Post on 04-Jun-2018
Institut für Geographie Universität Stuttgart
Sommersemester 2001
Seminararbeit zum Thema
Marschen und Küste
Seminar zur Regionalen Geographie: Nordwestdeutschland
Leitung: Dr. Eckhard Wehmeier
Jörg Stürner
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung..............................................................................Seite 3
1.) Lage und Abgrenzung...........................................................Seite 3
2.) Landschaftsgeschichte der Marschen...................................Seite 4
3.) Böden und Vegetation...........................................................Seite 6
4.) Besiedlungsgeschichte.........................................................Seite 10
5.) Die Landwirtschaft der Marschen.........................................Seite 13
6.) Industrie und Gewerbe.........................................................Seite 16 Fazit......................................................................................Seite 17 Literaturverzeichnis..............................................................Seite 17
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Einleitung Die Landschaftseinheiten der Inseln, Watten und Marschen sind ohne Zweifel
geologisch gesehen ausgesprochen jung, reicht ihre Entstehung doch gerade einmal
wenige tausend Jahre zurück. Insbesondere die Watten und Marschen wurden in
ihrer Ausdehnung ganz entscheidend vom Menschen mitgestaltet, indem immer
neue Versuche unternommen wurden, dem Meer Land abzutrotzen.
In dieser Arbeit soll der Marschengürtel und die Küste Nordwestdeutschlands
besprochen werden; dabei wird zunächst auf die naturräumlichen Gegebenheiten
Bezug genommen und im weiteren dann die menschliche Nutzung des Raumes
betrachtet.
1.) Lage und Abgrenzung
Als Marsch (vom germanischen „mariska“ = fruchtbares Schwemmland) bezeichnet
man den der Geest vorgelagerten, ebenen Küstenbereich, der zum Meer hin durch
Deiche abgegrenzt und daher in der Regel vor Überflutungen geschützt ist. Dieser
Marschengürtel hat eine Ausdehnung von etwa 5-20 km und kann seinerseits wieder
unterteilt werden in die deichnahe, etwas höher gelegene junge Marsch und die
binnenseitige, geestnahe alte Marsch.
Häufig findet man am Übergang zur Geest, wo die Holozänbasis auftaucht, neben
den sogenannten Geestrandmooren, deren Eigenschaften und Besonderheiten in
dieser Arbeit keine tragende Rolle besitzen, auch die sogenannte Knickmarsch, die
ihren Namen durch besondere Bodenverhältnisse erhält, wie in einem der folgenden
Kapitel zu entnehmen sein wird.
Eine Sonderstellung unter dem Marschen nehmen die Flussmarschen ein, die an
den großen Ästuarmündungen der Deutschen Bucht einsetzen und so weit landein-
wärts die Ufer säumen, wie etwa der Gezeiteneinfluss reicht. Sie gehen in diesem
Grenzbereich schließlich in die Flussauen über, wo der Grundwasserkörper nur mehr
aus Süßwasser besteht.
Den Deichen vorgelagert findet sich für gewöhnlich noch ein schmaler Streifen
Festland, bestehend aus Salzwiesen, bevor sich der Übergang ins Wattenmeer voll-
zieht. Diesem Bereich wurde bisweilen schon der Name Salzmarsch zugesprochen.
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Innerhalb der Marsch unterscheidet man das Hochland, mit einer absoluten Höhe
von wenigen Metern (~2-4) über NN, vom Sietland, das in den geestnächsten
Bereichen oft nicht einmal mehr Meeresspiegelniveau erreicht.
Im Exkursionsgebiet Niedersachsen lassen sich die Marschen regional in folgende
Einheiten untergliedern:
Die Ems-Weser-Marschen befinden sich als küstenbegleitender Gürtel zwischen den
genannten Ästuarmündungen von Ems und Weser und bezeichnen damit im wesent-
lichen die Marschen Ostfrieslands und des Jeverlandes.
