Nosokomiale Virusinfektionen BadenBaden2013 · Keratokonjunktivitis • Mit dem Besucher –...

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Nosokomiale Virusinfektionen

Dr. med. Daniela HuzlyInstitut fürVirologie

Universitätsklinikum FreiburgAkkreditiert nach DIN EN ISO/IEC 15189DAC-P-0212-03-00

InlandVerband fordert Maßnahmen

Bis zu 100.000 Tote durch Krankenhaus-Infektionen

www.tagesschau.de

Nosokomiale VirusinfektionenUnterschätzt!

• An Ausbrüche in der Umgebung gekoppelt• Hohe Kosten durch

– verlängerte Liegedauer– Desinfektions- und Isolierungsmaßnahmen,– diagnostische Prozeduren

• Im schlimmsten Fall letaler Ausgang • Diagnostizierte Infektionen werden nicht

registriert: fehlende Daten

Hygieneverordnung

• Die Umsetzung der Erfassung und Bewertung von nosokomialen Infektionen und von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen sowie Art und Umfang des Antibiotikaeinsatzes nach § 23 Absatz 4 IfSG hat mit fachlich begründeten standardisierten Verfahren zu erfolgen.

Nosokomiale VirusinfektionenErkennung schwierig

Aus: BILD Zeitung

• Viren nicht Teil der normalen Flora, sondern werden für variable Zeit ausgeschieden durch die, die infiziert sind– Screening würde nichts bringen

• Virusausscheidung beginnt meist vor den Symptomen

• Verlängerte Virusausscheidung bei Immunsuppression möglich

• Längere Inkubationszeit und unterschiedliche Symptome können Verfolgung von Fallketten erschweren

• 5-32% der nosokomialen Infektionen in allen Krankenhäusern – Untersucht vor allem Pädiatrie, alte Daten

• Hohe Kosten durch– verlängerte Liegedauer,– Desinfektions- und Isolierungsmaßnahmen, – Stationsschließungen

Erregerspektrum• Viren, die über Tröpfchen- und

Schmierinfektion übertragen werden– Besondere Gefahr bei umweltresistenten

(unbehüllten) Viren• Viren, die durch unsachgemäßen Gebrauch

von Injektionsbesteck und Multi-Use-Vialsübertragen werden können (Blutübertragene Viren)

• Viren, die durch falsche Desinfektion von Instrumenten übertragen werden (z.B. HPV, Adenoviren)

Erregerspektrum• Viren, die über Tröpfchen- und Kontaktinfektion

übertragen werden– Respiratorische Infektionen: Influenza, RSV,

Parainfluenza, Corona, HMPV, Rhinoviren, Adenoviren, Enteroviren

– Augeninfektionen: Adenoviren– Gastrointestinale Infektionen: Noroviren, Adenoviren,

Rotaviren, Astroviren• Banale Infekte können je nach Grunderkrankung

lebensgefährliche Krankheitsbilder hervorrufen

Wie kommt das Virus in die Klinik?• Mit dem Patienten

– Aufnahmegrund: Diarrhoe, respiratorischer Infekt, Keratokonjunktivitis

• Mit dem Besucher– Erkältungssaison: häufige Quelle!

• Mit dem Personal– Personal mit banalem Infekt ist arbeitsfähig bzw. ist

zu Beginn noch arbeitsfähig• z.B. Influenza, Noroviren: plötzlicher Symptombeginn

Nosokomiale virale Atemwegsinfektionen

Erregerspektrum• Atemwegsinfektion (= Erkältungskrankheit,

grippaler Infekt, Grippe)– Kann obere und untere Atemwege betreffen– Kommen epidemisch gehäuft und überwiegend

in der kalten Jahreshälfte vor– Sind in der Mehrzahl viral

• Influenzaviren, RSV, Parainfluenzaviren, Coronaviren, Adenoviren, HMPV, Picornaviren (Rhinoviren, Enteroviren, Parechoviren) (Bocaviren, neue Polyomaviren...)

