Post on 23-Nov-2021
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Kalte Symmetrie von Cameron Dayton
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Warum habe ich Euch hierher gerufen, um mich im Licht des vollen Mondes zu treffen, junger
Protoss?
Ich weiß es nicht, Meister. Vielleicht wegen des Lichts? Saalok scheint hell heute Nacht.
Ihr nähert Euch der Antwort, Teredal. Der Vollmond spiegelt das Symbol unseres Ordens
wider. Der Kreis des Berserkers ist ein Zeichen der Reinheit, der Konzentration und des
Denkens. Wir zeichnen seine Form über unseren Herzen, wenn wir unsere Gelübde ablegen.
Mir war nicht bewusst, dass dies mit dem Mond zu tun hat.
Selbst der kleinste Bogen ist Teil des großen Kreises und es gibt noch viel, was Ihr lernen
müsst. Nun müsst Ihr jedoch nur wissen, dass Saalok dem Berserkerorden heilig ist. Seit
Urzeiten richten die Wächter Aiurs ihr Leben mit der Disziplin aus, die der Mond sie lehrt.
Sie lehrt? Aber ... es ist doch nur ein Mond.
Junger Protoss, wisst Ihr nicht, dass Aiurs Mond eine Seltenheit im Universum darstellt?
Verzeiht mir, Meister. Wie ist das möglich? Die Protoss waren schon auf vielen Welten und
haben unzählige Monde gesehen. Größere, hellere oder ...
Seltenheit ergibt sich nicht immer aus einem Mehr oder Weniger an Dingen, Teredal.
Manchmal äußert sie sich durch Vollständigkeit. Durch Ganzheit. Saalok ist von seltener
Perfektion. Er ist eine nahezu perfekte und daher im gesamten Kosmos einzigartige Kugel.
Solch ein Mond wurde nicht ohne Grund an den Himmel über unserer Welt gesetzt. Und nicht
ohne Grund hat er unserem Volk durch seine Reinheit in den dunkelsten Stunden der
Geschichte Rat und Klarheit geboten.
Ihr sagt, er wäre an den Himmel gesetzt worden. Von wem?
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Manche Fragen werden nie beantwortet, andere wiederum werden es erst nach langer Zeit.
Aber Reinheit, Licht und Ordnung sind die Früchte der Intelligenz, Teredal. Intelligenz
besänftigt das animalische Brüllen des Chaos. Intelligenz verwandelt Lärm in Harmonie.
Dies steht im Mittelpunkt aller Dinge, die uns heilig sind, und bildet die Grundlage Eurer
Lektionen – von der zum Zünden Eurer Psi-Klinge notwendigen Konzentration bis zu den
kristallenen Gedanken, die du in diese geweihte Rüstung eingebracht hast.
Glaubt Ihr also, ich hätte Euch hierher gerufen, nur um über den Mond zu plaudern?
Ich ... Nein, Meister. Das glaube ich nicht. Ich habe gehofft, dass Ihr mit meiner Initiation
beginnen möchtet.
Ihr nähert Euch der Antwort, Teredal. Kommt und tretet vor. Es wird Zeit, das erste Gelübde
unseres Ordens abzulegen.
…
Es war ein Hinterhalt und ein blutiger noch dazu.
Ein Hinterhalt?, knurrte Zeranek und seine Klingen blitzten. Ich dachte, diese Zerg wären
verwildert.
Der Hydralisk lehnte sich mit einem Schrei nach hinten und verdoppelte die Kraft seines
Angriffs. Mit brutaler Präzision schlugen die langen Klauen zu. Mit einem Flackern dämpfte
der Schild des Berserkers gerade noch den Hieb und war geleert.
Selbst dumme Tiere jagen mit Überraschungsangriffen, rief Kehdana.
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Sie rutschte an dem Hydralisken vorbei, duckte sich unter seinen Klauen hindurch und
schwang ihre Stangenaxt in einem hellen Bogen aus tödlicher Psi-Energie. Der Hydralisk
zerfiel in mehrere Stücke ...
Kehdanas telepathische Stimme blieb auch inmitten des Kampfes fest. Konzentration,
Berserker. Wir sind in der Unterzahl.
Die Warnung kam zu spät für Zeranek. Zwei Zerglinge sprangen durch die vom Hydralisken
hinterlassene Presche und warfen den Soldaten zu Boden. Sein telepathischer Schrei war
erfüllt von Wut und Schmerz, denn bei diesen Bestien den Boden unter den Füßen zu
verlieren bedeutete den Tod. Kehdana eilte in einem dunklen Schleier – dem Schattentanz
der Nerazim – herbei, und mit einem Schlag schnitt sie durch beide Zerglinge und Zeranek
hindurch. Sein Schrei verstummte.
Teredal erkannte die kühle Gnade und nickte, als er von dem toten Hydralisken vor seinen
Füßen wegtrat. Danach machte er einen Satz und stach seine Klingen in eine weitere
Kreatur, die ihm törichterweise ihren Rücken zugedreht hatte, um einen Dunklen Templer
zu erledigen. Beim Fallen zerquetschte der Hydralisk sein Opfer fast und Teredal musste den
Zerg beiseite schieben. Der blutende Nerazim – Teredal erinnerte sich an seinen Namen:
Kherenoss – dankte Teredal zitternd vor Schmerzen. Er versuchte, ihm aufzuhelfen, sah
dann jedoch, dass Kherenoss' Beine abgetrennt worden waren. Es war zu spät. Der Dunkle
Templer zuckte ein letztes Mal und bewegte sich nicht mehr.
Tod. Auf dieser Mission gibt es kein Entrinnen vor dem Tod. Keine schnelle Reise nach Hause.
Verborgen im vorübergehenden Schutz von Kherenoss' nachlassender Tarnung
begutachtete der vernarbte Veteran den Kampf mit seinem verbliebenen Auge. Von dem
Dutzend Krieger, die bei Tagesanbruch auf Saalok gelandet waren, hatten nur drei überlebt.
Alles ging so schnell.
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Die Hetzer waren als Erste in einem Sturm aus Hydraliskenstacheln gefallen. Die Dunklen
Templer waren ihren kybernetischen Brüdern schnell zu Hilfe geeilt und hatten sich vor sie
gestellt, um die nächste Stachelsalve mit wirbelnden Klingen abzufangen. Für die Hetzer,
deren spinnenartige, silberne Körper nun verrenkt im Sand lagen, war es zu spät gewesen,
für die Rache an den Zerg, die sie getötet hatten, jedoch nicht. Teredal sah an den
verschwommenen, dunklen, mit Zerg-Blut überzogenen Formen, dass zwei der getarnten
Krieger noch kämpften. Dunkle Templer waren grausame Nahkämpfer und im gesamten
Sektor gefürchtet für ihre tödlichen Tarnfähigkeiten, die ihnen jedoch bei diesem Hinterhalt
nicht viel nutzten. Beide waren umgeben sowohl von toten als auch von lebenden Zerg.
Beide würden überwältigt werden.
Die Berserker hatten sich als unerbittliche Kämpfer direkt ins Kampfgetümmel gestürzt,
obwohl sie wussten, dass sie in der Unterzahl waren. Als Berserker versteckt man sich nicht
im Schatten und schlägt nicht wie die Nerazim unbemerkt zu. Als Berserker führt man den
Vorstoß an und vergießt das erste Blut. So war es auf zahllosen Schlachtfeldern zahlloser
Welten seit jeher gewesen. Die Berserker in Teredals Aexilium bildeten keine Ausnahme.
Mit gezogenen Klingen waren sie auf die Zerg zugestürmt und hatten sie in einem Ansturm
wortloser Wut dezimiert. Ein plötzlicher Nebel aus schwarzem Blut und abgetrennten
Gliedmaßen. Die Berserker hatten den Hinterhalt abfangen, aufhalten und fast
zurückschlagen können. Aber nur fast.
Eine zweite Welle von Zerg war plätschernd aus den Eingeweiden eines Overlords auf den
Boden gefallen. Ihr Gegenangriff war gnadenlos: Sie sprangen, krochen und rutschten über
ihre toten Artgenossen, um die Berserker zu überrennen und in Klauen ertrinken zu lassen.
Alle waren gefallen und unter zuckenden Zerg-Körpern begraben worden.
Alle bis auf Teredal, den letzten der sechs Berserker, einer Gruppe versierter Krieger, die der
Rat aufgrund ihrer Erfahrung im Kampf gegen die Zerg ausgewählt hatte. Zu zweit sollten sie
jeweils die Gruppen aus Dunklem Templer und Hetzer beim Ausspähen von Zerg-
Stützpunkten in den trockenen Flussbetten auf Saalok begleiten. Der Einsatz war als
Infiltration gedacht, um wichtige Positionen für spätere Angriffe auszukundschaften. Aber
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mit den fehlenden Warpsteinen in der Aexiliumrüstung, würde der Tod hier gewiss sein. Es
hätte kein Blutvergießen geben sollen.
Teredal schüttelte den Kopf.
Und es hätte auch keines gegeben, wenn wir ein getarntes Schiff verwendet hätten. Aber
warum soll man Schiffe vor einem Feind ohne Verstand verbergen? Tiere können keinen
Orbitaleintritt oder den Unterschied zwischen einem Shuttle und einem Stern erkennen ...
Die Mission war fehlgeschlagen. Nun stand Teredal mit Kehdana, der einzigen noch
lebenden Dunklen Templerin, einer großen Anzahl von Hydralisken und Zerglingen
gegenüber. Kehdana war umzingelt und wehrte in einem schwindelerregenden Tanz aus
Klingen, psionischem Feuer und Blut einen Sturm von Sensenklauen ab. Teredal erkannte,
dass dies ihr letztes Aufbäumen war, und sprang hinter Kherenoss' Körper hervor, um die
Aufmerksamkeit von der schwächer werdenden Kriegerin abzulenken.