Die Elbe-Wesermarschen säumen dementsprechend die Küste zwischen Weser- und
Elbästuar, allerdings unterbrochen durch einen Geestsporn bei Cuxhaven, der an
dieser Stelle bis an die Küste ragt und den einzigen (Festlands-)Küstenabschnitt
Niedersachsens bildet an dem natürlicherweise Stranddünen vorkommen.
Daneben sind die Flussmarschen der drei wichtigsten Flüsse Ems, Weser und Elbe
zu nennen.
Im folgenden wollen wir uns der Entstehung der Marschen zuwenden.
2.) Landschaftsgeschichte der Marschen Die Geologie und das Relief der Marschlandschaft wären, für sich alleine betrachtet,
recht schnell abgehandelt, sollen aber, da sie nur bei Kenntnis der Landschaftsge-
schichte wirklich verstanden werden können, mit in dieses Kapitel eingearbeitet
werden.
Während des Pleistozäns wurde das Norddeutsche Tiefland mindestens zweimal
vom Inlandeis, das sich von Skandinavien innerhalb der Glaziale ausbreitete,
überformt. Die Vereisung der letzten Kaltzeit (Weichsel-Kaltzeit) reichte indes nicht
mehr bis nach Nordwestdeutschland. Durch die weltweite Absenkung des
Meeresspiegels war zu jener Zeit der gesamte deutsche Nordseeraum landfestes
Periglazialgebiet (STREIF 1990: 60). Erst im Spätglazial der Weichsel-Kaltzeit begann
der Meeresspiegel wieder anzusteigen und erreichte dann im Holozän auch wieder
den Nordseeschelf.
Die bis dahin bestehende Landoberfläche wurde dem Meeresspiegelanstieg gemäß
überflutet und sukzessiv durch holozäne Sedimente überlagert. Deshalb wird diese
alte Oberfläche als Holozänbasis bezeichnet. Sie taucht heute erst in geraumem
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Abstand zur Küstenlinie als Geest an der Oberfläche auf. In ihrem Vorfeld wuchs die
Marsch auf. Mit diesem Vorgang wollen wir uns nun vertraut machen:
Mit der Transgression des Meeres bildeten sich zunächst Vernässungszonen, in
denen Moore entstehen konnten, weshalb die Holozänbasis zunächst einmal von
einer Torfschicht bedeckt ist. Da der Meeresspiegel aber zunächst steil anstieg,
konnten diese Moore in ihrem Wachstum nicht Schritt halten, so dass im weiteren
Verlauf aus Vernässungszonen Flächen mit stehendem Brackwasser wurden und
somit Brackwasserablagerungen aufsedimentiert wurden. Schliesslich gelangten die
Gebiete vollständig unter den Meereseinfluss und erhielten nun marine Sedimente.
Verlangsamte sich der Anstieg des Meeresspiegels, wurde die gesamte eben
geschilderte Abfolge rückläufig, bis wieder die nächste Phase eines starken Meeres-
spiegelanstiegs zu verzeichnen war.
Der Marschuntergrund zeichnet also durch seine Schichtung für uns den Meeres-
spiegelanstieg nach, wie die Abbildung demonstriert:
Abb. 1: Geologie und Sedimentation der Marschen (STREIF 1990, S. 181)
Nun konnte zwischenzeitlich der Meeresspiegel durchaus eine Zeit lang wieder
fallen, das Meer regredierte und die obersten Sedimente fielen so weit trocken, dass
eine Bodenbildung in Gang gesetzt werden konnte. Solche fossilen Horizonte unter
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weiteren marinen Sedimenten, die die nächste Transgression aufschichtete,
bezeichnet man als Dwoghorizonte.
