Post on 24-Oct-2020
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Neuropädiatrie
Teil 2:
-Neuralrohrdefekte / Spina bifida
-Spinale Muskelatrophie
-Muskeldystrophie und andere Muskelerkrankungen
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Neuralrohrdefekte: •Anenzephalus
•Enzephalozele
•Spina bifida aperta (Meningozele, Myelomeningozele)
•Dermalsinus
•Spina bifida occulta
•Inzidenz gesamt: 0,7-0,8/1000
•Hemmungsfehlbildung am 19. – 28. Tag post conceptionem ->Spaltbildung
•Störung 4.-7. Gestationswoche ->MC
•Ursachen: Genetisch, Medikamente, Folsäuremangel, …
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Anenzephalus:
•Fehlen der Schädelkalotte
•Aplasie oder Hypoplasie des Großhirns, Kleinhirns und des Hypothalamus
•Häufig mit dem Leben nicht vereinbar
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Enzephalozele:
•Vorwölbung in der Mittellinie des Schädels
•Meist okzipital
•Können verschiedene Anteile des ZNS enthalten (Meningen, Großhirn, Zerebellum)
•Gelegentlich mit einer Grunderkrankung vergesellschaftet
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Spina bifida aperta:
•Partielle Verschlussstörung des Neuralrohrs mit Ausstülpung Rückenmarksanteilen durch einen Wirbelbogendefekt
•Myelomeningozele (MMC) oder Meningozele (MC) betreffen in 90% den lumbosakralen Bereich, 7% thorakal.
•Meningozele: Vorwölbung einer liquorgefüllten meningealen Aussackung, in der Regel von Haut überzogen, neurologische Ausfälle diskret bis fehlend
•Myelomeningozele: Beinhaltet fehlgebildete Myelonanteile, mehr oder minder ausgeprägte Querschnittsymptomatik mit motorischen und sensiblen Ausfällen und Störungen der Blasen und Mastdarmfunktion
•Gelegentlich nur Klumpfußentwicklung
•In 80 % der Fälle sekundärer Hydrozephalus (Arnold-Chiari-Malformation)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Spina bifida aperta:
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Arnold-Chiari-Malformation:•Bei ca. 80-90% der Patienten mit MMC vorhanden
•Verlagerung der Medulla oblongata, des 4. Ventrikelsund Anteilen des Kleinhirns in das Foramen magnum
•Sekundärer Hydrozephalus durch Abflussbehinderung aus dem 4. Ventrikel
•Ggf. progredienteSymptomatik (Apnoe, Schluckstörung, •Spastik, Muskelschwäche etc.)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Dermalsinus:
•Spaltförmige Öffnung von der Haut bis in den intraspinalen Raum
•Einziehung, Erythem, vermehrte Behaarung
•Gefahr der aszendierenden Infektion
•Operative Sanierung
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Tethered cord:
• Verhindert das Aufsteigen des Conus während des Wachstums
• Verdicktes Filum terminale
• Mögliche Ursachen:LipomDermalsinusMMC
• Verursacht Zug auf dem Rückenmark
• Spinale Symptomatik, Frühsymptom Spastik, Fußdeformität, Störung der Blasen- und Mastdarmfuktion
• Häufig diskrete Zeichen oberhalb der Läsion(vermehrte Behaarung …)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Tethered cord:
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Therapie:
•Tethered cord: Adhäsiolyse wenn möglich und nötig
•MMC: Deckung mit Haut, Lyse von Verwachsungen, Shunt bei Hydrozephalus
•Dermalsinus: Entfernung des Sinus, ggf. Adhäsiolyse
•Vesikulo-renale Probleme: Selbstkatheterisierung, Anti-Reflux-OP, Antibiotikaprophylaxe
•Arnold-Chiari-Malformation: Shunt-Anlage, Dekompression
•Krankengymnastik
•Hilfsmittelversorgung
•Multidisziplinäre Therapie: Kinderarzt, Kinderneurologe, Kindernephrologe, Urologe, Orthopäde, Neurochirurg, Krankengymnastik
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Häufige klinische Auffälligkeiten:
•Spastik
•Gangstörung