Es funktionierte: Drei Hydralisken, gefolgt von zwei gierig schreienden Zerglingen, griffen ihn
an.
Teredal hörte das Pfeifen der Hydraliskenstacheln und drehte sich auf den Hacken zur Seite,
um einer Salve auszuweichen. Er nutzte den Schwung, um die Klauen eines Zerglings
abzuwehren und mit der psionischen Energie seiner Handgelenkswaffe sauber abzutrennen.
Getrieben von Wut, den Schmerz nicht beachtend, sprang der Zergling durch den Nebel
seines eigenen Blutes, um zu töten und zu fressen. Teredals Reaktion kam instinktiv, wie er
es gelernt hatte. Die langen Jahre des Kampfes gegen diese Bestien hatten einen
reflexartigen Ablauf aus Paraden und Gegenangriffen in seine Muskeln gebrannt. Mit
geübter Anmut beugte er sich hinab und ließ das Monster kopfüber in seine erhobene
Klinge stürzen. Zwei zuckende Zerglinghälften fielen hinter ihm in den hellen Mondstaub.
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Todesschreie erklangen in Teredals Geist, als die telepathische Struktur mit den düsteren
Lauten der anderen Berserker überflutet wurde. Die Khala verband die Gedanken und
Gefühle der Protoss und Teredal spürte das Sterben seines Aexiliums mit kaltem,
stechendem Kummer.
Bleibt unten, sagte er auf telepathischem Wege. Bleibt unten und bleibt in Bewegung.
Sie haben überall Zähne, antwortete die Dunkle Templerin Kehdana mit angestrengter
mentaler Stimme. Und es sind zu vie...
Ihre Worte wurden abgeschnitten und als Teredal sich umdrehte, sah er, wie drei Zerglinge
über sie herfielen. Weitere Stacheln schossen durch die Luft. Teredal hielt sich die Hände
schützend vor das Gesicht und hechtete in Deckung. Beim Aufprall spürte er einen scharfen
Stoß gegen seine Rüstung und hörte das Kreischen von berstendem Metall. Er rappelte sich
wieder auf und sah zwei weitere Hydralisken, die in Schussreichweite kamen. Einer von
ihnen schüttelte sich den Staub vom Kopf, der sich in einer gespenstisch anmutenden Wolke
langsam auf den stacheligen Rückenschild der Kreatur legte.
Teredal wusste, dass er einem weiteren Angriff nicht standhalten konnte. Die leeren Wellen
der Khala bedeuteten, dass er es nun allein mit den restlichen Zerg zu tun hatte. Während er
sich gemeinsam mit den ihn umkreisenden Monstern drehte, bemerkte er, dass sein rechter
Handschuh zerstört war und nur noch eine Psi-Klinge funktionierte. Seine Schildbatterien
waren aufgebraucht. Der Anführer der Hydralisken fauchte, lehnte sich zurück und öffnete
seine Stachelauswürfe. Weiterer Staub fiel von seinen Schultern.
Der Staub – diese Zerg waren eingegraben.
Die Erkenntnis trieb Teredal an. Er nahm drei Schritte Anlauf und sprang zusammengerollt in
Richtung des Hydralisken, während Stacheln unter ihm hindurchschossen. Die von Teredals
Aktion überraschte Bestie duckte sich und rutschte zur Seite. Teredal landete, griff den
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Hydralisken jedoch nicht an, sondern fuhr die Klinge ein und sprang in das dunkle Loch
hinter der Kreatur – in ihren Bau. Nur hier konnte er dem Kreuzfeuer ausweichen und
seinen Feind zum Nahkampf zwingen, der mit Abstand tödlichsten Disziplin der Berserker.
Teredal ging in der Dunkelheit tief in die Hocke. Er war nicht allein im Tunnel, doch die
kratzenden Geräusche hörten urplötzlich auf, als er sich umdrehte. Er kannte sie –
Anzeichen für eine Zerg-Schabe, dem grabenden Frontkämpfer der Insektenarmee. Teredal
reaktivierte seine noch funktionsfähige Psi-Klinge, die die Dunkelheit mit blauen
Lichtstreifen erhellte. Eine Armlänge von ihm entfernt hockte die Schabe mit kalten, leeren
Augen. Ihr Maul war mit Zähnen besetzt und sie riss die gezackten Mundstücke mit
animalischer Wut auf. Die Schabe füllte den kompletten Tunnel aus und war bereit, mit
ihren großen Klauen zuzuschlagen. Ihr Fauchen wurde zu einem Brüllen, das die Steine von
den runden Wänden fallen ließ.
Teredal rammte seine Klinge in ihr mittleres Auge und lehnte sich zur Seite, um den Klauen
auszuweichen, die im Todeskampf gegen den Boden des Tunnels schlugen. Das Brüllen
wurde zu einem blubbernden Heulen, die Schabe zuckte und blieb schließlich regungslos
liegen.
Hinter ihm vernahm Teredal das Rutschen des Hydralisken, der sich zurück in den Bau
wandte, aus dem er gekommen war. Kopf und Schultern ragten bereits in die Kammer.
Teredal drehte sich um, ergriff den Rand der Brustplatte des Hydralisken, zog ihn in das Loch
und schlug den Kopf der Kreatur gegen die harte Kieswand des Tunnels. Er zog seine Klinge
aus der Schabe, durchstieß den Hals des Hydralisken und hielt ihn so auf dem Boden. Der
schwere schlangenförmige Körper der Kreatur hämmerte gegen die groben Wände und
erfüllte die Luft mit Staub. Teredal drehte seine Klinge und trennte den Kopf des Hydralisken
ab, der daraufhin noch stärker zuckte und so den Tunnel mit herabstürzenden Steinen und
Sand verschloss. Nachdem Teredal seine Klinge deaktivierte, wurde er von der Finsternis
verschlungen.
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Teredal bewegte sich nicht. Vielleicht würden die Zerg ja glauben, er wäre beim Einsturz
gestorben. Die Zerg-Arten, die er während des Hinterhalts erlebt hatte, zeichneten sich,
wenn sie auf sich allein gestellt waren, nicht gerade durch außerordentliche Empfindsamkeit
und überragenden Intellekt aus. Das Überleben des Berserkers hing nun davon ab, ob ihr
Interesse nachlassen und sie ihre Aufmerksamkeit etwas anderem zuwenden würden. Er
hörte das hohe Knurren eines nach seinem Artgenossen schnappenden Zerglings und
raschelnde Geräusche, die nach und nach leiser wurden. Die Zerg zogen weiter. Teredal
stand in der Dunkelheit.
Nun wollen wir mal sehen, ob ... Halt!
Dort oben war etwas. Ein Hydralisk. Der Berserker konnte hören, wie sein Schwanz über ihm
am Fels entlangglitt.
Seltsam, dass noch einer da ist. Verwilderte Zerg lassen keine Späher zurück.
Die Kreatur bewegte sich langsam. Sie ... fraß. Dieses Wort durchbohrte Teredals Geist wie
ein Eiszapfen. Der Hydralisk fraß Protoss-Krieger, Kämpfer seines Volkes und edle Wächter
der verlorenen Kinder Aiurs. Wie schon unzählige Male zuvor zügelte Teredal die in ihm
aufsteigende Wut, die ihn zu überwältigen drohte. Wie schon unzählige Male zuvor
kanalisierte er sie in einen kühlen, konzentrierten Zorn – eine scharfe Klinge, die ihre Pflicht
treu erfüllen würde.
Er ging tief in die Hocke und analysierte die Situation. Zerg fraßen nur, wenn sie weit vom
Kriecher entfernt waren, der sie nährenden Biomasse, die den Boden um den Schwarmstock
herum bedeckte. Das Lager der Zerg war also weit entfernt und der Weg dorthin würde
vielleicht mehrere Umdrehungen dauern. Möglicherweise war dieser Hinterhalt von einer
isolierten Gruppe geplant worden, die entweder nach dem Sieg zum Schwarmstock
zurückkehren oder weiter auf einer Art Patrouillenroute unterwegs sein würden. Wie auch
immer: Wenn Teredal sich ruhig verhielte, würde der verbliebene Hydralisk weiterziehen.
Da nur noch eine Klinge funktionierte und die Schildbatterien seiner Rüstung verbraucht
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waren, wusste er, dass dies die sicherste Entscheidung sein würde. Vielleicht könnte er,
nachdem die Kreatur verschwunden wäre, aus dem Tunnel steigen und versuchen, die
Mission abzuschließen. Das wäre die klügste Vorgehensweise gewesen.
Aber es wäre nutzlos.
Die Mission war angelegt auf eine Population verwilderter Zerg ohne Verstand, die auf
Saalok hauste. Schwarmstöcke mit Tieren, gefährlichen Tieren, die man ausspähen und
deren Positionen man auf Karten eintragen konnte, um sie danach durch die im extrasolaren
Orbit wartende Flotte auslöschen zu lassen. Die Flotte war teuer und bestand aus leichten
Transportshuttles voller Räuber, die die Schwarmstöcke zerlegen sollten. Die für den Einsatz
auf Saalok bestimmte Truppe war perfekt auf das Vernichten einer Verseuchung
abgestimmt: Die Räuber führten Scarabs mit, Roboter, die in die Richtung feindlicher
Einheiten oder Anlagen kriechen, um dort zu explodieren. Räuber waren höchst effektiv
gegen Bodentruppen und laut Aufklärungsdaten setzten sich die verwilderten Zerg auf
Saalok nahezu ausschließlich aus landgebundenen Zerglingen, Hydralisken und Schaben
zusammen. Die wenigen über diesem ungeordneten Haufen schwebenden Overlords galten
kaum als Bedrohung. Die Räuber würden mit minimaler Luftunterstützung landen ... und
von einem taktisch denkenden Feind in Stücke gerissen werden. Von einem Feind, der sich
auf ihre Ankunft vorbereitet hatte und mit Mutalisken ausgestattet war. Die Schwarmstöcke
würden diese geflügelten Bestien nun aller Wahrscheinlichkeit nach ausspucken, da die Zerg
von der Anwesenheit der Protoss wussten. Oder vielleicht standen sie sogar schon bereit –
eine in den sich über den Mond schlängelnden tiefen Schluchten verborgene Armada. Es
war ein mit List und Tücke ausgelegter unwiderstehlicher Köder, den die Exekutorin nicht als
solchen erkannt hatte.
