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Diversität
KulturKonzepte.
KulturKonzepte.Ein kri�scher Diskussionsbeitrag für die interkulturelle Bildung
Kulturwandel
Kulturverständnis
TrainingsPraxis
Olivia Sarma
Hybridität
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Deba�e
Diversität
KulturKonzepte. Kulturwandel
Kulturverständnis
TrainingsPraxis
Hybridität
KulturKonzepte.Ein kri�scher Diskussionsbeitrag für die interkulturelle Bildung
Olivia Sarma
Frankfurt am Main2012
Vorwort
3
Impressum
HerausgeberDerMagistratderStadtFrankfurtamMainAmtfürmultikulturelleAngelegenheiten
VerfasserinOliviaSarma
RedaktionDr.EvaMariaBlum
FachlicheBegleitungundBeratungClaudiaKhalifa(VerbandbinationalerFamilienundPartnerschaften,iafe.V.,GeschäftsstelleFrankfurtamMain),SabineKriechhammer-Yağmur(ParitätischesBildungswerk-Bundesverbande.V.),Dr.MonaSuhrbier
LayoutHardyKrampertz,FrankfurtamMain
DruckBrühlGmbh,Ranstadt
KontaktStadtFrankfurtamMainAmtfürmultikulturelleAngelegenheitenLangeStr.25–27Tel.069/212-71940Fax069/212-37946
Bestellungene-mail:publikation.amka@stadt-frankfurt.dewww.amka.de
FrankfurtamMainAugust2012©AmtfürmultikulturelleAngelegenheiten
Vorwort
3
In der Personalwirtschaft gilt „InterkulturelleKompetenz“ heutzutage als Schlüsselkompetenz.SiewirdimmermehrbeiStellenausschreibungenverlangt und ist zunehmendeinThemaderAus-und Fortbildung. Interkulturelle Kompetenzenspielen eine Rolle bei verschiedenen Konzeptender Organisationsentwicklung, nicht zuletzt beider Interkulturellen Öffnung von OrganisationenunddemDiversitätsmanagement.
DementsprechendistseiteinigenJahrendieEnt-wicklungeineswachsendenMarktesfürinterkul-turelleBildungs-undTrainingsangebotezubeob-achten.DieAnbieterdieserAngebotebeschreibeneinenzunehmendenBedarf,PersonalsowohlderPrivatwirtschaftalsauchdesöffentlichenDienstesfür Anforderungen zu quali�izieren, die sich auseiner veränderten Zusammensetzung der Bevöl-kerung infolge der Entwicklung Deutschlands zueinerEinwanderungsgesellschaftergeben.
Es ist allerdings festzustellen, dass diese An-gebote überwiegend mit stereotypen Kulturvor-stellungenarbeiten,diedergroßenDynamikundden gesellschaftlichen Prozessen nicht gerechtwerden. Das gilt erst recht für eine internatio-nale Stadt wie Frankfurt, deren Bevölkerung imHinblick aufHerkunft, soziale ZusammensetzungundkulturellePluralitäteineaußerordentlicheDi-versitätaufweist.Dazukommt,dassMobilitätundMigration „nicht nur den >Import< unterschied-licher kultureller Orientierungen, sondern vorallem auch dieWeiterentwicklung undNeuer�in-dungvonKultureninderBegegnungmitAnderen“bedeuten(Vertovec,Römhildet.al.2009:31).MitderVerabschiedungdesIntegrations-undDiversi-
tätskonzepteshatdieStadtFrankfurtamMaindie-senEntwicklungenRechnunggetragenundeinenGrundstein füreine ihnenadäquate Integrations-undVielfaltspolitikgelegt.
Das hier präsentierte Gutachten „Kulturbegrif-fe. Ein kritischer Beitrag für die interkulturelleBildung“, das Olivia Sarma im Auftrag des Amtsfür multikulturelle Angelegenheiten erstellt hat,befasstsichdezidiertmitderFrage,mitwelchemVerständnis von Kultur und welchen adäquatenBegriffen und Konzepten man der komplexenVielfalt im Kontext der interkulturellen Bildunggerechtwerdenkann.DiePublikationrichtetsichinersterLinieanFachleuteausderinterkulturel-lenPraxisundistalsGrundlagenarbeitfürdieEr-arbeitungneuerPraxisansätzegedacht.
HelgaNagelLeiterindesAmtesfürmultikulturelleAngelegen-heiten
Vorwort
Inhalt
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Inhalt
5
Vorwort 3
RedaktionelleEinleitung 6
I.Kultur:Debatten 9
Einführung 9
KulturundAlltagswelt 11
Zusammenfassung 13
VomessentialisierendenKulturbegriffzukulturellerHybridität 14
DerKulturbegriffzwischenWissenschaftundgesellschaftlicherRealität 14
DiedoppelteBedeutungvonKultur 15
Zusammenfassung 17
Kultur:BedeutungundPraxis 17
Zusammenfassung 20
Kultur:ZugehörigkeitundIdentität 20
KulturwandeldurchdiePraxisderkulturellenGrenzüberschreitung 23
Zusammenfassung 27
BeispielFrankfurt:DieGlobalCityundihreSuper-Diversität 28
DieMachtdimensionenvonKultur 30
Der„Westen“undder„Rest“oderwersindeigentlich„dieAnderen“? 30
AusgrenzungsmechanismenundKultur 33
DieVerteidigungdesNationalendurchdenAusschlussdes„Anderen“inderMigrationsgesellschaft 35
ParallelgesellschaftenunddieKonstruktiondermigrantischen„Anderen“ 36
Zusammenfassung 40
KulturelleZwischenräume:EinAusblick 41
II.DasKulturverständnisininterkulturellenTrainings 43
EinekurzehistorischeÜbersicht 43
TheorienundModelle 45
DieKulturstandardsnachAlexanderThomasundihrKulturbegriff 47
DerNutzendes„alten“Kulturverständnisses 49
DasDilemmazwischenHomogenitätundDiversitätininterkulturellenTrainings 51
Inhalt
4
Inhalt
5
III.PerspektivenfürdieTrainingspraxis 52
ImpulsefüreinkritischesKulturverständnisininterkulturellenTrainings 53
TheoretischeImpulsefüreinkomplexesKulturverständnis 53
Erklärungsmuster„Kultur“kritischhinterfragen 54
Re�lexiveInterkulturalität 55
DasProfessionalitätsverständnisinterkulturellerTrainerinnenundTrainer 56
InterkulturelleKon�liktemehrdimensionalbetrachtet 57
Machtasymmetrien 58
Kollektiverfahrungen 59
Fremdbilder 59
DifferenteKulturmuster 60
InterkulturelleKompetenzuntereinermehrdimensionalenPerspektive 61
InterkulturelleKompetenzenimBezugaufMachtasymmetrienundKollektiverfahrungen 61
InterkulturelleKompetenzimBezugaufFremdbilder 61
InterkulturelleKompetenzimBezugaufdifferenteKulturmuster 62
Schlußwort 63
Literatur 65
Einleitung
6
Einleitung
7
Die Expertise „Kulturkonzepte. Ein kritischerBeitragfürdieinterkulturelleBildung“wurdevonderAutorinOliviaSarmaalsGutachtenimAuftragdesAmtesfürmultikulturelleAngelegenheitenderStadtFrankfurtamMain(AmkA)imSommer2012erstellt.
