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18.06.2015
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10 Gebote
zur Prävention und Gesundheitsförderung
in der Arbeitswelt
Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Scheuch
ZAGS Zentrum für Arbeit und Gesundheit Sachsen GmbH
Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin,
Medizinische Fakultät, TU Dresden
Aufgabe:
Unterstützung Gesundheits- und Arbeitsschutz
Inhalte:
Arbeitsphysiologische, arbeitspsychologische, ergonomische,
organisatorische Beratung
Arbeitsgestaltung
Arbeitsmedizinische Untersuchungen, personalärztliche
Untersuchungen, Wiedereingliederungen, 1. Hilfe
Individueller Schutz, Arbeitseinsatz
Ziele:
Zurückdrängung Berufskrankheiten, (Arbeitsunfälle),
Arbeitsbedingte Erkrankungen
1. Etappe:Arbeitssicherheitsgesetz (1973)
Aufgaben der Betriebsärzte nach §3
1. Etappe:Arbeitssicherheitsgesetz (1973)
Aufgaben der Betriebsärzte nach §3
Detaillierte Vorschriften, klare Verantwortlichkeiten,
Arbeitsbedingte Krankheiten reduzieren
§ 2 Begriffsbestimmung
(1)Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne dieses
Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen
bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
einschließlich Maßnahmen der menschengerechten
Gestaltung der Arbeit.
2. Etappe
Arbeitsschutzgesetz
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2. Etappe
Arbeitsschutzgesetz
Neben Verhüten von Gefahren (nicht Krankheiten!)– präventives Gestalten
Ziel ist
• die Schaffung rechtlich einwandfreier, systematischer und
transparenter Rechtsgrundlagen zur arbeitsmedizinischen
Vorsorge.
• eine Reduzierung arbeitsbedingter Erkrankungen, die heute bei
der arbeitsmedizinischen Vorsorge noch zu wenig Beachtung
finden.
• eine Verzahnung der arbeitsmedizinischen Vorsorge mit
allgemeinen Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge.
• die Stärkung des individuellen Gesundheitsschutzes der
Beschäftigten.
• einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit zu leisten.
3. Etappe Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der
arbeitsmedizinischen Vorsorge 2008 und 2013
3. Etappe Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der
arbeitsmedizinischen Vorsorge 2008 und 2013
Flexibilität und Erweiterung der Aufgaben:Beschäftigungsfähigkeit, Verzahnung,
individuelle Gesundheitsschutz, Autonomie des Arbeitnehmers
Ausschuss für Arbeitsmedizin beim Bundesarbeitsministerium Oktober 2011: Empfehlungen zur psychischen Gesundheit im Betrieb
Aktivitäten DGB und der Einzelgewerkschaften (Gute Arbeit…, Gutachten u.a.)
Aktivitäten der DGUV/Gewerbeaufsichtsbehördepsychische Belastung (z. B. Gefährdungsbeurteilung)
Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) 2013-2018
3. Ziel: Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung
Erklärung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Verbandes der Deutschen Betriebs- und Werksärzte (VDBW) am 09.02.2012 in Salzgitter zur psychischen Belastung
Gemeinsame Erklärung psychische Gesundheit in der Arbeitswelt (09/2013) BMAS, BDA, DGB
Antistressgesetz?
Neue Etappe Arbeits- und Gesundheitsschutz
Psychische Belastung - politisch und medienunterstützt
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Neue Etappe Arbeits- und Gesundheitsschutz
Psychische Belastung - politisch und medienunterstützt
Vollkommen neue Strategien in Arbeit und Gesundheit
Der Entwurf entspricht den Vorgaben des Koalitionsvertrages, mit
einem Präventionsgesetz insbesondere die Gesundheitsförderung und
Prävention in Lebenswelten wie Kindertageseinrichtungen, Schulen,
Betrieben und Pflegeeinrichtungen zu stärken, hierzu die Kooperation
und Koordination der Sozialversicherungsträger sowie der Länder und
Kommunen zu verbessern sowie die Gesundheitsuntersuchungen für
Kinder und Erwachsene fortzuentwickeln.
Neue Etappe Arbeits- und Gesundheitsschutz ?Präventionsgesetz
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Gesundheitsförderung und der Prävention, 20.10.2014
1. Lesung Bundestag 20.03.2015
Quelle: Dtsch Ärzteblatt Jg.111, 2014, Heft 38
Frauen
Attributable Krankheitslast für die zehn
Hauptrisikofaktoren in Deutschland 2010
Quelle: Dtsch Ärzteblatt Jg.111, 2014, Heft 38
Männer
Attributable Krankheitslast für die zehn
Hauptrisikofaktoren in Deutschland 2010
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These 1
Einheit von Prävention und
Gesundheitsförderung
These 2
Einheit und Akzeptanz der Spezifik der Akteure
im abgestimmten System der Prävention und
Gesundheitsförderung
An den Nahtstellen werden Qualität,
Wirksamkeit und Effektivität bestimmt!