Der Untergang seines Volkes hing wie ein Schatten über Teredal, wie Gewitterwolken, die
sich jenseits seines Einflusses zusammenzogen. Selbst eine leichte Mutaliskeneinheit würde
sich durch eine Armee landgebundener Räuber schneiden. Die Flotte sollte bei der nächsten
Mondumdrehung landen – von Teredals Position aus gesehen im Morgengrauen. Das wäre
eine Katastrophe.
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Aber in diesem Zustand bin ich keine Hilfe.
In der beklemmenden Dunkelheit des Tunnels, umringt von toten Zerg, machte sich Teredal
daran, die zerstörte Rüstung an seinem rechten Arm zu entfernen. Die über ihm fressende
Kreatur war zu laut, um ihn zu hören, und der Berserker machte sich Sorgen um seine
Verletzung. Er konnte erkennen, dass sein Handschuh nur noch aus verbogenem Metall
bestand. Gleich zwei Hydraliskenstachel hatten die Keramikverbindung an seinem Unterarm
getroffen. Es war ein Wunder, dass er seine Finger noch spüren konnte. Als Teredal seine
Hand anspannte, fühlte er, wie warmes Blut von seinem Ellbogen tropfte.
Hier ist es zu dunkel.
Teredal entzündete die Spitze seiner verbliebenen Psi-Klinge und hielt das blaue Licht über
seinen Arm. Der Handschuh hatte die Stacheln der Monster abgehalten ... und ihm in den
Arm geschnitten, als er sich unter der Wucht verbogen hatte. Die Blutung war aufgrund der
Kompression der intelligenten Servomechanismen in seiner Rüstung nur schwach, aber
trotzdem blutete er. Er musste sich um die Wunde kümmern.
Der Berserker hob die Klinge und blickte sich im Tunnel um. Hinter ihm machte die Passage
eine leichte Biegung, bevor sie bei der zusammengekrümmten toten Schabe endete. Vor
ihm lagen herabgefallene Steine und die für den Einsturz verantwortliche Kreatur. Der
geköpfte Hydralisk lag halb unter den Steinen begraben, die er in seinem Todeskampf
losgetreten hatte. Das Monster war bedeckt mit einer Schicht aus hellem Staub. Mit
finsterem Blick stieg Teredal über den Körper und zog den abgetrennten Kopf zur Seite,
woraufhin noch mehr schwarze Flüssigkeit über die Kiesel floss. Teredal schob leise einige
der größeren Steine zur Seite und begann, den Hydralisken auszuweiden. Die Sehnen
würden ihm als Verband für seine Wunde dienen und helfen, die Blutung zu stoppen. Jahre
zuvor hatte er damit beim Schwarzgras-Überfall auf Tepperus einem Praetor das Leben
gerettet. Und jetzt würden die Sehnen ihn retten.
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Währenddessen dachte er darüber nach, was er beim Hinterhalt gesehen hatte. Waren die
Zerg wirklich von einer Intelligenz gesteuert? Konnte er sicher sein, dass er sich das nicht nur
einbildete? Teredal musste sich eingestehen, dass eine Horde unkontrollierter Zerg seiner
Veteraneneinheit einen Hinterhalt gelegt und sogar unter den richtigen Umständen
vernichtet haben könnte. Vielleicht verwechselte er Pech mit Taktik. Fünf Berserker von
Aiur, drei Hetzer und drei Dunkle Templer waren innerhalb von Minuten durch Klauen,
Stacheln und Reißzähne umgekommen. Ein Sperrfeuer hatte zuerst die mobileren und stark
bewaffneten Hetzer ausgeschaltet, danach waren die Dunklen Templer durch einen
Ansturm von Zerglingen in Bedrängnis geraten. Und der Overlord, der knapp außerhalb der
Reichweite geblieben war, hatte auch nicht mehr Intellekt als ein Zergling. Aber seine
Anwesenheit hatte der Schar wilder Tiere unter ihm Bewusstsein und Empfindsamkeit
verliehen. Pech?
Nein.
Es war ein für eigentlich wilde Kreaturen viel zu perfekt ausgeführter Hinterhalt gewesen.
Ich weiß, wie verwilderte Zerg handeln. Ich habe sie seit Beginn ihrer Verwilderung von
unseren Welten vertrieben. Diese hier sind koordiniert vorgegangen. Sie wurden gesteuert.
Für Teredal bestand kein Zweifel. Er hatte gegen Zerg gekämpft, die unter dem Befehl ihres
biologischen Halbgottes, des Overminds, standen. Teredal hatte sich an die neuen Taktiken
der Außerirdischen angepasst, nachdem der menschliche Emporkömmling Kerrigan die
Kontrolle über den Schwarm an sich reißen konnte. Und er erinnerte sich an den bitteren
Beigeschmack der Strategien der jungen Terranerin, die sich wie Schimmel auf die
versteinerten Knochen der althergebrachten Zerg-Muster gelegt hatte. In letzter Zeit hatte
er sich auch an den Wahnsinn der um ihre Hybridkönigin beraubten Zerg gewöhnt – ein
Chaos aus Klauen und hungriger Wut, das frühere Kämpfe schon fast friedlich wirken ließ.
Teredal kannte die Zerg und wusste, wie sie kämpfen. Er kannte ihre Instinkte und
Schwächen. Sein Lehrgeld dafür bestand aus zahllosen Narben, einer in zerklüfteten Linien
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auf seinen Körper gezeichneten Karte aus Erfahrungen. Selbst ein Auge hatte er beim Plaza-
Angriff hergeben müssen, um zu lernen, wie man mächtige Ultralisken tötet. Teredal sah es
als fairen Preis für das erhaltene Wissen an – und für das riesige, über den Gebetskacheln
auf Nelyth in Stücke geschnittene Monster.
Aufgrund dieser teuer erkauften Lektionen war er ausgewählt worden. Deshalb hatte er den
Befehl erhalten, Kehdana in eine Zone zu eskortieren, in der die Exekutorin die stärkste
Zerg-Aktivität vermutete, um die Dunkle Templerin beim Aufstellen der Signalgeber zu
beschützen. Das Oberkommando wusste, dass Teredal Kehdana mitten durch einen
Schwarmstock hätte führen können, wenn es nötig gewesen wäre. Teredal kannte die Zerg.
Und er wusste, dass die Exekutorin falsch lag. Die Zerg wurden gesteuert. Er konnte noch
nicht sagen, von wem oder was. Noch nicht. Die Formationen der Bestien während des
Angriffs hatten nicht wie Kerrigans Manöver gewirkt, waren Teredal jedoch definitiv
vertraut. Eine extremere Version der Kontrolle durch den Overmind – dieselbe koordinierte
Herangehensweise, jedoch ohne die Eleganz früherer Schlachten.
Wurde ein neuer Zerebrat erschaffen, um den Platz der gefallenen Königin einzunehmen?
Auf jeden Fall warf dies einen dunklen Schatten auf den Plan zur Rückeroberung Aiurs.
Teredal musste mit der Exekutorin sprechen und die Invasion, die in der Morgendämmerung
stattfinden sollte, verhindern. Hier ging es nicht mehr nur um eine simple Mission. Die
Protoss waren bereits stark dezimiert worden und verfügten nur noch über einen Bruchteil
der Stärke des stolzen und strahlenden Imperiums, das einst über die Sterne des Koprulu-
Sektors geherrscht hatte. Dieser Vorstoß war ihr letzter Versuch, ein kostspieliger Alles-
oder-nichts-Angriff, um auf einem scheinbar unbewachten Stützpunkt der Feinde Fuß zu
fassen.
Wenn Teredal die Flotte nicht warnen würde, wäre sie einem schnell und heftig
angreifenden Feind schutzlos ausgeliefert. Die Protoss mussten sich zurückziehen, um den
Rat noch einmal einzuberufen und ihre Taktiken an einen denkenden Feind anzupassen.
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Er hatte nur keine Möglichkeit, es ihnen mitzuteilen. Teredal runzelte die Stirn und dachte
kurz daran, seine Gedanken so weit er konnte in die Khala zu schreien. Aber er wusste, dass
es nichts bringen würde. Die Flotte war absichtlich fern geblieben, absichtlich außer
Reichweite.
Diese Mission war als stiller Angriff geplant worden, da die von der Khala befreiten Nerazim
darum gebeten hatten. Dadurch sollte verhindert werden, dass die verwilderten Zerg, die
von den Protoss verwendeten stärkeren psionischen Wellen zur Kommunikation und für das
Warpen im Weltraum orten. Selbst in ihrem momentanen Zustand schienen die Zerg die
unheimliche Fähigkeit zu besitzen, starke Psi-Abstrahlungen wahrzunehmen. Teredal war
sich nicht sicher, warum. Vielleicht ähnelte die von den Protoss verwendete Wellenlänge
den Frequenzen des Overminds. Aber es war nicht die Aufgabe eines Berserkers, Probleme
zu lösen, mit denen sich besser Hohe Templer beschäftigten. Doch er wusste, dass die Zerg
von starken Psi-Emissionen angezogen wurden wie Motten vom Licht. Es gab sogar die
Theorie, dass diese Kreaturen empfindlicher auf diese Energieform reagieren, da sie nicht
über die Disziplin oder die biologische Fähigkeit zum Errichten mentaler Filter verfügten. In
einer telepathisch kommunizierenden intelligenten Gesellschaft waren diese Filter jedoch
notwendig. Junge Protoss lernten bereits früh, die oftmals unangenehme Gedankenstruktur
zu dämpfen. Die Zerg mussten so etwas nicht tun.
