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7 Stromrichterschaltungen
7.1 GrundfunktionenStromrichter sind Einrichtungen zum Umformen elektrischer Energie unter Verwendung vonLeistungshalbleitern. Bei der Kupplung von Wechsel- und Gleichstromsystemen ergeben sichhierbei vier Grundfunktionen:
Gleichrichten ist die Umformung vonWechselstromenergie in Gleichstromenergie(Energiefluss vom Wechselstromsystem zumGleichstromsystem).
Wechselrichten ist die Umformung vonGleichstromenergie in Wechselstromenergie.Energiefluss vom Gleichstromsystem zumWechselstromsystem).
Gleichstrom-Umrichten ist die Umformungvon Gleichstromenergie mit gegebenerSpannung und Polarität in Gleichstromener-gie mit anderer Spannung und Polarität. Manspricht vom Gleichspannungswandler bzw.Gleichstrom-Umrichter.
Wechselstrom-Umrichten ist die Umfor-mung von Wechselstromenergie mit gegebe-ner Spannung, Frequenz und Phasenzahl inWechselstromenergie mit anderer Spannung,Frequenz und Phasenzahl Man spricht voneinem Wechsel- bzw. Drehstrom-Umrichter.
Abbildung 7-1 Grundfunktionen der Stromrichter
7.2 Kennzeichnung von StromrichterschaltungenDie Kennzeichnung von Stromrichterschaltungen der Leistungselektronik ist in der DIN IEC971 festgelegt und erfolgt üblicherweise in einer dreistelligen Kombination von Buchstabenund Ziffern.Der erste Buchstabe legt die Schaltungsfamilie fest:
M: MittelpunktschaltungB: BrückenschaltungW: Wechselwegschaltung.
==
Gleichrichter
Wechselrichter
==
Gleichstrom-Umrichter
==
Wechselstrom-Umrichter
98 7 Stromrichterschaltungen
An zweiter Stelle wird die Pulszahl p bzw. die Phasenzahl m bei der Wechselwegschaltungangegeben. Unter Pulszahl versteht man die Anzahl nicht gleichzeitiger Stromübernahmen(Kommutierungen) eines Stromrichters innerhalb einer Netzperiode (p = 1, 2, 3, 6, 12, 18,...).An dritter Stelle wird die Steuerbarkeit in Form eines Buchstabens definiert:
U: ungesteuerte Schaltung (Dioden)H: halb gesteuerte Schaltung (Thyristor für einen, Diode für den anderen Zweig)C: voll gesteuerte Schaltung (Thyristoren).
Um besondere Kennzeichen der Schaltung hervorzuheben, können weitere Buchstaben ange-hängt werden, z. B. F für Freilaufdioden.Als allgemeine Symbole für Stromrichterventile (elektronische Leistungsschalter) werdenverwendet:
ungesteuertes Ventil einschaltbares Ventil ein- und ausschaltbares Ventil
7.3 Einteilung nach der inneren WirkungsweiseStromrichter lassen sich nach der inneren Wirkungsweise, d. h. nach der Art derKommutierung unterteilen. Unter Kommutierung versteht man die Stromübergabe von einemZweig des Stromrichters an den nächsten, wobei während der Kommutierung beide ZweigeStrom führen.Wir unterscheiden bei der Kommutierung zwischen:1. Stromrichter ohne Kommutierung
Halbleiterschalter und Steller für Wechsel- und Drehstrom2. Stromrichter mit natürlicher Kommutierung
beziehen ihre Kommutierungsspannung entweder aus dem speisenden Netz (netzgeführteStromrichter) oder von der Last (lastgeführte Stromrichter). Beide Kommutierungsartenwerden unter dem Oberbegriff fremdgeführte Stromrichter zusammengefasst.
3. Stromrichter mit Zwangskommutierungverfügen beim Einsatz einschaltbarer Ventile über kapazitive Energiespeicher für dieKommutierung oder sie sind mit abschaltbaren Bauelementen (GTO, Transistor) ausgerüs-tet. Der Oberbegriff für Stromrichter mit Zwangskommutierung lautet selbstgeführteStromrichter.
Stromrichter, die Wechselstromenergie in Gleichstromenergie oder umgekehrt umwandeln,lassen sich danach unterscheiden, ob die Kommutierung auf der Wechselstrom- oder Gleich-stromseite erfolgt:
Stromrichter mit wechselstromseitiger Kommutierung arbeiten in der Regel fremdgeführt,Stromrichter mit gleichstromseitiger Kommutierung arbeiten selbstgeführt.
