................................................................................... 200
Master Theses/Diplomarbeiten – Beispiele .................................................................................................. 202
Grundlagen der Betriebswirtschaft 4
Grundlagen der Betriebswirtschaft
In der Betriebswirtschaft geht es um das Wirtschaften in Betrieben bzw. Unternehmen. Im Mit-
telpunkt stehen dabei die Ressourcen und deren Flüsse im Zeitablauf. Die Ressourcenflüsse gilt
es einerseits zu gestalten und andererseits im Rahmen eines integrierten Führungssystems zu
planen, zu kontrollieren und zu lenken sowie im operativen Ausführungssystem durchzuführen.
In Abbildung 1wird der Ressourcenfluss in zweifacher Weise dargestellt, u.z. über den Realgü-
terstrom und den Nominalgüterstrom. Beim Realgüterstrom fließen die Ressourcen in Form
von Betriebsmittel (TECH-Ressource), Werkstoffe (MAT-Ressource) und Personal (PERS-
Ressource) dem Unternehmen zu. Über die Produktionstätigkeit werden diese Ressourcen in
Güter und Dienstleistungen transformiert. Im Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit steht so-
mit ein Transformationsprozess1 (Conversion Process), wobei Input-Größen in Output-Größen
umgewandelt werden.
Abbildung 1: Funktionsweise eines Unternehmens
Dem Realgüterstrom steht der in die entgegen gesetzte Richtung verlaufende Nominalgüter-
strom gegenüber. Die Gegenläufigkeit drückt den Kern aller ökonomischen Tätigkeiten, wel-
cher als Doppik bezeichnet wird, aus. Bei der Doppik handelt es sich um eine zweiseitige Be-
trachtung von Transaktionen. Sie fordert, dass knappe Ressourcen einen positiven Preis haben,
1 Im Rahmen der Produktions- und Kostentheorie wird diese Input/Output-Transformation in abstrakter Form als
Input/Output-Modell dargestellt.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 5
welcher beim Erwerb der Ressource vom Käufer an den Verkäufer zu bezahlen ist. Konzeptio-
nell deckt sich diese ökonomische Forderung, welche als Wertrestriktion (Value Restriction)
bezeichnet wird, mit einer Waage, welche sich im Gleichgewicht befindet. Die beiden im
Tauschprozess beteiligten Parteien werden als Agenten bezeichnet. Der Agent, aus dessen Sicht
die Transaktion betrachtet wird, ist der interne Agent und der andere ist der externe Agent. Im
Ressourcen/Ereignis/Agenten-, d.h. REA-Modell lässt sich die Doppik sprachlich präzise be-
schreiben: Bei einem Tauschprozess gibt es zwei Ereignisse, einerseits fließt die Ressource
Ware vom Verkäufer zum Käufer und andererseits fließt die Ressource Geld vom Käufer zum
Verkäufer. Sind die Wertigkeiten der beiden Ressourcenflüsse gleich, dann ist die Wertrestrik-
tion der Doppik erfüllt.
Die REA-Entitäten sind die zentralen Denkkategorien in der Betriebswirtschaft. Sie liegen dem
betrieblichen Managementmodell zugrunde. Dieses Modell ist in Abbildung 2 zu sehen, wobei
die REA-Entitäten das Fundament bilden. In den Geschäftsprozessen (Business Processes)
finden die verschiedenen Transformations- und Tauschprozesse statt, welche Doppik-konform
ablaufen.
Resources Events Agents
REA Entities
Sales Production Procurement
Treasury Financing Investment
Business Processes (Business Cases)
Production Financial Corporate Risk, ...
Planning and Control (Commitments)
Supply
Chain
Customer
RelationshipCompliance Quality, ...
Production Financial Corporate Risk
Business Performance Management Processes
Production Financial Corporate Risk, ...
Business Analytics
Abbildung 2: Business Management-Modell (Betriebswirtschaft)
In der Betriebswirtschaft gilt es die Geschäftsprozesse zu gestalten. Der Gestaltungsaspekt er-
folgt im Rahmen der Unternehmensführung. Für die konkrete Ausgestaltung der Aufbau- und
Ablauforganisation aller Geschäftsprozesse ist die Geschäftsführung verantwortlich.
Die operativ ausgeführten Geschäftsprozesse werden im Führungssystem geplant, kontrolliert
und gelenkt. Die Geschäftsporzesse sind somit in einem kybernetischen Managementmodell
eingebettet. Im Führungssystem werden verschiedene technische, ökonomische und sonstige
Zielgrößen verwendet. Diese Zielgrößen, welche im Rahmen der Planung festgelegt werden,
werden am Periodenbeginn den Geschäftsprozessen vorgegeben. Im Performance Management
wird während der Periode bzw. am Ende der Periode kontrolliert, ob die vorgegebenen Ziele
Grundlagen der Betriebswirtschaft 6
auch erreicht werden. Zeigen sich signifikante Abweichungen, dann werden korrektive bzw.
adaptive Lenkungsmaßnahmen ergriffen.
Bei der Messung der Zielgrößen, deren Planung, Kontrolle und Lenkung werden ökonomische
Konzepte (Business Analytics) verwendet. Zur Standardausrüstung gehören kosten- und pro-
duktions- sowie finanztheoretische Modelle. In der Produktions- und Kostentheorie werden
Produktions- und Kostenfunktionen adressiert. Diese produktionswirtschaftlichen Bewertungs-
konzepte werden in der Betriebswirtschaft verwendet, um die im Unternehmen erstellten Sach-
und Dienstleistungen verursachungsgerecht zu bewerten. In der Finanztheorie werden künftige
Zahlungsströme adressiert. Die damit einher gehenden finanzwirtschaftlichen Bewertungs-
konzepte werden in der Betriebswirtschaft verwendet, um die im Unternehmen eingesetzten
Finanzinstrumente marktkonform zu bewerten. In der Kontrolltheorie geht es um die Bestim-
mung optimaler Geschäftsstrategien. Diese Optimierungsansätze werden in der Betriebs-
wirtschaft verwendet, um optimale Entscheidungen im Zeitablauf ausfindig zu machen.
Abbildung 3: REA-basiertes Management-Informationssystem (REA-MIS)
In Abbildung 3 wird der informationale Aspekt der Betriebswirtschaft explizit einbezogen,
indem auf der rechten Seite das nach dem COSO II-Standard [COSOII04] definierte Informati-
ons- und Kommunikationssystem eingefügt wird. Die linke Seite der Grafik zeigt die einzelnen
Komponenten des integrierten Management-Informationssystems. Dabei werden ERP- und
BPM-Funktionalitäten zusammen gefasst und als integriertes ERP Informationssystem be-
zeichnet. Am Institut für Managementwissenschaften der TUWien wird ein solches Informati-
onssystem unter der Bezeichnung ERP-Control konzipiert und mit der Web2.0-Technologie im
JBossSeam-Framework prototypisch implementiert. Wenn Sie dieses Thema oder ein konkre-
tes Teilgebiet der Betriebswirtschaft besonders interessiert, dann würden wir gerne mit Ihnen
eingehender darüber sprechen. Melden Sie sich bitte einfach bei uns.
EconomicKernel
TraditionalEnterpriseResourcePlanning
Planning and Control Functionalities
Performance Management
Functionalities
Corporate Governance, Compliance and
Predictive AnalyticsFunctionalities
Inte
gra
ted
ER
P
Resources Events Agents
REA Entities
Sales Production Procurement
Treasury Financing Investment
Business Processes (Business Cases)
Production Financial Corporate Risk, ...
Planning and Control (Commitments)
Supply
Chain
Customer
RelationshipCompliance Quality, ...
Production Financial Corporate Risk
Business Performance Management Processes
Production Financial Corporate Risk, ...
Business Analytics
Info
rma
tio
n a
nd
Co
mm
un
ica
tio
n
Co
mp
lia
nc
eR
ep
ort
ing
Op
era
tio
ns
Str
ate
gic
Grundlagen der Betriebswirtschaft 7
Bilanztheorie: Doppik – Doppelte Erfassung von Ressourcen-Flüs-sen
Die Zielsetzung der (externen) Rechnungslegung liegt darin, bestimmten Zielgruppen wie An-
teilseignern, Kreditgebern oder der Steuerbehörde Informationen darüber zu liefern, wie reich
und erfolgreich ein Unternehmen ist. Wie reich ein Unternehmen ist, ergibt sich aus der Höhe
des Eigenkapitals. Oft ist damit aber nicht die absolute Höhe des Eigenkapitals, sondern die
relative Höhe in Bezug auf die Schulden gemeint. Ob ein Unternehmen erfolgreich ist, wird
meist anhand der Rentabilität festgestellt. Diese wird dadurch ermittelt, indem der Gewinn ei-
ner gewissen Periode zum (Eigen-)Kapital in Beziehung gesetzt wird, das zur Erzielung dieses
Gewinns eingesetzt werden muss.
Um den Erfolg eines Geschäfts bzw. Unternehmens zu ermitteln, müssen wie bei einer Investi-
tion von der Summe aller relevanten Einzahlungen die anfallenden Auszahlungen abgezogen
werden. Leider ist dies aber oft nicht so einfach: Während manche Einzahlungen wie die Ein-
bringung von zusätzlichem Kapital nichts mit einem Gewinn zu tun haben, sind manche erhal-
tene Einzahlungen oder bezahlte Auszahlungen mit Leistungen in der Zukunft bzw. in späteren
Perioden verbunden. Komplementär dazu entstehen in einer Periode oft Verpflichtungen oder
auch Guthaben, die erst später zu Aus- bzw. Einzahlungen führen. Um eine korrekte, perio-
dengerechte, Interpretation bzw. Beurteilung des Geschäftserfolges zu ermöglichen, muss von
dieser Cash-Flow-Betrachtungsweise teilweise abgerückt und ein bestimmtes „Rechenverfah-
ren“ - die doppelte Buchführung – eingeführt werden.
Die grundlegende Systematik der doppelten Buchführung beruht auf der Bestimmung des Ei-
genkapitals. Statisch betrachtet, dient sie der Ermittlung der Höhe des Eigenkapitals eines Un-
ternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt. Aus der dynamischen Perspektive betrachtet, dient
sie der Bestimmung des Geschäfts- oder Unternehmenserfolges, indem die Veränderung des
Eigenkapitals innerhalb eines bestimmten Zeitraumes betrachtet wird. Abbildung 4 verdeutlicht
diesen Zusammenhang:
Grundlagen der Betriebswirtschaft 8
Abbildung 4: Systematik der Doppelten Buchführung
Als Eigenkapital wird dabei jener Betrag verstanden, der den Eigentümern des Unternehmens
übrig bleibt, wenn von der Summe aller Vermögenswerte die Schulden und Verbindlichkeiten
subtrahiert werden. Als Vermögen sind alle (Wert-)Gegenstände und Rechte zu verstehen, die
dem Unternehmen gehören. Mit anderen Worten könnte das Eigenkapital auch als Residual-
größe aus der Differenz des Vermögens und der Schulden betrachtet werden und mit Hilfe der
fundamentalen Bilanzgleichung aus Formel (1) bzw. Formel (2) berechnet werden:
(1) EKSV
(2) EKSV
wobei
EK Eigenkapital
S Schulden (Fremdkapital)
V Vermögen
Die Veränderung des Eigenkapitals, d.h. der Geschäftserfolg, kann mit Hilfe der doppelten
Buchführung auf zwei Arten ermittelt werden:
Vermögensvergleich mit Hilfe von zwei Bilanzen
Gewinn- und Verlustrechnung mit Hilfe von Ertrags- und Aufwandskonten
In den folgenden Ausführungen wird zuerst der Vermögensvergleich mit der Hilfe von Bilan-
zen, der als stichtagsbezogene Erfolgsrechnung definiert wird, erläutert. Anschließend wird das
Konzept der Gewinn- und Verlustrechnung, bei dem alle Erträge und Aufwände einer Periode
gesammelt werden, als periodenbezogene Erfolgsrechnung präsentiert. Im Zusammenhang mit
der Gewinn- und Verlustrechnung muss auf die Unterscheidung der Begriffspaare Einzah-
Wert (W)
Zeit (t)
Eigenkapital t1
Ermittlung des
Eigenkapitals im
Zeitpunkt: t0
Ermittlung des Erfolges via
Eigenkapitalveränderung
über den Zeitraum: t1 - t0
Eigenkapital t0
Erfolgsermittlung durch EK-Vergleich
Grundlagen der Betriebswirtschaft 9
lung/Auszahlungen, Einnahmen/Ausgaben und Erträge/Aufwände bezug genommen werden.
Abschließend wird die Systematik der Buchführung anhand der neun verschiedene Buchungs-
fälle umfassenden Buchungsmatrix zusammengefasst.
Stichtagsbezogene Erfolgsrechnung: Vermögensvergleich
Bei der stichtagsbezogenen Erfolgsrechnung wird jeweils am Beginn und am Ende einer Perio-
de die Höhe des Eigenkapitals ermittelt, indem die Differenz aus Vermögen und Schulden er-
rechnet wird. Der Erfolg entspricht nach diesem Verfahren der Differenz aus Eigenkapital am
Ende minus Eigenkapital am Beginn der Periode. Ist die Differenz positiv (negativ) wurde ein
Gewinn (Verlust) erzielt. Die Methode der Erfolgsermittlung basiert auf der Erstellung von
Bilanzen, anhand derer dem Vermögen die Schulden bzw. Verbindlichkeiten eines Unterneh-
mens gegenübergestellt werden.
1. Vermögen
3. Bilanz
Vermögen
Schulden
Eigenkapital
(Res idualgröße)
Aktiva Passiva
.. ... .
C EuroMaschine
B EuroGebäude auf Grundstück
A EuroGrundstück
WertVermögensposition
2. Schulden
..... .
Z EuroRückstellung
Y EuroLieferantenkredit
X EuroBankkredit
WertSchuldposition
Inventar
Abbildung 5: Erstellung einer Bilanz
Wie in Abbildung 5 dargestellt, beginnt die Erstellung einer Bilanz mit der Inventur. Dabei
werden alle Gegenstände und Rechte der Unternehmung sowie alle Schulden und sonstigen
Verpflichtungen an einem gewissen Stichtag erfasst. Jede einzelne Position wird einzeln be-
wertet und entsprechend der Zugehörigkeit zum Vermögen oder zu den Schulden in die Bilanz
aufgenommen werden. Die Vermögenspositionen werden als Aktiva bezeichnet und stehen auf
der linken Seite der Bilanz. Auf der rechten Seite der Bilanz werden alle Schulden und das
Eigenkapital aufgeführt, die zusammen als Passiva oder Kapital bezeichnet werden. Neben der
Bilanzseite (links oder rechts), wo Aktiva und Passiva verbucht werden, kommt durch Abbil-
dung 5 auch deutlich zum Ausdruck, dass das Eigenkapital jenem Betrag entspricht, um den
das Vermögen die Schulden übersteigt.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 10
Um schließlich den Erfolg einer Periode zu berechnen, muss einfach an zwei verschiedenen
Stichtagen eine Bilanz erstellt werden. Der Erfolg ergibt sich dadurch, dass das Eigenkapital zu
Beginn der Periode mit jenem am Schluss der Periode verglichen wird. Ist das Eigenkapital am
Ende der Periode höher (niedriger), als zu Beginn, wurde wie bereits erwähnt ein Gewinn (Ver-
lust) erwirtschaftet. Allerdings müssen bei dieser Art von Erfolgsermittlung unbedingt folgen-
de zwei Aspekte beachtet werden:
Erstens müssen Zugänge (Abgänge) zum Eigenkapital in Form von Einlagen (Entnah-
men) der Eigentümer bzw. Eigenkapitalgeber berücksichtigt werden. Dies erfordert,
dass vom Eigenkapital am Ende der Periode Einlagen (Entnahmen) subtrahiert (addiert)
werden.
Zweitens müssen bei der Erstellung beider Bilanzen die selben Bewertungsgrundsätze
bzw. Bilanzierungsgrundsätze angewendet werden.
Die Ermittlung des Periodenerfolges mittels Vermögensvergleich lässt sich grafisch wie in
Abbildung 6 darstellen:
Abbildung 6: Periodenerfolgsrechnung mittels Vermögensvergleich
Periodenbezogene Erfolgsrechnung: Gewinn- und Verlustrechnung
Die zweite Methode zur Ermittlung des Geschäftserfolges ist die Gewinn- und Verlustrech-
nung: Hier wird der Periodenerfolg ermittelt, indem von der Summe der Erträge alle Aufwände
Eröffnungsbilanz Schlussbilanz
Aktiva Passiva
Vermögen
Schulden
Eigen-
kapital
Aktiva Passiva
Vermögen
Schulden
Eigen-
kapital
Eigen-
kapital
Eigen-
kapital
Gewinn
Vergleich
Grundlagen der Betriebswirtschaft 11
abgezogen werden. Ist die Differenz positiv (negativ), handelt es sich wiederum um einen Ge-
winn (Verlust).
Bevor die Technik der Gewinn- und Verlustrechnung näher erläutert werden kann, muss aber
das Begriffspaar Erträge/Aufwände von den Begriffspaaren Ein-/Auszahlungen und Einnah-
men/Ausgaben abgegrenzt werden:2
Einzahlungen (Auszahlungen) beziehen sich auf die Erhöhung (Verringerung) des Zah-
lungsmittelbestandes. Dieser setzt sich aus Barmittel und Bankguthaben zusammen.
Einnahmen (Ausgaben) bezeichnen die Zunahme (Abnahme) des Geldvermögens. Die-
ses wird errechnet, indem zu dem bereits erwähnten Zahlungsmittelbestand alle Forde-
rungen hinzugezählt und alle Verbindlichkeiten abgezogen werden.
Erträge (Aufwände) beziehen sich schließlich auf die Erhöhung (Verringerung) des
Netto- bzw. Reinvermögens. Dieses umfasst neben dem Geldvermögen auch das ge-
samte Sachanlagevermögen und bezieht sich deshalb auf das Eigenkapital. Erträge bzw.
Aufwände beziehen sich sozusagen auf eine Veränderung des Eigenkapitals.
Abbildung 7: Bezugsgrößen und Abgrenzung von Einzahlung, Einnahmen und Erträgen
Die Unterschiede dieser drei Begriffe kommen im oberen Teil von Abbildung 7 dadurch zum
Ausdruck, dass sich die jeweiligen Begriffe nur auf die mit grauer Farbe gekennzeichneten
Teile der Bilanz beziehen. Wie bereits angedeutet, decken sich die Begriffspaare nicht in allen
Fällen vollständig. Beispielsweise ist die Bezahlung einer Forderung zwar eine Einzahlung,
2 Auf die Unterscheidung von Erträgen (Aufwänden) und Leistungen (Kosten) wird an dieser Stelle verzichtet.
Kassa
Forderungen
Sachanlage-
vermögen
Verbindlich-
keiten
Eigen-
kapital
Aktiva Passiva
Kassa
Forderungen
Sachanlage-
vermögen
Verbindlich-
keiten
Eigen-
kapital
Aktiva Passiva
Kassa
Forderungen
Sachanlage-
vermögen
Verbindlich-
keiten
Eigen-
kapital
Aktiva Passiva
Positive (negative) Veränderungen folgender Bestände sind
Einzahlungen (Auszahlungen) Einnahmen (Ausgaben) Erträge (Aufwände)
Allerdings überschneiden sich die Begriffe nicht immer:
Einzahlungen/Auszahlungen
Einnahmen/Ausgaben
Erträge/Aufwände
Einzahlungen/Einnahmen/Erträge
Grundlagen der Betriebswirtschaft 12
jedoch keine Einnahme und auch kein Ertrag, weil die Veränderung dieser Größen bereits bei
der Entstehung der Forderung berücksichtigt wurde. Bei Geschäftsfällen, in denen es lediglich
zu einer Umbuchung zwischen Beständen kommt, die bereits durch den jeweiligen Begriff
gedeckt sind, handelt es sich deshalb um neutrale Bewegungen. Das heißt, es handelt sich da-
bei um keine Einzahlung/Auszahlung, Einnahme/Ausgabe oder um keinen Ertrag/Aufwand.3
Ähnlich wie in der Bilanz werden in der Gewinn- und Verlustrechnung (GUV) die Erträge den
Aufwänden gegenübergestellt. Im Gegensatz zur Bilanz kann die GUV jedoch nicht ohne
„Vorarbeit“ einfach zu einem bestimmten Stichtag erstellt werden. Damit sie für eine gewisse
Periode durchgeführt werden kann, bedarf es der Erfassung aller Geschäftsfälle in Form von
Bewegungen der Vermögens- und Kapitalpositionen innerhalb der gewünschten Periode. Dies
wird bewerkstelligt, indem mittels der anschließend erläuterten Buchungstechnik alle Erträge
und Aufwände, die innerhalb der Periode angefallen sind, auf sogenannten Erfolgskonten „ge-
sammelt“ werden. Am Schluss der Periode wird zuerst die Summe aus allen Erträgen und
Aufwänden innerhalb der Periode gebildet. Der Erfolg ergibt sich dann anschließend durch
Subtraktion der Aufwände von den Erträgen.
Abbildung 8: Syntax des Rechnungswesens
3 In Bezug die finanzwirtschaftliche Betrachtungsweise gilt anzumerken, dass ein Unternehmen als komplexe
Investition betrachtet werden kann, bei der zu verschiedenen Zeitpunkten Ein- und Auszahlungen stattfinden. Der
Erfolg kann erst dann festgestellt werden, wenn allen Geld-Einzahlungen alle Geld-Auszahlungen gegenüberge-
stellt werden. Neben den (bar) ausgeschütteten Gewinnen gehört der Verkaufs- bzw. Liquidationserlös des Unter-
nehmens am Ende der Periode zu den Auszahlungen. In diesem Sinne müssten am Schluss alle Vermögensgegen-
stände, die nicht Bargeld sind, durch einen Verkauf in Bargeld umgewandelt werden.
VermögenSchulden
Eigenkapital
Aktiva Passiva
Vermögen
Schulden
Eigenkapital
Aktiva Passiva
+Gewinn
Eröffnungsbilanz Schlussbilanz
Erträge
Aufwände
Gewinn
Gewinn- und Verlustrechnung
Eigenkapital
Eigenkapital
+Gewinn
+
-=
Syntax des Rechnungswesens
Grundlagen der Betriebswirtschaft 13
Abbildung 8 zeigt den Aufbau der GUV und dessen Verknüpfung mit dem Eigenkapitalkonto:
Anstatt zwei Bilanzen von jeweils verschiedenen Stichtagen zu vergleichen, werden alle Ge-
schäftsvorfälle während der Periode mit Hilfe der Erfolgskonten erfasst. Der Gewinn (Verlust)
ergibt sich dann, indem von den Erträgen der Periode die Aufwände der Periode abgezogen
werden.
Buchungsmatrix: Grundlage des Rechnungswesens
Eine präzise Ermittlung des Periodenerfolges erfordert die Erfassung bzw. Verbuchung aller
Geschäftsfälle. Zentraler Bestandteil der Aufzeichnung von Geschäftsfällen sind die sogenann-
ten Konten. Diese dienen der systematischen Sammlung gleichartiger Beträge. Dabei erhält
jedes Konto einen Konto-Namen und eine Kontonummer, anhand derer eine systematische
(thematische) Einordnung erst möglich wird.4 Ein Konto enthält meist jene Informationen, die
auch in Abbildung 9 dargestellt sind.
Datum Gegenkonto Text Soll Haben
Abbildung 9: Schema eines Kontos
Die Spalte „Datum“ gibt an, wann der Geschäftsfall vorgefallen ist. In der Spalte „Gegenkon-
to“ wird angegeben, auf welchen Konten der selbe Betrag im Soll (Haben) steht, der in der
Buchungszeile dieses Kontos im Haben (Soll) steht. In der „Text“-Spalte können neben dem
jeweiligen Buchungsbeleg auch weitere Bemerkungen eingefügt werden. Die beiden Spalten
„Soll“ und „Haben“ sind schließlich das zentrale Merkmal der Systematik doppelten Buchfüh-
rung.
4 Zu der Bedeutung der Kontonummer wird im Rahmen der Klassifikation der Konten nochmals Bezug genom-
men.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 14
Abbildung 10: Kontenarten und deren Herleitung
Um die Bedeutung der beiden Spalten „Soll“ und „Haben“ möglichst einfach zu verdeutlichen,
müssen die einzelnen Konten in die in Abbildung 10 dargestellten vier verschiedenen Konten-
arten eingeteilt werden. Aus der Grafik ist sehr schön ersichtlich, dass die aktiven und passiven
Bestandskonten zur Bilanz und die Erfolgskonten zur Gewinn- und Verlustrechnung gehören.
Weil aktive Bestandskonten, bzw. das Vermögen, auf der linken Seite der Bilanz aufgeführt
werden, werden alle Beträge, die zu einer Erhöhung (Verringerung) des Bestandes auf dem
jeweiligen Konto führen, ebenfalls links (rechts) d.h. im Soll (Haben) verbucht. Das Gegenteil
ist bei passiven Bestandskonten - Schulden, Verbindlichkeiten und dem Eigenkapital - der Fall:
Erhöhungen (Verringerungen) der Bestände werden im Haben (Soll) verbucht. Bei Erfolgskon-
ten ist bezüglich der Verbuchung zwischen Erträgen und Aufwänden zu unterscheiden. Die
Erträge werden wie in Abbildung 10 dargestellt im Haben und die Aufwände im Soll verbucht.
Dies muss deshalb so sein, weil bei der Abrechnung in der Gewinn- und Verlustrechnung der
Gewinn (als Differenz aus Erträge minus Aufwänden) im Soll stehen muss, damit die Gegen-
buchung eine eigenkapitalerhöhende Haben-Buchung sein kann.5 Die Begründung, wieso auf
den vier verschiednen Kontoarten so wie beschrieben gebucht wird, lässt sich am besten mit
Hilfe der in Abbildung 11 dargestellten Buchungsmatrix erläutern.
5 Das Gegenteil ist bei einem Verlust der Fall: Weil die Ausgaben höher als die Erträge sind, würde er in Abbil-
dung 10 auf der Ertragsseite und somit im Haben stehen. Eine Gegenbuchung müsste daher im Soll des Eigenka-
pitals erfolgen, wodurch dessen Bestand verringert würde.
Verschiedene Arten von Konten
Aktive Bestandskonten Passive Bestandskonten
Erfolgskonten
VermögenGrund, Gebäude
Maschinen, Roh-
stoffe, Waren,
Rechte,
Wertpapiere,
Forderungen, ...
Schulden
Eigenkapital (EK)
(Residualgröße)
Aktiva (Soll) Passiva (Haben)
Erträge
Auf-
wände
+(-)EK
Soll Haben
Aufwands-
konten
Ertrags-
konten
Bestandskonten
Bilanz GuVZeit (t)
Kontenarten
Grundlagen der Betriebswirtschaft 15
Abbildung 11: Buchungsmatrix (9-Felder-Buchungsschema)
Die Buchungsmatrix ergibt sich, indem alle Möglichkeiten berücksichtigt werden, die mittels
Buchungen im Soll und/oder Haben auf den aktiven und passiven Bestandskonten sowie auf
den Ertrags- und Aufwandskonten möglich sind. In Abbildung 11 werden positive (negative)
Bestandsveränderungen von aktiven Bestandskonten mit „V+“ („V-“) abgekürzt. Eine Erhö-
hung (Verringerung) einer Schuldposition/Verbindlichkeit wird mit „S+“ („S-“) abgekürzt. Bei
den passiven Bestandskonten wird die Bestandsveränderung des Eigenkapitals (EK) deshalb
getrennt von jenen der Schuldpositionen behandelt, weil sich so die Bestandsveränderungen
der Ertrags- und Aufwandskonten aus der GUV problemlos in die Matrix integrieren lassen:
Eine Erhöhung (Verringerung) der aktiven Bestandskonten ohne eine Erhöhung (Verringerung)
der Schulden muss immer zu einer Erhöhung (Verringerung) des Eigenkapitals führen, was als
Ertrag (Aufwand) bezeichnet wird.6 Der Zusammenhang zwischen Eigenkapital und Erträ-
gen/Aufwänden kommt zusätzlich dadurch zum Ausdruck, dass diese beiden Arten von Er-
folgskonten auch als Vorkonten des Eigenkapitals bezeichnet werden: Anstatt die Geschäftsfäl-
le wie in Abbildung 8 zuerst auf die Erfolgskonten zu verbuchen und erst am Schluss einer
Periode den Saldo7 aus Erträgen und Aufwänden in Form eines Gewinnes (Verlustes) auf das
6 Analog dazu führt eine Erhöhung (Verringerung) der Schulden ohne eine Erhöhung (Verringerung) der aktiven
Bestandskonten zu einem Aufwand (Ertrag). 7 Im Jargon des Rechnungswesens bedeutet das Wort Saldo, dass aus zwei Zahlen die Differenz gebildet wird.
Meist kommt dieser Begriff im Zuge des Abschlusses von Konten vor. Dabei werden von der Soll- und der Ha-
ben-Spalte jeweils die Summen gebildet. Anschließend wird die Differenz aus der höheren minus der niedrigern
Summe als Saldo bezeichnet. Wenn die Soll-Seite geringer ist, dann ist der Saldo jener Betrag, um den die Soll-
Seite erhöht werden muss, damit Soll und Haben gleich hohe Summen aufweisen. Das heißt in diesem Fall, dass
der Saldo im Soll steht.
EKSV)3(
V = Vermögen, S = Schulden/Verbindlichkeiten, EK = Eigenkapital
Logik der Doppelten Buchführung
V- S+ EK+
V+ 1 2 7
S- 4 3 8
EK- 5 6 9
Haben
So
ll
Buchungs-
Matrix
Grundlagen der Betriebswirtschaft 16
Eigenkapital-Konto zu verbuchen, könnte nämlich jeder Ertrag (Aufwand) in Form einer Ei-
genkapitalerhöhung (-verringerung) auch direkt mit dem Eigenkapital verrechent werden.
Aufgrund der Buchungsmatrix ergeben sich neun verschiedene Buchungsfälle, mit denen alle
Geschäftsfälle verbucht werden können. Die in Abbildung 11 verwendeten Farben zeigen bei
den jeweiligen Buchungsfällen an, ob sie nur Umschichtungen in der Bilanz sind, oder ob sie
in Form eines Aufwandes (Ertrages) das Eigenkapital verringern (erhöhen). Erträge sind grün,
Aufwände rot und Bilanzbewegungen gelb gekennzeichnet. Auch die Nummerierung der Fälle,
die in Abbildung 12 erläutert werden, folgt dieser Systematik.
Abbildung 12: Erläuterung der 9 Buchungsfälle
Anstatt jeden einzelnen Buchungsfall separat zu behandeln, können diese neuen Buchungsfälle
wie in Abbildung 12 auch in fünf verschiedene Typen von Buchungssätzen eingeteilt werden:
Aktivtausch: Bei einem Aktivtausch bzw. Vermögenstausch werden (in Geld ausge-
drückte) Bestände von einem aktiven Bestandskonto auf das andere umgebucht. Die
Buchung tangiert lediglich die Bilanz und führt zu keiner Erhöhung der Bilanzsumme
bzw. des Vermögens.8 Ein reiner Aktivtausch kommt nur in Buchungsfall 1 zustande.
Passivtausch: Ein Passivtausch ist die Umbuchung von einem passiven Bestandskonto
auf ein anderes. Wiederum ist von der Buchung nur die Bilanz betroffen und die Bi-
lanzsumme wird nicht erhöht. Weil in der Buchungsmatrix Schuld- und Eigenkapital-
bewegungen getrennt werden, sind Buchungsfall 3 und 9 ein Passivtausch. In Fall 3
8 Die Bezeichnung Bilanzsumme kann synonym für die Bezeichnungen Vermögen oder Kapital verwendet wer-
den.
1 Aktivtausch Bezahlung einer Forderung: V+/V-
2 Bilanzverlängerung Kreditaufnahme: V+/S+
3 Passivtausch Umschuldung auf Fremdwährung: S-/S+
4 Bilanzverkürzung Kredittilgung in bar: S-/V-
5Aufwand
(bilanzverkürzend)Forderungsabschreibung: EK-/V-
6Aufwand
(schulderhöhend)Rückstellung-Bildung: EK-/S+
7Ertrag
(bilanzverlängernd)Erhaltene Zinsen: V+/EK+
8Ertrag
(schuldverringernd)Schuldnachlass: S-/EK+
9 Eigenkapitaltausch Rücklagen-Bildung: EK+/EK-
Buchungs-
Matrix-Nr.Art der Buchung Beispiel
Grundlagen der Betriebswirtschaft 17
handelt es sich um eine Umschuldung, in Fall 9 um eine Umschichtung des Eigenkapi-
tals.
Schuldveränderung: Eine Erhöhung (Verringerung) der Schulden ohne eine Verände-
rung der Bilanzsumme führt immer zu einer Verringerung (Erhöhung) des Eigenkapi-
tals, weil dieses ja eine Residualgröße ist. In Fall 6 handelt es sich daher um einen
Aufwand, weil sich die Schulden erhöhen, ohne dass sich das Vermögen erhöht. Um-
gekehrt handelt es sich in Fall 8 um einen Ertrag, da sich die Schulden verringern, ob-
wohl das Vermögen gleich hoch bleibt.
Bilanzverlängerung: Wichtigstes Merkmal einer Bilanzverlängerung ist, dass es auf-
grund des jeweiligen Geschäftsfalles zu einer Erhöhung der Bilanzsumme kommt. In
Buchungsfall 2 wird ausschließlich mit Bestandskonten gebucht, indem Vermögensgü-
ter auf Kredit beschafft werden. In Buchungsfall 7 erhöht sich das Vermögen ohne
dass sich die Schulden erhöhen, es handelt sich deshalb um einen Ertrag, weil das Ei-
genkapital als Residualgröße aus Vermögen minus Schulden steigt.
Bilanzverkürzung: Im Gegensatz zur Bilanzverlängerung kommt es bei der Bilanz-
verkürzung aufgrund des jeweiligen Geschäftsfalles zu einer Verringerung der Bilanz-
summe. Wiederum gibt es mit Buchungsfall 4 einen Fall, der nur mittels Bestandskon-
ten verbucht wird und somit zu keiner Eigenkapitalveränderung führt. Buchungsfall 5
ist eine Bilanzverkürzung und ein Aufwand, weil das Eigenkapital sinken muss, wenn
das Vermögen bei gleichbleibenden Schulden fällt.
Nachdem nun die doppelte Buchführung als Rechenwerk vorgestellt wurde, bei dem es darum
geht, die Veränderung des Eigenkapitals zu ermitteln, kann der Balance-Akt Bilanzierung in
Angriff genommen werden:
Grundlagen der Betriebswirtschaft 18
Abbildung 13: Bilanzierung - ein Balanceakt
IFRS-Buchungsmatrix: Einbeziehung der direkten EK-Bebuchbarkeit
Im nationalen HGB werden alle Änderungen des Eigenkapitals in der GUV ausgewiesen. Dies
ist in der IFRS-Ontologie nicht mehr der Fall. Wie die Ausführungen zu den AFS-
Finanzinstrumenten gezeigt haben, wird im IFRS-Standard das Eigenkapital auch direkt
bebucht. Diese konzeptionelle Erweiterung ist auch in der in Abbildung 14 abgebildeten IFRS-
Buchungsmatrix zu sehen. Dabei wird das Eigenkapital jeweils in zwei Spalten unterteilt. Die
rot bzw. grün gefärbten Felder geben dabei wie in der klassischen HGB-Buchungsmatrix die in
der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Erfolgskonten an. Die verbleibenden Felder
im Eigenkapital geben die verschiedenen Möglichkeiten zur direkten Bebuchung des Eigenka-
pitals an.
Aktiva (Soll) Passiva (Haben)
Vermögen
Eigenkapital
(Residualgröße)
Schulden
Aktiva (Soll) Passiva (Haben)
Vermögen
Schulden
Eigenkapital
Eigenkapital
VermögenSchulden
SVEK
EKSV
alEigenkapitSchuldenVermögen
)2(
)1(
Grundlagen der Betriebswirtschaft 19
Abbildung 14: Ressourcen-einbeziehende IFRS-Buchungsmatrix
Die Besonderheit der direkten Verbuchung auf dem Eigenkapital ist in den Nummern 5 bzw. 7
der IFRS-Buchungsmatrix in Tabelle 1 zu sehen. Dort wird eine aktivische bzw. eine passivi-
sche Neubewertungsrücklage gebildet. Im Unterschied zu den HGB-Rücklagen muss die Rück-
lage demnach nicht immer passivisch ausgewiesen werden. Eine aktive Rücklage zeigt eine
Reduktion des Eigenkapitals in Form von noch nicht realisierten Verlusten an.
Buchungs-Matrix-Nr.
Art der Buchung Beispiel
1 Aktivtausch Computer-Kauf in Bar: V+/V-
2 Bilanzverlängerung Computer-Kauf auf Ziel: V+/S+
3 Passivtausch Umschuldung: S-/S+
4 Bilanzverkürzung Tilgung einer Verbindlichkeit: S-/V-
5 Aufwand (bilanzverkürzend) Erzielter Verlust: EK- (GUV)/V-
Bildung einer aktivischen NBRL: EK- (RL)/V-
6 Aufwand (schulderhöhend) Bildung einer Rückstellung: EK- (GUV)/S+
7 Ertrag (bilanzverlängernd) Erzielter Gewinn: V+/EK+ (GUV)
Bildung einer passivischen NBRL: V-/EK+ (RL)
8 Ertrag (schuldverringernd) Nachlass einer Verbindlichkeit: S-/EK+
9 Eigenkapitaltausch Bildung einer Gewinnrücklage: EK+/EK-
Tabelle 1: IFRS-Buchungsmatrix - Beispiele zu den 9 Elementen
Geld
(C
ash)
fz.V
W
MA
T,T
EC
H e
t al.
fz.V
b
RS
t. e
t al.
GU
V:
BE
& F
E
RL e
t al.
Geld (Cash) 1a 1b 1c 2a 2b 7a 7d
fz.VW 1d 1e 1f 2c 2d 7b 7e
MAT, TECH et al. 1g 1h 1i 2e 2f 7c 7f
fz.Vb 4a 4b 4c 3a 3b 8a 8c
RSt. et al. 4d 4e 4f 3c 3d 8b 8d
GUV: BE & FE 5a 5b 5c 6a 6b 9a 9b
RL et al. 5d 5e 5f 6c 6d 9c 9d
So
llV+
S-
EK-
Ressourcen-
einbeziehende IFRS-
Buchungsmatrix
Haben
V- S+ EK+
Grundlagen der Betriebswirtschaft 20
REA-basiertes Rechnungswesen: REA-Modellierung von Geschäftsfällen
Das REA-basierte Rechnungswesen (REA Accounting Model) wurde von McCarthy
[McCa82] in den 80-er Jahren entwickelt, womit das hinter dem Rechnungswesen stehende
Informationssystem auf eine modellhafte Perspektive gestellt wurde. Die Geschäftsfälle wer-
den dabei anhand von Ressourcen, Ereignissen und Agenten modelliert. Die Doppik wird über
das Dualitätsprinzip zum Ausdruck gebracht. Dieses Prinzip fordert die Wertgleichheit (Value
Restriction) der im Geschäftsfall enthaltenten Soll- und Haben-Ereignisse.
Nachfolgend werden die verschiedenen Geschäftsfälle im REA-Modellrahmen betrachtet, wo-
bei die Soll-Ereignisse auf der linken den Habenereignissen auf der rechten Seite gegenüber
gestellt werden. Die Soll-Ereignisse sind mit positiven und die Haben-Ereignissen mit negati-
ven Werten belegt. Das Vorzeichen beinhaltet somit die Information über die Zuordnung zu
den Aktiva (positives Vorzeichen) bzw. die Passive (negatives Vorzeichen). Die Wertrestrikti-
on fordert die wertmäßige Gleichheit der Soll- und Habenereignisse, sodass die Summe aller
Werte gleich Null ist.
Geschäftsfall: Aktivtausch (#1) – REA-Modellierung
Zum Einstieg wird ein konkretes Beispiel in Form eines Computer-Kaufs gewählt. Es wird ein
Computer im Wert von EUR 1.500,- in Bar gekauft. Der Barkauf besagt, dass der Kaufpreis
sofort in Bar beglichen wird.
Kassaan
tWarenvorrag)1(
BS 1: Verbuchung des Bar-Computer-Kaufs (Bruttomethode)
Ad BS 1) Durch die Soll-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto MAT-Warenvorrat und die
Haben-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto Kassa handelt es sich dabei um einen zah-
lungswirksamen Aktivtausch 1g.
Abbildung 15 zeigt das REA-Modell für den Computer-Kauf aus der Sicht des Unternehmens,
wobei es sich um den internen Agenten des Geschäftsfalls handelt. Dieser Agent wird im obe-
ren Teil der Mitte des REA-Modells dargestellt. Der Lieferant ist der externe Agent, welcher
genau unterhalb des internen Agenten dargestellt wird. An den eingezeichneten Pfeilen ist der
Fluss der Ressourcen zu erkennen. Der Warenfluss erfolgt vom externen zum internen Agen-
ten. Dabei handelt es sich um den Computer im Wert von EUR + 1.500, welcher im Waren-
Eingang-Ereignis (Soll) vom Lieferanten an das Unternehmen geliefert wird. Im Gegenzug
fließt im Auszahlung-Ereignis (Haben) die Ressource Geld in gleicher Wertigkeit vom Unter-
Grundlagen der Betriebswirtschaft 21
nehmen zum Lieferanten. Der Wert wird mit einem negativen Vorzeichen dargestellt, was den
im Haben gebuchten Abfluss anzeigt.
WareReal-Ressource
Waren-EingangSoll-Ereignis (#1g)
UnternehmenInterner Agent
LieferantExterner Agent
AuszahlungHaben-Ereignis
GeldFinanz-Ressource
Waren-Einkauf (Bar)Geschäftsfall
(#1)
+1.500 € -1.500 €
Abbildung 15: Waren-Einkauf in Bar (Bruttomethode) – REA-Modellierung
Bei dieser Art der Verbuchung wird der Mehrwertsteuer-Aspekt nicht berücksichtigt. Das ist
kennzeichnend für kleine Unternehmen, welche den Geschäftserfolg nach der Bruttomethode
ermitteln. Bei Verwendung der Nettomethode wird die beim Kauf anfallende Vorsteuer sepa-
riert und verbucht.
Kassaan
VStd
tWarenvorrag
)1(
)1(
BS 2: Verbuchung des Bar-Computer-Kaufs (Nettomethode)
Ad BS 2) Bei der Vorsteuer handelt es sich um eine Forderung gegenüber dem Finanzamt, d.h.
um einen finanziellen Vermögenswert (fzVW). Durch die Soll-Buchung auf diesem aktiven
Bestandskonto und die gleichzeitige Haben-Buchung auf dem Bestandskonto Kassa liegt bei
dieser Buchung ein zahlungswirksamer Aktivtausch 1d vor.
Abbildung 16 enthält das dazugehörige REA-Modell. Dabei zeigt sich, dass dem Unternehmen
zwei Ressourcen zufließen, u.z. der Computer und die Forderungen gegenüber dem Finanzamt.
Die Summe beider Zuflüsse deckt sich mit dem Wert der abfließenden Geld-Ressource, sodass
die Wertrestriktion des Geschäftsfalls erfüllt ist.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 22
WareReal-Ressource
UnternehmenInterner Agent
LieferantExterner Agent
AuszahlungHaben-Ereignis
GeldFinanz-Ressource
Waren-Einkauf (Bar)Geschäftsfall
(#1)
+1.250 €
-1.500 €
VSt-Forderung Finanz-Ressource
VorsteuerSoll-Ereignis (#1d)
+250 €
Waren-EingangSoll-Ereignis (#1g)
Abbildung 16: Waren-Einkauf in Bar (Nettomethode) – REA-Modellierung
Geschäftsfall: Bilanzverlängerung (#2) – REA-Modellierung
Erfolgt der Computer-Kauf auf Ziel, dann erwirbt das Unternehmen den Computer ohne den
Kaufpreis gleich in Bar zu begleichen. Es entsteht eine Schuld, welche als Verbindlichkeit aus
Lieferungen und Leistungen (LL-Verbindlichkeit) bezeichnet wird.
hkeitVerbindlicLLan
VStc
tWarenvorrae
)2(
)2(
BS 3: Verbuchung des Ziel-Computer-Kaufs (Nettomethode)
Ad BS 3) Durch die Haben-Buchung auf dem passiven Bestandskonto LL-Verbindlichkeiten
entstehen für die Soll-Buchungen auf den aktiven Bestandskonten MAT-Warenvorrat bzw.
VSt-Forderung Bilanzverlängerungen der Form 2e bzw. 2 c vor.
Abbildung 17 zeigt den Geschäftsfall der Bilanzverlängerung im REA-Modell.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 23
WareReal-Ressource
Waren-EingangSoll-Ereignis (#2e)
UnternehmenInterner Agent
LieferantExterner Agent
Schuld-AufnahmeHaben-Ereignis
LL-VerbindlichkeitFinanz-Ressource
Waren-Einkauf (Bar)Geschäftsfall
(#2)
+1.250 €
-1.500 €
VSt-Forderung Finanz-Ressource
VorsteuerSoll-Ereignis (#2c)
+250 €
Abbildung 17: Waren-Einkauf auf Ziel (Nettomethode) – REA-Modellierung
Geschäftsfall: Bilanzverkürzung (#4) – REA-Modellierung
Nunmehr wird die aus dem Ziel-Computer-Kauf entstandene LL-Verbindlichkeit zurückbe-
zahlt.
Kassaan
hkeitVerbindlicLLa)4(
BS 4: Verbuchung der LL-Verbindlichkeit-Tilgung in Bar
Ad BS 4) Durch die Soll-Buchung auf dem passiven Bestandskonto LL-Verbindlichkeit wird
die Schuld getilgt. Die Haben-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto zeigt den Geldabfluss
an. Dabei handelt es sich um eine zahlungswirksamene Bilanzverkürzung 4a.
Abbildung 18 zeigt den Geschäftsfall der Bilanzverkürzung im REA-Modell.
LL-VerbindlichkeitFinanz-Ressource
Schuld-TilgungSoll-Ereignis (#4a)
UnternehmenInterner Agent
LieferantExterner Agent
AuszahlungHaben-Ereignis
GeldFinanz-Ressource
SchuldenrückzahlungGeschäftsfall
(#4)
+1.500 € -1.500 €
Abbildung 18: Schuldenrückzahlung in Bar – REA-Modellierung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 24
Geschäftsfall: Passivtausch (#3) – REA-Modellierung
Die LL-Verbindlichkeit könnte auch zurück gezahlt werden, wenn zugleich ein Kredit in Höhe
der Verbindlicheit aufgenommen wird. Das ist aber nur möglich, wenn das Unternehmen vom
Lieferanten einen Kredit erhält. Der aufgenommene Kredit muss später klarer Weise auch wie-
der zurück bezahlt werden.
Kreditan
hkeitVerbindlicLLa)3(
BS 5: Verbuchung der LL-Verbindlichkeit-Tilgung durch Kreditaufnahme
Ad BS 5) Durch die Soll- und Haben-Buchungen auf jeweils passiven Bestandskonten in Form
der LL-Verbindlichkeit und des Kredits handelt es sich dabei um einen Passivtausch.
Abbildung 19 zeigt den Geschäftsfall des Passivtausches im REA-Modell.
LL-VerbindlichkeitFinanz-Ressource
Schuld-TilgungSoll-Ereignis (#3a)
UnternehmenInterner Agent
LieferantExterner Agent
Kredit-FinanzierungHaben-Ereignis
Kredit-SchuldFinanz-Ressource
SchuldenrückzahlungGeschäftsfall
(#3)
+1.500 € -1.500 €
Abbildung 19: Schuldenrückzahlung durch Kredit-Finanzierung – REA-Modellierung
Geschäftsfall: Aufwand (#5 und #6) – REA-Modellierung
Jetzt wird der gekaufte Computer weiter verkauft. Der dabei erzielte Verkaufspreis liegt unter
dem Einkaufspreis, sodass ein Verlust entsteht, welcher als Aufand verbucht wird.
USta
tWarenvorrac
an
Verlust
Kassa
)2(
)1(
)5(
BS 6: Verbuchung des Waren-Verkaufs in Bar mit Verlust und USt
Grundlagen der Betriebswirtschaft 25
Ad BS 6) Der Verlust wird duch die Soll-Buchung auf einem Aufwandskonto des Eigenkapi-
talkontos verbucht. Durch die Buchung auf dem Aufwandskonto zeigt sich der Verlust in der
Gewinn- und Verlustrechnung.
Abbildung 20 zeigt den beim Verkauf entstanden Verlust durch die Abnahme des Eigenkapi-
tals.
GeldFinanz-Ressource
UnternehmenInterner Agent
KundeExterner Agent
WareReal-Ressource
Waren-Verkauf (Bar) Geschäftsfall
(#1, #2 und #5)
VerlustSoll-Ereignis (#5)
Waren-AusgangHaben-Ereignis (#1c)
UmsatzsteuerHaben-Ereignis (#2a)
USt-VerbindlichkeitFinanz-Ressource
EigenkapitalFinanz-Ressource
EinzahlungSoll-Ereignis
Abbildung 20: Verbuchung des Waren-Verkaufs in Bar mit Verlust und USt
Geschäftsfall: Ertrag (#7 und #8) – REA-Modellierung
Übersteigt der beim Verkauf erzielte Verkaufspreis des Computers den beim Einkauf bezahlten
Einkaufspreis, dann entsteht ein Gewinn. Der Gewinn wird als Ertrag verbucht.
USta
Gewinna
tWarenvorrac
an
Kassa
)2(
)7(
)1(
BS 7: Verbuchung des Waren-Verkaufs in Bar mit Gewinn und USt
Ad BS 7) Der Gewinn wird duch die Haben-Buchung auf einem Ertragskonto des Eigenkapi-
talkontos verbucht. Durch die Buchung auf dem Ertragskonto zeigt sich der Gewinn in der
Gewinn- und Verlustrechnung.
Abbildung 21 zeigt den beim Verkauf entstanden Gewinn durch die Zunahme des Eigenkapi-
tals.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 26
GeldFinanz-Ressource
EinzahlungSoll-Ereignis
UnternehmenInterner Agent
KundeExterner Agent
WareReal-Ressource
Waren-Verkauf (Bar) Geschäftsfall
(#1, #2 und #7)
+1.600 €
-1.250 €
EigenkapitalFinanz-Ressource
Waren-AusgangHaben-Ereignis (#1c)
-83 €
UmsatzsteuerHaben-Ereignis (#2a)
USt-VerbindlichkeitFinanz-Ressource
-267 €
GewinnHaben-Ereignis (#7a)
Abbildung 21: Waren-Verkauf in Bar mit Gewinn und MWSt – REA-Modellierung
Geschäftsfall: Produktionsprozess als Aktivtausch (#1) – REA-Modellierung
Bei den bisherigen Ausführungen standen sich stets ein externer und ein interner Agent gegen-
über. Diese Konstellation charakterisiert Tauschprozesse (Exchange Processes). Im Unter-
schied zu den Tauschprozessen ist bei den Transformationsprozessen (Conversion Processes)
jeweils nur ein interner Agent beteiligt.
Abbildung 21 zeigt einen Transformationsprozess in Form eines Fertigungsprozesses. Dabei ist
die Fertigung-Organisationseinheit der interne Agent, welcher die Material-, Personal- und
Technologie-Ressourcen als Input-Faktoren einsetzt, und damit den Waren-Output produziert.
Dieses Input/Output-Modell wird in der Produktionswirtschaft ausführlich erläutert.
WareReal-Ressource
Waren-AusbringungSoll-Ereignis
FertigungInterner Agent
MaterialReal-Ressource
Waren-Produktion Geschäftsfall
(#1)
+ 600 €
- 100 €
PersonalReal-Ressource
Material-EinsatzHaben-Ereignis
- 200 €
Technologie-EinsatzHaben-Ereignis
TechnologieReal-Ressource
- 300 €
Personal-EinsatzHaben-Ereignis
Abbildung 22: Waren-Produktion – REA-Modellierung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 27
Finanztheorie: Bewertung von Investitionen und Finanzinstrumenten
In der Investitionsrechnung geht es um die Bestimmung der Vorteilhaftigkeit von Investitio-
nen. Dabei sind die zu tätigenden Anschaffungskosten (I0) in der Regel bekannt und es gilt
diesen die jeweiligen Barwerte9 der künftigen Investionsvorteile gegenüber zu stellen. Wenn
nur eine Investitionsalternative betrachtet wird, dann geht es um die Frage, ob die Investition
durchgeführt werden soll: ja oder nein? (Ja/Nein-Entscheidung). Liegen hingegen mehrere Al-
ternativen zur Auswahl vor, dann geht es um die Frage, welche Alternative ausgewählt werden
soll? (Auswahlentscheidung).
In Abbildung 23 sind die Vermögenswerte der KERZEN-EWF dargestellt. Hinter den Vermö-
genswerten stehen historisch getätigte Investitionen. Diese unterscheiden sich, je nachdem,
welche Ressourcen dabei angeschafft wurden. Bei den Realinvestitionen sind dies die TECH-
und MAT-Ressourcen und bei den Finanzinvestitionen sind es die FIN-Ressourcen. Die Inves-
titionen in die TECH-Ressourcen stellen langfristige Bindungen dar, wohin die Investitionen in
die MAT-Ressourcen kurzfrister Natur sind. Bei den Finanzinvestitionen wird in Finanzin-
strumente oder in Geldbestände (Cash) investiert. Die Finanzinstrumente haben einen vertrag-
lich geregelten künftigen Zahlungsstrom. Bei den Realinvestitionen fehlt eine diesbezügliche
vertragliche Regelung. Die künftigen Zahlungsströme der Realinvesitionen sind viel schwieri-
ger zu bestimmen und sie sind stets unsichere Größen.
Abbildung 23: Real- und Finanz-Investitionen – Darstellung in der Bilanz
9 Zumal bei der Barwertberechnung der Zeitwert des Geldes berücksichtigt wird, handelt es sich dabei um die
dynamische Investitionsrechnung.
Bilanzpositionen (Aktiva) Anfangsbil. Schlussbil. Real-/Finanz-Investitionen
Immaterielle Vermögensgegenstände 0 0
Grundstück 251.057 251.057
Gebäude 476.200 450.220
Maschinen und maschinelle Anlagen 14.510 6.804
Betriebs- und Geschäftsausstattung 44.998 37.195
Beteiligungen 0 0
Wertpapiere des Anlagevermögens 18.485 16.681
Roh- und Hilfsstoffe 6.665 5.306
Betriebsstoffe 960 765
Fertigerzeugnisse 97.705 99.988
Handelswaren 13.524 14.396
Forderungen aus LL 133.471 105.935
sonst. Ford. und Verm.Gegenstände 7.468 5.468
Kassenbestand 3.593 3.508
Rechnungsabgrenzungsposten (aktiv) 5.424 2.677
Bilanzsumme 1.074.060 1.000.000
Cash
Finanz-Investition
Real-Investition
Real-Investition
Finanz-Investition
Finanz-Investition
Real-Investition
Real-Investition
Real-Investition
Real-Investition
Real-Investition
Finanz-Investition
Finanz-Investition
Real-Investition
Real-Investition
Um
laufv
erm
ögen
Anla
geverm
ögen
bebaute Grundstücke
Grundlagen der Betriebswirtschaft 28
Prospektive Investitionsrechnung: Bewertung und Beurteilung von Real-Investi-
tionen
Die Barwertbestimmung bei Realinvestitionen erfolgt zumeist nach dem traditionellen Bar-
wertmodell, wobei entweder von deterministischen (sicheren) oder von stochastischen (unsi-
cheren bzw. riskanten) zukünftigen Zahlunsströmen ausgegangen wird.
DCF-Rechnung: Bewertung von Real-Investitionen in Abhängigkeit von Cash Flow-
Eigenschaften
Bei den Realinvestitionen werden verschiedene Kategorien unerschieden, u.z.
Ersatzinvestition, wobei ein Investitionsgut durch ein anderes ersetzt wird,
Erweiterungsinvestition, wobei die Produktionskapazität durch ein weiteres Investitionsgut
erweitertet wird und
Rationalisierungsinvestition, wobei ein Investitionsgut durch ein technologisch verbessertes
Invetitionsgut ersetzt wird.
Zur Bewertung der verschiedenen Investitionen wird der Kapitalwert (KW0) gebildet, wobei es
sich um die Differenz aus dem Barwert der künftigen Zahlungsströme und den anfänglichen
Anschaffungskosten (Investitionsbetrag) handelt.
(3) 000 IBWKW
wobei BW0 Barwert im Zeitpunkt t0 aller künftigen Zahlungen (Einzahlungsüberschüsse) I0 Anschaffungskosten (Investitionsbetrag) im Zeitpunkt t0 KW0 Kapitalwert im Zeitpunkt t0
Der dazu benötigte Barwert bestimmt sich aus der traditionellen Barwertfunktion, wobei der
Einfachheiter halber in der Praxis vielfach von einem deterministischen künftigen Zahlungs-
strom ausgegangen wird. Gleichung (4) enthält das traditionelle Barwertmodell. Zur Kalibrie-
rung des Modells wird der sich auf die Gesamtdauer der Investition beziehende Swapsatz
(RS
0,T) verwendet.
(4)
S
T
T
t
tt
T
tT
t
RR
mit
AZFCF
R
CFBW
t
,00
1
,0
1 0
0,0)1(
Grundlagen der Betriebswirtschaft 29
In Tabelle 3 wird eine Realinvestition unter Verwendung des traditionellen Barwertmodells
bewertet. Im ersten Schritt müssen dazu die künftigen Zahlunsströme bestimmt werden. Dazu
wird das auf die Kosten- und Leistungsrechnung basierte KFR-Cash Flow-Modell verwendet.
Beim KFR-CF-Modell wird der Einzahlungsüberschuss (Cash Flow) pro Periode aus der Diffe-
renz der Umsatzerlöse (UMSt) und der zahlungswirksamen Periodenkosten, welche aus den
variablen MAT-Kosten (KMAT,t), den variablen PERS-Kosten (KPERS,t) und den variablen
TECH-Kosten in Form der Betriebskosten (KTECH1,t) bestehen, bestimmt.
(5) tTECHtPERStMATtt KKKUMSCF ,,,
Praktische Empfehlung zur Cash Flow-Bestimmung:
Auch wenn es in der Investitionsrechnung um künftige Zahlungsströme geht, empfiehlt es sich
zur Systematisierung der mit einer Investition verbunden Auszahlungen die generischen Kos-
tenkategorien der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) zu verwenden, womit zumindest die
konzeptionelle Vollständigkeit der Auszahlungen gesichert wird.
Tabelle 2: Systematische Strukturierung von Kosten in der KLR
Tabelle 2 enthält die generischen Kostenkategorien in Form der MAT-, PERS- und TECH-
Kosten. Die MAT-Kosten sind in der Regel zahlungswirksame Einzelkosten. Die PERS-
Kosten sind in der Regel ebenfalls zahlungswirksame Einzel- bzw. Gemeinkosten. Bei den
3 Dimensionen von Kosten
1) Kostenarten nach Produktionsfaktoren (Kostenstruktur)
MAT Material (Werkstoffe, ...)
E.MAT Einzelmaterial (bewirtschaftet: Rohstoffe, ...)
G.MAT Gemeinmaterial (nicht bewirtschaftet)
PERS Personal (Löhne, Provisionen, ...)
E.PERS Einzelpersonal (bewirtschaftet: Akkordarbeit)
G.PERS Gemeinpersonal (nicht bewirtschaftet)
TECH Technologie (ggf. auch als Struktur für IT)
TECH1 Betrieb (Raum, Betriebsstoffe, ...)
TECH2 Nutzung (Abschreibung, ...)
TECH3 Kapital (Zinsen, ...)
TECH4 Instandhaltung (inkl. Versicherung, ...)
TECH5 IT-Stützleistung
FIN Geldkosten (exkl. Zinsen)
SONST Sonstige Kosten
FL Fremdleistung (Vorleistungen, ...)
2) Kostenverhalten bei Änderung der Leistung (Kostendynamik)
f fixe Kosten (leistungsunabhängig)
v variable Kosten (leistungsabhängig)
Variator Anteil der variablen Kosten (in %)
3) Zurechnung der Kosten auf die Leistungen (Kostenzurechnung)
EK direkte Zurechnung (Einzelkosten)
GK indirekte Zurechnung (Gemeinkosten)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 30
TECH-Kosten gibt es verschiedene Subkategorien, wobei insbesondere die TECH2-Kosten,
wobei es sich im Wesentlichen um die Kapazitätskosten in Form der Abschreibungen handelt,
nicht zahlungswirksam sind. Die TECH3-Kosten sind die Kapitalkosten. Ihre Einbeziehung
und Berechnung ist situativ10
unterschiedlich.
Der sich daraus ergebende künftige Zahlungsstrom wird unter Verwendung der Fristigkeiten
und des Abzinsungssatzes in Höhe des sich auf die Investitionsdauer beziehenden Swapsatzes
abgezinst. Dazu werden die Abzinsungsfaktoren für die verschiedenen Fristigkeiten berechnet.
Die Barwerte der einzelnen Zahlungen ergeben sich durch Multiplikation der jeweiligen Zah-
lungen mit den laufzeitkonformen Abzinsungssätzen. Aus der Addition der einzelnen Barwerte
resultiert der Barwert des künftigen Zahlungsstroms (BW0) der Realinvestition.
Tabelle 3: Real-Investitionen mit sicherem Cash Flow – DCF-Bewertung
Dieser Barwert wird gemäß Gleichung (3) mit den Anschaffungskosten (Investitionsbetrag)
verglichen, woraus sich der Kapitalwert (KW0) berechnet. Ein positiver Kapitalwert zeigt die
Vorteilhaftigkeit der Investition an, zumal die Investition künftig mehr einbringt11
, als sie an-
fänglich an Anschaffungskosten verursacht.
10
So dürfen in der gesetzlichen Kosten- und Leistungsrechnung nur die tatsächlich bezahlten Zinsen als Kapital-
kosten angesetzt werden. Zu Kalkulationszwecken werden hingegen häufig kalkulatorische Zinsen angesetzt,
welche sich auf das betriebsnotwendige Kapital beziehen. Bei der Berechnung des ökonomischen Erfolges in
Form des Economic Value Added (EVA) werden risikoadjustierte Zinssätze verwendet. 11
Die Beurteilung des künftigen Zahlungsstroms erfolgt dem Barwertmodell entsprechend barwertig, sodass der
Zeitwert des Geldes bei dieser Beurteilung berücksichtigt wird. Die Investitionsrechnung ist folglich dynamischer
Natur.