Hintergrund der Beauftragung sind die viel-fältigenAnfragen andasAmkAmit derBitte umInformationenundBeratungzumThemenbereich„Interkulturelle Kompetenz/ Interkulturelle Trai-nings/UmgangmitkulturellerDiversität/Diversi-tätsmanagementusw.“.DieseAnfragenkamenundkommenausdenunterschiedlichstenBerufs-undPraxisfeldern und betreffen hauptsächlich dieQuali�izierung und Fortbildung von Personal u.a.fürunterschiedlicheServicebereichederöffentli-chenVerwaltung,dieSozialarbeit,dieKinder-undJugendarbeit. Sie betreffen aber auch das Per-sonalmanagement und eine interkulturelle bzw.diversitätsbewusstePersonal-undOrganisations-entwicklung.Gefragtwirdu.a.nachKonzeptionen,De�initionen, empfehlenswerten FortbildungenundoftauchnachOrientierungsmaßstäbenange-sichts einer undurchschaubaren Fülle von Ange-botenundAnbieternfürinterkulturelleTrainings,interkulturelle Organisationsentwicklung, zurInterkulturellenÖffnungvonOrganisationenundzumDiversitätsmanagement.
ParallelzudiesemwachsendenMarktgibtesausfachlicherundwissenschaftlicherPerspektiveeinekritischeDiskussionüberKonzepteundAnsätze,dieeinemgroßenTeildieserAngebotezugrundeliegen. Einer der zentralen Kritikpunkte betrifft
einveraltetesKulturverständnis,dasinvielenin-terkulturellen Trainings vermittelt wird und dassuggeriert, man könne interkulturell kompetentarbeiten, wenn man nur über genügend Hinter-grundwissenüber„LandundLeute“verfüge.Kurzgesagt, handelt es sich um Sichtweisen und Kul-turde�initionen,welchediedynamischenProzesseundkulturellenErfahrungendesLebens in einerEinwanderungsgesellschaft nicht adäquat fassenundkeinerleiBezugnehmenaufneuereKonzeptevonKultur,wiesieseitJahrzehntenindenKultur-wissenschaftenentwickeltwerden.
MitderFokussierungaufdasKulturverständnisgreift derhier vorliegendeBeitragnur einenderAspekteauf,diefüreineAktualisierungundWei-terentwicklungvonAnsätzenderinterkulturellenBildung bzw. für die Bildung in der Einwande-rungsgesellschaft relevant sind. Mit der Darstel-lung des aktuellen kulturwissenschaftlichen For-schungsstandessollderersteSchrittaufdemWegeineslängstüberfälligenTheorie-Praxis-Transfersgegangen werden. Die Schwerpunktsetzung aufeine kritische Betrachtung des in der interkul-turellen Praxis gängigen Kulturverständnisseswurdegesetzt,weildieSichtweisevonKulturunddas Verständnis über kulturelle Prozesse jeweilsgrundlegend die für die interkulturelle Arbeitgewählten Arbeitsansätze und Methoden beein-�lussen.
Die Expertise ist als Diskussionsbetrag für dieWeiterentwicklung und Aktualisierung der Bil-dungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaftgedacht und richtet sich in erster Linie an Fach-
RedaktionelleEinleitung
Einleitung
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Einleitung
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leute aus der interkulturellen Praxis, aber auchanalleamThemaInteressierten.IhreErarbeitungwurdefachlichebegleitetundberatenvonClaudiaKhalifa, Sabine Kriechhammer-Yağmur, Dr. MonaSuhrbierundDr.EvaMariaBlum.WeiterhinwurdeerkritischvonProf.ReginaRomhildgegengelesenundkommentiert.
DerersteTeilbefasstsichmitdemWandeldesKulturbegriffs in den Kulturwissenschaften undstellt neue Ansätze der Kulturforschung vor. Derzweite Teil beleuchtet, vor demHintergrund des
ersten, kritisch das gängige Kulturverständnis ininterkulturellenTrainings.DerdritteTeilskizziertdie fachinterne Diskussion über Interkulturalitätund die Vermittlung interkultureller Kompeten-zen,wiesieindenErziehungs-undKommunikati-onswissenschaftenundvonSeitenkritischerTrai-nerinnenundTrainergeführtwird.ImSchlussteilder Expertise werden einige Empfehlungen füreineweiterführendeDiskussionbenannt.
