Post on 21-Aug-2019
Rehabilitation bei Patienten mit der (Neben-)Diagnose Demenz
Jochen Heckmann Geriatrische Fachklinik Rheinhessen-Nahe
Landeskrankenhaus (AöR)
Geriatrische Rehabilitation
Kognitive Einschränkungen
Rahmenbedingungen - Studienergebnisse
Modell: Station Tandem
Ergebnisse – Folgen
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Fr. A. 84 Jahre -Multimorbidität • Herzinsuffizienz NYHA II-III
• KHK mit Zn Myokardinfarkten (1999 und 2004)
• Rez. Dekompensationen
• Diabetes mellitus mit PNP, Retinopathie
• Zn Sigmateilresektion bei Sigma Ca 2003
• Drohende Vereinsamung, lebt alleine
• Reaktiv depressive Verstimmung bei Sorge um den Verlust der Selbständigkeit
• 5 Stufen bis zur Wohnung im Wohnblock
• Einziger Sohn lebt in Italien
• 2x/Woche Zugehfrau
• 1x/Woche Pflegedienst zum Baden
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Fr. A., 84 Jahre- Multimorbidität • Schlaganfall
• Hüftgelenksnahe Frakturen
• Totalendoprothesen
• Amputationen
• M.Parkinson
• Diabetes mellitus
• Herzinsuffizienz
• COPD
• Art. Hypertonie
• Demenz
• Mehrfachmedikation
• Herabgesetzte Medikamenten-toleranz
• Häufige Krankenhaus-Behandlung („Drehtüreffekt“)
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Atypische Symptom-
präsen-tation
Krankheit im Alter
Reduzierte Spontan-rekonva-leszenz
Erhöhte Insta-bilität
Fehlende sektorielle
Begrenzung
Unzureich-ende
Unter-stützung
Immobilität
Biographische
Krisen-situation
Verminderte Alltags-
kompetenz
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Die geriatrische Patientin
„Eine geriatrische Patientin ist eine biologisch älterer Patientin ,
• die durch altersbedingte Funktionseinschränkungen bei Erkrankungen akut gefährdet ist
• die zur Multimorbidität neigt,
• bei der ein besonderer Handlungsbedarf rehabilitativ, somato-psychisch und psychosozial besteht.“
• Oder: 80+
Geriatrisches Assessment Multidimensionale Diagnostik (Bio-psychisch-soziales Modell)
• Planung • Kontrolle
• Bewertung von Wechsel-wirkungen
• Erfassung
• Gliederung
• Bewertung
Körper
Psyche
Umwelt
Krankheiten
Behinderungen
Medizinische
Pflegerische
Therapeutische
Soziale
Interventionen
Medizinische
Pflegerische
Therapeutische
Soziale
Interventionen
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• Beeinträchtigung von Aktivitäten
Rehabilitationsbedürftigkeit
• Niedrigschwellige Einschlusskriterien (Stabile Vitalparameter, Belastbarkeit)
• Ausschlusskriterien (Fehlende Belastbarkeit, sehr großer Dekubitus, …)
Rehabilitationsfähigkeit
• die dauerhafte Wiedergewinnung, Verbesserung oder Erhalt der Selbständigkeit bei den alltäglichen Verrichtungen, damit ein langfristiges Verbleiben in der gewünschten Umgebung möglich wird.
• Individuelle Ziele
Alltagsrelevante, realistische Rehabilitationsziele
• Beseitigung/alltagsrelevante Verminderung der Beeinträchtigung der Aktivitäten durch Verbesserung der Selbsthilfefähigkeit erreichbar;
• Kompensationsmöglichkeiten zur Alltagsbewältigung sind mit nachhaltigem Erfolg erlernbar;
• Adaptationsmöglichkeiten, welche die Beeinträchtigungen der Teilhabe vermindern, können erfolgreich eingeleitet werden.
• Individuelle Prognose
Positive Rehabilitationsprognose
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Demenz
Delir Depression
Das dementielle Syndrom, als Folge einer Krankheit des Gehirns, verläuft gewöhnlich chronisch oder fortschreitend unter Beeinträchtigung vieler höherer kortikaler Funktionen einschließlich
Definition ICD 10
Denken Gedächtnis
Orientierung Auffassung
Lernen Rechnen
Urteils-vermögen Sprache
Die kognitiven Beeinträchtigungen sind meist begleitet von Verschlechterung
Dauer der Beschwerden mindestens 6 Monate
Emotionale Kontrolle
Motivation Soziales
Verhalten
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Alzheimer-Demenz 55%
gemischte Demenz
15% vaskuläre
Demenz 10%
Lewy-body Demenz 5-10%
Demenz sonstige 10-15%
Demenzformen
Frontotemporale D., Parkinson, Multisystem Atrophie, Normaldruck Hydrocephalus etc.
Klinische Demenz-Diagnostik (S3-Leitlinie)
Untersuchung
• Anamnese/Fremdanamnese
• Klinische Untersuchung (Depression?)
