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I f t kt ll G ß j ktInfrastrukturelle Großprojekte als sozio-politischer Sprengstoff?a s so o po t sc e Sp e gsto

Dieter RuchtDieter RuchtInitiative für Protest- und Bewegungsforschung

Tagung Technik und ProtestTU Berlin, 22. Sept. 2014

Der Spiegel (35/2010, 30. August)

Vorgehen1. Annäherungen2 Politisierung von Großprojekten2. Politisierung von Großprojekten3. Illustrationen: Wasserkraftwerke4. Erweiterungen des Blickfelds5. Wirkungen des Protests und TrendvermutungenTrendvermutungen

1 Annäherungen1. Annäherungen

W i t i P j kt i G ß j kt?Wann ist ein Projekt ein Großprojekt?

- Investitionsvolumen?- „groß“ ist relativ- „unsichtbare“ bzw. „schleichende“ Großprojekte

Was heisst „technisch-industriell“?- große Anwendungsbreite des Begriffs „Technik“- Bezug auf „Materialität“

Zielvorstellung des praktischen Nutzens- Zielvorstellung des praktischen Nutzens

Große TeilbereicheGroße Teilbereiche

• Herkömmliche zivile Infrastrukturprojektemilitärische Großprojekte• militärische Großprojekte(z.B. Manhattan-Projekt; komplexe Waffensysteme)

• Luft- und Raumfahrt (neues Nasa-Projekt; zivile und militärische Aspekte meist eng verflochten)

• Projekte der Grundlagenforschung(z.B. CERN)

Systematik

U t h id h i f t kt ll Z kUnterscheidung nach infrastrukturellen Zwecken bzw. Nutzungsformen

Hauptbereiche: Verkehr, Energie, Wasser, Gewinnung von Rohstoffen, verarbeitende Industrie und K ik tiKommunikation

Jeweils Aufschlüsselung in Unterbereiche, im Verkehr: Straße, Schiene, Wasser und Luft

QuerverbindungenQuerverbindungen

Beispiel Flughafen:Anbindung durch Straßen und Schienen, Energie- und Wasserversorgung, Lärmschutz, Brandschutz,, ,Sicherheit der Anwohner, Ansiedlung von Industrie- und gDienstleistungseinrichtungen …

2. Politisierung von GroßprojektenThesen I

1 D P t t i t d ift ä li h it1. Der Protest nimmt zu und greift räumlich weiter aus.

2 Der Protest wird zunehmend fachlich unterfüttert2. Der Protest wird zunehmend fachlich unterfüttert (Gegenexpertise, Fachgruppen von Ingenieuren, Biologen etc.; eigene Vereinigungen wie Union of Concerned Scientists)

3. Der Protest zudem auch auf juristischer Ebene ausgetragenausgetragen.

4. Die Formen des Protestes vielfältiger und in der gGesamttendenz offensiver.

Linse, Ulrich, Reinhard Falter, Dieter Rucht, Winfried Kretschmer:Winfried Kretschmer:Von der Bittschrift zur Platzbesetzung. Konflikte um technische Großprojekte: Laufenburg Walchensee Wyhl WackersdorfLaufenburg, Walchensee, Wyhl, Wackersdorf.

Bonn ; Berlin, Dietz, 1988. 299 S., Ill., graph. Darst. 8, OKart. Guter Zustand.,

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Thesen IIThesen II5. Die Protestmobilisierung und Durchführung der Proteste wird

tä k f i li i tstärker professionalisiert.

6. Die mit Großprojekten verknüpften Themen und P bl ti i d i lfälti d iProblematisierungen werden vielfältiger und in engerem Zusammenhang gesehen. Die Grundmuster der Kritik verschieben sich: von der Kritik an Einzelpunkten über eine strukturelle Kritik (etwa an zu engen Verflechtungen zwischen Staat und Wirtschaft)(etwa an zu engen Verflechtungen zwischen Staat und Wirtschaft) bis hin zu einer generalisierten Wachstums-, Modernitäts- und Fortschrittskritik.

7. Aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren entsteht fallweise ein explosives Gemisch, ein sozio-politischer Sprengstoff, was Projektbetreiber dazu veranlasst, ihre bisherigen Strategien zu üb d k d t il i idiüberdenken und teilweise zu revidieren.

Protestthemen, BRD 1950-2002

Westbindung

Frauen

Marktwirtschaft

Bauern

Ökologie

DDR

Infrastruktur

pro

Bildung

Atom

Soziales

Ökologie

contra

M h ht

Minderheiten

Pol. Systempräferenzen

Bildung

Frieden

Bürgerrechte

Menschenrechte

0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000

Arbeit

3 Illustrationen: Wasserkraftwerke3. Illustrationen: Wasserkraftwerke

Der geistige HintergrundDer geistige Hintergrund

„Die Technik erzeugt die Wirtschaft,„Die Technik erzeugt die Wirtschaft,die Wirtschaft sollte die Politik machen!“

Herman SörgelAtlantropa 1932

"Dreierlei Menschen braucht die Maschine. Den, der sie bedient, den, der sie repariert und verbessert, schließlich den, der sie erfindet und konstruiert…Offenbar verlangt die Maschine eine dreigegliederte Schule."

Heinrich Weinstock 1955Heinrich Weinstock 1955

Kraftwerk Laufenburgggebaut 1908-14

"Der Fluss ist gebändigt, der Mensch bleibt Sieger!"

Walchenseekraftwerkgebaut 1918-24

Bauleiter:Oskar v. Miller

WalchenseekraftwerkResolution vom 24. Mai 1908

Die ehrerbietigst Unterzeichneten legen somit vertrauensvoll die Interessen und den Schutz des Walchensee- und Isargebietes in die Hände der Kgl. Staatsregierung und die beiden hohen Kammern des L dtLandtages.

I Eh bi hIn Ehrerbietung verharren

Prof. Albert Schmidt Professor Berthold Kammermann

P f G b l S dl D O F h d A f ßProf. Gabriel von Seidl Dr. Otto Frhr. von und zu Aufseß

Hawk‘s Nest Tunnelgebaut 1930-31

“An actual number of how many people died as a result of silicosis inAn actual number of how many people died as a result of silicosis in Gauley Bridge has never been reached; however, the estimate has been set at around 700 deaths. There have been no authoritarian documents to tell us what exactly happened. The victims remain for the docu e s o e us a e ac y appe ed e c s e a o emost part anonymous. There were no headstones for the graves that have been found.”

Das das „größte industrielle Disaster“ in der Geschichte der USA (Cherniak 1986)

Hawk‘s Nest TunnelHawk s Nest Tunnel

Hoover Damgebaut 1930-35

D l dDamals dergrößte Staudamm der Welt(heute: ca. Platz 45)( )

96 Tote bei BauarbeitenStreiks im Sommer 1931Streiks im Sommer 1931

Keine Berichte überProteste (Copoka Indians?)

Sorgen kleinerer Energie-Sorgen kleinerer Energieerzeuger

Assuan Staudamm (gebaut 1960-71)

30.000 Arbeiter 2.000 Ingenieure

Nasser und Chruschtschow leiten 1964 die Füllung des Stausees ein

Assuan Staudamm

Große DämmeGroße Dämme

1950: 5.2681986: 36.226D h bfl h d KDanach abflachende Kurve

Höchste und längste TalsperrenHöchste und längste Talsperren Höhe

(max.)Länge(max.)