Dr.EvaMariaBlum
I.Kultur:Debatten
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I.Kultur:Debatten
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Kultur:Debatten
In den kultur- und sozialwissenschaftlichenDisziplinengabesindenletztendreiJahrzehntenmaßgebendeEntwicklungeninBezugaufdenKul-turbegriff. Durch globale gesellschaftliche, politi-scheundwirtschaftlicheUmwälzungenundnichtzuletzt durch dieweltweitenMigrationsprozessewurdedieVorstellung,dieWeltseieinMosaikaus voneinander abgeschlossenen und unverän-derbarenKulturen,grundsätzlichinFragegestellt.IneinschlägigenForschungenwurdendieAuswir-kungen der Globalisierung auf lokale Kulturenanalysiert, undkomplexePhänomenedesKul-turwandelsauflokaler,regionaler,nationalerundglobalerEbeneverlangteneingänzlichneuesVer-ständnisvonKultur.ForschungenüberKultur(en)habengezeigt,dasseinstatisches,geschlossenesundholistisches1Kulturverständnis,dasKulturunmittelbar an eine (ethnische oder nationale)Herkunft koppelt, nicht mehr erklärungskräftigist. Denn es begreift Kultur als unveränderlichundterritorialbegrenztundlässtDynamikenundProzessemenschlicherHandlungaußerAcht.DieVorstellung, Menschen hingen wie Marionettenan ihrer Herkunftskultur und würden durch siegesteuert, wurde ad acta gelegt. Stattdessen hat
sich einKulturverständnis durchgesetzt,welchesindenWissenschaftenalsoffenes,dynamisches,prozess- bedeutungs- und/ oder praxisorien-tiertes Kulturverständnis bezeichnet wird. Da-mitsollderTatsacheRechnunggetragenwerden,dass Menschen nicht nur Geschöpfe von Kultur,sondern ebenso Schöpfer sind2, und dass sichinsbesondere durch die transnationale Mobilitätund ihre Vernetzungen in globalisierten Gesell-schaften die Deckungsgleichheit von Mensch,KulturundTerritoriumaufgelösthat.3AktuellewissenschaftlicheKulturdebattenversuchen folg-lich,Kultur innerhalbderkomplexen,sichimmerweiter ausdifferenzierenden und somit höchstheterogenen gesellschaftlichen Zusammenhängezukonzeptionalisieren.
Demgegenüber steht ein Kulturverständnis,welches sich in der politischen und medialenÖffentlichkeit etabliert hat und den öffentlichenDiskurs dominiert. Dieses legt den Menschenauf seine (ethnische, nationale und mittlerweileauch religiöse) Herkunft und Zugehörigkeit fest.Im Bezug auf den Kulturbegriff ist folglich einegroße Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen
I.Kultur:Debatten
Einführung
1verstehtKulturalseineGanzheit2Greverus(1987)
3u.a.Welz(1998)
I.Kultur:Debatten
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I.Kultur:Debatten
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und alltäglichen Diskursen festzustellen, die beiderFragenachderQualität interkulturellerTrai-ningseineentscheidendeRollespielt.DenndieseTrainings, die sich als das entscheidende Formatfür die Vermittlung interkultureller Kompetenzetablierthaben,bildendieSchnittstellezwischender theoretischen Auseinandersetzung mit demKulturbegriff und der praktischen VermittlungvonHandlungskompetenzen in „interkulturellen“(Alltags)Situationen.
Die Kulturanthropologinnen Gertraud Koch4,Mitra Motakef5, Joana Breidenbach und derEthnologe Pál Nyíri6 befassen sich in neuerenArbeitenmitderFrage,welchesKulturverständnisinterkulturellenTrainingszugrundeliegt.Siekom-menzudemSchluss,dassdiewissenschaftlichenKulturdebatten der letzten Jahrzehnte und neuewissenschaftliche Kulturkonzepte bislang kaumEingang indieKonzepteunddiePraxis interkul-turellerTrainingsgefundenhaben.Diesestütztensich im Gegenteil auf Kulturtheorien, die in denKultur- und Sozialwissenschaften längst obsoletgeworden sind. Obwohl in den Erziehungswis-senschaften durchaus eine kritische Auseinan-dersetzung mit Kulturkonzepten im Bereich derinterkulturellen Bildung statt�indet, konstatiertMotakef, dass sich interkulturelle Trainerinnen
undTrainermitihrenKonzeptenweitgehendim-mernochaufeininden1940erund1950erJahreninderethnologischenForschungentwickeltesundmittlerweile längst kritisiertes Kulturverständnisbeziehen würden. Danach wurden Kulturen alsverschiedeneundvoneinanderunabhängigeWegeder Lösung universeller menschlicher ProblemeanverschiedenenOrtenderWeltverstanden7,bzw.alsstabilesSystem,dassowohldieWahrnehmungalsauchdasVerhaltenvonMenschen,diesichin-nerhalb eines de�inierten Territoriums bewegen,determiniert.8 Das heißt, dass innerhalb von Bil-dungskontexten ein Kulturverständnis wirksamist,dassichnichtanwissenschaftlicherAktualitätorientiert, sondern welches das weit verbreiteteaber veraltete Verständnis von Kultur=Herkunftaufgreift und festigt. Inwiefern ein solch ethni-sierter Kulturbegriff problematisch ist, soll imFolgenden erläutert werden. Welche zentralenDiskurse dabei innerhalb der Sozialwissenschaf-ten zu einemParadigmenwechsel geführt haben,wird in den nächsten Kapiteln aufgezeigt. Dabeispielen vor allem die Erweiterung des engenKulturbegriffsaufalltagsweltlichePhänomeneunddieEntwicklungneuerdynamischerKultur-verständnisse und Konzepte des kulturellenWandels und der kulturellen Praxis eine ent-scheidendeRolle.