Epidemiologie von Atemwegsinfektionen

• „Erkältungskrankheiten“– Vorkommen überwiegend in der kalten

Jahreszeit

AGI Influenza am RKI

Saisonnalität von Atemwegsinfektionen

http://rvdev.medical-dpc.com/inhalte/start.html

Saisonnalität von Atemwegsinfektionen

http://rvdev.medical-dpc.com/inhalte/start.html

Übertragungswege von respiratorischen Viren

• Direkte Tröpfcheninfektion– Übertragung ist in den ersten drei Tagen am stärksten

• Andere Übertragunswege?

Untersuchungen zu Coronaviren

• Ausbrüche– 22 Personen in einem Flugzeug ohne direkten

Kontakt– 13 Personen im selben Stock eines Hotels– >300 Personen in einem Appartmentkomplex

Indirekte Übertragung über Oberflächen, Hände etc.

Oberflächen als Quelle viraler InfektionenErreger Überlebenszeit

Influenzaviren 24-48h auf glatten Ofl., mehrere Tage auf Banknoten

Parainfluenzavirus 10h auf glatten Ofl., 6h auf Kleidung

Adenoviren Über 1 Woche auf Kunststoff

Coronaviren inkl. SARS

Nach 3h Trocknen auf Aluminium, Tupfern, Latexhandschuhen um 70% reduziert; Plastik nach 72h nicht mehr nachweisbar; Nachweis auf Computermäusen, Stühlen, in Fahrstühlen etc.

RSV Nachweis an Handtüchern, Spielsachen, Schürzen

Übertragungswege

Nosokomiale Übertragung von Virusinfektionen

• Besonders häufig auf pädiatrischen Stationen– Umsetzung von Hygieneregeln

schwierig

Übertragung von viralen Atemwegserkrankungen

• Ausscheidung der Viren beginnt schon einige Stunden vor Ausbruch der Erkrankung

• Einige Viren (z.B. Adenoviren, Picornaviren, Coronaviren) werden auch mit dem Stuhl ausgeschieden

• Kinder als „Virusschleuder“• Immunsupprimierte können über Wochen

Viren ausscheiden

Nosokomiale Infektionen durch respiratorische Viren

• Stark unterschätzte Inzidenz– Virusdiagnostik wird nicht durchgeführt

• „...hat ja keine Konsequenz…“• „Ist nicht möglich“• „spielt keine Rolle“ „banale Infekte“

– Werden nicht registriert, selbst wenn sie diagnostiziert werden

• S3-Leitlinie nosokomiale Pneumonien: „vorwiegend ambulant erworbene respiratorischen Virusinfektionen“

DatenlageStudie Ergebnisse

Giannella et Al.Critical Care 2012

105 Intensiv-Patienten auf Influenzaviren untersucht: 31 positiv, davon 15 nosokomial, 11% letal

Marzano et Al. J Med Virol 2013

Cluster von 48 H1N1-Fällen, 3 letal (Leberzirrhose)

Altmann et Al. EID 2012

Pädiatrische Fälle mit H1N1: 2009-2010 11% nosokomial, 2010-2011 23% nosokomial, case-fatalityrate 26%, mehr Komplikationen

Voirin et Al. Siencedirect com 2008

Review der Outbreak Reports. Mortalität zwischen 3 und 13% bei laborbestätigten Influenza-Fällen; Übertragung durch Patienten, Personal, Besucher

Diagnostik viraler Atemwegsinfektionen

Multiplex-Verfahren: PCR zum Nachweis aller bekannten/relevanten respiratorischen Viren

Vorkommen respiratorischer Viren bei stationären Patienten

• 10100 Untersuchungen in 5 Jahren Virologie Freiburg

• Positivitätsrate 35,4%– Kinder bis 12 J: 60,9%– Jugendliche und junge Erwachsene: 29,1%– Erwachsene 25J – 60J: 18,4%– Ältere >60J: 18,8%