Als geologischer Untergrund der Marschen sind also in der Regel marine Sedimente,
in diesem Fall auch als Schlick bekannt, zu nennen. Allein die Randmoore haben
semi-terrestrische Entstehungsbedingungen zu verzeichnen. Der Schlick der
Marschen varriiert hinsichtlich seiner Korngrößenverteilung zwischen seenaher und
geestnaher Marsch dahingehend, dass sein Tongehalt zur Geest hin häufig die
schluffigen Anteile überwiegt und damit maßgeblich die Bearbeitbarkeit des Bodens
mindert.
Am Relief der Marschen ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht viel erhebendes zu
konstatieren. Die höchsten Erhebungen bilden die vom Menschen aufgetürmten
Deiche, ansonsten ist das Gelände praktisch völlig eben, fällt allerdings von der
jungen zur alten Marsch leicht ab, was darin zu begründen ist, dass die Altmarsch
schon weitaus früher eingedeicht worden war und somit nicht in dem Maße
aufsedimentiert werden konnte; hinzu kommt eine Bodenverdichtung durch eine
Mobilisierung der Feintonkomponenten der Böden. Nicht selten liegen die Alt-
marschen heute unter dem rezenten Meeresspiegel. Weitere Erhebungen im
Gelände gehen allesamt auf menschliche Aufschüttungen zurück, seien es Wurten
oder alte Deichlinien.
Wichtig ist, dass der Prozess der Marschbildung keine heute abgeschlossene Phase
darstellt, sondern dass er unter rein natürlichen Umständen anhalten würde, wären
durch die Deichlinien keine im wesentlichen festgelegten Grenzen gesteckt.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass durch Sturmfluteinbrüche ohne die Deiche
auch natürlicherweise wieder Marschland vom Meer zurückgewonnen würde; zumal
bei anhaltendem Anstieg des Meeresspiegels.
Die Gewinnung von neuem Marschland spielt heute zumindest an der deutschen
Küste nur noch eine untergeordnete Rolle und wird, da wo sie erwünscht ist, durch
die Anlage von Buhnen oder ähnlichen Sedimentfallen forciert.
3.) Böden und Vegetation Ähnlich wie das gesamte Landschaftsbild, sind die natürlichen Bodentypen der
Marschen nicht übermäßig abwechslungsreich.
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Durch den hohen Grundwasserspiegel finden sich überall grundwasserbeeinflußte
Böden, also Gleye. Da man allerdings schon früh damit begann, die Marschen durch
die Anlage von Sielen weitflächig und systematisch zu entwässern, konnte in den
besser zu drainierenden (weil höhergelegenen) Bereichen der Jungmarsch die hohe
potentielle Bodenfruchtbarkeit für landwirtschaftliche Zwecke in Wert gesetzt werden.
Marschböden sind prinzipiell sehr nährstoffreiche, leistungsfähige Böden, deren
Nutzungsgrad aber durch den Wasserhaushalt diktiert wird. Neben den Lößbörden
besitzen jedoch insbesondere die jungen Marschen die höchsten Ertragsmeßzahlen
im Nordwestdeutschen Raum. Dies wird durch Abbildung 2 bestätigt:
Abb. 2: Ertragsmeßzahlen der Böden in Niedersachsen (SEEDORF 1996)
Sind die Horizontabfolgen in Marschböden durch Ah – Go – Gr weitgehend in allen
Bereichen der Marschlandschaft gleich, so ergeben sich in Bodenart, Gefüge und
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chemischen Eigenschaften charakteristische Unterschiede in einer Catena vom
Deichvorland zum Geestrand.
Marschböden sind immer tonige Böden, weshalb in Norddeutschland bezüglich der
Böden auch vom „Marschenklei“ bzw. „Kleiboden“ die Rede ist. Jedoch ist hinsicht-
lich der Bodenart von den küstennahen Marschen zum Geestrand ein Wechsel von
schluffigen Tonböden hin zu fast reinen Tonböden zu verzeichnen. Dies liegt in
erster Linie in der Sedimentation begründet: Die kleinsten Korngrößen konnten bei
Überflutungen am weitesten landeinwärts transportiert werden; größere Fraktionen
mussten derweil schon eher akkumuliert werden.