7.5 Mittelpunktschaltung M1 99
7.4 LeistungssteuerverfahrenDie Steuerung der elektrischen Energie erfolgt verlustarm durch den schaltenden Betrieb leis-tungselektronischer Bauelemente. Während für Wechsel- und Drehstromanwendungen dieLeistung durch verzögertes Einschalten der Verbraucherspannung erfolgt, muss bei Gleich-stromanwendungen die Verbraucherspannung periodisch ein- und ausgeschaltet werden (Puls-steuerung).
Bei der Helligkeitssteuerung von Glühlampenund einfachen Antriebsanwendungen wirddie so genannte Phasenanschnittsteuerungangewendet. Durch Änderung des Steuerwin-kels kann die Verbraucherleistung stufenloseingestellt werden.
Die Schwingungspaketsteuerung findet manhäufig bei Temperaturregelungsverfahren. Eswerden nur ganze Sinusschwingungen in un-terschiedlicher Anzahl an den Heizwider-stand gelegt.
Das Prinzip der Pulsbreitensteuerung (PWM)wird heute bei den meisten leistungselektro-nischen Aufgaben angewandt. Die Leistungwird durch Veränderung des Einschaltver-hältnisses gesteuert. Aufgrund der bei allenMaschinen vorhandenen Induktivitäten ist derMotorstrom gegenüber der Spannung geglät-tet. Bei genügend hoher Taktfrequenz lassensich beliebige Stromkurvenformen (Gleich-strom, sinusförmiger Wechselstrom) erzielen.
Abbildung 7-2 Leistungssteuerung bei Gleich- und Wechselstromanwendungen
7.5 Mittelpunktschaltung M1In Abb. 7-3 ist als einfaches Beispiel für eine Gleichrichterschaltung die einpulsige Mittel-punktschaltung M1 dargestellt. Die positive Halbschwingung der sekundären Transformator-spannung uS wird unverzögert auf die Last geschaltet. Die negative Halbschwingung wirddurch die Ventilwirkung der Diode gesperrt.
Durch Anwendung des Maschensatzes nach Gl. (7-1) sind die Spannungsverhältnisse dieserSchaltung beschrieben.
t
u
t
u
Te1T
Te2
Tt
t
i
u
Abbildung 7-3
Ungesteuerte Gleichrichterschaltung M1 mitohmscher Last
T: Transformator zur Spannungsanpassung undPotenzialtrennung
uN
iN
uS ud
id
uVR
T
100 7 Stromrichterschaltungen
(7-1)
Die Ventilspannung uV ist abhängig vom Schaltzustand des Ventils. Die Schaltzustände desVentils werden durch die Stromrichtung bestimmt. Bei ohmscher Last will sich die Strom-richtung proportional zur Netzspannung uS einstellen.
ud: uS 0
uV: 0 uS
uS: > 0 < 0
Abbildung 7-4 Schaltzustände und Spannungen im vereinfachten Schaltbild
Bei einer sinusförmigen Spannung uS gilt für den Gleichspannungsverlauf nach Abb. 7-5folgende Definition:
(7-2)
Man erkennt, dass die Gleichspannung neben einem Gleichanteil (Mittelwert d = UdAV) aucheinen Wechselanteil ud~ enthält, d. h. die Gleichspannung ud ist eine Mischgröße. Eineharmonische Analyse der Gleichspannung ud liefert die Fourierreihe:
ud t U dAV1
n
a cos t b sin t UdAV ud ~ t (7-3)
In Gl. (7-3) ist UdAV der Mittelwert oder Gleichrichtwert. Der Wechselanteil ud~(t) besteht auseiner Reihe von sinusförmigen Schwingungen (Harmonischen) mit den Frequenzen undAmplituden a und b .