Gastrointestinale Infektionen

Gastrointestinale Infektionen

• Erkennung von Infektionsketten einfach• Klassisches Erkrankungsmuster• Kurze Inkubationszeit• Gefürchtet auf Säuglingsstationen

– Rotavirus-Enteritis (blutiger Durchfall, – Erbrechen, Exsiccose)

Gastrointestinale Infektionen

• Übertragungswege– Praktisch immer indirekte Übertragung– Umwelt- und Desinfektionsmittel-resistente Viren

(unbehüllte Viren)– 15 Tage nachweisbar auf Oberflächen

Beispiel Norovirus- Infektion

• Klinik– Plötzlicher, abrupter Beginn– heftiges Erbrechen (Leitsymptom)

– wässriger Durchfall– Übelkeit, Bauchkrämpfe – leichtes Fieber– Kopfschmerzen

Norovirus-Ausscheidung

• RKI-Empfehlung: Isolierung bis zwei Tage nach Beendigung der Symptome

• PCR bleibt lange deutlich positiv, 76% > 7 Tage, Median 2 Wo., unter Immunsuppression Monate – Jahre

• Japanische Studie: Übertragungen möglich, effektive Reduktion nur durch Isolierung während Ausscheidung

Gastrointestinale Infektionen

• Statistische Zusammenhänge bei nosokomialen Ausbrüchen– Waschmöglichkeiten ausserhalb des

Zimmers

– Spielzimmer in der Nähe– Magensonde ohne Handschuhe manipuliert– Medizinstudenten– Wochenende (Personalreduktion)

Diagnostik gastrointestinaler Infektionen

• Stuhlprobe– Bei Infektketten mit Noroviren nur erste

Patienten • Rektalabstrich (Anal-): gleiche Sensitivität• Multiplex-PCR mit Nachweis der 4

häufigsten Gastroenteritis-Erreger, Ergebnis am selben Tag

Datenlage Gastrointestinale Viren

• Zahlreiche Ausbruchsbeschreibungen in verschiedenen Einrichtungen, nicht auf bestimmte Stationen begrenzt

• Noroviren als häufigste Verursacher nosokomialer Gastroenteritiden mit Ausbruchsgeschehen

Vermeidung nosokomialer Virusinfektionen

Definition nosokomial: abhängig von Inkubationszeit

• Influenzaviren, Coronaviren, RSV, Parainfluenza, HMPV, Rhino-/Enteroviren: 1-3 Tage

• Noroviren, Rotaviren: 1-2 Tage• Adenoviren: 8-10 Tage

– Erkennung von Infektketten schwierig, unterschiedliche Symptome möglich

Infektionskontrolle

• Händehygiene– Waschen, Desinfektion, Handschuhe

• Mundschutz– FFP2 -Masken?

• Isolierung, Kohortierung• Registrierung von Patienten und

erkranktem Personal• Flächendesinfektion

Händehygiene - Studien• Normale Händedesinfektionsmittel 30 Sek. bei

behüllten Viren wirksam• Händewaschen bei behüllten Viren (Studie mit H1N1)

mindestens genauso effektiv wie Desinfektion– Wahrscheinlich auch bei unbehüllten Viren – Studie

mit Noroviren• Händehygiene auch im Haushalt effektiv (H1N1,

respiratorische Infektionen allgemein)• Bei unbehüllten Viren (z.B. Rhino/Entero, Adeno,

Rota, Noro) Mittel mit Nachweis der Viruzidie (z.B. 99% Alkohol)

Viruzidie Desinfektionsmittel• Auch behüllte Viren werden nicht von allen

Desinfektionsmitteln ausreichend reduziert– Z.B. quarternäre Ammoniumverbindungen oder

Phenole nicht wirksam bei Coronaviren und entsprechende Surrogatviren

• Povidon-Jod und Chlorhexidin (auch mit Detergenz) nicht ausreichend wirksam

Flächendesinfektion• Umgebung von Patienten mit

respiratorischen Infekten im Umkreis von ca. 2m kontaminiert (Aerosolbildung)

• Effektivität von Flächendesinfektion zur Infektionskontrolle nicht bewiesen

• Aerosolbildung möglich – non-touch

Infektionskontrolle - MaskenSind Masken effektiv gegen Atemwegsinfekte?