Sicherer Zahlungsstrom t0 t1 t2 t3 t4 t5 Zeitpunkte (t)
UMSt 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 Umsatz
KMAT,t -10,00 -10,00 -10,00 -10,00 -10,00 Materialkosten
KPERS,t -30,00 -30,00 -30,00 -30,00 -30,00 Personalkosten
KTECH1,t -20,00 -20,00 -20,00 -20,00 -20,00 Betriebskosten (Tech1)
CFt 40,00 40,00 40,00 40,00 40,00 künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 3 4 5 Fristigkeit (in y)
R0,5S
6% 6% 6% 6% 6% Swap-Satz
R0 = R0,5S
6% 6% 6% 6% 6% Abzinsungssatz
AZF0,t = (1+R0)^(-T0,t) 0,9434 0,8900 0,8396 0,7921 0,7473 Abzinsungsfaktor
CFtBW0 = CFt*AZF0,t 37,74 35,60 33,58 31,68 29,89 CFt-Barwert
BW0 = CFtBW0 168,49 CF-Barwert
I0 100,00 Investitionsbetrag
KW0 = BW0 - I0 68,49 Kapitalwert
R0E
28,65% Effektivzinssatz
R0E
28,65% 28,65% 28,65% 28,65% 28,65% Effektivzinssatz
AZF0,tE
= (1+R0E)^(-T0,t) 0,7773 0,6042 0,4696 0,3651 0,2838 Eff.Zins-Abzinsungsfaktor
CFtBW0E = CFt*AZF0,t
E31,09 24,17 18,79 14,60 11,35 Eff.Zins-CFt-Barwert
BW0E = CFtBW0
E100,00 Eff.Zins-CF-Barwert
RBF0 4,21 Rentenbarwertfaktor
KWA = KW0 / RBF0 16,26 KW-Annuität
Grundlagen der Betriebswirtschaft 31
Alternativ zum Kapitalwert kann auch der Effektivzinssatz zur Beurteilung von Investition
verwendet werden. Dieser Zinssatz berechnet sich – wie in Gleichung (6) gezeigt – durch
Gleichsetzung des Barwertes mit den Anschaffungskosten. Im Unterschied zum traditionellen
Barwertmodell wird bei der Barwertberechnung allerdings nicht der Swapsatz, sondern der zu
bestimmende Effektivzinssatz verwendet. Der Effektivzinssatz ist somit die gesuchte Größe
dieser mathematischen Gleichung. Beträgt die Investitionsdauer zwei Jahre, dann lässt sich der
Effektivzinssatz analytisch bestimmen. Geht die Laufzeit darüber hinaus, dann muss er nume-
risch12
bestimmt werden.
(6) 0
!
1 0,0)1(
IR
CFT
tTE
t
t
wobei R0
E Effektivzinssatz im Zeitpunkt t0
Der Effektivzinssatz, welcher auch als interner Zinssatz (Internal Rate of Return) bezeichnet
wird, ist ein für die verschiedenen Fristigkeiten konstant gehaltener Zinssatz13
. Die Höhe die-
ses Zinssatzes ist gerade so, dass der Barwert der künftigen Zahlungen den Anschaffungskos-
ten entspricht. Der Effektivzins wird alternativ zum Kapitalwert als Entscheidungskriterium
verwendet. Eine Realinvestition erweist sich unter Verwendung dieses Kriteriums als rentabel,
wenn der Effektivzinssatz größer als der Abzinsungssatz ist. Aus der Menge aller rentablen
Realinvestitionen ist jene Investition vorzuziehen, welche den höchsten Effektivzins aufweist.
Nunmehr wird die bislang zur Vereinfachung unterstellte Annahme von sicheren künftigen
Zahlungsströmen aufgehoben. Die künftigen Zahlungsströme werden als unsicher betrachtet.
Die nunmehr zusätzlich eingeführte Unsicherheit wird im einfachsten Fall pauschal über einen
Risikozuschlag im Abzinsungsfaktor berücksichtigt. In Gleichung (K1) wird in der traditionel-
len Barwertfunktion ein risikoadjustierter Abzinsungsfaktor (R0adj
) verwendet, welcher über
den der Investitionsdauer entsprechenden Swapsatz sowie einem 2%-igen Risikozuschlag
(RZ0,T) kalibriert wird.
12
In einem Tabellenkalkulationsprogramm stehen dazu entsprechende Funktionen zur Verfügung. In MS-Excel ist
dies beispielsweise die Solver-Funktion. 13
Die Konstanz des Effektivzinssatzes R0 ist daran zu erkennen, dass er nur einen Subindex hat, welcher den Zeit-
punkt seiner Berechnung angibt.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 32
(K1)
%8%2%6
)1(
,0,00
1
0
1 0
0,0
T
S
T
adj
T
t
adj
t
T
tTadj
t
RZRR
mit
AZFCF
R
CFBW
t
In Tabelle 4 wird der risikoadjustierte Abzinsungsfaktor zur Abzinsung des künftigen
Zahlunsstroms verwendet. Im Unterschied zum sicheren Zahlungsstrom ergeben sich dabei
aufgrund des Risikozuschlages niedrigere Abzinsungssätze, welche sodann den Barwert der
künftigen Zahlungen reduzieren. In der Folge reduziert sich dann auch der Kapitalwert.
Tabelle 4: Real-Investitionen mit unsicherem Cash Flow – DCF-Bewertung
Der Effektivzins verändert sich hingegen nicht, zumal seine Berechnung nicht über den Bar-
oder Kapitalwert, sondern über die Anschaffungskosten, welche gleich geblieben sind, erfolgt.
CF-Fixierte Finanz-Investitionen: Erstbewertung am Interbanken-Markt
Finanzinvestitionen unterscheiden sich von den Realinvestitionen in mehrfacher Hinsicht:
1) Bei den Finanzinvestitionen handelt es sich um Finanzinstrumente, wobei der künftige Zah-
lungsstrom einer vertraglichen Regelung unterliegt.
Unsicherer Zahlungsstrom t0 t1 t2 t3 t4 t5 Zeitpunkte (t)
UMSt 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 Umsatz
KMAT,t -10,00 -10,00 -10,00 -10,00 -10,00 Materialkosten
KPERS,t -30,00 -30,00 -30,00 -30,00 -30,00 Personalkosten
KTECH1,t -20,00 -20,00 -20,00 -20,00 -20,00 Betriebskosten (Tech1)
CFt 40,00 40,00 40,00 40,00 40,00 künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 3 4 5 Fristigkeit/Zeitraum (in y)
R0,5S
6% 6% 6% 6% 6% Swap-Satz
RZ0,T 2% 2% 2% 2% 2% Risikozuschlag
R0adj
= R0,5S + RZ0,5 8% 8% 8% 8% 8% adj. Abzinsungssatz
AZF0,tadj
= (1+R0adj
)^(-T0,t) 0,9259 0,8573 0,7938 0,7350 0,6806 adj. Abzinsungsfaktor
CFtBW0adj
= CFt*AZF0,tadj
37,04 34,29 31,75 29,40 27,22 adj-CFt-Barwert
BW0CF,adj
= CFtBW0adj
159,71 adj-CF-Barwert
I0 100,00 Investitionsbetrag
KW0adj
= BW0CF,adj
- I0 59,71 adj-Kapitalwert
R0E
28,65% Effektivzinssatz
R0E,adj
= R0E
28,65% 28,65% 28,65% 28,65% 28,65% Effektivzinssatz
AZF0,tE
= (1+R0E)^(-T0,t) 0,7773 0,6042 0,4696 0,3651 0,2838 Eff.Zins-Abzinsungsfaktor
CFtBW0E = CFt*AZF0,t
E31,09 24,17 18,79 14,60 11,35 Eff.Zins-CFt-Barwert
BW0CF,E
= CFtBW0E
100,00 Eff.Zins-CF-Barwert
RBF 2,50 Rentenbarwertfaktor
KWA = KW0 / RBF 23,88 KW-Annuität
Grundlagen der Betriebswirtschaft 33
2) Die Bewertung von Finanzinstrumenten ist finanztheoretisch fundiert und zum Großteil
weltweit standardisiert.
3) Finanzinstrumente werden vielfach auf liquiden Kapitalmärkten14
gehandelt, sodass eine
Desinvestition vielfach jederzeit möglich ist.
4) Finanzinstrumente können in kleinen Einheiten gekauft bzw. verkauft werden, sodass sich
die vielfältigsten Portfoliokonstruktionen bilden lassen.
5) Kapitalmärkte werden teilweise reguliert15
. So gibt es verschiedene Bestimmungen z.B. für
die Emission von Wertpapieren und ihren Handel an Börsen bzw. auf dem Kreditmarkt
zum Schutze der Konsumenten.
Compliance-Anforderungen: Konsumentenschutz im Kreditbereich
Im Kreditbereich ist der Konsumentenschutz in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Die
Kredite, welche aus Bankensicht Finanzinvestitionen darstellen, werden von den Konsumenten
(Privatkunden), wobei es sich um die Kreditnehmer handelt, aufgrund ihrer abstrakten Kon-
struktion oft nur mangelhaft verstanden. Aus diesem Grunde werden an dieser Stelle zwei
wichtige Konzepte sozusagen als Einstieg in die Erörterung von Finanzinvestitionen voran
gestellt.
Konsumentenschutz-Compliance:
Sollzins (Borrowing Rate) [RLVKe05, S. 22]: den als festen oder variablen periodischen Vom-
hundertsatz ausgedrückten Zinssatz, der für einen bestimmten Zeitraum auf die im Rahmen des
Kreditvertrags in Anspruch genommenen Beträge angewandt wird.
Effektiver Jahreszins (Annual Percentage Rate of Charge) [RLVK05, S. 23]: die Gesamtkosten
des Kredits für den Verbraucher, die als jährlicher Vomhundertsatz des Kredits ausgedrückt
sind.
Der Sollzins, welcher nachfolgend vorzugsweise als Nominalzins bezeichnet wird, bezieht sich
auf die in Anspruch genommenen Beträge, welche üblicherweise als Nennwerte bzw. Nomi-
nalwerte bezeichnet werden. Der Nennwert (NW) entspricht dem Rückzahlungsbetrag, welcher
in Summe über die Kreditlaufzeit auch zurück bezahlt werden muss. Darüber hinaus dient der
Nennwert auch als Bezugsgröße für den Nominalzins (R0N), welcher bei Krediten als Sollzins
und bei Anleihen als Kuponzins bezeichnet wird.
Die Gesamtkosten des Kredites, welche auch als Kreditkosten bezeichnet werden, umfassen
neben den Nominalzinsen auch noch die diversen Abschläge, welche in Form von Gebühren,
Spesen sowie Disagios in Abzug gebracht werden. Die als Prozentsatz ausgedrückten Gesamt-
14
In der aktuellen Finanzkrise herrscht aber gerade eine markante Illiquidität auf den Kapitalmärkten. 15
In der aktuellen Finanzkrise werden weiter gehende Regulierungen der Kapitamärkte diskutiert.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 34
kosten werden als effektiver Jahreszins bezeichnet. In der FIWI-Ontologie handelt es sich da-
bei um den Effektivzinssatz.
Interbanken-Barwertfunktion: Barwert als Funktion von Zahlungen, Fristigkeiten und
Zinssätzen
Mittlerweile sind die Finanzmärkte weltweit ziemlich standardisiert. Ein wichtiger Markt ist
der Interbankenmarkt, wo sich Banken untereinander Geld aus- und verleihen. Die Bewertung
der dabei gekauften und verkauften Finanzinstrumente erfolgt nach einer modifizierten Varian-
te der traditionellen Barwertfunktion, welches in Gleichung (7) vorgestellt wird.
(7)
T
t
tt
T
tT
t
t
tTt
ktionBarwertfunnInterbanke
T
tT
t
t
DFC
RC
RTCBWR
CBW
T
T
1
,0
1 ,0
,0,00
1 ,0
0
,0
,0
)1(
1
),,()1(
Dabei zeigen sich zwei Modifikationen: Erstens werden die künftigen Zahlungen des
Zahlunsstroms nicht mehr mit CFt, sondern nunmehr mit Ct abgekürzt. Diese Umstellung der
Notation soll verdeutlichen, dass nunmehr eine genauere Messung der Zahlungszeitpunkte zur
Anwendung kommt. Bei den Finanzinvestitionen wird nämlich taggenau gerechnet, wobei
auch Feiertage – als Tage an denen keine Zahlungen statt finden – entsprechend zu berücksich-
tigen sind. Zweitens werden nicht mehr Abzinssungssätze (R0), sondern Zinssätze (R0,T) ver-
wendet. Die Zinssätze haben zwei Subindizes, wobei der erste den Startpunkt und der zweite
den Endpunkt des Zeitraumes anzeigt, auf den sich der Zinssatz bezieht. Die Zinssätze haben
somit eine explizite Fristigkeit, was sie von den Abzinsungssätzen essentiell unterscheidet. Zur
Verdeutlichung der Verwendung von Zinssätze anstatt des Abzinssatzes bei der Diskontierung
werden die diesbezüglichen Faktoren nicht mehr mit Abzinsungsfaktoren, sondern mit Dis-
kontfaktoren bezeichnet.
In Tabelle 5 wird eine Finanzinvestition in Form eines fixierten Finanzinstruments bewertet.
Bei diesem Finanzinstrument ist der künftige Zahlunsstrom insofern fixiert, als jährlich Zins-
zahlungen in Höhe des sich auf den Nennwert beziehenden Nominalzinssatzes geleistet werden
und am Laufzeitende der Nennwert zurück bezahlt wird. Somit handelt es sich beim fixierten
Finanzinstrument um ein zinstragendes, endfälliges Instrument bzw. um ein fest verzinstes
endfälliges Finanzinstrument.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 35
Tabelle 5: Fest verzinste Finanz-Investition – Erstbewertung am Interbanken-Markt
Der künftige Zahlungsstrom wird unter Verwendung der Zinssätze abgezinst. Die für ein bzw.
zwei Jahre verwendeten Zinssätze sind nunmehr unterschiedlich. Dies unterscheidet die fris-
tenkonformen Zinsssätze vom Abzinsungssatz, wo für alle Fristigkeiten ein gleich hoher Zins
verwendet wird. Mit den beiden sich aus den Zinssätzen ergebenden Diskontfaktoren werden
die zwei künftigen Zahlungen abgezinst. Der Barwert liegt unter dem Nennwert, was ein Dis-
agio (Abschlag) anzeigt. Im Effektivzins wird dieser Abschlag berücksichtigt, sodass er höher
ist als der Nominalzins. Dabei wird der Effektivzinssatz über die Gleichung (K2) bestimmt.
(K2)
%50,41)06,99(2
104)06,99(444
1)(2
)(4
2
0
20
2
11
0I
CICCR E
Zur Funktion (K2) gelangt man, indem man die sich in (8) aus der Gleichsetzung des Barwer-
tes mit den Anschaffungskosten resultierende mathematische Gleichung nach dem Effektiv-
zinssatz auflöst.
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 4,00% Nominalzinssatz
I0 = BW0 99,06 Kaufpreis
TZT (= NW0) 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 Fristigkeit (in y)
R0,t 4,00% 4,51% Zinssatz
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) 0,9615 0,9156 Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t 3,85 95,22
BW0 = CtBW0 99,06
(D)A0 = NW0 - BW0 0,94 Disagio
R0E 4,50% Effektivzinssatz
Erstbewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 36
(8)
1)(2
)(4
1)(2
)(4
0
0)1()1(
)1(/)1()1(
)1()1()1(
0
20
2
11
0
0
0
20
2
11
2
1
1
2
0
2
1
01
2
00
2
00
2
02
1
01
0
!
2
0
2
1
0
12
1 0,0
I
CICCR
RI
CICCx
CxCxI
CRCRI
RIRCRC
IR
C
R
C
R
C
E
E
EE
EEE
EEt
TE
t
t
Finanz-Investition: Pari-Bewertung eines fixierten Finanzinstruments
Nunmehr wird der Nominalzinssatz derart gewählt, dass das fest verzinste endfällige Finanzin-
strument einen Barwert in Höhe des Nennwertes aufweist. Dabei handelt es sich um eine Pari-
bzw. Par-Bewertung, sodass weder ein Disagio noch ein Agio (Zuschlag) anfällt.
(9)
T
t
t
TP
P
T
t
t
TP
T
T
t
t
P
T
t
T
tT
t
P
T
tT
t
t
DF
DF
NW
KR
NW
DF
DFNWNWK
NWDFNWDFK
NWR
NW
R
K
NWBWR
C
Tt
t
1
,0
,0
0
0
0
0
1
,0
,000
0
0,00
1
,00
0
!
,0
0
1 ,0
0
0
!
0
1 ,0
1
/
)1()1(
)1(
,0,0
,0
In Gleichung (9) wird gezeigt, wie sich aus der Gleichsetzung des Barwertes mit dem Nenn-
wert eine mathematische Gleichung ergibt, welche nach dem Nominalzinssatz (R0P) als die
gesuchte Größe aufgelöst wird. Die sich daraus ergebende Funktion wird in Gleichung (K3)
verwendet, um den Nominalzinssatz für das Par-notierte Finanzinstrument zu bestimmen.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 37
(K3)
%50,49156,09615,0
9156,01
1
1
,0
,0
0
0
0 T
t
t
TP
P
DF
DF
NW
KR
Aus Tabelle 6 ist ersichtlich, dass der sich mit diesem Nominalzinssatz ergebende künftige
Zahlungsstrom tatsächlich zu einer Par-Bewertung führt. Weiters ergibt sich ein Effektivzins-
satz, welcher sich nunmehr mit dem Nominalzinssatz deckt.
Tabelle 6: Fest verzinste Finanz-Investition – Par-Bewertung und Effektivzinsberechnung
Bootstrapping: Ermittlung der Zinskurve und deren Zinssätze
Im Interbanken-Barwertmodell werden Zinssätze zur Bestimmung der Diskontfaktoren ver-
wendet. Nunmehr geht es um ihre Herleitung. Die Zinssätze werden aus den Swapsätzen der
Zinskurve anhand der Bootstrapping-Methode (Schnürsenkelverfahren) bestimmt. Dabei wird
beim einjährigen Swapsatz RS
0,1 begonnen, welcher dem einjährigen Zinssatz R0,1 entspricht.
Sodann wird der zweijährige Zinssatz berechnet. Dazu wird zuerst der Diskontfaktor für die
zweijährige Fristigkeit gemäß Gleichung (10) bestimmt, wozu der zweijährige Swapsatz RS
0,2
und der aus dem einjährigen Swapsatz mit der Fristigkeit T0,1 = 1 berechnete Diskontfaktor
DF0,1 benötigt wird.
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N = R0
P = (1-DF0,2)/(DF0,1+DF0,2) 4,50% Nominalzinssatz
I0 = BW0 100,00 Kaufpreis
TZT = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N 4,50 4,50 Zinszahlung
Ct 4,50 104,50 künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 Fristigkeit (in y)
R0,t 4,00% 4,51% Zinssatz
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) 0,9615 0,9156 Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t 4,33 95,67
BW0 = CtBW0 100,00
(D)A0 = NW0 - BW0 0,00 (Dis-)Agio
R0E 4,50% Effektivzinssatz
Erstbewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 38
(10)
...
1
)(1
1
1
)1(
3,0
2,01,03,0
3,0
2,0
1,02,0
2,0
1,01,01,0
S
S
S
S
TS
R
DFDFRDF
R
DFRDF
RDF
Der zweijährige Diskontfaktor DF0,2 wird sodann über Gleichung (11) in den gesuchten zwei-
jährigen Zinssatz R0,2 umgerechnet.
(11)
S
T
T
T
RR
mitstartend
DFR
T
1,01,0
1
,0
,0 11 ,0
Diese Prozedur wiederholt sich nunmehr für die längeren Laufzeiten. Die einzelnen Zinssätze
(R0,t) für die längeren Laufzeiten werden aus den entsprechenden Swapsätzen (RS
t) sukzessive
durch Lösung der sich jeweils ergebenden Gleichung nach dem jeweils gesuchten Diskontfak-
tor (DF0,t) und Umwandlung in den entsprechenden Zinssatz bestimmt.
Tabelle 7: Bootstrapping – Berechnung der Zinssätze aus Swap-Sätzen
In Tabelle 7 werden die verschiedenen Zinssätze der Zinskurve, welche in der drittletzten Spal-
te zu sehen sind, aus den in der vierten Spalte angegegebenen Swapsätze über die Bootstrap-
ping-Methode abgeleitet.
T0,t Swap-Satz R0,tS
Zinssatz R0,t Diskontfaktor DF0,t
T0,1 1 R0,1S
4,00% R0,1 4,00% DF0,1 0,9615
T0,2 2 R0,2S
4,50% R0,2 4,51% DF0,2 0,9155
T0,3 3 R0,3S
5,00% R0,3 5,03% DF0,3 0,8630
T0,4 4 R0,4S
5,50% R0,4 5,57% DF0,4 0,8050
T0,5 5 R0,5S
6,00% R0,5 6,13% DF0,5 0,7427
Fri
stig
ke
it
Jahre (y)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 39
(K4)
%03,518630,0
1
11
8630,0105,0
)9155,09615,0(05,01
1
)(1
3
1
1
3,0
3,0
3,0
2,01,03,0
3,0
3,0T
S
S
DFR
sodass
R
DFDFRDF
Die Gleichungen (10) und (11) beruhen auf folgender Logik. Bei den Swapsätzen handelt es
such um Par-Zinssätze, sodass ein damit fest verzinstes endfälliges Finanzinstrument einen
Barwert in Höhe seines Nennwertes hat. In Gleichung (12) wird die mathematische Gleichung,
welche sich durch die Gleichsetzung des Barwertes mit dem Nennwert ergibt, umgeformt und
nach dem Diskontfaktor (DF0,T) mit der längsten Fristigkeit (T0,T) aufgelöst.
(12)
1
1
1
1
11)/(
/
,0
1
1
,0,0
,0
,0,0,0
1
1
,0,0
,0
1
,0,0
,0
1
,00,0
00
!
,00
1
,0,0
S
T
T
t
t
S
T
T
TT
S
T
T
t
t
S
T
T
T
t
t
S
T
T
T
t
t
S
T
T
T
t
t
S
T
R
DFR
DF
DFDFRDFR
DFDFR
DFDFNWK
NWNWDFNWDFK
Die derart gewonnen Diskontfaktoren sind schließlich noch in Zinssätze umzurechnen. Die
Funktion zur Umrechnung wird in Gleichung (13) hergeleitet. Dabei wird von der Definitions-
gleichung des Diskontfaktors ausgegangen, welche nach dem Zinssatz aufgelöst wird.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 40
(13)
11
11
)1(1
)1(
1
,0
,0
,0
,0
1
,0
,0
,0
1
,0
,0
,0
,0
,0
T
T
T
T
T
T
T
T
T
T
T
T
T
TT
T
DFR
RDF
RDF
DFR
Besonderheiten bei Finanz-Investitionen: "Spiegelbildlichkeit" von Investition und Fi-
nanzierung
Bei der Emission eines Finanzinstruments geht der Emittent (Verkäufer bzw. Short Position)
künftige Zahlungsverpflichtungen ein (künftige Auszahlungen), wofür er im Gegenzug den
Barwert dieser Zahlungen als Einzahlung enthält, was für ihn eine Finanzierung darstellt.
Der am Primär- (Emissions-) bzw. Sekundärmarkt (Wertpapier-Handel) tätige Käufer (Long
Position) des Finanzinstruments, hat durch die Bezahlung des Emissions- bzw. Kaufpreises
anfänglich eine Auszahlung, welcher künftige Einzahlungen folgen, was für ihn eine Investiti-
on darstellt.
In Tabelle 8 wird eine Finanzierung betrachtet. Dies ist bereits am negativen Nennwert erkenn-
bar, welcher folglich auch zu negativen Zahlungen, d.h. zu künftigen Auszahlungen führt. Zur
Bewertung werden wieder die Zinssätze der Zinskurve verwendet, sodass sich am Ergebnis bis
auf das Vorzeichen gegenüber dem Fall einer Finanzinvestition nichts ändert. Gleiches gilt
klarerweise auch für den nach Gleichung (8) berechneten Effektivzins, wobei allerdings auf die
gewechselten Vorzeichen zu achten ist.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 41
Tabelle 8: Fest verzinste Finanzierung – Spiegelbild für Kreditnehmer
Risikokennzahlen - Macaulay Duration und modifizierte Duration
Die Duration ist eine wichtige Risikokennzahl im Zusammenhang mit dem Zinsrisiko von fest
verzinsten Finanzinstrumenten. Seit den 90er Jahren wurde die Duration international sogar in
Gesetzesrang erhoben.
Risiko-Compliance: Duration [RL 2006/49/EG L177/225]
28. Im Anschluss daran berechnet das Institut für jeden Schuldtitel die modifizierte Duration
nach folgender Formel:
modifizierte Duration = ((Duration (D))/(1+r)), wobei
D = (( t=1m
((t Ct)/((1+r)t)))/( t=1m
((Ct)/(1+r)t))))
und:
R = Endfälligkeitsrendite (siehe Nummer 25)
Ct = Barauszahlungen im Zeitraum t
M = Gesamtlaufzeit (siehe Nummer 25) ist.
Zum Verständnis der modifizierten Duration ist es unumgänglich, zuerst bei der Macaulay Du-
ration zu starten. Die modifizierte Duration (Dmod) wird nämlich aus der Macaulay Duration
(DMac) abgeleitet, indem die Macaulay Duration durch den aus dem Effektivzinssatz gebildeten
Bruttorendite dividiert wird.
(14) E
Mac
modR
DD
0
0,
0,1
Die Macaulay Duration wird auch als mittlere Restlaufzeit eines fixierten Finanzinstrumentes
bezeichnet. Dies zeigt sich in Gleichung (15), wobei die verschiedenen Fristigkeiten (T0,t) mit
einem Gewichtungsterm multipliziert und die sich dabei ergebenden Produkte anschließend
summiert werden. Alleine die Vorgehensweise erinnert schon an den Erwartungswertoperator.
fest verzinste Finanzierung t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 -100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = -BW0 99,06 Auszahlungsbetrag
TZT = NW0 -100,00 Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N -4,00 -4,00 Zinszahlung
Ct -4,00 -104,00 künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 Fristigkeit (in y)
R0,t 4,00% 4,51% Zinssatz
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) 0,9615 0,9156 Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t -3,85 -95,22
BW0 = CtBW0 -99,06
(D)A0 = abs(NW0) - abs(BW0) 0,94 Disagio
R0E 4,50% Effektivzinssatz
Erstbewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 42
Die Analogie wird sogar noch verstärkt, wenn man den Gewichtungsterm als ein Wahrschein-
lichkeitsmaß erkennt. Ein solches Maß ist nicht negativ und die Summe über alle Maßelemente
ergeben 100 %. Genau diese Eigenschaft hat auch der Gewichtungsterm. Der Barwert enthält
nämlich alle diskontierten künftigen Zahlungen, sodass die durch den Barwert normierten Zah-
lungsbarwerte positiv sind und sich in Summe zu 1 summieren, wenn alle Zahlungen das glei-
che Vorzeichen haben.
(15) T
t
TE
t
tMacBW
R
C
TDt
1 0
0
,00,
,0)1(
In Tabelle 9 wird die Macaulay Duration für das fest verzinste, endfällige Finanzinstrument
berechnet. Der sich dabei ergebende Wert ist kleiner als die zweijährige Laufzeit des Finanzin-
struments. Der Grund liegt in der Zinszahlung, welche im Zeitpunkt t1 gezahlt wird. Würde
diese Zahlung fehlen, dann würde die Summe in Gleichung (15) zu einem einzigen Wert kolla-
bieren und die Macaulay Duration wäre gleich der Laufzeit des Finanzinstrumentes. Wann
immer also zwischenzeitliche Zahlungen vorliegen, dann ist die mittlere Laufzeit kleiner als
die (tatsächliche) Laufzeit.
Tabelle 9: Fest verzinste Finanz-Investition – Macaulay und modifizierte Duration
Tabelle 9 enthält darüber hinaus auch noch die modifizierte Duration. Durch die Division der
Macaulay Duration mit der aus dem Effektivzinssatz berechneten Bruttorendite, welche größer
Eins ist, ist die modifizierte Duration kleiner als die Macaulay Duration.
Zum korrekten Verständnis der modifizierten Duration bedarf es noch einer zusätzlichen Über-
legung. U.z. gilt es die zweite hinter der Macaulay-Duration stehende Logik zu erfassen. Die
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 4,00% Nominalzinssatz
I0 = BW0 99,06 Kaufpreis
TZT (= NW0) 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 Fristigkeit (in y)
R0,t 4,00% 4,51% Zinssatz
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) 0,9615 0,9156 Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t 3,85 95,22
BW0 = CtBW0 99,06
(D)A0 = NW0 - BW0 0,94 Disagio
R0E 4,50% Effektivzinssatz
tCtBW0 = t*Ct/(1+R0E)^(T0,t) 3,83 190,47
DMac,0 = tCtBW0/BW0 1,96
Dmod,0 = DMac,0/(1+R0E) 1,88 mod. Duration (in %)
Erstbewertung
Macaulay Duration
(in y)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 43
Macaulay Duration ist nämlich nicht nur ein Maß für die mittlere Restlaufzeit. Sie ist auch eine
Elastizität. Um dies zu sehen, wird in Gleichung (16) vom traditionellen Barwertmodell unter
Verwendung des Effektivzinssatzes als Abzinssungssatz ausgegangen. Diese Barwertfunktion
wird zuerst umgestellt, dann nach der für die Bruttorendite substituierten Variable x abgeleitet
und schließlich durch Rücksubstitution wieder in eine ökonomisch interpretierbare Form ge-
bracht. In der letzten Zeile zeigt sich die mittlere Restlaufzeit auf der rechten Gleichungsseite
als eine (negative) Elastizität, welche als Quotient der relativen Barwertänderung und der rela-
tiven Zinsänderung auf der rechten Gleichungsseite definiert ist.
(16)
0,
1 0
0
,0
0
0
0
0
0
0
11
0
,0
0
0
1
1
,0
0
1
0
1
00
1 0
0
,0
,0
,0
,0
,0
,0
)1(
1
)1(
1/
)1()1(
)1(
)1(
Mac
T
t
TE
t
t
E
E
ET
tTE
t
tE
T
t
T
tt
T
t
T
t
T
t
TE
t
T
tTE
t
DBW
R
C
T
R
R
BW
BW
BW
R
R
CT
R
BW
xCTx
BW
xCBW
RCBW
R
CBW
t
t
t
t
t
t
Da die relative Zinsänderung schwer zu interpretieren ist, hat sich in der Praxis die modifizierte
Duration etabliert. In Gleichung (17) zeigt sich die modifizierte Duration als eine Halb- oder
Semi-Elastizität. Die Semi-Elastizität ist definiert als der Quotient aus der relativen Barwertän-
derung und der nunmehr absoluten Zinsänderung.
(17) )1(1
1
1
)1(1 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0,
0, EE
E
EE
Mac
modR
BW
BW
R
R
R
BW
BW
R
DD
Bei der modifizierten Duration handelt es sich folglich um die realtive Barwertänderung, wel-
che aus einer 1%-igen Veränderung, wobei ein Prozentpunkt also 100 Basispunkte gemeint
sind, des Effektivzinssatzes resultiert.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 44
CF-Fixierte Finanz-Investitionen: Folgebewertung am Interbanken-Markt
Bislang wurden ausnahmslos Bewertungen von Finanzinstrumenten zum Zeitpunkt t0 betrach-
tet. Dabei handelt es sich um sogenannte Erstbewertungen, welche zum Zeitpunkt des Kaufes
bzw. Verkaufes eines Finanzinstrumentes erfolgen. Nunmehr kommt die dynamische16
Sicht-
weise ins Spiel, derzufolge die Finanzinstrumente im Zeitablauf betrachtet werden. Demnach
wird unterstellt, dass nach der Erstbewertung Zeit vergeht und dass das Finanzinstrument zu
einem späteren Zeitpunkt erneut bewertet wird. Diese Bewertung zum späteren Zeitpunkt ist
die Folgebewertung.
Folgebewertung: Einbeziehung von zwischenzeitlich enthüller Informationen
In der dynamischen Betrachtung spielt die Informationsenthüllung eine zentrale Rolle. Blickt
man in die Zukunft, wobei es sich um eine ex ante-Perspektive handelt, dann ist diese natur-
gemäß mit Unsicherheit verbunden. Vergeht nun etwas Zeit, dann weiß man mehr als vorher,
sodass die Unsicherheit bezüglich des fixierten künftigen Zeitpunktes abnimmt, zumal der
Zeitpunkt sodann weniger weit in der Zukunft liegt. Dieser Informationszuwachs stellt eine
(sukzessive) Informationsenthüllung dar. Wenn der fixierte Zeitpunkt erreicht wird, dann zeigt
sich der letztendlich eingetretene Zustand (Elementarereignis) und die gesamte Entwicklung
dorthin. Aus dieser ex post-Perspektive ist die Unsicherheit gänzlich verschwunden. Dies ent-
spricht der alten Weisheit, dass man im Nachhinein immer mehr weiß.
Bezüglich der fixierten Finanzinstrumente zeigt sich die Informationsenthüllung im Zeitablauf
zweifach. Erstens verändern sich im Zeitablauf die zur Abzinsung verwendeten Zinssätze und
zweitens fallen aus dem künftigen Zahlungsstrom die Zahlungen weg, welche im Zeitablauf
bereits gezahlt wurden. Zur Kennzeichnung dieser Effekte wird der Zeitpunkt der Folgebewer-
tung im Zeitpunkt und der dann eingetretene Zustand mit s ,i bezeichnet. In Gleichung (18)
wird der Barwert im zum Zeitpunkt eingetretenen Zustand s ,i bestimmt.
(18)
t
itt
tT
it
t
i
sDFC
sR
CsBW
t
)(
))(1()(
,,
,,
,,
16
Die den Zeitwert des Geldes berücksichtigende Investitionsrechnung wurde als dynamische Investitionsrech-
nung bezeichnet. Dies geschah deswegen, weil das in der deutschsprachigen Literatur der Standard ist. Die dort
verwendete Dynamik entspricht aber nur einer intertemporalen Perspektive, welche von der statischen bzw. myo-
pischen Perspektive der statischen Investitionsrechnung unterschieden wird. Die nunmehr adressierte Dynamik ist
eine gänzlich andere Dynamik. Es geht um die Veränderung von Werten und sonstigen Kenngrößen im Zeitab-
lauf. Die verstreichende Zeit wird somit zum zentralen Thema dieser nunmehr korrekt verstandenen Dynamik.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 45
Dabei handelt es sich um die zustandsabhängige17
Folgebewertung, wobei sich die sich dann
ergebende Barwertfunktion BW (s ,i) auf die dann künftigen Zahlungen Ct mit t > und die
dann herrschenden Zinssätze R ,t(s ,i) bezieht. Dabei zeigt sich der Alterungseffekt des fixierten
Finanzinstruments einerseits durch das Näherrücken der künftigen Zahlungen (T ,t < T0,t) und
andererseits durch den Wegfall der dann historisch gewordenen Zahlungen (Ct mit t < ).
Zur möglichst einfachen Veranschaulichung der sich im Zeitablauf stochastisch verändernden
Zinskurve wird in den nachfolgenden Beispielen von dem in Abbildung 24 eingetragenen Bi-
nomialmodell für die Entwicklung des einperioden Zinssatzes ausgegangen. Der einperiodige
Zinssatz kann sich dabei von ursprünglich 4 % eine Periode später entweder auf 4,25 % im s1,1-
Zustand erhöhen oder auf 3,75 % im s1,2-Zustand reduzieren.
Abbildung 24: Stochastische Zinskurvenänderungen im Zeitablauf
Das in Gleichung (18) dargestellte Folgebewertungsmodell lässt sich nicht nur zustands- son-
dern auch pfadabhängig fassen. In Gleichung (19) ist die Folgebewertung pfadabhängig darge-
stellt, wobei i den realisierten Pfad spezifziert.
(19)
t
itt
tT
t
t
i
DFC
R
CBW
t
)(
)1()(
,
,,
In dieser Darstellung wird durch die Kenntnis des konkreten Pfades die gesamte Unsicherheit
bezüglich der Entwicklung eliminiert. Dabei zeigen sich die Realisationen der einzelnen Bar-
werte zu den verschiedenen Zeitpunkten auf dem betrachteten Pfad. Dies ist eine retrospektive
Betrachtung des stochastischen Prozesses, wobei sich die jeweiligen Prozessrealisationen zei-
gen. In der prospektiven Betrachtung werden hingegen alle jeweils künftig noch möglichen
Pfade des stochastischen Prozesses betrachtet.
17
Die Zustandsabhängigkeit ergibt sich aus den zustandsabhängigen Zinssätzen R ,t(s ,i) und in der Folge aus den
dann ebenfalls zustandsabhängigen Diskontfaktoren DF ,t(s i).
t0 t1
R0,1(s0)
= 4,00 %
R1,2(s1,1)
= 4,25 %
R1,2(s1,2)
= 3,75 %
Grundlagen der Betriebswirtschaft 46
Finanz-Investition: Folgebewertung von fest verzinsten Finanzinstrumenten
In Tabelle 10 wird das fest verzinste, endfällige Finanzinstrument im s1,1-Zustand des Zeit-
punktes t1 folgebewertet. In diesem Zustand hat sich der einjähriger Zinssatz R1,2(s1,1) von 4,25
% eingestellt. Weiters wurde die Zahlung im Zeitpunkt t1 soeben geleistet, sodass nur noch die
Zahlung im Zeitpunkt t2 ausständig ist. Der zustandsbedingte Barwert ergibt sich durch Abzin-
sung der dann noch offenen Zahlung in Höhe von 104 GE mit dem dann eingetretenen Zinssatz
von 4,25 %.
Tabelle 10: Fest verzinste Finanz-Investition – Folgebewertung (zwischenzeitlich)
In Tabelle 11 ist die Bewertung zum Fälligkeitszeitpunkt in t2 zu sehen. Nunmehr steht nur
noch die letzte Zahlung unmittelbar bevor. Die Fristigkeit geht gegen Null und der Barwert der
unmittelbar bevorstehenden Zahlung gleicht somit dem Nennwert. Über die Zeit betrachtet
zieht es den Barwert somit gegen den Nennwert, was als Pull to Par-Effekt bezeichnet wird.
Tabelle 11: Fest verzinste Finanz-Investition – Folgebewertung (bei Fälligkeit)
In Tabelle 12 werden die Entwicklungen im Zeitablauf in einem Schaubild zusammen gefasst.
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 4,00% Nominalzinssatz
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
K2 = NW0 * R0N 4,00 Zinszahlung
Ct 104,00 künftiger Cash Flow
T1,2(s1,1) 1 kft. Fristigkeit (in y)
R1,2(s1,1) 4,25% kft. Zinssatz
DF1,2(s1,1) = (1+R1,2)^(-T1,2) 0,9592 kft. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2 99,76
BW1(s1,1) = C2BW1 99,76Folgebewertung
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 4,00% Nominalzinssatz
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
K2 = NW0 * R0N Zinszahlung
Ct 100,00 künftiger Cash Flow
T2,2(s2,1) 0 kft. Fristigkeit (in y)
BW2(s2,1) = NW0 100,00 Folgebewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 47
Tabelle 12: Fest verzinste Finanz-Investition – Erst- und Folgebewertungen
Finanz-Investition: Gesamt-Erfolg (Total Return) fest verzinster Finanzinstrumente
Durch die Einbeziehung der Folgebewertung lassen sich nunmehr auch die Erfolge der Finanz-
instrumente im Zeitablauf bestimmen. Der finanzwirtschaftliche Gesamterfolg (Total Return)
eines Finanzinstrumentes besteht nach dem A&L-Ansatz aus zwei Komponenten, u.z. den
(zahlungswirksamen) Zinszahlungen während der und den Wertänderungen über die Betrach-
tungsperiode. In Gleichung (20) wird dieser Gesamterfolg fomalisiert.
(20) tttttt FVKFVFVKGE )( 1
In Gleichung (21) wird der Gesamterfolg durch den Anfangswert normiert, woraus sich die
Gesamtrendite (Total Rate of Return) ergibt.
(21) 1t
tt
FV
GER
Am unteren Ende von Tabelle 13 sind die pfadweisen Änderungen der Barwerte sowie die sich
daraus ergebenden Gesamterfolge bzw. Gesamtrenditen zu sehen. Dabei handelt es sich um
eine unter mehreren möglichen Realisationen. Konkret handelt es sich um den Pfad 1, wel-
cher aus der Menge aller anfangs möglichen Pfade realisiert wurde.
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 4,00% Nominalzinssatz
I0 = BW0 99,06 Kaufpreis
TZT = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 Fristigkeit (in y)
R0,t 4,00% 4,51% Zinssatz
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) 0,9615 0,9156 Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t 3,85 95,22
BW0 = CtBW0 99,06
(D)A0 = NW0 - BW0 0,94 Disagio
R0E 4,50% Effektivzinssatz
TZ2 = NW0 100,00 Nennwert
K2 = NW0 * R0N 4,00 Zinszahlung
C2 104,00 künftiger Cash Flow
T1,2(s1,1) 1 kft. Fristigkeit (in y)
R1,2(s1,1) 4,25% kft. Zinssatz
DF1,2(s1,1) = (1+R1,2)^(-T1,2) 0,9592 kft. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2 99,76
BW1(s1,1) = C2BW1 99,76
T2,2(s2,1) 0 kft. Fristigkeit (in y)
BW2(s2,1) = NW0 100,00 Folgebewertung
Erstbewertung
Folgebewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 48
Tabelle 13: Fest verzinste Finanz-Investition – Bewertungen und Perioden-Erfolge
Besonderheiten bei Finanz-Investitionen: "Spiegelbildlichkeit" von Investition und Fi-
nanzierung
Tabelle 14: Fest verzinste Finanzierung – Spiegelbildlichkeit für Kreditnehmer
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 4,00% Nominalzinssatz
I0 = BW0 99,06 Kaufpreis
TZT = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) 0,9615 0,9156 Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t 3,85 95,22
BW0 = CtBW0 99,06
(D)A0 = NW0 - BW0 0,94 Disagio
R0E 4,50% Effektivzinssatz
C2 104,00 künftiger Cash Flow
DF1,2(s1,1) = (1+R1,2)^(-T1,2) 0,9592 kft. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2 99,76
BW1(s1,1) = C2BW1 99,76
T2,2(s2,1) 0 kft. Fristigkeit (in y)
BW2(s2,1) = NW0 100,00 Folgebewertung
BWt( 1) 99,06 99,76 100,00 pfadweise Barwerte
BWt( 1) = BWt - BWt-1 0,70 0,24 pfadweise Änderungen
GEt( 1) = Kt + BWt 4,70 4,24 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 4,74% 4,25% Gesamt-Rendite
Erstbewertung
Folgebewertung
fest verzinste Finanzierung t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 -100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = -BW0 99,06 Auszahlungsbetrag
TZT = NW0 -100,00 Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N -4,00 -4,00 Zinszahlung
Ct -4,00 -104,00 künftiger Cash Flow
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) 0,9615 0,9156 Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t -3,85 -95,22
BW0 = CtBW0 -99,06
(D)A0 = abs(NW0) - abs(BW0) 0,94 Disagio
R0E 4,50% Effektivzinssatz
TZ2 = NW0 -100,00 Nennwert
K2 = NW0 * R0N -4,00 Zinszahlung
C2 -104,00 künftiger Cash Flow
DF1,2(s1,1) = (1+R1,2)^(-T1,2) 0,9592 kft. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2 -99,76
BW1(s1,1) = C2BW1 -99,76
BWt( 1) -99,06 -99,76 -100,00 pfadweise Barwerte
BWt( 1) = BWt - BWt-1 -0,70 -0,24 pfadweise Änderungen
GEt( 1) = Kt + BWt -4,70 -4,24 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 4,74% 4,25% Gesamt-Rendite
Folgebewertung
Erstbewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 49
Die Spiegelbildlichkeit von Finanzinvestition und Finanzierung zeigt sich in Tabelle 14, wobei
es sich nunmehr um eine Finanzierung handelt, was am negativen Nennwert und den negativen
Zahlungen (Auszahlungen) zu erkennen ist. Aus der Finanzierungsperspektive zeigt sich der
Pull to Par-Effekt in einem Ansteigen der Schuld im Zeitablauf durch Auflösung des ursprüng-
lichen Disagios.
Besonderheiten bei Finanz-Investitionen: Niedrig bzw. unverzinste Finanzinstrumente
Das maximal mögliche Disagio ergibt sich, wenn künftig keine Zinszahlungen geleistet wer-
den. Dieser Fall ist in Tabelle 15 zu sehen, wo der Nominalzins auf Null gesetzt ist. In diesem
Zusammenhang ist es wichtig zu erkennen, dass der Effektivzins praktisch unverändert geblie-
ben ist.
Tabelle 15: Fest verzinste Finanz-Investition – Zinsloses Finanzinstrument
Der Effektivzins zeigt die Gesamtkosten an, welche neben den künftigen Zinszahlungen auch
den Disagio-Abschlag beinhalten. Das ist auch der Grund, warum die Banken im Sinne des
Konsumentenschutzes den effektiven Jahreszins bei Kreditverträgen stets angeben müssen.
Trotzdem gibt es immer noch Banken, welche mit dem Nominalzins Werbung betreiben.
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 0,00% Nominalzinssatz
I0 = BW0 91,56 Kaufpreis
TZT = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N 0,00 0,00 Zinszahlung
Ct 0,00 100,00 künftiger Cash Flow
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) 0,9615 0,9156 Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t 0,00 91,56
BW0 = CtBW0 91,56
(D)A0 = NW0 - BW0 8,44 Disagio
R0E 4,51% Effektivzinssatz
C2 100,00 künftiger Cash Flow
DF1,2(s1,1) = (1+R1,2)^(-T1,2) 0,9592 kft. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2 95,92
BW1(s1,1) = C2BW1 95,92
T2,2(s2,1) 0 kft. Fristigkeit (in y)
BW2(s2,1) = NW0 100,00 Folgebewertung
BWt( 1) 91,56 95,92 100,00 pfadweise Barwerte
BWt( 1) = BWt - BWt-1 4,37 4,08 pfadweise Änderungen
GEt( 1) = Kt + BWt 4,37 4,08 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 4,77% 4,25% Gesamt-Rendite
Erstbewertung
Folgebewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 50
Abbildung 25: Werbung mit Nominalzins im Internet
Finanzinstrumente: Bewertung und Verbuchung – IFRS
Finanzinstrumente spielen im Cash Management eine zentrale Rolle. Einerseits entstehen sie
aus den betrieblichen Aktivitäten und andererseits sind es die bevorzugten Instrumente, welche
zu Finanzierungszwecken, d.h. zur Beschaffung von Liquidität eingesetzt werden. In Tabelle
16 ist die Bilanzpassiva der KERZEN-EWF zu sehen. Sie besteht durchgängig aus Finanzinstru-
menten, welche als Eigen- und Fremdkapital kategorisiert werden.
Tabelle 16: Eigen- und Fremdkapital – Darstellung in der Bilanz
IFRS-Compliance: Finanzinstrument (IAS 32.11)
Ein Finanzinstrument ist ein Vertrag, der gleichzeitig bei dem einen Unternehmen (A) zu ei-
nem finanziellen Vermögenswert (fz.VW) und bei dem anderen Unternehmen (B) zu einer
finanziellen Verbindlichkeit (fz.Vb) oder einem Eigenkapitalinstrument (EKI) führt.
Bei den Eigenkapital- und Fremdkapitalpositionen handelt es sich um Finanzinstrumente nach
IAS 32.11. In der KERZEN-EWF werden sie auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen, u.z. das
Bilanzpositionen (Passiva) Anfangsbil. Schlussbil. EK-/FK-Finanzierungen
AB 143.116
BE 163.502
FE -35.624
Privat -100.000
EB 170.994 143.116 170.994
Unversteuerte Rücklagen 0 0
Rückstellungen für Abfertigungsvorsorge 34.319 34.916
sonstige Rückstellungen 1.677 3.753
Verbindlichkeiten gegenüber Banken 31.232 0
Verbindlichkeiten aus LL 128.034 137.831
sonstige Verbindlichkeiten 58.595 70.203
EUR-Darlehen 273.505 387.035
FW-Darlehen 393.439 189.475
Rechnungsabgrenzungsposten (passiv) 10.143 5.793
Bilanzsumme 1.074.060 1.000.000
Fremdkapital
Fremdkapital
Fremdkapital
Fremdkapital
Fremdkapital
Fremdkapital
Fremdkapital
Fremdkapital
Eigenkapital
Mischform
Eig
en
ka
p.
Eigenkapital
Fre
md
ka
pita
l
Grundlagen der Betriebswirtschaft 51
Eigenkapital als Eigenkapitalinstrument und das Fremdkapital als finanzielle Verbindlichkei-
ten.
In Abbildung 26 werden die Finanzinstrumente gemäß IRFS- und FIWI-Ontologie kategori-
siert. Die Finanzinstrumente sind entweder originärer oder derivativer Natur. Sind die originä-
ren Finanzinstrumente dem Cash Flow nach fixiert, dann werden sie bei einem Unternehmen
als finanzielle Verbindlichkeit ausgewiesen. Ist ihr Cash Flow hingegen nicht fixiert, d.h. unsi-
cher, dann sind sie bei einem Unternehmen als Eigenkapitalinstrument ausgewiesen. Auf der
jeweils anderen Vertragsseite werden die originären Finanzinstrumente jeweils als finanzieller
Vermögenswert18
ausgewiesen. Die derivativen Finanzinstrumente können ebenfalls entweder
finanzielle Verbindlichkeiten oder Eigenkapitalinstrumente sein. Sie sind bei den Emittenten
von Derivaten, wobei es sich um unbedingte Termingeschäfte oder bedingte Optionsgeschäfte
handeln kann, grundsätzlich als finanzielle Verbindlichkeiten anzusetzten. Handelt es sich
beim Derivat um ein eingebettetes Derivat, welches sich aus einem zusammengesetzten Fi-
nanzinstrument ergibt, dann stellt dieses ein Eigenkapitalinstrument dar, wenn über das Derivat
eine fester Betrag an flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten gegen eine
feste Anzahl eigener Eigenkapitalinstrumente erfüllt wird.
Abbildung 26: Finanzinstrumente - IFRS- und FIWI-Kategorisierung
Wenn ein Unternehmen zu Finanzierungszwecken Eigen- oder Fremdkapital aufnimmt, dann
hängt die künftige Verpflichtung entscheidend von der Finanzierungsart ab. Bei einer Fremd-
18
Bei den Eigenkapitalinstrumenten ist noch zu beachten, dass sie keine signifikanten Einflussmöglichkeiten auf
die Unternehmensführung ermöglichen, zumal sie ansonsten nicht mehr als finanzieller Vermögenswert auszu-
weisen sind, sondern vielmehr eine Konsolidierung zu erfolgen hat.
EKI (Eigenkapital)
unsichere Finanzinstrumente
(Risky Income: RFI)
fest verzinst variabel verzinst (= ohne signifikante
Einflussmöglichkeit)
z.B. Coupon-, z.B. Floater
Zero-Bond
(unbedingte) bedingte Derivat, welches durch Austausch
Termin- Options- eines festen Betrages an flüssigen
geschäfte geschäfte Mitteln oder anderen fz.VW gegen
eine feste Anzahl eig. EKI erfüllt wird
z.B. Forward z.B. Call, Put
(Futures), Swap
derivative Finanzinstrumente
FIPassiva des Unternehmens B
fz.Vb (Schuld/Fremdkapital)
Aktiva d
es U
nte
rnehm
ens A
fz.VW
(Finanz-
Vermögen)
originäre Finanzinstrumente
fixierte Finanzinstrumente
(Fixed Income: FFI)
z.B. Stock, Private Equity
Grundlagen der Betriebswirtschaft 52
kapitalfinanzierung (z.B. Kreditaufnahme) ist der künftige Zahlungsstrom fixiert. Neben den
fixierten Zinszahlungen, welche fest verzinst (inklusive zinslos) oder variabel verzinst sein
können, ist auch noch der ursprüngliche Nennwert (Nominale), wobei es sich um den ausgelie-
henen Betrag handelt, über die Laufzeit zurück zu bezahlen. Bei einer Eigenkapitalfinanzie-
rung (z.B. Gesellschaftereinlage) ist der künftige Zahlungsstrom hingegen nicht fixiert. Der
ursprünglich erhaltene Betrag wird im Zeitablauf nicht zurück bezahlt und bei den im Zeitab-
lauf zu leistenden Zahlungen handelt es sich um gewinnabhängige Ausschüttungen (z.B. Divi-
dendenzahlungen oder Privatentnahmen). Zumal die Gewinne im Zeitablauf unsichere Größen
sind, sind auch die mit den Eigenkapitalinstrumenten verbundenen Zahlungen unsichere Grö-
ßen.
IFRS-Ontologie: Eigen- und Fremdkapital als Finanzinstrumente
In IFRS werden die Vermögenswerte, die finanziellen Verbindlichkeiten und die Schulden
jeweils (positiv) definiert. Das Eigenkapital wird hingegen nur indirekt über die Differenz von
Vermögen und Schulden als Residualgröße definiert. Zum Verständnis der sich daraus erge-
bende Definition empfiehlt es sich, das Eigenkapital in Abgrenzung zu den finanziellen Ver-
bindlichkeiten zu begreifen. Das Eigenkapital wird in Normalfall wie die finanziellen Verbind-
lichkeiten auf der Habenseite der Bilanz ausgewiesen.
IFRS-Compliance: Eigenkapitalinstrument (IAS 32.11)
Ein Eigenkapitalinstrument ist ein Vertrag, der einen Residualanspruch an den Vermögenswer-
ten eines Unternehmens nach Abzug aller dazugehörigen Schulden begründet.
IFRS-Compliance: Einstufung als Eigenkapitalinstrument (IAS 32.16)
Bei Anwendung der Begriffsbestimmungen in Paragraph 11 zur Einstufung von Finanzinstru-
menten als Eigenkapitalinstrument oder als finanzielle Verbindlichkeit ist dann, und nur dann
ein Eigenkapitalinstrument gegeben, wenn die nachfolgenden Bedingungen (a) und (b) erfüllt
sind.
(a) Das Finanzinstrument behinhaltet keine vertragliche Verpflichtung
(i) flüssige Mittel oder einen anderen finanziellen Vermögenswert an ein anderes Un-
ternehmen abzugeben; oder
(ii) finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten mit einem anderen
Unternehmen zu potenziell nachteiligen Bedingungen für den Emittenten auszutau-
schen.
(b) Kann das Finanzinstrument in den Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten erfüllt werden,
handelt es sich um:
(i) ein nicht derivatives Finanzinstrument, das keine vertragliche Verpflichtung seitens
des Emittenten beinhaltet, eine variable Anzahl eigener Eigenkapitalinstrumente
abzugeben; oder
Grundlagen der Betriebswirtschaft 53
(ii) ein Derivat, das vom Emittenten nur durch den Austausch eines festen Betrags an
flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten gegen eine feste An-
zahl eigener Eigenkapitalinstrumente erfüllt wird. In diesem Sinne beinhalten die
Eigenkapitalinstrumente eines Emittenten keine Instrumente, die selbst Verträge
über den künftigen Empfang oder die künftige Abgabe von Eigenkapitalinstrumen-
ten des Emittenten darstellen.
Eine vertragliche Verpflichtung, einschließlich einer aus einem Derivat entstehenden vertragli-
chen Verpflichtung, die zum künftigen Empfang oder zur künstigen Abgabe von Eigenkapital-
instrumenten des Emittenten führen wird oder kann, jedoch nicht die vorstehenden Bedingun-
gen (a) und (b) erfüllt, ist kein Eigenkapitalinstrument.
Die Definition der Eigenkapitalinstrumente (EKI) nach IAS 32.16 ist wie folgt zu verstehen. In
Punkt (a) wird die EKI von den finanziellen Verbindlichkeiten, welche jeweils eine vertragli-
che Verpflichtung beinhalten, abgegrenzt. Punkt (b) besagt, dass es Finanzinstrumente gibt,
welche mit EKI erfüllt werden. Dabei handelt es sich um passivseitige Bilanzpositionen, wel-
che nicht zu den finanziellen Verbindlichkeiten zählen, weil sie (i) keine vertragliche Ver-
pflichtung seitens des Emittenten beinhalten, eine variable Anzahl eigener EKI abzugeben.
Darüber hinaus können sie aber auch (ii) Derivate sein, wobei ein fester Betrag an flüssigen
Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten gegen eine feste Anzahl eigener EKI er-
füllt wird. Weil die Instrumente aber selbst keine Verträge über den künftigen Empfang oder
die künftige Abgabe von Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten darstellen können, können
es nur in zusammengesetzten Finanzinstrumenten (IAS 32.28-32) eingebettete Derivate sein.
IFRS-Ontologie: Kategorisierung und Bewertung von originären Finanzinstrumenten
Bei den originären Finanzinstrumenten handelt es sich um die Teilmenge der Finanzinstrumen-
te, welche nicht als Derivate kategorisiert werden.
IFRS-Compliance: Derivat (IAS 39.9)
Ein Derivat ist ein Finanzinstrument ... das ... alle der drei nachstehenden Merkmale aufweist:
(a) sein Wert verändert sich infolge einer Änderung eines bestimmten Zinssatzes, Preises eines
Finanzinstrumentes, Rohstoffpreises, Wechselkurses, Preis- oder Zinsindexes, Bonitätsra-
tings oder Kreditindexes oder einer anderen Variablen...
(b) es erfordert keine Anschaffungszahlung oder eine, die im Vergleich zu anderen Vertrags-
formen (z.B. zugrunde liegendes Basisobjekt), von denen zu erwarten ist, dass sie in ähnli-
cher Weise auf Änderungen der Marktbedingungen reagieren, geringer ist; und
(c) es wird zu einem späteren Zeitpunkt beglichen.
In Abbildung 27 sind die verschiedenen Kategorien an originären Finanzinstrumenten darge-
stellt. In Abhängigkeit der Eigenschaft des künftigen Zahlungsstroms (Cash Flows) werden in
Grundlagen der Betriebswirtschaft 54
der FIWI-Ontologie die fixierten von den unsicheren Finanzinstrumenten unterschieden. Bei
den fixierten Finanzinstrumenten unterliegen die künftigen Zahlungsströme einer Fixierung,
wohingegen sie bei den unsicheren Finanzinstrumenten als Residualgröße von unsicherer Natur
sind. In der IFRS-Ontologie werden die beiden Kategorien an Finanzinstrumenten aufgrund
ihrer unterschiedlichen Zahlungsansprüche beim emittierenden Unternehmen als Fremd- bzw.
Eigenkapital kategorisiert. Bei den auf der Passiva als Fremdkapital ausgewiesene Instrumen-
ten handelt es sich um fixierte Finanzinstrumente. Die passivseitig als Eigenkapitalinstrumente
ausgewiesenen Positionen sind unsichere Finanzinstrumente.
Abbildung 27: Originäre Finanzinstrumente (IFRS) – FIWI-Kategorisierung
Die in der FIWI-Ontologie bereit gestellte Kategorisierung19
erweist sich somit als essenziell,
um die in der IFRS-Ontologie vorgenommene Kategorisierung der Finanzinstrumente verste-
hen zu können. In Abbildung 28 sind die wesentlichen Frage aufgeführt, um ein originäres Fi-
nanzinstrument anhand seines künftigen Zahlungsstroms20
(Cash Flow) entweder als fixiertes
Finanzinstrument (z.B. Kredit und Anleihe) oder unsicheres Finanzinstrument (z.B. Beteili-
gung und Aktie) einzuordnen.
19
Die zur Kategoriersierung zentrale Unterscheidung richtet sich nach der Frage: Ist der künftige Zahlungsstrom
(Cash Flow) fixiert oder unsicher? 20
Fixierte Finanzinstrumente haben demnach feste Laufzeiten (Ausnahme: Perpetuals) und feste bzw. bestimmba-
re Zahlungen (Cash Flows). Ist die nicht der Fall, dann handelt es sich um unsichere Finanzinstrumente.
EKI (Eigenkapital)
unsichere Finanzinstrumente
(Risky Assets)
fest verzinst variabel verzinst (= ohne signifikante
Einflussmöglichkeit)
z.B. Coupon-, z.B. Floater
Zero-Bond
FI
Aktiva d
es U
nte
rnehm
ens A
fz.VW
(Finanz-
Vermögen)
Passiva des Unternehmens B
fz.Vb (Schuld/Fremdkapital)
originäre Finanzinstrumente
fixierte Finanzinstrumente
(Fixed Income)
z.B. Stock, Private Equity
Grundlagen der Betriebswirtschaft 55
Abbildung 28: Originäre Finanzinstrumente – fixierte vs. unsichere Finanzinstrumente
In der IFRS-Ontologie werden die Finanzinstrumente grundsätzlich in vier Kategorien einge-
teilt, u.z. in
Bis zur Endfälligkeit gehaltene Finanzinvestitionen (Held To Maturity – kurz: HTM)
Kredite und Forderungen (Loans And Receivables – kurz: LAR)
Zum beizulegenden Zeitwert durch die Gewinn- und Verlustrechnung bewertete finanzielle
Vermögenswerte (At Fair Value through Profit and Loss – kurz: AFV)
Zur Veräußerung verfügbare finanzielle Vermögenswerte (Available For Sale – kurz:
AFS).
Jedes Finanzinstrument ist im Rahmen der Erstbewertung einer dieser vier Kategorien zuzu-
ordnen. Zumal sich die Folgebewertung nach der Kategorie richtet, werden die Kategorien
auch als IFRS-Bewertungskategorien bezeichnet. In Abbildung 29 sind die unterschiedlichen
Bewertungsaspekte für die vier Kategorien übersichtlich zusammen gestellt. Bei den fixierten
Finanzinstrumenten kann der Käufer, der durch den Kauf einen finanziellen Vermögenswert
erwirbt, im Rahmen der Erstbewertung eine Zuordnung zu allen vier Kategorien vornehmen.
Der Emittent des fixierten Finanzinstrumentes, der durch den Verkauf eine finanzielle Verbind-
lichkeit übernimmt, hat dieses bis zur vollständigen Tilgung zu behalten und zu bedienen. Be-
züglich den Bewertungserfordernissen entspricht dies einer HTM-Position. Unter gewissen Be-
dingungen kann er die Fair Value Option in Anspruch nehmen, womit er eine AFV-Position
durch Designation begründet.
originäresFinanz-
instrument
FesteLauf-zeit?