4Koch(2008)5Motakef(2000)6Breidenbach,Nyíri(2008)7 Ein�lussreiche Ethnologinnen und Ethnologen jener Jahre
wie Margaret Mead und Ruth Benedict entwickelten ihrKulturverständnis auf der Basis ihrer Forschungen u.a. beiverschiedenenVölkernNeuguineas.8NachMotakef(2000),S.95f
I.Kultur:Debatten
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I.Kultur:Debatten
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Der deutsche Kulturbegriff9 schloss lange Zeitalles Technische, Funktionale, Politische undWirtschaftliche aus.10 Bis heute wird er insbe-sondere im Alltagsverständnis häu�ig im SinnevonHochkulturgebrauchtundbeziehtsichdamitvornehmlichaufdenBildungs-undKulturbetrieb.IndiesemGebrauchskontextlässterjedocheinengroßen Bereich menschlichen Handelns außerAcht.11 Die ethnologische und kulturanthropolo-gische Kulturforschung, deren Gegenstand überJahrzehnte hinweg die volkstümlichen Lebens-undDenkweisenunddiedaraushervorgegangenProduktedarstellte,vollzogeineDe�initionserwei-terung,durchdiesieimKulturbegriffalltagskul-turelle Phänomene mit einschloss. Die Frank-furter Kulturanthroplogin Ina Maria GreverusveranschaulichtedassoerweiterteKulturkonzeptimHinblickaufmenschlicheHandlung,sowieesin den Kultur- und Sozialwissenschaften in den1970erJahreentwickeltwurde:WennmanKulturals Werkzeug versinnbildlicht, dann wäre es einWerkzeug,dasdemMenschenhilft, inderNaturzu überleben. Bedürfnisse der Triebbefriedi-gung machen dieses Werkzeug notwendig undbefähigen denMenschen dazu, es zu entwickeln.Es gibt aber nicht nur ein Bedürfnis, die eigeneExistenz zu sichern, sondern auch ein Bedürfnissie gleichermaßen zu gestalten. Die Faszinationfür ästhetisch schöne Gebrauchsgegenstände be-legt,dassderGestaltungswilledesMenschenüberdie Existenzsicherung hinausgeht.12 ArchitekturundDesignzeugendavon,wieschwierigesist,Äs-thetikvonNutzeneindeutigzutrennen.KulturindieserLesartwäresomitdieGestaltungderExis-tenzsicherung. Kultur wurde nunmehr als eineallenMenschengemeinsameFähigkeitverstan-den:IndemMenschenhandeln,erschaffensieKul-tur,undsindsomitSchöpfervonKultur.MitKulturwurdefolglichnichtmehrnuralldasbeschrieben,
wasdas„Notwendige“überschritt,sondernalltäg-licheundgewöhnlichePhänomene.13
U.a.Greverusstellteheraus,dassdieBasisdeskulturellenHandelnsdieSymbolfähigkeitsei.DerMenschstattet seineUmweltmitBedeutungaus.SowirdzumBeispiel imreligiösenKontextWas-serineinemAktderWeihungzuheiligemWasser.DieseBedeutungistdemWassernichtimmanent,sondernentstehtnur inderBeziehung zwischendem Wasser und der Person, die dem WasserBedeutung zuweist. Natürlich macht dieser Pro-zess nur dann Sinn,wenn esMenschen gibt, diediese Bedeutung verstehen können. Es konsti-tuieren sich also symbolische Ordnungen, diein bestimmten räumlichen, zeitlichen und/odersozialen Zusammenhängen entstanden sind unddie von bestimmten Menschen gelesen werdenkönnen. Das erweiterte Kulturverständnis bezogsichalsonichtnuraufdieindividuelleExistenzsi-cherung, sondern auf Gemeinschaften, Kollektiveoder Gruppen. Der Soziologe Stuart Hall schriebzumBeispielüberdieKunst:„SogardieKunst(...)erfährteineNeubestimmung.Siegiltnurnochalseine,wennauchbesondereFormdesallgemeinengesellschaftlichenProzesses:derSinnstiftungundder allmählichenAusbildung eines gemeinsamenBedeutungsfundus, einer gemeinsamen Kultur.“14Der„allgemeinegesellschaftlicheProzess“bestehtinderGestaltungeinergemeinsamenKultur,diemit dem Bedürfnis und der Notwendigkeit, sichin Gruppen zusammen zu schließen, zusammen-hängt.HierwirdKulturzueinerdieMenscheninunterscheidbare Kulturen ausdifferenzierendenKategorie. Die Ethnologie wandte entsprechendihreBemühungenlangeZeit„fremden“kulturellenOrdnungen (= “fremdenKulturen“) zu,die sie zuentziffernsuchte.
KulturundAlltagswelt
9Es gibt imBezug auf die Kulturdebatten unterschiedlichesprachlicheundnationaleBegriffskontexte.DerKulturbegriffweistz.B.indenUSA,inEnglandundimlateinamerikanischenRaumandereVerwendungskontexteundBegriffsgeschichtenauf,diehiernichtweiterausgeführtwerden.
10Elias(1997)11Greverus(1987:57)12Ebd.13Ebd.14Hall(1999)
I.Kultur:Debatten
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I.Kultur:Debatten
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DiehistorischeBetrachtungkulturellerOrdnun-genbrachtedieErkenntnis,dassdieseüberliefertwerdenund somit vonnachkommendenGenera-tionen erlernbar sind. Der Mensch ist also nichtnur Schöpfer, sondern auchGeschöpf vonKultur.Bemerkenswertist,dasssichdarauseininderGe-sellschaft weit verbreitetes Verständnis etablierthat, welches Kultur als ein übergeordnetes undHandlung bestimmendes Gebilde versteht undwelchesdenBlickaufdenMenschenalsSchöpfervon Kultur verdrängt hat. Denn es wurde nichtberücksichtigt,dassimProzessderÜberlieferungkultureller Praxen und Bedeutungen, sich diesedurchAneignungs-undInterpretationspraxenverändern.DerFokusaufdenMenschenalsun-weigerlichesGeschöpfderKulturhatsichmitgro-ßerWirkung durchgesetzt. Enkulturation ist derBegriff,derdenProzessbeschreibt,durchdeneinMensch in die kulturelle Ordnung seiner Gesell-schafteingefügtwird.DerAnthropologeMelvilleJ.Herskovitsde�inierteinden1970erJahrenKulturwiefolgt:„Kultur kann objektivwie von einemReisenden,
dereinVolkbesucht,dessenLebensweisenvonsei-neneigenenabweichen,alseineAnsammlunginsti-tutionalisierter Verhaltensweisen gesehen werden,dieihm,wennersiekennenlernt,erlauben,wahrzu-nehmen,wieeinMitgliedderbesuchtenGesellschaftineinergegebenenSituationreagierenwird.DennKultur reguliert die Beziehungen jedes MitgliedsderGesellschaft zu den anderen; sie verordnet dieWeltsicht,dieeinVolkhat; sieordnet ihreästheti-schen Befriedigungen. Sie bestimmt Weisen, nachdenensieZeitundRaumwahrnehmenunddaraufreagieren; sie gibt jedem Menschen die ethischenNormen,nachdenenerseineeigeneLebensführung
bestimmt und diejenige anderer beurteilt. Es gibtbuchstäblichkeinenMoment indemLebendes In-dividuums, in demderEin�luss seinerKulturnichtvorhandenist.“15
Das Zitat beschreibt zwei zentrale Annahmen,dieimerweitertenKulturbegriffderEthnowissen-schaftenentstandensind:(1)DieKulturlegtsämt-licheHandlungen, Sichtweisen, Beziehungen undVorstellungenderAngehörigendieserKulturfest.MannenntdiesesVerständniskulturdeterminis-tisch.(2)SämtlicheVerhaltensformenkönnennurin ihren eigenen kulturellen Zusammenhängenbetrachtet werden. Dieses kulturrelativistischeVerständnis lehnt es ab, kulturelle Phänomeneallein anhand des eigenen kulturell geprägtenBlickwinkelsdesBetrachters(=Ethnozentrismus)zuinterpretieren.