Neuropsychologische Testung
• MMSE, Uhrentest, Demtect
• CERAD
Ausschlussdiagnostik
• MRT/CT
• Labor: TSH, B12, Elektrolyte, Leber- und Nierenfunktion
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Alzheimer-Demenz
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Alzheimer Krankheit
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Therapie der Demenz
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Die Vision I: Kausale, „Krankheits-modifizierende“ Therapie der Alzheimer-Erkrankung“
Aktive Immunisierung
Transgene Maus
Dale Schenk et al. Nature 1999
Alzheimer-Plaques lösen Sich unter Behandlung (aktive Immunisierung) buchstäblich auf.
1999 2010
Rinne et al.,Lancet Neurol 2010
2011 Immunisierungsstudie Alzheimer Patienten
„Viele Ansatzpunkte, wenig Erfolg bisher“.
Nature 2011
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Psychosoziale Intervention
Medikation
Prävention
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Effektivität früher psychosozialer Beratung in der hausarztbasierten Demenzversorgung
„Belastungsbedingt leiden pflegende Angehörige häufig an depressiven und somatischen Symptomen und haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer Depression zu erkranken.“ Lässt sich durch frühe psychosoziale Beratung und Unterstützung der Betroffenen Familien eine depressive Entwicklung der betreuenden Angehörigen vermeiden?
Hausarztbasierte Demenzversorgung – das Rheinland-Pfälzische Modellprojekt
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23% der Angehörigen zeigten zur Baseline ein depressives Syndrom
Geschke, Fellgiebel et al. 2012
Signifikant mehr Angehörige der Kontrollgruppe zeigten nach 18 Monaten eine Depression.
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Mittelman et al., 1996
Im Mittel 329 Tage spätere Heimeinweisung
bei der Interventionsgruppe.
Psychoedukation
Begriffsverwirrung
Delir
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Durchgangs-syndrom
Psycho-syndrom
HOPS
Post-operatives
Delir
Akuter Verwirrtheits-
zustand
Delir ist ein Notfall
„Wenn bei Fieber Delirium und Dyspnoe
hinzukommen, dann ist der Patient verloren.“
Hippokrates, 460 – 375 v. Chr.
Klinische Kernsymptome Bewusstseinsstörung
Aufmerksamkeitsstörung
Kognitive Störung
Schlafstörung
Wahrnehmungsstörung
Halluzinationen
Wahn
Affektive Störungen
Angst
Wut
Euphorie
Apathie
Psychomotorische Störungen
Hypoaktivität
Hyperaktivität
Erscheinungsformen
Hyperaktives Delir Hypoaktives Delir Gemischtes Delir
- Akute Veränderung kognitiver Fähigkeiten
- Aufmerksamkeitsstörung
+
Wenigstens zwei der
folgenden Symptome:
-Gesteigerte Anzahl an
Bewegungen
-Verlust der Kontrolle über
seine Bewegungen
-Ruhelosigkeit
-Umherwandern
+
Wenigstens zwei der
folgenden Symptome:
-Verminderte Aktivität
-Reduziertes Wahrnehmen
/ Erkennen der Umgebung
-Verlangsamung
-Sprachverarmung und –
verlangsamung
-Apathie /
Teilnahmslosigkeit
+
Sich abwechselnd
zeigende Symptome aus
dem hyper- und
hypoaktiven Delir-Bereich,
die typischerweise im
Tagesverlauf fluktuieren
Folgen • Längere Verweildauer
• Mehr Komplikationen
Folgen
• Höhere Mortalität
• Dauerhafte Verschlechterung der Kognition
• Erhöhte Behandlungskosten
Folgen
• Schlechtere Rehabilitations-Outcomes
• Erhöhte Pflegebedürftigkeit und Umzug in ein Pflegeheim
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Differentialdiagnosen
Delir Demenz Depression
Beginn plötzlich schleichend meist langsam
Tagesschwankungen
stark, nachts
schlechter
kaum
oft abends
besser
Bewußtsein gestört klar Klar
Kognition Desorientiert global gestört meist ungestört
Psychomotorik gesteigert oder
reduziert
meist nicht verändert
eher reduziert
Schlaf-Wach-
Rhythmus
gestört bis zur
Inversion
fragmentierter Schlaf
Früherwachen
Affektivität Angst,
Schreckhaftigkeit
eher depressiv,
Affektinkontinenz
depressiv
Körperliche
Symptome
Tachykardie,
Schwitzen, Tremor
meist keine
meist keine
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Schenkelhalsfraktur
Kognitives Defizit
Rehabilitation?
?????
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Schenkelhalsfraktur
Kognitives Defizit
Rehabilitation
????