Also war das Shuttle, dass sein Team auf Saalok abgesetzt hatte, stumm geblieben – ein
Gefährt, das darauf programmiert worden war, seine Fracht abzusetzen und dann zur
außerhalb der Psi-Reichweite stationierten Flotte zurückzukehren. Die Flotte würde
höchstwahrscheinlich bemerken, was hier geschehen war, da die visuellen
Überwachungsscanner an Bord der Großkampfschiffe das Ergebnis des Hinterhalts sicherlich
aufgezeichnet hatten und diese Hemisphäre des Mondes zurzeit in Richtung Flotte zeigte.
Aber Teredal wusste, dass der Angriff die Exekutorin nicht beunruhigen würde, zumindest
nicht im taktischen Sinne. Der Plan hatte von vornherein darin bestanden, ungeachtet des
Erfolgs seines Teams mit der Säuberung von Saalok fortzufahren. In diesen Einsatz war
schon zu viel investiert worden, um sich aufgrund eines fehlgeschlagenen ersten Angriffs
zurückzuziehen. Wenn das Scheitern des Aexiliums bedeutete, dass die nachfolgenden
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Angriffe weniger effektiv wären, wäre das kein Problem. Die Räuber würden einfach auf der
von Höhlen durchzogenen Seite Saaloks auf Jagdpatrouillen geschickt, statt sich in Richtung
der Signalgeber zu bewegen, die Kehdana und ihre Dunklen Templer hätten aufstellen
sollen.
Teredal schüttelte den Kopf und versuchte die Hoffnungslosigkeit zu vertreiben, die ihn zu
überwältigen drohte. Er trat einen Schritt von den auf dem Boden des Tunnels liegenden
feuchten Sehnen zurück. Er konnte nichts tun.
Nichts.
Der Berserker lehnte sich an die kalten Steine, aus denen der Tunnel bestand, um seine
Situation zu überdenken und sich stärker auf das Problem zu konzentrieren. Nur so war es
ihm gelungen, so lange zu überleben und so viele Schlachten zu überstehen, in denen
andere unter der Last von Furcht und Unentschlossenheit zusammengebrochen waren.
Junger Protoss, wisst Ihr nicht, dass Aiurs Mond eine Seltenheit im Universum darstellt?
Die Stimme seines Meisters hallte in seinem Kopf wider, nicht nur als Erinnerung, sondern
als lebendiges Überbleibsel einer mit der Khala verwobenen Seele. Es war ein Wissen, das
die Fasern des Universums durchdrang. Teredal war zu weit von seinen Brüdern entfernt,
um mit ihnen zu kommunizieren, konnte jedoch ihre Essenzen – ob nun tot oder lebendig –
selbst über Lichtjahre hinweg spüren. Er konnte die Stimme hören und sie in seinem Innern
fühlen. Seine Antwort war sowohl ein Gebet als auch eine geflüsterte Bitte. Er richtete sie an
sich und den immer noch in ihm vorhandenen Nachklang seines Meisters.
Meister. Ich sehe den Untergang unseres Volkes, den Anfang vom Ende. Meine Waffen sind
beschädigt und ich bin allein. Was kann ein einzelner Berserker gegen die Schwarmstöcke
auf Saalok ausrichten?
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Als ihm der Gedanke kam, dass sein Meister ihn für sein untätiges Herumsitzen gezüchtigt
hätte, beugte sich Teredal nach vorn und legte die Sehnen um seinen blutenden Arm. Das
harte, feuchte Fleisch klebte an seiner Haut und er spürte ein Stechen an den Stellen, an
denen das außerirdische Gewebe seine offene Wunde berührte. Er zog den Verband fest
und spannte seinen Körper an, als der Schmerz bis in seine Schulter hinauf kroch. Der
Schmerz war gut – er würde für Konzentration sorgen. Nach dem Verbinden der Wunde
beugte Teredal seine Hand, um sicherzugehen, dass er sie noch vollständig bewegen konnte.
Die Blutung war gestoppt.
Der Berserker blickte nach unten und bemerkte im flackernden Licht seiner Psi-Klinge, dass
noch einige Hydraliskensehnen übrig waren – robust und praktisch unzerstörbar, aber
flexibel wie Leder. Dank ihrer furchteinflößenden Anpassungsfähigkeit waren die Körper der
Zerg allen Rüstungen und Waffen der Menschen oder Protoss ebenbürtig. Teredal bewegte
seine Hand noch einmal und betrachtete die im blutverschmierten Staub liegenden langen
Hydraliskenklauen.
Ihr nähert Euch der Antwort, Teredal.
…
Der Hydralisk hatte sich schon fast satt gefressen und ließ die Gliedmaße, an der er
herumgekaut hatte, fallen, als der Boden hinter ihm wegbrach. Etwas kam aus dem
Untergrund – etwas, das sich schnell bewegte.
Die Kreatur drehte sich mit einem Kreischen um und bekam den leuchtend blauen Bogen
einer Berserkerklinge zu spüren. Schmerz! Die Waffe schnitt sich in die Schulter des
Hydralisken und verbrannte sein Fleisch. Das Monster schnappte mit seinen mächtigen
Kiefern nach Teredal und umschloss seinen gepanzerten Arm am Handgelenk fest mit den
Zähnen. Das Metall knirschte. Der andere Arm des Berserkers roch nach Blut und in der
Hand hielt er keine Waffe. Beute! Gefangen und hilflos! Der Hydralisk geiferte voller
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Erwartung, als er seine langen mit Widerhaken besetzten Klauen hob. Dieses Mahl würde
zappeln, während er es verspeiste.
Dann blickt der Berserker auf und schickte Geräusche in den Geist des Hydralisken.
Wortartige Geräusche voller uralter Wut, ursprünglich und klar.
Euer Mahl ist beendet, Monster. Jetzt könnt Ihr Euer eigenes Blut kosten.
Er schwang seinen anderen Arm herum und stieß zwei lange Widerhakenklauen in das Maul
des Hydralisken.
…
Im kühlen Licht der Morgendämmerung wischte Teredal das Blut von den an seinem
Handgelenk festgebundenen Klauen. Diese Bewegung war ein Ritual aus der entfernten
Vergangenheit seines Volkes, bevor es überhaupt eine Zivilisation oder Technologie, die
Gedanken in Klingen aus purer Energie verwandelte, gegeben hatte. Diese einfache
Handlung brachte ihm Klarheit und ein Gefühl des Friedens. Und Frieden brachte
Konzentration.
Nutzt diese Konzentration.
Der vernarbte Berserker ging in die Hocke und zeichnete mit seinem Finger drei Punkte im
Sand: die drei Teile der Protoss-Flotte, die auf die Signale seines ausgelöschten Aexiliums
warteten – Signale, die niemals eintreffen würden. Unter den drei Punkten zeichnete er
zwei lange Linien. Eine stand für einen Tag, die andere für eine Nacht auf Saalok, bis die
Flotte ihren schon zum Scheitern verurteilten Angriff starten würde. Eine Umdrehung auf
Saalok dauerte nicht lang, da der Mond sich nicht an Aiur gebunden bewegte. Er drehte sich
in ungefähr der Hälfte eines Tages um die eigene Achse, verglichen mit Teredals
Heimatwelt. Er hatte nicht mehr viel Zeit.
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Als Nächstes zeichnete Teredal sechs Schrägstriche in einem Kreis um die Markierungen
herum. Die sechs Signalgeber. Kristalline Gebilde, die jeder Berserker im Team mitgeführt
hatte. Diese von den Handwerkern der Nerazim entwickelten kompakten Werkzeuge
konnten Psi-Energie wie eine Leuchtkugel präzise ausstoßen. Sie hätten die Flotte mit
absoluter Genauigkeit zu den wichtigen Schwarmstöcken des Feindes geführt, lagen jedoch
nun mit Blut beschmiert im hellen Sand um ihn herum.
Teredal hatte den Befehl erhalten, den Dunklen Templern beim Aufstellen der Signalgeber
zu helfen. Danach sollte er die Nerazim durch die von den Signalen angezogenen Zerg-
Horden zu den Treffpunkten eskortieren. Von dort aus wäre Saaloks Säuberung durch die
Räuber koordiniert worden. Nach Abschluss der Mission hätte man das Aexilium abgeholt –
für die Exekutorin eine mehr als nebensächliche Angelegenheit. Das Hauptziel hatte darin
bestanden, der Flotte eine vorteilhafte Position im Mondorbit um Aiur zu verschaffen, um
den letzten Angriff zur Zurückeroberung der Protoss-Heimatwelt vorzubereiten.
Im Falle eines Scheiterns der Mission sollten sich die überlebenden Gruppenmitglieder zum
nächsten Treffpunkt begeben. Teredal rieb mit seiner Hand über die Narbe an der Stelle, wo
sich sein linkes Auge befunden hatte – sie schmerzte, wenn er zu lang untätig war. Vielleicht
könnte er der Flotte vom Treffpunkt aus mit einem Signalgeber ein Zeichen senden.
Vielleicht würde die Exekutorin es als Notsignal erkennen und ihm ein Shuttle schicken.
Nein, dieses Risiko wäre zu groß und die Psi-Emissionen würden nur noch mehr Zerg
anlocken. Außerdem hätte die Flotte bereits mit dem Angriff begonnen, wenn er den
Treffpunkt erreichen würde. Die Großkampfschiffe müssten ihre Positionen preisgegeben
und wären in verwundbarer Formation um einen denkenden Feind herum aufgereiht.