Festebzw. bestimmbare
Zahlungen?
unsicheresFinanz-
instrument
fixiertesFinanz-
instrument
nein
nein
ja
ja
Grundlagen der Betriebswirtschaft 56
Abbildung 29: Finanzinstrumente – Bewertung und Erfolgsausweis nach IFRS-Kategorien
In Abhängigkeit von der Bewertungskategorie gilt es folgende Unterschiede beim Wertansatz
und beim Erfolgsausweis zu beachten.
Bei den LAR-Finanzinstrumenten erfolgt die Folgebewertung zu den fortgeführten An-
schaffungskosten (AK). Im unterjährigen Bereich unterbleibt in dieser Kategorie zumeist
die Abzinsung, sodass die fortgeführten gleich den Anschaffungskosten sind. Etwaige sich
im Zeitablauf ergebenden Wertänderungen werden in der Gewinn- und Verlustrechnung
ausgewiesen. In Abbildung 29 wird dies als ein finanzerfolgswirksamer GUV-Effekt be-
zeichnet.
Bei den HTM-Finanzinstrumenten erfolgt die Folgebewertung zu fortgeführten Anschaf-
fungskosten, welche über die Effektivzinsmethode ermittelt werden. Die sich im Zeitablauf
ergebenden Wertänderungen begründen einen finanzerfolgswirksamen GUV-Effekt.
Die AFS-Finanzinstrumente sind zur jederzeitigen Veräußerung verfügbar, weshalb sie mit
dem Fair Value bewertet werden. Die sich im Zeitablauf ergebenden Wertänderungen wer-
den bis zum Zeitpunkt der Veräußerung in einer Neubewertungsrücklage direkt im Eigen-
kapital gebucht. In Abbildung 29 wird dies als ein finanzerfolgsneutraler Rücklagen-Effekt
bezeichnet. Erst bei Veräußerung wird die gesamte Rücklage erfolgswirksam aufgelöst.
Die AFV-Finanzinstrumente werden zum Fair Value folgebewertet und die sich im Zeitab-
lauf ergebenden Wertänderungen begründen einen finanzerfolgswirksamen GUV-Effekt.
IFRS-Compliance: Effektivzinsmethode (IAS 39.9)
Die Effektivzinsmethode ist eine Methode zur Berechnung der fortgeführten An-
schaffungskosten eines finanziellen Vermögenswertes oder einer finanziellen Verbindlichkeit
(oder einer Gruppe von finanziellen Vermögenswerten oder finanziellen Verbindlichkeiten)
und der Allokation von Zinserträgen und Zinsaufwendungen auf die jeweiligen Perioden. Der
Effektivzinssatz ist derjenige Kalkulationszinssatz, mit dem die geschätzten künftigen Ein- und
Auszahlungen über die erwartete Laufzeit des Finanzinstruments oder eine kürzere Periode,
sofern zutreffend, exakt auf den Nettobuchwert des finanziellen Vermögenswertes oder der fi-
nanziellen Verbindlichkeit abgezinst werden. Bei der Ermittlung des Effektivzinssatzes hat ein
Unternehmen alle vertraglichen Bedingungen des Finanzinstruments zu berücksichtigen (z.B.
Vorauszahlungen, Kauf- und andere Optionen), nicht jedoch die künftigen Kreditausfälle.
wirksam neutral
fixierte LAR fortgeführte AK GUV-Effekt
(Zins-)Positionen HTM fortgeführte AK GUV-Effekt
(Fixed Income) AFS Fair Value RL-Effekt
AFV Fair Value GUV-Effekt
originäre Finanzinstrumente
(non-derivative instruments)
unsichere AFS Fair Value RL-Effekt
(Nicht-Zins-)Pos. AFV Fair Value GUV-Effekt
(Risky Assets)
finanzerfolgs-IFRS-Kategorie Folgebewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 57
Die unsicheren Finanzinstrumente können vom Käufer im Rahmen der Erstbewertung als
AFV-Finanzinstrument eingeordnet werden, wenn diese Finanzinstrumente auf einem liquiden
Markt gehandelt werden. Wenn solche Instrumente als zur Veräußerung gehalten werden, dann
können sie auch als AFS-Instrumente kategorisiert werden. Liegt hingegen kein liquider Markt
vor, dann sind die unsicheren Finanzinstrumente mit den Anschaffungskosten folgezubewer-
ten. In diesem Fall ergeben sich im Zeitablauf bis zur Veräußerung keine Wertänderungen. Der
Emittent des unsicheren Finanzinstruments hat dieses bei Emission als Eigenkapitalinstrument
zu verbuchen. Als solches bleibt der Wert im Zeitablauf gleich dem bei der Erstbewertung er-
mittelten Wert.
CF-Fixierte Finanzinstrumente: Fest und variabel verzinste endfällige Kredite
Bei den fixierten Finanzinstrumenten ist der künftige Zahlungsstrom (Cash Flow) fixiert. In der
Cash Flow-Fixierung werden sowohl die Zins- als auch die Tilgungszahlungen geregelt. Dabei
gibt es verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. In Tabelle 17 werden die fixierten Finanzin-
strumente in Form von Krediten nach der Verzinsungs- und Tilgungsart kategorisiert. Die Ver-
zinsungsart21
kann fest oder variabel sein, und bei den Tilgungsarten gibt es endfällige, Abzah-
lungs- und Annuitätentilgungen.
Tabelle 17: Kredite – Kategorisierung nach Tilgungs- und Verzinsungsart
In diesem Abschnitt werden die endfälligen22
Kredite erläutert. Die endfälligen Kredite sind
dadurch gekennzeichnet, dass im Zeitablauf keine Tilgungszahlungen stattfinden. Der gesamte
ursprünglich in Anspruch genommene Nennwert (Nominale) wird erst am Laufzeitende des
Kredites zurück bezahlt. Während der Laufzeit werden nur Zinszahlungen geleistet. Die Höhe
der Zinszahlungen entspricht dem Produkt aus dem Nominalzins und dem Nennwert. Bleibt
der Nominalzins über die gesamte Laufzeit des Kredites unverändert, dann handelt es sich um
21
Weiters wird insbesondere im unterjährigen Bereich auch zwischen dekursiver (nachschüssiger) und antizipati-
ver (vorschüssiger) Verzinsung unterschieden. Bei der dekursiven Verzinsung werden die Zinsen vom Wert der
Schuld (Nennwert, Nominale) am Anfang der Periode nach der linearen (einfachen) Verzinsungskonvention mit
act/360 berechnet und am Ende der Periode bezahlt oder der Schuld zugerechnet [ESFe02, S. 99]. Bei der antizi-
pativen Verzinsung werden die Zinsen vom Wert der Schuld am Ende der Periode nach der linearen (einfachen)
Verzinsungskonvention mit act/360 berechnet und am Anfang der Periode in Rechnung gestellt (v.a. bei Wechsel-
diskontierung). Die Bewertung aller nachfolgend bewerteten Krediten basiert auf der dekursiven Verzinsung.
Aufgrund der mehrjährigen Laufzeit wird nicht die lineare, sondern die exponentielle Verzinsungsmethode, wobei
auch Zinseszinseffekte berechnet werden, verwendet. 22
Die Abzahlungs- und Annuitätenkredite werden im nächsten Abschnitt erörtert.
fest verzinst variabel verz.
Endfälliger Kredit
Abzahlungskredit
Annuitätenkredit
Grundlagen der Betriebswirtschaft 58
einen fest verzinsten Kredit. Wird der Nominalzins hingegen periodisch an z.B. den
EURIBOR-Geldmarktzins angepasst, dann ist es ein variabel verzinster Kredit.
Kreditmarkt-Barwertfunktion: Barwert als Funktion von Zahlungen, Fristigkeiten, Zins-
sätzen und Risikozuschlägen
Zur Bewertung von Krediten wird die Kreditmarkt-Barwertfunktion verwendet. Bei diesem
Barwertmodell wird der Barwert aus den künftigen Zins- und Tilgungszahlungen Ct = Kt + TZt,
den Fristigkeiten T0,t und den risikoadjustierten Zinssätzen R0,tadj
berechnet.
(22)
ttt
tt
adj
t
T
t
adj
tt
T
tTadj
t
t
adj
tTt
tionBarwerfunktKreditmark
T
tTadj
t
t
TZKC
RZRR
mit
DFC
RC
RTCBWR
CBW
T
T
,0,0,0
1
,0
1 ,0
,0,00
1 ,0
0
,0
,0
)1(
1
),,()1(
Die künftigen Zahlungen Ct werden dabei in ihre Komponenten aufgespalten, u.z. in die Zins-
zahlungen Kt sowie die Tilgungszahlungen TZt.
Fest verzinste endfällige Kredite: Erstbewertung mit der Kreditmarkt-Barwertfunktion
Beim fest verzinsten endfälligen Kredit erfolgt die Tilgungszahlung am Laufzeitende in T in
Höhe des ursprünglichen Nennwertes NW0. Während der Laufzeit werden nur Zinszahlungen
in Höhe des fest vereinbarten Nominalzinssatzes RtN bezahlt. Die sich daraus ergebende Kre-
ditmarkt-Barwertfunktion ist in Gleichung (23) zu sehen.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 59
(23)
0
0
,0,0,0
1
,0
1 ,0
0,0)1(
NWRK
NWTZ
TZKC
RZRR
mit
DFC
R
CBW
N
tt
T
ttt
tt
adj
t
T
t
adj
tt
T
tTadj
t
t
T
Nachfolgend wird ein fest verzinster endfälliger Kredit mit der Kreditmarkt-Barwertfunktion
im Zeitpunkt t0 erstbewertet. Dieser Kredit hat einen Nennwert (Nominale) NW0 von 100 GE
und einen sich darauf beziehenden Nominalzins R0N von 4 %. In Tabelle 18 sind diese Werte in
den ersten Zeilen eingetragen. Mit diesen Angaben werden die Tilgungszahlung im Zeitpunkt
t2 in Höhe von 100 GE sowie die Zinszahlungen in t1 und t2 von jeweils 4 GE bestimmt. Sie
Summe beider Größen in den beiden Zeitpunkten ergibt den künftigen Zahlungsstrom (Cash
Flow). Die einzelnen Zahlungen werden mit dem ein- bzw. zweijährigen Zinssatz sowie einem
konstanten Risikozuschlag von 2 % für jede Periode abgezinst. Aus der Summe der Zinssätze
und des jeweiligen Risikozuschlages ergeben sich die adjustierten Abzinsungssätze. Diese
werden mit der Fristigkeit von ein und zwei Jahren in die adjustierten Diskontfaktoren umge-
rechnet. Der Barwert des gesamten künftigen Zahlungsstrom wird bereichnet, indem die künf-
tigen Zahlungen mit dem fristigkeitskonformen adjustierten Diskontfaktoren multipliziert und
die sich dabei ergebenden Produkte summiert werden. Konkret ergibt sich ein Barwert in Höhe
von 95,45 GE. Dieser Barwert ist kleiner als der Nennwert von 100 GE, sodass eine Unterpar-
Bewertung vorliegt, welche zu einem Disagio23
(Abschlag) in Höhe der Differenz aus dem
Nennwert und dem Barwert führt.
Hinweis zum Auszahlungsbetrag bei Krediten:
Bei Krediten wird immer der Barwert BW0 ausbezahlt. Liegt der Barwert unterhalb (oberhalb)
des ursprünglich vereinbarten Nennwertes NW0, dann liegt eine Unterpar-Bewertung (Überpar-
Bewertung) vor, welche zu einem Disagio (Agio) führt. Im Falle eines Disagio (Agio) wird
folglich weniger (mehr) als der Nennwert ausbezahlt.
23
(Dis-)Agio ist ein wichtiges Element in der FIWI-Ontologie. In der FIBU-Ontologie gibt es diesen Begriff zwar
auch, doch dort sorgt er vielfach für Verwirrung, zumal seine Logik einfach nicht in die Finanzbuchhaltung passt.
Diese Verwirrung ist ein gutes Beispiel für die Wittgenstein„sche Verhexung des Verstandes durch die Sprache.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 60
Tabelle 18: Fest verzinster endfälliger Kredit – Erstbewertung (Unterpar-Bewertung)
Aufgrund des zweiperiodigen Betrachtungshorizontes lässt sich der Effektivzinssatz über die in
Gleichung (8) dargestellte quadratische Gleichung lösen. Der sich ergebende Effektivzinssatz
von 6,50 % liegt zwischen den beiden bei der Erstberwertung verwendeten adjustierten Zins-
sätzen. Aufgrund des recht hohen Disagio liegt der Effektivzinssatz deutlich über dem Nomi-
nalzins. Der Nominalzins wäre irreführend, wenn er zur Beurteilung der Finanzierungskosten
herangezogen würde.
Fest verzinste endfällige Kredite: Folgebewertung mit der Kreditmarkt-Barwertfunktion
Die Folgebewertung im Zeitpunkt erfolgt bei den endfälligen Krediten wiederum über die
Kreditmarkt-Barwertfunktion. Zu beachten gilt es dabei, dass die vor dem Zeitpunkt liegen-
den Zahlungen für die Folgebewertung historisch geworden sind, sich die Fristigkeiten aller
künftigen Zahlungen verkürzt haben, und dass sich die zur Diskontierung verwendeten Zins-
sätze in der Regel verändert haben. Diese Besonderheiten der Folgebewertung werden in Glei-
chung (24) einbezogen. Die Änderungen der Zinssätze wird durch ihre Bedingtheit auf den im
Zeitpunkt eingetreten Zustand s ,i berücksichtigt. Diese Zustandsabhängigkeit findet sich so-
dann auch im Barwert wieder, weshalb auch der Barwert zustandsbedingt mit BW (s ,i) gekenn-
zeichnet wird.
Endfälliger Kredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N bzw. R1
N 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = BW0 95,45 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NWt-1 * Rt-1N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct = Kt + TZt 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 Fristigkeit (in y)
R0,t 4,00% 4,51% Zinssatz
RZ0,t 2,00% 2,00% Risikozuschlag
R0,tadj
= R0,t + RZ0,t 6,00% 6,51% adjustierter Zinssatz
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 3,77 91,68
BW0 = CtBW0 95,45
(D)A0 = NW0 - BW0 4,55 Disagio
R0E 6,50% Effektivzinssatz
Erstbewertung
Nominale (Nennwert)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 61
(24)
0
0
,,,,
,,
,,
,
)(
)(
))(1()(
,
NWRK
NWTZ
TZKC
RZRsR
mit
sDFC
sR
CsBW
N
tt
T
ttt
tti
adj
t
t
i
adj
tt
tT
i
adj
t
ti
T
Die Folgebewertung des fest verzinsten endfälligen Kredites erfolgt im Zeitpunkt = t1 und im
dann eingetreten Zustand s1,1, in welchem der dann einjährige Zinssatz R1,2(s1,1) in Höhe von
4,25 % vorliegt und die Fristigkeit der endfälligen Zahlung sich auf 1 Jahr verkürzt hat. In Ta-
belle 19 werden die diesbezüglichen Berechnungen durchgeführt. Der sich in der Folgebewer-
tung ergebende Barwert beträgt 97,88 GE. Dieser Wert ist dem Nennwert näher als der ur-
sprüngliche Barwert von 95,45 GE, sodass ein Teil des ursprünglichen Disagio aufgelöst wur-
de.
Tabelle 19: Fest verzinster endfälliger Kredit – Folgebewertung
Fest verzinste endfällige Kredite: Gesamt-Erfolg und Gesamt-Rendite
Der sich über die Periode von t0 bis = t1 ergebende Gesamterfolg (Total Return) besteht im
Falle des fest verzinsten endfälligen Kredits aus zwei Komponenten: Erstens der im Beobach-
tungszeitraum T0,1 geleisteteten Zinszahlung K1 und der Auflösung des (Dis-)Agio. Die (Dis-)-
Agioauflösung ergibt sich aus der Differenz der Barwerte zum Folge- und Erstbewertungszeit-
punkt. In Gleichung (25) wird der Gesamterfolg generisch über den eingetretenen Pfad i defi-
Endfälliger Kredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N bzw. R1
N 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = BW0 95,45 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NWt-1 * Rt-1N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct = Kt + TZt 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
T1,2(s1,1) 1 kft. Fristigkeit (in y)
R1,2(s1,1) 4,25% kft. Zinssatz
RZ1,2(s1,1) 2,00% kft. Risikozuschlag
R1,2adj
(s1,1) = R1,2 + RZ1,2 6,25% kft.adj. Zinssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2adj 97,88
BW1(s1,1) = C2BW1 97,88Folgebewertung
Nominale (Nennwert)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 62
niert. Bei der (Dis-)Agioauflösung wird ebenfalls eine generische Variante gewählt, zumal dort
der zum Folgebewertungszeitpunkt = t ermittelte Barwert vor der Tilgungszahlung in diesem
Zeitpunkt BWtv verwendet wird. Diese Verallgemeinerung ist bei den endfälligen Krediten nur
in der letzten Periode relevant. Bei den anderen beiden Tilgungskategorien in Form der Abzah-
lungs- und Annuitätentilgung wird diese Erweiterung allerdings in jeder Periode benötigt, zu-
mal dort grundsätzlich in jeder Periode Tilgungszahlungen geleistet werden.
(25)
)()()()(
)()()()(
1 iti
v
tit
ititit
BWBWAAD
mit
AADKGE
Aus dem Gesamterfolg wird die Gesamtrendite Rt( i) auf dem Pfad i für die Periode von t-1
bis t berechnet, indem der Gesamterfolg durch den Barwert am Periodenanfang dividiert wird.
In Gleichung (26) wird die Berechnung der Gesamtrendite formelhaft dargestellt.
(26) )(
)()(
1 it
itit
BW
GER
Hinweis zur pfadweisen Betrachtung:
Die Betrachtung eines Pfades erfolgt aus der retrospektiven Perspektive, wobei die letztendlich
realisierte Geschichte bereits bekannt ist. Zeitlich liegt das am Ende des gesamten Betrach-
tungshorizontes. Von der retrospektiven ist die prospektive Betrachtung zu unterscheiden, wel-
che sich zu Beginn des Betrachtungshorizontes stellt. In der prospektiven Perspektive ist die
Geschichte über den Betrachtungshorizont noch nicht bekannt. Vielmehr gibt es eine Menge
von verschiedenen Geschichten, d.h. Pfaden, wobei eine davon letztendlich realisiert wird.
In Tabelle 20 werden der Gesamterfolg und die Gesamtrendite des fest verzinsten endfälligen
Kredits über die gesamte Kreditlaufzeit betrachtet. Diese Betrachtung ist erst im Nachhinein,
also retrospektiv möglich, wenn der letztendlich realisierte Pfad bekannt geworden ist. Im Bei-
spiel wird der Pfad 1 als realisiert betrachtet. Auf diesem Pfad ergeben sich die Barwerte von
95,45 GE in t0, 97,88 GE in t1 und 0 GE in t2. Der Barwert von 0 GE in t2 ergibt sich nach der
Tilgungszahlung in t2. Zur Berechnung der (Dis-)Agioauflösung, welche für die Ermittlung
des Gesamterfolges benötigt wird, werden die Barwerte vor Tilgungszahlung verwendet. Für
den Zeitpunkt t2 sind das dann 100 GE. Die (Dis-)Agioauflösung in der zweiten Periode von
2,12 GE errechnet sich gemäß Gleichung (25) aus der Differenz des Barwertes vor Tilgungs-
zahlung von 100 GE und dem Barwert der Vorperiode von 97,88 GE. Die einperiodigen Rendi-
ten werden auf dem realisierten Pfad 1 errechnet, indem die Gesamterfolge durch die jewei-
ligen Barwerte am Periodenanfang dividiert werden. Die beiden Renditen sind unterschiedlich
und ihre Höhe hängt vom letztendlich realiserten Pfad ab. In der prospektiven Betrachtung im
Grundlagen der Betriebswirtschaft 63
Erstbewertungszeitpunkt ist die Realisation dieses Pfades noch nicht bekannt. Vielmehr gibt es
zu diesem Zeitpunkt noch eine Menge an verschiedenen, sich potenziell realisierenden Pfaden.
Tabelle 20: Fest verzinster endfälliger Kredit – Gesamt-Erfolg und -Rendite
Fest verzinste endfällige Kredite: Zinslose Kredite haben einen Nominalzins von Null
Bei der Vertragsgestaltung von fest verzinsten endfälligen Krediten ist es durchaus möglich,
dass der Nominalzins auf Null gesetzt wird. In diesem Fall ist der Kredit zinslos. Dieser Um-
stand verleitet auf den ersten Blick gelegentlich zur irrigen Vermutung, dass es mangels Zins-
zahlungen auch keine Verzinsung des Nennwertes gibt. Dies ist aber falsch. Die Verzinsung
ergibt sich im Zeitablauf durch die Auflösung des Disagios, welches bei zinslosen Krediten
immer vorliegt. Bei den zinslosen Krediten erreicht das Disagio den maximial möglichen Wert.
Die Rendite bildet sich dann im Zeitablauf mangels Zinszahlungen nur aus der
Disagioauflösung. Mangels Zinszahlungen fließen auch während der Laufzeit keinerlei Zah-
lungen. Es wird nur zum Zeitpunkt der Erstbewertung der Barwert ausbezahlt, und am Ende
der Kreditlaufzeit wird der Nennwert zurück bezahlt.
In Tabelle 21 wird ein zinsloser Kredit, wobei der Nominalzinssatz auf Null gesetzt ist, erst-
und im Zeitablauf folgebewertet. Das sich bei der Erstbewertung ergebende Disagio von 11,85
GE wird im Zeitablauf aufgelöst. Die Disagioauflösung stellt zugleich den Gesamterfolg jeder
Periode dar. Auf dem retrospektiv betrachteten Pfad 1 ereben sich aufgrund der mit diesem
Pfad einher gehenden Zinsentwicklung im Zeitablauf fallende Renditen.
Endfälliger Kredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N bzw. R1
N 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = BW0 95,45 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NWt-1 * Rt-1N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct = Kt + TZt 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 3,77 91,68
BW0 = CtBW0 95,45
(D)A0 = NW0 - BW0 4,55 Disagio
R0E 6,50% Effektivzinssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2adj 97,88
BW1(s1,1) = C2BW1 97,88
BWt( 1) 95,45 97,88 0,00 pfadweise Barwerte
BWtv( 1) = BWt + TZt 97,88 100,00 Barwerte (vor TZt)
(D)AAt( 1) = BWtv - BWt-1 2,43 2,12 (Dis-)Agio-Auflösung
GEt( 1) = Kt + (D)AAt 6,43 6,12 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 6,74% 6,25% Gesamt-Rendite
Nominale (Nennwert)
Erstbewertung
Folgebewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 64
Tabelle 21: Fest verzinster endfälliger Kredit – Zinsloser Kredit (Nominalzinssatz ist Null)
Fest verzinste endfällige Kredite: Kredite mit Stufenleiter-Verzinsung
In den bisherhigen Ausführungen war der Nominalzinssatz jeweils eine im Zeitablauf konstan-
te Größe. Bei der Stufenleiterverzinsung nimmt der Nominalzins im Zeitablauf unterschiedli-
che Werte an. In Tabelle 22 wird ein fest verzinster endfälliger Kredit mit einer Stufenleiter-
verzinsung betrachtet, wobei in der ersten Periode ein Nominalzinssatz 4 % und in der zweiten
einer von 5 % bezahlt wird. Der in der Erstbewertung berechnete Barwert, welcher zugleich
den Auszahlungsbetrag24
darstellt, beträgt 96,33 GE. Der Gesamterfolg setzt sich in jeder Peri-
ode aus einer Zinszahlung sowie einer Disagioauflösung zusammen. Aufgrund der sich auf
dem Pfad 1 realisierenden Zinskurven nehmen die sich im Zeitablauf ergebenden Renditen
ab.
24
Das vorliegende Disagio führt dazu, dass dem kreditnehmenden Agenten weniger als der Nennwert ausbezahlt
wird.
Endfälliger Kredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N bzw. R1
N 0,00% 0,00% Nominalzinssatz
AZB0 = BW0 88,15 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NWt-1 * Rt-1N 0,00 0,00 Zinszahlung
Ct = Kt + TZt 0,00 100,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 0,00 88,15
BW0 = CtBW0 88,15
(D)A0 = NW0 - BW0 11,85 Disagio
R0E 6,51% Effektivzinssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2adj 94,12
BW1(s1,1) = C2BW1 94,12
BWt( 1) 88,15 94,12 0,00 pfadweise Barwerte
BWtv( 1) = BWt + TZt 94,12 100,00 Barwerte (vor TZt)
(D)AAt( 1) = BWtv - BWt-1 5,97 5,88 (Dis-)Agio-Auflösung
GEt( 1) = Kt + (D)AAt 5,97 5,88 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 6,77% 6,25% Gesamt-Rendite
Nominale (Nennwert)
Erstbewertung
Folgebewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 65
Tabelle 22: Fest verzinster endfälliger Kredit – Stufenleiter-Kredit
Fest verzinste endfällige Kredite: Folgebewertung mit der Effektivzinsmethode
Die fixierten Finanzinstrumente in Form der fest verzinsten endfälligen Kredite wurden in den
vorangegangenen Ausführungen durchgängig mit dem Kreditmarkt-Barwertmodell bewertet,
u.z. sowohl bei der Erstbewertung als auch bei den Folgebewertungen. Nach IFRS können die
fixierten Finanzinstrumente bei der Folgebewertung aber auch mit der Effektivzinsmethode be-
wertet werden, woraus sich die sogenannten fortgeführten Anschaffungskosten ergeben. Durch
Anwendung der Effektivzinsmethode wird die künftige Wertentwicklung von der stochasti-
schen Entwicklung der Zinskurve losgelöst, sodass sich eine deterministische Wertent-
wicklung ergibt, welche im Zeitablauf zu Renditen in Höhe des Effektivzinssatzes führt.
IFRS-Compliance – IAS 39.9:
Die Effektivzinsmethode ist eine Methode zur Berechnung der fortgeführten Anschaffungskos-
ten eines finanziellen Vermögenswertes oder einer finanziellen Verbindlichkeit (oder einer
Gruppe von finanziellen Vermögenswerten oder finanziellen Verbindlichkeiten) und der Allo-
kation von Zinserträgen und Zinsaufwendungen auf die jeweiligen Perioden. Der Effektivzins-
satz ist derjenige Kalkulationszinssatz, mit dem die geschätzten künftigen Ein- und Auszahlun-
gen über die erwartete Laufzeit des Finanzinstruments oder eine kürzere Periode, sofern zu-
treffend, exakt auf den Nettobuchwert des finanziellen Vermögenswertes oder der finanziellen
Verbindlichkeit abgezinst werden. Bei der Ermittlung des Effektivzinssatzes hat ein Unterneh-
men alle vertraglichen Bedingungen des Finanzinstruments zu berücksichtigen (z.B. Voraus-
zahlungen, Kauf- und andere Optionen), nicht jedoch die künftigen Kreditausfälle.
Endfälliger Kredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N bzw. R1
N 4,00% 5,00% Nominalzinssatz
AZB0 = BW0 96,33 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NWt-1 * Rt-1N 4,00 5,00 Zinszahlung
Ct = Kt + TZt 4,00 105,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 3,77 92,56
BW0 = CtBW0 96,33
(D)A0 = NW0 - BW0 3,67 Disagio
R0E 6,50% Effektivzinssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2adj 98,82
BW1(s1,1) = C2BW1 98,82
BWt( 1) 96,33 98,82 0,00 pfadweise Barwerte
BWtv( 1) = BWt + TZt 98,82 100,00 Barwerte (vor TZt)
(D)AAt( 1) = BWtv - BWt-1 2,49 1,18 (Dis-)Agio-Auflösung
GEt( 1) = Kt + (D)AAt 6,49 6,18 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 6,74% 6,25% Gesamt-Rendite
Nominale (Nennwert)
Erstbewertung
Folgebewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 66
Bei der Effektivzinsmethode wird der bei der Erstbewertung bestimmte Effektivzinssatz in der
Folgebewertung verwendet. Die Folgebewertung kann in zwei verschiedenen Varianten erfol-
gen, u.z. mit der Abzinsungs- und der Aufzinsungsmethode.
Tabelle 23: Fest verzinster endfälliger Kredit – Effektiv(ab)zinsmethode
In der Abzinsungsmethode wird zu jedem Folgebewertungszeitpunkt der dann noch ausstehen-
de künftige Zahlungsstrom mit dem Effektivzinssatz abgezinst. Diese Vorgehensweise ist in
Tabelle 23 zu sehen. Im Rahmen der Erstbewertung wird der Effektivzinssatz von 6,50 % er-
mittelt. Der Effektivzinssatz wird im Zeitpunkt t1 verwendet, um die dann noch künftige Zah-
lung in Höhe von 104 GE zu bewerten. Bei dem sich dabei ergebenden Effektivzins-Barwert
handelt es sich um die fortgeführen Anschaffungskosten AK1.
(K5) 65,97065,1
104
)1( 11
0
2
1 ER
CAK
Die sich aus den fortgeführten Anschaffungskosten im Zeitablauf ergebenden (Dis-)Agioauf-
lösungen führen dazu, dass die Gesamtrendite in jeder Periode gleich dem Effektivzinssatz
wird. Dies zeigt sich in der letzten Zeile von Tabelle 23.
Neben der Abzinsungsmethode gibt es noch die Aufzinsungsmethode. Aufgrund des in beiden
Fällen verwendeten Effektivzinssatzes, welcher über die Kreditlaufzeit unverändert bleibt, füh-
ren beide Methoden zum gleichen Ergebnis.
Endfälliger Kredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N bzw. R1
N 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = BW0 95,45 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NWt-1 * Rt-1N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct = Kt + TZt 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 3,77 91,68
BW0 = CtBW0 95,45
(D)A0 = NW0 - BW0 4,55 Disagio
R0E 6,50% Effektivzinssatz
C2BW1(s1,1) = C2 / (1+R0E) 97,65
BW1E(s1,1) = C2BW1 97,65
AKt( 1) = BWt(E) 95,45 97,65 0,00 fortg. Ansch. Ko.
AKtv( 1) = AKt + TZt 97,65 100,00 fortg.Ansch.K.(vor TZt)
(D)AAt( 1) = AKtv - AKt-1 2,20 2,35 (Dis-)Agio-Auflösung
GEt( 1) = Kt + (D)AAt 6,20 6,35 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 6,50% 6,50% Gesamt-Rendite
Nominale (Nennwert)
Erstbewertung
Folgebewertung
(Effektivzins-BW)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 67
Tabelle 24: Fest verzinster endfälliger Kredit – Effektiv(auf)zinsmethode
In Tabelle 24 wird der fest verzinste endfällige Kredit in der Folgebewertung mit der
Aufzinsmethode bewertet. Dabei werden die fortgeführten Anschaffungskosten AK1 im Zeit-
punkt t1 aus dem ursprünglichen Barwert BW0 berechnet, welcher mit der aus dem Effektiv-
zinssatz berechneten Bruttorendite (1+R0E)1 multipliziert und anschließend um die im Zeit-
punkt t1 erfolgente Zinszahlung K1 sowie Tilgungszahlung TZ1 reduziert wird.
(K6) 65,9704065,145,95
)1(
1
11
1
001 TZKRBWAK E
Zumal sich aus der Aufzinsmethode die gleichen fortgeführten Anschaffungskosten wie mit
der Abzinsmethode ergeben, sind auch die damit berechneten Gesamterfolge und Gesamtrendi-
ten gleich.
Variabel verzinste endfällige Kredite: Erstbewertung mit der reduzierten Kreditmarkt-
Barwertfunktion
Im Unterschied zu den fest verzinsten Krediten wird bei den variabel verzinsten Krediten der
Nominalzinssatz nicht mehr zu Beginn der Kreditlaufzeit fest fixiert. Vielmehr wird der Nomi-
nalzinssatz an einen sich im Zeitablauf verändernden Referenzzinssatz gekoppelt, womit sich
auch der Nominalzinssatz und die daraus abgeleiteten Zinszahlungen im Zeitablauf verändern.
Der Nominalzinssatz wird somit zu einer variablen Größe. Im Zeitpunkt der Erstbewertung ist
die Entwicklung des Referenzzinssatzes noch nicht bekannt. Der Referenzzinssatz kann im
Zeitablauf verschiedene Realisationen annehmen. Er ist eine stochastische Größe, welche im
Zeitablauf einem stochastischen Prozess folgt.
Endfälliger Kredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N bzw. R1
N 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = BW0 95,45 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
Kt = NWt-1 * Rt-1N 4,00 4,00 Zinszahlung
Ct = Kt + TZt 4,00 104,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 3,77 91,68
BW0 = CtBW0 95,45
(D)A0 = NW0 - BW0 4,55 Disagio
R0E 6,50% Effektivzinssatz
EW1E(s1,1) = BW0*(1+R0
E) 101,65
"BW1E(s1,1)" = EW1
E - K1 - TZ1 97,65
AKt( 1) = BWt(E) 95,45 97,65 0,00 fortg. Ansch. Ko.
AKtv( 1) = AKt + TZt 97,65 100,00 fortg.Ansch.K.(vor TZt)
(D)AAt( 1) = AKtv - AKt-1 2,20 2,35 (Dis-)Agio-Auflösung
GEt( 1) = Kt + (D)Aat 6,20 6,35 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 6,50% 6,50% Gesamt-Rendite
Folgebewertung
(Effektivzins-EW)
Nominale (Nennwert)
Erstbewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 68
Im nachfolgenden Beispiel wird der Nominalzinssatz jährlich an den dann jeweils aktuellen 1-
Jahres-Zinssatz angepasst. Weiters wird zur Abdeckung des Ausfallrisikos im Kreditmarkt-
Barwertmodell ein Risikozuschlag von 2 % verrechnet. Die Zinszahlung zum Zeitpunkt t1 er-
rechnet sich aus dem im Zeitpunkt t0 vorherrschenden 1-Jahres-Zinssatz in Höhe von 4 % und
dem Risikozuschlag von 2 %. Die Zinszahlung beträgt somit 6 % des Nennwertes von 100 GE.
Diese Zinszahlung wird zum Nennwert addiert, woraus sich die fiktive Nennwertzins-Zahlung
ergibt. Diese Zahlung wird der Barwertberechnung zugrunde gelegt. Der Barwert von 100 GE
zum Erstbewertungszeitpunkt t0 ergibt sich durch Abzinsung des Nennwertzins-Zahlung in
Höhe von 106 GE mit dem adjustierten Zinssatz von 6 % für ein Jahr. Zumal der Barwert
gleich dem Nennwert ist, ergibt sich weder ein Agio noch ein Disagio, und der Effektivzinssatz
deckt sich mit dem adjustierten Zinssatz.
Tabelle 25: Variabel verzinster endfälliger Kredit – Erstbewertung
Die Verwendung der Nennwertzins-Zahlung erklärt sich, indem man sich vorstellt, dass der
variabel verzinste endfällige Kredit zuerst nur eine Periode läuft. In diesem Falle entspricht
diese fiktive Zahlung der tatsächlichen Zahlung. Wird nun unmittelbar vor Fälligkeit der Til-
gungszahlung erneut ein einperiodiger Kredit zu den dann herrschenden Par-Konditionen auf-
genommen, dann wird die Tilgungszahlung durch die sich aus der Refinanzierung ergebenden
Einzahlung genau kompensiert. Am Periodenende wird wieder ein neuer Kredit zu Par-
Konditionen aufgenommen, sodass die Tilgungszahlung erneut nicht unmittelbar liquiditäts-
wirksam wird. Ein derart rollender Kredit beschreibt die Funktionsweise, welche hinter den
periodischen Zinsanpassungen steht: Nach jeder Zinsanpassung wird der Wert des variabel
verzinsten Finanzinstruments immer wieder gleich seinem Nennwert gesetzt.
Endfälliger Kredit (variabel verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N = R0
E 6,00%
R1N(s1,1) = R1
E(s1,1) ?
AZB0 = BW0 100,00 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
K1 = NW0 * R0N 6,00
K2(s1,1) = NW1 * R1N ?
Ct(st,1) = Kt + TZt 6,00 ? künftiger Cash Flow
T0,1 1 Fristigkeit (in y)
R0,1 4,00% Zinssatz
RZ0,1 2,00% Risikozuschlag
R0,1adj
= R0,1 + RZ0,1 6,00% adjustierter Zinssatz
DF0,1adj
= (1+R0,1adj
)^(-T0,1) 0,9434 adjust. Diskontfaktor
NWZ1 = NW0 * (1+R0N) 106,00 Nennwert + Zinsen
NWZ1BW0 = NWZ1 * DF0,1adj 100,00
BW0 = NWZ1BW0 100,00
(D)A0 = NW0 - BW0 0,00 (Dis-)Agio
R0E = NW0 * (1+R0
N) / BW0 - 1 6,00% Effektivzinssatz
Zinszahlung
Erstbewertung
Nominale (Nennwert)
Nominalzinssatz
Grundlagen der Betriebswirtschaft 69
Variabel verzinste endfällige Kredite: Folgebewertung mit der reduzierten Kreditmarkt-
Barwertfunktion
Die Folgebewertung der variabel verzinsten endfälligen Kredite erfolgt nach dem gleichen
Muster wie die Erstbewertung. Mit der Bekanntwerdung, d.h. Enthüllung der Zinskurve im
Folgebewertungszeitpunkt t1 wird auch der 1-jährige Zinssatz bekannt. An diesen Zinssatz
wird der Nominalzins für die nächste Periode angepasst. Konkret ergibt sich im Zustand s1,1
des Folgebewertungszeitpunktes t1 der 1-jährige Zinssatz von 4,25 %. Durch Addition des Ri-
sikozuschlages von 2 % ergibt sich der neue adjustierte Zinssatz von 6,25 %. Dieser wird als
neuer Nominalzinssatz für die Berechnung der neuen Nennwertzins-Zahlung verwendet. Die
sich daraus ergebende Zahlung von 106,25 GE wird wiederum mit dem adjustierten Zinssatz
von 6,25 % abgezinst. Daraus resultiert ein Barwert im Folgebewertungszeitpunkt von 100 GE.
Der Barwert stimmt wieder mit dem Nennwert überein, sodass kein (Dis-)Agio anfällt und der
adjustierte Zinssatz sich wiederum mit dem Effektivzinssatz deckt.
Tabelle 26: Variabel verzinster endfälliger Kredit – zustandsabhängige Folgebewertung
Variabel verzinste endfällige Kredite: Gesamt-Erfolg und Gesamt-Rendite
Der Gesamterfolg und die Gesamtrendite werden in Tabelle 27 für den realisierten Pfad 1
retrospektive betrachtet. Mangels (Dis-)Agioauflösungen setzt sich der Gesamterfolg nur aus
den variablen Zinszahlungen zusammen, welche aufgrund der Par-Bewertung auch mit den
Gesamtrenditen korrespondieren.
Endfälliger Kredit (variabel verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N = R0
E 6,00%
R1N(s1,1) = R1
E(s1,1) 6,25%
AZB0 = BW0 100,00 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
K1 = NW0 * R0N 6,00
K2(s1,1) = NW1 * R1N 6,25
Ct(st,.) = Kt + TZt 6,00 106,25 künftiger Cash Flow
T1,2(s1,1) 1 kft. Fristigkeit (in y)
R1,2(s1,1) 4,25% kft. Zinssatz
RZ1,2(s1,1) 2,00% kft. Risikozuschlag
R1,2adj
(s1,1) = R1,2 + RZ1,2 6,25% kft.adj. Abzinsungssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
NWZ2(s1,1) = NW1 * (1+R1N) 106,25 Nennwert + Zinsen
NWZ2BW1(s1,1) = NWZ1 * DF0,1adj 100,00
BW1(s1,1) = NWZ2BW1 100,00
R1E(s1,1) = NW1 * (1+R1
N) / BW1 -1 6,25% Effektivzinssatz
Nominale (Nennwert)
Nominalzinssatz
Zinszahlung
Folgebewertung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 70
Tabelle 27: Variabel verzinster endfälliger Kredit – pfadabhängiger Erfolg und Rendite
Fest verzinste Finanzinstrumente: Erst- und Folgebewertung mit Buchungen
Nachfolgend werden die Abzahlungskredite exemplarisch gewählt, um die sich aus den jewei-
ligen Kategorisierungen ergebenden Unterschiede zu verdeutlichen. Dabei wird die jeweils
gleiche Ausgangssituation bei der Erstbewertung verwendet, sodass in allen Bewertungskate-
gorien die gleichen ursprünglichen Anschaffungskosten vorliegen.
Fest verzinste Abzahlungskredite: HTM-Kategorie
Wird der fest verzinste Abzahlungskreidt als Bis zur Endfälligkeit gehaltene Finanzinvestition
(Held to Maturity – kurz: HTM) kategorisiert, dann erfolgt die Folgebewertung zu fortgeführ-
ten Anschaffungskosten und die Wertänderungen werden im Zeitablauf GUV-wirksam ausge-
wiesen. In Tabelle 28 wird im Rahmen der Erstbewertung ein Barwert von 96,78 GE für den
fest verzinsten Abzahlungskredit durch Abzinsung des künftigen Zahlungsstroms mit den ad-
justierten Zinssätzen ermittelt. Bei diesem Betrag handelt es sich um den Auszahlungsbetrag,
welcher vom kreditgebenden an den kreditnehmenden Agenten ausbezahlt wird.
Endfälliger Kredit (variabel verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 100,00 0,00
R0N = R0
E 6,00%
R1N(s1,1) = R1
E(s1,1) 6,25%
AZB0 = BW0 100,00 Auszahlungsbetrag
TZ2 = NW0 100,00 Tilgungszahlung
K1 = NW0 * R0N 6,00
K2(s1,1) = NW1 * R1N 6,25
Ct(st,.) = Kt + TZt 6,00 106,25 künftiger Cash Flow
DF0,1adj
= (1+R0,1adj
)^(-T0,1) 0,9434 adjust. Diskontfaktor
NWZ1 = NW0 * (1+R0N) 106,00 Nennwert + Zinsen
NWZ1BW0 = NWZ1 * DF0,1adj 100,00
BW0 = NWZ1BW0 100,00
(D)A0 = NW0 - BW0 0,00 (Dis-)Agio
R0E = NW0 * (1+R0
N) / BW0 - 1 6,00% Effektivzinssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
NWZ2(s1,1) = NW1 * (1+R1N) 106,25 Nennwert + Zinsen
NWZ2BW1(s1,1) = NWZ1 * DF0,1adj 100,00
BW1(s1,1) = NWZ2BW1 100,00
R1E(s1,1) = NW1 * (1+R1
N) / BW1 -1 6,25% Effektivzinssatz
BWt( 1) 100,00 100,00 0,00 pfadweise Barwerte
BWtv( 1) = BWt + TZt 100,00 100,00 Barwert (vor TZt)
(D)AAt( 1) = BWtv - BWt-1 0,00 0,00 (Dis-)Agio-Auflösung
GEt( 1) = Kt + (D)AAt 6,00 6,25 Gesamt-Erfolg
Rt( 1) = GEt/BWt-1 6,00% 6,25% Gesamt-Rendite
Nominalzinssatz
Nominale (Nennwert)
Folgebewertung
Erstbewertung
Zinszahlung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 71
Tabelle 28: Fest verzinster Abzahlungskredit (fz.VW/HTM) – Buchungen im Zeitablauf
Im Zeitpunkt t = 0, welcher den ersten Eintrag in der vorletzten Spalte von Tabelle 28 darstellt,
fällt die erste Buchung für den kreditgebenden Agenten (z.B. Bank) an. Im Buchungssatz BS 8
ist zu sehen, dass es sich dabei um einen auszahlungswirksamen Aktivtausch in Form der Bu-
chungskategorie 1d der in Abbildung 14 abgebildeten IFRS-Buchungsmatrix handelt, wobei
der Zugang des finanziellen Vermögenswertes (fz.VW) im Soll und der Abfluss des Geldes aus
der Kassa im Haben gebucht wird.
Kassaan
VWfzd .)1(
BS 8: Verbuchung des ausgehenden Auszahlungsbetrages
Ad BS 8) Durch die Soll-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto Finanzieller Vermögens-
wert und die Haben-Buchung im aktiven Bestandskonto Kassa kommt es zu einem auszah-
lungswirksamen Aktivtausch der Buchungskategorie 1d.
Im Zeitpunkt t = 1 erfolgt die Folgebewertung mit der Effektivzins-Barwertmethode, woraus
sich der Barwert von 48,91 GE ergibt. Unmittelbar vor diesem Zeitpunkt wird eine Zinszah-
lung von 4 GE sowie eine Tilgungszahlung von 50 GE geleistet. Diese beiden Zahlungen füh-
ren zu zwei Buchungssätzen, welche in Tabelle 28 eingetragen sind. Bei der Zinszahlung han-
delt es sich um einen zahlungswirksamen Aufwand der Buchungskategorie 7a, wobei der Zah-
lungseingang in der Kassa im Soll und der Ertrag auf dem finanzerfolgswirksamen Konto Fi-
Abzahlungskredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt IFRS-Verbuchung t #
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 50,00 0,00
RtN 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = -BW0 -96,78 Auszahlungsbetrag fz.VW/Kassa 0 1d
TZ1 = NW0/2 50,00 Kassa/fz.VW 1 1b
TZ2 = NW0/2 50,00 Kassa/fz.VW 2 1b
K1 = NW0 * R0N 4,00 Zinszahlung Kassa/FE 1 7a
K2 = NW1 * R1N 2,00 Kassa/FE 2 7a
Ct = Kt + TZt 54,00 52,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 50,94 45,84
BW0 = CtBW0 96,78
(D)A0 = NW0 - BW0 3,22 Disagio
R0E 6,33% Effektivzinssatz
C2BW1(s1,1) = C2 / (1+R0E) 48,91
BW1E(s1,1) = C2BW1 48,91
BUWt( 1) = AKt = BWtE 96,78 48,91 0,00 pfadweise Barwerte Bilanz: fz.VW
BUWtv( 2) = BUWt + TZt 98,91 50,00 Barwerte (vor TZt)
(D)AA1(s1,1) = BUW1v - BUW0 2,12 fz.VW/FE 1 7b
(D)AA2(s2,1) = BUW2v -BUW1 1,09 fz.VW/FE 2 7b
FEt( 1) = Kt + (D)AAt 6,12 3,09 Finanz-Erfolg GUV: FE
Rt( 1) = FEt/BWt-1 6,33% 6,33% FE-Rendite
Tilgungszahlung
Erstbewertung
Nominale (Nennwert)
Folgebewertung
(Effektivzins-BW)
(Dis-)Agio-Auflösung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 72
nanzerfolg25
FE im Haben gebucht wird. Bei der Tilgungszahlung handelt es sich um einen
einzahlungswirksamen Aktivtausch der Buchungskategorie 1b, wobei der Zahlungseingang in
der Kassa im Soll und die Tilgung des finanziellen Vermögenswertes im Haben gebucht wird.
Schließlich gilt es noch die Disagio-Auflösung in der Höhe von 2,12 GE der ersten Periode
buchungstechnisch zu erfassen. Die Disagio-Auflösung stellt einen nichtzahlungswirksamen
Ertrag der Buchungskategorie 7a dar, wobei die Werterhöhung des finanziellen Vermögens-
wertes im Soll und der nicht zahlungswirksame Ertrag im Haben gebucht wird.
FEan
Kassaa)7(
BS 9: Verbuchung der eingehenden Zinszahlung
Ad BS 9) Durch die zahlungswirksame Soll-Buchung auf dem aktiven Bestandkonto Kassa
und die ertragserhöhende Haben-Buchung auf dem FE-Konto handelt es sich um einen einzah-
lungswirksamen Ertrag der Buchungskategorie 7a.
VWfzan
Kassab
.
)1(
BS 10: Verbuchung der eingehenden Tilgungszahlung
Ad BS 10) Durch die Soll-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto Kassa und die Haben-
Buchung auf dem aktiven Bestandskonte Finanzieller Vermögenswert kommt es zu einem ein-
zahlungswirksamen Aktivtausch 1b.
FEan
VWfzb .)7(
BS 11: Verbuchung der Disagio-Auflösung
Ad BS 11) Durch die Soll-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto Finanzieller Vermögens-
wert und die ertragserhöhende Haben-Buchung auf dem FE-Konto handelt es sich um einen
nicht zahlungswirksamen Ertrag der Buchungskategorie 7b.
Im Zeitpunkt t = 2 wird eine Zinszahlung von 2 GE sowie eine Tilgungszahlung von 50 GE
geleistet, wodurch der ursprüngliche Nennwert von 100 GE zur Gänze getilgt wird. Mangels
über den Zeitpunkt t = 2 hinaus gehender Zahlungen ist der Barwert nach Tilgungszahlung
gleich Null. Die beiden Zahlungseingänge werden analog zum Zeitpunkt t = 1 gebucht. Analog
25
Das finanzerfolgswirksame Konto FE (FE-Konto) wird verwendet, um die Darstellung möglichst einfach zu
halten. Bei diesem Konto handelt es sich um ein abstraktes Konto, welches alle im Finanzerfolg ausgewiesenen
Konten (z.B. Zinsaufwand und Zinsertrag) als konkrete Konten beinhalten.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 73
wird schließlich auch die Disagio-Auflösung im Zeitpunkt t = 2 gebucht. Der Betrag der Dis-
agio-Auflösung fällt über die zweite Perioden aufgrund der in der ersten Periode geleisteten
Tilgungszahlung im Vergleich zur ersten Periode geringer aus. Durch die Verwendung der
Effektivzinsmethode erfolgen die Folgebewertungen immer mit dem Effektivzins, sodass sich
eine deterministische und somit von der stochastischen Zinskurvenentwicklung unbabhängige
Disagio-Auflösung ergibt. In Tabelle 28 ist zu sehen, dass die Disagio-Auflösungen und die
Zinszahlungen zu periodischen Finanzerfolgen führen, welche eine im Zeitablauf konstante
Rendite für den Finanzerfolg (FE-Rendite) von 6,33 %, was sich genau mit dem Effektivzins-
satz deckt, ergibt.
Nunmehr wird der fest verzinste Abzahlungskredit aus der Perspektive des kreditnehmenden
Agenten betrachtet, wobei es sich um eine Kreditaufnahme handelt. Diesem fließt zum Zeit-
punkt der Kreditaufnahme der Auszahlungsbetrag zu. Im Gegenzug entsteht eine finanzielle
Verbindlichkeit. Zu den künftigen Zahlungszeitpunkten werden Zins- und Tilgungszahlungen
geleistet, bis der ursprünglich aufgenommene Nennwert zur Gänze zurück bezahlt ist. In Tabel-
le 29 ist zu sehen, dass sich im Unterschied zur in Tabelle 28 dargestellten Perspektive des
kreditgebenden Agenten einige Vorzeichen verändert haben. Der negativ dargstellte Nennwert
von -100,00 GE gibt Aufschluss, dass eine finanzielle Verbindlichkeit zugrunde liegt. Zur Til-
gung des Nennwertes sind die mit einem negativen Vorzeichen dargestellten Tilgungszahlun-
gen erforderlich. Bei den Zinszahlungen handelt es sich ebenfalls um Auszahlungen, sodass
auch diese ein negatives Vorzeichen haben. Die negativen Zahlungen finden dann auch im
künftigen Zahlungsstrom (Cash Flow) sowie den diesbezüglichen Barwerten und den sich aus
diesen berechneten Werten ihren Niederschlag.
Tabelle 29: Fest verzinster Abzahlungskredit (fz.Vb/HTM) – Buchungen im Zeitablauf
Abzahlungskredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt IFRS-Verbuchung t #
NW0 -100,00
NWt = NWt-1 - TZt -50,00 0,00
RtN 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = -BW0 96,78 Auszahlungsbetrag Kassa/fz.Vb 0 2a
TZ1 = NW0/2 -50,00 fz.Vb/Kassa 1 4a
TZ2 = NW0/2 -50,00 fz.Vb/Kassa 2 4a
K1 = NW0 * R0N -4,00 Zinszahlung FE/Kassa 1 5a
K2 = NW1 * R1N -2,00 FE/Kassa 2 5a
Ct = Kt + TZt -54,00 -52,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj -50,94 -45,84
BW0 = CtBW0 -96,78
(D)A0 = abs(NW0) - abs(BW0) 3,22 Disagio
R0E 6,33% Effektivzinssatz
C2BW1(s1,1) = C2 / (1+R0E) -48,91
BW1E(s1,1) = C2BW1 -48,91
BUWt( 1) = AKt = BWtE -96,78 -48,91 0,00 pfadweise Barwerte Bilanz: fz.Vb
BUWtv( 1) = BUWt + TZt -98,91 -50,00 Barwerte (vor TZt)
(D)AA1(s1,1) = BUW1v - BUW0 -2,12 FE/fz.Vb 1 6a
(D)AA2(s2,1) = BUW2v -BUW1 -1,09 FE/fz.Vb 2 6a
FEt( 1) = Kt + (D)AAt -6,12 -3,09 Finanz-Erfolg GUV: FE
Rt( 1) = FEt/BWt-1 6,33% 6,33% FE-Rendite
Tilgungszahlung
Nominale (Nennwert)
Folgebewertung
(Effektivzins-BW)
Erstbewertung
(Dis-)Agio-Auflösung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 74
Hinter den veränderten Vorzeichen stehen auch entsprechend neue Verbuchungen. Im Zeit-
punkt t = 0 stellt der vom kreditnehmenden Agenten vereinnahmte Auszahlungsbetrag einen
Liquiditätszufluss dar, welcher den Kassabestand durch eine Soll-Buchung erhöht. Die dadurch
entstehende Schuld wird durch eine Haben-Buchung als finanzielle Verbindlichkeit (fz.Vb)
dargestellt.
Vbfzan
Kassaa
.
)2(
BS 12: Verbuchung des eingehenden Auszahlungsbetrages
Ad BS 12) Durch die Soll-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto Kassa und der Haben-
Buchung auf dem passiven Bestandskonto Finanzielle Verbindlichkeit handelt es sich dabei um
einen einzahlungswirksamen Aktivtausch der Buchungskategorie 2a.
Die in den Zeitpunkten t =1 und t = 2 geleisteten Zinszahlungen reduzieren jeweils den Kassa-
bestand, was als Haben-Buchung erfasst wird. Der den Auszahlungen entgegen stehende Auf-
wand wird durch eine Soll-Buchung auf dem FE-Konto erfasst.
Kassaan
FEa)5(
BS 13: Verbuchung der ausgehenden Zinszahlung
Ad BS 13) Aufgrund der Soll-Buchung auf dem FE-Aufwandskonto und der Haben-Buchung
auf dem Kassakonto handelt es sich hierbei um einen zahlungswirksamen Aufwand der Bu-
chungskategorie 7a.
Die Tilgungszahlungen, welche in den Zeitpunkten t = 1 und t = 2 geleisteten werden, führen
zu einem Abgang aus dem Kassabestand, was zu einer Haben-Buchung auf dem Kassakonto
führt. Durch die Tilgung reduziert sich die Höhe der Schuld, was zu einer Soll-Buchung auf
dem Konto Finanzielle Verbindlichkeit führt.
Kassaan
Vbfza .)4(
BS 14: Verbuchung der ausgehenden Tilgungszahlung
Ad BS 14) Die Soll-Buchung auf dem passiven Bestandskonto Finanzielle Verbindlichkeit und
die Haben-Buchung dem aktiven Bestandskonto Kassa entspricht einer zahlungswirksamen
Bilanzverkürzung der Buchungskategorie 4a.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 75
Schließlich wird noch die Disagioauflösung in den beiden Zeitpunkten t =1 und t = 2 erfasst.
Durch die Disagio-Auflösung steigt der Wert der Schuld im Zeitablauf an. Die Erhöhung des
Wertes der finanziellen Verbindlichkeit wird durch eine Haben-Buchung erfasst. Die entgegen
stehende Soll-Buchung erfolgt auf dem FE-Aufwandskonto.
Vbfzan
FEa
.
)6(
BS 15: Verbuchung der Disagio-Auflösung
Ad BS 15) Durch die Soll-Buchung auf dem Aufwandskonte FE und die Haben-Buchung auf
dem passiven Bestandskonto handelt es sich hierbei um einen nicht-zahlungswirksamen schul-
denerhöhenden Aufwand der Buchungskategorie 6a.
Fest verzinste Abzahlungskredite: AFV-Kategorie
Nunmehr wird der gleiche fest verzinste Abzahlungskredit wie in den vorangegangenen Aus-
führungen betrachtet. Der einzige Unterschied liegt in der Kategorisierung des fixierten Fi-
nanzinstruments, welches nunmehr Zum beizulegenden Zeitwert durch die Gewinn- und Ver-
lustrechnung (At Fair Value – kurz: AFV) erfolgt. Anstelle der Folgebewertung in Form der
sich nach der Effektivzinsmethode ergebenden fortgeführten Anschaffungskosten erfolgt bei
den AFV-Finanzinstrumenten die Folgebewertung anhand einer Neubewertung des jeweils
noch künftigen Zahlungsstroms. Dadurch entwickeln sich die in den Folgebewertungen erge-
benden Werte nicht mehr auf eine determinsistische Weise. Vielmehr sind die sich im Zeitab-
lauf ergebende Werte stochastischer Natur. Die konkrete Entwicklung der Werte hängt von der
sich im Zeitablauf konkret ergebenden Entwicklung der Zinskurve ab. Die sich im Zeitablauf
ergebenden Wertänderungen werden bei den AFV-Finanzinstrumenten finanzerfolgswirksam
in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 76
Tabelle 30: Fest verzinster Abzahlungskredit (fz.VW/AFV) – Buchungen im Zeitablauf
In Tabelle 30 wird der als AFV-Finanzinstrument kategorisierte fest verzinste Abzahlungskre-
dit aus der Sicht der kreditgebenden Agenten betrachtet. Dabei fallen die gleichen Buchungen
an wie beim in Tabelle 28 dargestellten HTM-Abzahlungskredit. Der einzige Unterschied liegt
in der Folgebewertung, welche nunmehr im Zeitpunkt t = 1 einen vom dann eingetretenen Zu-
stand s1,1 abhängigen Wert von 48,94 GE liefert. In der Folge werden auch die Disagio-
Auflösung der beiden Perioden der Höhe nach verändert. Dies verändert wiederum die periodi-
schen Finanzerfolge, sodass die periodischen FE-Renditen nicht mehr gleich dem ursprüngli-
chen Effektizinssatz von 6,33 % sind.
In Tabelle 31 wird der AFV-Abzahlungskredit aus der Perspektive des kreditnehmenden Agen-
ten betrachtet. Die Buchungen decken sich mit dem in Tabelle 29 abgebilden HTM-
Abzahlungskredit. Der einzige Unterschied liegt in der unterschiedlichen Folgebewertung,
welche nunmehr nicht mehr über die Effektivzinsmethode, sondern über die Neubewertungs-
methode erfolgt. Als letztendliche Auswirkung zeigt sich wiederum eine Zustandsabhängigkeit
der periodischen Finanzerfolge, welche prozentuell betrachtet vom Effektivzinssatz abweichen.
Abzahlungskredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt IFRS-Verbuchung t #
NW0 100,00
NWt = NW t-1 - TZt 50,00 0,00
RtN 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = -BW0 -96,78 Auszahlungsbetrag fz.VW/Kassa 0 1d
TZ1 = NW0/2 50,00 Kassa/fz.VW 1 1b
TZ2 = NW0/2 50,00 Kassa/fz.VW 2 1b
K1 = NW0 * R0N 4,00 Zinszahlung Kassa/FE 1 7a
K2 = NW1 * R1N 2,00 Kassa/FE 2 7a
Ct = Kt + TZt 54,00 52,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 50,94 45,84
BW0 = CtBW0 96,78
(D)A0 = NW0 - BW0 3,22 Disagio
R0E 6,33% Effektivzinssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2adj 48,94
BW1(s1,1) = C2BW1 48,94
BUW t( 1) = BW t 96,78 48,94 0,00 pfadweise Barwerte Bilanz: fz.VW
BUW tv( 1) = BUW t + TZt 98,94 50,00 Barwerte (vor TZt)
(D)AA1(s1,1) = BUW1v - BUW0 2,16 fz.VW/FE 1 7b
(D)AA2(s2,1) = BUW2v -BUW1 1,06 fz.VW/FE 2 7b
FEt( 1) = Kt + (D)AAt 6,16 3,06 Finanz-Erfolg GUV: FE
Rt( 1) = FEt/BW t-1 6,36% 6,25% FE-Rendite
(Dis-)Agio-Auflösung
Folgebewertung
Nominale (Nennwert)
Erstbewertung
Tilgungszahlung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 77
Tabelle 31: Fest verzinster Abzahlungskredit (fz.Vb/AFV) – Buchungen im Zeitablauf
Fest verzinste Abzahlungskredite: AFS-Kategorie
IFRS-Compliance: Besonderheiten von AFS-Finanzinstrumenten
Zur Veräußerung verfügbare finanzielle Vermögenswerte (AFS: Available For Sale) werden
zum Fair Value bewertet,
die periodischen Wertänderungen werden direkt im Eigenkapital als Neubewertungs-
rücklage (NBRL) erfasst und
bei Veräußerung wird die NBRL erfolgswirksam aufgelöst.