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
Besonderer Teil: zu Nr. 3(§11) Absatz 2
• Im Rahmen der Festlegung einheitlicher Handlungsfelder und Kriterien für
Leistungen primärer Prävention und Gesundheitsförderung durch den
Spitzenverband Bund der Krankenkassen ist unabhängiger, insbesondere
gesundheitswissenschaftlicher, ärztlicher, arbeitsmedizinischer, erziehungs-,
sozial-, ernährungs-, sport- und suchtwissenschaftlicher Sachverstand
einzubeziehen.
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Gesundheitsförderung und der Prävention 20.10.2014(Präventionsgesetz – PrävG)
These 3
Einheit von Aktivitäten der Prävention und
Gesundheitsförderung mit Evaluation/Forschung
Ohne „Evidenzbasierung“ stellen sich Prävention und
Gesundheitsförderung selbst in frage.
Bürger, Arbeitnehmer, Arbeitgeber dürfen nicht allein dem
Gesundheitsmarkt ausgeliefert werden!
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
• Sicherstellung der Qualität und die Förderung der Wirksamkeit von
Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung.
Besonderer Teil: zu Nr. 3(§11) Absatz 2
• Der erweiterte Katalog von Kriterien für Qualität, Evaluation,
Messung der Zielerreichung und für Zertifizierungsverfahren dient
der weiteren Vereinheitlichung und der Wirksamkeit der Leistungen.
BMBF: Richtlinie zur Förderung von Forschung und Entwicklung
auf dem Gebiet „Präventive Maßnahmen für die sichere und
gesunde Arbeit von morgen“ vom 16.06.2014
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Gesundheitsförderung und der Prävention(Präventionsgesetz – PrävG)
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Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung von heute und morgen
These 4
Einheit der Orientierung von Prävention und
Gesundheitsförderung auf Gesunde und
Kranke/Leistungseingeschränkte
Gesundheit, Zufriedenheit, Arbeits- und
Leistungsfähigkeit ist für alle!
Polarisierung auf Gesundheit oder Krankheit ist
Diskriminierung menschlicher Fähigkeiten!
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
Pflege
Rehabilitation
Kuration/
Therapie
PräventionArbeit
Rahmen und Mittel für Gesundheitsförderung, Prävention, Rehabilitation, Kuration/Therapie
Prävention und GesundheitsversorgungSoll - Zustand aus Sicht der vorwiegend präventiv
orientierten Arbeitsmedizin
• in der Medizin
• in den Forderungen an die Medizin
• im Betrieblichen Gesundheitsmanagement
Pathologisierung und Medikalisierung harmloser
Befindlichkeitsstörungen
Pathologisierung und Medikalisierung gesellschaftlicher
und individueller Probleme
Pathologisierung und Medikalisierung resilienzfördernder
Faktoren
In Anlehnung an Maier, Präsident der DGPPN, 2013, Diskussion ICD-11 Revision
GefahrThesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
These 5
Einheit von betrieblichem Gesundheitsmanagement
und Arbeitsschutz
Der ASA ist Koordinierungsgremium(?),
zumindest wesentlicher Bestandteil der Aktivitäten
für Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit!
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
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„Verbesserung der Rahmenbedingungen für die
betriebliche Gesundheitsförderung und deren
engere Verknüpfung mit dem Arbeitsschutz.“
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Gesundheitsförderung und der Prävention(Präventionsgesetz – PrävG)
GESUNDHEIT
BRAUCHT „ARBEIT !“
In allen
Lebensalters
-gruppen!
ARBEIT
BRAUCHT GESUNDHEIT!
Bei allen
Gesundheits-
qualitäten von
Körper +Geist
Resolution der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin zur Jahrestagung
Dresden, 2003
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung von heute und morgen
These 6
Einheit von Risikoreduktion und Ressourcenentwicklung
Ibs. in Arbeit ist die Banalität von
Schwarz – Weiß - Zuordnung vorbei!
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgenModell Gesundheitsförderung und Prävention
(Scheuch 1997)
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These 7
Einheit von Gestaltung der Arbeitsanforderungen und der
Bedingungen sowie dem Zugang zum Individuum
Individuum als Objekt und Akteur in der Arbeit beeinflusst
entscheidend die Wirkung/das Vorhandensein von
Risiken und Ressourcen, damit hat es auch das Recht zur
individuellen Beurteilung und Beratung.
Und außerdem: Etwas individuelle Anstrengung braucht
auch die Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit.
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
Arbeitsbedingte Belastungen
- Psychische Belastung (Score)-
Psychische Gesundheit Korrelation (r*) Signifikanz (p-Wert)
Psychische Beschwerden (BFB) .09 .01
Psychische Gesundheit (GHQ-12) .16 .001
Burnout (MBI-GS)
- emotionale Erschöpfung -.02 n.s.
- Depersonalisation (Zynismus) .05 n.s.