Bei den chemischen Bodeneigenschaften sind in erster Linie Salz- sowie Kalkgehalt
von Interesse. Logischerweise ist ein Marschboden in seiner Entstehung als vom
Meer beeinflusst anzusehen und daher zunächst salzhaltig. Allerdings geht die
Entsalzung in Marschbereichen, die nur noch sehr selten bis gar nicht mehr über-
flutet werden recht schnell vonstatten. Dabei geschieht der Transport der Salze, wie
in allen humiden Klimaten, von oben nach unten. Marschböden im Deichvorland sind
in der Regel noch häufig genug von Überschwemmungen betroffen, um vollständig
salzhaltig zu sein. Dagegen weisen die Böden der Jungmarsch bereits nur noch
einen salzhaltigen Gr-Horizont auf, da der Grundwasserkörper nur wenige Kilometer
landeinwärts noch nicht aus Süßwasser besteht und somit einer kompletten Entsal-
zung entgegenwirkt. Diese ist in den geestnahen Marschen erreicht.
Nahezu analoge Verhältnisse wie in puncto Salzgehalt, lassen sich für die
Kalkgehalte nachweisen. Dabei dauert die Entkalkung aber wesentlich länger als die
Entsalzung, weshalb in den jüngsten (eingedeichten) Marschböden in der Regel erst
ein minimaler oberflächennaher Bereich entkalkt ist, der mit zunehmender
Entfernung von der Küste allerdings immer weiter anwächst und schließlich am
Geestrand ebenfalls nahezu vollständig entkalkte Böden vorfinden läßt.
In Anlehnung an die oben getroffenen Aussagen können in stark generalisierter
Weise die Marschböden in drei Kategorien eingeteilt werden:
- unreife Seemarsch
- Kalkmarsch
- Knickmarsch
Die unreife Seemarsch ist das jüngste Stadium eines Marschbodens und ist im
Deichvorland zu finden. Sie weist einen durchgehend hohen Salz- wie Kalkgehalt
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auf. Ein reiner Oxidationshorizont lässt sich in der Regel noch nicht finden, vielmehr
ist der obere Bodenbereich sowohl durch Oxidations- als auch Reduktionsprozesse
gekennzeichnet. Nicht selten sind in Profilen der unreifen Seemarsch noch einzelne
Lagen aus Schill, das sind Bruchstücke aus Muschel- und Krebstierschalen, die bei
einer Sturmflut in Massen abgelagert wurden und ein Kalkreservoir darstellen,
enthalten. Die charakteristische Horizontabfolge ist Ah – zGor – zGr.
Kalkmarschen bilden die Böden der jungen Marschen. Sie weisen die von Bodenart,
Gefüge und Chemismus günstigsten Bedingungen aller Marschböden auf. Die
Horizontabfolge lautet Ah – Go – zGr.
Ein typisches Bodenprofil der Kalkmarsch ist untenstehend aufgeführt:
Abb. 3: Kalkmarschprofil (Böden in Niedersachsen, S. 41)
In den Böden der Altmarsch ist die Entkalkung bereits weiter fortgeschritten, was die
Verdichtung des Bodens und somit einer Erschwernis der Bearbeitbarkeit fördert.
Die geestnächsten Bereiche der Altmarsch sind häufig als Knickmarsch entwickelt,
oberflächlich vollständig entkalkten Böden, in deren Unterboden eine verdichtete
Tonschicht, der sogenannte „Knick“, zu finden ist. Dieser kann durch den primär
hohen Tongehalt, sowie einer Verlagerung und Anreicherung nach abgeschlossener
Entkalkung erklärt werden (vgl. dazu Abb. 4).
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Abb. 4: Knickmarschprofil (Böden in Niedersachsen, S. 42)
Die Marschen zeichnen sich heute durch die starke Baumarmut aus, jedoch ist davon
auszugehen, dass auch sie in früheren Zeiten einmal waldbestanden waren. Man
geht davon aus, dass es sich um eine Bewaldung aus feuchtigkeitsliebenden
Gehölzen wie Eschen und Ulmen handelte.