a 2T 0
T
ud t cos t d t 10
2
ud t cos t d t (7-4)
Abbildung 7-5
Gleichspannungsverlaufund Mittelwert d derM1-Schaltung
mit uS uSsin tu 0 uS uV ud ud uS uV
ud R
uV
MuS
idud R
id
uV
MuS
0 t Diode leitet : ud uS sin tt 2 Diode sperrt : ud 0
t0 2
Periodendauer
ud ud ûd
7.5 Mittelpunktschaltung M1 101
b 2T 0
T
ud t sin t d t 10
2
ud t sin t d t (7-5)
Man bezeichnet die Anteile, deren Frequenz f mit der Frequenz der Netzspannung überein-stimmt, als Grundschwingung mit der Ordnungszahl = 1. Fasst man die sin- und cos-Anteilegleicher Frequenz zusammen, so erhält man für ud:
(7-6)
Für die Amplitude und Phasenlage der -ten Oberschwingung gilt:
mit ud a2 b2 und arctana
b (7-7)
Den Mittelwert der Gleichspannung UdAV unter Vernachlässigung von Spannungsabfällen amVentil und am Netztransformator bezeichnet man als ideellen Gleichrichtwert Udi. Die ideelleGleichspannung Udi berechnet sich mit der Spannungsdefinition nach Gl. (7-2):
(7-8)
Der Effektivwert UdRMS der Mischspannung ud(t) berechnet sich zu:
(7-9)
Der Gleichspannungseffektivwert UdRMS setzt sich aus dem Mittelwert Udi und einemWechselanteil Udi~ entsprechend Gl. (7-10) zusammen.
Effektivwert U dRMS U di2 U di~
2 (7-10)
Bei ohmscher Last ruft die Gleichspannung ud als Gleichstrom id wiederum einen Mischstrommit dem Gleichanteil id= und dem Wechselanteil id~ nach Gl. (7-11) bzw. Abb. 7-6 hervor.
id id= id~ (7-11)
Ohne vorgeschalteten Transformator wäre der Netzstrom iN ebenfalls eine Mischgröße und dasversorgende Wechselspannungsnetz mit einer Gleichstromkomponente id= belastet. Der in
U di1
2 0uS sin t d t
uS
2cos cos 0
U di
uS 2 U S 0,45 US
UdRMSuS
2
2 0sin2 t d t uS
12
12
tsin 2 t
4 0
UdRMS
uS2
US2
0,707 US
ud t UdAV1
n
ud sin t
Wechselanteil ud~
102 7 Stromrichterschaltungen
Abb. 7-3 vorgeschaltete Transformator T überträgt nur den Wechselanteil id~ (Abb. 7-6). DerEisenkern wird durch den Gleichstrom id= als Magnetisierungsstrom vormagnetisiert. Abb. 7-7zeigt das Ersatzschaltbild der M1-Schaltung mit vorgeschaltetem Transformator (ü = 1).
Der sekundärseitige Gleichanteil id= fließt als Magnetisierungsstrom über die wegen des Eisen-kernes nichtlineare Hauptinduktivität Lh. Abb. 7-8 zeigt den durch id= verlagerten Arbeits-punkt des magnetischen Kreises. Die modellierte Abhängigkeit der differentiellen InduktivitätLh,diff vom Magnetisierungsstrom iμ zeigt Abb. 7-9 [16]. Als Folge des Gleichanteils und derSättigung des magnetischen Kreises ist der Magnetisierungsstrom unsymmetrisch. Abb. 7-10zeigt eine Simulation dieser Schaltung unter Berücksichtigung der vereinfachten Lh-Kennlinienach Abb. 7-9.
Abbildung 7-8 Auswirkung des Gleichstrom-anteiles auf den Arbeitspunkt
Abbildung 7-7
M1-Schaltung mit Netztrans-formator
Strompfad des Gleichanteilsid= durch Lh
B
H
B
~ id=
HArbeitspunkt
Abbildung 7-6
Netzspannung (uN)und -strom (id~)
Der Gleichanteil(id=) wird von einemTransformator nichtübertragen.
t
uNid
id= 2
uN id~
M1id=
id~L 2
Lh
iμ
iN idL 1
uN ud
Abbildung 7-9 Lh-Kennlinie
Lh, diff / H
iμ / A0 1 2-1-2 3
0,2
0,4
0,6
7.5 Mittelpunktschaltung M1 103
7.5.1 Transformator-BauleistungDie Transformator-Bauleistung ST ist als Mittelwert von primärer Scheinleistung S1 und se-kundärer Scheinleistung S2 definiert. Unter der Annahme eines verlustfreien Transformatorsmit einer Primärwicklung 1 und einer Sekundärwicklung 2 erhält man für die Scheinleistungdie Beziehungen:
S1 U 1 I 1 S2 U 2 I 2 U und I sind Effektivwerte
ST
S1 S 22
(7-12)
Bei einem Stromrichtertransformator können die Wicklungsströme Gleichanteile undStromoberschwingungen enthalten.Oberschwingungen und Gleichanteile übertragen keine Wirkleistung, führen aber zuStromwärmeverlusten (I² R) in den Wicklungen.