•Störung der Sensibilität und Motorik
•Fußdeformitiät / Klumpfüße
•Störung der Blasenfunktion (Blasenentleerunsstörung, Vesiko-ureteralerReflux, HWI, Niereninsuffizienz)
•Störung der Mastdarmfuktion
•Rollstuhlpflichtigkeit (komplette / inkomplette Lähmung)
•Hirndrucksymptomatik
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Spinale Muskelatrophie:
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Spinale Muskelatrophie: Genetik
•Autosomal rezessiv vererbte Erkrankung
•Degeneration der alpha-Motoneurone im Vorderhorn des Rückenmarks,gelegentlich auch der Motoneurone bulbärer Kerne
•Häufigkeit 1:6.000-1:10.000
•Heterozygotenfrequenz 1:60-1:80
•Genetik kompliziert durch Vorhandensein von funktionsarmen Gen-Kopien, deren Anzahl für die Schwere der Erkrankung ausschlaggebend ist
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Spinale Muskelatrophie: Klinik•Generalisierte muskuläre Hypotonie•Proximal betonte symmetrische Muskelschwäche mit Atrophie
Verlaufsformen:
Typ 0: Ateminsuffizienz ab der Geburt, fast keine Spontanmotorik, Tod mit 0-2 Monaten, Gelenkkontrakturen
Typ 1 (Werdnig-Hoffman): Sitzen nicht möglich, Tod mit 1-2 Jahren, leichte Gelenkkontrakturen, Schwäche der Gesichtsmuskulatur, Schluckstörungen, Faszikulieren der Zunge
Typ 2: Sitzen möglich, kann aber nicht stehen, 70% werden älter als 25 Jahre, Fingertremor
Typ 3 (Kugelberg-Welander): Stehen und gehen möglich, Lebenserwartung fast normal, Fingertremor, 40% Begin vor dem 3. Lebensjahr, später Rollstuhpflicht
Typ 4: Krankheitsbeginn nach dem 30. Lebensjahr
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Spinale Muskelatrophie III:
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Spinale Muskelatrophie: Diagnostik
•Hypotones Neugeborenes
•Bei Typ 0 und 1 meist Faszikulationen der Zunge, ggf. des Daumens
•Typ 2 gelegentlich Faszikulationen der Zunge häufig des Daumens
•Normale oder leicht erhöhte CK (Ausschluß Myopathie)
•EMG mit typischem Muster
•Genetik
•Selten notwendig: Muskelbiopsie
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Spinale Muskelatrophie: Therapie
•Symptomatische Therapie (Krankengymnastik, Logopädie, Atemtherapie etc.)
•Keine wirksame medikamentöse Therapie
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Muskeldystrophie Duchenne (DMD):
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Muskeldystrophie Duchenne (DMD):
•Verzögerte motorische Entwicklung (Laufen >18 Monate)
•Progrediente Skelettmuskelschwäche
•Rasche Ermüdbarkeit und motorische Ungeschicklichkeit
•Watschelndes Gangbild
•Hyperlordose, häufig sekundär Skoliose
•Kardiomyopathie möglich und häufig dann progredient
•Mentale Beeinträchtigung häufig
•Hypertrophie der Waden durch Pseudohypertrophie der Muskulatur (Verfettung und Fibrosierung der Muskulatur)
•Ab 7.-9. Lj rasche Progredienz, häufig Kontrakturen (Spitzfuß)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Muskeldystrophie Duchenne (DMD):
•Rollstuhlpflicht meist ab dem 10.-13. Lj
•Nächtliche Hypoventilation
•Tod an der Kardiomyopathie oder der Hyperventilation meist vor dem 20.-25. Lj (bei fehlender Intervention in Form einer Heimbeatmung)
•Deutliche CK-Erhöhung (2.000-20.000 bei Normwert
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Muskeldystrophie Duchenne (DMD):
•X-chromosomal rezessive vererbt
•Progrediente Muskel-Schwäche und Atrophie mit histologisch distinkten Auffälligkeiten und ohne Hinweis auf eine spinale oder peripher nervaleBeteiligung
•1959-60 Serum-CK - Erhöhung bei Patienten und Konduktorinnen
•1978-83 DMD-mapping auf Xp21 (X/A-Translokationen)
•1983-84 BMD und DMD allelisch