Die Bereiche, die noch in direkter Nachbarschaft zum Meer befindlich sind, tragen
eine zum Meer hin dünner werdende Vegetationsbedeckung aus salzliebenden
(halophytischen) Pflanzen wie Strandflieder und Bottenbinsen.
Die zugehörigen Böden werden häufig als Rohmarsch bezeichnet.
4.) Besiedlungsgeschichte Die Marschen wurden bereits sehr früh besiedelt, zumindest im Teil des Sietlandes
der Altmarschen. Bis zur Zeitenwende waren diese Gebiete wohl kaum von den
Nordseefluten beeinträchtigt und so wurden zunächst Flachsiedlungen angelegt. Mit
dem wieder ansteigenden Meeresspiegel häuften sich die Hochfluten, die bis an die
Siedlungen und darüber hinaus landeinwärts drangen, was die Menschen
veranlasste, sogenannte Warften oder Wurten anzulegen, das heisst man schüttete
runde Flächen mit Marschenklei auf und baute darauf die neue Rundsiedlung auf.
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Dieses Spiel konnte sich mehrmals wiederholen, bis die Methode vom Deichbau
überflüssig gemacht wurde (etwa ab dem 11. Jahrhundert).
Die Aufsicht auf eine Wurtsiedlung zeigt Abbildung 5:
Abb. 5: Grundriss des Wurtendorfes Rysum (SEEDORF 1996)
Im Mittelalter wurde dann dank der Eindeichungen ein größerer Teil an Marsch-
flächen nutzbar, was zur Anlage neuer Siedlungen führte. Dabei wurde der Sied-
lungstyp der Marschhufenfluren aus den Niederlanden „importiert“. Die Hufen dieser
langen Reihensiedlungen mussten dabei großzügiger bemessen werden, als das
übliche Ackerhufenmaß von 7,5 ha hergab, da das zu besiedelnde sumpfige Land
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erst durch Drainage (Anlage von tiefen Gräben und damit verbundener Aufwölbung
der Ackerbeete) nutzbar gemacht werden musste. Die Häuser dieser Siedlungen
reihten sich meist auf alten Deichen auf, weshalb neuere Siedlungen zum Teil auch
den Namen „Deichreihensiedlungen“ bekamen.
Eine zusammenfassende Übersicht sowohl über die Aufschlickungsgeschichte als
auch über die menschliche Besiedelung kann man Abb. 6 entnehmen:
Abb. 6: Aufschlickung und Besiedlungsgeschichte der Marschen (SEEDORF 1996, S.
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Eine völlig andere Siedlungsform entstand an den Sielschleusen des Deiches, d.h.
direkt an der Küste. Hier entstanden die sogenannten Sielhafenorte als kleine
Handels- und Handwerkerzentren und für die Fischerei, denn an diesen Sielen war
eine der wenigen Möglichkeiten an einer Wattenküste mit einem Schiff bis ans
besiedelte Festland heranzufahren.
Teilweise liegen heute solche Sielhafenorte gar nicht mehr an der Küste, so
beispielsweise im Harlinger Land, wo durch die sukzessive Wiedereindeichung der
bei einer Sturmflut verlorenen Harlebucht die Küstenlinie nach dem Entstehen der
Sielhäfen erheblich nach Norden verlegt werden konnte, so dass man an der neuen
Küste ebenfalls einen neuen Sielort gründete.
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5.) Die Landwirtschaft der Marschen Ebenso wie die Marschen sich hinsichtlich ihres Alters und damit ihrer Höhe über
dem Meeresspiegel unterscheiden, so signifikant kann auch ihre Nutzung unter-
schieden werden. Diese steht in starkem Zusammenhang mit den Eigenschaften der
Böden, die wir im vorigen Kapitel kennengelernt haben.