Die kulturdeterministische Sichtweise istauffällig,wennüberMigrantinnenundMigranteninDeutschlandgesprochenwird.16Besonderspro-blematischindenderzeitigenMigrationsdebattenistdieFestsschreibungaufdieethnischeHerkunft,die als kulturelle Folie für die Erklärung sämtli-chenVerhaltensherangezogenwird.Einepersön-licheErfahrungderAutorinineinemMalereikursveranschaulichtdievonderDozentindesKurseseingenommene kulturdeterministische Sichtwei-se.DiesebehauptetenachderBegutachtungmei-nerErgebnisse,mankönneanhandderFarbwahlaufmeineHerkunft schließen.Auf die Fragehin,welcheHerkunftmandenndarinsähe,antworte-te siemit einer amüsiertenGewissheit: „Na, ihrelateinamerikanischeHerkunft!“.Nichtnur,dasssieanhandmeinesNamensundmeinesAussehensei-
15Herskovits(1973)S.75f,zit.inGreverus(1987)S.75f16Mit dem Begriff des „Migranten“, genau wie mit den Be-griffen Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten werden inMigrationsdiskursen Menschen in bestimmte Gruppen ka-tegorisiert. ImKontext der interkulturellenBildungwerdensie häu�ig verwendet und dabei selten ktitisch hinterfragt.Dennoch sind diese Bezeichnungen problematisch. DerBegriff „Migrant“ be�indet sich in einem komplizierten FeldderAushandlungüberZugehörigkeitsverhältnisseinderGe-sellschaft.EristeinBegriffinnerhalbeinespolitisiertenundideologisertenDiskuses,indemMenschenanhandnormativerKriterienvoneinanderunterschiedenwerden.Ineinemspäte-
renKapitelwirddieseProblematikkonkretisiert.Es besteht stets die Gefahr, durch die Verwendung dieser(Gruppen)BezeichnungbestimmteKategorienundZuschrei-bungen zu reproduzieren. Obwohl sie der LeserlichkeithalbernichtinAnführungsstrichegesetztsind,sollensiealsveränderbare Konstrukte gelesenwerden, die nicht einfachnatürliche oder objektive Gegebenheiten bezeichnen, son-dern innerhalb verschiedenerAushandlungs-,Abgrenzungs-undBenennungspraxenentstandensind.Dabeiisteswichtigihre Bedeutungen und Funktionen sowohl als Instrumenteder Ausgrenzung als auch der Selbstbehauptung (oder desEmpowerment)zuverstehen.
I.Kultur:Debatten
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nenfalschenSchlussaufmeinefamiliäreHerkunftzog, die nicht lateinamerikanisch ist; sie begrün-dete die von mir getroffene Farbwahl mit einervermeintlichethnischenHerkunftundentzogmirsomit meine individuellen Entscheidungskompe-tenzen für Farben. Die Farbwahl der Kommilito-ninnen, die keinen sichtbaren Migrationshinter-grund aufwiesen, hatte selbstverständlich nichtsmit „ihrerKultur“ zu tun.EinharmlosesBeispielkulturdeterministischer Perspektiven. Nicht ganzsoharmlossinddieDebatten,indenen„derkrimi-nellejugendlicheAusländer“oder„dieIntegrationverweigerndenMigranten“ zu stereotypen Nega-tivbildernderEinwanderungsgesellschaftwerden.AktuellhatdieSarrazin-Debattegezeigt,inwieweitdie Annahme in Deutschland verbreitet ist, dassMenschennicht-deutscherHerkunftunweigerlichderLogikihrerHerkunftskulturfolgen,ohnedassihnenindividuelleGestaltungsmöglichkeitenzuge-standenwerden.
