Post on 06-Apr-2016
KulturlandschaftsinventarisierungTirol
Kartierung der offenen Landschaft
Ein Projekt des Amts der Tiroler Landesregierung
Abteilung Umweltschutz
Kulturlandschaft – was ist das?
Landschaft = charakteristischer Teil der Erdober-fläche, der durch das Zusammenwirken verschieden-ster Faktoren geformt ist.
Naturlandschaft = von der Natur und ihrer typischen Tier- und Pflanzenwelt ge-prägte Landschaft
Kulturlandschaft= vom Menschen veränderte Landschaft
Kulturlandschaft entsteht durch die dauerhafte Beein-flussung der ursprünglichen Naturlandschaft durch den Menschen.
Natürliche Faktoren wirken umso stärker, je geringer der Einsatz technologischer Geräte ist.
WohnfunktionArt und Verteilung der Siedlungen
wirtschaftliche TätigkeitLandwirtschaft, Rohstoffgewinnung,Industrie und Gewerbe
Verkehrsnetz
Kennzeichnend für die Kulturlandschaft ist der ständige Wandel, der sich am stärksten im Bereich der hoch technisierten Industriegesellschaften abzeichnet.
Kulturlandschaft erhält ihre regionale Ausprägung
durch
Kulturlandschaftsinventarisierung wozu?
Um auf die schleichende Veränderung unserer Landschaft reagieren zu können, war zunächst eine Inventarisierung des Ist-Zustandes er-forderlich.
Diese soll einen raschen Überblick über die aktuelle Situation und den gebietsspezifischen Zustand der Kulturlandschaft geben.
Traditionelle Kulturlandschaft ...
bewahrt regional typische Landschaftselemente
vernetzt alte Landschaftsformen mit kulturhistorischen Objekten
stellt ein wichtiges Potential für den Naturhaushalt dar
besitzt eine bedeutende ästhetische und ökologische Ausgleichsfunktion
bietet seltenen Tier- und Pflanzenarten Rückzugsraum
ist ein Reservoir biologischer Vielfalt
GesetzgebungNaturschutzgesetz, Raumordnungsgesetz ...
Bewahrung, Pflege und nachhaltige Nutzung der alpinen Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt, Eigenart und Schönheit sind übergeord-nete Landesinteressen.
Hypothese
bis 1950traditionelle bäuerliche Kulturlandschaft prägt das Tiroler Landschaftsbild
danach
anhaltende Veränderungen im Zuge sich wandelnder sozialer und wirtschaftlicher Bedingungen
Das Projekt
VorstudieErmittlung des Forschungsstandes im Alpenraum (Mast U. 1992)
Methodenfindung und TestPilotprojekt in der Umgebung Imst einschließlich Pitztal, Gurgltal und Mieminger Plateau (TBL 1995)
Inventarisierung der Kulturlandschaften Tirolsin den Jahren 1999 bis 2001
Projektsablauf
Projektabwicklung
ProjektleitungDr. Reinhard Lentner unter Mitarbeit von Mag. Johannes Kostenzer, Amt der Tiroler Landesregierung, Abt. Umweltschutz
BearbeitungMag. Manfred Föger, Dr. Karin Pegoraro, Mag. Jörg Oberwalder, BLU–Pegoraro & PartnerDr. Karel Černy, DI Libuše Černa, Umweltbüro Černy
LuftbilderBundesamt für Eich- und Vermessungswesen Wien, Nutzungsgenehmigung Land Tirol
Die Methode
aktuellen Luftbildern
Historischer Ansatz:Dieser basiert auf einem Vergleich von
Luftbildern aus den 1940er bis frühen 1950er Jahren
mit
Zirl 1952 Zirl 1995
Arbeitsunterlagen
amtliche, historische Luftbilder der ersten flächendeckenden Befliegung des Landes Tirol aus den späten 1940er bis frühen 1950er Jahren digitale Luftbilder im Maßstab 1:10.000 aus den
1990er Jahren Zur Überprüfung der aktuellen Situation wurden Begehungen im Gelände durchgeführt.
Die kartografische Darstellung erfolgte mit einem Geografisches Informationssystem (GIS), Software ArcView 3.2.
Geografisches Informationssystem = Computerprogramm zur Verarbeitung und Darstellung geografischer Daten.
Untersuchte FlächenDas zu bearbeitende Projektgebiet umfasst das offene Kulturland im Dauersiedlungsraum.