Primär- und sekundärseitig treten daher unterschiedliche Scheinleistungen auf. Ein Strom-richtertransformator hat deshalb, bezogen auf die ideelle Gleichstromleistung Pd, eine ver-gleichsweise große Bauleistung. Im Falle der M1-Schaltung mit ohmscher Last nach Abb. 7-3erhält man für eine Netzspannung von U1 230 V, einem angenommenen Widerstand von 10und einer Übersetzung von ü = 1 folgende allgemeingültige Aussage:
Aufgrund der ungünstigen Baugröße (ST = 3,09 Pd) und dem Problem der Gleichstrom-vormagnetisierung scheidet die M1-Schaltung für Anwendungen höherer Leistung aus.
Abbildung 7-10
M1-Schaltung mitohmscher Last
Sättigungseinfluss aufden Netzstrom.
iμ: Magnetisierungs-strom
U1 230 V U 2
u22
162,63 V nach Gl. (7-9) und U di
u2 103,54 V nach Gl. (7-8)
analog: I S
U 2
1016,26 A I d
U di
1010,35 A I1 I S~ IS
2 I d2 12,54 A
S1 230 V 12,54 A 2884 VA , S2 230 V 16,26 A 3740 VA mit ST 3312 VA nach Gl. (7-11) und P d Udi I d 1071,6 VA
folgt allgemein : S TPd
3,09
iN uN
i
iS
t
iu
104 7 Stromrichterschaltungen
7.5.2 Kapazitive Last
iC iC cos t mit iC iC 0 C uC (7-13)
Im Nullpunkt ist wegen cos 0 = 1 der Anfangswert des Kondensatorstromes iC(0) gleich demScheitelwert nach Gl. (7-13). Im Idealfall ist die Stromsteilheit in Abb. 7-12 nicht begrenzt. Inder Praxis stets vorkommende Leitungsinduktivitäten (L ) bilden zusammen mit dem Kon-densator C der M1-Schaltung nach Abb. 7-11 einen Reihenschwingkreis. Der Einschaltstromdes Kondensators iC (t 0) bildet eine gedämpfte Schwingung und hat daher eine endlicheSteilheit im Nullpunkt. Die Stromamplitude dieser Schwingung kann durch Gleichsetzung derEnergie des elektrischen und magnetischen Feldes nach Gl. (7-14) berechnet werden.
(7-14)
Für verschwindende Induktivitätswerte L strebt die Schwingungsamplitude îC gegen unend-lich. Bei solchen Schaltungen ist eine Mindestinduktivität im Stromkreis erforderlich um denLadestrom zu begrenzen. Bei Verwendung eines Eingangstransformators ist hierfür dieStreuinduktivität des Transformators maßgebend.
Abbildung 7-12 Kondensatorspannung und -strom, Einfluss von Leitungsinduktivitäten
iC Cd uC d t
Abbildung 7-11 M1-Schaltung mit kapazitiver Last
iN
CuN
uV
iCuC
L
W 12
C uC2 1
2L iL
2 daraus folgt: iL iC uCCL
t
uNiN
0
uC
uNiC
îC
Strom-Eigenschwingung durch L
2
mit uN uN sin tfolgt für uC uN
uC uN sin t
7.5 Mittelpunktschaltung M1 105
Zur Beschreibung einer kapazitiven Glättung mit eingeprägtem Laststrom dient Abb. 7-13. DieLast wird durch eine Konstantstromquelle I0 nachgebildet. Der Kondensator C wird abwechs-elnd geladen und entladen, so dass sich eine Gleichspannung uC nach Abb. 7-14 einstellt.
In Abb. 7-14 ist für 0 < t < t1 die Gleichspannung uC durch die Netzspannung uN bestimmt (Cwird geladen). Im Bereich t1 < t t2 übernimmt der Kondensator C den gesamten Laststromund iN geht gegen Null. Für t > t2 wird C entladen und uC fällt linear ab. Der Spannungsabfallist proportional zu I0 und umgekehrt proportional zur Kapazität C. Sobald uN wieder größer uCist, schaltet sich die Diode ein und C wird geladen (uC = uN).