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Empfehlungen: Trotz der Heterogenität und der eher eingeschränkten Qualität der Studien
• In der Umsetzung des bio-psycho-sozialen Rehabilitationsmodells zeigen sich auch in der Behandlung der Nebendiagnose Demenz spezifische geriatrische Behandlungsziele, die perspektivisch über die Behandlung der jeweiligen Hauptdiagnose hinausreichen.
• Eine adäquate konsequente Durchführung geriatrischer Assessments bei geriatrischen Patienten mit der Nebendiagnose Demenz muss gesichert werden.
• Die Rehabilitation der Haupterkrankung sollte an die kognitiven Fähigkeiten des Patienten angepasst werden, um bessere Behandlungserfolge zu erzielen.
• Der Rehabilitationserfolg von Patienten mit der Nebendiagnose Demenz kann durch uni- sowie multimodale Therapiemaßnahmen positiv beeinflusst werden.
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• Im Zusammenhang mit geriatrischer Rehabilitation sollte die Behandlung kognitiver Beeinträchtigung mit in den Behandlungskanon aufgenommen werden, unabhängig davon, ob es sich um ein multi- oder unimodales Rehabilitationsprogramm handelt. Dazu sind sowohl Gruppentherapien als auch individuelle Ansätze sinnvoll.
• Für den Umgang mit Demenzpatienten sind Schulungen und regelmäßiges Coaching von Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonal erforderlich.
• Der Übergang vom stationären Rehabilitationsaufenthalt zum Aufenthalt in der
eigenen Wohnung bzw. im Pflegeheim sollte durch Hausbesuche der Therapeuten verbessert werden, bis sich der Rehabilitationserfolg langfristig
stabilisiert hat.
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• Wenn möglich, sollten pflegende Angehörige des
Demenzpatienten aktiv in die Rehabilitation
einbezogen werden, um den Patienten auch zu
Hause bei Übungen unterstützen zu können sowie
selbst Hilfestellung und Wissen über die Krankheiten
des Patienten zu bekommen.
• Der Forschungsstand zu diesem Thema sollte verbessert werden.
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Assessment
Angepasste Therapie
Multimodale Therapieprogramme
Coaching von Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten
Einbeziehung von Angehörigen
Hausbesuche von Therapeuten
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Modell: Station Tandem Geriatrische Fachklinik Rheinhessen-Nahe
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Entwicklung
Konzept
Umsetzung
Daten
Personal-entwicklung
• Freiwilligkeit
• Intensive Schulung
• Ehrenamtliche Alltagsbegleiter
Homogene Patientengruppen
• Tagesstruktur
• Milieugestaltung
• Verbesserte Orientierungs-möglichkeiten
• Farbkonzept
Angehörige
• Schulungspro-gramm
• Selbsthilfegruppe
• Anleitung
Angepasste Therapie
• Bezugstherapeut
• Ressourcen orientiertes Arbeiten
• Therapie auf Station
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Daten
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Patientencharakteristika
Funktionelle Daten
Aufnahme- und Entlaßsituation
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Verweildauer
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44
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Tandem
Lebenssituation: Ende
Allein in
Privatwohnung
Familie/
Partner Wohnheim
Pflege-
heim
Unbekannt,
unklar Gesamt
Lebenssituation:
Beginn
Allein in Privatwohnung N 54 16 0 22 0 92
% 58,7% 17,4% ,0% 23,9% ,0% 100,0%
Familie/Partner N 3 97 0 6 0 106
% 2,8% 91,5% ,0% 5,7% ,0% 100,0%
Andere Station Lebenssituation: Ende
Allein in
Privatwohnung
Familie/
Partner Wohnheim/
Pflege-
hem
Unbekannt,
unklar Gesamt
Lebenssituation:
Beginn
Allein in Privatwohnung N 382 30 9 72 13 506
% 75,5% 5,9% 1,8% 14,2% 2,6% 100,0%
Familie/Partner N 13 537 4 21 4 579
% 2,2% 92,7% ,7% 3,6% ,7% 100,0%
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Schenkelhalsfraktur
Kognitives Defizit
Rehabilitation
• Signifikanter funktioneller
Zugewinn
• Rückkehr nach Hause
• Angehörigenunterstützung
• …
• Es ist daher vielmehr zu fragen, ob es ethisch vertretbar ist, bei Patienten mit der Komorbidität Demenz die Rehabilitationsbehandlung einzuschränken oder zu verweigern,
• wenn es doch das erklärte Ziel der geriatrischen Rehabilitation ist, den Patienten zu einer größeren Selbstständigkeit und gesellschaftlichen Teilhabe zu verhelfen
• Und Patientinnen und Patienten (und ihre Angehörigen) erfolgreich behandelt werden können
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Allianz für Demenz 2014
• Der gesetzliche Vorrang Rehabilitation vor Pflege gilt auch für dementiell Erkrankte
• Ziel ist die Erhaltung bzw. Verbesserung von Kompetenzen mit geeigneten Rehabilitationskonzepten
• Dies können auch mobile Rehabilitationsangebote sein
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Demenz ist anders