Napoleon und Kant

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Friedrich von Matthisson berichtet in seinen „Erinnerungen" (Wien 1815 Bd. S. 69) über ein Gespräch, das Bonaparte im Jahre 1799 in Lausanne mit dem dortigen Professor Levade hatte, und das sich fast ausschliesslich um Kants Lehre drehte.

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  • Mitteilungen.

    Wie weit die Metaphysik in dieser Weise in der Erkenntnis ihrerObjekte vorzudringen vermag, das lsst sich a priori, durch erkenntnis-theoretische, von der Metaphysik unabhngige und ihr vorangehendeUntersuchungen durchaus nicht bestimmen. Nur die positive Arbeit derMetaphysik an der Lsung ihrer Probleme kann in fortschreitender Ent-wickelung zeigen, wie weit wir das Wesen der Dinge erkennen und dasideale Ziel, welches die metaphysische Forschung sich setzt, erreichenknnen, wo dagegen die Grenzen der Erkenntnis liegen, die \vir nichtberschreiten drfen, wenn wir nicht in subjektive Begriffsdichtung ver-fallen wollen.

    Krakau. Dr. M. Wartenberg.

    Mitteilungen.Napoleon und Kant.

    Friedrich von Matthisson berichtet in seinen Erinnerungen" (Wien1815 Bd. S. 69) ber ein Gesprch, das Bonaparte im Jahre 1799 inLausanne mit dem dortigen Professor Levade hatte, und das sich fast aus-schliesslich um Kants Lehre drehte. Es heisst da:

    Kaum hatte Bonapar t e erfahren, dass er einen Professor vor sichhabe, als er pltzlich mit erhhter Lebhaftigkeit fragte: Was hlt manin der Schweiz von Kants Philosophie?" Die Antwort war: General!wir verstehen sie nicht."

    Mit freudiger Miene und einem leichten Schlage der geballten Handin die offene Linke sagte hierauf Bonapar te : Haben Sie's wohl gehrt,Ber thier? Kant wird liier auch nicht verstanden!"

    Das Rtselhafte dieses Dialogs lst sich durch den kurzen Kommen-tar, dass zu Genf einer der flammenzngigsten Apostel des Weltvveisenvon Knigsberg Himmel und Erde bewegt hatte, um den Feldherrn frdie Geheimnisse der neuen Lehre womglich zu gewinnen. Das Miss-lingen des Plans war unvermeidlich. Der Gelehrte verband mit den vor-zutragenden Skizzen nur schwankende, verworrene und undeutliche Be-griffe. Dem Schler war es um wohlgeordnete, lichtvolle und bestimmteIdeen zu thun. Auch wrde diesem, fr den Moment, wo er als Legionen-fhrer das Schicksal von Europa auf Schlachtfeldern zu entscheiden hatte,ein Gesprch mit den Schatten Polybs , Folards und F r i e d r i c h s un-streitig willkommener gewesen sein, als die Lektionen der Philosophen allerJahrhunderte. So erklrt sich B o n a p a r t e s Freude, einen geistvollenGelehrten anzutreffen, der ihm freimtig erklrte, dass Kan t s Philosophiefr ihn eben so unverstndlich sei, als der umwlkte Lapidarstyl einesgyptischen Obelisken."

    Vorstehende interessante Notiz verdanken wir der freundlichen Mit-teilung von Herrn Dr. J w a n B l o c h in Berlin (vgl. KSt. VI, 125). DieNotiz ergnzt in wertvoller Weise die Mitteilungen, welche im III. Bandeder KSt., S. l ff. ber die Beziehungen Napoleons zur Kantischen Philosophiegemacht worden sind. Die vorstehende Mitteilung bezieht sich auf dasJahr 1799, nach jenen Mitteilungen im III. Bande hat sich Napoleon auchfernerhin trotz der Schwierigkeit der Kantischen Philosophie fr dieselbeinteressiert und sich 1801 von Villers jenen Auszug aus der KantischenPhilosophie machen lassen, der daselbst in franzsischer Sprache mitgeteiltworden ist.