Abb. 7-15 zeigt die Schaltzustände bei einer kapazitiven Glättung. Mit dem rechten Schaltbildkann die Schwankung der Gleichspannung ud ermittelt werden. Mit einer Konstantstromquelleermittelt man wegen des linearen Spannungsabfalls im Vergleich zu einer ohmschen Last mitihrem exponentiellen Spannungsverlauf eine etwas größere Spannungsdifferenz. Die Schwan-kung der Gleichspannung wird durch die Welligkeit wU nach Gl. (7-15) beschrieben. Darin istUd, der Effektivwert der -ten Oberschwingung
Spannungswelligkeit wU1U d ,
Udi
(7-15)
Abbildung 7-13
Kapazitive Last mit eingeprägtemGleichstrom I0iN
C
K
uN
uV
iCI0
uC
Abbildung 7-14 Strom- und Spannungsverläufe bei der kapazitiven Glättung mit eingeprägtemLaststrom. Es treten unterschiedliche Leitzustände auf.
t1
Stromübernahme
uNiNudiC
iN
ud
t3
t
t
iCuC
uC uN
uN
I0
0
2t2
106 7 Stromrichterschaltungen
laden entladen
K : i 0 iN iC I 0 iN iC I 0
iC Cd uC
d t uC uN
iC I 0 0iC I 0
uC t2 t t3 uC t2I 0C
t t2
Abbildung 7-15 Leitzustände bei der kapazitiven Glättung
7.5.3 Ohmsch-induktive LastMit dem Ansatz des Maschensatzes auf Abb. 7-16 folgt die Differenzialgleichung (7-16):
Die Lösung dieser Differenzialgleichung enthält abhängig vom Widerstandswert R folgendecharakteristische Größen:
Tabelle 7.1 Kennwerte der Stromgleichung
R > 0 R = 0
Strom-Scheitelwert i N
uN
R2 L 2 i N
uN
L
Zeitkonstante LR
Phasenwinkel arctanL
R90°
Abbildung 7-16 Ohmsch-induktive Last
(7-16)
Mit der Lösung für iN:
(7-17)
0 t t2 t 2 t t3
iN
C
K
uN
iCuC
I0
C
K
I0
uC
iC
iN iN sin t sin e
t
uN uNsin t iN R Ld iNd tV1
uL
ud
R
L
uR
iN
uN
7.5 Mittelpunktschaltung M1 107
Bei verschwindend kleinem Widerstand R ist = 90° und = . Gl. (7-17) geht dadurch überin Gl. (7-18). Der Gleichanteil klingt nicht mehr ab und an der Induktivität liegt eine Wechsel-spannung. Für den Netzstrom iN folgt daraus eine Mischgröße.
iN t iN 1 cos t (7-18)
7.5.4 Ohmsch-induktive Last mit Freilaufdiode
Eine Weiterentwicklung der M1-Schaltung stellt die Einführung einer zusätzlichen Diode V2parallel zur Last dar. Man erhält die M1F-Schaltung nach Abb. 7-18. Sobald die NetzspannunguN negative Werte annimmt wird uV2 > 0 wodurch V2 einschaltet und den Laststromübernimmt. Durch die Rückwärtsbelastung sperrt das Netzventil V1 sofort. Der Diodenstromwird dann von der Induktivität L aufrecht erhalten und klingt mit der Zeitkonstanten ab. ZurErmittlung der Ventilspannung uV1 wird die Maschengleichung M aufgestellt. Die Bedingungzur Stromübergabe an die Freilaufdiode ist uV2 > 0.
u 0 uN uV2 daraus folgt: uV2 uN (7-19)
Die Freilaufdiode V2 leitet, sobald die Netzspannung uN negative Werte annimmt.V1 übernimmt den Strom, sobald die Netzspannung positive Werte annimmt.
Die Schaltzustände sind in Abb. 7-19 dargestellt, die Ventilströme zeigt Abb. 7-20.
Die Stromübernahme der Ventile bezeichnet man als Kommutierung.Die Stromübernahme der Ventile ist von der Netzspannung uN geführt, weshalb dieseSchaltung als „netzgeführt“ bezeichnet wird.