Staat/en ( )

in m( )in m

Bachtiari [1] (in Bau) 325 434 Iran Shuangjiangkou (in Bau) 312 649 Volksrepublik ChinaJinping 1. Kaskade [1] 305 569 Volksrepublik ChinaNurek 304 704 Tadschikistan Lianghekou (in Bau) 295 616 Volksrepublik ChinaXiaowan [2] 292 900 Volksrepublik ChinaGrande Dixence 285 695 Schweiz Baihetan (in Bau) 277 728 Volksrepublik ChinaKambaratinsk (Projekt) [2] 275 560 Kirgisistan Xiluodu (in Bau) [1] 273 698 Volksrepublik ChinaEnguri 271,5 750 Georgien Vajont [3] 261,6 190 Italien Nuozhadu 261,5 608 Volksrepublik ChinaTehri 261 610 Indien Manuel M. Torres Chicoasén 261 485 Mexiko Álvaro Obregón 260 88 Mexiko

Narmada Dam SystemyBau seit 1987

Entlang des Narmada-Flusses sollen 20 große 135 mittelgroße und mehr als 300große, 135 mittelgroße und mehr als 300 kleine Staudämme entstehen. Herzstück ist der Sardar-Sarovar-Staudamm. 245 Dörfer und 200.000 Menschen müssten dafür aus dem Tal verschwinden.

Sardar Sarovar Dam 2006(Teil des Narmada Dammsystems)(Teil des Narmada-Dammsystems)

Arundhati RoyArundhati Roy

“Big Dams are to a Nation’sBig Dams are to a Nation s ‘Development’ what Nuclear Bombs are to its Military Arsenal. They are y yboth weapons of mass destruction. They’re both weapons Governments use to control their own people Bothuse to control their own people. Both Twentieth Century emblems that mark a point in time when human i t lli h t t i d itintelligence has outstripped its own instinct for survival. They’re both malignant indications of civilisationmalignant indications of civilisation turning upon itself.“

Bilanz und Zukunft von DammprojektenBilanz und Zukunft von Dammprojekten

W lt it i ti d 50 000 ß St däWeltweit existieren rund 50.000 große Staudämme. Nach Angaben der World Commission on Dams (2009) haben 40 bis 80 Millionen Menschen ihre Heimat durch Überflutung verloren. Flora und Fauna wurden in unbekanntem Ausmaß zerstört; Stauseen befördern die Verdunstung tragen zur Klimaerwärmung beiVerdunstung, tragen zur Klimaerwärmung bei, verkleinern die Flussdeltas, erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Hochwassern usw. Dennoch: „Bis 2020 sollen mehrere tausend großer Kraftwerke gebaut werden. Ohne Einhaltung internationaler Standards Jährliche Bausumme derzeit:internationaler Standards. Jährliche Bausumme derzeit: 100 Mrd. US Dollar.“ (River Watch)

4. Erweiterungen des Blickfelds

Ähnliches im Bereich der Staudämme vollzieht sich in d B i h V k h (St ß S hi Wden Bereichen Verkehr (Straßen, Schiene, Wasser, Luft), Energieanlagen (herkömmliche und Atomkraftwerke, Pipelines, Gewinnung von Kohle, , p , g ,Erdgas, Ölschiefer, Uran, Windkraftanlagen, Stromtrassen etc.), Gewinnung weiterer Rohstoffe (Edelmetalle Metalle ja sogar Sand!) um nur die(Edelmetalle, Metalle, ja sogar Sand!), um nur die wichtigsten infrastrukturelle Felder zu nennen. In einigen dieser Bereiche zeichnet sich aus ökonomischen, technischen und/oder ökologischen Gründen ein rückläufiger Trend für Großprojekte global oder in vielen Ländern ab (z B Atom); in anderen Bereichen (z BLändern ab (z.B. Atom); in anderen Bereichen (z.B. Offshore-Windkraftanlagen) ist eine Zunahme zu erwarten.

