Heißes Eisen: Öko-Stahl und Hightech-Simulationen · Wettbewerbsfähigkeit der europäischen...

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Forschen, entwickeln, simulieren, umsetzen. Um die weltweit steigende Stahlproduktion mit den globalen Herausfor-derungen in Einklang zu bringen, braucht es neueste Technologien, kluge Köpfe, Weitblick und Mut zur Innovation.

Heißes Eisen: Öko-Stahl und Hightech-Simulationen

Vieles aus der metallur-gischen Industrie er-innert zwar an die mo-

derne Alchemie, doch esstecken jahrelange For-schung, innovative Ent-wicklungen, ein enormesfachliches Know-how sowieviel Hochtechnologie da-hinter. Nur so können bei-spielsweise die riesigenHochtemperatur-Prozess-anlagen der Stahlindustrienicht nur einwandfrei, son-

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„Man könnte Stahldirekt aus Eisen-

erzen mittelsWasserstoffplasma

statt Kohlenstoffherstellen.“

Prof. DI Dr. Johannes SchenkGeschäftsführer K1-MET GmbH

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dern immer noch effizienterund damit umweltfreundli-cher funktionieren,Schließlich steht heute dieeuropäische Eisen- undStahlindustrie mehr denn jeim Spannungsfeld des inter-nationalen Wettbewerbsder Industrie, Wirtschafts-und Umweltpolitik. Dennseit 2000 hat sich die Stahl-produktion weltweit ver-doppelt, was diese industri-elle Produktion mit 2,3 %

der weltweiten CO2-Emis-sionen vor neue Herausfor-derungen in Bezug auf dieangestrebten Klimaschutz-ziele stellt.

OhneStahlkeineZukunftFest steht: Stahl ist der domi-nierende metallische Konst-ruktionswerkstoff der Ge-sellschaft des 21. Jahrhun-derts. Prognosen aus den1990er Jahren, dass Stahldurch andere Werkstoffe

wie z.B. Aluminium ersetztwerde, haben sich nicht er-füllt. Mit einer globalen Pro-duktion von 1,665 Mrd. Ton-nen im Jahr 2014 beweistStahl seine Stärke, nicht zu-letzt aufgrund seiner Festig-keits- und Verformungsei-genschaften, aber auch sei-ner Nachhaltigkeit aufgrundseiner exzellenten Recyc-lingfähigkeit.

Da die Stahlproduktionaber zugleich ein großerCO2-Emittent ist, werden in-novativeundCO2-reduzierteHerstellungsverfahren im-mer essenzieller, um dieWettbewerbsfähigkeit dereuropäischen Stahlindustriezu sichern. Hinzu kommenneue Hightech-Stahlsortenfür immer dünnere Wand-stärke mit höheren Festigkei-ten, innovative Produktions-prozessemithohemAutoma-tisierungsgrad und exzellentausgebildete MitarbeiterInn-en als entscheidende Fakto-ren. Auf europäischer Ebenebesteht mit der EuropeanSteel Technology Plattform(ESTEP) eine Initiative, wel-che die Weiterentwicklungder Stahlproduktion in der„Strategischen Forschungsa-genda 2030“ anstrebt undeng mit Industrie und For-schung zusammenarbeitet.

Innovatives K1-METNetzwerkIn Österreich werden die lautESTEP globalen langfristigenEntwicklungen in den vierForschungsschwerpunktender neu gegründeten K1-MET GmbH (35 % voestalpi-ne, 20 % Primetals Technolo-gies Austria, 35 % Montan-universität Leoben , 10 % Jo-hannes Kepler UniversitätLinz), dem unternehmens-übergreifenden Kompetenz-zentrum für metallurgischeund umwelttechnische Ver-fahrensentwicklungen mitSitz in Linz und Leoben, be-handelt:– Nachhaltigkeit & Rohstoff-effizienz in der Metallurgie– Entwicklung von Prozess-routenundderenAufbauwiefeuerfeste Werkstoffe– InnovativeAnlagentechnikund Steigerung der Energie-effizienz– Modellierung & Simulati-on metallurgischer Prozesse

Die beiden Geschäftsfüh-rer der K1-MET GmbH, DIThomas Bürgler und Univ.-Prof. DI Dr. Johannes Schenknennen als wichtigstes Zieldas Entstehen eines For-schungszentrums, das diebisherige Gliederung in bila-terale Partnerschaften auf-hebt, dessen wissenschaftli-

ches Personal sich auf die Lö-sung verfahrenstechnischerFragenkonzentriertunddemprozessübergreifenden Fo-kus aufgrund der Komplexi-tät der anstehender Aufga-ben gerecht wird.