Dauersiedlungsraum = ganzjährig von Menschen bewohnte Landesteile
Dauersiedlungsraum
ArbeitsschritteSchritt 1Abgrenzung der spezifischen Erhebungsgebiete Gebiete, die aufgrund naturräumlicher Gegeben-heiten wie Lage, Niederschlag und Boden eine ähnliche landwirtschaftliche Nutzung aufweisen
Beispiel: spezifisches Erhebungsgebiet Gurgltal
Schritt 2Erfassung der traditionellen Kulturlandschafts-flächen Flächen, die im Vergleich der historischen Luftbilder mit der heutigen Situation unverändert geblieben sind
traditionelle Kultur-landschaftsflächen im Gurgltal bei Tarrenz
Kriterien zur Beurteilung der traditionellen Flächen
Am Luftbild erkennbaren Strukturen weitgehend unverändert
Zahl und Form der Nutzungsparzellen nur gering verändert
Art der Bewirtschaftung (Acker, Grünland) spielt keine Rolle
Strukturen = Wasserläufe, Relief, Mauern und Lesesteinhaufen, Heckenzüge, Straßen und Wege, Stadel, Bäume und Büsche, Waldinseln, Einzelhöfe
Schritt 3Kartierung der aktuellen Flurformen aktuell gleich gestaltete Nutzungsparzellen zu Gruppen zusammengefasst
Nutzungsparzelle = im Luftbild erkennbare Bewirtschaftungs-einheit
Gruppen von Nutzungs-parzellen im Gurgltal nordöstlich von Tarrenz
Streifenflur Nutzungsparzellen in Form paralleler Streifen
Folgende Flurformen wurden unterschieden:
BlockflurNutzungsparzellen in Form von rechteckigen Blöcken
Unregelmäßige Flurformunregelmäßige geometri-sche Formen dominieren
primär traditioneller Kulturlandschaftstyp> 75 % der Nutzungsparzelleneinheit sind traditionelle Kulturlandschaftsflächen
weitgehend traditioneller Kulturlandschaftstyp 50 – 75 % der Nutzungsparzelleneinheit sind traditionelle Kulturlandschaftsflächen bedingt traditioneller Kulturlandschaftstyp
25 – 50 % der Nutzungsparzelleneinheit sind traditionelle Kulturlandschaftsflächen moderner Kulturlandschaftstyp
< 25 % der Nutzungsparzelleneinheit sind traditionelle Kulturlandschaftsflächen
Schritt 4Definition der vier Kategorien
Schritt 5Abgrenzung der vier gebietsspezifischen Kultur-landschaftstypen Einheiten von Nutzungsparzellen einem der vier Kulturlandschaftstypen zugeordnet
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Kulturlandschaftstypen im Gurgltal bei Tarrenz
Ergebnisse
umfasst die offene Kulturlandschaft außerhalb der Berggebiete 1097,56 km2 (= 8,7 % der Landesfläche).
Sie gliedert sich in 100 spezifische Erhebungs-gebiete.
24 % der Kulturlandschaft (= 264,12 km2) blieben seit den 1950er Jahren unverändert und sind daher
traditionelle Kulturlandschaftsflächen.
Die ursprünglichsten spezifischen Erhebungsgebiete liegen im Westen Tirols und in Osttirol.
Tirolweit ...
im typischen Landschaftsbild im Anteil traditioneller Kulturlandschaftsflächen in den dominierenden Flurformen in der Verteilung der vier Kulturlandschaftstypen
am traditionellsten: Landeck am modernsten: Kufstein
Bezirke
Zwischen den einzelnen Bezirken bestehen große Unterschiede
0 5000 10000 15000 20000
Reutte
Landeck
Imst
Innsbruck
Lienz
Kitzbühel
Kufstein
Schwaz
Fläche [ha]
untersuchte Flächetraditionelle Fläche
Untersuchte Fläche und Ausdehnung traditioneller Kulturlandschaftsflächen nach politischen Bezirken.
Bezirk Landeck
Untersuchte Fläche7.832 ha
30,8%
23,5%
26,6%
19,1%primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Bezirk Kufstein
Untersuchte Fläche18.885 ha
82,5%
12,8%
1,2% 3,5%
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Bezirk Reutte
Untersuchte Fläche9.535 ha
59,0%14,7%
17,0%
9,3%
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Bezirk Imst
Untersuchte Fläche9.982 ha
46,6%
17,6%
25,7%
10,1%
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Bezirke Innsbruck Stadt und Land
Untersuchte Fläche18.024 ha
46,6%
25,5%
18,7%
9,2%
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Bezirk Schwaz
Untersuchte Fläche13.033 ha
72,2%
20,7%
5,2%1,9%
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Bezirk Kitzbühel
Untersuchte Fläche19.298 ha
72,5%
20,0%
5,0%2,5%
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Bezirk Lienz
Untersuchte Fläche13.167 ha
50,0%
27,1%
17,2%
5,7%
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Anteil traditioneller Kulturlandschaftsflächen in den spezifischen Erhebungsgebieten, westlicher Teil
> 50 %37,5 – 50 %25 – 37,5 %12,5 – 25 %< 12,5 %
Anteil traditioneller Kulturlandschaftsflächen in den spezifischen Erhebungsgebieten, östlicher Teil
> 50 %37,5 – 50 %25 – 37,5 %12,5 – 25 %< 12,5 %
Fließer Steppenhänge und Kaunerberg hoher Anteil an traditionellen Kulturlandschaftsflächen relativ ursprüngliches Gebiet
Innsbruck Stadt und Umgebungmittlerer Anteil an traditionellen Kulturlandschaftsflächen Mosaik aus ursprünglichen und veränderten Flächen
Talboden des Zillertalsgeringer Anteil an traditionellen Kulturlandschaftsflächen stark verändertes Gebiet
Beispiele spezifischer Erhebungsgebiete
Aktuelle BewirtschaftungMähwiesen, Weiden, teilweise noch Ackerflächen und Obstwiesen.