Abschließend wird der fest verzinste Abzahlungskredit als Zur Veräußerung verfügbare finan-
zielle Vermögenswert (Available For Sale – kurz: AFS) kategorisiert. In Tabelle 32 wird dieses
AFS-Finanzinstrument aus der Perspektive des kreditgebenden Agenten betrachtet. Bis auf die
(Dis-)Agioauflösung ergeben sich die gleichen Buchungen wie bei der HTM- bzw. der AFV-
Bewertungskategorie. Die (Dis-)Agioauflösung erfolgt nunmehr durch Bildung einer Neuwer-
tungsrücklage. Dabei wird die wertmäßige Erhöhung des finanziellen Vermögenswertes durch
eine Soll-Buchung erfasst. Die Haben-Buchung erfolgt nicht auf dem FE-Konto, sondern direkt
Abzahlungskredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt IFRS-Verbuchung t #
NW0 -100,00
NW t = NW t-1 - TZt -50,00 0,00
RtN 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = -BW0 96,78 Auszahlungsbetrag Kassa/fz.Vb 0 2a
TZ1 = NW0/2 -50,00 fz.Vb/Kassa 1 4a
TZ2 = NW0/2 -50,00 fz.Vb/Kassa 2 4a
K1 = NW0 * R0N -4,00 Zinszahlung FE/Kassa 1 5a
K2 = NW1 * R1N -2,00 FE/Kassa 2 5a
Ct = Kt + TZt -54,00 -52,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj -50,94 -45,84
BW0 = CtBW0 -96,78
(D)A0 = abs(NW0) - abs(BW0) 3,22 Disagio
R0E 6,33% Effektivzinssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2adj -48,94
BW1(s1,1) = C2BW1 -48,94
BUWt( 1) = BW t -96,78 -48,94 0,00 pfadweise Barwerte Bilanz: fz.Vb
BUWtv( 1) = BUW t + TZt -98,94 -50,00 Barwerte (vor TZt)
(D)AA1(s1,1) = BUW1v - BUW0 -2,16 FE/fz.Vb 1 6a
(D)AA2(s2,1) = BUW2v -BUW1 -1,06 FE/fz.Vb 2 6a
FEt( 1) = Kt + (D)AAt -6,16 -3,06 Finanz-Erfolg GUV: FE
Rt( 1) = FEt/BW t-1 6,36% 6,25% FE-Rendite
Folgebewertung
Nominale (Nennwert)
Erstbewertung
Tilgungszahlung
(Dis-)Agio-Auflösung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 78
im Eigenkapital, u.z. auf dem Konto Neubewertungsrücklage NBRL. Im Zeitpunkt26
t = 2 wird
die passivisch gebildete Rücklage durch eine Soll-Buchung finanzerfolgswirksam aufgelöst.
Die entsprechende Haben-Buchung erfolgt auf dem FE-Konto, womit die gesamte27
im Zeitab-
lauf gebildete NBRL im Finanzerfolg der zweiten Periode aufscheint. Im Finanzerfolg der ers-
ten Periode scheint nur die im Zeitpunkt t = 1 geleisteten Zinszahlung von 4 GE auf.
Tabelle 32: Fest verzinster Abzahlungskredit (fz.VW/AFS) – Buchungen im Zeitablauf
Die bei den AFS-Finanzinstrumenten neu hinzu gekommenen Buchungssätze haben folgende
Bedeutung in der IFRS-Ontologie.
NBRLan
VWfze .)7(
BS 16: Verbuchung der (passivischen) NBRL-Bildung
Ad BS 16) Durch die Soll-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto Finanzieller Vermögens-
wert und die Haben-Buchung auf dem Eigenkapitalkonto NBRL handelt es sich um eine nicht-
zahlungswirksamen direkte Eigenkapitalerhöhung der Buchungskategorie 7e.
26
Die Auflösung erfolgt zu diesem Zeitpunkt mangels vorheriger Veräußerung des AFS-Finanzinstruments im
Beispiel. Wäre das Instrument vorher veräußert worden, dann wäre die NBRL zum Veraußerungszeitpunkt aufzu-
lösen gewesen. 27
Mangels vorzeitiger Auflösung deckt sich im Beispiel die gesamte NBRL mit dem ursprünglichen Disagio.
Abzahlungskredit (fest verzinst) t0 t1 t2 Zeitpunkt IFRS-Verbuchung t #
NW0 100,00
NWt = NWt-1 - TZt 50,00 0,00
RtN 4,00% 4,00% Nominalzinssatz
AZB0 = -BW0 -96,78 Auszahlungsbetrag fz.VW/Kassa 0 1d
TZ1 = NW0/2 50,00 Kassa/fz.VW 1 1b
TZ2 = NW0/2 50,00 Kassa/fz.VW 2 1b
K1 = NW0 * R0N 4,00 Zinszahlung Kassa/FE 1 7a
K2 = NW1 * R1N 2,00 Kassa/FE 2 7a
Ct = Kt + TZt 54,00 52,00 künftiger Cash Flow
DF0,tadj
= (1+R0,tadj
)^(-T0,t) 0,9434 0,8815 adjust. Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,tadj 50,94 45,84
BW0 = CtBW0 96,78
(D)A0 = NW0 - BW0 3,22 Disagio
R0E 6,33% Effektivzinssatz
DF1,2adj
(s1,1) = (1+R1,2adj
)^(-T1,2) 0,9412 kft. adj. Diskontfaktor
C2BW1(s1,1) = C2 * DF1,2adj 48,94
BW1(s1,1) = C2BW1 48,94
BUWt( 1) = BWt 96,78 48,94 0,00 pfadweise Barwerte Bilanz: fz.VW
BUWtv( 1) = BUWt + TZt 98,94 50,00 Barwerte (vor TZt)
(D)AA1(s1,1) = BUW1v - BUW0 2,16 fz.VW/NBRL 1 7e
(D)AA2(s2,1) = BUW2v -BUW1 1,06 fz.VW/NBRL 2 7e
FEt( 1) = Kt 4,00 2,00 GUV: FE
FE2( 1) = NBRL2 3,22 NBRL/FE 2 9c
Rt( 1) = FEt/BWt-1 4,13% 10,66% FE-Rendite
Nominale (Nennwert)
Tilgungszahlung
Erstbewertung
Folgebewertung
(Dis-)Agio-Auflösung
Finanz-Erfolg
Grundlagen der Betriebswirtschaft 79
FEan
NBRLc)9(
BS 17: Verbuchung der (passivischen) NBRL-Auflösung
Ad BS 17) Aufgrund der Soll-Buchung auf dem NBRL-Konto des Eigenkapitals und der Ha-
ben-Buchung auf dem FE-Konto handelt es sich um einen ertragswirksamen Passivtausch der
Buchungskategorie 9c.
In dem in Tabelle 32 gewählten Beispiel entstand aufgrund des ursprünglichen Disagio von
3,22 GE und der im Zeitablauf unterstellten Zinskurvenentwicklung eine passivische NBRL.
Liegt hingegen ein ursprüngliches Agio vor, wobei der ursprüngliche Barwert den ursprüngli-
chen Nennwert übersteigt, und wird das AFS-Finanzinstrument bis zur Fälligkeit nicht veräu-
ßert, dann bildet sich im Zeitablauf eine aktivische NBRL. Die aktivische NBRL entsteht durch
eine Soll-Buchung auf dem NBRL-Konto. Die korrespondierende Haben-Buchung bildet die
Reduktion des finanziellen Vermögenswertes ab. Die Bildung einer aktivischen NBRL ist eine
nicht-zahlungswirksame direkte Eigenkapitalreduktion der Buchungskategorie 5e. Die aktiv-
ische NBRL wird durch eine Haben-Buchung auf dem NBRL-Konto aufgelöst. Die dazugehö-
rige Soll-Buchung erfolgt im FE-Konto, sodass der gesamte Betrag der NBRL in der Periode
der Auflösung in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen wird. Bei dieser Buchung
handelt es sich um einen aufwandswirksamen Passivtausch der Buchungskategorie 9b.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 80
Kostentheorie: Bewertung von Sach- und Dienstleistungen
Im Mittelpunkt der betrieblichen Produktions- und Kostentheorie steht das (prozessorientierte)
Input-Output-Modell, welches folglich den Kern der produktionswirtschaftlichen (PROWI-)-
Perspektive28
darstellt. Im Input-Output-Modell wird der Input in Form der als Produktionsfak-
toren bezeichneten realwirtschaftlichen Ressourcen Material (MAT), Personal (PERS) und
Technologie (TECH) gesehen, welcher im Rahmen der Leistungserstellung in die entsprechen-
den Ausbringung (Output) transformiert wird. Die hinter der Leistungserstellung stehende Res-
sourcen-Transformation wird als Funktion im mathematischen Sinne modelliert. Folglich zählt
das Input-Output-Modell zur funktionalistischen Produktionstheorie29
, welche auf Leontief30
[Leon51] zurückgeht. Diese Produktionstheorie konzentriert sich bei Beschreibung, Erklärung
und Gestaltung der Relationen der zwischen den Faktoreinsatz- und Ausbringungsmengen auf
Produktionsfunktionen [Matt96, Sp. 1569 ff. bzw. Cors00, S. 57].
Die betrieblichen Aspekte werden im prozessorientierten Input-Output-Modell berücksichtigt,
welches auf Heinen [Hein81, S. 368] zurück geht: Der industrielle Produktionsprozeß ist durch
Mehrstufigkeit charakterisiert. In mehrstufigen Kombinationsprozessen durchläuft ein Produkt
eine Abfolge von Teilprozessen bzw. Fertigungsstufen, bis es zum Endprodukt gereift ist. Für
die Durchdringung aller produktionswirtschaftlichen Problembereiche und Zusammenhänge
(Mengenzusammenhänge, Strukturzusammenhänge, Zeitzusammenhänge, Informationszusam-
menhänge) muß bei der Modellbildung daher ein anderer Weg als beim allgemeinen Input-
Output-Modell beschritten werden. Die Modellbetrachtung muß von den Teilprozessen des
Produktionsprozesses und der strukturellen Verknüpfung der Teilprozesse ausgehen. Diesen
Weg beschreitet die neuere Produktionstheorie (Heinen, Kloock, Küpper). Das Produktions-
modell von Heinen (Produktionsfunktion vom Typ C) basiert auf der Prozeßbetrachtung. Im
folgenden soll dieses Input-Output-Modell näher beschrieben werden, da es den weiteren Aus-
führungen zur industriellen Produktionswirtschaft zugrunde gelegt wird.
28
Das auf dem (prozessorientierten) Input-Output-Modell aufbauende Vokabular und die damit verbunde Logik
bildet die PROWI-Ontologie. 29
Die funktionalistische Produktionstheorie kann als Spezialfall der auf Koopmans [Koop51] zurückgehenden
aktivitätsanalytischen Produktionstheorie verstanden werden, wobei ausgehend von den formalen Eigenschaften
einer Technologie die Eigenschaften von Produktionsfunktionen und Entscheidungsempfehlungen hergeleitet
werden [Cors00, S. 57]. Tjalling Koopmans erhielt gemeinsam mit Leonid Witaljewitsch Kantorowitsch für seine
Arbeiten im Jahre 1975 den Wirtschaftsnobelpreis. 30
Wassily Leontief gilt als Vater der Input-Output-Analyse und er erhielt für seine diesbezüglichen Arbeiten im
Jahre 1973 den Wirtschaftsnobelpreis.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 81
Leontief-Produktionsfunktion: Linear-limitationales I/O-Modell
Die für die Produktion benötigten Einsatzgüter werden als „Produktionsfaktoren“ („Input-
Güter“), die erzeugten Einsatzgüter als „Produktionsleistung“ („Output-Güter“) und der Pro-
duktionsvorgang selbst als „Transformations- oder Produktionsprozeß“ bezeichnet. ... Die
Produktionstheorie unterscheidet im allgemeinen zwei Kategorien von Produktionsfaktoren:
Repetierfaktoren (z.B. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) gehen materiell in das Produkt ein und
müssen in relativ kurzen Abständen neu beschafft werden. Sie sind weitgehend teilbar. Poten-
zialfaktoren (z.B. Fabriksgebäude, Produktionsanlagen) sind dagegen nicht beliebig teilbar.
Potenzialfaktoren stehen dem Industriebetrieb über lange Zeiträume zur Verfügung, d.h. sie
verkörpern ein Nutzungspotenzial, das nicht durch einmalige Inanspruchnahme, sondern erst
durch wiederholten Einsatz „verzehrt“ wird. [Heine81, S. 365 f].
PROWI-Perspektive: Unterscheidung der Ressourcen – Repetier- vs. Potenzialfaktor
Die Unterscheidung der Produktionsfaktoren, wobei es sich um die im Input/Output-Modell als
Input-Güter eingesetzten, realwirtschaftlichen Ressourcen handelt, in Repetier- und Potenzial-
faktoren ist in Abbildung 30 ersichtlich. Bei den Repetierfaktoren handelt es sich um die Mate-
rial-Ressourcen (MAT-Ressourcen), welche zumeist in Mengeneinheiten (ME) gemessen wer-
den. Bei den Potenzialfaktoren werden weiter unterteilt, u.z. in die Personal-Ressourcen
(PERS-Ressourcen) und die Technologie-Ressourcen (TECH-Ressourcen). Sowohl PERS- als
auch TECH-Ressourcen werden üblicherweise in Zeiteinheiten (ZE) gemessen.
Abbildung 30: Produktionsfaktoren und deren Maßgrößen
Produktionsfaktoren
Gebrauch von
Potentialfaktoren
Verbrauch von
Repetierfaktoren
Material-Einsatz Personal-Einsatz Technologie-Einsatz
Werkstoffe in Form von
Roh- und HilfsstoffenArbeitsleistung
Betriebsmittel in Form von
Anlagen und deren Betriebsstoffe,
Know How, ...
MengenMaschinen-Stunden
und MengenPersonen-Stunden
Grundlagen der Betriebswirtschaft 82
Bei der in Abbildung 30 dargestellten Klassifikation der Produktionsfaktoren handelt es sich
aus informationstechnischer (IT-)Sicht um das Abstraktionskonzept der Klassifikation
(Kategoriesierung31
), wobei jeweils Objekte mit gemeinsamen Merkmalen zusammen gefasst
werden. Mit dieser Kategorisierung werden die Objekte auf der höchsten Aggregationsebene
zusammen gefasst. Betrachtet man beispielsweise die MAT-Ressource32
auf einer um eine Stu-
fe niedrigeren Aggregationsstufe, dann gliedert sie sich in die drei MAT-Kategorien Rohstoffe
(Werkstoffe), Hilfsstoffe und Betriebsstoffe. In Abbildung 31 ist diese Aggregation der MAT-
Ressource als multivariate, einstufige Aggregation mit Hilfe der Unified Modeling Langugage
[UML07], wobei es sich um eine weltweit standardisierte Symbolsprache handelt, abgebildet.
Diese Darstellung macht klar, dass das auf oberer Ebene entstehende Aggregat ein als Arte-
fakt33
bezeichnetes komplexes Konstrukt ist, sodass zum konzeptionellen Verständnis eine
abstraktifizierte Perspektive34
unumgänglich ist. Bei den in Guillments, d.h. in doppelt spitzen
Klammern gesetzten Ausdrücken handelt es sich um sogenannte Stereotype. Sie geben den
einzelnen UML-Elementen ihre konkrete Bedeutung, was die Darstellung in der Regel allge-
mein verständlicher35
macht.
Abbildung 31: Kategorisierung der MAT-Ressource
31
In dieser Arbeit wird synonym zum Begriff der Klassifikation der Begriff der Kategorie verwendet. Der Kate-
gorie-Begriff hat den Vorteil, dass dadurch eine Verwechslung mit dem programmiertechnischen Begriff der
Klasse, welche der objektorientierten Programmierung zugrunde liegt und z.B. in Klassendiagrammen verwendet
wird, vermieden wird. Diese Vermischung von informationstechnischer Kategorie und programmiertechnischer
Klasse liegt die ECSI-Standard [ECSI08] zugrunde, was sie nicht leicht verständlich macht. Aus diesem Grunde
wird in dieser Arbeit zwischen beiden Begriffen sauber getrennt, was dem Verständnis förderlich sein sollte. 32
Für die MAT- sowie die PERS- und TECH-Ressourcen werden im ECSI-Standard [ECSI08] jeweils eigene
Ressourcen-Modelle spezifiziert. Die im Zusammenhang mit den Ressourcen stehenden Daten erfahren demnach
eine weltweite Standardisierung. 33
Dieses Artefakt liegt beispielsweise der finanzbuchhalterischen (FIBU-)Logik im Bereich der Materialkosten
zugrunde. Die in der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren ausgewiesenen Material-
kosten basieren nämlich auf den in der Abrechnungsperiode verbrauchten Mengen an Roh-, Hilfs- und Betriebs-
stoffen. 34
In der abstraktifizierten Perspektive werden die verschiedenen Kategorien nicht mehr isoliert, sondern gemein-
sam betrachtet. Dabei geht es also nicht mehr um ein entweder – oder, sondern um ein sowohl als auch. 35
Das durch die Stereotypen geschaffene Verständnis stellt die Semantik dar. Die UML-Sprache inkludiert somit
nicht nur das Vokabular in Form von Symbolen und die Grammatik (Syntax), sondern darüber hinaus auch noch
die Bedeutung der einzelnen Elemente im jeweils relevanten Kontext.
<<MAT-Kategorie>>
Hilfsstoff
<<Ressource>>
MAT
<<MAT-Kategorie>>
Betriebsstoff
<<MAT-Kategorie>>
Rohstoff
Grundlagen der Betriebswirtschaft 83
PROWI-Perspektive: Modellierung der REAL-Ressourcen-Transformation mit betrieb-
lichen Produktionsfunktionen
Die betriebliche Produktionstheorie ist eine Produktionstheorie, welche explizit auf den kom-
plexen Betriebsbereich Bezug nimmt. Die Formulierung derartig betriebsbezogener Theorien,
womit eine Entkoppelung der Betriebs- von der Volkswirtschaftslehre einher geht, gehen auf
Gutenberg [Gute51] zurück. Die Verbrauchsmengen sind nicht unmittelbar, sondern mittelbar
von der Ausbringung abhängig, und zwar über die ‚zwischengeschalteten‘ Produktionsstätten
(Betriebsmittel, Arbeitsplätze, Anlagenteile). In ihnen werden die Beziehungen zwischen Pro-
duktmengen und Verbrauchsmengen wie in einem Prisma gebrochen. Es sind die technischen
Eigenschaften der Aggregate und Arbeitsplätze, die den Verbrauch an Faktoreinsatzmengen
bestimmen. Und zwar in durchaus gesetzmäßiger und keineswegs willkürlicher Weise. [Gu-
te83, S. 220 nach Habe04, S. 117]. In der betrieblichen Produktionstheorie werden die als Fer-
tigungsanlagen36
bezeichneten ‚zwischengeschalteten‘ Produktionsstätten und die auf ihnen
ausgeführten Fertigungsprozessse modellhaft betrachtet: Jeder Fertigungsprozess lässt sich
konzeptionell im Lichte des prozessorientierten Input/Output-Modells als eine Transformation
des Inputs in Form von Repetier- und Potenzialfaktoren in einen entsprechenden Output be-
greifen. In UML2 wird ein solcher Fertigungsprozess wie in Abbildung 32 modellhaft abgebil-
det. Der Fertigungsprozess wird dabei mit Hilfe eines abgerundeten Rechtecks als UML-
Aktivität modelliert. Dieses besitzt zwei kreishafte Begrenzungen, wobei es sich beim linken
ausgefüllten Kreis um den Startknoten und beim rechten umrahmten Kreis um den Endknoten
handelt. Der Prozess hat somit einen eindeutig definierten Anfang zum Zeitpunkt t0 sowie ein
eindeutig definiertes Ende zum Zeitpunkt t1. Die Differenz zwischen den beiden Zeitpunkten
ist die Prozessdauer. Die Pfeile, welche die verschiedenen UML-Elemente verbinden, zeigen
den zeitlichen Ablauf des Prozesses an.
Die Input- und Output-Größen des Prozesses werden über Rechtecke als UML-Objekte model-
liert. Im KLR-Kontext handelt es sich beim Prozess-Output um die Leistung und beim MAT-
sowie PERS- und TECH-Einsatz um den Input in Form von Repetier- sowie Potenzialfaktoren.
36
Bei den Fertigungsanlagen handelt es sich um Kombinationen der PERS- und TECH-Potenzialfaktoren. Ist der
TECH-Anteil hoch, dann wird die Kombination als anlagenintensiv bezeichnet. Ist der TECH-Anteil gleich null,
dann handelt es sich um eine reine Dienstleistung.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 84
Abbildung 32: (Fertigungs-)Prozess als UML-Aktivitätsdiagramm
Fertigungsprozesse – v.a. im industriellen Bereich – weisen eine Besonderheit auf, welche in
der UML-Darstellung in Abbildung 32 allerdings noch nicht erkenntlich ist: Der durch die
Raute dargestellte Verknüfungsknoten lässt nämlich alle möglichen Kombinationen an Repe-
tier- und Potenzialfaktoren zu. Aus ökonomisch-rationalen Überlegungen gilt es die zwischen
diesen Faktoren herrschende Limitationalitäten37
zu berücksichtigen. So stehen die Einsätze
der verschiedenen Produktionsfaktoren in klar definierten Verhältnissen zueinander. Wird nur
ein Faktoreinsatz partiell, d.h. ceteris paribus verändert, dann kommt das einer Verschwendung
dieser Ressource gleich. Eine Mehrleistung lässt sich nur dann erzielen, wenn alle Faktoren in
den jeweiligen Verhältnissen, d.h. linear38
erhöht werden. Diese Besonderheit der Fertigungs-
prozesse ist es, welche das allgemeine Input/Output-Modell zum linear-limitationalen In-
put/Output-Modell macht.
Hinweis zur UML-Modellierung:
Die in Abbildung 32 enthaltene Raute ist als Verknüfungsknoten, welcher die eingehenden
Kanten optional verknüpft, zu interpretieren. Optional besagt, dass nicht alle Eingänge, sonde-
ren nur ein oder mehrere Eingänge anliegen müssen, damit der Fertigungsprozess ausgeführt
werden kann.
37
Das Konzept der Limitationalität wurde erstmals von Leontief [Leon41] für den volkswirtschaftlichen Produk-
tionsbereich eingeführt. Durch Gutenberg [Gute51], dem Begründer der modernen Betriebswirtschaftslehre im
deutschsprachigen Raum, wurde dieses Konzept zur modellhaften Betrachtung, Analyse und Gestaltung des be-
trieblichen Produktions- bzw. Fertigungsbereiches übernommen. 38
Die Variabilität des Outputs bei sich verändernden Inputs wird anhand verschiedener Grade der Homogenität
der Produktionsfunktion charakterisiert.
<<Prozess>>
Fertigung
<<Ressource>>
TECH-Einsatz
<<Leistung>>
Prozess-Ausbringung
<<Ressource>>
PERS-Einsatz
<<Ressource>>
MAT-Einsatz
t0 t1
Grundlagen der Betriebswirtschaft 85
Abbildung 33: Spezialisierungen der generischen Produktionsfunktion
Bei der limitationalen Produktionsfunktion, welche insbesondere zur Modellierung der indust-
riellen Fertigung verwendet wird, handelt es sich um eine Spezialisierung der generischen
Produktionefunktion. In Abbildung 33 wird diese Beziehung zwischen der generischen und
limiationalen Produktionsfunktion in UML-Konvention anhand der nicht ausgefüllten drei-
eckigen Pfeilspitze, welche zum allgemeineren Konstrukt verweist, dargestellt. Die Abbildung
enthält neben der limitationalen auch noch die substitutionale39
Produktionsfunktion, wobei die
eingesetzten Potenzialfaktoren in einem subsitutionalen Verhältnis stehen, sodass eine be-
stimmte Ausbringung (Output) mit verschiedenen Einsatzkombinationen der PERS- und
TECH-Potentialfaktoren erfolgen kann.
Eine zweite Besonderheit der Fertigungsprozesse betrifft ihre Gestaltbarkeit, d.h. Variabilität:
Ein weiteres Differenzierungsmerkmal bildet das Outputniveau. Ist die Ausbringungsmenge bei
einmaligem Vollzug eines Basisprozesses Gegenstand von Entscheidungen, so wird der Basis-
prozeß als „outputvariabel“ bezeichnet (z.B. Transport von unterschiedlichen Mengen). Ist
dagegen die Ausbringungsmenge eine fest vorgegebene Größe, so wird von „outputfixen“ Ba-
sisprozessen gesprochen (Pressen einer Autokarosserie). Schließlich können nach dem Kriteri-
um der Beeinflussbarkeit des zeitlichen Ablaufs eines Basisprozesses „zeitvariable“ (z.B. Dre-
hen, Fräsen, Stanzen) und „zeitfixe“ Basisprozesse (z.B. chemische Prozesse) unterschieden
werden. [Heine81, S. 307]. Wird zusätzlich zum Output bzw. Prozessdauer auch noch die
Limitationalität des Inputs berücksichtigt, dann lassen sich die Fertigungsprozesse in zwei
Kategorieren, u.z. Input/Output-fixe (I/O-fixe) und Input/Output-variable (I/O-variable) Pro-
zesse unterschieden.
Hinweis zur Unterscheidung : I/O-fixe vs. I/O-variable Fertigungsprozesse
Beim I/O-fixen Prozess ist die Dauer und somit die Intensität eine feste Größe. Beim I/O-
variablen Prozess sind hingegen beide Größen variable Stellgrößen.
Dies Unterscheidung in I/O-fixe und I/O-variable Fertigungsprozesse ist insbesondere für die
Produktionssteuerung von zentraler Bedeutung. In Abbildung 34 ist der I/O-fixe Prozess links-
39
Die substitutionalen Produktionsfunktionen haben eine längere Geschichte als die Limitationalen. Sie wurden
anfänglich zur Darstellung landwirtschaftlicher Produktionstechnologien verwendet. In ihrem Lichte zeigt sich die
diesbezügliche Entwicklung, welche sich durch die Automatisierung in der Landwirtschaft ergab, durch eine zu-
nehmende bzw. damit einher gehende abnehmende Bedeutung der TECH- bzw. der PERS-Ressource. Die land-
wirtschaftliche Produktion ist im Zeitablauf analagenintensiver und damit zunehmend limitationaler geworden.
limitationale
Produktions-
funktion
generische
Produktionsfunktion
substitutionale
Produktions-
funktion
Grundlagen der Betriebswirtschaft 86
seitig als ein zeitlich eindeutig begrenzter Prozess und der I/O-variable Prozess rechtsseitig als
eine geregelte Prozessschleife dargestellt.
Abbildung 34: I/O-fixer vs. I/O-variabler Prozess
Die Lenkung des I/O-variablen Fertigungsprozesses in Abbildung 34 ist an der im rechten Be-
reich eingezeichneten Raute zu erkennen, welche in diesem Fall einen Entscheidungsknoten
symbolisiert: Der Output des Prozesses wird gemessen und mit einer Vorgabe verglichen. Ab-
hängig vom Prüfergebnis wird der Prozess so lange weiter laufen gelassen, bis die Laufbedin-
gung ein NOK anzeigt. Bei Eintritt des NOK-Ereignisses wird die Stopp-Aktivität gestartet,
welchen den I/O-variablen Prozess beendet.
Hinweis zur UML-Modellierung:
In Abbildung 34 kommt die Raute zweimal vor: Bei der linken Raute handelt es sich wiederum
um einen optionalen Verknüpfungsknoten und die rechte Raute ist ein Entscheidungsknoten,
wobei in Abhängigkeit vom Prüfergebniss,welches entweder OK oder NOK sein kann, unter-
schiedlich verzweigt wird.
Die Unterscheidung dieser beiden elementaren Prozesskategorien wird nachfolgend verwendet,
wobei zuerst der I/O-variable Gussprozess und anschließend der I/O-fixe Zugprozess beschrie-
ben und produktionstheoretisch betrachtet werden.
Guss-Anlage – Guss-Prozess: I/O-variabler Fertigungsprozess
Beschreibung: Guss-Prozess
Beim Gussprozess wird zuerst verflüssigtes Paraffin in die Formen gegossen (oberer Teil der
Abbildung) und sodann abgekühlt (unterer Teil der Abbildung). Im vorliegenden Fall sind die
gegossenen Kerzen weiß und in Behälter gefüllt.
<<Prozess>>
I/O-variabel
geregelter Prozess
Vorgabe
NOK
OK
Stopp
<<Prozess>>
I/O-fix
t0 t1
Grundlagen der Betriebswirtschaft 87
Abbildung 35: I/O-variabler Guss-Prozess auf der Gussanlage
In der Gussanlage, wobei es sich um eine der drei in dieser Arbeit thematisierten Fertigungsan-
lagen der KERZEN-EWF handelt, wird der Gussprozess ausgeführt. Aus produktionstheoreti-
scher Perspektive handelt es sich bei diesem Prozess um einen I/O-variablen Prozess, sodass
die Einsatzdauer der Gussanlage diskret gesetzt werden kann, d.h. rT1 ist eine positive reelle
Zahl. In Gleichung (27) wird die Gussanlage als linear-limitationale Produktionsfunktion (Le-
ontief-Produktionsfunktion) modelliert, wobei der Input an Real-Ressourcen in Form des Repe-
tierfaktors MAT (Material) und der beiden Potenzialfaktoren PERS (Personal) und TECH
(Technologie) in die erstellte Leistungen in Form des Outputs transformiert wird. Zumal bei
dieser Ressourcen-Transformation der Repetierfaktor in Mengeneinheiten (ME) und die Poten-
zialfaktoren in Zeiteinheiten (ZE) gemessen wird, bedarf es einer entsprechenden Nomierung
der Ressourcen-Einsätze, um zum in Mengeneinheiten gemessen Output x zu gelangen.
(27)
1;;min),,(
/ZE
T
PT
ZE
P
TM
ME
M
ZEME
TTPM
r
c
r
da
rdrrrx
wobei aM MAT-Produktions- bzw. Verbrauchskoeffizient cPT Einsatzverhältnis von Personal zu Technologie dT Intensität (Produktionsgeschwindigkeit = ME/ZE) von Technologie (dT)
-1 Technologie-bezogene Dauer pro Leistungseinheit (Einheitsdauer = ZE/ME)
rM MAT-Einsatz in ME (= Kilogramm) rP PERS-Einsatz in ZE (= Personen- oder Arbeitsstunden) rT TECH-Einsatz in ZE (= Maschinen- oder Betriebsstunden) x Ausbringung (Output) in ME
Die kalibrierte Produktionsfunktion für den an der Gussanlage ausgeführten Gussprozess, wo-
bei die drei Parameter der Funktion für die TECH-bezogene Intensität, den MAT-bezogenen
Grundlagen der Betriebswirtschaft 88
Produktionskoeffizienten und das Faktoreinsatzverhältnis der beiden Potenzialfaktoren mit dT
= 65, aM = 1 und cPT,j = 2 empirisch bestimmt wurden, ist in Gleichung (K7) dargestellt.
(K7) TPM
TPM rrr
rrrx ;2
;651
min65),,(
Tabelle 33: Leontief-Produktionsfunktion (Ausbringung)
Abbildung 36: Leontief-Produktionsfunktion – Ausbringung bzw. PERS- und TECH-Einsatz
Die Menge der effizienten Einsatz-Kombinationen von TECH und PERS ergibt sich durch
Elimination aller ökonomisch ineffizienten Kombinationen, welche Ressourcen-Verschwen-
dungen darstellen.
rT1 \ rP 2 4 6 8 ...
1 65 65 65 65
2 65 130 130 130
3 65 130 195 195
4 65 130 195 260
... ...
1
3
R1R2
R3R4
0
50
100
150
200
250
300
Ausbringung
(ME)
TECH-
Einsatz
(ZE) PERS-Einsatz
(ZE)
Leontief Produktionsfunktion
12
34 2
46
8
Grundlagen der Betriebswirtschaft 89
Abbildung 37: Leontief Produktionsfunktion – Effiziente Potenzialfaktor-Kombinationen
Die für die empirische Kalibrierung der Leontief-Produktionsfunktion benötigten Prozess- und
Betriebsdaten40
sind Inhalt41
von Tabelle 34 und Tabelle 35: Aus Tabelle 34 kommt die TECH-
Intensität und aus Tabelle 35 kommt das Einsatzverhältnis für PERS zu TECH.
40
Im arbeitswissenschaftlich betriebstechnischen Bereich werden diese Daten insbesondere im Zusammenhang
mit den sich auf die PERS- und TECH-Ressourcen beziehenden Arbeitsplänen (Route Sheet) bzw. den sich auf
die MAT-Ressourcen beziehenden Stücklisten (Bill of Material, kurz: BOM) verwaltet: Ein Arbeitsplan beschreibt
den Durchlauf eines Produktes vom Rohmaterial über die verschiedene Fertigungseinrichtungen bis zum fertigen
Produkt. Oftmals werden auch noch weitere Informationen - wie die veranschlagten Rüstzeiten, Einheitszeiten,
betrieblichen Kostenstellen- und Inventarnummern - angegeben. Die Stückliste ist ein für den jeweiligen Zweck
vollständiges, formal aufgebautes Verzeichnis für einen Gegenstand, das alle zugehörigen Gegenstände unter
Angabe von Bezeichnungen (Benennung, Sachnummer), Menge und Einheit enthält. Als Stückliste werden nur
solche Verzeichnisse bezeichnet, die sich auf die Menge >= 1 eines Gegenstandes beziehen. [DIN 199-2, Ausgabe
12.1977, Nr. 51]. 41
Zur Erstellung dieser Tabelle ist in ERP-CONTROL ein entsprechender Bericht für Fertigungsprozesse/-
Prozessdaten eingerichtet. Diese Daten können somit bei Bedarf aus dem ERPC-(Datenbank)System aktuell abge-
rufen werden.
rT1 \ rP 2 4 6 8 ...
1 65
2 130
3 195
4 260
... ...
1
3
R1R2
R3R4
0
50
100
150
200
250
300
Ausbringung
(ME)
TECH-
Einsatz
(ZE) PERS-Einsatz
(ZE)
Leontief Produktionsfunktion
12
34 2
46
8
Grundlagen der Betriebswirtschaft 90
Tabelle 34: Fertigungsprozesse – Prozessdaten (ERPC-Bericht)
Die TECH-Prozessdaten sind über die Limitationalität der beiden Potenzialfaktoren TECH und
PERS auch mit den PERS-Prozessdaten verknüpft. Für die Kalibrierung der Leontief-
Produktionsfunktion wird diesbezüglich das Einsatzverhältnis von PERS zu TECH benötigt,
welches c = 2 beträgt, d.h. 1 TECH-ZE korrespondiert mit 2 PERS-ZE.
Die in Tabelle 35 enthaltenen Einsatzmengen für die TECH- und PERS-Ressourcen sind peri-
odenbezogen. Als solche kennzeichnen sie die in der Periode genutzte Leistungsfähigkeit
(Capability), welche als Beschäftigung [HoLi07, S. 58] bezeichnet wird. Bei der periodenbezo-
genen Kapazität handelt es sich um die maximale Leistungsfähigkeit.
Tabelle 35: Fertigungsprozesse – Prozess- und Betriebsdaten (ERPC-Bericht)
Der MAT-Koeffizient42
, d.h. Material-bezogene Produktionskoeffizient von 1 ergibt sich aus
dem Umstand, dass im Gussprozess sämtlicher Input in Form von Paraffin in einen gleichge-
wichtigen Output an gegossenen Kerzen mündet und somit kein Materialausschuss anfällt.
42
Zumal der Produktionskoeffizient auch als Verbrauchskoffezient bezeichnet wird, handelt es sich beim MAT-
Koeffizient um den MAT-Verbrauch pro erstellter Leistungseinheit. Weiters wird durch die Bezeichnung Ver-
brauchskoeffizient auch die Verbindung zur nachfolgend erörterten Verbrauchsfunktion sprachlich klarer.
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
Perioden-Ausbringung Xj 88.896 67.898 14.761
Intensität (ökonomische) dj
I/O-variabel 65,0 155,2
I/O-fix 31,5
Dauer rT,j
I/O-variabel 6 3,5
I/O-fix 6,9
Losgrößen xj
I/O-variabel 389,9 543,2
I/O-fix 217,1
Wiederholungen wj 228 125 68
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
Intensität (ökonom.) dj 65,0 155,2 31,5
Losgröße xj 389,9 543,2 217,1
Prozess-Dauer rT,j 6 3,5 6,9
TECH-Produktionskoeffizient aT,j = rT,j/xj 0,0154 0,0064 0,0318
aT,j (min.) 0,92 0,39 1,91
Wiederholungen wj 228 125 68
period. TECH-Einsatz (ZE) RT,j 1.368 438 469
period. TECH-Einsatz (in %) RT,j (in %) 60,14% 19,23% 20,63%
period. PERS-Einsatz (ZE) RP,j 2.736 438 238
period. PERS-Einsatz (in %) RP,j (in %) 80,20% 12,82% 6,98%
Faktoreinsatz-Verhältnis RP,j/RT,j 2 1 0,5
period. TECH-Kapaz. (ZE) CT,j 1.456 1.456 1.456
period. PERS-Kapaz. (ZE) CP,j 2.912 1.456 728
Kapaz. Verhältnis CP,j/CT,j 2 1 0,5
Auslastung RT,j/CT,j 93,96% 30,05% 32,23%
Grundlagen der Betriebswirtschaft 91
Dieser Zusammenhang ist in Tabelle 36, welche die Prozessdaten hinsichtlich MAT enthält, in
den letzten beiden Spalten zu erkennen.
Tabelle 36: Fertigungsprozesse – aggregierte Prozessdaten (ERPC-Bericht)
Darüber hinaus zeigt Tabelle 36 aber auch eine weitere wichtige Besonderheit: Die Korrespon-
denz zwischen MAT-Einsatz und Ausbringung gilt auf der aggregierten43
Ebene. Der Grund
liegt in den ME der Tauch-Anlage, welche auf die Press- und Zug-Anlage umgelegt werden.
IT-Exkurs: Abstraktionskonzepte in der Informations- und Datenmodellierung
In der Informations- und Datenmodellierung kommen drei grundlegende Abstraktionskonzepte
zum Einsatz:
Klassifikation44
(Kategorisierung): Dabei werden Entitäten mit gemeinsamen Merkmalen
zu einem neuen Mengenobjekt zusammen gefasst.
Aggregation45
: Dabei werden potentiell unterschiedliche Teilentitäten zu einem neuen Ob-
jekt zusammen gefasst.
Verallgemeinerung/Generalisierung46
: Dabei werden Teilmengenbeziehungen zwischen
Elementen verschiedener Klassen gebildet.
43
Dabei handelt es sich um eine univariate, einstufige Aggregation, zumal gleichartige Prozessdaten für einen
konkreten Betrachtungszeitraum zusammen gefasst werden. Mathematisch wird diese univariate, einstufige Agg-
regation durch eine Summenfunktion umgesetzt. 44
Mathematisch wird dies durch Mengenbildung bewerkstelligt. 45
Mathematisch wird dies über die Bildung von kartesischen Produkten umgesetzt. 46
Mathematisch wird die Generalisierung über die Bildung von Potenzmengen umgesetzt. Bei der Spezialisierung
handelt es sich um eine Konretisierung, welche mathematisch über die Bildung von Teilmengen umgesetzt wird.
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
period. Paraffin-Einsatz RM1,j 88.712 66.019 14.304 rM1 171.270
period. Farb-Einsatz RM2,j 132 0 0 rM2 132
period. Docht-Einsatz RM3,j 52 43 58 rM3 153
period. MAT-Einsatz RM,j 88.896 66.062 14.362 rM 171.555
Tauch-Umlage 1.836 399 RM1,T 0
Perioden-Ausbringung Xj 88.896 67.898 14.761 x 171.555
Gesamt
Grundlagen der Betriebswirtschaft 92
Abbildung 38: Univariate, einstufige Aggregation
In Abbildung 38 ist eine univariate, einstufige Aggregation, welche in UML2 durch eine Raute
beim Aggregat gekennzeichnet ist, zu sehen. Dabei werden die Einsätze mehrerer Durchfüh-
rungen des gleichen Prozesses über die Zeit zum Periodeneinsatz aggregiert.
Abbildung 39: Bivariate, einstufige Aggregation
Bei der multivariaten, einstufigen Aggregation werden die Einsätze verschiedener Prozesse
periodenweise aggregiert. In Abbildung 39 ist eine bivariate, einstufige Aggregation zu sehen.
Dabei werden die Einsätze von zwei verschiedenen Prozessen, d.h. der Prozesse A und B zeit-
lich zum Periodeneinsatz aggregiert. Wenn nun in beiden Prozessen verschiedene Größen ein-
gesetzt werden, wie z.B. Äpfel im Prozess A und Birnen im Prozess B, dann bezieht sich die
periodische Aggregatsgröße auf ein Artefakt, d.h. auf ein abstraktes Konstrukt wie z.B. Obst.
Abbildung 40: Bivariate, zweistufige Aggregation
Bei der multivariat, mehrstufigen Aggregation werden die Einsätze verschiedener Prozesse
über verschieden lange Perioden aggregiert. Dabei können der Kombinatorik entsprechend
viele Kombinationen an jeweiligen Aggregationen vorkommen. In Abbildung 40 ist eine
bivariate, zweistufige Aggregation zu sehen, wobei die Einsätze der beiden Prozesse A und B
sowohl für den Quartalseinsatz als auch für den daraus ermittelten Jahreseinsatz aggregiert
<<Prozess>>
Prozesseinsatz
<<Periode>>
Periodeneinsatz
<<Prozess>>
Einsatz von
Prozess A
<<Periode>>
Periodeneinsatz
<<Prozess>>
Einsatz von
Prozess B
<<Prozess>>
Einsatz von
Prozess A
<<Periode>>
Quartalseinsatz
<<Prozess>>
Einsatz von
Prozess B
<<Periode>>
Jahreseinsatz
Grundlagen der Betriebswirtschaft 93
werden. Wie man sich leicht vorstellen kann steigt die Komplexität der entstehenden Artefakte
grundsätzlich mit zunehmender Anzahl an zu aggregierenden Varianten bzw. Aggregationsstu-
fen.
Zug-Anlage – Zug-Prozess: I/O-fixer Fertigungsprozess
Beschreibung: Zug-Prozess
Beim Zugprozess wird der über Trommeln aufgespannte Docht (oberer Teil der Abbildung)
kontinuierlich durch ein Paraffinbecken (unterer Teil der Abbildung) gezogen. Bei jedem
Durchzug wird eine zusätzliche Paraffinschicht auf den Docht aufgetragen, bis die geforderte
Kerzenstärke erreicht wird. Anschließend werden die Kerzenstränge von der Trommel ge-
nommen und geschnitten, um die Zugkerzen zu erhalten.
Abbildung 41: I/O-fixer Zug-Prozess auf der Zuganlage
Auf der Zuganlage wird der Zugprozess ausgeführt. Dabei handelt es sich im Unterschied zum
Gussprozess aus produktionstheoretischer Perspektive um einen I/O-fixen Prozess, wobei die
TECH-Einsatzdauer rT nur ein Vielfaches der Prozessdauer von 6,9 ZE annehmen kann. I/O-
fixe Prozesse können nämlich nicht mehr wie die I/O-variablen Prozesse beliebig lange, son-
dern nur noch über Wiederholungen ganzer Prozessdurchläufe betrieben werden.
Die zur Kalibrierung der Leontief-Produktionsfunktion für den auf der Zuganlage ausgeführten
Zugprozess benötigen Betriebsdaten entstammen wieder aus Tabelle 34 und Tabelle 35. Kon-
kret ergibt sich für den Zugprozess die in Gleichung angegebene Funktion:
Grundlagen der Betriebswirtschaft 94
(K8) TPM
TPM rrr
rrrx ;1
;5,311
min5,31),,(
Für die betriebstechnische Steuerung gilt es dabei zu beachten, dass aufgrund der I/O-fixen
Beziehung die TECH-Einsätze nicht mehr beliebig, sondern nur noch als Vielfache ganzer
Prozessdauern gesetzt werden können.
Generische Produktionsfunktion: Konstruktion als 3-Ressourcen-Modell
Die beiden bisher dargestellten Fertigungsprozesse in Form des Guss- und Zugprozesses wur-
den einheitlich anhand einer generischen Produktionsfunktion betrachtet. Die gewählte Model-
lierung zog in beiden Fällen die drei Produktionsfaktoren MAT, PERS und TECH ein, weshalb
diese Funktion auch als 3-Faktor- bzw. 3-Ressourcen-Modell bezeichnet wird. In allgemeiner
Darstellung wird in dieser Arbeit durchgängig die Produktionsfunktion als 3-Ressourcen-
Modell und den MAT- PERS- und TECH-Ressourcen als den drei Modellvariablen verwen-
det:
(28) ),,(),,( TPMTPM rrrfrrrx
Diese generische Produktionsfunktion hat den Vorteil, dass sich mit ihr alle Fertigungsprozesse
fassen lassen und bei der jeweiligen Modellierung zugleich die konzeptionelle Vollständigkeit
hinsichtlich der Ressourcen-Einsätze gesichert ist.
Durch Inversion der generischen Produktionsfunktion bezüglich der einzelnen Ressourcen-
Einsätze ergeben sich die (partiellen) Einsatzfunktionen47
für MAT, PERS und TECH:
(29) )()( 1 xfxri
Im einfachsten Fall, was auch den Überlegungen von Leontief entsprach, werden – wie in
Gleichung (30) dargestellt – lineare Einsatzfunktionen betrachtet, wobei der Ressourcen-
spezifische Produktionskoeffizient eine konstante Größe darstellt:
(30) xar ii
wobei ri Periodeneinsatz (-Input) von Faktor i ai Produktionskoeffizient (Input pro Output) von i
47
Die Einsatzfunktionen existieren im Falle von deterministischen Produktionsfunktionen, was für den direkten
Leistungsbereich (Produktionsbereich) üblicherweise der Fall ist. Im indirekten Leistungsbereich (Service-
Bereich) ist dies üblicherweise nicht mehr der Fall, sodass dort eine stochastische Modellierung unumgänglich
wird.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 95
x Periodenausbringung (-Output)
Eine allgemeinere Variante geht auf Gutenberg48
[Gute51] zurück, der den Produktivitäts-
koeffizienten nicht mehr konstant, sondern vielmehr intensitätsabhängig modellierte: Die Ver-
brauchsmengen sind nicht unmittelbar, sondern mittelbar von der Ausbringung abhängig, und
zwar über die ‚zwischengeschalteten‘ Produktionsstätten (Betriebsmittel, Arbeitsplätze, Anla-
genteile). In ihnen werden die Beziehungen zwischen Produktmengen und Verbrauchsmengen
wie in einem Prisma gebrochen. Es sind die technischen Eigenschaften der Aggregate und Ar-
beitsplätze, die den Verbrauch an Faktoreinsatzmengen bestimmen. Und zwar in durchaus
gesetzmäßiger und keineswegs willkürlicher Weise. [Gute83, S. 220 nach Habe04, S. 117].
Bei der von Gutenberg zusätzlich eingeführten Funktion ai(di), mit welcher der Produktions-
koeffizient in Abhängigkeit von der Ressourcen-spezifischen Intensität modelliert wird, han-
delt es sich um die Verbrauchsfunktion49
des i-ten Produktionsfaktors.
(31)
)()(
)(
iiii
iii
dadx
r
sodass
xdar
wobei ri Periodeneinsatz (-Input) von Faktor i ai(di) Ökonomisch (ME/ZE) Verbrauchsfunktion di Intensität (Produktionsgeschwindigkeit: ME/ZE) ZE Zeiteinheit ME Mengeneinheit x Periodenausbringung (-Output)
Grundsätzlich gibt es für jede Ressource eine eigene Verbrauchsfunktion. Im Rahmen der ge-
nerischen Produktionsfunktion dieser Arbeit gibt es demnach (mindestens) 3 Verbrauchsfunk-
tionen, u.z. die MAT-, die PERS- und die TECH-Verbrauchsfunktion. Dabei handelt es sich
um eine aggregierte Verbrauchsfunktion für die entsprechend aggregierte Betrachtungsebene.
Situativ lassen sich alle drei Funktionen durch Disaggregation zu disaggregierten Verbrauchs-
funktionen umgestalten.
48
Die von Gutenberg thematisierte Entkoppelung der Verbrauchs- von den Produktmengen macht den betriebli-
chen Aspekt explizit. Im Unterschied zu den volkswirtschaftlichen Modellierungen von Produktionsfunktionen
wird damit keine unmittelbare (direkte) Beziehung mehr zwischen Ausbringung und Faktoreinsatz unterstellt.
Vielmehr tritt statt dessen eine mittelbare (indirekte) Beziehung, sodass betriebliche Entscheidungs- bzw. Len-
kungsvariable (Stellgrößen) – wie z.B. die Intensität – im Modell explizit gemacht werden. Die von Gutenberg
eingebrachte Erweiterung des I/O-Modells spielt darüber hinaus auch noch für die prozessorientierte Kostenrech-
nung eine zentrale Rolle. Die zwischen Ausbringung und Faktoreinsatz vermittelnde Beschäftigung schafft näm-
lich den konzeptionellen Freiraum, um nicht nur Sach- sondern auch Dienstleistungen bzw. hybride Leistungen
kostentheoretisch betrachten zu können. 49
Die Verbrauchsfunktion gibt den Einheitseinsatz, d.h. den Einsatz pro Leistungseinheit als Funktion der Intensi-
tät an, sodass sie auch als Einheitseinsatzfunktion bezeichnet werden kann.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 96
Die zur Kalibrierung der Verbrauchsfunktionen erforderlichen Vorgehensweise ist in Abbil-
dung 42 zu sehen: Die Faktoreinsätze ri werden in verschiedenen Prozessdurchläufen, wobei
die Intensität des Prozesses di sukzessive variiert wird, gemessen und anschließend gemittelt,
indem sie auf den Output x bezogen werden. Die sich daraus ergebenden Produktionskoeffi-
zienten ri/x geben die durchschnittlichen Faktoreinsätze für die verschiedenen Intensitäten an.
Aus der Menge aller möglichen Intensitäten wird schließlich diejenige gewählt, welche den
geringsten Produktionskoeffizienten aufweist. Bei der u-förmigen Verbrauchsfunktion in Ab-
bildung 42 ist dieses Minimum eindeutig.
Abbildung 42: TECH-Faktoreinsatz in Abhängigkeit von der Intensität
Mathematisch betrachtet gilt es demnach im Rahmen der Kalibrierung das Minimum der Ver-
brauchsfunktion zu bestimmen. Gleichung (32) gibt die TECH-Einsatzfunktion für die optima-
le Intensität, welche mit einem hochgestellten Stern gekennzeichnet ist, an. Zumal die TECH-
Ressource in ZE gemessen wird, handelt es sich beim TECH-Koeffizienten um den Kehrwert
der TECH-Intensität.
(32)
xdr
sodass
dda
mit
xdar
TT
TTT
TTT
1*
1**
*
)(
)()(
)(
Bei den bisherigen Erörterungen wurden ökonomische Verbrauchsfunktionen betrachtet. Ana-
loge Überlegungen lassen sich aber auch auf technische Verbrauchsfunktionen anwenden, wo-
bei sich die Faktoreinsätze nicht mehr auf ökonomische Größen in Form von Mengen- und
Zeiteinheiten, sondern vielmehr auf technische Größen wie z.B. kWh beziehen. Auf einer der-
art technischen Modellierungsebene lassen sich dann die Faktoreinsätze auf der verursa-
Verbrauchsfunktion: r i/x (di)
0
50
100
150
200
250
300
350
400
55 60 65 70 75
di
r i/x
(d
i)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 97
chungsgerechtesten Basis bestimmen, zumal dann alle Prozessbesonderheiten bei der direkten
Messung des Faktoreinsatzes berücksichtigt werden können.
Abschließend wird die Limitationalität zwischen den Faktoreinsätzen von MAT, PERS und
TECH in der generische Produktionsfunktion adressiert. Die MAT-Ressource erfüllt ihre
Limitationalität zur PERS- und TECH-Ressource, wenn im Fertigungsprozess der korrekte
MAT-Einsatz verwendet wird. Der konkrete MAT-Einsatz ist insbesondere in Stücklisten50
festgelegt, wo bis zu den individuellen Materialien der jeweilige Einsatz pro Output-Einheit
festgelegt ist. Die Limitationalität zwischen den beiden Potenzialfaktoren PERS und TECH
wird in der Arbeitsbeschreibung51
detalliert, wo die einzelnen Schritte des Fertigungsprozesses
und die dabei benötigten Einsätze an PERS- und TECH-Ressourcen sowie auch MAT-
Ressourcen spezifiziert sind. In der Regel fungiert die TECH-Ressource als Faktor, zumal es
sich dabei um die zentrale Stellgröße handelt. Der PERS-Ressourcen-Einsatz ist im Falle kon-
stanter Faktoreinsatzverhältnisse eindeutig vom gewählten TECH-Ressourcen-Einsatz be-
stimmt52
. Die Limitationalität zwischen der PERS- und TECH-Ressource schlägt sich in der
Konstanten cPT für das Einsatzverhältnis von PERS zu TECH nieder.
(33)
PTTP
PT
T
P
crr
sodass
cr
r
wobei rP Periodischer PERS-Einsatz (in ZE) rT Periodischer TECH-Einsatz (in ZE) cPT Faktoreinsatzverhältnis von PERS zu TECH
Der Limitationalität zufolge zeigt sich der PERS-Faktoreinsatz auch als Produkt aus dem
TECH-Faktoreinsatz und der Konstante für das Faktoreinsatzverhältnis.
50
Im ECSI-Standard [DIN EN 62264 bzw. ANSI ISA 95] werden die für die MAT-Ressourcen benötigen Daten
in einem MAT-Ressourcen-Modell standardisiert. U.a. werden dabei auch die Informationen der Stücklisten in-
kludiert. 51
Die für die Arbeitsbeschreibung benötigen Daten werden im ECSI-Standard [ECSI08] in einem
Prozesssegement-Modell standardisiert. Dabei sind u.a. auch die Informationen der Arbeitspläne enthalten. 52
Die Anpassung ist problemlos, wenn das auf Rummel [Rumm67] zurückgehende Gesetz der Austauschbarkeit
der Bezugsgrößen greift. Dies ist bei limitationalen Fertigungsprozessen der Fall, wenn dort die Einsatzverhältnis-
se konstante Größen sind, sodass die jeweiligen Faktoreinsätze jeweils konsistent ineinander umgerechnet werden
können.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 98
Leontief-Produktionsfunktion: Konstruktion aus der generischen Produktionsfunktion
Die Leontief-Produktionsfunktion ist eine linear-limitationale Produktionsfunktion. Nachfol-
gend wird sie für die generische Produktionsfunktion konstruiert, indem zuerst die partiellen
Ausbringungsfunktionen für die MAT-, PERS- und TECH-Ressourcen spezifiziert und sodann
unter Einbeziehung der jeweiligen Limitationalitäten zu einer Produktionsfunktion zusammen
gefasst werden.
Die partiellen (Ressourcen-spezifischen) Ausbringungsfunktionen kennzeichnen jedoch nur
einen potenzielle und keine tatsächliche53
Ausbringung. Für die drei Ressourcen in der generi-
schen Produktionsfunktion ergeben sich folgende MAT-, PERS- und TECH-Ausbringungs-
funktionen:
(34)
a
rrarx
a
rrarx
a
rrarx
T
TTTT
P
PPPP
M
MMMM
1
1
1
)(
)(
)(
wobei aM
-1 MAT-Produktivität (= Kehrwert des MAT-Koeffizienten)
aP-1
PERS-Produktivität (= Kehrwert des PERS-Koeffizienten) aT
-1 TECH-Produktivität (= Kehrwert des TECH-Koeffizienten)
Die Zusammenführung der drei Ressourcen-spezifischen Output-Funktionen zur linear-
limitationalen Leontief-Funktion erfolgt über die min-Funktion, derzufolge das Minimum der
drei Funktionsargumente das Output-Niveau bestimmt. Ist das Minimum eindeutig, dann zei-
gen die beiden verbleibenden Faktoreinsätze jeweils eine Ressourcen-Verschwendung an.
(35)
T
T
P
P
M
M
TPMTPM
a
r
a
r
a
r
rxrxrxrrrx
;;min
))();();(min(),,(
In Gleichung (35) sind bei allen drei Ressourcen die Produktivitäten, d.s. die Kehrwerte der
jeweiligen Produktionskoeffizienten angegeben. Zumal die Erfassung der Ressourcen-Einsätze
aber in unterschiedlichen Einheiten erfolgt, wird nachfolgend die Leontief-Produktionsfunktion
53
Ein sich letztendlich tatsächlich realisierende Output hängt nämlich von den schlagend werdenden
Limitationalitäten im Kontext aller gemeinsam betrachteten Ressourcen ab.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 99
diesbezüglich umgestellt. Aufgrund der in Zeiteinheiten54
(ZE) gemessenen PERS- und TECH-
Einsätze werden die PERS- und TECH-Produktivitäten durch die PERS- und TECH-Intensi-
täten ersetzt. Die in Mengeneinheiten (ME) gemessenen MAT-Ressourcen werden weiterhin
mit ihrer Produktivität spezifiziert.
(36)
TTPPM
M
T
T
P
P
M
M
TPM
rdrdra
ra
ra
ra
rrrx
;;1
min
1;
1;
1min),,(
Schließlich wird die TECH-Ressource als zentraler Faktor, an welchem die Produktionsfunkti-
on ausgerichtget wird, spezifiziert. Als Ergebnis zeigt sich die letztendlich in dieser Arbeit
verwendeten Form der Leontief-Produktionsfunktion, wobei sich die TECH-Intensität auf alle
drei Ressourcen bezieht und die Unterschiedlichkeit in den Ressourcen-Einsätzen durch ent-
sprechende Variablentransformationen berücksichtigt wird.
(37)
TP
PT
M
TM
T
TTPPM
M
TPM
rrc
rda
d
rdrdra
rrrx
;1
;1
min
;;1
min),,(
wobei cPT Faktoreinsatzverhältnis von Personal zu Technologie
Die erforderlichen Transformationen des MAT- und PERS-Einsatzes werden in den Gleichun-
gen (38) und (39) vollzogen. In beiden Fällen wird von der Gleicheit des jeweiligen Ressour-
cen-Outputs mit dem TECH-bezogenen Output ausgegangen und sodann der TECH-Einsatz als
Funktion des jeweiligen Ressourcen-Einsatzes dargestellt.
(38)
TM
MT
TTM
M
TM
da
rr
rdra
rxrx
1
)()(
54
Die Fokussierung auf den Zeitbereich bei den Potenzialfaktoren wird in der angelsächsischen Literatur als Time
Driven Activity Based Costing (TDABC) [KaAn07] bezeichnet. Dieser Schritt wird dort als eine neue Erkenntnis
gesehen, wohingegen sie im deutschsprachigen Schrifttum spätestens seit der auf Plaut [Plau53] zurückgehenden
Verbreitung der Grenzplankostenrechnung im praktischen Alltag eine schon lange Tradition hat.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 100
Die sich daraus jeweils ergebenden Beziehungen werden in Gleichung (37) substitutiert, sodass
die TECH-Ressource als zentraler Faktor alle drei verschiedenen Ressourcen-Einsätze (MAT,
PERS und TECH) steuert.
(39)
P
T
P
PT
PT
PT
P
T
T
P
TTPP
TP
rd
d
c
rr
cd
d
r
r
rdrd
rxrx )()(
Zur Variablentransformation wird von der jeweils effizienten Ressourcen-spezifischen Aus-
bringung ausgegangen, womit die Leontief-Produktionsfunktion auf eine einheitliche, TECH-
bezogene Basis gestellt wird. Wird diese Bedingung verletzt, dann kommt es bei der Leontief-
Produktionsfunktion in Form von Gleichung (37) zu Ressourcen-Verschwendungen.
Leontief-Produktionsfunktion: Kalibrierung I/O-variabler bzw. I/O-fixer Fertigungspro-
zesse
Die Kalibrierung der Leontief-Produktionsfunktion hängt von der Kategorie des Fertigungs-
prozesses ab. Bei den I/O-variablen Fertigungsprozessen (z.B. Guss-Prozess) wird die optimale
Intensität gewählt. Optimal heißt in diesem Zusammenhang55
, dass die Verbrauchsfunktion bei
dieser Intensität ihr Minimum aufweist. Bei den I/O-fixen Fertigungsprozessen (z.B. Zug-
Prozess) ist die Intensität keine eigentliche Stellgröße mehr. Durch die Wahl der konkreten
Fertigungstechnik für das gewünschte Produkt wird auch gleichzeitig die Intensität bestimmt.
Beim Zug-Prozess bestimmt die zur Anwendung kommende Zug-Technik beispielsweise die
Prozessdauer für die gewünschte Kerzengröße, woraus sich dann durch eine Durchschnittsbe-
trachtung indirekt die Intensität des Prozesses ergibt.
Gleichung (K9) zeigt die kalibrierte Leontief-Produktionsfunktion für den auf der Gussanlage
ausgeführten I/O-variablen Guss-Prozess, wobei die Kalibrierung über eine direkte Zeitmes-
sung der TECH-bezogenen Intensität erfolgt.
55
Im einfachsten Fall liegt dieser Zusammhang im Kontext der TECH-Verbrauchsfunktion, sodass sich die Opti-
mierung einfach auf das Auffinden des Minimums dieser Funktion bezieht. Im allgemeinen Fall dürfte es aber
auch bei den PERS- und der MAT-Verbrauchsfunktionen jeweilige Minima geben. Bei beiden Ressourcen können
beispielsweise verschiedene Ressourcen-Qualitäten, welche unterschiedliche Preise haben, zum Einsatz kommen.
Zur Abbildung dieser Effekte werden sogenannte monetäre Verbrauchsfunktion, welche in Werteinheiten (WE)
ausgedrückt sind, verwendet. Die monetären Funktionen haben auch den Vorteil, dass sich bedingt durch den
Übergang auf die Wertebene auch verschiedene monetäre Verbrauchsfunktionen einfach aggregieren und sodann
in ihrer Gesamtheit optimieren lassen.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 101
(K9)
TPM
T
PT
P
TM
MTTPM
rrr
rc
r
da
rdrrrx
;2
;651
min65
;;min),,(
Gleichung (K10) zeigt die kalibrierte Leontief-Produktionsfunktion für den auf der Zuganlage
ausgeführten I/O-fixen Zug-Prozess, wobei die Kalibrierung der TECH-bezogenen Intensität
nicht durch direkte Messung, sondern indirekt durch Division der periodischen Prozessaus-
bringung durch die Prozessdauer erfolgt.
(K10)
TPM
T
PT
P
TM
MTTPM
rrr
rc
r
da
rdrrrx
;1
;2,311
min2,31
;;min),,(
Die kalibrierten Leontief-Produktionsfunktionen für den Guss- und den Zug-Prozess haben
zwar die gleiche, sich aus der generischen Produktionsfunktion ergebende Form. Doch die
Ressourcen-Einsätze insbesondere der jeweils als Engpassfaktor fungierenden TECH-
Ressource sind nich gleichermaßen variabel: Beim I/O-variablen Guss-Prozess kann nahezu
jeder beliebige TECH-Einsatz gewählt werden. Beim I/O-fixen Zug-Prozess ist der TECH-
Einsatz hingegen aufgrund der Fixierung der Prozessdauer auf 6,9 ZE bzw. (ganzer) Vielfacher
davon limitiert. Die Vervielfachungen bedeuten (ganze) Wiederholungen des Prozesses.
Compliance-Anforderungen: Traditionelle ERP-Systeme – „Business Follows IT“?