- berufliche Leistungsfähigkeit .15 .001
Arbeitsfähigkeit (WAI) -.15 .001
Effort-Reward-Imbalance (ERI-Ratio) .14 .001
* Korrelationskoeffizient nach Spearman
Korrelation zwischen Gefährdungsbeurteilung und psychischer Gesundheit (n= 123 Schulen, 857
Lehrerinnen)
Begründung (Nr. 12, §25)
• Es wird der präventivmedizinischen Erkenntnis Rechnung getragen,
dass eine krankheitsorientierte ärztliche Gesundheitsuntersuchung,
die vorrangig auf die Früherkennung einer bereits eingetretenen
Erkrankung ausgerichtet ist, zu kurz greift.
• Gesundheitliche Risikofaktoren und Belastungen könnten durch
entsprechende primärpräventive Maßnahmen beseitigt oder
vermindert werden.
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Gesundheitsförderung und der Prävention(Präventionsgesetz – PrävG)
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung von heute und morgen
These 8
Einheit der Bewertung „woher kommen wir?“ und „wohin
gehen wir?“ oder „wohin wird mit uns gegangen?“
Ohne Geschichte wird Gegenwart und Zukunft falsch
bewertet!
Retrograde Amnesie führt zur Risikoproduktion!
Falsche Entwicklungsbewertung führt zu lawinenartigen
Katastrophenstrategien!
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
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Quelle: Verändert nach Kern (2009)
8076
26
76
8480
12
28
1980 2006
weiblich männlich
Lebenserwartung
Arbeitsunfähigkeitstage je Pflichtmitglied / Jahr
Meldepflichtige Arbeitsunfälle / 1000
Vollbeschäftigte
Entwicklung arbeitsrelevanter KriterienThesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
These 9
Einheit der Beschäftigung mit „Gutem“ und
„Schlechtem“, mit Risiko und Chancen in unseren
Handlungsfeldern - und das in den tatsächlich
vorhandenen Realitäten.
Das ist eine Grundlage einer wirksamen Prävention und
Gesundheitsförderung!
Und übrigens: Etwas Kult hat auch unsere Arbeit
verdient!
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
Ärger 8. 072 Freude 851
Angst 57. 800 Glück 2.958
Depressionen 70.856 Zufriedenheit 5.701
Verhältnis 14 : 1
Zahl der Publikationen
Quelle: Psychological Abstracts seit 1887 (Myers, 2007)
Das „Negative“ und das „Positive“
in der psychologischen Forschung
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung von heute und morgen
These 10
Einheitlichkeit und Klarheit von verwendeten
Begriffen und Konzepten
Begriffs-Tohuwabohu führt zur
Orientierungslosigkeit und Handlungsverzicht.
Thesen zur Prävention und Gesundheitsförderung
von heute und morgen
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© Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der TU Dresden
Andere Akteure und Wissenschaftsdisziplinenmit Gegenstand „Gesundheit“
Management
Setting Betrieb Medizinisches Versorgungssystem
Gesetz, Verordnung Gesetz, Verordnung
Arbeitgeber Ärzte
Unfallversicherung
Arbeitnehmervertreter
Krankenversicherung
RentenversicherungAndere SV- und
Versicherungsträger
Arbeitnehmer
Sicherheitsfachkraft
Patienten
Arbeitsmedizin
Ökonomie, Effektivität, Flexibilität, Wirksamkeit, Politik
Schnittstellen der Arbeitsmedizin
aufgrund
• wachsender Bedeutung von Gesundheit als Wert, Produktivkraft und Markt in der Gesellschaft,
• der notwendigen Einheit von Prävention und Gesundheitsförderung, Verhaltens- und Verhältnisprävention für Effektivität und Wirksamkeit,
• der Entdeckung der Reserven in Kooperation von kurativen Ärzten und Ärzten in der und für die Arbeit,
• neuer Chancen für chronisch Kranke und Behinderte in einer modernen Wirtschaft
• des steigenden Gesundheitsmarktes als Tummelplatz schwer beweisbarer Unseriosität im lukrativen Betriebsfeld,
• der Schaffung einer evidenzbasierte Prävention und Gesund-heitsförderung.
Wachsende Bedeutung Arbeitsmedizin an
Schnittstelle Gesundheitssystem
aufgrund
• der Bedeutung von Gesundheit als betrieblicher Wettbewerbsfaktor,
• der zunehmenden Notwendigkeit differenzieller Arbeitsgestaltung und eines differenzierten Arbeitseinsatzes der Beschäftigten,
• der Rolle des Individuums in seiner biopsychosozialen Komplexität im Lebensarbeitsprozess,
• des ansteigenden Alters der Beschäftigten,
• Des Zuganges zu sozial unterschiedlichen Gruppen,
• des ständigen Wandels der Arbeit mit neuen Gesundheitsfragen,
• der ständigen Anpassung an Neues mit Risiken und Ressourcen,
• des Wachsens arbeitsbezogener unspezifischer Gesundheitsstörungen,
• der wachsenden Bedeutung selbst produzierter Risiken durch die Arbeitnehmer.
Wachsende Bedeutung Arbeitsmedizin an
Schnittstelle Arbeitssystem