Traditionelle Kulturlandschaftsflächen 579,8 ha 41,7 % des spezifischen Erhebungsgebietes
Fließer Steppenhänge und Kaunerberg
37,7%
15,0%
25,6%
21,7%primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Luftbilder von 1990 und 1997
traditionelle Kultur-landschaftsflächen
spezifisches Erhebungsgebiet Fließer Steppenhänge und Kaunerberg
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
Was blieb erhalten?
alte unregelmäßige Flurformen
kleine Nutzungsparzellen
Mosaik aus Dauergrünland und kleinen Äckern
dorfnahe Weidegebiete
zahlreiche Hecken und Feldgehölze
Obstwiesen
Aufgabe einiger Weiden und anschließende
Verbuschung
Vergrößerung der Siedlungsräume
Aufforstung wenig ertragreicher Weiden
Umwandlung kleiner Ackerflächen in größere Wiesenflächen
Was waren die Veränderungen?
Innsbruck Stadt und Umgebung
Aktuelle Bewirtschaftunggemischt, hoher Anteil von Äckern.
Traditionelle Kulturlandschaftsflächen744,17 ha 35,7 % des spezifischen Erhebungsgebietes
39,4 %
24,2 %
27,9 %
8,5 %
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
spezifisches Erhebungsgebiet Innsbruck Stadt und Umgebung, Ausschnitt Innsbruck Ost - Thaur
Luftbilder von 1990, 1995 und 1996
traditionelle Kultur-landschaftsflächen
primärtraditionellweitgehendtraditionellbedingttraditionellmodern
traditionelle Streifenflur
kleine Nutzungs-parzellen
Mosaik aus Äckern, Gemüsefeldern und Grünland
Reste von Trockenrasen
Gemüseanbau für die Nahversorgung
Was blieb erhalten?
Enorme Ausdehnung der Siedlungsräume
Bau der Autobahn
Regulierung des Inns und Entwässerung
Verkleinerung von Obstbauflächen
ausgeprägte Flurbe- reinigung
Was waren die Veränderungen?
Talboden des Zillertals
Aktuelle Bewirtschaftung gemischt mit hohem Grünlandanteil
Traditionelle Kulturlandschaftsflächen174,93 ha 5,5 % des spezifischen Erhebungsgebietes
90,4 %
3,1 %6,3%
0,2 %
primär traditionellweitgehend traditionellbedingt traditionellmodern
spezifisches Erhebungsgebiet Talboden des Zillertals, Ausschnitt Fügen
Luftbilder von 1990, 1991 und 1997
traditionelleKulturland-schaftsflächen
weitgehendtraditionellbedingttraditionellmodern
kleine Bereiche traditioneller Streifenflur
markante Einzelbäume und Heckenfragmente
Teile traditionell strukturarmer Bereiche
Reste von Obstgärten
Was blieb erhalten?
ausgeprägte Flurbe- reinigung Entwässerung im Einzugsbereich des Zillers, Kanalisierung der Seitenbäche Beseitigung von Einzelstrukturen Straßen- und Wegebau starke Ausdehnung der Siedlungsräume touristische Erschließungen
Was waren die Veränderungen?
Und nun?
Entscheidungen der RaumentwicklungRaumordnung (vor allem Bebauung)Landwirtschaft (Grundzusammenlegungen,Flurbereinigungen, ...)Naturschutz
Förderungsmaßnahmen vertiefende Untersuchungen über den
Wert und die Wirkung auf die Artenvielfalt
Erstellung von Pflege- und Management-konzepten
Die Kulturlandschaftsinventarisierung Tirol bietet Grundlagen für ....
DankeMag. Johannes Kostenzer, Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz
Idee und Gestaltung:Mag. Manfred Föger, Dr. Karin Pegoraro, Mag. Jörg Oberwalder, BLU–Pegoraro & PartnerDr. Karel Černy, DI Libuše Černa, Umweltbüro Černy
Grafische Beratung:Helmut Mangott, Grafikwerkstatt
Luftbilder:Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen Wien, Nutzungsgenehmigung Land Tirol
Fotos:Archive BLU und Grafikwerkstatt; G. Mader