Konzepte Inter- kultureller Pädagogik Vorlesung zu Kapitel 6.3 und 6.4.

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Konzepte Inter-kultureller Pädagogik

Vorlesung zu Kapitel 6.3 und 6.4

Milieu und Organisation-

Diskriminierung und Macht

11. Vorlesung

Organisation

Pädagogisches Handelns vollzieht sich zumeist im Rahmen von Organisationen.

Wenn man über pädagogisches Handeln reflektieren möchte, muss man auch die Organisationen mit einbeziehen.

Milieus und Organisationen bilden Prozessstrukturen durch soziale Regelmäßigkeiten aus.

Unterschiede zwischen Milieu und Organisation Bei den Milieus handelt es sich vornehmlich

um implizite Regelmäßigkeiten, die die konjunktiven, vergemeinschaftenden Erfahrungen der Milieumitglieder strukturieren.

Bei Organisationen handelt es sich auch um explizite Regelmäßigkeiten, die als formale Regeln das Rollenhandeln derjenigen strukturieren, die Mitglieder der Organisation sind.

Formale Regeln der Organisation

Formale Regeln bezeichnen verallgemeinerbare Verhaltenserwartungen.

Diese Verhaltenserwartungen sind reflektiert und explizit.

Die Verhaltenserwartungen sind an Positionen (in der Organisation) und nicht an Personen geknüpft.

Die Erfüllung der Verhaltenserwartungen wird durch die Mitgliedschaftsregel gewährleistet.

Mitgliedschaft vs. Zugehörigkeit

Mitgliedschaft in Organisationen ist die Frage einer Entscheidung, die allen beteiligten bewusst ist.

Zugehörigkeit zu Milieus findet auch und vor allem jenseits von Willensentscheidungen statt und muss nicht bewusst sein.

Milieus in Organisationen

Mitglieder von Organisationen sind zugleich einem Milieu zugehörig.

Soweit die formalen Regeln dem nicht entgegen stehen, handeln Organisationsmitglieder also durchaus in den Routinen ihres Milieus.

Formale und informelle Regeln

Formale Regeln legen sich nicht selbst aus.

Auch wenn die Auslegung einer formalen Regel durch eine weitere formale Regel festgelegt wird, ist dann die zweite formale Regel auslegungsbedürftig usw.

Drei Formen des praktischen Umgangs mit formalen Regeln

1. Formale Regeln werden unterlaufen, indem Organisationsmitglieder ausschließlich entlang der habitualisierten Praktiken ihres Milieus handeln.

2. Formale Regeln werden aus der Perspektivität des Milieus der Organisationsmitglieder heraus verstanden und praktisch umgesetzt.

3. Formale Regeln werden durch informelle Regeln konkretisiert, die in der Anwendung der formalen Regeln entstehen.

1. Das milieubedingte Unterleben der OrganisationInterv.: Was macht denn noch zur Zeit alles Spaß in euerm Leben ? (2

Sek. Pause)Mehrere: ((Gelächter))Tanja: Ja (4 Sek. Pause), was macht dir so Spaß in letzter Zeit, mhm?Lilo: Hoho.Tanja: Und dir?Corinna: Lehrer zu ärgern. ((leise gesprochen))Tanja: O.k. Lehrer ärgern is cool, Frau N rausekeln aus der Klasse is

lustig. (2 Sek. Pause) Äh am besten mal Walkman hören, laut redenLilo: ((Lachen))Tanja: ÄhmAndi: ne Zigarette anmachen,Tanja: paar Stühle durch die Gegend schmeißen, denn fliegt man

schon raus.Corinna: oder pampige Antworten gebenTanja: oder wenn, wenn Frau N uns mal anguckt, dann sagen

Jeanette und ich immer, ähm, ob fragen wir sie immer, ob sie lesbisch is und denn schmeißt sie uns auch immer raus.