Prinzipiell kann die Marsch in zwei landwirtschaftliche Bereiche eingeteilt werden, die
Ackerbaumarsch und die Grünlandmarsch.
Erstgenannter Bereich ist hauptsächlich an die junge Marsch gebunden, deren
höherliegende Kalkmarschböden einfacher zu drainieren und zu bearbeiten sind. Die
Verbreitung der Ackerbaumarsch kann untenstehender Karte entnommen werden:
Verbreitung der Ackerbaumarsch (SEEDORF 1996, S. 357)
Laut Landwirtschaftszählung in Niedersachsen 1991 stellte sich der Bereich der
Ackerbaumarsch in seiner Struktur wie folgt dar:
Über 44 Prozent der Fläche war Ackerland, immerhin 34 % aber Grünland. Es kann
angenommen werden, dass im Zuge der landwirtschaftlichen Situation in
Deutschland innerhalb der letzten zehn Jahre der Grünlandanteil noch weiter
zugunsten der Ackerflächen zugenommen hat.
Hauptfrucht der Marschflächen ist der Weizen, der fast auf der Hälfte aller Äcker
angebaut wird, als nächste Getreidesorte folgt die Gerste mit einem Anteil von unter
10 Prozent. Verbreitet angebaut wird auch die Rapspflanze, die in den vergangenen
Jahren sicherlich noch einen Zuwachs erfahren haben dürfte (1991: 17,3 %).
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Im selben Größenbereich bewegten sich Mais und sonstige Futterpflanzen.
Weizen47%
sonstiges Getreide
14%
Hackfrüchte3%
Futterpflanzen17%
Brache2%
Raps17%
Ackerbau, Garten- und
Obstbau44%
Grünland (Weide)
35%
Wald, Moor, Heide, Brache,
Wasserfläche13%
Siedlung-, Verkehrs-, Sonstige Fläche
8%
Rinder64%
Schweine29%
Hühner4%
Pferde, Schafe
3%
Abb. 8: Feldfrüchte, Flächennutzung und Viehbesatz in der Ackerbaumarsch Der Viehbesatz der Ackerbaumarsch pro 100 ha Nutzfläche zeigt, dass die
Rinderzucht und Milchwirtschaft vor allem anderen dominiert. Erwähnenswert
ansonsten sind allenfalls noch Schweinemastbetriebe.
An Betriebsgrößen herrschen mittelbäuerliche Betriebe mit über 50 ha
landwirtschaftlicher Nutzfläche vor, was darauf zurückzuführen ist, dass vor der
Einführung der Traktoren jeder Hof mindestens vier Zugpferde gleichzeitig vor den
Pflug spannen musste, um den schweren Boden überhaupt bearbeiten zu können.
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Daher ist verständlich, dass Kleinbetriebe, soweit sie vorhanden sind, eher Grünland-
wirtschaft betreiben.
Die zweite große Einheit, die Grünlandmarsch, bietet ein wesentlich homogeneres
Bild. Über 80 % der Fläche wird als Grünland genutzt, wohingegen die Ackerflächen
weniger als 3 % einnehmen. Auf diesen wenigen Flächen wird zu über 50 % Silomais
als Futterpflanze für die Viehzucht angebaut; zum Vergleich: Früher wurden die
Ackerflächen noch zu rund drei Vierteln mit Getreide bestellt.
Das dominierende Tier ist aber eindeutig das Rind. Mit einem Besatz von fast 240
Tieren pro 100 ha Nutzfläche wird ein geradezu astronomischer Wert erreicht.
Daneben ist auch die Geflügelhaltung stark vertreten (96 Hühner / 100 ha).
Die Betriebsstrukturen hier sind für gewöhnlich kleiner als in der Ackerbaumarsch, da
der Arbeitskräfteeinsatz bei dieser extensiven Landwirtschaftsform im Bezug zur
Nutzfläche erheblich geringer ist.