Die Verbesserung derProzesseffizienz besteht ausden Hauptparametern Ver-ringerung des Rohstoffein-satzes bzw. Erhöhung desAusbringens und der Reduk-tion des Energieverbrauchsbzw. Erhöhung der Rückge-winnung. DI Bürgler, auchForschungsleiter in der voes-talpine Stahl GmbH: „In die-sem Zusammenhang ist eswichtig,dassNebenprodukteoder Abfälle nicht mehr alsMaterial fürdieDeponierunggesehen werden, sondern alsQuelle wertvoller Rohstoffe,die durch spezielle Verfahrenrückgewonnen werden und,natürliche‘ Rohstoffe erset-zen. Der Begriff ,natürlich‘kann aber schnell zu Verwir-rungen führen, denn z.B. diebei der Stahlherstellung ent-stehende Schlacke hat ihrenUrsprung auch in ,natürli-chen‘ Rohstoffen wie Eisen-erz und Kalkstein.“

All diese Maßnahmenhaben den Fokus, die Emis-sionen und den Ressourcen-verbrauch weiter zu senken.

„Der Bedarf an Stahlsteigt kontinuierlich

an. DieCO2-Reduktion ist

eine großeHerausforderung.“

DI Thomas BürglerGeschäftsführer K1-MET GmbH

Das Endziel ist eine (beina-he) abfallfreie Produktion.Die Methoden, die dabeizum Einsatz kommen, ba-sieren auf einer engen Zu-sammenarbeit von Indus-trie und Universitäten miteiner Mischung aus Grund-lagenforschung, Computer-Modellierung, Laborexperi-menten und anwendungs-nahen Tests, die schlussend-lich industriell umgesetztwerden. Die K1-MET Simu-lationsplattform der AreaModellierung und Simulati-on soll bei der Zusammen-führung von Modellent-wicklung und Versuchser-gebnissen eine zentrale Rol-

le spielen, um akademi-schen und industriellenPartnern zeitnah entspre-chende Werkzeuge zur Ver-fügung zu stellen. Darüberhinaus kommen die bereitserfolgreichen Open-Sour-ce-Projekte in die nächstePhase, etwa die CFDEMSoftware, die Gasströmun-gen und granulare Strö-mungen kombiniert. DieseZusammenführung ist lautMetallurgie-Experten ex-trem wichtig zur Beschrei-bung von Gegenstromreak-toren oder Vorgängen inWirbelschichten.

Low Carbon RoadmapDer Übergang unsererschnell wachsenden Gesell-schaft von einer kohlenstoff-basierten auf eine kohlen-stoffarme Energie- und In-dustrieproduktion ist nichtnur globaler Megatrend, son-dern unumgänglich. In dermetallurgischen Industriewurde in den letzten 50 Jah-ren der Energiebedarf um 50% reduziert, wobei die ther-modynamischen Grenzenfast erreicht sind. Dennochwerden auf Basis aktuellerWerte weitere CO2-Redukti-onszieleangestrebt–vonam-bitionierten minus 20 % biszu visionären minus 80 % .

Der Stahlindustrie stehenheute verschiedene Techno-logien zur Verfügung, um dieCO2 Intensität in vernünfti-gem Ausmaß weiter zu redu-zieren, wobei auf hohe Inves-titionsvolumen und somit Er-haltung der Wettbewerbsfä-higkeit Bedacht genommenwerdenmuss.Diebeidenvor-rangigen Methoden der EU-Rohstahlproduktion sind dieHochofen/LD-Route und derElektrolichtbogenofen. Wäh-rend beim Hochofen/LD-Prozess (60 % Anteil) Eisen-erze und Kohlenstoff die pri-mären Ressourcen sind, ent-steht beim Elektrolichtbo-genofen (40 % ) der Stahl ausSchrott.DaaberdieStahlpro-duktion laufend steigt unddie Verfügbarkeit von hoch-wertigem Schrott entschei-dend ist, kann nicht beliebigvon einer Verfahrensrouteauf die andere gewechseltwerden. Eine Alternative zubeiden Routen ist der Einsatzvon direkt mit Erdgas redu-zierten Eisenerzen(DRI/HBI) im Elektrolicht-bogenofen.