Der kulturrelativistischen Sichtweise liegteine grundsätzlich wertfreie Haltung gegenüberkulturellen Differenzen zugrunde. Sie begründetsich in den Anfängen der ethnologischen Feld-forschungen Anfang des 20. Jahrhunderts. An-thropologinnenundAnthropologenwieMargaretMeadverstandenKulturenals eigenständigeundvoneinanderunabhängigeGebilde,dienurinihreneigenenhistorischenundnormativenZusammen-hängen erklär- und messbar schienen. In seinerradikalsten Form stellt der Kulturrelativismusalle Universalismen in Frage. Darunter fällt zumBeispiel auch die allgemeine Gültigkeit der vonden Vereinten Nationen de�inierten AllgemeinenMenschenrechte.17 Menschenrechtsverletzungensind kulturrelativistisch gesehen nicht generellalssolchezuverurteilen,sondernjeweilsinihremkulturellenKontextzuinterpretieren.18
Der Kulturbegriff wird von seinem starkenBezugaufhochkulturelleKontextegelöstundaufalltägliche Phänomene des gesellschaftlichen Zu-sammenlebens ausgeweitet.MitKulturwird nunjegliche Handlung des Menschen beschrieben,durch die dieser seine Umwelt gestaltet. Gleich-zeitigwerden unterschiedliche symbolischeOrd-nungen,dieinspezi�ischenzeitlichen,räumlichenund/odersozialenKontextenentstandensind,alsKulturenbezeichnet.KulturwirdalsoalsalleMen-schenvereinendeFähigkeitundalssieinGruppenausdifferenzierende Kategorie konzipiert. Derhandlungsfähige Mensch wird als Schöpfer vonKultur betrachtet. Gleichzeitig ist er durch seine
EnkulturationGeschöpfvonKultur.ZweizentraleBegriffe,dieindemerweitertenKulturverständnisvonBedeutung sind, sind (1) derKulturdetermi-nismus und (2) der Kulturrelativismus. Erstererbetont den Aspekt der Enkulturation und folgtder Annahme, derMensch sei von seiner Kulturbestimmt. In aktuellen Debatten über Migrationund Europäisierung erhält insbesondere ein anEthnizität orientierter Kulturdeterminismus pro-blematischeDimensionen,indemerMenschenaufihreHerkunftskultur festlegt.DerKulturrelativis-muskonzentriertsichaufdenAspektderUnver-gleichbarkeit von Kulturen und wird im KontextderDebattenumMultikulturalität,Integrationund
Zusammenfassung
17 Fälschlicherweise wird häu�ig angenommen, die Allge-meine Erklärung der Menschenrechte sei von „westlichen“Staaten verfasst worden und somit eine „westliche“ Idee.DieseAnnahmeliegtderKritikzugrunde,der„Westen“wolleseine normativen Werte „nicht-westlichen“ Gesellschaftenauferlegen. Eine genaue historische Betrachtung entkräftetdieseAnnahme,dapolitischeAkteureausallenWeltregionenmaßgeblich am Prozess beteiligtwaren. Siehe auch Sahgal,Gita:WhowrotetheDeclarationofHumanRights?URL:http:
//www.opendemocracy.net/5050/gita-sahgal/who-wrote-universal-declaration-of-human-rights(Zugriff:10.12.2011).18BeideKulturverständnisse,daskulturdeterministischeunddas kulturrelativistische Kulturverständnis, sind sowohl imöffentlichenRaum,alsauchininterkulturellenTrainingsver-breitet.WelcheFragendasimTrainingskontextaufwirft,wirdineinemspäterenTeilderExpertisediskutiert.
I.Kultur:Debatten
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I.Kultur:Debatten
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Zugehörigkeithäu�igargumentativherangezogen.Beide Ausprägungen des Kulturverständnissessind in der politischen Arena der Zuwanderung,derEuropäischenGrenzpolitikundder Integrati-onsdebatten von politischer Relevanz undWirk-samkeit. Gleichzeitigwerden sie in interkulturel-lenTrainingshäu�igundifferenziertreproduziert.
Die komplexe Perspektive auf den Menschen,der sicheinerseitsdurchkulturellesHandelndieWelt aneignet und so Kultur produziert und an-dererseits bereits existierende kulturelle Musterdurch Enkulturation erlernt, verlangt, dass manKulturalshistorischgewachsen,alsdenMenschenprägend aber auch als durchmenschlicheHand-lungveränderbarversteht.
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzungmit dem Kulturbegriff wurden neue Perspekti-ven eingenommen, die zu neuen Konzepten undVerständnissen von Kultur geführt haben. Diesehaben sich wiederum in neuen Begrif�lichkeitenmanifestiert, die heute zur Analyse und Benen-nung kultureller Phänomene in den Sozial- undKulturwissenschaften angewandt werden. EinigedieserBegriffe haben auch in außerakademische
Diskurse Eingang gefunden. Um auszuloten,welche Begriffe und Konzepte von Kultur in derForschung aktuell verhandelt werden, wie undin welchen Zusammenhängen Kultur in öffent-lichen Diskursen thematisiert wird und welcheKonsequenzenmandarausfürdieinterkulturellenTrainings ziehen kann, werden einige davon imFolgendenvorgestellt.
VomessentialisierendenKulturbegriffzukulturellerHybridität19
19WeiterführendistderAufsatzvonWelz(1994)zuempfehlen.
DerKulturbegriffzwischenWissenschaftundgesellschaftlicherRealität
DieEthnowissenschaftengingenlangeZeitvonderDeckungsgleichheit von Gruppen-, Raum-und Kulturgrenzen aus. Menschen wurden alsTräger ihrer Kultur betrachtet, die an einemOrtsesshaft waren und sich „ihrer“ Kultur zugehö-rig fühlten. Die Elemente dieses statischen Kul-turverständnisses sind (1) eine aus Individuenbestehende, sich nicht oder nur sehr langsamveränderndeGemeinschaft, die (2) an einemOrtdauerhaftansässigistundderenAngehörigesich(3)übereinegemeinsameobjektivwahrnehmba-re und zeitlose Kultur als Gruppe identi�izieren.Dementsprechend wurden Kulturen als nahezuunveränderliche Systeme, als vomMenschen un-abhängigeGebilde,beziehungsweisealsstatischeStrukturen oder Ordnungen betrachtet, die manobjektivanalysierenundineinemwissenschaftli-chenTextrepräsentierenkann.DiesePerspektiveauf Kultur, die sich damals in der methodischen
Vorgehensweise der Feldforschung und in derRepräsentation der Forschungsergebnisse inEthnogra�ienwiederfand,hatteeinahistorischesKulturverständniszurFolge,d.h.eineKulturwur-dealseineunveränderlicheundschon immerdageweseneEinheitverstanden.ErstmitderErfor-schung von kulturellen Veränderungsprozessen,dieimZugevonsichweltweitauswirkendenMo-dernisierungsprozessennichtmehrzuübersehenwaren, sowiedurchdiekritischePerspektive aufdiekolonialeExpansionEuropasund ihreFolgenim Kontext von Dekolonisation, Migration undGlobalisierung,wurdediesesstatischeKulturver-ständnis langsam in Frage gestellt. Kulturwan-del, so wurde erkannt, war schon immer einkulturimmanentesPhänomen, und jedeKulturzeichnetesichdurchmehroderwenigerlangsameoder beschleunigte Veränderungsprozesse aus.KulturmusstesomitnichtnuralsSystem,sondern