Der Betriebsbereich von Unternehmen war lange eine äußerst intime Angelegenheit. Betriebs-
fremden wurden - aus Wettbewerbsüberlegungen verständlich – in der Regel nur wenige In-
formationen über die unternehmensinterne Organisation bzw. Prozessabläufe gegeben. Durch
das Aufkommen von ERP-Systemen56
hat sich diese Situation allerdings stark verändert. Bei
der IT-mäßigen Implementierung solcher Systeme, wurden anfänglich im Rahmen des Custo-
mizing kundenspezifische Lösungen konstruiert. Die IT folgte in diesem Fall den Prozessen,
d.h. IT follows Business. Dabei ergaben sich aber Kosten, welche die Anschaffungskosten für
die Software um ein Vielfaches überstiegen. Ergo wurden immer mehr branchenspezifische
Standardlösungen entwickelt, welche sich insgesamt kostengünstiger implementieren lassen.
Dafür wurde aber wieder ein hoher Preis bezahlt. Die Software wird nämlich nicht mehr an die
56
Der Ausdruck ERP steht für Enterprise Resource Planning, was sich mit unternehmensweiten Ressourcen-
Planung übersetzen lässt. In den 80er Jahren wurden softwaremäßige ERP-Lösungen entwickelt, aus welchen sich
z.B. die Heidelberger Firma SAP als derzeitiger, weltweiter Marktführer entwickelt hat.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 102
betrieblichen Prozesse angepasst, vielmehr werden nunmehr die betrieblichen Prozesse an die
Vorgaben der Standardlösung angepasst. Die Prozesse folgen somit der IT, d.h. Business
follows IT. Durch die Einführung von ERP-Systemen werden die Unternehmen nach Außen
hin viel transparenter. Es bedarf nämlich nur einer Analyse des verwendeten ERP-Systems, um
in Erfahrung zu bringen, wie das Unternehmen intern funktioniert.
Prozessorientierte Produktionsfunktion: Prozessorientiertes linear-limitationa-
les I/O-Modell
Basierend auf dem prozessorientierten I/O-Modell [Hein81, S. 368 ff] wird nunmehr die Pro-
zess-Perspektive explizit einbezogen. Bei der generischen Produktionsfunktion wurde sowohl
die Ausbringung als auch die Einsätze der MAT-, PERS- und TECH- Ressourcen auf periodi-
scher Basis modelliert. Durch die explizite Einbeziehung der Prozess-Perspektive werden da-
rüber hinaus die jeweiligen Einsatz- (Input) und Ausbringungsmengen (Output) nach den ver-
schiedenen Prozessen, welche mit dem Buchstaben j bezeichnet werden, unterschieden und auf
die einmalige Prozessdurchführung bezogen. Die sich auf eine Prozessdurchführung beziehen-
de Ausbringung wird als Losgröße xj und die Ressourcen-Einsätze pro Prozessdurchführung
werden mit ri,j bezeichnet. Schließlich ermöglicht die Prozessorientierung auch eine prozess-
spezifische Betrachtung der jeweiligen Prozessbedingungen. Damit wird der modellhafte Be-
zug zur betrieblichen (Prozess-)Steuerungsebene gelegt, wobei die verschiedenen Prozessbe-
dingungen – wie z.B. in Form der Losgröße – als betriebliche Entscheidungsgrößen (Stellgrö-
ßen) explizit gemacht werden.
Prozessorientierte Produktionsfunktion: Konstruktion aus der generischen Produk-
tionsfunktion
Die prozessorientierte Produktionsfunktion für den j-ten Prozess wird in zwei Schritten aus der
generischen, 3-faktorigen Produktionsfunktion konstruiert:
1. werden die Ressourcen-spezifischen Produktionsfunktionen für den j-ten Prozess für den
Reptierfaktor MAT-Ressource und für die Potentialfaktoren PERS- und TECH-Ressource
bestimmt und
2. werden die Ressourcen-spezifischen (partiellen) Produktionsfunktion zur prozessorientier-
ten Produktionsfunktion unter Einbeziehung der diversen Limitationalitäten zusammen ge-
fügt.
Für den MAT-Repetierfaktor wird die MAT-spezifische Produktionsfunktion mit dem den j-ten
Prozess kennzeichnende Index versehen. Zumal sich die Produktionsfunktion auf eine Periode
bezieht, werden zur Kennzeichnung der Periodengrößen Großbuchstaben für die periodische
Grundlagen der Betriebswirtschaft 103
Prozess-Ausbringung Xj und den periodischen Prozesseinsatz RM,j verwendet. Zur konzeptio-
nell besser verständlichen Darstellung wird die spezifische Produktionsfunktion in Form der
spezifischen Einsatzfunktion umgestellt. Durch Substitution des Produktes aus Prozess-
Ausbringung xj und Anzahl der Prozess-Wiederholungen wj anstelle der Periodenausbringung
Xj und Darstellung der Produktionskoeffizienten-gewichteten Prozess-Ausbringung als pro-
zessbezogene Ausbringung rM,j ergibt sich die in Gleichung (40) ausgedrückte Form.
(40)
jjM
jjjM
jjMjM
jM
jM
jMj
wr
wxa
XaR
Ra
RX
,
,
,,
,
,
,
1)(
wobei RM,j Periodischer MAT-Einsatz (in ME) im j-ten Prozess rM,j MAT-Einsatz (in ME) im j-ten Prozess wj Wiederholungen des j-ten Prozesses Xj Periodische Ausbringung (in ME) des j-ten Prozesses xj Losgröße des j-ten Prozesses (Prozess-Ausbringung)
Hinweis zur Bezeichnung des Kontexts:
Der Kontext wird durch einen Subindex bezeichnet. Der tiefgestellte Subindex j kennzeichnet
den Prozesskontext.
Für die PERS- und TECH-Potenzialfaktoren ergeben sich in analoger Vorgehensweise die je-
weiligen Potenzialfaktor-spezifischen Produktionsfunktionen, welche in Gleichung (41) in all-
gemeiner Form dargestellt wird. Der Unterschied zur MAT-spezifischen Produktionsfunktion
liegt in der nunmehrigen Verwendung der Prozess-Intensität di,j anstelle der Produktivität a-1
M,j.
(41)
jji
jjji
jjiji
jijijij
wr
wxd
XdR
RdRX
,
1
,
1
,,
,,,
)(
)(
)(
wobei di,j Prozess-Intensität (ME/ZE) der Ressource i im Prozess j (Produktionsgeschwindigkeit bzw. Produktivität) Ri,j Periodischer Einsatz (in ZE) der Ressource i im Prozess j ri,j Dauer (Maschinen- oder Betriebsstunden) der Ressource i im Prozess j (PERS- bzw. TECH-Einsatz pro Prozess-Durchführung) wj Wiederholungen des Prozesses j Xj Periodische Ausbringung (Output in ME) des Prozesses j xj Losgröße (Output in ME) des Prozesses j
Grundlagen der Betriebswirtschaft 104
In Gleichung (42) werden die Ressourcen-spezifischen Produktionsfunktion unter Einbezie-
hung der Prozess-Limitationalitäten zur prozessorientierten Produktionsfunktion zusammen
gefasst.
(42)
jTjP
jPT
jM
jTjM
jjT
jTjP
jPT
jM
jTjM
jT
jTjTjPjPjM
jM
jTjPjMjTjPjMj
rrc
rda
wd
RRc
Rda
d
RdRdRa
RXRXRXRRRX
,,
,
,
,,
,
,,
,
,
,,
,
,,,,,
,
,,,,,,
;1
;1
min
;1
;1
min
;;1
min
)();();(min),,(
In dieser Darstellungform zeigt sich die Prozess-spezifische Perioden-Ausbringung Xj als
Funktion der TECH-bezogenen Prozessintensität dT,j, der Anzahl der Prozess-Wiederholungen
wj, des MAT-Produktionskoeffizienten aM,j, des Faktoreinsatzverhältnisses der beiden Potenzi-
alfaktoren cj und der prozess-spezifischen Ressourceneinsätze für die MAT-, PERS- und
TECH-Ressource.
Prozessorientierte Produktionsfunktion: Kalibrierung I/O-variabler bzw. I/O-fixer Ferti-
gungsprozesse
Die Parameter der in Gleichung (42) dargestellten prozessorientierten Produktionsfunktion
hängen einerseits von der verwendeten Technologie ab, welche im Rahmen der strategischen
Technologieentscheidung festgesetzt wird. Dies betrifft den MAT-Produktionskoeffizienten
sowie das Faktoreinsatzverhältniss der beiden Potenzialfaktoren. Die restlichen Parameter hän-
gen andererseits von den betrieblichen Entscheidungen ab. Folglich handelt es sich dabei um
die betrieblichen Stellgrößen, welche auf der Betriebsebene, wobei es sich um die Ebene 3 des
auch dieser Arbeit zugrunde liegenden hierarchischen Unternehmensmodells57
handelt, in op-
timaler Weise bestimmt werden. Konkret sind das die Prozessintensität, die Anzahl der Pro-
zess-Wiederholungen sowie die prozess-spezifischen Ressourceneinsätze für die MAT-, PERS-
und TECH-Ressourcen.
57
Das hierarchische Unternehmensmodell liegt dem ECSI-Standard [ECSI08] zugrunde, um die IT-mäßige Inter-
operabilität von Produktion und Unternehmensführung zu modellieren und zu verbesseren bzw. zu sichern (siehe
bspw. [AKSZ07]). In diesem Modell wird die Betriebsebene als Ebene 3 (Level 3) definiert. Bei der hierarchisch
übergeordneten Ebene 4 handelt es sich um die Unternehmensebene.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 105
Gleichung (K11) zeigt die kalibrierte58
Produktionsfunktion für den I/O-variablen Guss-
Prozess, wobei die Prozess-Intensität gleich 65 ME/ZE und das Faktoreinsatzverhältnis zwi-
schen der PERS- und der TECH-Ressource gleich 2 ist. Aufgrund der I/O-Variabilität des
Guss-Prozesses könnten aber sowohl der TECH-Potenzialfaktor als auch der über das konstan-
te Faktoreinsatzverhältnis eindeutig festgelegte PERS-Potenzialfaktor quasi beliebig verändert
werden.
(K11)
GussTGussPGussMGuss
GussTGussP
GussPT
GussM
GussTGussM
GussGussT
GussTGussPGussMGuss
rrrw
rrc
rda
wd
RRRX
,,,
,,
,
,
,,
,
,,,
;2
1;
651
1min65
;1
;1
min
),,(
Beim I/O-fixen Zug-Prozess, dessen kalibrierte Produktionsfunktion in Gleichung (K12) zu
sehen ist, fehlte eine derartige Flexibilität in den Potenzialfaktor-Einsätzen. So kann der
TECH-Einsatz aufgrund der I/O-Fixierung nur 6,9 ZE bzw. ganzer Vielfacher davon betragen.
(K12)
ZugTZugPZugMZug
ZugTZugP
ZugPT
ZugM
ZugTZugM
ZugZugT
ZugTZugPZugMZug
rrrw
rrc
rda
wd
RRRX
,,,
,,
,
,
,,
,
,,,
;1
1;
2,311
1min2,31
;1
;1
min
),,(
Die kalibrierten Parameter für die I/O-variablen Guss- und Press-Prozesse sowie dem I/O-fixen
Zug-Prozesse sind in Tabelle 37 zusammen gefasst dargestellt.
58
Die Kalibrierung der Prozessparameter bezüglich der Potenzialfaktor-Einsätze kann Bottom Up anhand von
Zeitmessungen oder Top Down anhand von durchschnittlichen Faktoreinsätzen, wobei der Periodeneinsatz durch
die Anzahl der Prozesswiederholungen dividiert wird, durchgeführt werden.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 106
Tabelle 37: Fertigungsprozesse – Prozessdaten
Ressourcen-Aggregation: Univariat einstufig vs. multivariat mehrstufige Aggregationen
Die zeitliche Aggregation59
der Ressourcen über die verschiedenen Prozesse, in welchen sie
eingesetzt werden, kann in verschiederner Art und Weise erfolgen. Der Charakter der einzelnen
Ressourcen bleibt bei der intertemporalen Aggregation gewahrt, wenn nur jeweils gleichartige
Ressourcen aggregiert werden. In Gleichung (43) wird eine intertemporale univariat einstufige
Aggregation als mathematische Funktion dargestellt.
(43)
j
jji
j
jii
wr
Rr
,
,
wobei Ri,j Periodischer Einsatz (in ZE) der Ressource i im Prozess j ri Periodischer Einsatz der Ressource i in allen Prozessen ri,j Einsatz der Ressource i im Prozess j (Prozesseinsatz der Ressource i)
In Abbildung 43 wird diese univariat einstufige Aggregation für die MAT-Ressource in UML-
Form dargestellt. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass bei der Aggregation immer nur die
gleiche MAT-Kategorie aggregiert wird, sodass das Aggregat die genau gleichen Merkmale
wie die in den Prozessen eingesetzten Ressourcen haben. Durch diese Aggregation kommt es
zwar zu einer zeit- und prozessbezogenen Informationsverdichtung. Das Charakteristikum60
der aggregierten MAT-Kategorie bleibt aber von der Aggrgation unberührt.
59
Die Aggregation kann im Unternehmen über verschiedene Dimensionen erfolgen, u.z. über die Zeit, über ver-
schiedene Variablen und über hierarchisch angeordnete Organisationseinheiten. 60
Die Charakteristik des Aggregats abstraktifiziert sich hingegen, wenn die Aggregation nicht mehr uni- sondern
multivariat definiert wird. Eine solche Aggregation wäre z.B. die gesamte Menge des Aggregates Obst, welches
sich z.B. aus den beiden MAT-Kategorien Äpfel und Birnen zusammen setzt.
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
Perioden-Ausbringung Xj 88.896 67.898 14.761
Intensität (ökonomische) dj
I/O-variabel 65,0 155,2
I/O-fix 31,5
Dauer rT,j
I/O-variabel 6 3,5
I/O-fix 6,9
Losgrößen xj
I/O-variabel 389,9 543,2
I/O-fix 217,1
Wiederholungen wj 228 125 68
Grundlagen der Betriebswirtschaft 107
Abbildung 43: Univariate einstufige Aggregation der MAT-Ressource über die Prozesse
Bei der systemischen Betrachtung werden verschiedene Ressourcen simultan betrachtet. In
Gleichung (44) werden beispielsweise die Einsätze der drei TECH-Kategorien T1, T2 und T3
über den Guss- (G), Press- (P), Zug- (Z) und Supervisory-Prozess (S) simultan aggregiert. Bei
der systemischen Aggregation handelt es sich um eine mehrdimensionale Aggregation. Kon-
kret liegt eine nunmehr eine multiple (vektorielle) univariate einstufige Aggregation vor. Diese
Aggregation lässt sich mathematisch elegant unter Verwendung der Matrizen-Algebra
durchgeführen, wobei die die Prozesseinsätze der drei TECH-Kategorien beinhaltende Matrix
mit den die Prozesswiederholungen enthaltenen Spaltenvektor nachmultipliziert wird.
(44)
S
Z
P
G
SPZP
ZT
PPGP
PT
GT
P
T
T
T
w
w
w
w
rr
r
rr
r
r
r
r
r
r
,,
,3
,,
,2
,1
3
2
1
0
00
00
00
0
0
Neben der Aggregation der TECH-Kategorien wird in Gleichung (44) aber auch noch gleich-
zeitig die PERS-Ressource aggregiert. Die diesbezügliche Aggregation unterscheidet sich aber
essenziell von der TECH-Aggregation. Aus der zeilenweisen Anordnung aller Prozesseinsätze
der einzelnen PERS-Ressourcen ist bereits ersichtlich, dass es sich dabei um eine multivariate
einstufige Aggregation handelt, wobei ein komplexes Aggregat entsteht, dessen Charakteristika
sich von denen der PERS-Ressourcen auf der Prozessebene unterscheiden. Sollten bei der Agg-
regation die jeweiligen Charakteristika der PERS-Kategorien erhalten bleiben, so wären die
entsprechenden Ressourceneinsätze durchgängig in der Diagonale der Matrix anzuordnen.
Abbildung 44: Fertigung-Kostenstelle – Prozessdaten
<<Prozess>>
Einsatz von
MAT-Kategorie
im Prozess j2
<<Periode>>
Einsatz von
MAT-Kategorie
<<Prozess>>
…
<<Prozess>>
Einsatz von
MAT-Kategorie
im Prozess j1
Guss-P
rozess
Pre
ss-P
rozess
Zug-P
rozess
Superv
isio
n
1.368,0 6,0 0 0 0 228
437,5 0 3,5 0 0 125
469,2 0 0 6,9 0 68
3.639,5 12,0 3,5 3,5 1 228
= .
Grundlagen der Betriebswirtschaft 108
Die beispielhafte Durchführung dieser zusammengesetzten systemischen Aggregation ist in
Abbildung 44 zu sehen. Dabei werden die TECH-Kategorien univariat und die PERS-
Ressource multivariat über alle PERS-Kategorien aggregiert.
Prozessorientierte Produktionsfunktion: Betriebliches Führungssystem
In der Sprache der Kybernetik ist es folglich Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre, die Regel-
bzw. Steuerkreise zu erforschen, Empfehlungen zur Gestaltung der Systemkreise und deren
Elemente zu geben, Hilfen bei der Bildung von Reaktionsmodellen zu stellen und dem Regler
(Management) Vorschläge zur Einstellung der Stellgrößen bei verschiedenen Störungen zu
unterbreiten. [Hein81, S. 21ff].
In der Kybernetik werden zwei Prinzipien61
unterschieden [Küpp08, S. 226]. Beim kyberneti-
schen Regelungsprinzip werden retrospektive, d.h. vergangenheitsbezogene Abweichungen der
Regelgröße von der Führungsgröße (Normgröße) zum Anlass genommen, um über den Regler
reaktive Stellgrößen abzuleiten. Die Stellgrößen wirken korrektiv auf den Prozess (Regelstre-
cke) ein, sodass dieser wieder möglichst genau der vorgegebenen Führungsgröße folgt. Beim
kybernetischen Steuerungsprinzip wird eine potenzielle Störgröße als Steuerungsgröße erfasst,
bevor sie sich auf den Prozess auswirkt. Die Steuerungsgröße führt über die Steuerung zu einer
proaktiven Stellgröße, welche auf den Prozess korrektiv einwirkt. Damit wird die potentielle
Störung prospektiv, d.h. zukunftsorientiert verarbeitet, damit der Prozess der Führungsgröße
bestmöglich folgen kann.
Abbildung 45: Stellgrößen von (Fertigungs)Prozessen
61
Die beiden Prinzipien werden nachfolgend in ihrer jeweils klassischen Variante erörtert. Darüber hinaus gibt es
auch noch jeweils adaptive Ausgestaltungen der Prinzipien, wobei die aus der Kontrolle gewonnene Information
in den Planungsprozess mit adaptiver Wirkung gekoppelt wird.
<<Prozess>>
Fertigung
<<Leistung>>
Prozess-Output
<<Stellgröße>>
Losgröße
<<Stellgröße>>
Intensität
<<Stellgröße>>
Wiederholungen
<<Stellgröße>>
Prozessdauer
Grundlagen der Betriebswirtschaft 109
Die Metageschichte der Kybernetik ist das Kreislaufmodell, welches intrinsisch dynamisch62
konstruiert ist. In Abbildung 45 wird der (Fertigungs-)Prozess aus einer solchen kyberneti-
schen63
Perspektive betrachtet. Die diesen Prozess betreffenden Entscheidungsvariablen Pro-
zessdauer, Losgröße, Intensität und Wiederholungen werden in der dynamischen Systembe-
trachtung als Stellgrößen bezeichnet. Damit wird die lenkungsrelevante Bedeutung dieser Ent-
scheidungsgrößen innerhalb des Kreislaufmodells zum Ausdruck gebracht. In soziotechnischen
Systemen sind die Stellgrößen nicht nur einmalig zu bestimmen, sonderen vielmehr müssen sie
im Zeitablauf ständig an die sich ändernde Umwelt hin neu ausgerichtet werden. Über die
Stellgrößen wird das System dynamisch an die sich stochastisch64
ändernde Umwelt angepasst.
Ihrer dynamischen Natur wegen werden die Stellgrößen mathematisch als Funktionen65
darge-
stellt. In Abhängigkeit von den im Zeitablauf gewählten Stellgrößen und der auf das soziotech-
nische System einwirkenden Störungen aus der Umwelt ergeben sich die abhängigen Variablen
des Systems. In Gleichung (45) wird der Einsatz der Ressource i, welcher in einer Periode in
den verschiedenen Prozessen verbraucht wird, zuerst in Abhängigkeit von der Stellgröße Wie-
derholungen wj dargestellt66
. Anschließend werden die jeweiligen Prozesseinsätze offen gelegt,
sodass sich auch noch weitere Stellgrößen, u.z. die Intensität di,j, die Losgröße xj sowie die An-
zahl der die Ressource verwendenden Prozesse j zeigen.
(45)
j
j
jjijijjjiii
j
j
ji
j
jii
wxdrjwxdrr
hd
wrRr
),(),,,(
..
,,,
,,
Die Unterscheidung von I/O-variablen und I/O-fixen Prozessen schlägt sich in unterschiedli-
chen Stellgrößen nieder: Bei den I/O-variablen Prozessen kann der TECH-Prozesseinsatz be-
62
Die dynamische Eigenschaft unterscheidet sie von der normativen Entscheidungstheorie, welche im klassischen
Fall statisch ausgelegt wird. 63
Die Bezeichnung Kybernetik wurde von Wiener [Wien48] geschaffen, um damit das Rückkoppelungsprinzip,
wobei zeit- und zustandsabhängige Systeminformationen zirkulär in den systemischen Prozess rückgekoppelt
werden, in der zielgrichteten Regelung von verschiedenen (sozio)technischen Systemen zu benennen. 64
Das stochastische Umfeld von soziotechnischen Systemen begründet den großen Unterschied zu den techni-
schen Systemen auf Makroebene, wo die Umwelt wesentlich stabiler und vielfach sogar deterministisch ist. Im
technischen Bereich tritt eine den soziotechnischen Systemen ähnliche Stochastik erst im quantenphysikalischen
Bereich auf, sodass sich die Metageschichte der Quantenphysik essentiell von der Metageschichte der klassischen
Physik unterscheidet. 65
Die Zeit ist praktisch bei allen Funktionen für die verschiedenen Stellgrößen ein Argument. Damit wird der
dynamische Charakter in deterministischer Weise modellhaft abgebildet. Sind die Stellgrößen darüber hinaus auch
noch abhängig vom konkret realisierten Zustand, dann wird auch die Zustandsvariable als Argument verwendet.
Im allgemeinsten Fall ist noch vorstellbar, dass die Funktion selbst zustandsabhängig ist. In diesem Zusammen-
hang wird eine stochastische Funktion zur modellhaften Abbildung der Stellgröße verwendet. 66
In dieser Darstellung werden der Einfachheit halber die Stellgrößen nicht als Funktionen, sondern nur anhand
der sie jeweils kennzeichnenden Buchstaben dargestellt.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 110
liebig gewählt werden, während er bei den I/O-fixen Prozessen auf Vielfache der Einsatzdauer
von ganzen Prozessdurchführungen beschränkt ist.
Die funktionale Modellierung der Ressourceneinsätze in Abhängigkeit von den Stellgrößen in
Gleichung (45) erweist sich auch vorteilhaft zur Darstellung der von Gutenberg [Gute51]
entwickleten Theorie der Anpassungsformen. Dieser Theoreie entsprechend werden drei parti-
elle Anpassungenformen unterschieden, u.z.
die zeitliche Anpassung, wobei nur der Ressourceneinsatz verändert wird,
die intensitätsmäßige Anpassung, wobei nur die Intensität verändert wird und
die quantitative Anpassung, wobei nur die Anzahl der Fertigungsanlagen verändert wird.
Die Optimierung der einzelnen Stellgrößen ist die zentrale Aufgabenstellung in der Betriebs-
technik. Dort gilt es insbesondere
a) die optimalen Prozessintensitäten dT,j*,
b) die optimalen Faktoreinsatzverhältnisse cPT,j*,
c) der optimalen Losgrößen xj* bzw. optimale Anzahl an Wiederholungen wj
* und
d) die optimale Anzahl und Anordnung der Fertigungsanlagen
zu bestimmen.
Im ECSI-Standard [ECSI08] werden die kybernetischen Informationen des Betriebsbereichs in
Form von Prozess- und Betriebsdaten – wie schon die Ressourcen-Daten – ebenfalls einer
Standardisierung zugeführt. Die Prozessdaten werden dabei im Produktsegement und die Be-
triebsdaten werden im Prozesssegment modelliert. Die für das prozessorientierte Kostenmodell
wichtigen Prozess- und Betriebsdaten sind in Tabelle 38 zu sehen.
Tabelle 38: Fertigungsprozesse – Prozessdauern und Leistungsfähigkeiten (ERPC-Bericht)
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
Intensität (ökonom.) dj 65,0 155,2 31,5
Losgröße xj 389,9 543,2 217,1
Prozess-Dauer rT,j 6 3,5 6,9
TECH-Produktionskoeffizient aT,j = rT,j/xj 0,0154 0,0064 0,0318
Wiederholungen wj 228 125 68
period. TECH-Einsatz (ZE) RT,j 1.368 438 469
period. TECH-Einsatz (in %) RT,j (in %) 60,14% 19,23% 20,63%
period. PERS-Einsatz (ZE) RP,j 2.736 438 238
period. PERS-Einsatz (in %) RP,j (in %) 80,20% 12,82% 6,98%
Faktoreinsatz-Verhältnis RP,j/RT,j 2 1 0,5
period. TECH-Kapaz. (ZE) CT,j 1.456 1.456 1.456
period. PERS-Kapaz. (ZE) CP,j 2.912 1.456 728
Kapaz. Verhältnis CP,j/CT,j 2 1 0,5
Auslastung RT,j/CT,j 93,96% 30,05% 32,23%
Grundlagen der Betriebswirtschaft 111
Im Rahmen des prozessorientierten Kostenmodells werden diese Ressourceneinsätze vorzugs-
weise als Bezugsgrößen für die Beschäftigung bzw. als Kostenbestimmungsfaktor (Kostenein-
flussgröße) verwendet. Die Beschäftigung bezieht sich folglich auf die in der Periode genutzte
Leistungsfähigkeit. Die maximal verfügbare Leistungsfähigkeit spezifiziert die Kapazität. [sie-
he z.B. HoLi07, S. 60].
Stellgrößen im Zeitablauf: Offenlegung der intertemporalen Produktionsstrategien
Nunmehr wird der dynamische Charakter der Stellgrößen im Zeitablauf betrachtet. Stellgrößen
sind dynamische Größen, welche es nicht nur einmal zu bestimmen gilt, vielmehr müssen sie
im Zeitablauf ständig an die sich ändernden Bedingungen angepasst werden. In Tabelle 39
handelt es sich bei der quartalsweisen Produktionsmenge XPj,Q um die aggregierte Stellgröße.
Sie lässt sich im Zeitablauf über die sie bestimmenden Anpassungsformen67
an die konkrete
Entwicklungen der Absatzmenge XA(j),Q anpassen. Letztendlich, d.h. in the long run hat sich die
Produktionsmenge an den Markt anzupassen. Zwischenzeitliche Abweichungen sind über die
Lagerbildung nicht nur möglich, sondern vielfach auch strategisch angebracht. Betrachtet man
die gezogenen Kerzen, so fällt auf, dass diese v.a. im 4. Quartal, welches die Adventzeit bein-
haltet, und im 1. Quartal, welches die Osterzeit beinhaltet, abgesetzt werden. Um für diese
Quartale genügend Angebot bieten zu können, müssen in den absatzschwächern Quartalen ent-
sprechende68
Lagerbestände aufgebaut werden. Die Produktionsstrategie für die Zugkerzen
antizipiert folglich anti-zyklisch die zyklische Entwicklung der Absatzmenge. Im Bereich der
gegossenen Kerzen wird hingegen aufgrund des einiger Maßen konstanten quartalsweisen Ab-
satzes eine ziemlich konstante Produktionsstrategie gefahren. Tabelle 38 zeigt darüber hinaus,
dass die dabei gefahrenen Produktionsmengen recht nahe der Kapazitätsgrenze angesiedelt
sind.
67
Zu den Stellgrößen auf der Betriebsebene zählen gemäß der Gutenberg‟schen Theorie der Anpassungsformen
neben den Prozesswiederholungen, die Lösgrößen, die Intensitäten und die Anzahl an Fertigungsanlagen. 68
Aufgrund der benötigten Breite im Segment der Zugkerzen müssen gegenüber den engeren Sortimenten in den
anderen Bereichen erheblich höhere Lagerbestände übers Jahr geführt werden.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 112
Tabelle 39: Quartalsweise Lager-, Produktions- und Absatzmengen (ERPC-Bericht)
Diese produktionsstrategischen Unterschiede auf Ebene der einzelnen Leistungskategorien sind
auf der gesamt aggregierten Betrachtungsebene, wobei es sich um die letzte Spalte von Tabelle
39 handelt, nicht zu erkennen. So zeigt sich über ein Jahr auf der gesamthaft aggregierten Ebe-
ne nur eine geringfügige Reduktion der Lagerbestände. Wie die vorangegangen Ausführungen
gezeigt haben, darf aufgrund dieser Tatsache nicht geschlossen werden, dass es auch auf der
Mirkoebene keine Änderungen gibt.
In Gleichung (46) werden die soeben beschriebenen Zusammenhänge zwischen den Produkti-
ons-, Absatz- und Lagermengen mathematisch beschrieben. Der Lagerbestand am Ende der
Periode, d.h. im Zeitpunkt T bestimmt sich aus dem Lagerbestand am Periodenanfang, d.h. im
Zeitpunkt 0 zuzüglich der Summe der Veränderungen in den vier quartalsweisen Lagerbestän-
den. Weiters ergibt sich die quartalsweise Veränderung des Lagerbestandes aus dem Maximum
zwischen a) der Produktions- zuzüglich der Lager- und abzüglich der Absatzmenge und b)
Null. Durch die Maximumfunktion wird sicher gestellt, dass der Absatz nicht größer als die
sich aus Produktions- und Lagermenge zusammen setzende Angebotsmenge sein kann.
(46)
)0;max( ),(),(),(),(
4
1
),(0),(),(
QjAtjLQjPQjL
Q
QjLjLTjL
xxxx
mit
xxx
wobei XA(j),Q Absatzleistung: Absatz(menge) von Produkt k in der Periode Q xL(j),0 Lagermenge des j-Prozessprodukts im Zeitpunkt 0 xL(j),T Lagermenge j-Prozessprodukts im Zeitpunkt T XP(j),Q Betriebsleistung: Produktionsmenge j-Prozessprodukts in der Periode Q
xL(j),Q Veränderung der Lagermenge j-Prozessprodukts im Quartal Q
Hinweis zur Notation:
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z) Gesamt
p.a. xL(j) 1.426 -2.170 716 -28
xL(j),0 15.250 6.199 10.579 32.028
XP(j),Q1 23.394 17.925 3.907 45.226
XA(j),Q1 17.876 17.512 5.770 41.158
xL(j),3m 20.768 6.612 8.716 36.096
XP(j),Q2 22.224 17.925 3.907 44.056
XA(j),Q2 20.957 10.915 1.526 33.398
xL(j),6m 22.035 13.622 11.097 46.754
XP(j),Q3 19.885 13.579 2.822 36.286
XA(j),Q3 26.057 11.862 1.875 83.040
xL(j),9m 15.863 15.339 12.044 43.246
XP(j),Q4 23.394 18.468 4.124 45.986
XA(j),Q4 22.581 29.779 4.873 57.233
xL(j),12m 16.676 4.028 11.295 31.999
Q1
Q2
Q3
Q4
Grundlagen der Betriebswirtschaft 113
Es ist wichtig zwischen Periodengrößen wie z.B. Produktion und Absatz und Zeitpunktgrößen
wie z.B. Lagerbestand zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist am verwendeten Subindex zu
erkennen. Periodengrößen werden mit den Perioden-Subindizes W, Q und Y, welche für Wo-
che, Quartal und Jahr stehen, gekennzeichnet und für Zeitpunktgrößen wird der Zeitpunkt-
Subindex t, T verwendet.
Hinter den quartalsweise aggregregierten Produktionsmengen stehend die in Tabelle 40 ange-
gebenen Prozesswiederholungen. Sie zeigen die verschiedenen Produktionsstrategien anhand
der zentralen69
Stellgröße in Form der Prozesswiederholungen. Die Anzahl der Wiederholun-
gen werden im ERP-CONTROL im Rahmen der Betriebdatenerfassung jeweils nach Prozess-
durchlauf automatisch dem ERP-System rückgemeldet. Die dazu erforderlichen Daten sind im
Performance-Modell der DIN EN 62264 ebenfalls standardisiert.
Tabelle 40: Prozesswiederholungen – Quartalsweise Realisationen
In einfacheren Systemen lässt sich die Anzahl der Prozesswiederholungen näherungsweise
auch über eine Durchschnittsbetrachtung ermitteln. Kann unterstellt werden, dass die Losgröße
konstant ist, dann lässt sich die Anzahl der Wiederholungen wj,Q durch Division der periodi-
schen Produktionsmenge XP(j),Q durch die Losgröße xj näherungsweise – wie in Gleichung (47)
–berechnen.
(47)
j
QjP
Qj
QjjQjP
x
Xw
sodass
wxX
),(
,
,),(
wobei wj,Q Wiederholungen des Prozesses j im Quartal Q xj Losgröße des Prozesses j XP(j),Q Quartalsweise Produktionsmenge des Prozesses j
69
Die restlichen betrieblichen Stellgrößen sind von untergeordneter Bedeutung, zumal sie bereits auf ein optima-
les Niveau gesetzt wurden und somit sinnvollerweise nicht mehr disponibel sind.
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z) p.a. Xj 88.896 67.898 14.761
p.a. Xj 88.896 67.898 14.761 LG xj 389,9 543,2 217,1
Q1 XP(j),Q1 23.394 17.925 3.907 p.a. wj 228 125 68
Q2 XP(j),Q2 22.224 17.925 3.907 Q1 wj,Q1 60 33 18
Q3 XP(j),Q3 19.885 13.579 2.822 Q2 wj,Q2 57 33 18
Q4 XP(j),Q4 23.394 18.468 4.124 Q3 wj,Q3 51 25 13
Q4 wj,Q4 60 34 19
Grundlagen der Betriebswirtschaft 114
ECSI-Standard [ECSI08]: Hierachisches Unternehmensmodell
Der weltweite ECSI-Standard wird in dieser Arbeit in Form der Normenreihe DIN EN 62264
verwendet. Der ECSI-Standard baut am dem hierarchischen Unternehmensmodell auf, welches
von Williams [Will89] an der Purdue University Ende der 80er Jahren im Zusammenhang mit
dem Computer Intergrated Manufacturing (CIM) entwickelt wurde.
IT Systeme im industriellen Umfeld können in verschiedene funktionale Kategorien eingeteilt
werden. Die Normenreihe DIN EN 62264 verwendet ein hierarchisches Unternehmensmodell
mit vier Ebenen, die ursprünglich in der Purdue Enterprise Reference Architecture (PERA) [1]
und [2] definiert wurden.
Ebene 4 entspricht der strategischen und taktischen Unternehmensführung mit Aktivitäten
im Bereich Einkauf, Verkauf, Langzeit-Planung, Management von Produktionsstandorten,
Logistik, Personalwesen etc.
Ebene 3 enthält Aktivitäten aus den Bereichen Produktionsleitung, Qualitätsmanagement,
Wartung, und Materialbestandsführung.
Ebene 2 umfasst Automatisierungs- und Kontrollsysteme für verschiedene Industrien:
chargenorientierte oder kontinuierliche Produktion sowie diskrete Fertigung.
Ebene 1 umfasst die Automatisierungsobjekte, also die zu automatisierenden Geräte und
Maschinen.
Die Normenreihe DIN EN 62264 behandelt die IT-Integration von Unternehmensführung
(Ebene 4) mit der Kontrollsystemebene (Ebene 2). Ziel dieser Aktivität ist die möglichst voll-
ständige und in allen Industriezweigen anwendbare Definition und Beschreibung der zwischen
Leitsystem und Unternehmens-EDV angesiedelten Funktionen sowie der auszutauschenden
Informationen. Damit soll eine klare Definition von Systemgrenzen (ERP – MES –
DCS/SCADA) und Verantwortlichkeiten zur Verfügung stehen. Unterhalb der Ebene 4 sind
dabei alle Aufgaben angesiedelt, die sich auf folgende Funktionen beziehen bzw. diese beein-
flussen:
Betrieb der Produktionsanlage sowie die in diesem Rahmen auszuführenden Tätigkeiten
Sicherheit der Fertigung bzw. der Prozesse
Sicherheit und Qualität der hergestellten Produkte
Grundlagen der Betriebswirtschaft 115
Einhaltung von Industriestandards bezüglich Produktion und Qualität (z.B. FDA, IFS,
GAMP)
Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Produktion. [AKSZ07, S. 53].
Abbildung 46: Hierarchisches Unternehmensmodell [ECSI08, S. 15]
ECSI-Standard [ECSI08]: Funktionales Unternehmensmodell
Grundlagen der Betriebswirtschaft 116
Abbildung 47: Funktionales Unternehmensmodell [ECSI08, S. 23]
Im ECSI-Standard [ECSI08, S. 23] wird die Schnittstelle zwischen der Unternehmensebene
(Ebene 4) und der Betriebsleitebene (Ebene 3) anhand des in Abbildung 47 dargestellten funk-
tionalen Unternehmensmodell in Form von 10 Funktionen (Prozesskategorien) standardisiert.
Die 10 Funktionen sind von (1.0) bis (10.0) numeriert. Die Zahlen können u.a. verwendet wer-
den, um den Informationsfluss vom Auftragseingang über die Produktionssteuerung zum Ver-
sand zu strukturieren.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 117
Abbildung 48: Funktionales Unternehmensmodell (Vereinfachung)
Abbildung 48 enthält eine vereinfachte Variante, welche von Adams et al. [AKSZ07, S. 54]
entnommen ist, des funktionalen Unternehmensmodells des ECSI-Standards. Durch die farbli-
che Gestaltung wird dabei gegenüber dem Original das hierarchische Organisationmodell bes-
ser ersichtlich. In der Farbe hell-organge ist der Betriebsbereich dargestellt. Alles außerhalb
des dadurch abgegrenzten Bereichs ist der Unternehmensbereich. In dunkel-orange sind die
verschiedenen Aktivitäten der Betriebsleitebene, wobei es sich um die Ebene 3 im hierarchi-
schen Unternehmensmodell handelt, dargestellt. Im ECSI-Standard ist der Informationsfluss
zwischen dem Betriebs- und den Unternehmensbereich von zentraler Bedeutung. Zur Veran-
schaulichung des Informationsflusses wird ein Durchlauf eines Auftrages vom Eingang bis zur
vollständigen Abwicklung inklusiver aller damit verbundenen Aktivitäten betrachtet. Ausge-
hend vom Auftragseingang (Order Processing), welcher mit 1.0 numeriert wird, gibt es einen
wechselseitigen Informationsaustausch zur Disposition (Production Scheduling 2.0), welcher
durch strichlierte Pfeile angezeigt wird. Die Strichliertheit bedeutet, dass dieser Informations-
fluss nicht explizit im ECSI-Standard modelliert wird. Von der Disposition gibt es nun einen
vielfältigen Informationsaustausch in die unterschiedlichsten Richtungen. Explizit modelliert
wird der Informationsfluss zur Produktionssteuerung (Production Control 3.0) und zur Lager-
haltung (Product Inventory Control 7.0).
Ziel ist die Kategorisierung und Strukturierung der über die Schnittstellen zwischen Ebene 3
und Ebene 4 auszutauschenden Informationen nach den folgenden Kategorien:
Grundlagen der Betriebswirtschaft 118
Product Definition – Definition der Produkte mittels Spezifikation bestimmter Ressourcen-
eigenschaften, insbesondere die hierarchische Einsatzstoffliste und Produkt-/Prozess-
parameter
Production Capability – Verfügbarkeit, Eigenschaften, Einschränkungen von Ressourcen
Production Schedule – Produktionsaufträge mit Anforderungen an die zu verwendenden
Ressourcen
Production Performance – Rückmeldung über tatsächlich verwendete Ressourcen, insbe-
sondere produzierte und verbrauchte Materialien
Jeweils bezogen auf die Ressourcenmodelle für:
Equipment (TECH-Ressource) – Anlagenstruktur gemäß Bild 4
Personnel (PERS-Ressource) – Mitarbeiterstruktur und –rollen
Material (MAT-Ressource) – Materialnamen, Materialtypen und -klassen für Roh-, Zwi-
schen- und Fertigprodukte, Materiallose etc.
Process Segment – Prozessbeschreibung. [AKSZ07, S. 54].
Inhalt von Abbildung 49 ist das im ECSI-Standard [ECSI08, S. 35] spezifizierte Modell für
den Informationsaustausch. Die Unternehmensebene70
(Ebene 4) wird dabei über vier Informa-
tionskategorien informational mit der Betriebsleitebene – inklusive der Produktionssteuerung
(PS) auf Ebene 3 – verbunden.
Abbildung 49: Informationale Schnittstelle zwischen Ebene 3 und Ebene 4 [ECSI08, S. 35]
70
Diese Ebene wird gelegentlich auch als ERP-Ebene bezeichnet. Diese Bezeichnung darf aber nicht mit dem
ERP-CONTROL, welches nicht nur die Daten und Informationsflüsse der Ebene 4, sondern auch der restlichen
Ebenen beinhaltet, verwechselt werden.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 119
ECSI-Compliance: Hierarchisches und funktionales Unternehmensmodell
In der KERZEN-EWF sind der Unternehmens- (Ebene 4) und Betriebsbereich (Ebene 1, 2 und 3)
nach dem hierachischen Unternehmensmodell des ECSI-Standards aufgebaut.
Auf Unternehmensebene (Ebene 4) sind folgende Fachbereiche eingerichtet: Verwaltung
(inklusive Geschäftsführung und Revision), Finanzwesen (externes und internes Rech-
nungswesen, Treasury und Controlling), Vertrieb (Marketing und Logistik) und Gebäude
(Facility Management) eingerichtet.
Auf Betriebsleitebene/Produktionssteuerung (Ebene 3) sind die Fertigung und die Material-
bzw. Lagerhaltung eingerichtet. Die Fertigung ist für die Produktionssteuerung, das Quali-
tätsmanagement und die Instandhaltung zuständig. Neben der PPS fallen auch die Agenden
der Fertigungsplanung und -steuerung, welche auf Ebene 2 ausgeführt werden, sowie die
auf Ebene 1 ausgeführte Prozesssteuerung in den Kompetenzbereich der Fertigung. Die
Material- bzw. Lagerhaltung sind für die Materialbestandsführung sowie die operativen
Agenden der betrieblichen Logistik zuständig.
Abbildung 50: Funktionales Unternehmensmodell – Informationsflüsse zw. Ebene 3 und 4
Abbildung 50 zeigt die Informationsflüsse in der KERZEN-EWF, welche zwischen der Ebene 3
des Betriebsbereichs und der Ebene 4 des Unternehmenbereichs fließen. Die Matrix ist folgen-
dermaßen zu lesen: Die Diagonale der Matrix enthält die 10 Funktionen. Die Informationsflüs-
von
zu
Grundlagen der Betriebswirtschaft 120
se zeigen sich von den Zeilen zu den Spalten. Die Produktionsaufträge fließen beispielsweise
von der Auftragsabwicklung (Zeile 1.0) zur Disposition (Spalte 2.0).
Prozessorientierte Kostenrechnung: Konstruktion und Kalibrierung von Kosten-
modellen
Die bislang thematisierten produktionstheoretischen Ausführungen beziehen sich auf den
Betriebsbeich (Ebene 1, 2 und 3). Im nunmehr folgenden Kapitel werden kostentheoretische
Aspekte behandelt, womit konzeptionell auf die Unternehmensebene (Ebene 4) gewechselt
wird. Durch den engen Bezug der Kosten- zur Produktionstheorie entsteht dabei ein prozess-
orientiertes Kostenmodell71
, welches sowohl der Unternehmens- als auch der Betriebsebene ein
gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprache geben sollte. In diesem Sinn sollte es
helfen, die Sprachbarriere zwischen der Betriebs- und der Unternehmensebene zu überwinden:
Das Problem ist altbekannt und bisher ungelöst: Auf der Unternehmensleitebene wird anders
gedacht, gesprochen und gerechnet als auf Produktionsebene – das gilt für Menschen und Sys-
teme gleichermaßen. Deshalb übernimmt die Normenreihe DIN EN 62264 „Integration von
Unternehmens-EDV und Leitsystemen“ einen neuen Versuch, diese „Sprachbarriere“ weitge-
hend zu beseitigen und damit die Kommunikation innerhalb von Unternehmen durchgängig
und effizient zu gestalten. Dieser erste Teil des zweiteiligen Artikels führt zunächst eine einheit-
liche Terminologie für ein hierarchisches Unternehmensmodell ein. Darauf aufbauend werden
die neu definierten Schnittstellen zwischen ERP-Systemen auf Unternehmensleitebene einer-
seits und Produktionsleitsystemen (MES/MOS) andererseits vorgestellt. [AKSZ07, S. 52].
Hinweis zum Übergang von der betrieblichen Produktions- zur betrieblicen Kostentheorie:
Der Betriebsbereich des Unternehmens wird in der betrieblichen Produktionstheorie technisch
modelliert, sodass Produktivitätsanalysen durchgeführt werden können. In der betrieblichen
Kostentheorie wird der Betriebsbereich hingegen ökonomisch in Form von monetären Kosten
betrachtet, womit Wirtschaftlichkeitsanalysen möglich werden. Der Wirtschafts-Ingenieur bzw.
Wirtschafts-Informatiker sollte in beiden Bereichen fachlich fundiert sein, um die entsprechen-
den Analysen fachkundig durchführen zu können.
Aus der Prozessperspektive rückt bei der KLR das prozessorientierte Kostenmodell bzw. die
mit ihre einher gehende prozessorientierte Kostenrechnung72
in den Mittelpunkt der Betrach-
71
Beim prozessorientierten Kostenmodell handelt es sich um die Meta-Kostenrechnung (Metageschichte) der
prozessorientierten Kostenrechnung. Im Unterschied zur Prozesskostenrechnung werden dabei die Prozesskosten
im Rahmen einer positiven Theorie erklärt (Erklärungsmodell) und nicht dem dortig reduzierten Kostenmodell
entsprechend als gegeben angenommen. Dieser kostentheoretische Zugang ermöglicht es, die Prozesskosten in
funktionaler Abhängigkeit der betrieblichen Stellgrößen sehen, sodass ein gemeinsames Verständis und eine ge-
meinsame Sprache für die Betriebs- und Unternehmensebene geschaffen wird. 72
In der Sprache der Mathematik entspricht das Verhältnis des Kostenmodells zur Kostenrechnung etwa dem von
Algebra zur Arithmetik. Die kostenmodellhafte Denkweise ist der algebraischen Denkweise konzeptionell ähnlich
und im Rechenwerk der Kostenrechnung wird mit konkreten Zahlen gerechnet.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 121
tung. Im prozessorientierten Kostenmodell werden die Grundprinzipien gelegt, aus denen die
prozessorientierte Kostenrechnung abgeleitet wird. Auf der Ebene des Kostenmodells wird
bestimmt, warum, wann, was, wie auf der Ebene der Kostenrechnung gerechnet wird.
PROWI-Perspektive: Einbeziehung organisationaler und monetärer Aspekte
In der Prozessperspektive wird die KLR vor dem Hintergrund von Produktions- und
Fertiungsprozessen gesehen. Zumal diese Prozesse in einem organisationalen Kontext
eingebetten sind, sind auch die entsprechenden Kostenmodelle in einen organisationalen bzw.
betrieblichen Kontext eingebunden. Als organisationaler Archetypus ist das auf der linken Sei-
te von Abbildung 51 dargestellte Organisationsmodell etabliert. Es wird auch in dieser Arbeit
verwendet, indem grundsätzlich zwischen einem direkten und einem indirekten Bereich unter-
schieden wird. Im direkten Bereich werden die Kostenträger, wobei es sich um die im Unter-
nehmen letztendlich produzierten Sach- oder Dienstleistungen73
handelt, produziert. In Indust-
rieunternehmen handelt es sich bei den Kostenträgern um Sachleistungen in Form von physi-
schen (materiellen) Produkten. Im Prozessmanagement (PM-Ontologie), wobei drei Prozesska-
tegorien unterschieden werden, werden die im direkten Bereich ausgeführten Prozess als Ge-
schäftsprozesse bezeichnet. Der indirekte Bereich ist komplementär zum direkten Bereich de-
finiert. Es ist also der Bereich, in welchem keine Kostenträger produziert werden. Die dort lau-
fenden Prozesse werden im Prozessmanagement unterschieden, u.z. in die den Geschäftspro-
zess unterstützenden Stützprozesse und in die Managementprozesse, wobei es sich um die dis-
positiven Prozesse handelt. Im Controlling74
(CONTROL-Ontologie) wird der direkte Bereich
auch als Leistungssystem gesehen und der indirekte Bereich deckt sich mit dem Führungs-
oder Managementsystem.
Abbildung 51: Modellierung der Unternehmensorganisation in der KLR
73
Bei den Sach- und Dienstleistungen handelt es sich um die beiden originären Leistungskategorien, woraus
durch Kombinationen die hybriden Leistungen (derivative Leistungen) abgeleitet werden. 74
Im umfassend koordinationsorientierten Ansatz von Hans-Ulrich Küpper wird beispielsweise zwischen dem
Leistungs- und dem Führungs- oder Managementsystem unterschieden [Küpp08, S. 28ff].
CONTROL-Ontologie
Führungssystem
(Steuerungshierarchie)
Leistungssystem
indirekter Bereich
Managementprozesse
Stützprozesse
Geschäftsprozessedirekter Bereich
PROWI-Ontologie PM-Ontologie
Grundlagen der Betriebswirtschaft 122
Der prozessorientierten Kostenrechnung75
liegt das sogenannte Prozesskostenmodell, welches
nachfolgend schrittweise hergeleitet wird, zugrunde. Die in dieser Arbeit aus der prozess-
orientierten Produktionstheorie abgeleitete prozessorientierte Kostenrechnung unterscheidet
sich von der gleichnamigen von Jens Knoop [Knoo87] für flexible Fertigungssysteme einge-
führten Kostenrechnung insbesondere hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs und ihres Detail-
lierungsgrades. Die prozessorientierte Kostenrechnung von Knoop bezieht sich explizit auf den
Fertigungsbereich und sie ist sehr detailliert formuliert. Die in dieser Arbeit prozessorientiert
konzipierte Kostenrechnung lässt sich hingegen auf alle Prozesse und nicht nicht nur auf die
Geschäftsprozesse im direkten Bereich anwenden. Sie basiert auf einem generischen Modell
zur Erklärung der Prozesskosten, welches sich aufgrund seiner allgemeinen Formulierung in
unterschiedlichen Kontexten mit unterschiedlichen Ausgestaltungen implementieren lässt.
Prozesskosten-Modell: Konstruktion als generisches 3-Ressourcen-Kostenmodell
In dieser Arbeit wird das Prozesskostenmodell REA-konform als generisches 3-Ressourcen-
Kostenmodell76
konzipiert, wobei die Einsätze der drei Produktionsfaktoren MAT, PERS und
TECH als die zentralen Kostentreiber fungieren. Dieses generische Modell hat den Vorteil,
sodass sich damit alle Prozesse konzeptionell vollständig mit dem gleichen Modell analysieren
lassen. Die Art der erstellten Leistung spielt keine Rolle, d.h. es ist einerlei, ob Sach- oder
Dienstleistungen erstellt werden. Werden im Prozess Sachleistungen (Dienstleistungen) produ-
ziert, dann handelt es sich bei der Prozessausbringung um Sachleistungen (Dienstleistungen).
Die Unterschiede zwischen verschiedenen Prozessen zeigen sich ausschließlich in unterschied-
lich ausgeprägten Faktoreinsätzen bzw. Prozessausbringungen. So wird z.B. bei einem reinen
Dienstleistungsprozess nur die PERS-Ressource eingesetzt und mangels MAT-Ausbringung
eine immaterialle Prozessausbringung (Service) produziert. Darüber hinaus wird durch die
Verwendung des generischen Modells auch die durchgängige Verbrauchsorientierung77
in der
Bestimmung der variablen Kosten der in den Prozessen erstellten Leistungen gesichert.
Bei den partiellen Prozesskosten vi,j handelt es sich um die variablen Ressourcen-spezifischen
Prozesskosten, welche dem Verursachungsprinzip entsprechend als Produkt des Ressourcen-
75
Die prozessorientierte Kostenrechnung ist konzeptionell von der Prozesskostenrechnung zu unterscheiden. Die
Prozesskostenrechnung wird im deutschen Sprachraum vielfach im indirekten Bereich eingesetzt, um die dort
anfallenden Gemeinkosten den Prozessen zuzurechnen. Bei der Prozesskostenrechnung geht es nicht primär um
die Erklärung von Kosten, sondern vielmehr um die prozessbezogene Darstellung der Kosten. Die Prozess-
kostenrechnung verwendet demnach kein prozessorientiertes, sondern ein reduziertes Kostenmodell, wobei die
originäre Kostenentstehung nicht mehr thematisiert wird. 76
Durch die generische Definition der Ressourcen wird zudem eine flexible Schnittstelle geschaffen, an die kon-
zeptionell jede beliebige Aggregationsstufe in das Prozesskostenmodell eingehängt werden kann. Darüber hinaus
das generische 3-Ressourcen-Kostenmodell auch für volkswirtschaftliche Analysen verwendet werden, wo die
PERS- bzw. TECH-Ressource als Arbeit bzw. Kapital sowie Grund und Boden definiert werden. 77
Siehe z.B. [Habe04, S. 41].
Grundlagen der Betriebswirtschaft 123
Faktorpreises und des Ressourcen-Einsatzes pro einmaliger Prozessdurchführung definiert
werden.
(48) jiji
nozesskostePrpartielle
jvi qr ,,,
wobei
vi,j Variable Prozesskosten der i-ten Ressource im j-ten Prozess
qi,j Preis der i-ten Ressource (Faktorpreis) im j-ten Prozess ri,j Einsatz der i-ten Ressource im j-ten Prozess (Faktoreinsatz)
Die partiellen Prozesskosten werden für die MAT-, die PERS- und die TECH-Ressourcen be-
stimmt. In allen Fällen handelt es sich um variable Kosten, welche mit einer einmaligen Pro-
zessdurchführung entstehen. Der variable Charakter der partiellen Prozesskosten wird bei der
PERS- und der TECH-Ressource explizit angegeben, zumal bei diesen beiden Potenzialfakto-
ren auch noch fixe Kosten anfallen. Die MAT-Prozesskosten werden durchgäng als variabel
angesehen, weshalb ein expliziter Hinsweis auf deren variablen Charakter unterbleiben kann.
(49)
jvTjvTjvT
jvPjvPjvP
jMjMjM
qr
qr
qr
,,,
,,,
,,,
wobei
M,j MAT-Prozesskosten im j-ten Prozess
vP,j Variable PERS-Prozesskosten im j-ten Prozess
vT,j Variable TECH-Prozesskosten im j-ten Prozess
rM,j MAT-Einsatz im j-ten Prozess rvP,j PERS-Einsatz im j-ten Prozess rvT,j TECH-Einsatz im j-ten Prozess qM,j MAT-Faktorpreis im j-ten Prozess qvP,j PERS-Faktorpreis im j-ten Prozess qvT,j TECH-Faktorpreis im j-ten Prozess
Die variablen Prozesskosten v,j ergeben sich durch Addition der drei Ressourcen-spezifischen
partiellen Prozesskosten.
(50)
jvTjvPjM
i
jvi
nozesskostePriablevar
jv
,,,
,,
wobei
v,j Variable Prozesskosten im j-ten Prozess
Grundlagen der Betriebswirtschaft 124
Bei den variablen Prozesskosten, welche ihrer ressourcenspezifischen Abstammung gemäß
auch variable MPT-Prozesskosten bezeichnet werden, handelt es sich somit um die mit den
Faktorpreisen78
bewerteten Ressourcen-Einsätze pro Prozessdurchführung.
Prozesskosten-Modell: Kalibrierung des generischen 3-Ressourcen-Kostenmodells
Zur praktischen Verwendung gilt es das Prozesskostenmodell zu kalibrieren. Im Rahmen der
Modellkalibrierung stellt sich die zentrale Frage: Woher kommen eigentlich die Faktorpreise?
Die Beantwortung dieser Frage ist Ressourcen-spezifisch. Die Faktorpreise für die MAT-
Ressource rM,j sowie die Fremdleistungen werden vielfach marktmäßig79
bestimmt. Die
Faktorpreise für die PERS-Ressourcen rP,j und TECH-Ressourcen rT,j werden hingegen zumeist
historisch80
aus Werten der Vergangenheit bestimmt.
Zumal in der KERZEN-EWF ein eingeschwungener Betriebszustand vorliegt, lassen sich die
PERS- bzw. TECH-Faktorpreise historisch einigermaßen zuverlässig ermitteln. Der MAT-
Faktorpreis ist von den Marktpreisen abhängig, sodass er über die marktmäßigen Rohstoffprei-
se bestimmt wird. Tabelle 41 enthält die Ressourcen-Einsätze und Faktorpreise der drei generi-
schen Ressourcen. Mit diesen unternehmensbezogenen Daten sind die Prozesskostenmodelle
für den Guss-, Press- und Zug-Prozess vollständig kalibriert.
Tabelle 41: Prozesskosten für den Guss-, Press- und Zug-Prozess
78
Handelt es sich bei den Ressourcen des generischen Prozesskostenmodells um Aggregatsgrößen, dann sind im
Kostenmodell auch Faktorpreise qi,j zu verwenden, welche sich auf das entsprechende Aggregationsniveau bezie-
hen. 79
Bei der marktbasierten Kalibrierung werden die Faktorpreise der Ressourcen aus Marktpreisen abgeleitet. 80
Bei der historischen Kalibrierung werden die Faktorpreise mit Hilfe von statistischen Methoden aus histori-
schen Kosten abgeleitet. Das klassische Beispiel sind die Standardkosten, wobei es sich um durchschnittliche
Kosten über mehrere Perioden (Zeitdurchschnitt) handelt.
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
MAT-Einsatz rM,j 389,89 543,18 217,08
PERS-Einsatz rvP,j 12,00 3,50 3,50
TECH-Einsatz rvT,j 6,00 3,50 6,90
MAT-Faktorpreis qM,j 1,5448 1,0769 1,3422
PERS-Faktorpreis qvP,j 7,5213 7,5213 7,5213
TECH-Faktorpreis qvT,j 11,4068 11,4068 11,4068
MAT-Prozesskosten M,j 602,32 584,96 291,36
PERS-Prozesskosten vP,j 90,26 26,32 26,32
TECH-Prozesskosten vT,j 68,44 39,92 78,71
var. Prozesskosten v,j 761,02 651,21 396,39
Grundlagen der Betriebswirtschaft 125
Zur konkreten Veranschaulichung wird in Gleichung (K13) das kalibrierte Prozesskostenmo-
dell für den Guss-Prozess dargestellt.
(K13) 02,76144,6826,9032,602,,,, GussvTGussvPGussMGussv
Prozesskosten-Modell: Aggregation der Prozesskosten ergibt die Periodenkosten
Die variablen Periodenkosten81
des j-ten Prozesses werden über eine zeitliche Aggregation
(Längsschnittaggregation) aus den Prozesskosten bestimmt. Im Falle konstanter Produk-
tionslose werden die Ressourcen-bezogenen Prozesskosten mit der Anzahl der Prozessdurch-
führung wj in der Betrachtungsperiode mulitipliziert, was die partiellen Periodenkosten ergibt.
(51) jjvi
stenPeriodenkopartielle
jvi wK ,,
wobei Kvi,j Variable Periodenkosten der i-ten Ressource im j-ten Prozess
Tabelle 42 enthält die für die Längsschnittaggregation benötigten Informationen für den Guss-,
Press- und Zugprozess.
Tabelle 42: Periodenkosten – Aggregation der Prozesskosten
In Gleichung (K14) wird die Berechnung exemplarisch für die MAT-Ressource des Gusspro-
zesses durchgeführt, woraus sich die MAT-Periodenkosten des Gussprozesses KM,Guss ergeben.
81
Der Übergang auf die Periodenkosten schafft einen neuen Zugang zur prozessorientierten Kostenrechnung. In
der bisherigen Darstellung der prozessorientierten Kostenrechnung wurde von den Prozesskosten ausgegangen,
welche zu den Periodenkosten aggregiert wurde. Die die Betrachtung der Periodenkosten ist es aber nunmehr auch
möglich, Perioden- anstatt Prozesskosten zu erfassen und diese auf die Prozess zu verrechnen. Diese Vorgehens-
weise wird in der Praxis vielfach angewandt, wo die Periodenkosten auf der Unternehmensebene (Ebene 4) mit
Hilfe des FIBU-System erfasst und im Rahmen der klassischen Kostenrechnung verrechnet werden.
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
MAT-Prozesskosten M,j M,j = rM,j * qM,j 602,32 584,96 291,36
PERS-Prozesskosten vP,j vP,j = rvP,j * qvP,j 90,26 26,32 26,32
TECH-Prozesskosten vT,j vT,j = rvT,j * qvT,j 68,44 39,92 78,71
var. Prozesskosten v,j v,j = i,j 761,02 651,21 396,39
Wiederholungen wj wj 228 125 68
MAT-Periodenkosten KM,j KM,j = M,j * wj 137.329 73.120 19.812 KM 230.261
var. PERS-Periodenkosten KvP,j KvP,j = vP,j * wj 20.578 3.291 1.790 KvP 25.659
var. TECH-Periodenkosten KvT,j KvT,j = vT,j * wj 15.604 4.990 5.352 KvT 25.947
var. Periodenkosten Kv,j Kv,j = Kvi,j 173.512 81.401 26.954 Kv 281.867
Gesamt
Grundlagen der Betriebswirtschaft 126
(K14) 329.13722832,602,, GussGussMGussM wK
Die variablen Periodenkosten des j-ten Prozesses Kv,j ergeben sich durch Addition der partiel-
len Periodenkosten für die drei generischen Ressourcen MAT, PERS und TECH.
(52)
jvTjvPjM
i
jvi
stenPeriodenkoiablevar
jv
KKK
KK
,,,
,,
wobei Kv,j Variable Periodenkosten des j-ten Prozesses
In Gleichung (K15) werden die variablen Periodenkosten des Gussprozesses Kv,Guss durch Ad-
dition der partiellen Periodenkosten für MAT, PERS und TECH berechnet.