Einen Überblick über die oben genannten Aspekte bieten folgende Abbildungen:
Abb. 9: Verbreitung der Grünlandmarsch (SEEDORF 1996, S. 359)
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Schw eine3%
Rinder64%
Hühner26%
Pferde, Schafe
7%
Futterpflanzen60%
Raps4%
Kartoffeln1%
Getreide28%
Brache7%
Grünland (Weide)
80%
Ackerbau, Garten- und
Obstbau4%
Siedlung-, Verkehrs-, Sonstige Fläche
9%Wald, Moor, Heide, Brache, Wasserfläche
7%
Abb. 10: Feldfrüchte, Flächennutzung und Viehbesatz in der Grünlandmarsch
6.) Industrie und Gewerbe
Marschen sind traditionell landwirtschaftliches Gebiet, was schon darin dokumentiert
wird, dass die Siedlungs- und Verkehrsflächen weniger als 10 % der Gesamtfläche
ausmacht. Große Städte fehlen fast vollständig, vorrangige Zentren sind Wilhelms-
haven und Emden für die Ems-Wesermarschen, Bremerhaven und Cuxhaven für die
Elbe-Wesermarschen. Auf diese sind wachsende Pendlerströme ausgerichtet, da
hier die außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätze zu finden sind.
Industrie ist allerdings im gesamten Bereich eher kärglich vertreten und steht häufig
in direkten Bezug zu den Häfen der Städte.
Ein Großteil der Arbeitsplätze ist dem Dienstleistungssektor zuzurechnen, die oft in
direktem oder indirektem Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr stehen, der in
den Küstengebieten das höchste wirtschaftliche Potential besitzt.
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Fazit
Durch ihre primär landwirtschaftliche Ausrichtung waren die Marschengebiete über
Jahre hinweg ein Gebiet mit mangelnder Wirtschaftskraft, fehlenden Arbeitsplätzen
und daher starken Bevölkerungsverlusten. Erst mit dem Einsetzen der gezielten
Konzentration auf das Wachstumspotential Tourismus konnte der Trend vermindert,
wenn auch nicht komplett umgekehrt werden. Im Hinblick auf die Dienstleistungs-
gesellschaft, deren Anteile weiter verstärkt werden dürften, sowie in der globalen
Vernetzung durch neue Technologie könnte eine Chance für diese Gebiete liegen.
Mit den nicht mehr zu übersehenden Klimaveränderungen, die der Mensch global
ausgelöst hat und der schleichenden Erwärmung, droht der Landschaft jedoch ein
bis jetzt noch nicht absehbares Unheil: weiter ansteigender Meeresspiegel sowie sich
häufende katastrophale Unwetter- bzw. Sturmflutereignisse drohen, das Leben in der
Marsch zu einem Risiko zu machen.
Es bleibt zu hoffen, dass diese düsteren Zukunftsvisionen eben solche bleiben und
die Marsch das, was sie war und ist: Land am Meer.
Literatur NLfB = NIEDERSÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR BODENFORSCHUNG (1997):
Böden in Niedersachen. Teil 1: Bodeneigenschaften, Bodennutzung und
Bodenschutz. Hannover,127 S.
REINECK, H.-E. (1994): Landschaftsgeschichte und Geologie Ostfrieslands. Ein
Exkursionsführer. Köln. 182 S.
SEEDORF, H. und MEYER, H. (1996): Landeskunde Niedersachsen. Natur- und
Kulturgeschichte eines Bundeslandes. Band I und II. Neumünster. 517 und 896 S.
STREIF, H. (1990): Das ostfriesische Küstengebiet – Nordsee, Inseln, Watten und
Marschen. Sammlung Geologischer Führer 57. Berlin und Stuttgart. 376 S.
TRAUBMANN, W. (1980): Exkursionen in Nordwestdeutschland und den angrenzenden
Gebieten. Kiel, 319 S.