I.Kultur:Debatten
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auch als Prozess verstanden werden. Zum For-schungsgegenstandwurdedadurchu.a.dasSpan-nungsverhältniszwischenFaktoren,diekulturelleVeränderungsprozesse auslösen und solche, dieinnerhalbkulturellerSystemefüreineBeständig-keitsorgen.AlsdenWandelbeschleunigendeFak-torenwurden z.B. Innovationen, umweltbedingteAnpassungen oder Austausch und Begegnungenmit fremden kulturellen Ordnungen identi�iziert.Zu den Faktoren für die Aufrechterhaltung einerkulturellen Konstanz zählten u.a. Traditionsbil-dung, Sozialisierung und soziale Kontrolle sowieAbgrenzungspraktiken.20DieGlobalisierungs-undTransnationalisierungsforschunghatgezeigt,dassfür das Verständnis kultureller Prozesse in denheutigen Gesellschaften die hohe Mobilität vonMenschen,WarenundInformationenalswesent-licherFaktorimKulturwandelbetrachtetwerdenmuss.DieserErkenntnisstehtjedochdieTendenzgegenüber, dass insbesondere in medialen, poli-
tischen und alltäglichen Diskursenweiterhin einessentialisierender21undhomogenisierender22Kulturbegriffwirksam ist,derMenschenauf ihreIdentitätmitbestimmten(nationalen,ethnischenoder religiösen) Gruppen und Kulturen festlegt,Differenzen festschreibt und häu�ig als Erklä-rungsmusterglobalerKon�liktedient.Davonzeugtdas in der deutschsprachigen Ethnologie längstüberkommene, in der Öffentlichkeit aber immernoch kursierende Bild der unterschiedlichen„Kulturkreise“23, die sich angeblich –wie SamuelP.HuntingtonAnfangder1990erJahreinseinemumstrittenen aber populären Buch „Kampf derKulturen“24 behauptet – unvereinbar gegenüberstünden.TrotzderzahlreichenPublikationen,diediese Thesewiderlegen, und trotz der jahrzehn-telangenForschungenüberkulturelleDynamikenund Prozesse, wird anhand solcher Bilder dasewige „Anderssein“ der vermeintlich „fremdenKulturkreise“gefestigt.
DiedoppelteBedeutungvonKultur
20Hischberg(1988)21 Der essentialisierende Kulturbegriff behauptet die natür-liche Existenz eines authentischen und reinen kulturellenKernsoderWesens.Diesersei „unabhängigvonKontextundInterpretation“ und weise eine „alle Veränderungen über-dauernde Essenz“ auf, die seine „’wahre Natur’ bestimmt“.Damit legt ein essentialisierendes Kulturverständnis denMenschen auf seine Identitätmit einer bestimmtenGruppeundKultur–unddamitggf.aufseine„Fremdheit“–fest.(URL:http://differenzen.univie.ac.at/glossar.php?sp=16; Zugriff:8.11.2011)22Der homogenisierendeKulturbegriff suggeriert die kultu-relleGleichheitallerMitgliedereinerGruppe.23 Das Konzept der „Kulturkreise“wurde erstmals von demEthnologen Leo Frobenius Ende des 19. Jahrhunderts ein-geführt, der sich später selbst von dem Konzept aufgrundmangelnderWissenschaftlichkeit abwandte. Trotzdemwur-
de es von diversen Sozialwissenschaftlern aufgegriffen undletztlich in der Wiener Schule der Völkerkunde als Kultur-kreislehre etabliert. Da diente dasKonzept der „Kulturkrei-se“ als „abstraktes methodisches Hilfsmittel zur Erforschungkulturhistorischer Zusammenhänge“ (Rössler (2007); S.11).DieKulturkreislehregerietspätestensseit1940erJahrenu.a.aufgrund ihrer extrem schematischen Methodik und ihrerNähezurnationalsozialistischenRassenideologie indieKri-tik.TrotzdemhatsichderBegriffbisheuteimaußerakademi-schenSprachgebrauchgehaltenundführtdortzueinerverall-gemeinerndenund stereotypisierendenKategorisierungderWeltbevölkerung.(Vgl.Rössler(2007);S.11).24 Im Original Huntignton, Samuel P.: „Clash of CivilizationsandtheRemakingofWorldOrder“Simon&Schuster,NewYork:1996.25Sökefeld(2007)
Der statische Kulturbegriff, der Menschen un-mittelbar und unau�löslich mit ihrer Kultur undihrerterritorialenHerkunftverschränkt,wurdeindenletztenJahrzehntenhinreichendindenSozial-undKulturwissenschaftenkritisiert.DabeierfolgtdieKritikauseinerkonstruktivistischenPerspek-tive.Dasheißt,dienatürlicheGegebenheitvonKultur, kultureller Differenz oder kulturellerIdentität (auch primordiale Perspektive ge-nannt) wird grundsätzlich in Frage gestellt,undeswerdendiehistorischen, sozialenund
politischenKontexte,PraktikenundProzesse,indenenKulturals(Unterscheidungs)Katego-rie hergestellt (= konstruiert) wird, analy-siert.25 Während bestimmte Vorstellungen vonKulturinakademischenForschungenalsozuneh-mend dekonstruiert wurden, etablierte sich inöffentlichenDiskurseneindominantesKultur-verständnis,welchesKulturweiterhinmiteth-nischenodernationalenHerkünftenverknüpft.Insbesondere im Kontext der Einwanderungsge-sellschaftundinderDiskussionumZuwanderung
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undIntegration,sowieimHinblickaufdiegesell-schaftliche Positionierung minorisierter Subjek-te26,istdiesesweiterhinpopulärundwirksam.DieAusdrücke „kulturelle Vielfalt“, „multikulturelleGesellschaft“ oder „interkulturelle Begegnungen“rufen Bilder hervor, in denen Menschen unter-schiedlicher ethnischer Herkunft miteinander inBeziehungstehen.DieseVerschmelzungvonKul-turundHerkunftinderDenk�igurderethnischenGruppeoderderethnischenIdentitätwirdausderpostkolonialen Perspektive27 als Konstruktionanalysiert,undaufihreVerstrickungeninMecha-nismenderMachtuntersucht. IndiesemKontextwurdeundwirdunterandereminderdeutschenMigrationsforschung die machtvolle Praxis derZuschreibungkulturellerIdentitätenaufgrundvonHerkünften thematisiert und unter dem Begriffder Ethnisierung analysiert.28 Der darin kriti-sierte Kulturbegriff ist als Teil des Herrschafts-diskurseszubetrachten,derdazueingesetztwird,Menschenaufgrundihresvermeintlichkulturellen„Andersseins“alsMinderheitenzumarkierenundgesondertzubehandeln.