(K15) 512.173604.15578.20329.137,,,, GussvTGussvPGussMGussv KKKK
Die gesamten variablen Periodenkosten Kv berechnen sich aus den variablen Periodenkosten
Kv,j aller Prozesse j, indem diese summiert werden. Bei dieser Berechnung handelt es sich um
eine Querschnittaggregation82
der variablen Periodenkosten aller Prozesse.
(53) j
jvv KK ,
Die variablen Periodenkosten Kv für den gesamten Fertigungsbereich (Ebene 3) werden in
Gleichung (K16) durch Addition der variablen Periodenkosten des Guss-, Press- und Zug-
Prozesses berechnet.
(K16) 867.281954.26401.81512.173,,, ZugvessPrvGussvv KKKK
In den vorangegangenen Ausführungen wurden die partiellen Prozesskosten sukzessive aggre-
giert, um schließlich zu den gesamten variablen Periodenkosten zu gelangen. Die dabei zur
Anwendung kommenen Längs- und Querschnittaggregationen sind Bottom Up gerichtet, was
einer zunehmenden Abstraktifikation entspricht. Auf der untersten Betrachtungsebene sind die
(partiellen) Prozesskosten noch konkret. Auf aggregierteren, d.h. abstrakteren Betrachtungs-
ebenen (High Level Views) liegen nur noch abstrakt fassbare Konstrukte (Artefakte) vor. Die
82
Die gesamten variablen Periodenkosten werden demnach über eine Längs- und eine Querschnittaggregation
gewonnen. Die Reihenfolge kann beliebig sein, sodass das Fubini-Theorem greift.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 127
Abstraktifizierung geht mit einem Perspektivenwechsel einher, wobei der induktiven Sichtwei-
se folgend vom Konkreten zum Abstrakten gewechselt wird.
Von der induktiven wird die deduktive Sichtweise unterschieden. Die deduktive Sichtweise83
beginnt beim abstraktifizierten Artefakt der gesamten variablen Periodenkosten. Sie geht von
dort bis zu den mit den einzelnen Prozessen verbundenen partiellen Prozesskosten. Bei dieser
Sichtweise handelt es sich um eine Top Down gerichtete Längs- und Querschnitt-
Disaggregation, mit welcher auf der obersten Abstraktionsebene84
begonnen und sodann eine
sukzessive längs- und querschnittsgerichteten Konkretisierung vorgenommen wird.
Prozesskosten-Modell: Von der (neo-)klassischen zur betrieblichen Kostentheorie
Die Erweiterung des Konzeptes der Kostenfunktion, welche vorgenommen wurde, um die be-
triebliche Aspekte einzubeziehen, geht auf Gutenberg [Gute83, S. 220] zurück. Kistner/Stevens
[KiSt94, S. 83] bringen den Unterschied zwischen der (neo-)klassischen insbesondere im
volkswirtschaftlichen Bereich verwendeten und der betrieblichen (betriebswirtschaftlichen)
Kostentheorie auf den Punkt:
In der neoklassischen Produktions- und Kostentheorie werden die verschiedenen Faktorarten –
Werkstoffe (MAT), Arbeitskräfte (PERS) und Betriebsmittel (TECH) – nicht explizit erfaßt; es
wird lediglich zwischen fixen Faktoren, die in vorgegebenen Mengen verfügbar sind, und vari-
ablen Faktoren, deren Einsatzmengen an die Erfordernisse der Produktion angepaßt werden
können, unterschieden. Es wird zwar geklärt, wie die Faktoreinsatzmengen und die Kosten auf
eine Veränderung der Ausbringungsmenge reagiert, jedoch wird nicht untersucht, wie die Pro-
duktionsplanung an Veränderungen der auszubringenden Menge angepaßt wird. ...
Für die betriebliche Produktionsplanung ist die abstrakte Sichtweise der neoklassischen Pro-
duktionstheorie jedoch nicht hinreichend. Die betriebswirtschaftliche Kostentheorie muß viel-
mehr in zwei Aspekten konkretisiert werden:
(1) Da der Faktorverbrauch in unterschiedlicher Weise auf Veränderungen der geplanten
Ausbrindungsmenge reagiert, ist eine differenzierte Betrachtungsweise der einzelnen
Faktorarten erforderlich. ...
83
Die deduktive Sichtweise ist bei der Prozesskostenrechnung von zentraler Bedeutung. Dort muss sie zum Ein-
satz kommen, weil in der Prozesskostenrechnung die Kosten nicht prozessweise erfasst werden. Werden die Kos-
ten hingegen – wie in der prozessorientierten Kostenrechnung – prozesseise erfasst, dann wird die induktive
Sichtweise mit den sie kennzeichnenden Aggregationen möglich. 84
Die gedankliche Fähigkeit zwischen verschiedenen Abstraktionsebenen wechseln zu können ist die zentrale
Idee der sogenannten methodologischen Abstraktion. Diese Fähigkeit erweist sich für die Lösung von Problemen
in den verschiedensten Bereichen als essentiell. Albrecht Einstein folgend lässt sich nämlich ein Problem in der
Regel nicht auf der Ebene lösen auf der man es sich zugezogen hat.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 128
(2) Es besteht eine enge Beziehung zwischen technischen Produktionsverfahren und Maschi-
nen; in der Regel kann ein bestimmtes Produktionsverfahren nur dann angewandt werden,
wenn entsprechende Spezialmaschinen verfügbar sind oder Mehrzweckmaschinen entspre-
chend eingerichtet werden können. Die Maschinen und maschinellen Anlagen können als
Träger der technischen Eigenschaften der Produktion angesehen werden. Insbesondere
werden die Verbrauchsmengen der übrigen Produktionsfaktoren weitgehend durch die ein-
gesetzten Maschinen bestimmt. Es ist daher erforderlich, die Produktivitätsbeziehungen
aus den technischen Eigenschaften einzelner Maschinen herzuleiten. Dies bedingt eine
stark disaggregierte Betrachtungsweise; es sind daher zunächst Kostenfunktionen für ein-
zelne Maschinen herzuleiten, die dann zu einer Kostenfunktion für den gesamten Betrieb
zusammengefasst werden.
In der prozessorientierten Kostenrechnung hat der zweite Punkt folgende Bedeutung: Weisen
die Fertigungsanlagen85
bezüglich der PERS- und TECH-Ressourcen limitationale Einsatzver-
hältnisse auf und liegt eine homogene Kostenverursachung vor, dann ist der TECH-Einsatzes
der zentrale Kostentreiber86
zur verursachungsgerechten Kostenermittlung.
Definition: Kostenfunktion
Die Kostenfunktion ist der funktionale Zusammenhang87
zwischen den Kosten und den Kos-
tentreibern.
Diesen Überlegungen folgend empfiehlt es sich, die Kostenfunktion ganz allgemein zu definie-
ren als den funktionalen Zusammenhang zwischen den (gesamten) Kosten und den Kostentrei-
bern, welche die hinter den Kosten stehende Leistung spezifizieren. Im Unterschied zur (neo)-
klassischen Definition kann somit auch ein anderer Kostentreiber als nur die Ausbringung ver-
wendet werden. Bei der betrieblichen Definition der Kostenfunktion im Sinne Gutenbergs fun-
giert die Beschäftigung als Kostentreiber. Hoitsch/Lingnau nennen die betriebliche Kosten-
funktion folglich als Beschäftigung-Kosten-Funktion [HoLi07, S. 66]. Zur Verdeutlichung des
Unterschiedes werden in dieser Arbeit die leistungsbezogene Variante, welche die klassische
85
Bei den Fertigungsanlagen handelt es sich um Entitäten, welche unterschiedlich aggregiert sein können. Im
disaggregiertesten Fall handelt es sich um die kleinsten Fertigungseinheiten, auf welchen die Basisprozesse ausge-
führt werden. In vielen Fällen entspricht dies den einzelnen Arbeitsplätzen. Bei komplexeren Aggregaten werden
zunehmend mehr Fertigungseinheiten in das Aggregat einbezogen bis man zu den Kostenstellen bzw. zum komp-
lexesten Aggregat der gesamten Unternehmung kommt. 86
Die Reduktion auf den TECH-Einsatz ergibt sich aufgrund der konstanten Einsatzverhältnisse der beiden Poten-
zialfaktoren. Die sich daraus ergebende Austauschbarkeit der als verursachungsgerechten Kostentreiber fungie-
renden Faktoreinsätze geht auf Rummel [Rumm67] zurück und wird als Gesetz der Austauschbarkeit der Maß-
größen bezeichnet. 87
Diese sehr allgemeine Definition der Kostenfunktion hat den Vorteil, dass viele konkrete Ausgestaltungsmög-
lichkeiten zulässt. So können beispielsweise nach der Art der Kostentreiber Ausbringung- bzw. Einsatz-bezogene
Kostenfunktionen spezifiziert werden. Bezüglich der in der Funktion modellierten Kosten können Einzelkosten-,
Gemeinkosten-, Teilkosten- und Vollkosten-Funktionen spezifiziert werden. Durch die Kombination der beiden
Varianten lassen sich bereits 8 verschiedene Kostenfunktionen spezifizieren.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 129
Variante darstellt, als Leistung- bzw. Ausbringung-bezogene Kostenfunktion und die Ressour-
cen-bezogene Variante als Ressourcen- bzw. Einsatz-bezogene Kostenfunktion bezeichnet.
Prozesskosten-Modell: Ausbringung-bezogenen Kostenfunktion (Ebene 4-Darstellung)
Den „bewerteten Verzehr von Gütern und Dienstleistungen ...“ [Kilger] (laut Kostendefinition)
erhält man, indem man die Produktionsfaktormengen mit ihren Preisen multipliziert. Ebenfalls
aus der Kostendefinition folgt, daß Faktormengen sowohl für die Ausbringung als auch für die
Aufrechterhaltung der Bertriebsbereitschaft verbraucht werden. Damit sind als Haupt-
Kostenbestimmungsfaktoren neben den Faktorpreisen einmal die Ausbringung (für die variab-
len Kosten) und zum anderen die Kapazitäten (für die fixen Kosten) zu betrachten. [Habe04, S.
36].
In der Ausbringung-bezogenen Kostenfunktion werden die Periodenkosten in funktionaler Ab-
hängigkeit vom Kostentreiber Ausbringung88
dargestellt. Von der Ausbringung hängen die
variablen Periodenkosten ab. Die fixen Periodenkosten sind von der Ausbringung unabhängig.
Ihre Höhe hängt von der zur Verfügung gestellten Kapazität, d.h. der maximalen Leistungsbe-
reitschaft ab. Folglich hat die Ausbringung-bezogene Kostenfunktion zwei Kostentreiber, u.z.
die Ausbringung für die variablen und die Kapazität für die fixen Kosten.
Gleichung (54) enthält die (neo-)klassische Darstellungsform der Leistung- bzw. Ausbringung-
bezogenen Kostenfunktion für den j-ten Prozess. Dabei bilden sich die gesamten Kosten Kj aus
den fixen Periodenkosten Kf,j und den variablen Periodenkosten Kv,j, welche sich ihrerseits aus
dem Produkt des variablen Einheitskostensatzes kv,j und der periodischen Ausbringung Xj be-
rechnen.
(54) jjvjfj XkKK ,,
wobei Kf,j Fixe Periodenkosten des j-ten Prozesses Kj Gesamte Periodenkosten des j-ten Prozesses kv,j Variable Einheitskosten des j-ten Prozesses Xj Periodische Ausbringung des j-ten Prozesses
Gleichung (K17) enthält die kalibrierte Ausbringung-bezogene Kostenfunktion für den Guss-
Prozess. Dabei handelt es sich um eine lineare Funktion, wobei das absolute Glied durch die
Fixkosten Kf,Guss und der Funktionsanstieg durch die variablen Einheitskosten kv,Guss spezifiziert
wird.
88
Da es sich bei der Ausbringung um den Output des Prozesses handelt, werden bei dieser Kostenfunktion die
Prozessleistung output-bezogen gemessen.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 130
(K17) Guss
GussGussvGussfGuss
X
XkKK
9519,1829.42
,,
Über die Ausbringung-bezogene Kostenfunktion lassen sich die prozessbezogenen Gesamtkos-
ten über die Betrachtungsperiode für unterschiedliche Ausbringungsmengen berechnen. Wird
die in der Periode tatsächliche erbrachte Ist-Ausbringung in die Funktion eingesetzt, dann lie-
fert die Funktion die Ist-Kosten. Werden andere Ausbringungsmengen zur Auswertung der
Kostenfunktion verwendet, dann ergeben sich Einblicke in das Verhalten der Kosten bei unter-
schiedlichen89
Ausbringungen.
Prozesskosten-Modell: Kalibrierung der Ausbringung-bezogenen Kostenfunktion
Zur Kalibrierung der Ausbringung-bezogenen Kostenfunktion bedarf es der Bestimmung der
prozessbezogenen Fixkosten Kf,j und der variablen Einheitskosten kv,j. Bei den variablen Ein-
heitskosten handelt es sich um die Kosten pro Leistungseinheit90
. Die historische Kalibrierung
erfolgt im Prozesskostenmodell91
indem die variablen Prozesskosten v,j durch die Losgröße
des Prozesses xj dividiert wird.
(55)
j
jv
stenEinheitskoiablevar
jvx
k,
,
wobei kv,j Variable Einheitskosten des j-ten Prozesses
v,j Variable Prozesskosten des j-ten Prozesses
xj Losgröße des j-ten Prozesses
In Gleichung (K18) werden die Einheitskosten für den Guss-Prozess kv,Guss ermittelt, indem die
variablen Prozesskosten v,Guss durch die Losgröße xGuss dividiert wird.
(K18) 9519,19,389
02,761,
,
Guss
Gussv
Gussvx
k
Tabelle 43 enthält die variablen Prozesskosten und die Losgrößen für den Guss-, Press- und
Zug-Prozess, woraus die jeweiligen variablen Einheitskosten berechnet werden.
89
Dies ist insbesondere in der Kostenplanung und im Kosten-Controlling wichtig, wo durch die Verwendung der
Plan-Ausbringung die Plankosten ermittelt werden. 90
Wenn die Leistung über die Anzahl von Stücken gemessen wird, dann werden die Einheitskosten auch als
Stückkosten bezeichnet. 91
Diese Kalibrierung setzt eine funktionfähige prozessorienierte Kostenrechnung voraus, wobei die Prozesskosten
bereits bekannt sind.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 131
Tabelle 43: Einheitskosten – Prozesskosten pro Leistungseinheit
Die Berechnung der Fixkosten des j-ten Prozesses Kf,j werden aus den beiden Potenzialfaktoren
TECH und PERS bestimmt. Im einfachsten Fall werden die im Prozess benötigten TECH- und
PERS-Ressoucen aus den periodischen Fixkosten ermittelt, indem diese durch die Anzahl der
periodischen Prozessdurchführungen dividiert und somit auf ein einmalige Prozessdurchfüh-
rung gebracht werden.
Prozesskosten-Modell: Betriebliche Kostentheorie – Herzstück der PROWI- bzw. KLR-
Ontologie
Mit Hilfe der betrieblichen Kostentheorie lassen sich die (partiellen) Prozesskosten bis auf die
hinter ihnen stehenden limitationalen Produktionsfunktionen zurück führen. In Gleichung (56)
werden dazu die partiellen Prozesskosten v,j ihrer Definition entsprechend als Produkt des
Faktoreinsatzes ri,j und des Faktorpreises qi,j dargestellt. Bei dem sich dabei ergebenden Quoti-
ent aus Faktoreinsatz ri,j und Losgröße xj handelt es sich um den Produktionskoeffizienten ai,j
der i-ten Ressource im j-ten Prozess.
(56)
jiji
ji
j
ji
j
jvi
jvi
qa
qx
r
xk
,,
,
,
,
,
wobei ai,j Produktionskoeffizient der i-ten Ressource im j-ten Prozesses
In Gleichung (57) werden die variablen Kosten des j-ten Prozesses kv,j in die drei generischen
Komponenten in Form der MAT-, PERS- und TECH-Ressource zerlegt, sodass sich die ge-
samte Produktionsfunktion des j-ten Prozesses zeigt. Diese Darstellungsform ist z.B. hilfreich,
wenn im Rahmen des Process (Re-)Engineering die Verbesserung der Fertigungsprozesse
adressiert wird. Prozessumstellungen schlagen sich in einer Veränderung der drei
Produktionskoeffzienten nieder. Die sich nach Umstellung ergebenden Kosten lassen sich be-
stimmen, indem die neuen Produktionskoeffizienten mit den jeweiligen Faktorpreisen gewich-
tet und die sich ergebenden Produkte summiert werden.
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
var. Prozesskosten v,j 761,02 651,21 396,39
Losgröße xj 389,9 543,2 217,1
var. Einheitskosten kv,j 1,9519 1,1989 1,8260
Grundlagen der Betriebswirtschaft 132
(57)
i
jTjTjPjPjMjMjiji
i
jT
j
jT
jP
j
jP
jM
j
jM
ji
j
ji
i j
jvT
j
jvP
j
jM
j
jvi
j
jv
jv
qaqaqaqa
qx
rq
x
rq
x
rq
x
r
xxxx
xk
,,,,,,,,
,
,
,
,
,
,
,
,
,,,,
,
,
Die betriebliche Kostentheorie ist in der PROWI- bzw. KLR-Ontologie von zentraler Bedeu-
tung. Sie liefert das theoretische Fundament der Kosten. Durch dieses Fundament lassen sich
die verschiedenen Kostenkategorien in Form von Prozess-, Einheits- und Periodenkosten auf
die jeweiligen Ressourcen-Einsätze bzw. Produktionskoeffizienten und Faktorpreise zurück
führen.
Ein gutes Beispiel stellt die ökonomische Betrachtung von Fertigungs- bzw. Produktionsaggre-
gaten und Investionen in Realgüter (Real-Investitionen) dar. In der KLR-Ontologie lassen sich
die Fertigungsaggregate sowie (Real-)Investitionen in Form ihrer Ausbringung-bezogenen
Kostenfunktion darstellen. So wird ein konkretes Fertigungsaggregat durch die sie
charkterisierende Kostenfunktion spezifiziert. Gleiches gilt für die Realinvestition. Wird nun
z.B. im Rahmen einer Rationalisierungsinvestition92
überlegt, ein bestehendes (altes) Aggregat
durch ein neues zu ersetzen, dann werden in der KLR-Ontologie die Kostenfunktionen des al-
ten und des neuen Aggregats miteinander verglichen.
Abbildung 52: Kostenfunktionen im Vergleich
92
Die Investitionsentscheidungen werden auf der Unternehmensebene (Ebene 4) getroffen. Dabei sind drei Inves-
titionskategorien zu unterscheiden, u.z. die Ersatz-, die Erweitungs- und die Rationalisierungsinvestition.
Kostenfunktion
0
50.000
100.000
150.000
200.000
250.000
0 20.000 40.000 60.000 80.000 100.000
Ausbringung (ME)
Ko
ste
n (
GE
)
altes Aggr.
neues Aggr.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 133
In Abbildung 52 wird die Kostenfunktion des Guss-Prozesses anhand der Linie mit den Rauten
(altes Aggregat) dargestellt. Das sich im Rahmen einer Rationalisierungsinvestition anbietende
(neue) Aggregat wird ebenfalls anhand der Kostenfunktion charakterisiert und als mit Rechte-
cken versehene Gerade ins Diagramm eingefügt. Ein Vergleich der Kostenfunktionen für das
alte und neue Aggregat zeigt, dass sich das neue Aggregat in zweifacher Weise vom alten Ag-
gregat unterscheidet. Erstens besitzt die Kostenfunktion des neuen Aggregats einen geringeren
Anstieg, zumal die Einheitskosten beim neuen Aggregat geringer als bei der alten Gussanlage
sind. Zweitens sind aufgrund der höheren Automatisierung des neuen Aggregats auch die Fix-
kosten des neuen Aggregats höher als beim alten Aggregat. Über die beiden Kostenfunktionen
lassen sich Kostenvergleiche bei unterschiedlichen Ausbringungen machen. Der Schnittpunkt
der beiden Funktionen kennzeichnet die Ausbringungsmenge (Break Even-Punkt), bei welcher
beide Aggregate die gleichen Kosten haben. Wird davon ausgegangen, dass die künftige Aus-
bringung in etwa gleich der Ausbringung der letzten Periode ist, dann wird der Break Even-
Punkt überschritten. Das neue Aggregat hat in diesem Fall die geringern Kosten als das alte
Aggregat.
Im Lichte der betrieblichen Kostentheorie, d.h. aus der PROWI-Perspektive zeigen sich die
Gründe für die unterschiedlichen Anstiege der Kostenfunktionen aus produktionstechnischer
Sicht. Zu diesem Zweck werden die hinter den Einheitskosten der beiden Aggregat stehenden
Ressourcen-Einsätze bzw. Produktionskoeffizienten und Faktorpreise verglichen. Zur Offenle-
gung der produktionstheoretischen Zusammenhänge werden die in Gleichung (52) dargestell-
ten periodischen variablen Prozesskosten durch die Periodenausbrinung Xj dividiert werden.
Dann werden die Periodenkosten Kv,j bzw. die Periodenausbringung Xj durch das Produkt der
variablen Prozesskosten v,j bzw. das Produkt der Losgröße xj jeweils mit der Anzahl der Pro-
zesswiederholung wj jeweils substituiert. Die sich daraus ergebende Beziehung wird verein-
facht, wobei sich die variablen Einheitskosten kv,j als die Summe der Produkte der Ressourcen-
bezogenen Produktionskoeffizienten mit den jeweiligen Faktorpreisen zeigen.
(58)
ji
i
ji
jj
j
i
jiji
jj
jjv
j
jv
jv
qa
wx
wqr
wx
w
X
Kk
,,
,,,
,
,
)(
Hinweis zur Bedeutung der PROWI-Perspektive:
Grundlagen der Betriebswirtschaft 134
Über ihren kosten- und produktionstheoretischen Zugang offenbart die PROWI-Perspektive die
letztendlichen betriebstechnischen bzw. ökonomischen Kostentreiber der analysierten Kosten
in Form von technischen Eigenschaften (z.B. Produktionskoeffizienten93
) sowie betrieblichen
(z.B. Produktinsintensität) und ökonomischen Stellgrößen (z.B. Faktorpreisen).
In der produktionstheoretischen (PROWI-)Perspektive zeigen sich die möglichen Ursachen für
die unterschiedlichen Einheitskosten beim alten und beim neuen Aggregat. Die Ursachen kön-
nen demnach in unterschiedlichen Produktionskoeffizienten ai,j und/oder unterschiedlichen
Faktorpreisen qi,j liegen. Zumal beim neuen Aggregat niedrigere Einheitskosten anfallen, sind
entweder die Produktionskoeffizienten und/oder die Faktorpreise des neuen Aggregats niedri-
ger als beim alten Aggregat. Die Reduktion der Produktionskoeffizienten entspricht einer tech-
nologischen Verbesserung, derzufolge weniger Ressourcen-Einsätze pro Ausbringungseinheit
erforderlich sind. Die Reduktion der Faktorpreise kann auch technologisch bedingt sein, indem
das neue Verfahren den Übergang auf kostengünstigere Ressourcen ermöglicht.
Die PROWI-Perspektive, welche die betriebliche Produktionstheorie und die darauf aufbauen-
de betriebliche Kostentheorie umfasst, wird sich als das zentrale Werkzeug erweisen, wenn es
um eine produktionstheoretische (PROWI-)Analyse von Kosten bzw. Kostenfunkitonen geht.
Beispielsweise wird dies beim reduzierten Kostenmodell, bei den im Rahmen der Kostenpla-
nung verwendeten Modellen und bei den in der Kostenkontrolle angewandten Analysen der
Fall sein.
Prozesskosten-Modell: Ausbringung-bezogenen Kostenfunktion (Ebene 3-Darstellung)
Die Darstellung der Ausbringung-bezogenen Kostenfunktion in Gleichung (54) ist typisch für
die Betrachtungsweise auf der Unternehmensebene (Ebene 4). Dort interessiert vorzugsweise
die abstrakte Betrachtung in Form von periodischen Ausbringungsmengen. Auf der Ebene der
Produktionssteuerung (Ebene 3) interessiert hingegen vielmehr ein auf die einzelne Prozess-
durchführung gerichtete Betrachtung. Aus diesem Grunde wird die Ausbringung-bezogene
Kostenfunktion in die in Gleichung (59) dargestellte Form gebracht94
, wobei die periodischen
Gesamtkosten des Prozesses Kj über die variablen Prozesskosten v,j und die sich darauf bezie-
henden Wiederholungen wj des Prozesses bestimmt werden.
93
Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben lassen sich die Produktionskoeffizienten nur mittel- bis
langfristig z.B. über Rationsalierungsinvestitionen im positiven Sinn verändern, d.h. senken. 94
Die Umwandlung erfolgt aufgrund der in der betrieblichen Kostentheorie geltenden Gesetzmäßigkeiten.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 135
(59)
jjvjf
jjjvjf
jjvjfj
wK
wxkK
XkKK
,,
,,
,,
wobei Kf,j Fixe Periodenkosten des j-ten Prozesses Kj Gesamte Periodenkosten des j-ten Prozesses kv,j Variable Einheitskosten des j-ten Prozesses wj Wiederholungen des j-ten Prozesses Xj Periodische Ausbringung des j-ten Prozesses xj Losgröße des j-ten Prozesses
v,j Variable Prozesskosten des j-ten Prozesses
Gleichung (K19) enthält die kalibrierte Ausbringung-bezogene Kostenfunktion für den Guss-
Prozess, wie sie in der Produktionssteuerung (Ebene 3) der KERZEN-EWF verwendet wird.
(K19) Guss
GussGussvGussfGuss
w
wKK
02,761829.42
,,
Tabelle 44 enthält sowohl die variablen Einheitkosten kv,j als auch die variablen Prozesskosten
v,j, sodass damit beide Varianten der Ausbringung-bezogenen Kostenfunktion für alle drei
Fertigungsprozesse kalibriert sind. Die zwei rechten Spalten enthalten die gesamten Perioden-
kosten, welche den beiden Varianten entsprechend auf zweifache Weise berechnet werden
können. Die Längsschnittaggregation erfolgt dabei entweder über die prozessbezogenen Perio-
denausbringungen oder die Wiederholungen der jeweiligen Prozesse. Die daran anschließende
Querschnittaggregation ist in beiden Fällen gleich.
Tabelle 44: Periodenkosten – Ausbringung-bezogene Kostenfunktion
Guss (=G) Press (=P) Zug (=Z)
var. Prozesskosten v,j 761,02 651,21 396,39
Losgröße xj 389,9 543,2 217,1
var. Einheitskosten kv,j 1,9519 1,1989 1,8260
Wiederholungen wj 228 125 68
Perioden-Ausbringung Xj 88.896 67.898 14.761
var. Periodenkosten Kv,j 173.512 81.401 26.954 Kv 281.867
fixe Periodenkosten Kf,j 42.829 26.458 13.266 Kf 82.553
ges. Periodenkosten Kj 216.340 107.859 40.221 K 364.420
Gesamt
Grundlagen der Betriebswirtschaft 136
Prozesskosten-Modell: Konstruktion und Kalibrierung der Einsatz-bezogenen Kosten-
funktion
In Gleichung (60) wird die betriebliche Kostentheorie verwendet, um aus der Ausbringung-
bezogenen Kostenfunktion die Einsatz-bezogene Kostenfunktion abzuleiten.
(60)
jTjMPTjf
jTjTjPjPTjMjTjf
jjTjTjPjPTjMjTjf
jjTjTjPjTjPTjMjTjTjMjf
jjTjTjPjPjMjMjf
j
i
jijijf
jj
i j
jvi
jf
j
i
jvijf
jjvjfj
RqK
RqqcqdK
wrqqcqdK
wqrqrcqrdaK
wqrqrqrK
wqrK
wxx
K
XkK
XkKK
,,,
,,,,,,,
,,,,,,,
,,,,,,,,,,
,,,,,,,
,,,
,
,
,,
,,
)(
)1(
)(
)(
wobei dT,j TECH-Intensität cPT,j Einsatzverhältnis von PERS zu TECH qMPT,j Gewichteter MAT/PERS/TECH-Faktorpreis des j-ten Prozesses
Die Einsatz-bezogene Kostenfunktion zeigt sich in der letzten Zeile der Gleichung. Die gesam-
ten Periodenkosten des j-ten Prozesses Kj bestehen aus den periodischen Fixkosten Kf,j und den
variablen Periodenkosten Kv,j, welche ihrerseits als Produkt der Faktorpreise für die drei Res-
sourcen qMPT,j und der periodischen TECH-Einsätze RT,j berechnet werden. In der vorletzten
Zeile zeigt sich die Zusammensetzung des dabei verwendeten Faktorpreises qMPT,j als die
Summe von gewichteten Faktorpreisen, wobei der MAT-Faktorpreis qM,j mit der TECH-
Intensität dT,j und der PERS-Faktorpreis qP,j mit dem PERS/TECH-Einsatzverhältnis cPT,j mul-
tipliziert wird.
Gleichung (K20) enthält die kalibrierte95
Einsatz-bezogene Kostenfunktion für den Gusspro-
zess, wobei auch die einzelnen Komponenten und die Berechnung des Mischfaktorpreises
qMPT,j offen gelegt werden. Die Einsatzbezogenzeit der Kostenfunktion zeigt sich am TECH-
Einsatz RT,j als ihren Kostentreiber. Aufgrund der Limitationalität des Guss-Prozesses ist der
95
Dabei wurden die Faktorpreise für die MAT- bzw. PERS- und TECH-Ressource marktbasiert bzw. historisch
kalibriert.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 137
TECH-Einsatz der einzige Kostentreiber, welcher zur Bestimmung der Periodenkosten benötigt
wird.
(K20)
GussT
GussT
GussTGussTGussPGussMGussf
GussTGussTGussPjPTGussMTGussfGuss
R
R
RqqqK
RqqcqdKK
,
,
,,,,,
,,,,,,
8632,126829.42
)4068,115213,725448,165(829.42
)265(
)(
Prozesskosten-Modell: Einsatz-bezogenen Kostenfunktion (exklusive MAT-Kosten)
Bei den bisherigen Ausführungen wurden die variablen Kosten aller drei generischen Ressour-
cen ausgewiesen. Durch die direkte Zurechenbarkeit der MAT-Ressource auf den Kostenträger
wird die MAT-Ressource in der Regel ausgesondert, sodass sich das Modell für die variablen
Periodenkosten des j-ten Prozesses nur auf PERS- und TECH-Ressourcen bezieht. Gleichung
(61) enthält die sich daraus ergebende Einsatz-bezogene Kostenfunktion für die PERS- und
TECH-Periodenkosten KPT,j des j-ten Prozesses. Diese Funktion ist wie die in Gleichung (60)
dargestellte Kostenfunktion wiederum linear. Der einzige Unterschied besteht im nunmehr
verwendeten Faktorpreis qPT,j, welcher nur noch aus den (gewichteten) Faktorpreisen für die
PERS- und TECH-Ressourcen gebildet wird.
(61)
jTjPTjf
jTjTjPjPTjf
jjTjTjPjPTjf
jjTjTjPjTjPTjf
jjTjTjPjPjf
jjvPTjfjPT
RqK
RqqcK
wrqqcK
wqrqrcK
wqrqrK
XkKK
,,,
,,,,,
,,,,,
,,,,,,
,,,,,
,,,
)(
)(
)(
)(
wobei kvPT,j Variable PERS/TECH-Einheitskosten des j-ten Prozesses qPT,j Gewichteter PERS/TECH-Faktorpreis des j-ten Prozesses
Gleichung (K21) zeigt die kalibrierte Einsatz-bezogene Kostenfunktion für den Gussprozess.
Die Gleichung enthält auch die Bestandteile und Berechnung des Faktorpreises qPT,Guss für die
PERS- und TECH-Ressource in Form des PERS-Faktorpreises qP,Guss und des TECH-
Faktkorpreises qT,Guss sowie dem PERS/TECH-Faktoreinsatzverhältnis cPT,Guss.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 138
(K21)
GussT
GussTGussPTGussf
GussT
GussTGussTGussPGussPTGussfGussPT
R
RqK
R
RqqcKK
,
,,,
,
,,,,,,
4494,26829.42
)4068,115213,72(829.42
)(
In Tabelle 45 sind alle Informationen angegeben, welche für die Berechnung der variablen Pe-
riodenkosten KPT,G hinsichtlich der PERS- und der TECH-Ressource des Guss-Prozesses benö-
tigt werden. Die Berechnung der variablen PT-Periodenkosten KPT,G kann dabei wahlweise
erfolgen, u.z. durch Längsschnittaggregation entweder der variablen PT-Prozesskosten PT,G
oder der variablen PT-Einheitskosten kPT,G.
Tabelle 45: Guss-Prozess – PT-Einheits- und PT-Prozesskosten
Prozesskosten-Modell: Disaggregation der (Basis-)Prozesse in Aktivitäten
In diesem Abschnitt wird die Betrachtung verfeinert, indem der Guss-Prozess in drei elementa-
re Bestandteile, welche als Aktivitäten bezeichnet werden, zerlegt wird. So zeigt sich bei detail-
lierterer Analyse, dass sich der Guss-Prozess (G) aus den Aktivitäten Gießen (G1), Rüsten
(G2) und Reinigen (G3) zusammen setzt.
period. PERS-Einsatz (ZE) RP,G RP,G 2.736
period. PERS-Einsatz (in %) RP,G (%) RP,G (%) 100,00%
var. PERS-Periodenkosten KvP,G KvP,G 20.578
period. TECH-Einsatz (ZE) RT,G RT,G 1.368
period. TECH-Einsatz (in %) RT,G (in %) RT,G (in %) 100,00%
var. TECH-Periodenkosten KvT,G KvT,G 15.604
var. PT-Periodenkosten KvPT,G KvPT,G = KvP,G+KvT,G 36.183
Perioden-Ausbringung XG XG 88.896
Wiederholungen wG wG
Losgröße xG xG 389,9
Prozess-Dauer rT,G rT,G 6
var. PT-Einheitskosten kvPT,G kvPT,G = KvPT,G/XG 0,4070
PT-Faktorpreis qvPT,G qvPT,G = KvPT,G/RT,G 26,4494
var. PT-Prozesskosten vPT,G vPT,G = kvPT,G * xG 158,70
var. PT-Prozesskosten vPT,G vPT,G = qvPT,G * rT,G 158,70
Guss
(=G)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 139
Tabelle 46: Aktivitäten im Guss-Prozess – PT-Prozesskosten
In Tabelle 46 zeigt sich die Aufspaltung der Guss-Prozesses in drei Aktivitäten auf der rechten
Seite. Die Aktivitäten lassen sich folgendermaßen kategorisieren. Die Aktivität Gießen ist I/O-
variabel, während sowohl die Rüst- als auch die Reinigungsaktivität I/O-fix sind. Die drei Ak-
tivitäten unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Kostentreiber. Bei der Gießaktivität treibt
der TECH-Einsatz96
die variablen Prozesskosten, während sowohl bei der Rüst- als auch der
Reinigungsaktivität die jeweiligen PERS-Einsätze die Kostentreiber sind. Zumal die Kosten-
treiber bekannt sind, lassen sich auch die (partiellen) Prozesskosten für die drei Aktivtäten nach
dem Verursachungsprinzip bestimmen, wenn die jeweils prozessbezogenen Faktorpreise für
TECH- bzw. PERS-Ressource bekannt sind. Zur Ermittlung der Faktorpreise auf Ebene der
Aktivitäten ist es somit erforderlich, dass die Ressourcen-spezifischen Kosten bei den Aktivitä-
ten erfasst werden.
Die Struktur der Produktionsprozesse ändert sich im Zeitablauf, sodass ständig neue Aktivitä-
ten entstehen. Mit der Entstehung neuer Aktivitäten müssten dann auch immer wieder neue
Bezugsobjekte für die Datenerfassung eingerichtet werden. Dies verursacht einen hohen Auf-
wand, welcher eine vereinfachte97
und folglich klarerweise auch ungenauere Handhabe nahe
legt. Die Vereinfachung besteht darin, dass die Kosten nicht auf der Ebene der Aktivitäten,
sondern auf den im Zeitablauf stabileren (Basis-)Prozessen aufgesetzt werden. Im konkreten
Fall kann der Gussprozess als derartiger Prozess fungieren, für welchen die Ressourcen-
96
Die den TECH-Einsatz messenden Zeiteinheiten werden in der Betriebstechnik (Produktionssteuerung/Ebene 3-
Aktivität) bzw. der Arbeitsplanung und -steuerung (APS) beim Fertigungsprozess Gießen als Bearbeitungszeit
bezeichnet. Die für den Stützprozess Rüsten aufgewandte Zeit ist die Rüstzeit. Die Bearbeitungs- und Rüstzeit
ergeben in Summe die Auftragszeit. Die Durchlaufzeit ergibt sich, wenn zur Auftragszeit die Übergangszeit, wel-
che sich aus den zwischenzeitlichen Liege- und Transportzeiten zusammen setzt, addiert wird. 97
Bei den Ausführungen zur Prozesskostenrechnung wird sich zeigen, dass diese Überlegung auch von zentraler
Bedeutung für die Ausgestaltung der Prozesskostenrechnung im deutschsprachigen Raum war. Im Unterschied
zum im anglosächsischen Raum entwickelten Activity Based Costing (ABC) wurde nämlich bewusst der Fokus
nicht auf Aktivitäten, sondern auf (Basis-)Prozesse gelegt.
Aktivitäten (=Gj) des Guss-Prozesses
Gießen (G1) Rüsten (G2) Reinigen (G3) Summe
period. PERS-Einsatz (ZE) RP,G 2.736 RP,G(k) 2.736 456 684 3.876
period. PERS-Einsatz (in %) RP,G (%) 100,00% RP,G(k) (%) 70,59% 11,76% 17,65% 100,00%
var. PERS-Periodenkosten KvP,G 20.578 KvP,G(k) 14.526 2.421 3.631 20.578
period. TECH-Einsatz (ZE) RT,G 1.368 RT,G(k) 1.368 1.368
period. TECH-Einsatz (in %) RT,G (in %) 100,00% RT,G(k) (%) 100,00% 100,00%
var. TECH-Periodenkosten KvT,G 15.604 KvT,G(k) 15.604 15.604
var. PT-Periodenkosten KvPT,G 36.183 KvPT,G(k) = KvP,G(k)+KvT,G(k) 30.130 2.421 3.631 36.183
Perioden-Ausbringung XG 88.896 XG(k) 88.896
Wiederholungen wG wG(k) 228 228 114
Losgröße xG 389,9 xG(k) 389,9
Prozess-Dauer rT,G 6 rT,G(k) 6 1 3
var. PT-Einheitskosten kvPT,G 0,4070 kvPT,G(k) = KvPT,G(k)/XG(k) 0,3389
PT-Faktorpreis qvPT,G 26,4494 qvPT,G(k) = KvPT,G(k)/RT,G(k) 22,0251
var. PT-Prozesskosten vPT,G 158,70 vPT,G(k) = kvPT,G(k) * xG(k) 132,15
var. PT-Prozesskosten vPT,G 158,70 vPT,G(k) = qvPT,G(k) * rT,G(k) 132,15
var. PT-Prozessk. (I/O-fix) vPT,G(k) = KvPT,G(k)/wG(k) 10,62 31,86
Guss
(=G)
Grundlagen der Betriebswirtschaft 140
bezogenen Kosten erfasst werden. In Tabelle 46 wird von dieser Konstellation ausgegangen.
Die variablen PERS- und TECH-Prozesskosten (variable PT-Prozesskosten) können dann wie-
derum98
entweder aus den PT-Einheitskosten oder dem PT-Faktorpreis berechnet werden. Für
die Aktivitäten des Gussprozesses ist diese Vorgehensweise aber nicht mehr möglich, da für
diese – mangels Datenerfassung – keine Ressourcen-bezogenen Faktorpreise mehr zur Verfü-
gung stehen. Die Prozesskosten für die Aktivitäten müssen demnach auf eine andere Art be-
rechnet werden.
Die Berechnung der Prozesskosten für die Aktivitäten erfolgt durch Verrechnung, welche mög-
lichst verursachungsgerecht99
sein sollte. Die erste Zeile von Tabelle 46 enthält den in Zeitein-
heiten (ZE) gemessenen periodischen PERS-Einsatz aller drei Aktitäten des Guss-Prozesses.
Dieser wird in seiner prozentuellen Ausprägung RP,Gj (%) verwendet, um die variablen PERS-
Periodenkosten KvP,G auf die drei Aktivitäten zu verrechnen. Die sich dabei für die Aktivitäten
ergebenden Kosten KvP,Gj werden – wie in der letzten Zeile der Tabelle zu sehen ist – durch die
Anzahl der jeweiligen Prozesswiederholungen wGj dividiert, woraus sich die variablen PT-
Prozesskosten vPT,Gj für die beiden Aktivitäten Reinigen und Rüsten ergeben.
Durch die Verrechnung der anteiligen (aliquoten) variablen PERS-Periodenkosten auf die
Rüst- und Reinigungsaktivitäten hat die Gießen-Aktivität diesbezüglich weniger Kosten als der
Guss-Prozess in seiner Gesamtheit zu tragen. Die variablen PT-Prozesskosten sind folglich für
die Aktivität Gießen vPT,G1 auch geringer als für den Guss-Prozess vPT,G. Durch diese kos-
tenmäßige Entlastung der Aktivität Gießen haben sich aber die variablen PT-Prozesskosten für
den Guss-Prozess nicht verändert. Dies zeigt sich in Gleichung (K22), wo diese Kosten durch
Addition der Prozesskosten der drei Aktivitäten des Guss-Prozessses berechnet100
werden.
(K22)
70,1582/86.3162.1015.132
2/
2/
,,,,
3,2,1,,
inigenRevPTRüstenvPTGießenvPTGussvPT
GvPTGvPTGvPTGvPT
98
Die PT-Einheitskosten bzw. der PT-Faktorpreis werden in der Regel aus den variablen PT-Periodenkosten des
Guss-Prozesses berechnet, sodass die Kalibrierung des Prozesskostenmodells auf abstraktifizierten PERS- und
TECH-Ressourcen aufsetzt. 99
Eine Verursachungsgerechtigkeit liegt z.B. vor, wenn die die Ressourcen-bezogenen Periodenkosten nach ihren
relativen Ressourcen-Einsätzen auf die Aktivitäten zugerechnet werden. 100
Beachtenswert ist die Halbierung der variablen PT-Prozesskosten für die Reinigungsaktivität. Sie ist erforder-
lich, zumal diese Aktivität nicht mit jeder, sondern nur mit jeder zweiten Gieß- und Rüstaktivität anfällt.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 141
Prozesskosten-Modell: Prozesskosten-Funktion
Die betriebliche Kostentheorie spielt auch für die Produktionssteuerung eine wichtige Rolle.
Im ECSI-Standard [ECSI08, S. 24] sind die Hauptfunktionen der Produktionssteuerung fol-
gendermaßen definiert. Die Produktionssteuerungsfunktionen umfassen die meisten der Funk-
tionen, die mit der Steuerung der Herstellung verknüpft sind. Die Produktionssteuerungsfunk-
tionen beinhalten typischerweise:
a) Steuerung des Prozesses der Umwandlung von Rohmaterialien in das Endprodukt gemäß
dem Produktionsplan und den Produktionsstandards;
b) Ausführung von Anlagenengineeringaktivitäten und Aktualisierung von Prozessplänen;
c) Herausgabe von Anforderungen für Rohmaterialien;
d) Erstellen von Berichten über Leistung und Kosten;
e) Auswertung von Kapazitäts- und Qualitätseinschränkungen;
f) Selbstprüfung und Diagnostizieren von Produktion und Steuerungsausrüstung;
g) Entwerfen von Produktionsstandards und Ausführungsanweisungen für den Einsatz in
Standardoperationsanweisungen, Rezepten und Anleitungen zum Gebrauch der spezifi-
schen Verfahrensausrüstung.
Die Hauptfunktionen der Produktionssteuerung beinhalten Prozess-Support, operative Steue-
rung der Produktion und deren101
Planung.
Um den Fertigungsprozess ökonomisch effektiv steuern zu können, bedarf es einer konkreten
Vorstellung über die kostenmäßigen Wirkungsweisen der verschiedenen Eingriffsmöglichkei-
ten. Bei diesen Möglichkeiten handelt es sich um die Stellgrößen des Prozessen, welche im
Sinne der Steuerungs- und Regelungstechnik im Zeitablauf gesetzt werden, um den Prozess
über die Zeit technisch (z.B. produktivitätsmäßig) und wirtschaftlich (z.B. kosteneffizient) un-
ter Kontrolle zu halten.
Für die Planung der Produktionssteuerung liefert die betriebliche Kostentheorie den notwendi-
gen Einblick, indem sie die Kosten modellhaft begreift und sie als Funktion seiner verschiede-
nen Einflussgrößen darstellt. In Gleichung (62) werden die variablen Prozesskosten vi,j für die
i-te Ressource und den j-ten Prozess in Abhängigkeit der technischen Stellgrößen102
Prozessin-
tensität di,j und Losgröße xj bzw. der ökonomischen Stellgröße Faktorpreis qi,j dargestellt.
(62) jijjijijijjijvi qxdrqxd ,,,,,, ),(),,(
wobei di,j Intensität der i-ten Ressource im j-ten Prozess
101
Dieser Sichtweise zufolge gehört auch die Planung der operativen Steuerung der Produktion zur Produktions-
steuerung. 102
Neben der Intensität gibt es noch weitere Stellgrößen im technischen Bereich, welche die verschiedenen Pro-
zessbedingungen spezifizieren. [Habe04, S. 37].
Grundlagen der Betriebswirtschaft 142
vi,j(di,j,xj,qi,j) Funktion der variablen Prozesskosten der i-ten Ressource im j-ten Prozess
xj Losgröße im j-ten Prozess qi,j Preis der i-ten Ressource (Faktorpreis) im j-ten Prozess ri,j(di,j,xj) Einsatzfunktion der i-ten Ressource im j-ten Prozess
Dabei zeigt sich der Ressourcen-Einsatz als Funktion der Prozessintensität und der Losgröße.
Der Faktorpreis ist insofern eine Stellgröße, als dass er beispielsweise über die Qualität und
den damit verbundenen unterschiedlichen Preisen der im Prozess verwendeten Ressourcen ge-
stalt- und veränderbar ist.
In Gleichung (63) wird ein gesamthafter Blick auf den j-ten Prozess geworfen, indem das gene-
rische 3-Ressourcen-Modell verwendet wird, um die variablen (MPT-)Prozesskosten v,j in
Abhängigkeit der technischen und ökonomischen Stellgrößen darzustellen.
(63)
jTjjTjTjPjjPjPjMjjMjM
i
jijjijijijjijv
qxdrqxdrqxdr
qxdriqxd
,,,,,,,,,
,,,,,,
),(),(),(
),(),,,(
wobei
v,j(...) Variable Prozesskosten-Funktion im j-ten Prozess
Nachfolgend wird von der Prozess- zur betrieblichen Perspektive gewechselt. In Gleichung
(64) wird dazu zuerst die Anzahl der Wiederholungen xj des j-ten Prozesses eingefügt, um zu
den mit der i-ten Ressource verbundenen variablen Periodenkosten Kvi,j zu gelangen. Dabei
wird auch ersichtlich, dass die Periodenausbringung mit der Losgröße und der Anzahl der Pro-
zesswiederholungen in (multiplikativer) Verbindung steht.
(64)
jjijjiji
ji
X
jjjijvijvi
wqxdr
qwxdKK
j
,,,
,,,,
),(
),,,(
wobei Kvi,j Variable Periodenkosten der i-ten Ressource im j-ten Prozess
In Gleichung (65) werden schließlich die gesamten variablen Periodenkosten Kv,j des j-ten Pro-
zesses betrachtet, indem wiederum das generische 3-Ressourcen-Modell zum Aufzeigen aller
Ressourcen-Einsätze verwendet wird.
(65)
jjTjjTjTjPjjPjPjMjjMjM
i
jjijjijiji
X
jjjijv
wqxdrqxdrqxdr
wqxdriqwxdK
j
)),(),(),((
),(),,,,(
,,,,,,,,,
,,,,,,
wobei Kv,j(...) Periodische, variable Prozesskosten-Funktion des j-ten Prozesses
Grundlagen der Betriebswirtschaft 143
Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation): Was kostet ein Produkt?
Nunmehr wird von der prozessorientierten Kostenrechnung in die klassische Kostenrechnung
gewechselt. Diese Kostenrechnung besteht aus drei Teilrechnungen, u.z. die Kostenarten-, die
Kostenstellen- und die Kostenträgerrechnung. In der Kostenartenrechnung werden im Rahmen
des Betriebsüberleitungsbogens (BÜB) die Kosten aus den Aufwendungen abgeleitet. Die di-
rekten Einzelkosten werden sodann direkt den Kostenträgern, wobei es sich um die erstellten
Leistungen handelt, zugerechnet. Die indirekten Gemeinkosten werden auf den Kostenstellen
(z.B. Fertigung-KOST und Lager-KOST) gesammelt und von dort indirekt den Kostenträgern
zugerechnet. Die Zurechnung der Einzel- und Gemeinkosten auf die Kostenträger erfolgt in der
Kostenträgerrechnung, welche es in zwei Varianten gibt, u.z. die Kostenträgerstück- und die
Kostenträgerzeitrechnung.
Die Kostenträgerstückrechnung wird auch als Kalkulation bezeichnet. Aus rechentechnischer
Sicht handelt es sich dabei um eine lineare Funktion, welche aus Ausbringung-bezogenen Ein-
heitskosten für die verschiedenen Einzel- und Gemeinkosten besteht. Bei der Kalkulationsfunk-
tion handelt es sich demnach um eine flexibel103
ausgestaltbare Ausbringung-bezogene Kosten-
funktion. Dem Umfang der einbezogenen Kostenarten entsprechend können über die Kalkula-
tionsfunktion die Einzelkosten, die Teilkosten oder die Vollkosten ermittelt werden.
Erfolgt die Kalkulation auf Einzelkostenbasis, dann werden nur die Einzelkosten der MAT-
und PERS-Ressourcen zur Ermittlung des Einzelkostensatzes kMP(n) einbezogen, wobei sich die
Einzelkosten aus dem E.MAT und G.MAT sowie dem E.PERS und G.PERS ergeben können.
(66) )(.)(.)(.)(.
)()()(
nMGnMEnMGnME
nPnMnMP
kkkk
kkk
Hinweis zur Notation:
Der Index n kennzeichnet den Leistungs- bzw. Kostenträger.
Bei der Kalkulation auf Teilkostenbasis werden zum Einzelkostensatz auch noch variable Ein-
heitskosten der jeweiligen Haupt-KOST hinzugerechnet. Eine für die gesetzliche Kostenrech-
nung wichtige größe sind die Herstellungskosten. Die variablen Herstellungskosten pro Men-
geneinheit kvHK(n) werden berechnet, indem zu den Einzelkosten kMP(n) die variablen Gemein-
103
Voraussetzung für eine derart flexible Einsetzbarkeit der Kalkulationsfunktion ist es, dass die Kosten nach dem
REA- und dem generischen 3-Ressourcen-Modell unter Einbeziehung der ERP-Funktionalität in Form der Men-
gengerüste in der KLR des Management-Informationssystems erfasst und aufbereitet werden.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 144
kosten der Material-KOST kvG,M(n) und die variablen Gemeinkosten der Fertigung-KOST
kvG,F(n) hinzugerechnet werden.
(67) )(,)(,)()( nFvGnMvGnMPnvHK kkkk
Werden die Teilkosten noch um die fixen Einheitskosten der Haupt-KOST erweitert, so ergibt
dies eine Kalkulation auf Vollkostenbasis zu erstellen. Werden zu den variablen
Herstellungkosten kvHK(n) noch die fixe Einheitskosten für die Material-KOST kfG,M(n) und die
Fertigung-KOST kvG,F(n) addiert, dann ergeben sich die (vollen) Herstellungskosten pro Men-
geneinheit kHK(n).
(68) )(,)(,)()( nFfGnMfGnvHKnHK kkkk
Kalkulationsfunktion: Produktionswirtschaftliche Bewertung nach dem Baukasten-
Prinzip
Bei den einzelnen Komponenten der Kalkulationsfunktion handelt es sich um Einheitskosten,
womit jeweils spezielle Ressourcen-Einsätze in unterschiedliche aggregierter Form bewertet
werden. So beziehen sich die Einzelkostensätze EKS auf die MAT- und PERS-Ressourcen,
während in den Gemeinkostensätzen GKS alle jeweils relevanten Ressourcen-Einsätze in ihrer
Gesamtheit bewertet werden. Die der Bewertung dienende Kalkulationsfunktion ist letztendlich
an den Ressourcen-Einsätzen, welche zur Leistungserstellung benötigt werden, ausgerichtet,
weshalb in diesem Zusammenhang auch von einer leistungswirtschaftlichen Bewertung104
ge-
sprochen wird.
In Tabelle 47 ist die Kalkulationsfunktion bzw. das hinter dieser stehende Baukastenprinzip in
tabellarischer Form dargestellt. Die dort einzegeichnete strichlierte Linie zeigt den Übergang
von den Einzelkosten zu den Teil- bzw. Vollkosten an. Die Einzelkosten kMP(n) umfassen die
MAT- und die PERS-EK. Werden zu diesen noch die variablen GK der Material- und der Fer-
tigung-KOST addiert, so ergeben sich die variablen Herstellungskosten kvHK(n). Durch Hinzu-
fügung der fixen GK der Material- und der Fertigung-KOST ergeben sich die (vollen)
Herstellungkosten kHK(n).
104
Die leistungswirtschaftliche Bewertung (PROWI-Bewertung) unterscheidet sich von der finanzwirtschaftlichen
Bewertung (FIWI-Bewertung), wobei die Bewertung nicht auf den Ressourcen-Einsätze, sondern auf den künfti-
gen Zahlungsströme (Cash Flow) ansetzt.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 145
Tabelle 47: Leistungs- bzw. Kostenträger – PROWI-Bewertung
Hinweis zur Notation:
Der Ausdruck EKS bzw. GKS stehen für Einzelkostensatz und Gemeinkostensatz. In beiden
Fällen handelt es sich um Einheitskosten.
Die in Tabelle 47 dargestellten Einheitskosten wurden im Rahmen der gesetzlichen Kosten-
rechnung abgeleitet. Deswegen können diese Einheitskosten auch zur bilanziellen Bewer-
tung105
von Halb- und Fertigprodukten verwendet werden. Welche Einheitskosten in der bilan-
ziellen Bewertung zu verwenden sind, das hängt vom zugrunde gelegten Handelsrecht ab. Im
nationalen bzw. lokalen Handelsrecht LHR (Local Generally Accepted Accounting Principles
– kurz: local GAAP) werden den in vielen Ländern Bewertungsspielräume106
eingeräumt, in-
dem eine Bandbreite an möglichen Wertansätzen vorgegeben wird. So wird beispielsweise im
österreichischem und deutschen Handelsrecht eine Unter- bzw. Obergrenze in Form der Ein-
zelkosten und der vollen Herstellungskosten vorgegeben. Dieser Bewertungsspsielraum wird in
der internationalen Rechnungslegung nach IFRS nicht gegeben. Dort gilt das Vollkostenprin-
zip. Die IFRS-konforme Bewertung erfordert somit für die bilanzielle Bewertung den Ansatz
der (vollen) Herstellungskosten.
Handelsrecht-Compliance: Bilanzielle Bewertung
Zur bilanziellen Bewertung dürfen nach dem Handelsrecht nur Kosten aus der gesetzlichen
Kostenrechnung verwendet werden. Welche Kosten bilanziert werden dürften, das hängt vom
verwendten Handelrecht ab. Im nationalen Handelsrecht wird üblicherweise ein Bewertungs-
spielraum gewährt, während im internationalen Handelsrecht das Vollkostenprinzip greift.
105
Wären hingegen nach dem Schmalenbach‟schen Balkenschema nicht nur pagatorische, sondern auch kalkula-
torische Kosten einbezogen worden, dann dürften diese nicht mehr zu bilanziellen Bewertung eingesetzt werden. 106
Die Wahlrechte hängen vom konkreten Handelsrecht ab. Im österreichischen Handelsrecht (UGB) und im
deutschen Handelsrecht (dHGB) gibt es derartige Wahlrechte. Im amerikanischen Handelsrecht US-GAAP fehlen
sie hingegen..
Gegossene K. Gepresste K. Gezogene K. (in %) Ko.
E.MAT-EKS kE.M(n) 1,0271 1,0769 1,3422 kE.M 1,0739 38,66%
G.MAT-EKS kG.M(n) 0,5177 0 0 kG.M 0,2683 9,66%
MAT-EKS kM(n) 1,5448 1,0769 1,3422 kM 1,3422 48,32%
PERS-EKS kP(n) 0,4353 0,2280 0,5243 kP 0,3609 12,99%
MP-EKS kMP(n) 1,9801 1,3049 1,8665 kMP 1,7031 61,31% EK
v.Mat-GKS kvG,M(n) 0,1949 0,1949 0,1949 kvG,M 0,1949 7,02%
v.Fert-GKS kvG,F(n) 0,3926 0,1636 0,3793 kvG,F 0,3008 10,83%
v.HKS kvHK(n) 2,5677 1,6634 2,4407 kvHK 2,1988 79,15% TK
f.Mat-GKS kfG,M(n) 0,0979 0,0979 0,0979 kfG,M 0,0979 3,53%
f.Fert-GKS kfG,F(n) 0,4818 0,3897 0,8987 kfG,F 0,4812 17,32%
HKS kHK(n) 3,1474 2,1510 3,4374 kHK 2,7780 100,00% VK
Ein
zelk
oste
nG
em
ein
koste
nGesamt
Grundlagen der Betriebswirtschaft 146
An dieser Stelle zeigt sich der Vorteil der nach dem generischen 3-Ressourcen-Modell flexibel
konzipierten gesetzlichen Kostenrechnung. Diese Kostenrechnung kann nämlich nicht nur zur
bilanziellen Bewertung verwendet werden. Vielmehr inkludiert sie auch eine Vielzahl an Be-
wertungsmöglichkeiten, welche im Rahmen der Unternehmens- und Betriebssteuerung ver-
wendet werden können. So lässt sich das Ressourcen- und Kostenträger-spezifisch aufbereitete
Datenmaterial der gesetzlichen Kostenrechnung problemlos zur Kalibrierung von unterschied-
lich ausgestalteten Kostenfunktionen für das Kosten-Controlling einsetzen. Die Kalkulations-
funktion kann auch auf Einzel- oder Teikostenbasis aufgesetzt werden, um die Deckungsbei-
tragsrechnung einzurichten bzw. um ganz allgemein ökonomisch fundierte Entscheidungen
treffen zu können. Die diesbezüglichen Vorgehensweisen werden im Kapitel über die Plankos-
tenrechnung eingehend erläutert.
Ausbringung-bezogene Kalkulationsfunktion: Bewertung der Bestandveränderungen
Tabelle 47 enthält die aus der gesetzlichen Kostenrechnung abgeleiteten Einheitskosten für die
verschiedenen Ressourcen-spezifischen Komponenten. Bei diesen Einheitskosten handelt es
sich um die mit der gesetzlichen Kostenrechnung kalibrierten Parameter der in Gleichungen
(66) bis (68) dargestellten Kalkulationsfunktionen zur leistungswirtschaftlichen Bewertung der
verschiedenen Kostenträgern anhand ihrer Einzelkosten, Teilkosten und Vollkosten.
Nunmehr werden diese Kalkulationsfunktionen im Sinne einer Ausbringung-bezogenen Kos-
tenfunktion erweitert, um damit Veränderungen des Lagerbestandes der Kostenträger über eine
Periode zu bewerten. Durch diese Erweiterung ergibt sich die Ausbringung-bezogene Kalkula-
tionsfunktion. Dabei handelt es sich um einen Spezialfall einer Ausbringung-bezogenen Kos-
tenfunktion. Der Spezialfallcharakter ergibt sich aufgrund der dabei konkret verwendeten Ein-
heitskosten und den Bestandsveränderungen, welche als Kostentreiber bzw. als Bezugsgröße
(Variable) der Funktion verwendet werden.
Die Ausbringung-bezogene Kalkulationsfunktion wird in Gleichung (69) exemplarisch zur
Bewertung der Bestandsveränderungen nach dem Vollkostenprinzip dargestellt. Dabei ergeben
sich die (vollen) Herstellungskosten KHK(n) der Bestandsveränderung xL(n) aus der Summe der
variablen Herstellungskosten KvHK(n) und den fixen Herstellungskosten KfHK(n). Die beiden
Komponenten der Herstellungskosten setzen sich ihrerseits jeweils aus dem Produkt der jewei-
ligen Einheitskosten und der Bestandsveränderung zusammen.
(69)
)()(
)()(,)(,)()(,)(,)(
)()()(
)()(
nfHKnvHK K
nLnFfGnMfG
K
nLnFvGnMvGnMP
nfHKnvHKnHK
xkkxkkk
KKK
Grundlagen der Betriebswirtschaft 147
In Tabelle 48 werden die Leistungs- bzw. Kostenträger in Form der gegossenen, der gepressten
und der gezogenen Kerzen mit der Ausbringung-bezogenen Kalkulationsfunktion bewertet.
Dabei werden alle drei Varianten dieser Funktion verwendet, u.z. auf Einzelkosten-, auf Teil-
kosten- und auf Vollkostenbasis. In der letzten Spalte der Tabelle werden die bewerteten Be-
standsveränderungen über die drei Kostenträger aggregiert, woraus sich ein einziger bilanzielle
Wert für alle drei Bestandsveränderungen ergibt.
(70) n
nHKHK KK )(
Bei dieser Aggregation ergibt sich aufgrund der gerade vorliegenden Konstellation eine be-
merkenswerte Besonderheit. Obwohl der gesamte Lagerbestand leicht abnimmt, ergibt sich ein
positiver Wert für die gesamte Bestandsveränderung. Der Grund ist im Detail ersichtlich. Die
Bestandsveränderungen der einzelnen Kostenträger werden mit unterschiedlichen Ausbrin-
gung-bezogenen Kalkulationsfunktionen bewertet und die Bestandserhöhungen sich relativ
stärker als die Bestandsreduktionen auswirken.