Abbildung 7-17
Stromverlauf bei ohmsch-induktiver Last mit einer Diodein Reihe
: Stromflusswinkel
: Phasenwinkel
Abbildung 7-18
Mittelpunktschaltung mit Freilauf-zweig, M1F
uN
iN id
ud
uR
uL
iD
M
uV1
uV2
R
L
t0
2
iNu N
Diode sperrt
iNsin
iNsin
108 7 Stromrichterschaltungen
In Abb.7-20 ist an den Ventilströmen zu erkennen, dass sich die Ventile V1 und V2 von derNetzspannung gesteuert ablösen. Wegen der Vernachlässigung eingangsseitiger Induktivitäten(z. B. durch den vorgeschalteten Transformator) erfolgt die Ventilablösung (Kommutierung)verzögerungsfrei jeweils im Spannungsnulldurchgang der Netzspannung.
7.6 Wechselwegschaltung W1Fügt man antiparallel zur M1-Einwegschaltung ein zweites Ventil hinzu, liegt zusätzlich dienegative Halbschwingung der Spannung uN an der Last. Die Ausgangsspannung uL ist jetzteine Wechselspannung. Zur Steuerung des Energieflusses werden Thyristoren als steuerbare
Abbildung 7-19 Leitzustände der M1F-Schaltung
Abbildung 7-21
Wechselwegschaltung W1 mit ohmscher Last
Beide Ventile werden mit dem gleichen Steuerwinkelbetrieben, d. h. 1 = 2 = .uLRuN
iNV1
uV
1
2V2
V1
V2uN
iN
uN
V1
V2uL uL
id id
ud ud
R R
uN 0, V1 leitet, V2 sperrt
ud uN ,d idd t
0
uN 0, V1 sperrt, V2 leitet
ud 0 , d idd t
0
L L
Abbildung 7-20
Ventilablösung bei der M1-Schaltung
Die Polarität Netzspannung uN steuert dieVentilablösung. Daher wird diese Schaltungals „netzgeführt“ bezeichnet.
Leitet V2, so ist ud = 0 und der Gleichstrom idklingt mit der Zeitkonstanten ab.
iV1
iV2
uN
Ventil-ablösung V2 V1V1 V2
t
t
t
uN > 0 uN < 0 uN > 0
id
t
7.6 Wechselwegschaltung W1 109
Ventile eingesetzt. Die Schaltung nach Abb. 7-21 wird dann als Wechselwegschaltung W1bezeichnet. Die Zündimpulse für V1 und V2 sind um 180° versetzt. Der Steuerwinkel ist aufdie Eingangsspannung uN synchronisiert. Beim Betrieb dieser Schaltung lassen sich zweiVerfahren anwenden.
Durch verzögertes Einschalten mit Einzelimpulsen kann der Effektivwert Lastspannung uLverändert werden. Die Schaltung arbeitet dann als Wechselstromsteller, wie er zumBeispiel als Dimmer zum Einsatz kommt.Durch unverzögertes Einschalten kann die Schaltung zum definierten Einschalten einesWechselstromverbrauchers eingesetzt werden. Diese Anwendung entspricht einem Wech-selstromschalter, z. B. einem „Halbleiter-Relais“ oder „elektronischen Schütz“.
Zum Steuern und Schalten von Drehstromverbrauchern können drei WechselwegschaltungenW1 zu einem Drehstromsteller W3 zusammengeschaltet werden. alle Ventile werden mit demgleichen Steuerwinkel angesteuert, so das ein symmetrisches Drehstromsystem erhaltenbleibt. Der Verbraucher kann in Stern- oder Dreieckschaltung betrieben werden.
7.6.1 Stellerbetrieb mit ohmscher LastAbb. 7-22 zeigt die Ausgangsspannung uL bei Steuerung mit den Winkeln 1 = 2 = Es isterkennbar, dass die Spannungszeitfläche durch zunehmend verzögertes Einschalten kleinerwird. Dieser Zusammenhang wird durch den Effektivwert UL nach Gl. (7-23) beschrieben.Gleichzeitig verschiebt sich die Stromgrundschwingung iN,1, so dass die Schaltung auch beiohmscher Last eine induktive Blindleistung Q1 aus dem Netz bezieht.
Zur Berechnung der Ausgangsspannung UL wird in Abhängigkeit von die Leistung PL imWiderstand R in Abhängigkeit vom Steuerwinkel berechnet.
Wirkleistung : PL1
2 0
2
uL iL d t (7-20)
Definition der Lastspannung uL : 0 t : uL 0
t : uL uN 2UNsin t
Abbildung 7-22
Lastspannung uL und Stromgrundschwingung iN,1bei ohmscher Last
Die ohmsche Last nimmt bei > 0 scheinbar dieGrundschwingungsblindleistung Q1 auf.