Wie wichtig solche tech-nologischen Fortschrittesind, belegen aktuelle Zah-len:DerBenchmarkderCO2-Emissionen bei der Hoch-ofenroute liegt bei 1475 kg

Wie metallurgische Prozesse mithilfe neuer Netzwerke und spektakulärer Methoden optimiert werden, um dieVision eines Stahls ohne CO2-Emissionen zu entwickeln. Und welchen Beitrag Österreich dazu leistet.

pro Tonne Roheisen. Mit derDirektreduktion und demEinsatz von DRI und HBI imHochofenprozess oder Elekt-rolichtbogenofen lassen sich10 bis 35 % Emissionsreduk-tion erreichen. DI Bürgler:„Dabei zeigt sich, dass dieStahlindustrie zwar best-möglich zum Erreichen derKlimaziele beitragen kann,aber das visionäre Ziel vonminus 80 % bis 2050 ohne ei-ne radikale Energiewendehin zu einer kohlenstoffar-men und globalen wettbe-werbsfähigen Industrie nichterreicht werden kann. Da dieCO2-Reduktion angesichtsdes steigenden Stahlver-

brauchsjedochentscheidendist, bedarf es in den nächstenJahren einer weiter verstärk-ten Forschung mit Fokus aufkohlenstoffarmeTechnologi-en mit langfristigem Emissi-onsreduktions-Potential“.

Stahl mitÖko-WasserstoffEine Vision, aus Eisenerzenohne Kohlenstoff Stahl her-zustellen, ist die Wasserstoff-Plasma-Schmelzreduktion,die in den letzten drei Jahr-zehnten als Grundlagenfor-schungsprojekt am Lehrstuhlfür Metallurgie an der Mon-tanuniversität Leoben imRahmenvonfünfDissertatio-nen untersucht wurde. DasPotenzial, CO2-Emissionenmithilfe der Substitution fos-siler Ressourcen durch diekohlenstofffreie Quelle H2-Plasma zu vermeiden, istgroß. Das Ziel lautet: Stahlaus Ökowasserstoff – mitWasserdampf statt Kohlendi-oxid in der Luft. Die Stahlpro-duktion trägt aktuell 50 %der CO2-Emissionen der ös-terreichischen Industrie.Univ.-Prof. DI Dr. JohannesSchenk, der neben seiner lei-tenden Funktion bei der K1-MET GmbH auch den Lehr-stuhl für Metallurgie an derMontanuniversität Leoben

leitet, erklärt das Prinzip da-hinter: Statt im Hochofen-prozessdenSauerstoffderEi-senerze mit Kohlenstoff zuentfernen und anschließendim LD-Prozess aus dem Roh-eisen Stahl zu machen, könn-te Stahl direkt aus Eisenerzenmittels Wasserstoff in einemPlasmareaktor erschmolzenwerden. Wenn der Wasser-stoff zu 100 % durch Elektro-lyse mit erneuerbarer elektri-scher Energie hergestelltwürde, fielen keine Treib-hausgasemehran.AllerdingsfunktioniertdiesesVerfahrenzur Zeit nur im Labormaß-stab von 100 g. Ziel der K1-MET GmbH ist es, dieses Ver-fahren um den Faktor 100 zuvergrößern. Damit wäre manzwaraucherstimBereichvon10 kg, aber in diesem Schrittkönnten verschiedene Tech-nologie zur Herstellung desWasserstoffplasmas mitein-ander hinsichtlich ihrer Effi-zienz verglichen werden.

Metallurgie-Experte DIBürgler: „Jetzt werden dieVorarbeiten für eine neue Ge-neration von MetallurgInnengeleistet,diedann2050Stahlentsprechend der Low-Car-bon-Roadmap erzeugen. “

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INTERNETwww.k1-met.com·· ··································································································································································································

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Was genau geht in einem Reaktor bei Schüttungen vor sich?Faszinierende Simulationen.Die Struktur von Schüttungenbestimmt deren Gasdurchströ-mung sowie das Vermi-schungsverhalten und beein-flusst so auch die chemischenReaktionen. Um die Wechselwir-kungen besser untersuchen zukönnen, werden z.B. mit Hilfevon CFDEM (Software, die Gas-und granulare Strömungen kombi-niert) Simulationen der Schüttungund der Durchströmung dargestellt.Das simulierte Ergebnis wird dannin Modellen beschrieben und mitMessungen verglichen. Darauf wie-derum bauen die Prozessoptimie-rung und der verringerte Ressour-ceneinsatz auf.

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Simulation der Schüttung imCOREX Einschmelzvergaser

CFDEM Darstellung desMaterialflusses im Hochofen

Roheisen- und Stahlproduktion: Um die Effizienz zu steigern, muss der Rohstoffeinsatz kontinuierlich verringert werden. Die Reduktion des Energieverbrauchs wird durch eine optimierte Rückgewinnung erreicht Vom Eisenerz bis zur Stahlbramme: neue Technologien für die Metallurgie