Tabelle 48: Bestandsveränderungen – Bewertung zu Einzel-, Teil- und Vollkosten
Bestandveränderungen: Verbuchung gemäß (IFRS-)Buchungsmatrix
Die bewerteten Bestandsveränderungen werden doppisch verbucht. Die Doppik ist das zentrale
Konzept der REA-Ontologie, wobei es sich um die in der Buchungsmatrix107
enthaltene öko-
nomische Logik108
handelt. Sie fordert eine gleichzeitige Soll- und Haben-Buchung in Höhe
des Werts der Bestandsveränderung.
107
Die Ausgestaltung der Buchungsmatrix hängt von den handelsrechtlichen Bestimmungen ab. So reicht im
nationalen Handelrecht zumeist die in Abbildung 11 dargestellte 9-Felder-Buchungsmatrix aus, wohin gegen im
internationalen Handelsrecht die in Abbildung 14 abgebildete IFRS-Buchungsmatrix erforderlich ist. 108
Von der ökonomischen Logik ist das ökonomische Prinzip zu unterscheiden, welches fordert, dass eine be-
stimmte Leistung mit minimalem Ressourcen-Einsatz bzw. dass bei gegebenem Ressourcen-Einsatz die maximale
Leistung erbracht wird.
Gegossene K. Gepresste K. Gezogene K.
B.V. (ME) xL(n) 1.425 -2.170 717 xL -28
Vollkosten (VK) KHK(n) 4.485 -4.668 2.465 KHK 2.282
Teilkosten (TK) KvHK(n) 3.659 -3.609 1.750 KvHK 1.799
MP-EK (EK) KMP(n) 2.822 -2.832 1.338 KMP 1.328
Gesamt
Grundlagen der Betriebswirtschaft 148
..
)7(
VBausErtragan
Vorrätec
BS 18: Verbuchung der Bestandszunahme
Ad BS 18) Durch die Soll-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto Vorräte und die Haben-
Buchung im Erfolgskonto Ertrag aus Bestandsveränderung (B.V.) wird ein nicht zahlungswirk-
samer Ertrag der Buchungskategorie 7 in der klassischen Buchungsmatrix bzw. 7c in der IFRS-
Buchungsmatrix verbucht.
Vorrätean
VBausErtragc ..)5(
BS 19: Verbuchung der Bestandsabnahme
Ad BS 19) Durch die Soll-Buchung im Erfolgskonto Ertrag aus Bestandsveränderung (B.V.)
und die Haben-Buchung auf dem aktiven Bestandskonto Vorräte wird ein nicht zahlungswirk-
samer Aufwand der Buchungskategorie 5 in der klassischen Buchungsmatrix bzw. 5c in der
IFRS-Buchungsmatrix verbucht.
Kostenträgerzeitrechnung (Erfolgsrechnung): Woher kommt der GUV-Betriebs-
erfolg?
Wie in der voran gegangenen Kostenträgerstückrechnung erörtert wurde, liefert die gesetzliche
Kostenrechnung das für die Kalkulation, d.h. die leistungswirtschaftliche Bewertung benötigte
Zahlenmaterial. Darüber hinaus liefert sie aber auch die für die Erfolgsermittlung zentralen
Informationen. In der Kostenträgerzeitrechnung geht es um die Bestimmung des über eine Pe-
riode erzielten Erfolgs. Dabei sind verschiedene Erfolgskategorien zu unterscheiden. Im Rah-
men des externen Rechnungswesens wird bei der Gliederung der GUV zwischen dem Be-
triebserfolg BEGUV, dem Finanzerfolg FEGUV und dem Residualerfolg in Form des Ergebnisses
der gewöhnlichen Tätigkeit EGT unterschieden. Diese Erfolgskategorien hängen aber wiede-
rum vom zu verwendenden handelsrechtlichen Standard ab. Diese Abhängigkeit wird im
Subindex zum Ausdruck gebracht, indem der generische GUV-Subindex durch den lokalen
Handelsrecht-Subindex LHR bzw. den internationalen IFRS-Subindex ersetzt wird. Darüber
hinaus werden im internen Rechnungswesen (Unternehmensrechnung), welches zur Unter-
nehmenssteuerung auf Ebene 4 bzw. zur Betriebssteuerung auf Ebene 1, 2 und 3 verwendet
wird, üblicherweise gegenüber dem externen Rechnungswesen auch noch unterschiedliche
Bewertungsprinzipien verwendet. Zur Kennlichmachung der internen Erfolgskategorien sind
wiederum eigene, kontextspezifische Subindizes zu verwenden.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 149
GUV-Gliederung nach GKV und UKV: Ausweis der Bestandsveränderungen
Die verbuchten Bestandsveränderungen werden bilanziell unter den Vorräten ausgewiesen. Der
mit der Bestandsveränderung verbuchte Erfolg wird in der GUV zwar auch ausgewiesen. Seine
Sichtbarkeit hängt allerdings vom zur Gliederung der GUV verwendeten Verfahren ab. Beim
Gesamtkostenverfahren GKV wird er explizit ausgewiesen, während er beim Umsatzkosten-
verfahren UKV in den Umsatzkosten hinein gerechnet wird.
In Tabelle 49 wird die nach dem GKV gegliederte GUV dargestellt. Dabei zeigt sich die Be-
standsveränderung mit einem negativen Vorzeichen, was in der ERP-Ontologie einer Haben-
Position entspricht, welche als Ertrag das ebenfalls habenseitig ausgewiesene Eigenkapital er-
höht.
Tabelle 49: GUV – Ausweis von Bestandveränderungen im GKV (ERPC-Bericht)
In der nach dem UKV gegliederten GUV ist die Bestandsveränderung hingegen nicht zu sehen.
Tabelle 50 enthält eine derart gegliederte109
GUV. Die Bestandsveränderungen sind dabei in
den Umsatzkosten enthalten, was aber nicht direkt angezeigt wird.
Tabelle 50: GUV – „Nicht“-Ausweis von Bestandveränderungen im UKV (ERPC-Bericht)
Bei den Umsatzkosten handelt es sich um die Herstellungskosten der in der Periode abgesetz-
ten Leistungen. Die Umsatzkosten umfassen demnach die Herstellungskosten aller in der Peri-
ode erzeugten Leistungen korrigiert um den Wert der Lagerbestandsveränderung KHK( xL).
Die Herstellungskosten der gefertigten Leistungsmengen umfassen die MAT-EK KM und die
109
Eine weitere Besonderheit der UKV-Gliederung ist die Elimination des GUV-Postens Sonstige Kosten KSONST,
welche im GKV zumeist bedeutend ist. Der Grund liegt darin, dass die Bestandteile dieses Postens im UKV auf
die jeweiligen KOST verrechnet werden und über diese in die UKV-GUV eingehen.
GUV nach GKV VK-Rechnung
Umsatzerlöse (Absatzleistung) -1.000.000
Bestandsveränderung Fertigprodukte -2.282
Gesamterlöse (Betriebsleistung) -1.002.282
... ...
GUV nach UKV
Umsatzerlöse UMS -1.000.000
Umsatzkosten KUMS 532.182
Umsatzergebnis UEGUV -467.818
Vertriebskosten KVtr 242.051
Verwaltungskosten KVw 62.266
Sonstiger betrieblicher Aufwand KSONST 0
Betriebserfolg (BE) BEGUV -163.501
Finanzerfolg (FE) FEGUV 35.624
Ergebnis der gewöhnl. Tätigk. (EGT) EGTGUV -127.877
VK-Rechnung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 150
PERS-EK, welche vorzugsweise in der Fertigung-KOST als KP,F anfallen, und die Gemeinkos-
ten der Material-KOST KMG,M sowie der Fertigung-KOST KG,F.
(71) )(,,, LHKFGMGFPMUMS xKKKKKK
In Tabelle 51 ist die Berechnung der Umsatzkosten explizit eingefügt, sodass sich nunmehr
auch die in den Umsatzkosten implizit enthaltenen Bestandsveränderungen zeigen.
Tabelle 51: GUV – UKV auf Basis voller Kosten (ERPC-Bericht)
Neben den Bestandsveränderungen zeigen sich nunmehr aber auch die Ressourcen-spezifi-
schen Komponenten in den Umsatzkosten. Bei den MAT-EK KM handelt es sich um Einzelkos-
ten in Form des Wareneinsatzes KM,F, welcher symbolisch der Fertigung-KOST zugeordnet
wird, und des Handelswareneinsatzes110
KM,F.
(K23) 150.288889.57261.230
, HWEFMM KKK
wobei KM MAT-Periodenkosten KM,F Wareneinsatz: MAT-Periodenkosten der Fertigung-KOST KHWE Handelswareneinsatz
110
Beim Handelswareneinsatz handelt es sich um den Wert der abgesetzten Handelswaren zu Einstandspreisen,
welche aus dem Einkaufspreis und den Bezugskosten bestehen.
GUV nach UKV
Umsatzerlöse UMS -1.000.000
Bestandsveränderung Fertigprodukte KHK( xL) -2.282
MAT-EK KM 288.150
Fert-PERS-EK KP,F 61.914
Mat-GK KG,M 50.239
Fert-GK KG,F 134.160
Umsatzkosten KUMS 532.182
Umsatzergebnis UEGUV -467.818
Vertr-PERS-EK KP,Vtr 102.458
Vertr-GK KG,Vtr 139.593
Vertriebskosten KVtr 242.051
Verw-GK KG,Vw 62.266
Verwaltungskosten KVw 62.266
Sonstiger betrieblicher Aufwand KSONST 0
Betriebserfolg (BE) BEGUV -163.501
Finanzerfolg (FE) FEGUV 35.624
Ergebnis der gewöhnl. Tätigk. (EGT) EGTGUV -127.877
VK-Rechnung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 151
Darüber hinaus enthält die Tabelle 51 auch noch die Bestandteile der Vertriebs- und Verwal-
tungskosten. Dadurch werden Ressourcen-spezifische Einblicke gegeben. Bei den Vertriebs-
kosten zeigen sich somit die mit der PERS-Ressource verbundenen EK. Bei diesen Einzelkos-
ten handelt es sich um die Provisionen für das selbständig angestellten Vertriebspersonal. Die
restlichen GK bestehen v.a. aus PERS- und TECH-GK. Diese zeigen sich, wenn in den ERCP-
Bericht einen Schritt tiefer gezoomt wird.
Tabelle 52: GUV-BE – Abhängigkeit vom BV-Bewertungsprinzip (ERPC-Bericht)
In Tabelle 52 sind die Ergebnisse dargestellt, welche sich durch die Bewertung der Bestands-
veränderungen mit unterschiedlichen Bewertungsprinzipien ergeben. Dabei zeigt sich, dass im
vorliegenden Fall die Bewertung der Bestandsveränderungen zu Teil- bzw. Einzelkosten zu
geringeren Erträgen führt. Durch diese Erträge werden die periodischen Herstellungskosten
neutralisiert. Durch die Soll-Buchung bei den Vorräten geht mit der habenseitigen Ertragsbu-
chung auch eine Erhöhung der Vorratsposition in der Bilanz einher, womit die neutralisierten
Herstellungskosten aktiviert werden. Die geringen Erträge bei der Bewertung nach dem EK-
bzw. TK-Prinzip führen schließlich auch zu geringeren Betriebserfolgen im Vergleich zur Be-
wertung nach dem VK-Prinzip.
Hinweis zur Unterscheidung: Einzelkosten-, Teilkosten- bzw. Vollkostenprinzip
Das Bewertungsprinzip bestimmt die Höhe der im UKV ausgewiesenen Umsatzkosten. Im
nationalen Handelsrecht gibt es diesbezügliche Spielräume, welche im internationalen Han-
delsrecht (IFRS) aufgrund der Vorschreibung des Vollkostenprinzips eliminiert werden. Diesen
Umstand gilt es bei der Analyse von UKV-gegliederten GUV stets zu beachten.
GUV nach UKV
Umsatzerlöse UMS -1.000.000 -1.000.000 -1.000.000
Bestandsveränderung Fertigprodukte Kx( xL) -2.282 -1.799 -1.328
MAT-EK KM 288.150 288.150 288.150
PERS-EK KP,F 61.914 61.914 61.914
Mat-GK KG,M 50.239 50.239 50.239
Fert-GK KG,F 134.160 134.160 134.160
Umsatzkosten KUMS 532.182 532.664 533.135
Umsatzergebnis UEGUV(x) -467.818 -467.336 -466.865
Vertr.PERS-EK KP,Vtr 102.458 102.458 102.458
Vertr-GK KG,Vtr 139.593 139.593 139.593
Vertriebskosten KVtr 242.051 242.051 242.051
Verw-GK KG,Vw 62.266 62.266 62.266
Verwaltungskosten KVw 62.266 62.266 62.266
Sonstiger betrieblicher Aufwand KSONST 0 0 0
Betriebserfolg (BE) BEGUV(x) -163.501 -163.018 -162.547
B.V.-Bewertung zu EKB.V.-Bewertung zu VK B.V.-Bewertung zu TK
Grundlagen der Betriebswirtschaft 152
Tabelle 53: GUV – UKV auf Basis variabler Kosten (ERPC-Bericht)
Die flexible Ausgestaltung der gesetzlichen Kostenrechnung ermöglicht auch noch weitere
Erfolgsdarstellungen, welche insbesondere für die Unternehmens- und Betriebssteuerung inte-
ressant sind. In Tabelle 53 wird beispielsweise die GUV nach dem UKV auf der Basis variab-
ler Kosten, wobei es sich um eine konkrete Ausgestaltung des TK-Bewertungsprinzips handelt,
gegliedert.
(K24) 690.566310.433000.000.1
)()( vUMSTKGUVTKGUV KUMSUE
(K25) 236.397905.15549.153690.566
)()( vVwvVtrTKGUVTKGUV KKUEBE
(K26) 018.163218.234236.397
,)( GUVfTKGUVGUV KBEBE
Hinweis zur Unterscheidung: Formel vs. ERPC-Bericht
In der formelhaften Darstellung werden zum anfänglich einfacheren Verständnis jeweils posi-
tive Werte für die Aufwands- und Erlöspositionen unterstellt, womit die Information über die
Soll- und Habenseite unterschlagen wird. In diesem Fall ergibt sich der Erfolg als Differenz
zwischen dem Erlös und den Kosten (Aufwand). Im ERP-CONTROL wird hingegen die Infor-
BE nach UKV
Umsatzerlöse UMS -1.000.000
Bestandsveränderung Fertigprodukte KHK( xL) -1.799
MAT-EK KM 288.150
Fert-PERS-EK KP,F 61.914
v.Mat-GK KvG,M 33.438
v.Fert-GK KvG,F 51.607
v.Umsatzkosten KvUMS 433.310
Umsatzergebnis UEGUV(TK) -566.690
Vertr-PERS-EK KP,Vtr 102.458
v.Vertr-GK KvG,Vtr 51.091
v.Vertriebskosten KvVtr 153.549
v.Verw-GK KvG,Vw 15.905
v.Verwaltungskosten KvVw 15.905
v.Sonstiger betrieblicher Aufwand KvSONST 0
Betriebserfolg (TK-Basis) BEGUV(TK) -397.236
Fixkosten (betriebl.) Kf,GUV 234.218
Betriebserfolg BEGUV -163.018
TK-Rechnung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 153
mation über die Soll- und Habenseite im Vorzeichen berücksichtigt, sodass der Erfolg durch
Addition111
gebildet wird. Diese Vorgehensweise reduziert mögliche Fehlerquellen und erhöht
somit die Datensicherheit im REA-Management-Informations-System ERP-CONTROL.
Absatzsteuerung: Von den Herstellungs- zu den Selbstkosten
Für die Entscheidungen im Rahmen der Absatzsteuerung reichen die Herstellungskosten nicht
aus, da noch wichtige Kostenbestandteile fehlen. Um für die im Rahmen der Absatzsteuerung
zu treffenden Preisentscheidungen benötigten Informationen zu erhalten, wird die für die Er-
mittlung der variablen Herstellungskosten kvHK erstellte Kalkulationsfunktion erweitert. Die
Erweiterung besteht in der Hinzunahme von variablen Einheitskosten für die Vertriebs-KOST
kvG,Vtr(n) und Verwaltungs-KOST kvG,Vw(n), womit in Summe die variablen Selbstkosten kvSK(n)
gebildet werden.
(72) )(,)(,)()( nVwvGnVtrvGnvHKnvSK kkkk
In Tabelle 54 zeigen sich die variablen Selbstkosten für die drei Kostenträger in Form der ge-
gossenen, gepressten und gezogenen Kerzen.
Tabelle 54: Von den variablen Herstellungs- zu den variablen Selbstkostensätzen
Weiters enthalten die beiden letzten Spalten der Tabelle auch noch die Bestandteile der variab-
len Selbstkosten, welche sich auf einer höheren Aggregatsstufe, also bei einer gesamthaften
Betrachtung aller Kostenträger ergeben. Diese Betrachtungsebene wird in der unternehmens-
weiten Planung und Steuerung verwendet, wo die Kostenträger-bezogene Granularität zuguns-
ten einer die gesamthafte Perspektive kennzeichnenden gröberen Granularität in den Hinter-
grund rückt.
(73) VwvGVtrvGvHKvSK kkkk ,,
111
In ERP-CONTROL kommt somit zur Erfolgsermittlung durchgängig das (+)-Rechenzeichen zum Einsatz.
Gegossene K. Gepresste K. Gezogene K.
v.HKS kvHK(n) 2,5677 1,6634 2,4407 kvHK 2,1988
v.Vetr-GKS kvG,Vtr(n) 0,2978 0,2978 0,2978 kvG,Vtr 0,2978
v.Verw-GKS kvG,Vw(n) 0,0927 0,0927 0,0927 kvG,Vw 0,0927
v.SKS kvSK(n) 2,9582 2,0539 2,8313 kvSK 2,5894
Gesamt
Grundlagen der Betriebswirtschaft 154
Produktionssteuerung: Offenlegung der betrieblichen Stellgrößen in der PROWI-Per-
spektive
Bei einer REA-konformen Ausgestaltung der klassischen Kostenrechnung ist im REA-
Management-Informationssystem auch eine feinere Informationsgranularität verfügbar. Diese
feiner Granularität ist für die Betriebs- und Prozesssteuerung wichtig, wofür der Ressourcen-
bzw. Prozessbezug benötigt wird. Die Ressourcen- bzw. Prozess-bezogene Information zeigt
sich, indem in die in Gleichung (72) dargestellte Kalkulationsfunktion das generische 3-Res-
sourcen-Modell bzw. der Prozess-Bezug exemplarisch für die variablen Herstellungskosten
integriert wird.
(74) )(,)(,
)(,)(,
)(,)(,)()(
nVwvGnVtrvG
i F
nvHKinvHKi
nVwvGnVtrvGnvHKnvSK
kkX
qR
kkkk
bzw.
(75)
)(,)(,)())((,
*
))((,))((,
)(,)(,)())((,))((,
)(,)(,)(
)(
))((,))((,
)(,)(,)()(
)( nVwvGnVtrvG
i
jn
j
jnvHKijnvHKijnvHKi
nVwvGnVtrvG
i
jn
j
jnvHKijnvHKi
nVwvGnVtrvG
i
jn
j jn
jnvHKijnvHKi
nVwvGnVtrvGnvHKnvSK
kkwqda
kkwqa
kkwx
qr
kkkk
Auf der Betriebsebene (Ebene 0, 1, 2, 3) ist die PROWI-Perspektive vordergründig, wobei die
betrieblichen sowie prozessbezogenen Informationen zur Produktionssteuerung benötigt wer-
den. Diese Informationen umfassen die Losgrößen xn(j) und die Prozesswiederholungen wn(j)
aller zur Herstellung des n-ten Kostenträgers n(j) eingesetzten Prozesse112
, sowie die aggregier-
ten Faktorpreise qi,vHK(n(j)) für die drei generischen Ressourcen. Darüber hinaus zeigt über die
Verbrauchsfunktion auch noch die Abhängigkeit der jeweiligen Produktionskoeffizienten
ai,vHK(n(j)) von den im besten Fall optimalen Prozessintensitäten d*
i,vHK(n(j)).
112
Auch bezüglich der Prozesse gibt es unterschiedliche Granularitäten. So kann die gesamte Funktion einer
KOST als ein Prozess gesehen werden. Dabei handelt es sich aber um einen aggregierten Prozess, welcher wiede-
rum in seine Teile zerlegt werden kann. Die einzelnen Teile können wiederum Teile besitzen, usw.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 155
Erweiterung der gesetzlichen Kostenrechnung: Einbeziehung kalkulatorischer
Kosten
Bei der gesetzlichen Kostenrechnung handelt es sich um eine konkrete Ausgestaltung der klas-
sischen Kostenrechnung. U.z. wird die klassische Kostenrechnung mit den im externen Rech-
nungswesen verwendeten pagatorischen Kosten kalibriert. Diese besondere Art der Kalibrie-
rung ist erforderlich, um in der GUV-Gliederung vom GKV zum UKV wechseln zu können.
Auf der anderen Seite wird die klassische Kostenrechnung REA-konform konzipiert, sodass
die über sie bereit gestellten Informationen in Form von Periodenkosten, Betriebs- und Pro-
zessdaten zur Kalibrierung des Prozess- bzw. reduzierten Kostenmodells verwendet werden
kann. In einem sich solcherart konstruierten REA-Management-Informationssystem liefert die
gesetzliche Kostenrechnung die Informationen, welche für die verschiedene Steuerungszwecke
insbesondere in der Produktion und im Vertrieb benötigt werden.
Das REA-Management-Informationssystem ist so flexibel eingerichtet, dass es auch mit ande-
ren Daten als den pagatorischen Kosten der gesetzlichen Kostenrechnung kalibriert werden
kann. Diese vielfältigen Kalibrierungsmöglichkeiten sind nicht Entweder/Oder-Entscheidun-
gen, sondern vielmehr Sowohl/Als auch-Entscheidungen. Durch die klare Trennung der Men-
gen-, Zeit- und Preisgerüste im REA-MIS können nämlich verschiedene Preissysteme parallel
geführt werden, sodass der PROWI-Perspektive folgend die Mengen- und Zeitgerüste mit ver-
schiedenen Preisgerüsten bewertet werden können. Die jeweilige Bewertung richtet sich nach
der Art des Unternehmens und dem Steuerungszweck.
So werden kleine Unternehmen häufig in Form von Einzelunternehmen geführt, wo der Eigen-
tümer nicht nur zugleich auch der Geschäftsführer ist, sondern darüber hinaus auch noch opera-
tiv in den Geschäftsprozessen mitarbeitet. In solchen Unternehmen erhält der Unternehmer für
seine Tätigkeit kein Entgelt, zumal ihm als Eigentümer das GUV-EGT zukommt. Im Rahmen
der zur Preisfindung auf den Absatzmärkten durchgeführten Kalkulation, wird auch die vom
Unternehmer selbst eingebrachten PERS-Ressource als kalkulatorische Größe in Form des kal-
kulatorischen Unternehmerlohns angesetzt.
Hinweis zur Unterscheidung: Pagatorische vs. kalkulatorische Kosten
Im Rahmen der externen Rechnungslegung dürfen immer nur die pagatorischen Kosten ange-
setzt werden. Die Einbeziehung von kalkulatorischen Kosten dient nur für interne Kalkulati-
ons- bzw. interne Steuerungszwecke. Werden kalkulatorische Kosten berücksichtigt, dann sind
zwei verschiedene Rechenwerke parallel zu führen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, wo kalkulatorische Kosten häufig thematisiert werden, sind die
Abschreibungen, also die TECH2-Kosten. Die Problematik stellt sich insbesondere im Rahmen
der Kalkulation und des Betriebsvergleichs. Werden in der Produktion Fertigungsanlagen ein-
gesetzt, welche steuerrechtlich bereits abgeschrieben sind, dann fallen keine Abschreibungen
Grundlagen der Betriebswirtschaft 156
mehr an. Die Abschreibungen zählen quasi als die große Ausnahme113
zu den pagatorischen
Kosten. In der Kalkulation wird in der Regel der ökonomischen Tatsache eines Ressourcen-
Verbrauchs Rechnung getragen, welcher vorliegt, unabhängig, ob die Anlage steuerrechtlich
abgeschrieben ist oder nicht. Aus diesem Grunde werden für Kalkulationszwecke anstelle der
pagatorischen die kalkulatorischen Abschreibungen angesetzt. Auch zum Betriebsvergleich
werden häufig kalkulatorische Abschreibungen angesetzt, um die ökonomische Vergleichbar-
keit der Kosten des Betriebsbereichs herzustellen.
113
Die finanzwirtschaftliche Betrachtung zeigt, dass mit den Abschreibungen keine Auszahlungen verbunden
sind. Die Auszahlungen eine Fertigungsanlage, welche als Anschaffungskosten bezeichnet werden, fallen mit
ihrer Anschaffung an. Gleiches gilt übrigens auch für die Bildung (Dotierung) von Rückstellungen, welche eben-
falls zu den pagatorischen Kosten zählen, obwohl sie nicht mit Zahlungen verbunden sind.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 157
Kontrolltheorie: Planung-, Kontrolle- und Lenkung-Aktivitäten
Im Controller-Leitbild der International Group of Controlling (www.igc.controlling.org) wird
Controlling definiert als die Gestaltung und Begleitung von Managementprozessen. Auf dieser
Definition setzt auch das Controlling unter Unsicherheit auf. Zur konzeptionellen Präzisierung
wird der Managementprozess darüber hinaus aus der kybernetischen Perspektive betrachtet und
mit den jeweiligen Ausführungsprozessen in Form eines PDCA-Regelkreises modelliert.
Kybernetisches Management-Modell: Integriertes PDCA-Rahmenwerk
Definition: Controlling (Institut für Managementwissenschaften/TUWien)
In Controlling114
geht es um die inhaltliche und zeitliche Integration des Ausführungssystems
(Do) mit dem Führungssytems, welches aus
dem Planungsystem (Plan),
dem Kontrollsystem (Check) und
dem Lenkungssystem (Act)
besteht, zu einer organisationalen Ganzheit. Dabei wird das Unternehmen als soziotechnisches
System modelliert, welches es im Zeitablauf in einem stochastischen Umfeld bestmöglich zu
führen gilt.
Die das Controlling charakterisierende intertemporale systemische Integration ist ein nicht
leicht zu fassendes Konstrukt, welches eine abstrakte und in mehrfacher Hinsicht strukturierte
Denkweise erfordert. Um dieses Konstrukt sukzessive aufbauen zu können, werden das Aus-
führungssystem und das in seine Teilsysteme zerlegte Führungssystem als PDCA-System be-
zeichnet. Das Ausführungssystem, welches aus den auf der ausführenden Ebene ablaufenden
114
Diese Controlling-Definition steht im Einklang mit der umfassend koordinationsorientierten Controlling-
Konzeption von Küpper [Küpp08, S. 27], wobei das Controlling die fünf Komponenten des Führungssystems
[Küpp08, S. 30] in Form des Planungssystems, Kontrollsystems, Informationssystems, Organisation und Personal-
führung koordiniert. Im Unterschied zu Küpper sollen durch die Darstellung des Controlling-Kreislaufs als integ-
rierender PDCA-Prozess der prozessuale, der kybernetisch dynamische und insbesondere der informationale As-
pekt von Controlling nachhaltiger betont werden. Die Organisation wird in der PDCA-Perspektive zweifach gese-
hen. Erstens bezieht sie sich über die Durch- bzw. Ausführung (Do) direkt auf den Ausführungsbereich, sodass
dieser mit dem Führungssystem explizit verbunden ist. Zweitens zeigt sie sich in Form der integrierten (Aus-
)Gestaltung des Gesamtsystems, indem der Controlling-Prozess aus der Metaperspektive betrachtet wird. Bei
dieser Perspektive handelt es sich um die Governance-Perspektive im Controlling, wobei der PDCA-Prozess einer
Beobachtung zugeführt wird. Diese Systembeobachtung wird im Sinne von Heinz von Foerster [Foer97] auch als
Controlling 2. Ordnung bezeichnet. Auf der Governance-Ebene geht es um die Ausgestaltung des gesamten
PDCA-Prozesses und dessen Adaptierungen im Zeitablauf. Weiters wird dabei auch der Aspekt der Personalfüh-
rung einbezogen, um das Controlling im Sinne des auf Arrow [Arro64] zurück gehenden oranisationalen Control-
ling (Organizational Control) auf soziotechnische Systeme aufzusetzen.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 158
Prozessen besteht, wird als (P)D(CA)-System bezeichnet. Durch die Ausklammerung des Pla-
nungssystems (P) und des Kontroll- und Lenkungssystems (CA) bleibt nur noch das Ausfüh-
rungssystem D, welches im (P)D(CA)-System vordergründig betrachtet wird. Durch die
Ausgeklammerung der jeweils restlichen Teilsysteme bleibt aber die hintergründige Betrach-
tung des integrierten Gesamtsystems ersichtlich. Der gleichen Logik wird gefolgt, wenn das
Planungssystem als P(DCA)-System, das Kontrollsystem als (PD)C(A)-System, das Lenkungs-
system als (PDC)A-System und das Führungssystem in seiner Gesamtheit als P(D)CA-System
bezeichnet wird.
Ausführungssystem
Güter
Geld
Planungs-
und
Kontroll-
system
Informations-
versorgungs-
system
Controlling-
System
Ergebnisziel-
orientierte
Koordination
Informationen
Informationen
Führungssystem
Abbildung 53: Controlling-System – Subsystem des Führungssystems
Die inhaltliche und zeitliche Integration des PDCA-Regelwerks wird anhand des aus der Ky-
bernetik stammenden Kreislaufmodells visualisiert. In Abbildung 54 wird das PDCA-
Regelwerk zur Symbolisierung der damit verbundenen Dynamik als Kreislaufmodell darge-
stellt. Der Dynamik zufolge handelt es sich bei diesem Kreislauf allerdings nicht um einen ge-
schlossenen Kreis, wobei das Ende des Kreises sich genau mit dem Kreisanfang schließt.
Vielmehr führt die Dynamik zu einer im Zeitablauf spiralförmigen Entwicklung, sodass der
Kreisanfang zeitlich vor dem Kreisende liegt. Zwischen dem Kreisanfang und dem Kreisende
liegt eine Periode, welche der zeitlichen Länge des periodischen Zyklus entspricht.
<<Ausführung>>
DO
<<Planung>>
PLAN<<Kontrolle>>
CHECK
<<Lenkung>>
ACT
Fü
hru
ng
ssyste
m Kyb
ern
etis
che
s M
GT
-Mo
dell:
PD
CA
-Kre
isla
ufm
od
ell
Au
sfü
hru
ngs-
syste
m
Abbildung 54: PDCA-Rahmenwerk – Intertemporal integriertes PDCA-/Controlling-System
Grundlagen der Betriebswirtschaft 159
Bei näherer Betrachtung der einzelnen Teilsysteme des Führungssystems und des Ausfüh-
rungssystems zeigt sich, dass jeweils unterschiedliche Zyklen auftreten können. Das PDCA-
System entwickelt sich somit im Zeitablauf als ein Ensemble von verschiedenen Prozessen,
welche durch das Controlling integriert ineinander greifen und wirken. Um den dynamischen
Charakter des systemischen Verhaltens aller Teilsysteme des PDCA-Systems besser zum Aus-
druck zu bringen, wird dieses System auch als PDCA-Prozess bezeichnet.
Definition: PDCA-Prozess als kybernetisches Regelwerk
Das aus der Kybernetik stammende Kreislaufmodell charakterisiert den iterativen, d.h. den sich
im Zeitablauf wiederholenden PDCA-Prozess, wobei die Komponenten des Führungssystems
in Form des Planungssystems (Plan), des Kontrollsystems (Check) und des Lenkungssystems
(Act) mit dem Ausführungssystem in Form des Aus- bzw. Durchführungssystems (Do) inter-
temporal integriert sind.
Bei der Prozessdefinition gilt es eine Besonderheit zu beachten, welche es im klassischen Pro-
zessmanagement nicht gibt. Aufgrund der ständigen Wiederholung im iterativ ablaufenden
PDCA-Prozess hat dieser Prozess kein eindeutiges Ende.
Definition: Prozess
Ein Prozess ist ein Ereignis mit einer zeitlichen Ausdehnung, wobei Ressourcen transformiert
werden. Ein Prozess hat somit einen Anfang und gegebenenfalls ein Ende.
<<Ausführung>>
<<Planung>><<Kontrolle>>
<<Lenkung>>
Regelung
<<Prüfgröße>>
Istwert <<Normgröße>>
Planwert
<<Stellgröße>>
Korrektur und
Adaption
<<Abweichung>>
Kyb
ern
etis
che
s M
GT
-Mo
dell
Op
en L
oo
p M
ana
gem
ent
Kyb
ern
etische
s M
GT
-Mo
de
ll
Clo
sed L
oo
p M
anag
em
en
t
<<Strategie>>
Regelungs-
vorschrift
<<Ausführung>>
<<Planung>>
<<Lenkung>>
Steuerung
<<Prüfgröße>>
Zustands-
variable
<<Stellgröße>>
Korrektur und
Adaption
<<Strategie>>
Steuerungs-
vorschrift
Abbildung 55: PDCA-Rahmenwerk – Unterscheidung von Regelung und Steuerung
Liegen im Führungssystem alle drei Management-Aktivitäten vor, dann handelt es sich um
eine kybernetische Regelung. Zentrales Kennzeichen des Regelungsmodells ist die geschlosse-
ne Wirkungskette, welche sich über den in der Kontrolle-Aktivität durchgeführten Vergleich
von Prüfgröße und Normgröße ergibt. Fehlt die Kontrolle-Aktivität, dann liegt eine offene
Wirkungskette vor. Dabei handelt es sich um eine kybernetische Steuerung.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 160
Definition: Kybernetisches Regelungsmodell (Closed Loop Management)
Inkludiert der Management-Prozess eine Kontrolle-Aktivität, dann liegt eine geschlossene
Wirkungskette und somit eine kybernetische Regelung vor.
Definition: Kybernetisches Steuerungsmodell (Open Loop Management)
Eine kybernetische Steuerung liegt vor, wenn im Management-Prozess die Kontrolle-Aktivität
fehlt, was eine offene Wirkungskette begründet.
X-Controlling-Modell: Modellierung als stereotypisiertes Aktivitätsdiagramm
Die im kybernetischen Rahmenwerk symbolisierte Dynamik lässt sich als Aktivitätsdiagramm
modellieren. Gegenüber einem einfachen Kreislauf beinhaltet das Aktivitätsdiagramm mehr
Semantik, was in der Regel zu einem fundierteren Verständnis von PDCA-Prozessen führt.
<<Ausführung>>
<<Normgröße>>
Planwert
<<Lenkung>>
Regelung
<<Prüfgröße>>
Istwert
<<Messung>>
<<Abweichung>>
PIA bzw. PWA
periodisch
<<Planung>>
<<Kontrolle>>
Plan/Ist- bzw. Plan/Wird-
Vergleich
<<Stellgröße>>
Korrektur
Führu
ngs-
syste
m
Ausfü
hru
ngs-
syste
m
Überw
achu
ngssyste
m:
Ein
schle
ifiges R
ege
lung
sm
odell
<<Strategie>>
Regelungsvorschrift
NOK
OK
Pla
nun
gs-
syste
m
Opera
tive
s
Syste
m
Abbildung 56: X-Controlling-Modell – Einschleifiges Regelungsmodell
In Abbildung 56 wird das kybernetische Rahmenwerk als Aktivitätsdiagramm modelliert. Die
Betrachtung des Aktivitätsdiagramms beginnt beim Startknoten in Form des ausgefüllten Krei-
Grundlagen der Betriebswirtschaft 161
ses links unten in der Grafik. Durch diesen Knoten wird ein Prozess115
, wobei es sich um die
Ausführung-Aktivität (Do) handelt, gestartet. In der sich zeitlich anschließenden Kontrolle-
Aktivität (Check) wird ein Wert116
gemessen, welcher mit der Normgröße in Form des Plan-
werts verglichen wird. Die sich daraus etwaig ergebende (Norm-)Abweichung117
geht als Ein-
gangsgröße die Lenkung-Aktivität (Act) ein und führt zu einer Lenkungsmaßnahme118
in Form
eines korrektiven Eingriffs in den ausführenden Aktivität des Ausführungssystems. Die in der
Kontroll-Aktivität verwendete Normgröße und die in der Lenkung-Aktivität verwendete Rege-
lungsstrategie kommen aus der Planung-Aktivität (Plan). Die Gesamtheit der drei Manage-
ment-Aktivitäten im Führungssystem und der Ausführung-Aktivität im Ausführungssystem
bilden das PDCA-Rahmenwerk.
<<Normgröße>>
Planwert
<<Prüfgröße>>
Istwert
<<Kontrolle>>
Plan/Ist- bzw. Plan/Wird-
Vergleich
NOK
OK
<<Abweichung>>
PIA
Kontrolle-System im X-Controlling-Modell
Abbildung 57: X-Controlling-Modell – Kontrolle-System
In der Kontrolle-Aktivität wird die gemessene Prüfgröße mit der Normgröße verglichen, um
die Abweichung von der Normgröße zu bestimmen.
115
Dieser Prozess befindet sich in einer Iterationsschleife, derzufolge der Prozess im Zeitablauf immer wieder
durchlaufen wird. Dies kann beispielsweise ein sich täglich ereignender Fertigungsprozess sein. Andererseits kann
es aber auch ein länger laufender Prozess sein, welcher in Teilprozesse zerlegt wird, sodass die einzelnen Teile im
Zeitablauf durchlaufen werden. Diese mehrfache Interpretationsmöglichkeit überträgt sich auch auf die dem Pro-
zess zeitlich anschließende Messungsaktivität. Handelt es sich um einen ganzen Prozess, so erfolgt die Messung
nach der Prozessrealisation. Wird der Prozess hingegen im Zeitablauf schrittweise ausgeführt, dann erfolgt auch
die Messung schrittweise. Die Messung setzt demnach vor der letztendlichen Realisation des gesamten Prozesses
ein. 116
Die Art des dabei gemessenen Werts spezifiziert das Lenkungssystem entweder als Feedback-
Regelungsmodell, wenn der Istwert gemessen wird, oder als Feedforward-Regelungsmodell, wenn ein Wert zur
Ermittlung des Wirdwerts ermittelt wird. 117
In Abhängigkeit vom im Vergleich verwendeten Wert ergibt sich im Falle der Feedback-Regelung eine retro-
spektive Abweichung und im Falle der Feedforward-Regelung ist es eine prospektive Abweichung. 118
In der Feedback- bzw. Feedforward-Regelung liegt eine reaktive bzw. eine proaktive Lenkungsmaßnahme vor.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 162
<<Lenkung>>
Regelung
<<Abweichung>>
PIA bzw. PWA
<<Stellgröße>>
Korrektur
<<Strategie>>
Regelungs-
vorschrift
Lenkung-System im X-Controlling-Modell
Abbildung 58: X-Controlling-Modell – Lenkung-System
In der Lenkung-Aktivität wird die in der Kontrolle-Aktivität bestimmte Abweichung gemäß
der Regelungsstrategie in die korrektiv wirkende Stell-größe umgewandelt.
<<Strategie>>
Regelungs-
vorschrift
<<Planung>>
<<Normgröße>>
Planwert
Planung-System im X-Controlling-Modell
Abbildung 59: X-Controlling-Modell – Planung-System
In der Planung-Aktivität wird die in der Kontrolle-Aktivität verwendete Normgröße festgelegt
und die in der Lenkung-Aktivität benötigte Regelungsstrategie bestimmt.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 163
<<Ausführung>>
<<Normgröße>>
Planwert
<<Lenkung>>
<<Prüfgröße>>
Istwert
<<Ziel>>
<<Messung>>
<<Abweichung>>
periodisch
<<Planung>>
<<Kontrolle>>
<<Stellgröße>>
Korrektur
<<Lenkung>>
<<Stellgröße>>
Adaption
<<Prüfgröße>>
Zustandsvariable
Führu
ngs-
syste
m
Ausfü
hru
ngs-
syste
m
Übe
rwach
un
gssyste
m: Z
weis
chle
ifiges
Re
gelu
ngs- u
nd S
teu
eru
ng
sm
ode
ll
<<Strategie>>
NOK
OK
Pla
nun
gs-
syste
m
Opera
tive
s
Syste
m
Abbildung 60: Controlling-Modell – Generisches Rahmenwerk
In Abbildung 60 ist ein generisches Controlling-Modell dargestellt, welches ein kombiniertes
Regelungs- und Steuerungsmodell enthält. Weiters ist es zweischleifig konstruiert, was an den
beiden Lenkung-Aktivitäten zu erkennen ist. Aus der Planung-Aktivität resultiert auch die
Zielvorgabe für die Ausführung, was v.a. für das Prozess- und Risiko-Management benötigt
wird.
Absatz-Controlling: Design und Ausgestaltung des Controlling-Modells
Absatz-Controlling: Inhaltliche Beschreibung, Design und Ausgestaltung
Im Rahmen der Planung werden die für die einzelnen Geschäftsbereiche erwarteten Absatz-
mengen und daraus die geplanten Absätze (Planabsatz) festgelegt. Im Zeitablauf werden die
Ist-Absätze in den einzelnen Geschäftsbereichen gemessen. Im einfachsten Fall werden die Ist-
mit den Plan-Absätzen im Rahmen von Endergebnis-Kontrollen verglichen. Mit Hilfe von
Zwischenergebnis-Kontrollen lassen sich zudem auch proaktive Regelungsmodelle implemen-
tieren. Werden in den Vergleichen unerwünschte Abweichungen festgestellt, so werden die in
der Regelungsstrategie festgelegten Maßnahmen ergriffen. Liefern die Vergleiche Hinweise,
dass die Planung fehlerhaft war, so wird die Planung-Aktivität entsprechend adaptiert.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 164
<<Ausführung>>
(subperiodischer)
Absatzprozess
<<Normgröße>>
Plan-Absatz
<<Lenkung>>
Regelung
<<Prüfgröße>>
Ist-Absatz
<<Messung>>
Absatzmessung
<<Abweichung>>
PIA bzw. PWA
periodisch
<<Planung>>
Planabsatz-Festlegung
<<Kontrolle>>
Plan/Ist- bzw.
PlanWird-Vergleich
<<Stellgröße>>
Korrektur
Führu
ngs-
syste
m
Ausfü
hru
ngs-
syste
m
Übe
rwach
un
gssyste
m: Z
weis
chle
ifiges
Feed
back-/F
ee
dfo
rward
-Re
gelu
ngsm
ode
ll
<<Strategie>>
Regelungsvorschrift
NOK
OK
Pla
nun
gs-
syste
m
Opera
tive
s
Syste
m
<<Ziel>>
<<Lenkung>>
Regelung
<<Stellgröße>>
Adaption
Abbildung 61: Absatz-Controlling – Zweischleifiges Regelungsmodell
Ausgestaltung der dispositiven Management-Aktivitäten
Ausführung-Aktivität: Absatzprozesse
Planung-Aktivität: Modell-basierte, d.h. analytische Planung des geplanten Absatzes
sowie Festlegung der Regelungsstrategie
Kontrolle-Aktivität: Bestimmung etwaiger Abweichungen durch Vergleich der perio-
disch gemessenen Ist-Absätze bzw. der daraus berechneten Wird-Absätze mit den Plan-
absätzen. ACHTUNG: Die Kontrollform bestimmt das Regelungsmodell. Dem Feed-
back- bzw. Feedforward-Regelungsmodell liegt ein Plan/Ist-Vergleich bzw. ein
Plan/Wird-Vergleich zugrunde.
Lenkung-Aktivität: in Abhängigkeit der konkreten Abweichung werden Lenkungsmaß-
nahmen ergriffen, welche korrektiv in die Ausführung oder adaptiv in die Planung wir-
ken (zweischleifiges Regelungsmodell).
Absatz-Controlling: Feedback-Regelung mit End- und Zwischeergebnis-Kontrollen
Feedback-Regelungsmodell: Ausgestaltung der dispositiven Management-Aktivitäten
Grundlagen der Betriebswirtschaft 165
Planung-Aktivität: Ausgangspunkt ist die von der Marketing-Abteilung für das nächste
Jahr erwartete Absatzmenge, woraus der Planabsatz festgelegt wird.
Messung-Aktivität: Nach Ablauf des Jahres wird die realisierte Absatzmenge gemes-
sen.
Kontrolle-Aktivität: Beim Vergleich der realisierten Absatzmenge mit dem geplanten
Absatz handelt es sich um einen Plan/Ist-Vergleich (Endergebnis-Kontrolle), was ein
Feedback-Regelungsmodell begründet.
Lenkung-Aktivität: Die sich aus dem Plan/Ist-Vergleich ergebende Feedback-
Abweichung bildet die Basis für eine reaktive Lenkung-Aktivität, welche korrektiv in
die Ausführung oder adaptiv in die Planung wirken kann.
<<Normgröße>>
Jahres-
Plan-Absatz
<<Prüfgröße>>
Jahres-
Ist-Absatz
<<Abweichung>>
Jahres-
PIA
<<Kontrolle>>
Jahres-
Plan/Ist-Vergleich
NOK
OK
Kontrolle-System mit Endergebnis-Kontrolle
Abbildung 62: Absatz-Controlling – Feedback-Regelung mit Endergebniskontrolle
Durch die Einführung von Zwischenergebnis-Kontrollen werden auch proaktive Lenkung-
Aktivitäten möglich, zumal die Aktivitäten dann bereits vor der Realisation des Endergebnisses
ergriffen werden können.
Planung-Aktivität: Der geplante Jahresabsatz lässt sich z.B. quartalsweise auf auf die
vier Quartals-Planwerte umlegen, welche die Zwischenziele für die Zwischenergebnis-
Kontrollen darstellen.
Messung-Aktivität: Nach Ablauf des Quartals wird der realisierte Quartalsabsatz ge-
messen.
Kontrolle-Aktivität: Durch die quartalsweisen Plan/Ist-Vergleiche liegt weiterhin ein
Feedback-Regelungsmodell vor.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 166
<<Normgröße>>
Quartals-
Plan-Absatz
<<Prüfgröße>>
Quartals-
Ist-Absatz
<<Abweichung>>
Quartals-
PIA
<<Kontrolle>>
Quartals-
Plan/Ist-Vergleich
NOK
OK
Kontrolle-System mit Zwischenergebnis-Kontrolle
Abbildung 63: Absatz-Controlling – Feedback-Regelung mit Zwischenergebniskontrollen
Planung-Aktivität: Analytische Planung mit dem anteilsbasierten Planungsmodell
Anteilsbasierte Planung: Die quartalsweisen Planwerte werden berechnet, indem der geplante
Jahresabsatz mit den jeweils geplanten Quartalsanteilen multipliziert wird. Die Quartalsanteile
werden über die durchschnittlichen Quartalsanteile der letzten T Jahre statistisch kalibriert.
Abbildung 64: Planung-Aktivität – Anteilsbasiertes Planungsmodell
Tabelle 55: Anteilsbasiertes Planungsmodell – Statistische Kalibrierung
Im einfachsten Fall werden die quartalsbezogenen Absatzanteile aus den prozentuellen Antei-
len der 4 Quartale der letzten beiden Jahren statistisch kalibriert, u.z. aus dem letzten Jahr (=
Vorjahr: VJ) und dem vorletzten Jahr (= Vor-Vorjahr: VVJ).
<<Planung>>
Anteilsbasiertes Planungsmodell
1
)( ,
)(,!
,
,
,,
1
TahrJIst
JAbs
Ist
JQAbs
Plan
Abs
Plan
QAbsPlan
QAbs
Plan
QAbs
Plan
Abs
Plan
QAbs
x
x
Tx
xa
mit
axx<<Normgröße>>
xPAbs,Q … Quartals-Planabsätze
<<Daten-Input>>
xPAbs … Jahres-Planabsatz
xAbs,Q(J) … historische Daten
Q1 Q2 Q3 Q4 p.a. (Sub-)Perioden
xAbs,Q(VJ) 41.158 33.397 39.794 57.233 171.582 VJ-Absatz
aAbs,Q(VJ) = XAbs,Q(VJ) / XAbs,Q(VJ) 23,99% 19,46% 23,19% 33,36% 100,00% VJ-Anteil
xAbs,Q(VVJ) 44.941 31.902 35.127 57.208 169.178 VVJ-Absatz
aAbs,Q(VVJ) = XAbs,Q(VVJ) / XAbs,Q(VVJ) 26,56% 18,86% 20,76% 33,82% 100,00% VVJ-Anteil
aPAbs,Q = ( aAbs,Q(J)) / T 25,28% 19,16% 21,98% 33,59% 100,00% Durchschnittswert des Anteils
Grundlagen der Betriebswirtschaft 167
(76)
%28,252
582.171
158.41
178.169
941.44
1
)( ,
)(,
!
,T
x
x
aTahrJ
Ist
JAbs
Ist
JQAbs
Plan
QAbs
Tabelle 56: Anteilsbasiertes Planungsmodell – Ermittlung der Planwerte
Ausgehend vom geplanten Jahresabsatz ME 175.000 werden die für die nächsten vier Quartale
geplanten Absätze über die Quartalsanteile berechnet.
HINWEIS: Die geplanten Quartalsabsätze werden somit aus einer Kombination der zukunfts-
gerichteten Jahresabsatzplanung und der historischen Quartalsentwicklungen ermittelt. Wird
erwartet, dass aufgrund gravierender Änderungen die historischen Werte nicht prognosefähig
sind, dann sind auch die Quartals-anteile zukunftsbezogen (z.B. durch Expertenbefragung) zu
ermitteln.
Kontrolle-Aktivität: Zwischenzeitliche Informationsenthüllung durch Planfortschrittskon-
trollen
Tabelle 57: Kontrolle-Aktivität – Ermittlung subperiodischer Plan/Ist-Abweichungen
Kontrolle-Aktivität: Nach jeder (Sub-)Periode werden die quartalsweise realisierten Absätze
den jeweils geplanten Quartalsabsätzen gegenüber gestellt, um die quartalsweisen Plan/Ist-
Abweichungen zu ermitteln. Dabei handelt es sich um Zwischenergebnis-Kontrollen, sodass
vor Realisation des gesamten Jahresabsatzes proaktive Lenkungsmaßnahmen möglich werden.
Diese Maßnahmen sollen sicher stellen, dass der am Jahresanfang geplante Jahresabsatz am
Ende des Jahres möglichst auch realisiert wird.
Q1 Q2 Q3 Q4 p.a. (Sub-)Perioden
xPAbs 175.000 geplanter Jahres-Absatz
aPAbs,Q 25,28% 19,16% 21,98% 33,59% 100,00% Quartals-Anteil
xPAbs,Q = xP
Abs * aP
Abs,Q 44.233 33.531 38.461 58.775 175.000 geplanter Quartals-Absatz
Q1 Q2 Q3 Q4 p.a. (Sub-)Perioden
xPAbs 175.000 geplanter Jahres-Absatz
aPAbs,Q 25,28% 19,16% 21,98% 33,59% 100,00% Quartals-Anteil
xPAbs,Q = xP
Abs * aP
Abs,Q 44.233 33.531 38.461 58.775 175.000 geplanter Quartals-Absatz
xAbs,Q 42.278 realisierter Quartals-Absatz
PIAQ = xAbs,Q - xPAbs,Q -1.955 Plan/Ist-Abweichung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 168
Absatz-Controlling: Vom Feedback- zum Feedforward-Regelungsmodell
Absatz-Controlling: Feedforward-Regelung mit Zwischeergebnis-Kontrollen
Feedforward-Regelungsmodell: Das Controlling-System wird zukunftsbezogener, wenn bei
den Zwischenergebnis-Kontrollen nicht Plan/Ist- sondern Plan/Wird-Vergleiche durchgeführt
werden.
(K27)
tQ
itQAbs
Plan
Abs
tQ
QAbs
CompletetoNeedswert-ErwartungRest
tQ
itQAbs
Werte-Istneaufgelaufe
tQ
QAbs
Wird-Wert
itAbs
saExx
sxExsxE
]|~[
]|~[]|~[
,,,
)(
,,,,
Anteilsbasiertes Prognosemodell: Mathematisch wird der Wird-Wert als bedingter Erwar-
tungswert modelliert, um die sich im Zeitablauf sukzessive enthüllenden Informationen adä-
quat berücksichtigen zu können. Beim bedingten Erwartungswert wird die Bedingtheit durch
einen geraden Strich und den die Bedingtheit charakterisierenden Zustand angegeben.
Der bedingte Erwartungswert wird für den Zeitpunkt t berechnet, indem die aufgelaufenen Ist-
Werte der vorangegangen Perioden (Q <= t) und der Rest-Erwartungswert der zukünftigen
Perioden (Q > t) summiert werden.
Tabelle 58: Kontrolle-Aktivität – Plan/Wird-Vergleich
Nach dem ersten Quartal wird der Ist-Absatz von 42.278 ME gemessen. Dabei handelt es sich
gleichzeitig auch um die bis zum Betrachtungszeitpunkt t1 auf-gelaufenen Ist-Werte (AIW).
Der Rest-Erwartungswert (REW) wird gebildet, indem die von t1 aus noch künftigen Anteile
der Absätze mit dem ursprünglich erwarteten Jahresabsatz multipliziert und summiert werden.
Q1 Q2 Q3 Q4 (Sub-)Perioden
xPAbs 175.000 geplanter Jahres-Absatz
xAbs,Q 42.278 realisierter Quartals-Absatz
AIW(st,i) = xAbs,Q 42.278 aufgelaufene Ist-Werte
E[aAbs,Q|st,i] 19,16% 21,98% 33,59% erwarteter Quartals-Anteil
E[aAbs|st,i] = E[aAbs,Q|st,i] 74,72% Rest-Anteil
REW(st,i) = xPAbs * E[aAbs|st,i] 130.767 Rest-Erwartungswert
E[xAbs|st,i] = AIW(st,i) + REW(st,i) 173.045 Wird-Wert
PWA(st,i) = E[xAbs|st,i] - xP
Abs -1.955 Plan/Wird-Abweichung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 169
(K28)
045.173
767.130278.42
%)59,33%98,21%16,19(000.175278.42
])|~[]|~[]|~[(
]|~[
]|~[]|~[
,14,,13,,12,1,
1
,1,1,
1
,1,
1
,,1
iQAbsiQAbsiQAbs
Plan
AbsQAbs
Q
iQAbs
Plan
AbsQAbs
Q
iQAbs
Q
QAbsiAbs
saEsaEsaExx
saExx
sxExsxE
Der Wird-Wert bildet sich aus der Summe von AIW und REW. Die Plan/Wird-Abweichung
ergibt sich durch Vergleich von erwartetem Jahres-Absatz und Wird-Wert.
Tabelle 59: Kontrolle-Aktivität – Plan/Wird-Vergleich im Zeitablauf
Eine Periode später befindet man sich im Betrachtungszeitpunkt t2. Die dann aufgelaufenen
Ist-Werte bilden sich aus der Summe der in den ersten beiden Quartalen realisierten Absätze.
Der Rest-Erwartungswert bildet sich aus der Summe der für die zwei noch verbleibenden
Quartale erwarteten Absätze.
HINWEIS: Bei den Plan/Wird-Abweichungen handelt es sich nicht um einperiodige Größen,
sondern um sich auf mehrere Perioden beziehende Größen.
Im Falle eines einschleifigen Regelungsmodells decken sich die bedingten Erwartungen bezüg-
lich der Quartalsanteile im Zeitablauf mit den ursprünglich geplanten Quartalsanteilen, sodass
die ursprüngliche Planung nicht adaptiert wird.
(77) %16,19]278.42|~[ 2,1,,12,
Plan
QAbsQAbsiQAbs axsaE
Q1 Q2 Q3 Q4 (Sub-)Perioden
xPAbs 175.000 geplanter Jahres-Absatz
xAbs,Q 42.278 30.817 realisierter Quartals-Absatz
AIW(st,i) = xAbs,Q 73.095 aufgelaufene Ist-Werte
E[aAbs,Q|st,i] 21,98% 33,59% erwarteter Quartals-Anteil
E[aAbs|st,i] = E[aAbs,Q|st,i] 55,56% Rest-Anteil
REW(st,i) = xPAbs * E[aAbs|st,i] 97.236 Rest-Erwartungswert
E[xAbs|st,i] = AIW(st,i) + REW(st,i) 170.331 Wird-Wert
PWA(st,i) = E[xAbs|st,i] - xP
Abs -4.669 Plan/Wird-Abweichung
Grundlagen der Betriebswirtschaft 170
Stochastische Kontrolltheorie: Stochastisch optimale Steuerung (SOS)
The scope of this book is a bit more amitous than the title would indicate. Our aim has been to
present an introduction to the mathematical theory of processes. The processes studied in
physics, engineering, economics, biology, and operations research possess a bewildering array
of special features: the state vector may be finite or infinite dimensional; the transition from
one state to another may be deterministic or stochastic; it may be possible to influence the
course of the process or not; competitive influences may be present or not; the controller may
be able to learn about unkown aspects of the process or not.
It is essential for the successful analyst to know how to incorporate any or all of these features,
and others, into mathematical models of the situations which he whishes to study. Further-
more, he must have an awareness of the capabilities and limitations of modern computing ma-
chines and of the interfaces between theoretical formulations and numerical solutions. In one
sense, the building of realistic mathematical models is simple. Realistic models, however, have
an unpleasant habit of quickly exceeding the memory and speed limitations of current comput-
ers. Progress can be made when adroit simplifications of the mathematical model permit a
meaningful computational study or when analytical advances permit a class of processes, hi-
therto thougt too complex, to be examined. [BeKa65, S. vii].
Stochastische Kontrolltheorie: Erweiterung der klassischen Entscheidungstheorie
Bei der stochastischen Kontrolltheorie (Stochastic Control Theory) geht es um die Bestimmung
von optimaler Entscheidungen über einen mehrperiodigen Horizont mit zwischenzeitlichen
Handlungsmöglichkeiten. Die stochastische Kontrolltheorie erweitert folglich die klassische
Entscheidungstheorie, wobei die optimale Selektion der Entscheidungsvariable über eine Peri-
ode bzw. zu einem Zeitpunkt betrachtet wird. Durch die Erweiterung werden intertemporale
und dynamische Aspekte in die Optimierung unter Unsicherheit einbezogen.
Hinweis zur praktischen Relevanz der stochastischen Kontrolltheorie:
Mit Hilfe der stochastischen Kontrolltheorie (Stochastic Control Theory) lassen sich PDCA-
Regelwerke quanitativ hinsichtlich der unterstellten Zielfunktion optimieren. Für die Quantifi-
zierung muss allerdings ein Preis bezahlt werden. Zumal die Grenzen der mathematischen Op-
timierung im organisationalen Kontext schnell erreicht sind, können eigentlich nur einfachere
PDCA-Modelle optimiert werden. Der praktische Gültigkeitsbereich ist demnach eher gering.
Andererseits erweist sich das durch die Kontrolltheorie thematisierte Denkgebäude der inter-
temporalen Optimierung unter Unsicherheit aber als ein guter Referenzpunkt zur qualitativen
Beurteilung konkreter Optimierungsansätze. Hinsichtlich des qualitativen Verständnisses be-
sitzt die stochastische Kontrolltheorie somit ein hohes praktisches Potenzial.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 171
Kennzeichen der (Stochastisch) Dynamischen Programmierung ist das rekursive Vorgehen (=
Rückwärtsinduktion) zur Lösung des Optimierungsproblems, d.h. man beginnt am Ende des
Planungshorizontes zu optimieren und arbeitet sich schrittweise zum Ausgangspunkt der Prob-
lemstellung vor... Bei der (Stochastisch) Dynamischen Programmierung wird das ursprüngli-
che mehrperiodige Entscheidungsproblem in eine Sequenz (von mehr oder minder stark ver-
flochtenen) einperiodigen Problemen zerlegt. [Schw94, S. 110].
For an auto travel analogy, suppose that the fastest route from Los Angeles to Boston passes
through Chicago. The principle of optimality translates to the obvious fact that the Chicago to
Boston portion of the route is also the fastest route for a trip that starts from Chicago and ends
in Boston. [Bert00, S. 18]
Das Bellman‟sche Optimalitätsprinzip besagt, dass durch die Anwendung der Rückwärtsinduk-
tion bei der intertemporalen Optimierung zu jedem Zeitpunkt die Optimalität aller nachfolgen-
den Entscheidungen gegeben ist, sodass durch die rekursive Vorgehensweise das intertempora-
le Optimum erreicht wird.
Let us henceforth suppose that we are dealing with decision processes whose formulation per-
mits us to restrict our examination of policies to those which depend only on current states. In
this special, but extremely important, case the optimal policy is characterized very simply:
PRINCIPLE OF OPTIMALITY. An optimal policy has the property that whatever the initial
state and initial decision are, the remaining decisions must constitute an optimal policy with
regard to the state resulting from the first decision. To illustrate this intuitive result, suppose
that we have an N-stage process, possessing the required separation of past and future, start-
ing in state p, with an optimal sequence of decisions q0, q1,… , qN-1, so that p1 = T(p0,q0), p2 =
T(p1,q1), and so on. Then q1, q2,… , qN-1 must represent an optimal sequence of decisions for
the (N-1)-stage process starting in state p1. Using this observation, we shall derive equations
which permit us to study, both analytically and computationally, the optimal policy and the
maximum return. [BeKa65, S. 35].
Kosten-Controlling im Lichte der stochastischen Kontrolltheorie
Nunmehr wird das Kosten-Controlling im Lichte der stochastischen Kontrolltheorie betrachtet.
Damit wird das Kosten-Controlling auf ein informationstheoretisches Fundament gestellt. Die
im Zeitablauf enthüllen Informationen und deren Flüsse werden über filtrierte Wahrscheinlich-
keitsräume modelliert. Die sich im Zeitablauf enthüllenden Informationen werden über das
Kontrollsystem in Erfahrung gebracht. Im Planungssystem werden diese potenziellen Informa-
tionsenthüllungen antizipiert und darauf die optimalen Handlungsanweisungen in Form der
stochastisch optimalen Steuerungsstrategie planerisch bestimmt. Im Zeitablauf spürt das Kont-
rollsystem den konkret realisierten Informationsfluss auf und gibt diese Informationen an das
Grundlagen der Betriebswirtschaft 172
Lenkungssystem weiter. Das Lenkungssystem führt das im Planungssystem stochastisch ge-
plante Regelwerk aus, indem es im Zeitablauf die jeweils optimalen Lenkungsmaßnahmen er-
greift.