    Wie wir IV, 360 in einem Nachtrag bemerkten, befindet sich einExemplar des historisch interessanten Schriftchens von 1801 auch imVillers'schen Nachlass auf der Hamburger Stadtbibliothek. In demselben

  • 344 Mitteilungen.

    befinden sich noch, worauf wir durch Herrn Dr. Grnewald in Hamburgaufmerksam gemacht worden sind, einige Zeitungsausschnitte, die sich aufdenselben Gegenstand beziehen. So heisst es in der Nummer vom 3. Ok-tober 1801 der Staats- und Gelehrtenzeitung des Hamburger unparthei-isclien Correspondenten": Bonaparte selbst hat durch den Minister desInnern einen Auszug des oben benannten Werkes [des grsseren Werkesvon Villers ber Kant] von dem Verfasser fordern lassen, da er bey denDiscussionen im National-Institute, welche er vor dem 3^ Nivose fleissigbesuchte, nicht mehr erscheint."

    Kant und Schiller.In dem Buche Wirklichkeiten, Beitrge zum Weltverstndnis"

    (Berlin, Emil Felber, 1900) von dem geistvollen Kantianer Kurd Lass-witz ist ein uns besonders anziehendes Kapitel enthalten mit der ber-schrift Kant und Schiller" (341358). Der Verf. behandelt darin denBegriff der Autonomie , den Cardinalbegriff der gesamten KantischenPhilosophie, nicht bloss der Ethik, sondern auch der Erkenntnislehre undder sthetik. Erkenntnis der Natur, Forderung der Sittlichkeit undknstlerische Phantasie als gleichberechtigte Eichtungen eines allgemeinenVernunftgesetzes nachgewiesen zu haben, das als solches die Autonomieder Menschheit verbrgt, das ist die um wlzende That Kants; dadurchgewann er seinen unwiuerstehlichen Einfluss auf das gesamte Zeitbewusst-sein" (343) Den Grundgedanken des Knigsberger Weisen . . . hatSchiller mit dem sichern Griff des Genius formuliert: Bestimme dich ausdir selbst" (343), was L. treffend dahin interpretiert: Bestimme dich ausder Idee der Menschheit" (344). L. charakterisiert in Krze die Au-tonomie der Vernunft auf erkenntnistheoretischem und mpralphilpsophischemGebiete und geht dann ausfhrlicher auf die sthetik ein, in der Kantaus der systematischen Zergliederung der Begriffe auf das lsende Wortkam, das Schiller und Goethe mit Jubel begrssten, weil es sie aus ihrentastenden Versuchen befreite: das Schne hat an sich nichts zu thun mitder Natur und dem Wahren, nichts mit dem Sittlichen und dem Guten.Was es damit zu thun hat, ist zwar eine sehr wichtige Frage, indessen dieKunst hngt mit der Erkenntnis und der Moral nur zusammen, weil esdieselbe Menschheit ist, die nach ihrer eigenen Idee in diesen drei Rich-tungen strebt und sich entwickelt" (347|8). Von besonderein Interesse ist,was L. gegen die bliche Formel, Schiller habe den ethischen RigorismusKants gemildert", ausfhrt (352 ff.). Er will zeigen, dass Schiller nichtdie strenge Fassung des Kantischen Pflichtbegriffes angreift, sondern nurdarber hinaus im wirklichen Menschen nach einem Ausgleich sucht, jenePflichterfllung auszubilden" (354). ber die Begrndung der Moral dachteSeh. ganz ebenso wie Kant. Die bekannten Disticha Gewissensscrupel"und Entscheidung" sind nicht gegen Kant gerichtet, sondern sie per-sifflieren . . . die sinnlose Auslegung" des Kantschen Pflichtbegriffs, als obTugend die Neigung ausschlsse" (356). Und Schiller war nicht bloss mitKant, sondern Kant war auch mit Schiller vllig darin einverstanden, wiemehrfache Aufzeichnungen, besonders aus seinem' Nachlass, mit vollerDeutlichkeit besttigen. Auch abgesehen von diesem Hauptartikel ent-hlt das Buch wie dies ja bei Lasswitz erwartet werden durfte eineganze Reihe, von Stellen, an denen Kantische Gedanken errtert werden.Um seiner flssigen Darstellung willen ist das Buch namentlich auchjenen weiteren Kreisen, die sich fr philosophische Fragen interessieren,sehr zu empfehlen als eine Einfhrung zum -Verstndnis KantischerGeistesart.

    pruck von G. A. Kaemmerer & Co, Halle a. 8.