•1985 spezifische DNA-Proben, Punktmutationen
•1987-88 cDNA kloniert und sequenziert, Dystrophin
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Gulliaume Benjamin AmandDuchenne de Boulogne(17.9.1806-17.9.1875)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Erb´s Originalzeichnung(Dtsch Z Nervenheilkd 1:13, 1891)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Gowers’ Zeichen
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Muskeldystrophie Typ Duchenne
Serum-CK Werte
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Muskeldystrophie Becker-Kiener (BMD):
•X-Chromosomal rezessiv
•Dystrophin-Mutationen als Ursache der Erkrankung (Wie DMD)
•Beginn der Symptomatik mit etwa 5 Jahren
•Langsamere Progredienz und großen klinische Variabilität
•Wadenhypertrophie
•Muskelkrämpfe, Kontrakturen, Hohlfußbildung
•Gelegentlich mentale Retardierung
•Kardiomyopathie möglich (häufig Lebenslimitierend)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Muskeldystrophien Duchenne Becker
Inzidenz 1:3.500 1:18.000
Symptombeginn 2,4 (2,5)
Gehverlust 8,5 (12)
Tod 15,5 (23)
Dystrophingehalt 20%
Herzbeteiligung häufig (stationär)
häufig (schwerer)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Molekulare Bestandteile der Muskelzellmembran
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Das Dystrophin-Gen
•Genort: Xp21
•Gen: 2 Mio Basenpaare, 79 Exons
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
•Mutationen•Deletionen (60%)•Duplikationen (5-10%)•Punktmutationen/Mikrodeletionen
•Was unterscheidet die Muskeldystrophie Duchenne von der Muskeldystrophie Becker-Kiener?
Das Dystrophin-Gen
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Das Dystrophin-Gen
Leseraster-Theorie (Monaco et al 1988)in frame: Leseraster erhalten: BMD
GIB-MIR-MAL-DEN-TEEGIB-MIR-DEN-TEEGIB-MIR-TEEGIB-TEETEE...
•Drei Basen kodieren für eine Aminosäure
•Deletionen oder Insertionen die den Leserahmen verschieben werden Frame-shift (Leseraster)-Mutationen genannt
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Leseraster-Theorie (Monaco et al 1988)out of frame: Leseraster gestört: DMD
GIB-MIR-MAL-DEN-TEE
GIB-MRM-ALD-ENT-EE
Das Dystrophin-Gen
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Genprodukt: Dystrophin
0,002% des Muskelproteins
5 Unterformen mit eigenen Promotoren werden z.B. in Muskel und Gehirn exprimiert
Das Dystrophin-Protein
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
MuskeldystrophienTherapie
• Krankengymnastik– Kontrakturprophylaxe– Belastung?
• Vermeidung von Immobilisation!
• Orthesen/Hilfsmittel
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
MuskeldystrophienTherapie
•Operationen•WS (>30-40° Cobb)•Extremitätenkontrakturen
•Beatmung
•Medikamente
•(Gentherapie)
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
DuchenneMuskel-
dystrophie
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
Muskeldystrophientherapeutisch eingesetzte Substanzen
• erfolgreich– Prednison (1974)– Deflazacort– Dantrolen (nur CK ↓)– Azathioprin (mindert
lediglich entzündliche Rkt.)
– Cyclophosphamid (kurzer Kraftzugewinn, 2Mo)
– Kreatin ??
• nicht erfolgreich– Vitamine– Allopurinol– Ca-Antagonisten– Superoxid Dismutase– Antiserotoninergika– Leucin– usw.
J. Denecke - Uniklinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin - Rostock
DystrophinopathienHeterozygotie/Konduktorinnen
• 8% milde Symptome (Lyon Hypothese, monozygote Zwillinge unterschiedlich betroffen)
• CK in 45-70% erhöht (abfallend!)
• Muskelbioptisch Dystrophin-Mosaik (fehlendes Mosaik kein Ausschluss!)
• Gonadenmosaike in ca. 20% bei neu aufgetretener DMD, Wiederholungsrisiko bei 7%