Es war hoffnungslos. Noch ein Sonnenaufgang und der letzte Teil der Protoss-Macht wäre
ausgelöscht. Einem Impuls folgend zeichnete Teredal einen Kreis um die sechs
Schrägstriche. Der Kreis des Berserkers – das Zeichen seines Ordens. Der perfekte Kreis
Saaloks. Ein Symbol für die Reinheit der Konzentration und des Geistes.
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Und plötzlich war alles klar. Es gab eine Möglichkeit, der Flotte die Nachricht zu
überbringen. Ein einfacher Plan, der jedoch Teredals sicheren Tod bedeuten würde. Sein
Wille schwankte und die Psi-Klinge flackerte auf.
Er würde die Signalgeber in einem perfekten Kreis aufstellen und mithilfe des
Navigationsinstruments in seiner Rüstung die exakten Positionen bestimmen. Wenn die
Kristalle ihre Signale in den Himmel sandten, kämen die Zerg, angelockt von den Psi-
Emissionen, zur Mitte des Kreises. So hatte es ursprünglich sein sollen. Die bei der Flotte
wartende Exekutorin würde es bemerken und davon ausgehen, dass alles nach Plan verliefe.
An diesem Punkt würde Teredal sich auf die Klarheit und den Intellekt seines Volkes
verlassen müssen: Die Flotte müsste die Platzierung der Signalgeber erkennen, eine bei
Zerg-Formationen – und erst recht bei verwilderten Zerg – nicht vorkommende
ungewöhnliche Symmetrie. Doch das würde die Exekutorin noch nicht auf die unerwartete
Empfindungsfähigkeit der Zerg aufmerksam machen. Teredals Klinge flackerte erneut auf
und tauchte sein Gesicht in blaues Leuchten.
Sie würde es bemerken, wenn sie sähe, wie die Zerg das Muster erkannten. Wenn die Zerg
sich anschickten, den letzten Signalgeber des Kreises zu zerstören, und damit unter Beweis
stellten, dass sie den Verlauf des Kreises erfassen und vorausberechnen konnten, wo das
nächste Signal aktiviert werden würde. Doch das wäre höchstwahrscheinlich Teredals Tod –
in einem Hinterhalt, den er selbst gelegt hatte.
So lauteten seine Befehle aber nicht. Diese Aktion lief allem zuwider, wofür Berserker
standen. Es war ein kühner Versuch, sich über taktische Entscheidungen hinwegzusetzen,
die er unter keinen Umständen zu treffen hatte. Teredal fuhr mit seinem Finger den Kreis ab
– der Kreis des Berserkers.
Es hatte seinen Grund, warum unser Volk in den dunkelsten Abschnitten der Geschichte in
seiner Reinheit nach Führung und Klarheit gesucht hat.
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Teredal begann, die Signalgeber von den Körpern seiner gefallenen Brüder einzusammeln.
Die kristallinen Kugeln waren nicht größer als seine Hand, jedoch schwer und
außergewöhnlich gut verarbeitet. Er strich mit dem Finger über die Zugangsrille jedes
Geräts, das daraufhin seine Funktionsfähigkeit mit einem blauen Leuchten anzeigte.
Selbst der kleinste Bogen ist Teil des großen Kreises.
Diese Worte hatte sein Meister oft wiederholt und nun spürte Teredal, was sie bedeuteten.
Die Chancen mussten gut stehen, damit diese Aktion erfolgreich verlaufen würde. Er kehrte
zurück zur Stelle, an der er im Sand gezeichnet und seine Eingebung erhalten hatte. Er
analysierte seinen Zustand. Sein Arm schmerzte noch, aber das dumpfe Pochen würde ihn
nicht allzu sehr ablenken, da er Schmerz gewohnt war. Der Hinterhalt hatte ihm ein
gewisses Maß an Energie geraubt, aber auch damit kam Teredal klar. Zum Glück waren seine
Beine nicht verletzt, denn die würde er heute noch brauchen. Teredal war schon immer ein
guter Läufer gewesen und sollte nun sein schnellstes und ganz sicher auch letztes Rennen
absolvieren.
Er schwang seinen Arm, um die Länge der neuen Klauen zu testen. Sie waren unhandlicher
als die Psi-Klinge und aufgrund des fehlenden Handschuhs nicht so stark gepanzert. Aber sie
waren extrem scharf. Es war unglaublich befriedigend, zu sehen, wie sich ihre Zacken
mühelos durch das Fleisch des Hydralisken geschnitten hatten.
Da er nun sechs Signalgeber bei sich trug, war seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die
Geräte waren magnetisch an seinem Panzergürtel angebracht und würden ihn aufgrund
ihrer Sperrigkeit bremsen, jedoch nur zu Anfang. Nach jeder Platzierung würde das Gewicht
abnehmen und die Gefahr steigen.
Die Sonne stand nun schon fast über dem Horizont. Die Zeit lief ihm davon. Teredal ging in
die Hocke, verwischte seine Zeichnung im Sand und stellte den ersten Signalgeber auf. Er
berührte die Aktivierungsrille, in der versteckte Sensoren seine Zellstruktur überprüften und
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danach die Freigabe erteilten. Das Gerät begann, rot zu pulsieren, um das Signal nach
hundertundeins Zyklen zu aktivieren. Teredal machte sich bereit, loszulaufen.
Von den Felsen neben ihm hörte er ein Geräusch. Er drehte sich um und zündete seine
Klinge. Doch außer den Leichen seiner Kameraden und der Zerg war nichts zu sehen. Hatte
eines der Monster überlebt? Er war kurz davor, nachzusehen, aber ...
Keine Zeit. Der Signalgeber ist aufgestellt.
Teredal lief. Bis zur Position des nächsten Signalgebers war es nicht weit, aber er wollte das
erste Gerät so weit es ging hinter sich lassen, bevor es zu senden begann. Jeder Zerg auf
dem Mond würde es hören und Teredal wusste, dass das Signal eines scheinbar toten
Feindes Kreaturen aus allen Richtungen anlocken würde. Zum Glück durchquerte er bei
diesem Abschnitt des Weges eine schmale Schlucht und musste daher keinen neugierigen
Zerg ausweichen. So hoffte er zumindest.
Der Sand zischte unter seinen sich schnell bewegenden Füßen und Teredal ließ sich vom
rhythmischen Lauf über Saaloks weiße Oberfläche tragen. Aiur begann, im Osten
aufzugehen, und der Anblick war schöner, als er es sich je hätte vorstellen können. Von hier
wirkten die kräftigen Grün-, Braun- und Blautöne der Kontinente und Meere seiner
Heimatwelt ursprünglich und makellos. Breite Wolkenstreifen bedeckten die Pole und
Teredal verspürte eine nach all der Zeit ungebrochene Sehnsucht nach Aiur.
Dann begann der Signalgeber, zu senden.
Ein Schrei, ein Brüllen, ein schrecklicher Hurrikan psionischen Lärms tobte durch die Khala.
Die Dunkle Templerin hatte ihn darauf vorbereitet und ihn vor den Wellen gewarnt, die
jeder Aktivierung der Signalgeber folgten. Kehdana hatte ihm empfohlen, sich in einen
minimalen Sicherheitsabstand zu begeben und hinzuknien, um eine mentale Barriere vor
der Aktivierung der Geräte zu errichten. Das Signal sollte sowohl eine Nachricht in den
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Weltraum schicken als auch eine heftige Welle in der Psi-Struktur vor Ort erzeugen, um alle
verwilderten Zerg auf Saalok zu erreichen. Teredal hatte sich auf einen gewissen Grad an
Verwirrung vorbereitet, jedoch nicht mit einem solchen Ausbruch gerechnet. Er stolperte
und fiel in den Sand. Einen Moment lang konnte er weder sehen noch atmen und sein Geist
kämpfte mit aller Kraft gegen das verworrene Chaos der Khala an. Dann war das Signal so
schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war.
Wenn das den Schwarm nicht herbeiruft ...
Er schaute hinauf in den sternenübersäten Himmel und schickte im Sturm einen einsamen
Ruf an sein Volk.
Erkennt diesen Signalgeber, Brüder. Und erkennt auch die nächsten.
Dann stand Teredal auf und lief weiter. Er wischte sich Blut vom Auge und schüttelte den
Kopf, um wieder klar denken zu können.
Lauf!
Der Sand wurde dünner und Teredals Weg war mit Kieseln und Steinen bedeckt. Zwar
konnte er nun einfacher seine Geschwindigkeit beibehalten, aber die Gefahr stieg, da seine
lauten Schritte die Zerg schneller auf ihn aufmerksam machen würden. Er musste bei
seinem Lauf durch das enge Flussbett noch vorsichtiger sein.
Während er die Schritte zählte, ordnete der Berserker die Bedenken, die ihm im Kopf
umhergeschwirrt waren. Einige konnte er zerstreuen. Andere entzogen sich seiner
Kontrolle.
Zuerst einmal hatte er Sorge, dass die Zerg das Muster zu früh durchschauen könnten. Falls
sie Teredals Weg erkennen würden, bevor genügend Signalgeber aufgestellt waren, könnten
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die Protoss eventuell seine Botschaft nicht durchschauen. Teredal musste die Signalgeber
schnell aufstellen. Er musste sein Tempo beibehalten und den Kreis vor der nächsten
Morgendämmerung abgeschlossen haben.