1. Das milieubedingte Unterleben der Organisation Die durch das Milieu strukturierten

Handlungspraktiken eines Mitgliedes können auf die formalen Regeln seiner Organisation gerichtet sein und dazu dienen, „die Erwartungen der Organisation hinsichtlich dessen, was er [das Mitglied; AMN] tun sollte und folglich was er sein sollte, zu umgehen“ (Goffman 1973, S. 185).

das „Unterleben“ einer Organisation (ebd., S. 194)

2. Milieugeprägter Umgang mit formalen Regeln

Die formalen Regeln werden intuitiv aus der Perspektivität des Milieus der Mitglieder heraus verstanden.

Dies geht nur, wenn mehrere Organisationsmitglieder gleichzeitig aus einem Milieu stammen.

3. Entstehung informeller Regeln Wenn sich keine milieuspezifischen praktischen

Umgangsweisen mit formalen Regeln etablieren und diese Regeln auch nicht milieugebunden ‚unterlebt‘ werden, können sich in der – zunächst unsicheren und situativen – Anwendung formaler Regeln informelle Regeln bilden.

Beispiel: Man lernt von erfahrenen Lehrern mit der Zeit, wie die formalen Regeln der Pausenaufsicht anzuwenden sind, wann und wo man etwa einschreitet, wenn Kinder Regeln verletzen.

Einmal eingeführt, sinken Handlungspraktiken, sofern sie oft genug störungsfrei wiederholt worden sind, in das Vorbewusstsein ab. Wir haben es dann mit einem neuen habituellen Handeln zu tun, das als informelle Regel (-mäßigkeit) die Anwendung von formalen Regeln strukturiert.

Organisationsmilieus Wenn informelle Regeln sich ansammeln, bilden

sich Organisationsmilieus. In den Organisationsmilieus sind all jene impliziten

Wissensbestände, informellen Regeln und habituellen Handlungsweisen gelagert, die innerhalb der Organisation neu entstanden sind.

Zwar kann man – ebenso wie zu sonstigen Milieus – zu den Organisationsmilieus nur dazu gehören (Zugehörigkeit), nicht aber ihr Mitglied (mit der steuerbaren Option des Ein- und Austritts) werden. Doch ist die Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu den Organisationsmilieus die Mitgliedschaft in der Organisation.

Entscheidungen

Wenn keine formalen und keine informellen Regeln, aber auch keine milieugeprägten Umgangsweisen mit Situationen vorhanden sind, dann müssen Entscheidungen getroffen werden.

„Wenn es angesichts alternativer Möglichkeiten zu handeln gilt, ohne daß ‚entscheidende‘ Gründe für die eine Möglichkeit gegen die andere oder umgekehrt vorhanden sind oder zu beschaffen wären“ (Lübbe 1971, S. 17; zit. n. Ortmann 2003, S. 139).

Entscheidungen

Wenn eine Entscheidung weder an Regeln orientiert sein kann noch völlig rational erwogen werden kann (denn dann wäre sie keine Entscheidung, sondern eine Rechenaufgabe), dann hat sie spontane Elemente, in denen man den Eingebungen des eigenen Herkunftsmilieus folgt.

Organisation Kultur Wissen Handeln Individuum

Informelle Regeln des Organisationsmilieus und milieugeprägte praktische Umgangsweise mit formalen Regeln

Mehrdimensionales Milieu

Konjunktive Erfah rung und konjunk tives Wissen

Habituel les Han deln

Persönlicher Habitus

Formale Regeln und Mitgliedschaft

Kulturelle Repräsentation

Kommunikatives Wissen

Reflek tiertes Handeln

Persönliche Identität

Soziale Identität

Vorgestellte Gemeinschaft

Entscheidungen Spontanes Handeln

Aufgabe:

Suchen Sie Beispiele für

1. Milieubedingtes Unterleben

2. Anwendung formaler Regeln in der milieuspezifischen Perspektivität

3. Aus der Anwendung formaler Regeln entstehen informelle Regeln und Organisationsmilieus.

4. In Entscheidungen greift man auf milieubedingtes Hintergrundwissen zurück.

Diskriminierung

Formen der Klassifizierung

1.Klassifizierung 2.Klassifizierung 3.Klassifizierung 4.Klassifizierung

Bezug auf persönlichen Habitus

Bezug auf kollektive Erfahrungen in der Mehr-dimensionalität ihres Milieus, u.U. unter Reflexion der Unvollständig-keit dieses Bezugs

Bezug auf nur eine Dimension der kollektiven Erfahrung/eine Milieudimension

Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer vorgestellten Gemeinschaft

notwendige Formen der Klassifizierung

totale Identifizierung

Beispiel für Erfahrung einer totalen Identifizierung

Duran: ... und=ich kam da an, und wollte halt äh:: halt nur Frage stellen wo ne Anzeige ob=ich ne Anzeige erstatten darf oder so, aber=ich wurde einfach überhört ich wurde einfach überhört ((Lachen)) und mir wurde einfach äh: die ham nach n’ ähm Pass verlangt von mir, da meint=ich ich na ich hab kein deutschen Pass ich bin ein türkischer Mitbürger ich hab n’ türkischen Pass und die meinten ja: ... da zeig mal ... uns ... dein Pass, weil da ham se mir erzählt dass sie das Recht haben jeden Ausländer hier irgendwie zu kontrollieren, [...] Und die Anzeige, wurde nich erstattet also ich konnte keine Anzeige machen. Weil die Erlaubnis nich kam. Und soweit ich weiß ist die Polizeirevier is ja is ja Polizisten dazu da egal welche Religion egal welche Nationalität dass man dahin gehen dass man ne Anzeige machen kann ... nach sein Recht fordern kann. Bloß das konnt=ich leider nich und da hab=ich bemerkt ich bin Türke ((Lachen)) ich bin Ausländer.

Formen der Diskriminierung

Totale IdentifizierungKeine oder nachträgliche totale Identifizierung

Diskriminierung

Habitualisierte Diskriminierung

Reflektierte Diskriminierung

Nicht intendierte Diskriminierung

Keine Diskriminierung

Totale Identifizierung ohne Diskriminierung

-/-

Formen der Diskriminierung in Organisationen

Diskriminierung durch ...

Unmittelbare Diskriminier-ung/ totale Identifizierung notwendiger Bestandteil

Mittelbare Diskrimini-erung/ totale Identifi-zierung nicht notwendig

... formale Regeln Bsp.: Dienst an der Waffe für Frauen (früher)

Altersgrenzen in wissen-schaftlicher Karriere dis-kriminiert 2. Bildungsweg.

... informelle Re-geln des Orga-nisationsmilieus

Bsp.: wenn Lehrer Kindern aus Migrationsfamilien per se Sozialisationsschwierigkeiten unterstellen

6. Form

.. milieugeprägte Umgangsweisen

Bsp.: bildungsbürgerliche Normalitätserwartungen im Gymnasium

7. Form

... toleriertes milieubedingtes Unterleben

Tolerierung frauenfeindlichen Verhaltens von Jugendlichen im Jugendzentrum

8. Form

Funktions-systemRecht

Staats-anwalt-schaft

GerichtPolizei

Funktions-systemPolitik

Parlamen-tarischesSystem

Regier-ung

Funktions-systemWirt-

schaft

Banken

Unter-nehmen

Öffent-licherDienst

Milieu A

Milieu B

Milieu C

Milieu D

Milieu E

Milieu F

Milieu G

MilieuH

Staats-bürger-schaft

Funktions-systemErzieh-

ungGrund-schule

Sek-undar-schule

Hoch-schule

ents

chei

den

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Staats-anwalt-schaft

GerichtPolizei

Funktions-systemPolitik

Parlamen-tarischesSystem

Regier-ung

Funktions-systemWirt-

schaft

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ungGrund-schule

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Hoch-schule

ents

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den

sind fre

md

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ungGrund-schule

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