Abbildung 65: Controlling u.U. – Stochastische Fundament
Im Rahmen der stochastischen Kontrolltheorie geht es um eine stochastisch optimale Maß-
nahmenplanung über einen mehrperiodigen Horizont, wobei die mit der unterschiedlich fernen
Zukunft jeweils einher gehende Unsicherheit in der Entscheidungsfindung explizit berücksich-
tigt wird. In der zeit- und zustandsdiskreten Variante der stochastischen Kontrolltheorie besteht
das stochastisch optimale Entscheidungsverhalten im Zeitablauf aus einem Entscheidungs-
baum. Hinter jedem Knoten des stochastisch optimalen Entscheidungsbaums steht eine Funkti-
on, welche die mit dem Knoten verbundene Information hinsichtlich des Zeitpunktes und des
Systemzustandes in eine optimale Handlunsanweisung überträgt. Weiters haben die einzelnen
Knoten eine jeweilige Eintrittswahrscheinlichkeit, sodass es sich um einen stochastisch opti-
malen Entscheidungsbaum handelt.
Stochastische Mehrperioden-Planung: Bestimmung stochastisch optimaler Entschei-
dungsbäume
Die stochastische Kontrolltheorie basiert auf einer flexiblen Planung der Kosten, indem für
jeden möglichen Zustand, wobei es sich um die Knoten im Entscheidungsbaum handelt, unter
Einbeziehung aller jeweils möglichen eigenen Lenkungsmaßnahmen die optimale Maßnahme
bestimmt wird. Im Planungssystem wird somit für alle Eventualitäten die jeweils optimale
Lenkungsmaßnahme bestimmt. Aus der Gesamtheit aller im Planungssystem bestimmten Len-
kungsstrategien wird im Zeitablauf in Abhängigkeit von der sukzessive realiserten Kostenent-
wicklung die diesbezüglich optimale Strategie ausgeführt. Über das Kontrollsystem wird die
sich im Zeitablauf sukzessive enthüllende Information in Erfahrung gebracht, welche dem
Lenkungssystem weiter geleitet wird, wo sie dann dem stochastisch geplanten Regelwerk kon-
form mit proaktiven Lenkungsmaßnahmen belegt wird. Die in der stochastischen Kontrolltheo-
III
IV
V
VI
TO
B: T
ech
n.-
org
an
is. B
ere
ich
LF
B: L
iqu
id.-
Fin
an
z-B
ere
ich
Rechnungswesen
(Stochastische Kontrolltheorie)
Controlling
unter Unsicherheit
Kerzen-EWF
TO
B: T
ech
n.-
org
an
is. B
ere
ich
LF
B: L
iqu
id.-
Fin
an
z-B
ere
ich
Rechnungswesen
(Stochastische Kontrolltheorie)
Controlling
unter Unsicherheit
Kerzen-EWF
Syste
m-D
yn
am
ik
Syste
m-K
yb
ern
eti
k
System-Stochastik
Grundlagen der Betriebswirtschaft 173
rie bestimmten Lösungen sind theoretischer Natur, welche nur im Kontext der in der konkreten
Modellierung berücksichtigten Konzepte Gültigkeit erlangt. Im praktischen Kontext wird es
immer Aspekte geben, welche im Modell nicht berücksichtigt wurden. Dies gilt v.a. für den
soziotechnischen Bereich, wo der Faktor Mensch ein nicht-kausales und somit auch nicht mit
Sicherheit vorhersehbares Verhalten zeigt. Deshalb ist das Modellrisiko im soziotechnischen
Kontext besonders groß. Zur Entgegnung dieses Risikos sind Erweiterungen der ursprünglich
für den technischen Bereich entwickelten stochastischen Kontrolltheorie in Richtung der Ky-
bernetik 2. Ordnung angebracht. Dieser Schritt wird beispielsweise vollzogen, wenn im Füh-
rungssystem auch ein Überwachungssystem eingerichtet wird.
Hinweis zur Kontrolltheorie:
In der stochastischen Kontrolltheorie gibt es verwirrender Weise gar keine Kontrolle-Aktvität.
In der Kontrolltheorie ist der Lenkungsaspekt, welcher in der korrektiv bzw. adaptiv wirkenden
Verwendung der im Überwachungssystem generierten Information besteht, von zentraler Be-
deutung. Im Mittelpunkt der stochastischen Kontrolltheorie steht die kybernetische Steuerung,
weshalb die Stochastic Control Theorie vielleicht verständlicher als stochastische Steuerungs-
theorie übersetzt werden sollte.
Zum einfachen Einstieg in die stochastische Kontrolltheorie wird ein in Papageorgiou [Papa91,
S. 467ff] angeführtes Beispiel verwendet. Im Unterschied zum Originalbeispiel wird es aber
gleich im wahrscheinlichkeitstheoretischen Kontext erläutert, um den Konnex zu den filtrierten
Wahrscheinlichkeitsräumen offen zu legen.
Abbildung 66: Stochastische Kostenstruktur im Zeitablauf
Die Ausgangssituation ist aus Abbildung 66 ersichtlich, wo die zukünftig möglichen Entwick-
lungen der Kosten119
über die vier Zeitpunkte (t0, t1, t2 und t3) eingetragen sind. Die letzte Spal-
te enthält die kumulierten Gesamtkosten, welche sich auf den insgesamt acht möglichen We-
119
Im Beispiel sind nur die Werte für die künftigen Kosten aber nicht die dazu gehörigen Wahrscheinlichkeiten
vorgegeben. Die Wahrscheinlichkeiten hängen von den im Zeitablauf getroffenen L/R-Entscheidungen ab. Diese
Entscheidungen können als Maßnahmen gesehen werden, welche es in der Maßnahmenplanung stochastisch op-
timal zu planen gibt.
T t0 t1 t2 t3 Kt( )
ω1 0 10
ω2 0 10
ω3 1.200 1.210
ω4 0 10
ω5 1.200 1.200
ω6 0 0
ω7 12 12
ω8 12 12
0
10
0
0
0
0
0
Grundlagen der Betriebswirtschaft 174
gen bzw. Pfaden ( 1 bis 8) ergeben können. Das Problem besteht nun darin, den kostengüns-
tigen Weg vom Zeitpunkt t0 bis zum Zeitpunkt t3 durch sukzessive Auswahl von Links- bzw.
Rechtsfahrt-Entscheidungen zu bestimmen. Im Falle von Sicherheit lässt sich der sechste Weg
( 6), wobei die geringsten Kosten in Höhe von Null anfallen, einfach durch die Wahl der Fahr-
sequenz R-L-R erreichen. Nun wird Unsicherheit eingeführt, indem die Konsequenzen der Ent-
scheidungen nicht mehr mit Sicherheit feststehen [Papa91]: Wenn an einem Punkt L (Links-
fahrt) entschieden wird, dann wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 % auch links gefahren
oder aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % rechts gefahren. Wird hingegen R (Rechts-
fahrt) entschieden, so beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Rechtsfahrt 75 % und die einer
Linksfahrt 25 %. Unter diesen Gegebenheiten können wir zwar auf den Fahrweg von A nach B
und auf die damit verbundenen Kosten mittels L- bzw. R-Entscheidungen Einfluss nehmen, eine
vollständige Determinierung des Fahrweges und der Kosten bleibt uns aber verwehrt.
Abbildung 67: Wahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit von L/R-Entscheidungen
Eine optimale Entscheidungsstrategie in dieser stochastischen Problemumgebung kann durch
die Forderung definiert werden, dass der Erwartungswert der Kosten ... minimiert werden soll.
Um eine stochastisch optimale Steuertrajektorie zu bestimmen, können alle acht Wege ... unter-
sucht und derjenige gewählt werden, der die erwarteten Kosten minimiert.
Beispielsweise führt die Entscheidungsstrategie L-L-L mit einer Wahrscheinlichkeit von 27/64
zum Weg L-L-L, dessen Kosten sich auf 10 belaufen, mit einer Wahrscheinlichkeit von 9/64
zum Weg R-L-L mit Kosten 1.200 usw. Der Erwartungswert der Kosten bei der Entscheidung
L-L-L beträgt:
(K29) 75,3451264
1)12010(
64
3)10210.1200.1(
64
910
64
27][ 0sKostenE LLL
Wenn wir diese Berechnung für alle möglichen Entscheidungssequenzen durchführen, erhalten
wir die optimale Steuertrajektorie L-L-R mit den minimalen erwarteten Kosten von 120,75.
T t0 t1 t2 t3 P3|0( )
ω1 75% 27/64
ω2 25% 9/64
ω3 75% 9/64
ω4 25% 3/64
ω5 75% 9/64
ω6 25% 3/64
ω7 75% 3/64
ω8 25% 1/64
SoS-Strategie L L L LLL
100% L
75% L
75% L
25% L
25% L
75% L
25% L
Grundlagen der Betriebswirtschaft 175
Bei der optimalen Steuertrajektorie handelt es sich um die stochastisch optimale Steuerungs-
strategie. Ihre Besonderheit darin besteht, dass sie zu den verschiedenen Zeitpunkten jeweils
unterschiedliche Entscheidungen zulässt, weshalb derartige Strategien als zeitpunktabhängige
bzw. als starre Strategien bezeichnet werden. Die Starrheit der Strategie ist gegenüber den fle-
xiblen Strategien zu sehen, welche nicht nur zeitpunkt-, sondern darüber hinaus auch noch zu-
standsabhängig gewählt werden können [Papa91]: Zur Bestimmung einer optimalen Rege-
lungsstrategie wird vom Ziel B - dabei handelt es sich um den letzten Zeitpunkt t3 - anfangend,
rückwärts fortschreitend die optimale Bewegungsrichtung an jedem Punkt bestimmt. Nehmen
wir an, dass wir uns an einem Punkt C der Stufe k befinden und dass wir die minimalen Erwar-
tungskosten der zwei Nachfolgepunkte D und E der Stufe k+1 mit E*
D und E*
E bereits bestimmt
haben. Dann berechnen sich die Erwartungskosten E*
C bei L-Entscheidung zu 0,75 E*
D + 0,25
E*
E und bei R-Entscheidung zu 0,25 E*
D + 0,75 E*
E. Der kleinere dieser zwei Erwartungskos-
ten ergibt E*
C und die entsprechende Richtung ist die optimale Bewegungsrichtung am Punkt
C.
Abbildung 68: Wahrscheinlichkeiten und Werte der SoR-Strategie
Das Resultat dieser Berechnung ist in Abbildung 68 zu sehen. Für die optimale zustandsbasier-
te Strategie, welche aufgrund der Zustandsabhängigkeit nunmehr selbst einen stochastischen
Verlauf nimmt, ergibt sich ein Erwartungswert an Kosten in Höhe von E*A = 84,25. Offenbar
betragen die optimalen Erwartungskosten ... für die optimale Regelung (zustandsbasierte Stra-
tegie) E*
A = 84,25 und sind somit geringer als die optimalen Erwartungskosten der optimalen
Steuersequenz (zeitbasierte Strategie). Das schlechtere Abschneiden der optimalen Steuerse-
quenz führt daher, dass die einmal auf der Grundlage der bekannten Wahrscheinlichkeiten
beschlossene Fahrsequenz stur - ohne Rücksicht auf den tatsächlich eintretenden Fahrweg -
eingesetzt wird. Die optimale Regelung (zustandsbasierte Strategie) ist hingegen flexibler,
macht sie doch ihre Entscheidung bei jeder Entscheidungsstufe von dem aktuell eingetretenen
Zustand abhängig. [Papa91].
Hinweis zur Unterscheidung: Zeit- vs. zustandsbasierte Strategie
Die von Papageorgiou gewähtle Bezeichung von Steuerung und Regelung deckt sich nicht mit
der im Controlling verwendten kybernetisch basierten Definition der beiden Konzepte. In der
T t0 t1 t2 t3 Kt( ) P3|0( )
ω1 75% 10 9/64
ω2 25% 10 3/64
ω3 25% 1.210 1/64
ω4 75% 10 3/64
ω5 25% 1.200 3/64
ω6 75% 0 9/64
ω7 75% 12 27/64
ω8 25% 12 9/64
SoR-Strategie R L/R L/R/R/L SoR
E[ Kt|F0] 84,25
100% R
25% L
75% L
25% R
75% R
25% R
75% L
Grundlagen der Betriebswirtschaft 176
CONTROL-Ontologie handelt es sich bei Pagageorgiou‟schen Steuerung bzw. Regelung um
zeit- bzw. zustandsbasierte Steuerungsstrategie.
Theorie stochastischer Prozesse: Rationale Planung unter Unsicherheit
Die stochastische Modellierungstechnik ist mehr nur als die Einbeziehung von stochastischer
Störgrößen in ein grundsätzlich deterministisches Modell. Die stochastische Modellierung
kommt bei der Betrachtung von soziotechnischen Systemen, also insbesondere in den Sozial-
und Wirtschaftswissenschaften zum Einsatz, um die in solchen Systemen untrennbar mit der
der Zukunft verbundene Unsicherheit im Modell explizit zu erfassen. Die Unsicherheit ist da-
bei nicht bloß eine Störgröße, welche alle nicht bekannten Aspekte bzw. Unvollkommenheiten
inkludiert. Die Unsicherheit ist vielmehr essentieller Bestandteil von soziotechnischen Syste-
men, welche den Agenten des Systems auch bewusst ist. Das Bewusstsein führt dazu, dass die
Agenten bei der rationalen Planung ihrer künftigen Handlungen bzw. Entscheidungen von den
verschiedenen künftigen Möglichkeiten ausgehen und dafür jeweils spezielle Maßnahmen vor-
sehen. Rational planende Agenten bestimmen demnach Eventualpläne für das künftige Han-
deln bzw. die künftigen Entscheidungen, welche sodann im Zeitablauf in Abhängigkeit der sich
dann konkret verwirklichenden Ereignisse ausgeführt werden. Im Rahmen der stochastischen
Kontrolltheorie werden sogar stochastisch optimale Steuerungen für die künftig möglichen
Zustände120
bestimmt, welche dann im Zeitablauf situativ ausgeführt werden.
Der stochastisch optimalen Steuerung liegt eine Idealwelt zugrunde. Solange die reale Welt mit
der Idealwelt weitest gehend korrespondiert, besitzt die in der Idealwelt erzielte Optimalität
auch praktische Relevanz. Bei größer werdenden Unterschieden zwischen beiden Welten muss
insbesondere die Idealwelt adaptiert bzw. modifiziert werden, um nicht zur l‘art pour l‘art zu
verkümmern.
Wahrscheinlichkeitstheoretische Modellierung von Information: Begriffe und Konzepte
Bei genauer Betrachtung von Abbildung 66, Abbildung 67 und Abbildung 68 zeigt sich im
linken oberen Eck jeweils das kartesische Produkt × T. Dadurch wird angezeigt, dass es sich
bei den in den Abbildungen ausgewiesenen Zahlungen jeweils um den Bildbereich von sto-
chastischen Prozessen handelt. Interessant ist nun, wie der Bildbereich der stochastischen Pro-
zesse aussieht. Um diesen zu erkunden, gilt es in die Theorie der stochastischen Prozesse ein-
zutauchen.
120
In der stochastischen Perspektive werden die Zustände als Ereignisse bezeichnet. Bei der Gesamtheit aller
Ereignisse handelt es sich um den Ereignisraum, welcher somit alle künftigen Eventualitäten inkludiert.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 177
Bei den stochastischen Prozessen handelt es sich um eine Verallgemeinerung von Zufallsvari-
ablen. Die Verallgemeinerung bezieht sich auf die Hinzunahme des Zeitindex T zum Ergebnis-
raum . Die stochastischen Prozesse bauen auf Zufallsvariablen auf, sodass es zuerst diese
wahrscheinlichkeitstheoretisch zu definieren gilt. Eine Zufallsvariable ist eine messbare Funk-
tion, welche den Wahrscheinlichkeitsraum in die Zahlen abbildet. Der Wahrscheinlichkeits-
raum ist das Triplet ( , F, P). Er besteht aus dem Ergebnisraum Ω, dem Ereignisraum F und
das sich auf F beziehende Wahrscheinlichkeitsmaß P. Beim Ereignisraum handelt es sich um
eine abgeschlossene Mengenalgebra, welche auf die Elemente des Ergebnisraums gebildet
wird. Die Elemente des Ereignisraums sind Ereignisse.121
. Über die Zufallsvariable werden
den Ereignissen Zahlen zugeordnet. Aufgrund der Messbarkeit der die Zufallsvariable definie-
renden Funktion sind auch die Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse mit den abgebildeten Zah-
len verbunden.
Dem Papageorgiou-Beispiel liegt ein dreiperiodiger Binomialprozess, woraus sich über die drei
Zeitperioden insgesamt 2³ = 8 mögliche Entwicklungen des Prozesses ergeben. Die Prozessrea-
lisationen werden auch als Pfade oder Trajektorien bezeichnet. Die Trajektorien sind die Ele-
mente des Ergebnisraums des stochastischen Binomialprozesses.
(78) },,...,,{ 8721
Im Unterschied zu den Zufallsvariablen werden bei den stochastischen Prozessen den Elemen-
ten des Ergebnisraums nicht nur eine Zahl, sondern ein ganzer Vektor an Zahlen zugeordnet.
Die Anzahl der zugeordneten Zahlen hängt von den Elementen im Zeitindex T ab. Im
dreiperiodigen Binomialprozess werden folglich jedem Element drei Zahlen zugeordnet. Bei-
spielsweise werden dem Pfad 1 in Abbildung 66 für die Zeitpunkt t1, t2 und t3 die drei Kos-
ten von 10, 0 und 0 zugeordnet.
Um dem stochastischen Prozess für jedes Element der Indexmenge, d.h. für jeden Zeitpunkt t
eine Zahl zuordnen zu können, muss für jeden Zeitpunkt ein Ergebnisraum vorhanden sein. Im
einfachsten Fall kann dem stochastischen Prozess zu jedem Zeitpunkt der gleiche Ergebnis-
raum zugeordnet sein. Eine solche Vorgehensweise ist in den technischen bzw. Natur-
wissenschaften auch häufig anzutreffen. In den Informations- und Wirtschaftswissenschaften
finden hingegen ausgefeilterte Modellierungen Anwendung, um die der Zukunft immanente
Unsicherheit sowie die im Zeitablauf stattfindenen Informationsflüsse bzw. Informations-
enthüllungen realistischer adressieren zu können. So werden die Ergebnisräume, d.h. die Sig-
ma-Algebren zu den verschiedenen Zeitpunkten mit einem Zeitindex Ft versehen.
121
Die Ereignisse spielen auch im unternehmensweiten Risikomanagement nach dem COSO II-Standard
(www.coso.org) eine zentrale Rolle, zumal dort Risiko und Chance jeweils über Ereignisse definiert werden.
Beim Risiko sind es die negativ wirkenden Ereignisse, welche die Erreichung der Ziele gefährden. Bei der Chance
sind es die positiv wirkenden Ereignisse, welche der Zielerreichung förderlich sind. Im Risiko-Controlling wird
der COSO II-Standard näher erläutert.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 178
[Hübn03, S. 17f]: Definition 2.6. Ein System F von Teilmengen einer Menge Ω heißt abzähbar
abgeschlossenes Mengen-System oder (Mengen-)σ-Algebra über Ω, wenn gilt:
(1) Ω F,
(2) Ac F, falls A F
(3) i=1 Ai F, falls A1, A2, ..., F.
Gelegentlich beschränkt man sich auf die Abgeschlossenheit gegenüber endlichen Verknüp-
fungen. Man erhält dann eine sogenannte “Mengen-Algebra”. Endliche Mengen Algebren sind
immer auch σ-Algebren, wie z.B. F = { , Ω} und F = { , Ω, A, Ac}, die einfachsten σ-
Algebren.
[Hübn03, S. 17f]: Definition 2.7. Ist E ein System von Teilmengen von Ω, dann heißt die
kleinste σ-Algebra F (über Ω), die E enthält, die von E (über Ω) erzeugte σ-Algebra. Diese σ-
Algebra wird mit FΩ(E) (kurz F(E)) bezeichnet, E heißt der Erzeuger von F.
Die Sigma-Algebren zu den verschiedenen Zeitpunkten werden durch Partitionierungen des
Ergebnisraums gebildet. Die dabei entstehenden Partitionen, welche für das Papageorgiou-
Beispiel in Tabelle 60 zu sehen sind, sind die Erzeuger der jeweiligen Sigma-Algebren. In
praktischen Controlling-Anwendungen definieren die Partitionen darüber hinaus den Zustands-
baum. Im Zustandsbau werden die durch die Partitionen entstandenen Teilmengen mit den Zu-
ständen (s ... states) gleichgesetzt. Jeder Zustand im Zustandsbaum ist somit wahr-
scheinlichkeitstheoretisch eindeutig definiert.
Tabelle 60: Partitionierungen des Ergebnisraums über die Zeit
Betrachtet man beispielsweise den Pfad 1 in Tabelle 60 so sieht man, dass der Pfad erst im
Zeitpunkt t3 vollkommenen enthüllt ist. In den vorangehenden Zeitpunkten tritt er nicht iso-
liert, sondern nur gemeinsam mit anderen Pfaden auf. Die mit den anderen Pfaden gebildeten
Mengen werden im Zeitablauf immer kleiner. Weiters ist zu erkennen, dass die Partitionen zu
späteren Zeitpunkten die Partitionen der früheren Zeitpunkte immer nur verfeinern. Informati-
onstheoretisch bedeutet das, dass die einmal in Erfahrung gebrachte Information fortan immer
bekannt ist. Dieses Informationssystem und die sich daraus im Zeitablauf ergebende Informati-
onsenthüllung wird wahrscheinlichkeitstheoretisch als Filtration bezeichnet. Bei der Filtration
T t0 t1 t2 t3
ω1 1 = s3,1
ω2 2 = s3,2
ω3 3 = s3,3
ω4 4 = s3,4
ω5 5 = s3,5
ω6 6 = s3,6
ω7 7 = s3,7
ω8 8 = s3,8
{ 5, 6, 7,
8} = s1,2
{ 1, 2} = s2,1
{ 3, 4} = s2,2
{ 5, 6} = s2,3
{ 7, 8} = s2,4
={ 1, 2,
3, 4, 5, 6,
7, 8} = s0,1
{ 1, 2, 3,
4} = s1,1
Grundlagen der Betriebswirtschaft 179
handelt es sich somit um die über die Indexmenge geordnete Menge der isotonen Sigma-
Algebren {Ft}.
[Baue02, S. 138]: Die Familie (Ft)t T heißt eine Filtration (in Ω), wenn sie isoton ist, wenn also
gilt
(16.6) s t Fs Ft (s,t T).
Die Familie (Xt)t T heißt der Filtration (Ft)t T adaptiert, wenn Xt für jedes t T Ft-messbar ist.
Dem Papageorgiou-Beispiel liegt die in Gleichung (79) spezifizierte Filtration zugrunde. Sie
wird durch die zur Bildung der abgeschlossenen Mengensysteme erforderlichen Komplement-
und Vereinigungsoperationen aus den in Tabelle 60 für die jeweiligen Perioden enthaltenen
Partitionen des Ergebnisraums gebildet.
(79)
3210
87654321
87654321
876543213
874321876521
876543654321
87436543
87216521
87654321
876543212
876543211
0
,...},,,,,,,
},,{},,{},,{},,{
},,,,{},,,,{,0,{
}},,,,,{},,,,,,{
},,,,,,{},,,,,,{
},,,,{},,,,{
},,,,{},,,,{
},,{},,{},,{},,{
},,,,{},,,,{,0,{
}},,,{},,,,{,0,{
}0,{
FFFF
sodass
F
F
F
F
In Gleichung (80) werden die Partitionen des Ergebnisraums mit den Kurzbezeichnungen für
die Zustände im Zustandsbaum angegeben, um das wahrscheinlichkeitstheoretische Fundament
der Zustandsbaum-Modellierung offensichtlich zu machen.
(80)
,...},,,
,,,,,{
,...},,,,{
},,{
}0,{}0,{
8,37,36,35,3
4,33,32,31,323
4,23,22,21,212
2,11,101
1,00
ssss
ssssFF
ssssFF
ssFF
sF
Den Ergebnisraum, welcher dem Papageorgiou-Beispiel zugrunde liegt, kann man sich gut in
Form eines indexierten Kollektivmünzwurfs von drei Münzen vorstellen. Werden unterschiedli-
Grundlagen der Betriebswirtschaft 180
che Münzen verwendet, so lässt sich die Indexierung innerhalb des Kollektivwurfs durch eine
Anordnung der Münzen entsprechen den Nennwerten der Münzen erreichen.
Abbildung 69: Indexierter Kollektiv-Münzwurf – Sukzessive Informationsenthüllung
In Abbildung 69 sind die 8 möglichen Realisationen, welche sich aus den drei Münzen ergeben
können, ganz rechts im Zeitpunkt t3 zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt wird nämlich die gesamte
Realisation des Münzwurfs enthüllt. In früheren Zeitpunkten werden nur Teilinformationen
gegeben. Im Zeitpunkt t1 bezieht sich diese Information nur auf die Realisation der ersten
Münze im Kollektivwurf. Die sich aus dieser Information ergebende Partionierung des Ergeb-
nisraums wird anhand der beiden Münzen im Zeitpunkt t1 dargestellt. In Abbildung 70 ist die-
se Partitionierung anhand der beiden Teilmengen, welche die linke und rechte Spalten bilden,
zu sehen.
T t0 t1 t2 t3
ω1
ω2
ω3
ω4
ω5
ω6
ω7
ω8
Grundlagen der Betriebswirtschaft 181
Abbildung 70: Indexierter Kollektiv-Münzwurf – Erzeugung der Pfade
Zustandsbaum-Modell: Repräsentation der Partitionen des Ergebnisraums
Nach den Überlegungen des vorangegangenen Abschnitts sollte nunmehr die wahrscheinlich-
keitstheoretische Definition der stochastischen Prozesse klar verständlich sein.
[Baue02, S. 304)]: 35.1. Definition. Stochastischer Prozess (oder kurz: Prozess) heiße jedes
Quadrupel (Ω, F, P, (Xt)t T), wobei (Ω, F, P) ein W-Raum und (Xt)t T eine Familie von Zu-
fallsvariablen auf diesem W-Raum mit Werten in einem gemeinsamen Messraum (Z, B) ist.
Man nennt die Indexmenge T die Parameter- oder Zeitmenge und den Messraum (Z, B)
(oder kurz Z) den Zustandsraum des stochastischen Prozesses. Für jedes ω Ω heißt die durch
t Xt(ω) definierte Abbildung von T in Z ein Pfad des Prozesses. ... Statt von Pfaden spricht
man auch von Trajektorien oder den Realisierungen des Prozesses...
Abbildung 71: Zustandsbaum – Partitionen des Ergebnisraums
Der Binomialprozess lässt sich als binärer Baum darstellen, wobei jedem Zustand genau zwei
weitere Zustände folgen. Der binäre Baum der exogenen Größe bildet die Partitionen des Er-
gebnisraums in den verschiedenen Zeitpunkten ab. In den praktischen Controlling-Anwen-
dungen wird der Zustandsbaum als Ausgangspunkt für die stochastischen Prozesse verwendet.
t0 t1 t2
s0
s1,1
s2,1
s2,2
s1,2
s2,3
s2,4
1
2
3
4
Grundlagen der Betriebswirtschaft 182
In jedem Controlling-Modell gibt es sodann einen Zustandsbau, auf den alle stochstischen Pro-
zesse des Modells Bezug nehmen.
Abbildung 72: Stochastischer Prozess – Abbildung des Zustandbaums in Zahlen (1/2)
Die stochastischen Prozesse werden sodann definiert als Funktionen, welche den Zustands-
baum in Zahlen abbilden. Beim z.B. geometrischen Random Walk-Modell ist die prozentuelle
Veränderung des Prozesses als identisch und unabhängig verteilte Zufallsvariable definiert.
Durch Vorgabe eines Startwerts ist dann die gesamte Entwicklung definiert.
Abbildung 73: Stochastischer Prozess – Abbildung des Zustandsbaums in Zahlen (2/2)
Stochastisches Rahmenwerk: Design zeit- bzw. zustandsbasierter SOS-Modelle
In der stochastisch optimalen Steuerung wird die optimale zeit- bzw. zustandsbasierte Steue-
rungsstrategie bestimmt, welche den Wert der intertemporal ausgelegten Zielfunktion opti-
miert. Als Ergebnis der Optimierung ergibt sich aus der Erstplanung eine optimale Entschei-
dungssequenz oder ein optimaler Entscheidungsbaum als <<Strategie>>. Diese stochastisch
optimalen Strategien werden sodann im Zeitablauf in Abhängigkeit von der Zeit bzw. den sich
sich konkret enthüllenden Ereignisse (Zuständen) ausgeführt.
t0 t1 t2
s0
+10%
(50%)
+10%
(50%) 1
-10%
(50%) 2
-10%
(50%)
+10%
(50%) 3
-10%
(50%) 4
t0 t1 t2
4
1.000
1.100
1.210 1
990 2
900
990 3
810
Grundlagen der Betriebswirtschaft 183
<<Ausführung>>
Prozess
<<Lenkung>>
Starre bzw. flexible
Steuerung
<<Prüfgröße>>
Zeit bzw.
Zustand
<<Messung>>
Messung der
Zustandsvariableperiodisch
<<Planung>>
Rationale Planung
unter Unsicherheit
<<Stellgröße>>
Entscheidungs-
variable
Fü
hru
ngs-
syste
m
Au
sfü
hru
ng
s-
syste
m
Üb
erw
ach
un
gssyste
m: E
in-
sch
leifig
es S
teueru
ng
sm
odell
Pla
nun
gs-
syste
m
Op
era
tive
s
Syste
m<<Strategie>>
Stochastisch optimale
zeit- bzw. zustandsbasierte
Steuerungsstrategie
Abbildung 74: SOS-Modell – 1-stufiges Steuerungsmodell
In Abbildung 74 wird ein einschleifiges Steuerungsmodell dargestellt. Bei der Prüfgröße kann
es sich entweder um die Zeit oder um Zustände handeln. Wird die Zeit zur Steuerung verwen-
det, dann liegt eine zeitbasierte Steuerung vor. Die zustandsbasierte Steuerung stellt eine Er-
weiterung dar, indem in den verschiedenen Zuständen die Ausprägungen der der Steuerung
zugrunde liegenden Zustandsvariable gemessen werden.
Im Rahmen der Planung-Aktivität wird auf dem Fundament der stochastischen Kontrolltheorie
die stochastisch optimale Steuerungsstrategie bestimmt, welche im Zeitablauf ausgeführt wird.
Die zeit- bzw. zustandsbasierte Steuerung wird auch als starre bzw. flexible Steuerung be-
zeichnet.
Der für die exogene Variable bestimmte Zustandsbaum fungiert auch für die flexible, d.h. zu-
standsbasierte Handelsstrategie als Definitionsbereich. Im Rahmen der prospektiven Ex ante-
Betrachtung, welche z.B. bei der rationalen Planung unter Unsicherheit und der Simulation zur
Anwendung kommt, werden alle möglichen Entwicklungen berücksichtigt. Im Unterschied
dazu, zeigt sich in der retrospektiven Ex post-Betrachtung immer nur die konkret realisierte
Entwicklung. Diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen beziehen sich auch auf das in Ab-
bildung 74 dargestellte SOS-Modell. Ex ante werden alle möglichen Pfade durchlaufen, wäh-
rend sich bei der Ex post-Betrachtung die im Zeitablauf realiserte Entwicklung enthüllt.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 184
Management-Informations-System: Design und Implementierung
Hinweis zur ERP-gestütztes Controlling-LVA (VU 320.191):
ERP-gestütztes Controlling ist eine eigene Lehrveranstaltung, welche jeweils im Sommer-
semester am Institut für Management-Wissenschaften angeboten wird. In der Lehrveranstal-
tung geht es um das ökonomische sowie informatische Verständnis von Enterprise Resource
Planning-, d.h. ERP-Systemen. Dieses Verständnis ist notwendig, um sich in ERP-Systemen
orientieren und sodann arbeiten zu können. Als ERP-Prototyp wird ERP-CONTROL verwendet.
Bei ERP-CONTROL handelt es sich um eine am Institut für Management-Wissenschaften entwi-
ckelte Web2.0-basierte Applikation, wobei nicht nur die Planung von dezentral organisierten
Unternehmen, sondern auch deren Steuerung adressiert wird. Insofern handelt es sich bei ERP-
Control um die Integration einer klassischen ERP-Applikationen und einer Business Perfor-
mance Management-, d.h. BPM-Applikation.
Die Verwendung des integrierten ERP-Applikation (ERP-CONTROL) bietet den Vorteil, dass
ohne Rücksicht auf kaufmännische Interessen von speziellen ERP- und BPM-Anbietern alle
Aspekte von ERP- und BPM-Systemen thematisiert werden können. Dies soll ein generisches
ERP- und BPM-Verständnis fördern, welches sich auch zum fachkundigen Benchmarking be-
stehender ERP- und BPM-Produkte einsetzen lässt. Über das Benchmarking lassen sich die
Grenzen, Stärken und Schwächen in Erfahrung bringen. Die Beseitigung der sich dabei zeigen-
den Baustellen in den verschiedenen ERP- und BPM-Produkten könnte durchaus ein interes-
santer und lukrativer Job werden.
Hinweis zu ERP-CONTROL:
Beim ERP-CONTROL handet es sich um den am IMW/TUWien entwickelten Prototyp für ein
REA-Management-Informationssystem, wobei der Unternehmensbereich dem ECSI-Standard
folgend mit dem Betriebsbereich informational verbunden ist. Die REA-Konformität gibt der
Software eine durchgängige Semantik, sie sichert die Kompatibilität ihrer einzelnen Subsyste-
me und sie implementiert den Grundsatz IT follows Business aus dem COBIT-Standard. ERP-
CONTROL wird im JavaEE-Framework unter Verwendung von jBoss-Seam inklusive des Java
Business Process Management jBPM webbasiert implementiert.
In the year 2008 the market leading providers of ERP systems expanded their businesses by
buying business intelligence providers. The market leader SAP bought e.g. Business Objects
for USD 4,9 bn and increased thereby its balance sheet assets by 1/3. Mergers like these require
a huge effort to integrate the ERP functionalities with the BPM functionalities.
In this article the main ideas of the design and the protoypical implementation of an integrated
ERP information system are presented. The integrated ERP information system is based on the
Grundlagen der Betriebswirtschaft 185
REAv2 model due to Greets and McCarthy [GrMc02]. The management functionalities are
integrated by the planning and control cycle which Shewhart introduced roughly 100 years ago
in the quality management literature. The PDCA framework is used as the generic model for
the business process management. Finally the enterprise context is modeled according to the
Integrated COSO-Framework [COSOII04] and the IEC standard on Enterprise Control System
Integration [ECSI08]. These ingredients are integrated in the business model and in the thereof
driven enterprise architecture that is prototypically implemented in the Java EE framework.
Ingredients: REA Model, Business Process Management, …
The integrated ERP information system is based on the REA ontology. This business ontology
gives the integrated ERP information system a solid economic foundation such that “IT follows
business”. Figure 1 contains a purchase process modeled as a business case. In the business
case the duality principle is modeled as e.g. in Hruby [Hruby06] by increment and decrement
events that are balanced in their economic values.
CommodityReal Resource
EnterpriseInternal Agent
SupplierExternal Agent
PaymentDecrement Event
CashFinancial Resource
Purchase ProcessBusiness Case
+1.250 €
-1.500 €
VAT-Claim Financial Resource
Value Added TaxIncrement Event
+250 €
Commodity InflowIncrement Event
Figure 1: Business Process – REA Business Case Modeling
In the REAv2 model [GeMc02] derivative financial resources which are definied as contracts,
committed plans and control strategies can be modeled consistently. The real resources, the
financial resources and the internal agents are modeled according to the ECSI-standard [EC-
SI08] so that the enterprise and the control systems are integrated. The business processes are
modeled via business cases so that they fulfill the duality principle and the commitments fulfill
the reciprocity principle. Such economic restriction are absent in the managerial plan, check
and act processes. The managerial processes generate and process planning and control infor-
mation that is distinct from the double entry accounting information. Management control sys-
tems provide information that is intended to be useful to managers in performing their jobs and
to assist organizations in developing and maintaining viable patterns of behaviour [Otley99].
Grundlagen der Betriebswirtschaft 186
<<DO>>
Process
<<PLAN>>
Planning<<CHECK>>
Checking
<<ACT>>
Adjusting
<<State Variable>> <<Target>>
<<Control Variable>><<Deviation>>
<<DO>>
Process
<<PLAN>>
Planning
<<ACT>>
Adjusting
<<State Variable>> <<Target>>
<<Control Variable>>
Clo
se
d L
oo
p M
an
ag
em
en
t Op
en
Lo
op
Ma
na
ge
me
nt
Figure 2: Business Process Management – Closed Loop and Open Loop Management
Figure 2 shows the PDCA framework that is used to model the business process management.
It allows closed as well as open loop management systems. The closed loop management is
characterized by the existence of a check activity. It is the traditional model used in business
performance management. The open loop management lies at the heart of the stochastic control
theory which is implemented predominantly in the strategic domain and the intertemporal port-
folio optimization.
Integrated ERP: REA based Management Information Systems
The business process management is embedded in an enterprise context. Figure 3 shows the
enterprise management system that is built upon the REA entities. The business processes and
the planning and control commitments are founded upon REA entities. In the business perfor-
mance management processes business analytical functionalities are used establish commit-
ments. For a fully compliance and risk integrated governance additional analytical functionali-
ties based on internal events, plan events and risk events have to be provided.
Resources Events Agents
REA Entities
Sales Production Procurement
Treasury Financing Investment
Business Processes (Business Cases)
Production Financial Corporate Risk, ...
Planning and Control (Commitments)
Supply
Chain
Customer
RelationshipCompliance Quality, ...
Production Financial Corporate Risk
Business Performance Management Processes
Production Financial Corporate Risk, ...
Business Analytics
Info
rma
tio
n a
nd
Co
mm
un
ica
tio
n
Co
mp
lia
nc
eR
ep
ort
ing
Op
era
tio
ns
Str
ate
gic
Figure 3: Enterprise Management System – Business Management Model
Grundlagen der Betriebswirtschaft 187
The management information system related to enterprise management systems is based on the
decision oriented framework developed by Gorry/Scott Morton [GoSM71]. The Integrated
Framework of the COSO II standard [COSOII04 and COSOII04a] is used in designing the
different managerial processes related to the strategic, operations, reporting and compliance
objectives. In the right columns of Figure 3 the resulting management information system is
indicated.
Integrated
ERP-IS
REA-based
ERP-IS
REA-based
Accounting-IS
REA
Entities
Figure 4: Business Model Driven Management Information Systems
In Figure 4 a Venn diagram is taken to illustrate different information systems that are based
upon REA entities: The REA-based accounting information system is distinct from traditional
accounting systems as the accounting information is not stored in accounts but in REA entities.
The inclusion of commitments extends the information system to a REA-based ERP informa-
tion system. The integration of the BPM functionalities defines the integrated ERP information
system.
Integrated ERP: Business Model Driven Enterprise Architecture
Up to now only economic and managerial considerations were addressed. To implement the
integrated ERP information system as web-based software application it is framed in a 3 layer
enterprise architecture. Figure 5 shows the 3 layer architecture for the business model behind
the integrated ERP information system. Most of the business objects are REA entities. The
business and the BPM processes are elements of the business presentation layer. The business
logic consists out of business services which are the basic building blocks out of which the
processes at the presentation layer are composed.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 188
Business
Processes
BPM
Processes
Business Services
Business Objects
Data Model Layer
Business Presentation Layer
Business Logic Layer
Entity Beans
Session Beans
jBPM context
Figure 5: Business Model Driven Enterprise Architecture
ERP-Control: Integrated ERP – JBossSeam Implementation
Next to the business model driven enterprise architecture Figure 5 also includes the main com-
ponents of the Java EE framework in the 3 layers. The entity beans and session beans as well
as the Java Business Process Manager jBPM are used to implement the integrated ERP infor-
mation system in the ERP-Control application. Figure 6 contains a screenshot of ERP-Control
that was developed over the last years at the Institute of Management Sciences of the Vienna
University of Technology. The navigation tree on the right hand side shows the thereby im-
plemented functionalities that were presented in business management model of Figure 3.
The prototypical implemention of the integrated ERP information system in the JBoss Seam
framework within Java EE is important for two reasons. First it helped to organize the selection
of the different ingrediential standards in a consistent way. Second it prooves the employability
of the proposed design for the integrated ERP information system.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 189
Figure 6: ERP-Control – JBoss Seam Application
Grundlagen der Betriebswirtschaft 190
Verzeichnisse und Anhänge
Literaturverzeichnis
Basisliteratur
Enterprise/Control-System Integration-Standard [ECSI08] (DIN EN 62264 bzw. ANSI ISA 95):
Integration von Unternehmensführungs- und Leitsystemen –Teil 1: Modelle und Terminologie (IEC
62264-1:2003); Deutsche Fassung EN 62264-1:2008
Franke G./Hax H. [FrHa88]: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, Springer, Berlin
et al., 1988
Haberstock L. [Habe04]: Kostenrechnung II - (Grenz-)Plankostenrechnung mit Fragen, Aufgaben und
Lösungen, 9., neu bearbeitete Auflage (bearbeitet von Volker Breithecker), Erich Schmidt Verlag, Ber-
lin, 2004
Hoitsch H.J./Lingnau V. [HoLi07]: Kosten- und Erlösrechnung - Eine controllingorientierte Einfüh-
rung, 6. Auflage, Springer, Berlin/Heidelberg, 2007
Horváth P. [Horv02]: Controlling, 8. Auflage, Vahlen, München, 2002
Internationale Group of Controlling (Hrsg.) [IGoC05]: Controller-Wörterbuch: Die zentralen Be-
griffe der Controllerarbeit mit ausführlichen Erläuterungen – Deutsch-Englisch/Eng-lisch-Deutsch, 3.
Überarbeitete und erweiterte Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2005
Kilger W./Pampel J./Vikas K. [KPVi07]: Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrech-
nung, Gabler Verlag, 12. Auflage, Wiesbaden, 2007
McCarthy W. [McCa82]: The REA Accounting Model,: A Generalized Framework for Accounting
Systems in a Shared Data Environment, The Accounting Review, Vol. LVII, No. 3, July 1982, 554-578
Bücher
Bauer H. [Baue02]: Wahrscheinlichkeitstheorie, 5. Auflage, de Gruyter, Berlin
Baus J. [Baus96]: Controlling, in: Birker K. (Hrsg.): Praktische Betriebswirtschaft, Cornelsen, Berlin,
1996
Bellman R./Kalaba R. [BeKa65]: Dynamic Programming and Modern Control Theory, Academic
Press, Boston et al.
Bertsekas D. [Bert00]: Dynamic Programming and Optimal Control - Volume 1, 2. Auflage, Athena
Scientific, Belmont (MA), 2000
Grundlagen der Betriebswirtschaft 191
Bertsekas D. [Bert01]: Dynamic Programming and Optimal Control - Volume 2, 2. Auflage, Athena
Scientific, Belmont (MA), 2001
Coenenberg A. G. [Coen99]: Kostenrechnung und Kostenanalyse, 4. Auflage, Schäffer/Poeschel,
Landsberg, 1999
Heinen E. (Hrsg.) [Hein81]: Industriebetriebslehre, 7. Auflage, Gabler, Wiesbaden, 1981
Hruby P. [Hruby06]: Model-Driven Design Using Business Patterns. Springer Verlag (2006)
Hübner G. [Hübn03]: Stochastik - Eine anwendungsorientierte Einführung für Informatiker, Ingenieu-
re und Mathematiker, 4. Auflage, vieweg, Braunschweig/Wiesbaden, 2003
JBoss Seam [Seam08]: Java EE 5 Application Framework für WEB 2.0 Anwendungen, 2008
Küpper H.-U. [Küpp08]: Controlling - Konzeption, Aufgaben, Instrumente, Schäffer Poeschel, 5. Auf-
lage, Stuttgart, 2008
Lucey T. [Lucey05]: Management Information System, 9th edition, Thomson, London, 2005
Mesarovic M./Macko D., and Takahara Y. [MMT70]: Theory of Hierarchical, Multilevel, Systems,
Academic Press, New York/London, 1970
Nusairat J. [Nusa07]: Beginning JBoss® Seam - From Novice to Professional, apress, Berkeley, 2007
Papageorgiou M. [Papa91]: Optimierung, Oldenburg, München, 1991
Schwaiger W.S.A. [Schw01]: Finanzwirtschaftlich basierte Unternehmenssteuerung, Gabler Edition
Wissenschaft, DUV, Wiesbaden, 2002
Schwaiger W.S.A. [Schw94]: Stochastische Abhängigkeiten in Aktienmarktzeitreihen - Eine gleichge-
wichtstheoretische Erklärung, Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden, 1994
Shiller R. [Schi00]: Irrationaler Überschwang - Warum eine lange Baisse an der Börse unvermeidlich
ist, Campus, Frankfurt/New York, 2000
Varian H. [Vari92]: Microeconomics Analysis, 3rd Edition, Norton, New York/London, 1992
Woods D./Mattern T. [WoMa06]: Enterprise SOA - Designing IT for Business Innovation, O„Reilly,
Sebstopol (CA), 2006
Standards
Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission [COSOII04]: Enterprise
Risk Management - Integrated Framework, September 2004, www.cpa2biz.com
Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission [COSOII04a]: Enterprise
Risk Management - Integrated Framework, Application Techniques, September 2004, www.cpa2-
biz.com
Grundlagen der Betriebswirtschaft 192
Enterprise/Control-System Integration-Standard [ECSI08] (DIN EN 62264 bzw. ANSI ISA 95):
Integration von Unternehmensführungs- und Leitsystemen –Teil 1: Modelle und Terminologie (IEC
62264-1:2003); Deutsche Fassung EN 62264-1:2008
Internationale Financial Reporting Standards [IFRS]
ISO/IEC 15944-4 [AEO06]: Information Technology – Business Operational View -- Part 4: Business
Transaction Scenarios – Accounting and Economic Ontology (2006)
Richtlinie über die Verbraucherkredite [RLVK05]: Richtlinie des Europäischen Parlaments und des
Rates über Verbraucherkreditverträge und zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates, Brüssel,
7.10.2005
Unified Modeling Language [UML07]: Superstructure, www.uml.org, 2007
Zeitschriften
Adams M./Kühn W./Stör T./Zelm M. [AKSZ07]: DIN EN 62264. Die neue Norm zur Interoperabili-
tät von Produktion und Unternehmensführung – Teil 1, Automatisierungstechnische Praxis (atp), 49.
Jg., Heft 5, 2007, S. 52-57
Geerts L./McCarthy W. [GeMc02]: An ontological analysis of the economic primitives of the ex-
tended-REA enterprise information architecture, International Journal of Accounting Information Sys-
tems, 3, 2002, 1–16
Gorry, A. G., Scott Morton, M. S. [GoSM71]: A Framework for Management Information Systems,
Sloan Management Review 13(1), 1-22 (1971)
Lucas R. [Luca78]: Asset Prices in an Exchange Economy, Econometrica, Vol. 46, No. 6, S. 1429-
1445
McCarthy W. [McCa82]: The REA Accounting Model – A Generalized Framework for Accounting
Systems in a Shared Data Environment, The Accounting Review, Vol. LVII, No. 3, July, 1082, 554-578
Otley D. [Otley99]: Performance management: a framework for management control systems research,
Management Accounting Research, Volume 10, Issue 4, December 1999, Pages 363-382
Grundlagen der Betriebswirtschaft 193
Anhang: Die blinden Menschen und der Elefant
The Blind Men and the Elephant - John Godfrey Saxe (1816-1887)
It was six men of Indostan
To learning much inclined,
Who went to see the Elephant
(Though all of them were blind),
That each by observation
Might satisfy his mind.
The First... God bless me! but the Elephant
Is very like a wall!
The Second... To me 'tis mighty clear
This wonder of an Elephant
Is very like a spear!
The Third ... I see, quoth he, the Elephant
Is very like a snake!
The Fourth... Tis clear enough the Elephant
Is very like a tree!
The Fifth... This marvel of an Elephant
Is very like a fan!
The Sixth... I see, quoth he, the Elephant
Is very like a rope!
And so these men of Indostan
Disputed loud and long,
Each in his own opinion
Exceeding stiff and strong,
Though each was partly in the right
And all were in the wrong!
Moral
So oft in theologic wars,
The disputants, I ween,
Rail on in utter ignorance
Of what each other mean,
And prate about an Elephant
Not one of them has seen!
Grundlagen der Betriebswirtschaft 194
Anhang: Programmierung in ERP-Control
The department of Corporate Finance, Planning and Control122
develops a new ERP123
and
BPM124
system, named ERP-Control, which integrates established industrial standards and is
built upon up to date software technology.
ERP-Control is designed to fulfil the comprehensive business requirements of modern enter-
prises in economic as well as in technological view. In the first project stage the proven stan-
dards for accounting (REA125
and AEO126
), business objects as well as business and managerial
processes (ECSI127
) were the starting concepts for the design of ERP-Control, some other es-
sential components (financial resources, business case and advanced planning functionalities)
were added by the department. The second important stage was the realization of the developed
concepts into an executable prototype. The frameworks JavaEE with EJB 3.0, Hibernate, JSF
and JBoss Seam have been taken for implementing the theoretical models into an operational
web application.
To organize the further development, the business and software engineering contribution in
practical trainings, seminars, thesis, etc. are separated into four different levels:
BPL + BPM
BPL + MPM
inclusive ERP-Control-IDE
exclusive
ERP-Control-IDE
Freshman
Sophomore
Junior
Senior
Data Model Layer Business
Presentation LayerImplementationBusiness Logic Layer
Business Object Business Activity
Management
Process Modelling
Business
Process Modelling Business Object
Business Service
Business Process
inclusive ERP-Control-IDE
Abbildung 75: ERP-Control – Business and Software Engineering Contribution
122
Institute of Management Sciences, Vienna University of Technology, Favoritenstraße 9-11, A-1020 Vienna,
www.imw.tuwien.ac.at 123
Enterprise Resource Planning 124
Business Performance Management 125
Resource/Event/Agent: McCarthy, W.E. 1982. The REA accounting model: A generalized framework for ac-
counting systems in a shared data environment. The Accounting Review (July): 554-578. 126
ISO/IEC 15944-4:2006 Information technology – Business Operational View -- Part 4: Business transaction
scenarios – Accounting and economic ontology 127
IEC 62264 Enterprise-Control System Integration
Grundlagen der Betriebswirtschaft 195
According to the educational level the students get corresponding problems to solve in the con-
text of the ERP-Control framework:
At the Freshman-level business activities as well as business and managerial processes
are designed in the business modelling framework.
At the Sophomore-level selected business models are specified in the business model
driven enterprise architecture and business as well as managerial activity models are
implemented as POJO´s without128
using the ERP-Control integrated development en-
vironment (ERP-Control-IDE).
At the Junior-level all kinds of business and management processes are specified in the
business model driven enterprise architecture and implemented in the ERP-Control-
IDE129
.
At the highest level, the Senior-level, the ERP-Control-IDE gets developed itself.
In the different fields different modelling concepts are used:
The class diagram presents the business objects and their associations, which are mod-
elled in the data model layer.
The sequence diagram displays how the business activities in the business logic layer
interact with one another.
The use case diagram and the activity diagram show the application functionality as re-
sult of the business as well as the management process modelling.
Task examples:
Freshman – Design of the valuation of fixed income financial instruments in the business
modelling framework
Sophomore – Design of the valuation process in the business model driven enterprise architec-
ture and implementation of the valuation functionality as POJO
Junior – Design and implementation of the valuation process in the ERP-Control-IDE
Senior – Extending the ERP-Control-IDE by designing and implementation hedge-accounting
processes
128
To simplify the implementation at the Sophomore-level, the programming at this level is done without integrat-
ing the business activities in the ERP-Control-IDE. The business objects and business services run stand-alone to
verify their functionality, but afterwards they get integrated in the project. 129
At the Junior- and Senior-level the students use and develop ERP-Control-IDE, respectively.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 196
Übungsbeispiele
Theorie-Fragen
Hinweis: Die Multiple Choice-Fragen dienen zur Lokalisierung ausgewählter Aspekte bzw.
Konzepte. Primär geht es also nicht um die Beantwortung der Fragen, sondern vielmehr um ein
Verständnis der dahinter stehenden Konstrukte. Wenn die jeweiligen Kontrukten verstanden
werden, dann sollten analoge Fragen keine Probleme bereiten.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 197
Anmerkung: Die korrekte Musterlösung der Multiple Choice-Fragen zeigt sich in einer klar
erkennbaren Reihenfolge der richtig/falsch-Konstellationen.
richtig falsch
Auf der Passivseite der Bilanz stehen Eigen- und Fremdkapital 0 0 Der Verkauf von Sach- und Dienstleistungen führt zu einem Aufwand 0 0 Liquidität wird über Ein- und Auszahlungen definiert 0 0 Die Dualität wird im REA-Modell über Commitments abgebildet 0 0 Bei der Prozess-orientierten Kostenechnung handelt es sich um ein strukturiertes Kostenmodell 0 0 Die historisch-implizite Kalibrierung basiert auf Expertenbefragungen 0 0 Im REA-Management-Informationssystem sind alle Teilsysteme des Führungs- systems REA-konform ausgestaltet 0 0 Die Heinen-Produktionsfunktion stellt einen Spezialfall einer Leontief-Funktion dar 0 0 Eine Pari-Notierung liegt vor, wenn bei einer fixierten Finanzinvestition Barwert und Nennwert deckungsgleich sind 0 0 Eine Disagioauflösung nach der Effektivzinsmethode führt im Zeitablauf zu konstanten Veränderungen der fortgeführten Anschaffungskosten 0 0 Die Zinssätze leiten sich über Bootstrapping aus den Swapsätzen ab 0 0 Beim Interbanken-Barwertmodell ist der Barwert eine Funktion von Zahlungen, Fristigkeiten und einem Abzinsungssatz 0 0 In Regelungsmodellen gibt es eine Kontrolle-Aktivität 0 0 Beim Vergleich der Ist-Risiken mit den Risiko-Limiten handelt es sich um einen Plan/Ist-Vergleich 0 0 Der Produktionskoeffizient spezifiziert den Ressourcen-Einsatz pro Ausbringungseinheit 0 0 Der stochastisch dynamischen Programmierung liegt eine Vorwärtsinduktion zugrunde 0 0
Grundlagen der Betriebswirtschaft 198
Rechenbeispiele
1. Berechnen Sie den Betriebserfolg, den Finanzerfolg, den Gewinn vor Steuern und den Ge-
winn nach Steuern bei Vorliegen folgender alphabetisch geordneter Positionen: Abschrei-
bung 50, Materialaufwand 100, Personalaufwand 300, Steuern 125 Umsatzerlöse 1.000,
Zinsaufwand 50. Begründen Sie, ob es sich bei diesem Unternehmen eher um ein Produkti-
ons- oder ein Dienstleistungsunternehmen handelt.
2. Die analysierte Bilanz besteht aus folgenden Positionen, wobei die Zahlen in Klammern für
die Vorjahreswerte stehen: Anlagevermögen 200 (210), Umlaufvermögen 300 (280),
Fremdkapital 250 (250) und Eigenkapital 250 (240). Beim Anlagevermögen gab es wäh-
rend des Jahres Zugänge 15, Abgänge 10 und Abschreibungen 15. Die Eigenkapitalverän-
derung resultiert aus dem Jahresüberschuss 30 und der Dividendenzahlung 20. Berechnen
Sie den operativen, Investitions- und Finanzierungs-Cash Flow sowie die Veränderung des
Zahlungsmittel-Fonds.
3. Erstellen Sie die REA-Modelle für
a) Aufnahme eines Kredits eines Unternehmens bei einer Bank
b) Zahlung der Zinsen des Unternehmens an die Bank
c) Tilgung des Kredits seitens des Unternehmens
d) Barbezahlte Investition in ein Finanzinstrument
e) Produktion von Fertigprodukten aus den MAT-, PERS- und TECH-Ressourcen
f) Barverkauf
g) Zielverkauf
4. Die Technologie-bezogene Intensität des Gussprozesses beträgt 65 kg/h. Das
Faktoreinsatzverhältnis zwischen den beiden Potenzialfaktoren Personal und Technologie
beträgt 2. Stellen Sie die Leontief-Produktionsfunktion für den Gussprozess auf und be-
rechnen Sie damit den Output, welcher sich ergibt, wenn Sie 3, 6 und 8 Maschinenstunden
paarweise mit 5, 12 und 18 Personenstunden kombinieren.
5. Die Realinvestition in eine neue Maschine kosten EUR 10.000,-. Durch die Verwendung
der neuen Maschine erwarten Sie für die kommenden 3 Jahren Einsparungen in Höhe von
EUR 5.000,- im ersten, EUR 3.000,- im zweiten und EUR 4.000 im dritten Jahr. A) Be-
rechnen Sie den Kapitalwert der Investition unter Verwendung eines Abzinsungssatzes 5 %
p.a.. B) Würden Sie die Investition durchführen oder nicht? Begründen Sie Ihre Antwort.
6. Die beobachtete Swap-Kurve hat Swap-Sätze von 4 %, 5 % und 6 %. Berechnen Sie die
entsprechenden Zinssätze mit dem Bootstrapping-Verfahren.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 199
7. Die 1- bzw. 2-jährigen Zinssätze der aktuellen Zinskurve betragen 5 bzw. 6 %. Eine
Nullkopon-Anleihe zahlt Ihnen in zwei Jahren den Nennwert von 100 GE. Führen Sie die
aktuelle Erstbewertung und die Folgebewertung in einem Jahr mit der Effektiv(ab)zins-
Methode durch. Welche Buchungen fallen heute, in einem bzw. in zwei Jahren an, wenn
Sie die Nullkuponanleihe heute kaufen und die nächsten beiden Jahre halten?
8. Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen werden als „Loans and Receivables“, die
Aktien bzw. die Anleihen des langfristigen Finanzvermögens als „Available for Sale“ bzw.
als „Held to Maturity“ und die Wertpapiere des kurzfristigen Finanzvermögens als „Fair
Value Through Profit and Loss“ kategorisiert. Weiters gibt es noch derivative Finanzin-
strumente mit positivem Marktwert. Erfolgt die jeweilige Folgebewertung zum Fair Value
oder zu den fortgeführten Anschaffungskosten? Wird die jeweilige Wertänderung im Jah-
resabschluss erfolgswirksam (GUV-Effekt) oder erfolgsneutral (RL-Effekt) dargestellt?
9. Die Gesamtkosten belaufen sich auf EUR 100.000, wovon EUR 10.000 Fixkosten sind, bei
einer produzierten Menge von 10.000 ME. Die Produktionskoeffizienten für Material, Per-
sonal und Technologie betragen 1, 4 und 2. Die Faktorpreise für Material und Personal
EUR 2 und EUR 1. Wie hoch ist der Faktorpreis für Technologie?
10. Bestimmen Sie für die gegossenen Kerzen die anteilsbasierten Planabsätze der vier Quarta-
le, wenn Sie davon ausgehen, dass im kommenden Jahr der Absatz des letzten Jahres um
10 % gesteigert werden kann. Führen Sie die Plan/Wird-Vergleiche in den ersten drei Quar-
tale durch, wenn folgende Quartalsabsätze realisiert wurden: 17.000 (Q1), 22.000 (Q2) und
26.000 (Q3). Schlagen Sie proaktive Lenkungsmaßnahmen für die einzelnen Quartale vor,
um die ursprüngliche Jahresplanung bestmöglich zu erreichen.
Quartal
Jahr VJ VVJ VJ VVJ VJ VVJ VJ VVJ VJ VVJ
Gegossene Kerzen 17.876 16.968 20.957 19.560 26.057 23.066 22.581 23.104 87.471 82.698
Q1 Q2 Q3 Q4 p.a.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 200
Aufgaben-/Problemstellungen
1. Tragen Sie bei den nachfolgenden Geschäftsfällen die jeweiligen Veränderungen von
„Vermögen“, „Schulden“ und „Eigenkapital“ durch entsprechende Einträge auf der Soll-
bzw. Habenseite ein. (Mehrwert-)Steuerüberlegungen werden der Einfachheit halber über-
gangen.
2. Geschäftsfall „Barverkauf mit Gewinn“: Sie verkaufen das um EUR 1.500 angeschaffte
Notebook um EUR 1.600. Stellen Sie diesen Geschäftsfall im REA-Modell dar.
3. Bewerten Sie ein fest verzinstes Finanzinstrument anhand der aktuellen Zinskurve und be-
rechnen Sie die verschiedenen Kenngrößen
4. Erstellen Sie die REA-Modelle für
fest verzinste Finanz-Investition t0 t1 t2 Zeitpunkt
NW0 100,00 Nominale (Nennwert)
R0N 5,00% Nominalzinssatz
I0 = BW0 Kaufpreis
TZT (= NW0) Tilgungszahlung
Kt = NW0 * R0N Zinszahlung
Ct künftiger Cash Flow
T0,t 1 2 Fristigkeit (in y)
R0,t Zinssatz
DF0,t = (1+R0,t)^(-T0,t) Diskontfaktor
CtBW0 = Ct * DF0,t
BW0 = CtBW0
(D)A0 = NW0 - BW0 (Dis-)Agio
R0E Effektivzinssatz
Erstbewertung
Geschäftsfall Soll Haben
Kauf einer Software auf Ziel, d.h. mit späte-rer ZahlungBarbezahlung von Mitarbeitergehältern
Barbezahlung der Telefonrechnung
Kundenauftrag wird bar bezahlt
Schuld gegenüber dem Lieferanten wird barbezahlt
Grundlagen der Betriebswirtschaft 201
a) Aufnahme eines Kredits eines Unternehmens bei einer Bank
b) Zahlung der Zinsen des Unternehmens an die Bank
c) Tilgung des Kredits seitens des Unternehmens
5. Bestimmen Sie von den Faktorpreisen und Faktoreinsätzen ausgehend die Ausbringung-
bezogene Kostenfunktion für den Zug- und Press-Prozess.
Grundlagen der Betriebswirtschaft 202
Master Theses/Diplomarbeiten – Beispiele
1. Business Analytics: Implementierung finanzwirtschaftlicher Bewertungsfunktionalitäten
(z.B. Pfadweise Barwertfunktion, Informationsenthüllung und Bootstrapping) in ERP-
Control.
2. Business Analytics: Implementierung produktionswirtschaftlicher Bewertungsfunktionali-
täten (z.B. Einsatz- und Ausbringung-bezogene Kostenfunktionen) in ERP-Control.
3. Design und Implementierung des Absatz-Controllings in ERP-Control.
4. Erweiterung der REA-Kernel-Funktionalitäten (z.B. Control Strategies als Commitments).
5. Haben Sie einen eigenen Vorschlag, dann kommen Sie in die Sprechstunde.