Außerdem mussten die Geräte in einem bestimmten Abstand zueinander stehen, damit die
Flotte sie von ihrer Position aus auch erkennen konnte. Er hatte die Koordinaten und die
Vektoren zwischen den Signalgebern bereits berechnet – kein Problem für den
ausgebildeten Geist eines Berserkers. Aber den Weg zu kennen und imstande zu sein, den
erschöpfenden Lauf mit voller Geschwindigkeit zu bewältigen, waren zwei vollkommen
unterschiedliche Dinge. Bei der Aktivierung der Signalgeber musste auch Saaloks Rotation
berücksichtigt werden. Wenn Teredal einfach einen Kreis ablaufen und dabei die Geräte
platzieren würde, hätte sich die Halbkugel des Mondes vorher aus dem Blickwinkel der
Flotte gedreht, da die zweite Hälfte des Kreises wieder in Richtung des Anfangs zeigte. Er
musste die restlichen fünf Geräte an beiden Seiten des Ursprungsortes platzieren und dabei
diagonal zu immer weiter entfernten Punkten und wieder zurück laufen, um sicherzustellen,
dass die Flotte auch den vollständigen Kreis sah. Dies bedeutete, dass Teredal eine weitere
Strecke als nur entlang des Kreisumfangs zurücklegen musste. Selbst für einen Berserker
würde das schwierig werden. Ein Tag und eine Nacht ohne Zeit zum Anhalten und Ausruhen.
Teredal war kein junger Rekrut mehr. Er war ein Veteran, der am Morgen schon gekämpft
hatte. Er musste sich eingestehen, dass eines seiner Herzen durch diesen Lauf platzen
könnte.
Und schließlich bestand die Gefahr, dass der Geist, unter deren Kontrolle die Zerg standen,
seinen Plan durchschauen und nicht oder nur anscheinend willkürlich reagieren könnte. Dies
würde den Plan des Berserkers durchkreuzen. Teredal verbannte diesen paranoiden und
absolut nutzlosen Gedanken aus seinem Kopf. Wenn die Zerg so intelligent waren, wildes
Verhalten nur vorzutäuschen, warum hatten sie es dann bei der Landung seines Teams nicht
getan?
Nun musste er laufen.
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…
Den zweiten und dritten Signalgeber konnte er jeweils ohne Vorfälle oder Begegnungen mit
den Zerg aufstellen. Der Feind war nicht in der Lage gewesen, Teredals Muster zu erkennen.
Aber nach drei Punkten sehen sie nur ein Dreieck. Der vierte Signalgeber wird das Muster
enthüllen und die Positionen des fünften und sechsten vorhersehbarer machen.
Teredal sprang über den Felsblock auf seinem Weg, landete mit einer Rolle und lief mit
gleichbleibender Geschwindigkeit weiter. Drei Geräte befanden sich noch an seinem Gürtel.
Aufgrund des geringeren Gewichts konnte er nun schneller laufen und Hindernisse besser
überqueren. Vom Morgen bis zum Mittag hatte er nur zwei kurze Pausen beim Aufstellen
des zweiten und dritten Signalgebers eingelegt. Nach dem ersten Gerät am westlichen Punkt
des Kreises war er zur nordwestlichen und danach zur südwestlichen Position gelaufen. Der
nächste Abschnitt zwischen dem südwestlichen und nordöstlich platzierten Gerät würde der
längste gerade Abschnitt sein – eine Entfernung, die dem gesamten Kreisumfang entsprach.
Wenn Teredal es schaffen würde, seine Geschwindigkeit beizubehalten, könnte er die vierte
Position bei Sonnenuntergang erreichen.
Teredal zählte nach dem Aktivieren der Geräte während des Laufens die Primzahlen und
hielt dann einige Sekunden lang an, um sich gegen den psionischen Schock zu wappnen.
Nachdem er beim ersten Mal hingefallen war, bewertete er das Risiko einer Verletzung
höher als eine kurze Verzögerung.
Während der Berserker lief, drang das Sonnenlicht grell durch Saaloks dünne Atmosphäre.
Die Wärme auf seiner Haut belebte ihn aufs Neue – Strahlen von Aiurs Stern, der sein Volk
seit Urzeiten nährte. Die Protoss waren Wesen des Sonnenlichts. Sie waren Wesen, die ihre
Intelligenz und ihre Fähigkeit, schnell über die großen Ebenen und durch die Dschungel
Aiurs zu jagen, schon lange vor der Entwicklung der Sprache und Zivilisation genutzt hatten.
In diesem klaren Sommerlicht fühlte sich Teredal ganz als Protoss.
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Bisher war er noch keinem Zerg begegnet, hielt sich jedoch stets in der Deckung der Dünen
und Felsbrocken auf, wenn er dadurch nicht zu weit vom Weg abkam. Einmal sah er einen
Overlord in der Ferne schweben, blieb jedoch in Deckung, bis dieser außer Sichtweite war.
Teredal glaubte zu erkennen, dass die Kreatur in Richtung des letzten Signalgebers
unterwegs war.
Als die Sonne über seiner rechten Schulter unterzugehen begann, spürte Teredal eine weit
in die Zeit zurückreichende, undefinierbare Verbindung mit seinen Ahnen. Seine Mission
war klar, sein Tod war gewiss und der Berserker spürte während der gleichmäßigen Schritte
seines Laufs einen seltsamen Frieden. Ohne anzuhalten senkte er seinen Kopf und zog mit
seinem Finger einen Kreis auf seiner Brust nach.
Laut Teredals Berechnungen befand sich die Position zum Aufstellen des vierten
Signalgebers direkt vor ihm. Als er sich ihr näherte, wurde er langsamer.
An dieser Stelle werden aus drei Punkten vier. Hier nimmt das Dreieck die Form eines Kreises
an. Von nun an wird über jedem Schritt der Schatten des Todes liegen.
Die Sonne war fast hinter dem hellen Gebirgskamm neben ihm verschwunden. Teredal
streckte seinen Arm dem schwächer werdenden Licht entgegen und verabschiedete sich von
der goldenen Kugel, die sein Volk in früheren Zeiten angebetet hatte. Den restlichen Weg
würde er in der Dunkelheit zurücklegen, ohne das kräftige und wärmende Licht, das Teredal
den ganzen Tag über angetrieben hatte. Seine Brust schmerzte bereits und der verwundete
Arm des Berserkers zitterte, als er sich hinkniete, um den Signalgeber im Sand aufzustellen.
Teredal versuchte, seine Bedenken beiseite zu schieben. Zum Ausruhen hatte er keine Zeit.
Im Morgengrauen würde die Flotte eintreffen. Er aktivierte das Gerät und lief in Richtung
des länger werdenden Schattens.
…
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Die Nacht war kalt und tückisch, bot jedoch auch gute Deckungsmöglichkeiten. Teredal
hatte kaum die Hälfte der Strecke des vierten Abschnitts zurückgelegt, als er fast mit zwei
Ultralisken zusammenstieß.
Gleich zwei!
Seine geschärften Reflexe brachten ihn urplötzlich zum Stehen, als das tiefe, schwere
Heulen von der Felswand neben ihm widerhallte. Der Berserker duckte sich hinter einem
Überhang und versuchte, seine zitternden Beine zu beruhigen.
Den Großteil der Strecke hatte er durch enge Schluchten zurückgelegt, die er nur verlassen
hatte, wenn er dadurch zu weit vom Kurs abgekommen wäre. Doch irgendwann endeten die
Schluchten und Teredal musste an einer Felswand entlanglaufen. Obwohl dies besser war,
als sich über eine freie Fläche zu bewegen, fühlte sich der Berserker ungeschützt. Deshalb
versuchte er, Felsen, Spalten oder Überhänge im Voraus auszumachen, um dort, falls nötig,
in Deckung zu gehen. Diese kräftezehrende Angewohnheit hatte er sich während der
Belagerung von Torenis Prime zugelegt. Sie erforderte, dass Geist und Reflexe jederzeit in
hektischer Bewegung blieben, obwohl sie sich eigentlich nur noch dem beruhigenden
Rhythmus des Laufens hingeben wollten. Doch diese Angewohnheit rettete ihm das Leben.
Die Ultralisken wollten gerade über ein abgebrochenes Stück des Vorsprungs von der Klippe
über ihm hinabsteigen. Ein Teil seines Geistes erkannte die von den nahen Felsen
reflektierten Rufe. Teredals Instinkt hatte ihn unter den Überhang geführt, bevor er sie
bewusst wahrnehmen konnte. Die Ultralisken stampften an der Anhöhe an Teredals
Versteck vorbei und ließen mit ihren massiven Beinen Lawinen aus Steinen und Sand
herunterregnen. Er zähmte den Drang, seine Klinge zu zünden und gegen die Kreaturen zu
kämpfen. Er hätte zu gerne diese Möglichkeit genutzt, um sich abzulenken, etwas Blut zu
vergießen und seinen Schmerz nach einem Tag und einer Nacht des Laufens herauslassen zu
können. Doch Teredal wusste, dass dieser Kampf ihn Energie und Zeit kosten würde, die er
nicht hatte.
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Kräfte für die Signalgeber aufsparen. Blutvergießen wird es bald schon genug geben.
Während er darauf wartete, dass die Bestien verschwanden, versuchte der Berserker,
seinen brennenden Herzen ein wenig Ruhe zu gönnen. Der Schmerz in ihnen war im Laufe
der Nacht immer stärker geworden. Er spannte seinen rechten Arm an und zog den Verband
fest, der die Klauen hielt. Er war mit langsam durchsickerndem Blut getränkt und Teredal
fürchtete, dass eine Zerg-Infektion die Heilung der Wunde verhinderte. Genau aus diesem
Grund verboten die Edikte seines Ordens die Verwendung von außerirdischen Gewebeteilen
oder Waffen. Doch für Teredal hatte die Entweihung des Fleisches und der Bewaffnung der
Protoss eine weitaus geringere Bedeutung als der Abschluss seiner Selbstmordmission. Sie
wäre vorbei, bevor ein kleiner Blutverlust sich überhaupt auswirken konnte.
Genug ausgeruht. Die Ultralisken sind fort. Es wird Zeit, weiterzulaufen.