Effektivität von Mund-Nasen-Masken gegen respiratorische Infektionen

www.influenzajournal.com

• Keine sauberen, vergleichbaren Studien• Reduktion von Haushaltsinfektionen, wenn Maske

innerhalb von 36h nach Erkrankungsbeginn (zum Schutz) eingesetzt

• Kombination mit Händehygiene• Beobachtungsstudie: Schutz vor SARS

Chirurgische Maske oder N95?

• Einziger sicherer Vorteil der N95: seitlicher Abschluss effektiver (kein Viruseintritt/-austritt)

• Compliance schlechter

Designfehler bei den Studien: Maske als Schutz vor Infektion und nicht zur Verhinderung der ÜbertragungErkrankter mit Mund-Nasen-Schutz sinnvoller?

Influenzavirus Aerosole

Milton et Al, PLOS pathogens 2013• Erkrankter soll Maske tragen• Deutliche Reduktion der großen Tröpfchen• Geringere Reduktion der Aerosole, die relativ

große Mengen anzüchtbares Virus enthalten• Keine Studien zur Effektivität dieser Maßnahme• Zusatzeffekt: Verminderung des Hand-

Mund/Nasen-Kontakts

Kohortierung• Kohortierung effektiv nur in Kombination

mit Handschuh- und Kittelpflege• POCT Teste für Kohortierung mit teils

schlechter Performance im klinischen Setting (Sensitivität und Spezifität unter 80%)

• Infektionskontrollmaßnahmen solange Symptomatik vorliegt

Registrierung

• Im Rahmen von SARS Ausbrüchen einzige bewiesen wirksame Methode: schnelle Diagnose und Registrierung von Fällen

• Überwachung der Hygienemaßnahmen nur über dieses Vorgehen möglich

Influenza bei Krankenhauspersonal

• Je nach Studie bis zu 59% attack rate im Ausbruch

• Empfehlung zur Prävention – Meldung wenn Personen an fieberhaftem Infekt

erkrankt– Diagnostik– Krankschreibung bei Influenzanachweis– Jährliche Impfung

2009: Die „Pandemie“

Wirksamkeit der Influenzaimpfung

• Influenzaimpfung des Personals kann nosokomiale Infektionen reduzieren– Riphagen-Dalhuisen et Al. Eurosurveillance

2013: Nosokomiale Übertragungen auf Stationen mit höherer Durchimpfungsrate signifikant seltener – Studie mit Schwachpunkten

• Hoher Krankenstand in Influenzasaison, die meisten Erkrankten sind Ungeimpfte

Infektionskontrolle Gastrointestinale Infektionen

(unbehüllte Viren)• Handschuhe !!! Desinfektion mit viruzidem

Desinfektionsmittel• Patienten mit Händehygiene vertraut

machen, Schließen des Klodeckels beim Spülen

• Kontaminationen sofort beseitigen, Desinfektion mit Hypochlorit

• Oft Schließung und aggressive Reinigung/Desinfektion notwendig

Zusammenfassung• Sobald Infektionen in der Umgebung

vorkommen, muss mit nosokomialen Infektionen gerechnet werden

• Fälle identifizieren, Krankenhaushygiene informieren, Personal schulen, Patienten schulen

• Influenzaimpfung propagieren• Eine Registrierung nosokomialer

Virusinfektionen wäre wünschenswert

www.uniklinik-freiburg.de/virologie/diagnostik

Deutschland: http://rvdev.medical-dpc.com