1: Phasenverschiebung der Stromgrundschwingung
: Stromflusswinkel
uL
t
1
iN,1
12
ui
110 7 Stromrichterschaltungen
PL 1
R2U N sin t 2 d t mit iL
uLR
PL
2U N2
Rt
2sin 2 t
4
U N2
Rsin 2
2
(7-21)
Für die Leistung im Widerstand R in Abb. 7-23 gilt aber auch
PL I L2 R
U L2
R(7-22)
so dass sich durch Gleichsetzen von G. (7-21) mit Gl. (7-22) für den Effektivwert der Last-spannung UL schließlich schreiben lässt:
U L U N1 sin 2
2(7-23)
Die Steuerkennlinie der Spannung UL zeigt Abb. 7-24.
Abbildung 7-24
Wechselstromsteller
Steuerkennlinie der Ausgangs-spannung UL bezogen auf dieEingangsspannung UN beiohmscher Last.
Abbildung 7-23
Zur Leistungsbetrachtung der W1-Schaltung
Der Wechselstromsteller sei verlustfrei, d. h. PN = PL.
1,0
0° 60° 120° 180°
0,8
0,6
0,4
0,2
U L
U N
uLRuN
iL
PN PL
7.6 Wechselwegschaltung W1 111
7.6.2 Stellerbetrieb mit ohmsch-induktiver Last
In der Praxis ist häufig der ohmsch-induktive Belastungsfall anzutreffen. Man erhält einSchaltbild entsprechend Abb. 7-25.
Es wird in jeder Halbperiode der Netzspannung ein Thyristor angesteuert. Der Strom fließt abdem Steuerwinkel jeweils bis zum natürlichen Stromnulldurchgang. Der Laststrom fließtwährend des Stromflusswinkels (Abb. 7-26).Der Stromflusswinkel ändert sich mit dem Steuerwinkels Damit ist der Effektivwert desLaststromes IN steuerbar. Im Falle einer ohmsch-induktiven Last ist der Steuerbereich fürdurch den Phasenwinkel der R-L-Last jedoch eingeschränkt auf
180° (7-24)
Bei Verminderung des Steuerwinkels auf Werte < bleibt die Zündung des Thyristors fürdie entgegengesetzte Stromrichtung wirkungslos, da der Thyristor für die andereStromrichtung noch leitend ist. Der Netzstrom wird nur mit einer Halbschwingung geführt.Der Thyristor für die zweite Halbschwingung ist erst für t > + steuerbar. Bei denüblichen nadelförmigen Zündimpulsen liegt hier jedoch kein Zündsignal mehr vor.
Abbildung 7-25
Wechselstromsteller mit R-L-Last
Phasenwinkel: arctan LR
Lastzeitkonstante LR
Es gilt: 1 = 2 =
uL
RuN
iNV1
V2
uV
1
2
L
Abbildung 7-26 Strom- und Spannungsverläufe bei ohmsch-induktiver Last
1
iN
uL
t
2ui
=
=
>
112 7 Stromrichterschaltungen
7.6.3 Schaltbetrieb mit ohmsch-induktiver LastBetrachtet wird das Einschalten einer ohmsch-induktiven Last in Abhängigkeit vom Einschalt-zeitpunkt, beschrieben durch den Steuerwinkel . Die Differentialgleichung für den Strom iNnach Gl. (7-16) wird nun unter Berücksichtigung des Steuerwinkels mit Gl. (7-25) gelöst.Die Simulationsrechnung nach Abb. 7-27 zeigt einen Einschaltvorgang mit der natürlichenPhasenverschiebung ( = ) im Vergleich zum Einschaltvorgang im Nulldurchgang derNetzspannung uN ( = 0°). Der Scheitelwert des Stromes iN kann bei einer linearenInduktivität L bis zum zweifachen Wert von îN ansteigen. Der Maximalwert tritt nach einerhalben Periodendauer auf. Der Werte für îN , und sind Tab. 7.1 zu entnehmen.
(7-25)
Abbildung 7-27 Einschaltvorgang, L = konstantoben: mit natürlicher Phasenverschiebung ( = )unten: im Spannungsnulldurchgang der Netzspannung ( = 0°)
0
abklingender GleichanteiliN
uN
iN
uN
u,i
u,i
t
t
=
= 0°
iN iN sin t sin e
t
abklingender Gleichanteil