Er kroch unter dem Vorsprung hervor und sah nach, ob sich auf der Klippe etwas bewegte.
Nichts. Es war seltsam, zwei Ultralisken auf solch einem Patrouillengang zu sehen, da die
schweren Kreaturen normalerweise mitten in den Kampf stürmten, um reichlich Blut zu
vergießen.
Es sei denn, sie patrouillieren nicht. Es sei denn, sie wurden geschickt, um ein Protoss-
Aexilium entlang einer angenommenen Route abzufangen.
Teredal nickte sich selbst zu. Dies war ein weiterer Beweis dafür, dass die Zerg wirklich von
einem bewussten und taktisch ausgerichteten Wesen kontrolliert wurden. Nicht
unwiderlegbar, aber ein neues Teil des Puzzles. Er lief weiter und legte an Tempo zu. Er
wusste, dass sich beim nächsten Signalgeber alles offenbaren würde.
Doch die Offenbarung kam schon früher.
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Der Schwarmstock lag direkt auf seinem Weg. Teredal war zwei weiteren Patrouillen
ausgewichen: einer Gruppe Hydralisken und einem weiteren Ultralisken. Diesmal waren
beide von Overlords begleitet worden und Teredal hatte ihre Bewegungen als Suchmuster
identifiziert. Die Overlords waren bedeckt mit einer glitzernden embryonischen Flüssigkeit –
ein Indiz dafür, dass die Kreaturen erst vor Kurzem in einem nahe gelegenen Schwarmstock
erschaffen worden waren. Und während er vorsichtig weitergelaufen war, hatte er auch
schon das charakteristische Klicken der Drohnenkiefer in der dünnen Luft vernommen. Die
Verzögerung ließ ihn fluchen und Teredal machte einen großen Bogen um das Geräusch. Es
hatte schon länger gedauert als geplant und es bis zum Morgengrauen zu schaffen, wurde
immer schwieriger.
Zwischen dem Ende der einen und dem Anfang der anderen Schlucht lag eine freie Fläche.
Sie war nur ungefähr fünfzig Schritte lang und Teredal sah keine andere Möglichkeit, als sie
zu durchqueren, wenn er nicht umkehren wollte. Er musste einen Sprint einlegen.
Er ging tief in die Hocke und ballte die Fäuste, um Kraft für diese hohe Geschwindigkeit zu
sammeln. Er zeichnete mit dem Finger einen Kreis auf seiner Brust und sprang aus den
Schatten in das Licht der Sterne.
Zehn Schritte ... Zwanzig ... Dreißig ... Fast geschafft ...
Zu seiner Linken erblickte er den Schwarmstock der Zerg und was er sah, ließ ihn abrupt
anhalten. Zwei hohe, schmale Türme mit jeweils einer knolligen Spitze, die unter den
Sternen schimmerten und wie Blutgefäße pulsierten. Während Teredal sie beobachtete,
wuchsen sie langsam in die Höhe.
Es waren Schösslinge, die organischen Zerg-Gebäude, aus deren Enzymen und genetischem
Material nach der Fertigstellung die fliegenden Kreaturen erschaffen wurden, die den
Großteil der Zerg-Luftkräfte ausmachten. Diese Schösslinge waren ganz offensichtlich als
Reaktion auf Teredals Vorgehen neu errichtet worden. Die Zerg wussten, dass etwas
bevorstand und ihre vorgetäuschte Verwilderung aufgedeckt worden war. Er schätzte, dass
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die Zerg einen Tag später mit dem Aufbau einer Luftstreitmacht beginnen würden und
schon kurz später eine riesige Armee zur Verfügung hätten. Denn Einheiten schnell aus dem
Boden zu stampfen war eine Spezialität dieser Monster. Die Protoss fänden einen von
denkenden, grausamen Kreaturen bewohnten Mond vor, die sie vernichten würden, bevor
sie Aiur überhaupt erreichen könnten.
Aus dem Schwarmstock kam das Brüllen eines Ultralisken und Teredal wurde bewusst, dass
er auf freiem Feld stand. Er drehte sich um und verschwand in der Schlucht. Der Schmerz in
seiner Brust wurde nun zu einem heftigen Stechen.
Schneller.
…
Die Zerg warteten am fünften Aufstellungsort. Teredal konnte sie im dunklen Tal unter ihm
schon von Weitem hören. Obwohl man von den vier vorherigen Signalgebern nicht
unbedingt direkt auf einen fünften schließen konnte, war dies eine von zwei oder drei
Positionen, die bei der Suche nach einem Muster Sinn ergeben hätte. Teredal schätzte, dass
ähnliche Gruppen an anderen möglichen Aufstellungsorten platziert waren – so würde es
zumindest ein intelligenter Taktiker machen. Nach dem Aufstellen des fünften Geräts würde
jedoch alles klar werden. Die Position des sechsten Signalgebers wäre preisgegeben und
sämtliche Klauen und Fangzähne auf Saalok würden darauf zustürmen.
Eins nach dem anderen. Zuerst muss ich den fünften Signalgeber aufstellen. Aber das Tal ist
voller Zerg.
Mit einer Hand auf der Brust glitt Teredal von der Kuppe zurück, von der aus er sein unten
im Tal liegendes Ziel gesehen hatte. Er musste schnell handeln, hatte jedoch nicht die
Energie, um gegen die Patrouille da unten zu kämpfen. Ein Ultralisk, sechs Hydralisken und
ein Overlord – Stärke im Nahkampf, Feuerkraft auf die Distanz und ein Koordinator, der die
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Zerg unter Kontrolle hielt. Die Zusammenstellung der Gruppe hätte bei Teredal ein müdes
Lächeln hervorgerufen, wenn er genügend Kraft gehabt hätte. Wer auch immer diese Zerg
befehligte, hatte keine Vorstellung davon, welche Art von Feind die Signalgeber platzierte.
Die Patrouille war für eine Reihe von denkbaren Möglichkeiten zusammengestellt worden.
Ob sie dabei wohl an einen verwundeten alten Soldaten mit behelfsmäßigen Waffen
denken?
Er hob seinen Arm mit der festgebundenen Klaue, deren gezackte Kanten er kritisch
beäugte. Sie waren immer noch scharf und tödlich. Weit unter ihm waren die
patrouillierenden Bestien in der Schlucht auf dem Weg zu seiner geplanten Position. Über
ihnen flog der Overlord durch Kontraktion der mit Muskeln durchzogenen Gasblasen.
Die Zerg hatten sein Volk auf ihrer Heimatwelt mit einer Grausamkeit dezimiert, gegen die
jegliche Weisheit der Protoss nicht angekommen war.
Es wird Zeit, dass die Protoss ebenso grausam werden.
Teredal drückte mit dem Daumen auf den Auslöser seines Signalgebers und stürmte in die
Dunkelheit. Geleitet von den Geräuschen unter ihm und angetrieben von einer Wut, die er
viel zu lang unterdrückt hatte, überwand er Schmerz und Ermüdung – und sprang.
Er landete auf dem Overlord, der überrascht nach vorne schoss. Teredal stieß seine Klauen
in die fleischige Blase und spürte einen Stoß warmer, feuchter Luft sowie einen Psi-Schrei,
der seinen Schädel erzittern ließ. Der Berserker hielt sich an der Kreatur fest, die sich auf die
Seite legte und langsam nach unten sank. Die Hydralisken unter ihm zischten und Teredal
wusste, dass der Overlord sie rief. Wilde Kreaturen rufen um Hilfe. Intelligente Kreaturen
fordern einen Angriff an. Teredal benutzte die Klauen, um sich an dem verwundeten
Overlord hochzuziehen, als eine Salve Stachel dort auftraf, wo er sich gerade noch befunden
hatte.
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Damit wären auch die letzten Zweifel beseitigt.
Der Overlord sank nun schnell nach unten und aus mehreren ausgefransten Löchern
strömte Gas. Der Ultralisk stampfte herbei, um den verletzten Zerg beim Aufprall auf den
Boden abzufangen. Teredals Plan sah jedoch anders aus. Geleitet von den schwerfälligen
Schritten des Monsters sammelte er sich und sprang noch einmal, während er seine Psi-
Klinge wie eine Fackel in der dunklen Schlucht zündete. Für seine nächste Aktion brauchte er
Licht.
Wie eine Sternschnuppe stürzte Teredal durch den nächtlichen Himmel und landete mit
einem Krachen auf dem schweren Rückenschild über den Schultern des Ultralisken. Auch
diesmal hielt er sich mit den Klauen am knochigen Panzer der Kreatur fest. Teredal spürte,
wie sich ein neuer Schmerz einen Weg durch seine Seite bahnte.
Rippen ... gebrochen. Ich muss ... den Hals erreichen ...
Er hatte sich das Wissen über Ultralisken hart erkämpft und war von seinen Brüdern gefeiert
worden, weil er die Bestien ohne Hilfe bezwungen hatte. Aber für seine Siege hatte er auch
immer einen Preis zahlen müssen und zuvor nie solch einen zermürbenden Lauf absolviert
oder solche Verletzungen erlitten. Der verwundete Veteran hielt sich am Rücken des
umherschleudernden Ultralisken fest, der seine Wut in einem von den Wänden der Schlucht
zurückgeworfenen Schrei herausbrüllte. Langsam und gezielt kroch Teredal zu seinem Hals.
Wie auf ... Nelyth ...
Mit einem Hieb seiner glühenden Klinge spaltete er die dünne Platte über dem Hals des
Monsters und rammte die Klauen tief in das freiliegende Fleisch. Der Ultralisk brüllte und
machte einen letzten Satz, mit dem er Teredal in die Luft warf.