Problemdimensionen und TrendsProblemdimension Einzelaspekte Erwarteter Trend als

treibendes Protestmotiv

Lebensraum der Anwohner

Vertreibung, Zwangsumsiedlung Zerstörung sozialer und kultureller

Zunahme aufgrund wachsendenAnwohner Zerstörung sozialer und kultureller

Gemeinschaften wachsenden Selbstbewußtseins und besserer Organisationsfähigkeit

Wirtschaftliche und finanzielle Situation der Anwohner bzw. der Region

Enteignung; keine oder geringe Entschädigung; Vernichtung/ Beeinträchtigung ökonomischer Einzelexistenzen bzw. ganzer Berufgruppen;

Abnahme aufgrund von monetären Konzessionen

Frauen oft als primäre Leidtragende (*);ungleiche Verteilung von Gebrauchswerten und finanziellen Erträgen des Projekts

Ökologische Verschmutzung von Luft, Wasser, Boden, Zunahme aufgrund Schäden Lärm, Schädigung von Flora und Fauna;

Reduzierung/ Verschwendung natürlicher Ressourcen

wachender Sensibilität für Umweltprobleme

Gesamtökonomie Erhöhung der Staatsverschuldung; Zunahme aufgrundGesamtökonomie Erhöhung der Staatsverschuldung; Abhängigkeit von ausländischen Kreditgebern; Konzentrationstendenzen; Korruption

Zunahme aufgrund globaler Verflechtungen

Ästhetische Beeinträchtigung

Landschaftsbild Abnahme

Wandel der master framesWandel der master frames

Romantische & ökonomische Motive (um 1910/20)Progress frame (bis 1970) kaum ProtestProgress frame (bis 1970), kaum Protest

Atomkraft:„Kathedralen des Fortschritts“„too cheap to meter“

D il‘ b i (1970 2000)Devil‘s bargain (1970-2000)Sustainability (seit 2000) Degrowth

5. Wirkungen des Protests und Trendvermutungen

1. Die meisten Projekte werden ohne nennenswerte Modifikationen realisiert. Gelegentlich kommt es zu Verzögerungen, Modifikationen A fl E t hädiAuflagen, Entschädigungen.

2. Einzelne Erfolge von Projektgegnern, etwa die Verhinderung des Transrapid oder einer dritten Startbahn des Münchener Flughafens p ghierzulande oder eines Flughafenprojekts nahe der Everglades in Florida, sind die Ausnahme von der Regel.

3 Die Mehrzahl der Großprojekte aller Art steht im globalen Süden3. Die Mehrzahl der Großprojekte aller Art steht im globalen Süden und insbesondere den BRIC-Staaten an, die das technisch-industrielle Modernisierungsparadigma verkünden, dessen Abschied i d k it li ti h K t t i lä t t din den kapitalistischen Kernstaaten eingeläutet wurde.

TrendvermutungenTrendvermutungen

4 I d k i li i h K lä d d di B ü d4. In den kapitalistischen Kernländern werden die Begründungen des Protests grundsätzlicher und stärker ins Allgemeine gewendet, wenngleich, im Unterschied zu Ländern des Südens, die Formen des Protests institutionell stärker eingehegt sind. Einen sozio-politischen Sprengstoff werden sie erst dann bergen, wenn auf Seiten der Projektbetreiber eine Strategie des Augen-j g gZu-Und-Durch verfolgt wird.

5. Akzeptanzstrategien, Mediationsverfahren, Bürgerdialogen und dergleichen werden zunehmen aber bleiben prekär denndergleichen werden zunehmen, aber bleiben prekär, denn "Die Legimationsbeschaffung wird selbstdestruktiv, sobald der Modus der »Beschaffung« durchschaut wird." (Habermas 1973: 99)

“(…) living in a democracy means dissenting. In short, democracy is nothing more than the institutionalization of a culture that cherishes public dissent;culture that cherishes public dissent; public dissent is nothing more than the cultural process of celebrating democracy.cultural process of celebrating democracy. It is a paradox, but it works.”

(Stephen John Hartnett, 2002: 176)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!Aufmerksamkeit!