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Der Berserker konnte sich beim Landen abrollen und rutschte über den Sand. Er kniete sich
hin, während die Hydralisken ihn hungrig zischend umkreisten. Der Ultralisk stampfte mit
aus seiner Brustplatte laufendem Sekret herbei. Er war verwundet, jedoch nicht tot. Teredal
blutete, war zahlenmäßig unterlegen und hatte keine Kraft mehr. Er deaktivierte seine
Klinge und kniete vor der Bestie. Die Hydralisken kamen näher.
Vier. Drei. Zwei. Eins.
Der Signalgeber setzte eine Explosion von Psi-Energie frei, die den Kopf des Ultralisken
zerriss. Eine strahlende Welle in Blau und Violett trat aus der klaffenden Wunde aus, in der
Teredal das Gerät platziert hatte, und tauchte das Tal in kaltes Feuer. Die Hydralisken
schrien und wanden sich, während Blut aus ihren Mäulern spritzte. Als sie hinfielen,
verschossen sie ihre Stacheln, mit denen sie sich in ihren Todesqualen selber trafen. Die
metaphysische Resonanz ließ die Wände der Schlucht und die Struktur, die ihre Atome
zusammenhielt, erbeben. Teredals komplett aufgeladener Schild flackerte im Energiesturm
kurz auf und war danach wieder geleert. Beim Hinknien steckte der Berserker seine
verbliebene Kraft in die Psi-Abwehr, die er schon seit Kindertagen beherrschte. Sie war alles,
was er noch hatte. Auf diese Entfernung gab es bei der vollen Kraft des Geräts, das sein
Signal über ganze Planeten hinweg ausstrahlen sollte, nur wenig Hoffnung auf Überleben.
Nur wenig Hoffnung ...
Das bedeutet, dass es etwas Hoffnung gibt.
Ihr nähert Euch der Antwort, Teredal.
Der Berserker fiel in den Schatten und blieb regungslos liegen.
…
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Licht. Ein bebendes, strömendes Weiß. Teredal blinzelte und sah nichts als Lichtschlieren,
die sein Blickfeld durchzogen.
Welch Schönheit. Ist das die Khala? Bin ich ...?
Nein. Es gab Licht, aber keine Stimmen. Stille. Laut Überlieferung besteht die Khala nach
dem Tod aus einem unendlichen Chor von miteinander in Harmonie und Freude
verwobenen Geistern. Aber ... der Berserker spürte nur Schmerz. Teredal rieb sich über die
Narbe an der Stelle, wo einst sein linkes Auge gewesen war. Sie schmerzte wieder.
Seit wann liege ich hier schon?
Teredal drehte sich um.
Das Licht?
Sterne. Meteoriten. Saalok durchquerte einen Meteoritenschauer und die herabfallenden
Lichter erzeugten auf den Wänden der Schlucht eine helle, fließende Textur. Die Helligkeit
hatte ihn aufgeweckt und nun spürte Teredal den scharfen Schmerz seines geschundenen
Körpers. Zwei Rippen waren an mehreren Stellen gebrochen. Sein Arm pochte stark an der
infizierten Stelle. Und in seinem Kopf dröhnte immer noch das Brüllen des Signalgebers.
Aber meine Herzen schmerzen nicht mehr. Und diese Schatten bedeuten, dass die
Morgendämmerung noch nicht angebrochen ist.
Teredal zitterte und drehte sich auf die Seite. Er fühlte den immer noch um seine Taille
gebundenen Signalgeber.
Selbst der kleinste Bogen ist Teil des großen Kreises.
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Und jetzt aufstehen, Berserker.
Er lehnte sich nach vorn und verzog vor Schmerzen das Gesicht, als er sich auf die Beine
kämpfte. Er stolperte zur Seite und fiel gegen die fleischige, formlose Masse, die einst ein
Overlord gewesen war. Im feuchten Sand fühlte sie sich kalt an. Teredal zog sich hoch,
lehnte sich kurz an den blutbedeckten toten Zerg und ging dann weiter. Der Meteorstrom
über ihm ließ nach und die letzten Streifen verschwanden an einem immer heller
werdenden Horizont.
Jetzt lauft, Berserker. Lauft für Aiur.
Und Teredal lief. Nach einigen Schritten stolperte er und fiel in den Sand. Aber er stand
wieder auf und lief weiter. Dieser letzte Abschnitt war nur etwas länger als die Hälfte des
vorherigen Abschnitts, doch er spürte bereits das Stechen in seinen Herzen und konnte nicht
mehr klar sehen.
Lauft!
Langsam krochen die Schatten fort vom Fuß der Klippen, an denen Teredal entlanglief. Er
trieb sich an, noch schneller zu werden, und seine Beine gerieten in den gleichmäßigen,
unerschütterlichen Schritt, für den die Berserker bekannt waren. Sand wurde zu Kieseln,
Kiesel zu Steinen und Steine wieder zu Sand.
Schneller.
Er rannte schneller. Der Schmerz ließ nach und Teredal wusste, dass er bereits den
betäubenden Geschmack des herannahenden Todes kostete.
Schneller.
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Seine Schritte im Sand klangen schwer und hallten von den Felswänden wider, die sie zu
pochenden und ineinander krachenden Geräuschwellen anwachsen ließen. Ultralisken.
Durch die dünne Luft trugen Schreie. Hinter ihm waren Zerg – hungrige Bestien, die Jagd auf
die Kreatur machten, die sich ihnen schon so lang entzogen hatte. Nun war sein Weg
bekannt und seine Deckung löste sich unter dem heller werdenden Himmel in Luft auf.
Schneller.
An beiden Seiten der Schlucht rollten Steine an den Felswänden herab. Zerglinge liefen
parallel zu Teredal und suchten nach einer Möglichkeit, hinunterzusteigen und anzugreifen.
Das Grollen hinter ihm wurde lauter. Er konnte sehen, wie das Licht über die Bergspitzen
stieg. Die Morgendämmerung brach herein.
Dann hatte Teredal die Schlucht durchquert und befand sich auf einer freien, mit
Kieselsteinen bedeckten Fläche. Sein Ziel lag vor ihm: ein uralter Krater, selbst von Aiur als
kreisförmiges Zeichen auf Saalok zu erkennen. Es gäbe keine Deckung mehr. Kein Versteck.
Nur noch Laufen.
Die Geräusche wurden lauter. Teredal konnte die Klauen der Zerglinge während ihres
letzten Sprints auf dem Stein hören. Die Kreaturen waren schnell.
Aber es sind keine Berserker.
Schneller.
Energiereserven, von deren Existenz Teredal nie gewusst hatte, verschafften ihm einen
letzten Geschwindigkeitsschub. Der Krater wurde größer und er zog den Signalgeber von
seinem Gürtel.
Dort liegt der Hinterhalt. Wenn ich nur das letzte Gerät aufstellen kann, bevor ...
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Ein Ultralisk erschien am Rand des Kraters. Danach ein weiterer. Den beiden war er schon
nachts auf ihrer Patrouille begegnet. Sie stießen ihre schrecklichen, sensenartigen Klauen
zusammen und stampften den Krater hinunter in seine Richtung. Der Boden bebte. Hinter
ihm erschien die Sonne am Himmel. Die Morgendämmerung war gekommen. Teredal
zündete seine Klinge und stürmte los.
Für Aiur!
Teredals Ruf klang stark, klar und voll durch die Khala. Und er war nicht der einzige. Weitere
Stimmen gesellten sich hinzu und schrien mit einer Heftigkeit, die dem Brüllen der
Ultralisken gleichkam.
Für Aiur!
Blaue Energieblitze zischten durch die Dämmerung und rissen die Ultralisken in einem
Schauer aus Blut und Knochen auseinander. Drei Phasengleiter der Protoss flogen, gefolgt
von einem Dutzend Scouts, durch das Ergebnis ihres Beschusses. Sie donnerten über ihn
hinweg und durchstießen die Luft mit einem Sturm extrem aufgeheizter Partikel. Teredal
drehte sich um und sah nun, was ihm gefolgt war: eine ganze Armee aus unzähligen
Hydralisken, Schaben und Zerglingen. Ultralisken brüllten und waren dem Luftangriff in der
sengenden Hitzeschutzlos ausgeliefert. Die Zerg waren in einem Feuersturm gefangen und
nur einige Kreaturen am Rande der Schlucht konnten in Deckung gehen.
Teredal fiel auf die Knie und die betäubende Dunkelheit ergriff Besitz von seinem Körper. Er
spürte keine Schmerzen in seinem Arm und seine Brust fühlte sich leer an. Der Berserker
stürzte in den Sand und sah, wie der letzte Signalgeber aus seinen schwachen Fingern rollte.
Aiur ging neben der Sonne am Horizont auf. Diese Schönheit. Golden, grün und perfekt.
Während er Aiur am Himmel aufsteigen sah, füllte sich die Khala um ihn herum mit weiteren
Stimmen.
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Ja. Ihr hattet recht, Exekutorin. Der Berserker ist hier.
Teredal ist hier?
Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, aber er ist hier.
Teredal versuchte, zu antworten. Er konnte seinen Körper nicht bewegen und seine Stimme
war schwach – ein leises, durch die Khala strömendes Keuchen.
Ruft ... die Flotte zurück, Exekutorin. Ruft die Flotte zurück.
Es herrschte Stille. Dann ertönte eine Antwort aus dem Himmel.
Wir haben Eure Markierungen gesehen, Berserker, und die Exekutorin wird sich über ihre
Bedeutung Gedanken machen. Bis dahin wird die Flotte zurückgerufen. Aiur wird noch einen
weiteren Tag warten müssen.
En Taro Adun, Berserker.
Teredal nickte. Der weiße, strahlende Sand fühlte sich kühl auf seiner Wange an.
En Taro Adun.
Einen Moment lang stellte er sich vor, auf Aiur zu stehen und gemeinsam mit seinem
Meister den Mond über ihnen zu betrachten. Das Licht blendete ihn.
Saalok ... scheint hell heute Nacht. So hell.