Die Zuschreibung einer kulturellen FremdheitalsBasisvonethnischenGruppenidentitätenwirdzum einen aus der Position derMehrheitsgesell-schaftvollzogen,indemMigrantinnenundMigran-tenaufihreHerkunftskulturfestgelegtunddamitvon der mehrheitsdeutschen Gesellschaft unter-
schieden werden. Gleichzeitig greifen Migrantin-nenundMigrantendieseZuschreibungenteilwei-seselbstaufundpositionierensichentsprechendalszugehörigzubestimmtenethnischenGruppen,z.B.umbestimmteMinderheitenrechtegeltendzumachen.29DiesesogenanntenEthnisierungsprak-tiken30hängenengmiteineminDeutschlandver-breitetenessentialistischenKulturverständniszusammen,welchesKulturalsetwasReines,Ein-deutiges, Unveränderliches und AusschließlichesverstehtundindemmanentwederdereinenoderderanderenKultur „angehört“.DadurchwirddieUnterscheidung in Mehrheitsgesellschaft undMinderheitengruppen als Matrix der deutschenEinwanderungsgesellschaft wirksam aufrechter-halten. Neuere Kulturforschungen zeigen jedoch,dass,obwohlsichdieunterschiedlichstenAkteureinnerhalb dieser Matrix positionieren, sie diesegleichzeitig durch verschiedene Alltagspraktikenständig unterwandern und viel dynamischermitKultur umgehen, als es diese groben Kategoriensuggerieren. In dieser doppelten Bedeutung vonKultur,nämlich(1)alsstatische,essentialistischeund ethnisierende Kategorie im Herrschafts-diskurs um Zugehörigkeit und Abgrenzung, und(2) als hybride Praxis im Kontext kulturellerHeterogenitätliegensowohldieHerausforderun-genimUmgangmitdemKulturbegriff,alsauchdiePotentialedesKulturwandels.
26 Der Begriff der Minorisierung impliziert, dass PersonennichtvonNaturausoderobjektivgesehenMinderheitenan-gehörigesind,sondernimmernurimVerhältniszueinersichalsMehrheitverstehendenGruppe.„Minorisierung“stellteinePraxisdar,dieMinderheitenundMehrheitenkontextabhängigkonstruiert. Mehrheitsdeutsche und Migrationsandere sindBegriffedieu.a.beiMecheril(2004)benutztwerden,unddar-aufverweisen,dassesnichtumfaktischeStaatsangehörigkeitoderumtatsächlicheMigrationsbiogra�iengeht,sonderndassdieZugehörigkeitenzudiesenGruppendiskursivhergestelltundmitBildernundAssoziationenverknüpftwerden.
HierindiesemText,wirdmitdemBegriffmehrheitsdeutschderBlickbenannt,vondemausMigrantenalssolchemarkiertwerden. Es geht um die Sichtbarmachung von Kategorien-auchderangeblichenNorm-vonderausdieAnderenalssolcheunterschieden,benannt,homogenisiertwerden.27 Auf dieHintergründe der postkolonialen Theoriewird ineinemspäterenKapiteleingegangen.28siehez.B.Ha(2004),Römhild(1998)29Römhild(2007)30AufdiePraxisderEthnisierungwirdineinemspäterenKa-pitelgenauereingegangen.
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Kultur:BedeutungundPraxis31
EslässtsicheineparalleleEntwicklungausma-chen:ImakademischenDiskurshatsich–ausge-hend von der Erkenntnis, dass sich Kultur stetigwandelt – eine konstruktivistische Perspektiveauf Kultur etabliert. Damit dekonstruiert die so-zialwissenschaftliche Forschung das ethnisierteKulturverständnis,welchesHerkunftautomatischmitKulturgleichsetzt.Gleichzeitig isteinsolchesKulturverständnisimöffentlichenundalltäglichenRaum ständig präsent und wird von politischenund sozialen Akteuren immer wieder reprodu-ziert,wobeidieseReproduktioninnerhalbkomple-xerHerrschaftsverhältnissegedachtwerdenmuss.
ImKontextderEinwanderungsgesellschaftzeigtsich die Gleichzeitigkeit vonDekonstruktion undReproduktionessentialisierenderKulturverständ-nissewiefolgt:EinerseitsistdieVorstellungdomi-nant,einede�inierteMehrheitsgesellschaftwürdeanderen Minderheitengruppen gegenüberstehen.DieseVorstellungreproduziertsichdadurch,dasssichAkteureindiesenKategoriendurchSelbstpo-sitionierungundFremdzuschreibungenverorten.AndererseitswerdendievermeintlicheindeutigenKategorien durch alltägliche kulturelle Praktikenständigüberschrittenundunterwandert.
31DerPraxisbegriff,derhierverwendetwird,beziehtsichaufdenkultur-undgesellschaftswissenschaftlichenDiskursundmeintsämtlicheHandlungendesMenschen.32Geertz(2003);ImOriginal:„TheInterpretationofCultures:SelectedEssays.NewYork:BasicBooks,1973
33 Das Beispiel ist in voller Länge nachzulesen bei Geertz(2003),S.10ff.ErbeziehtsichdabeiaufdenenglischenPhilo-sophenGilbertRyle,vondemerauchdenBegriffderdichtenBeschreibungübernommenhat.
Zusammenfassung
Für das Verständnis der Komplexität neuererKulturbegriffe muss man sich zunächst von derAnnahme lösen, Kultur sei ein dem Menschenübergeordnetes und von seiner Handlung unab-hängigesGebilde.StattdessenmussKulturalseinProzessverstandenwerden,dervonmenschlichenHandlungenabhängtunddurchsieBedeutunger-hält.IndenSozialwissenschaftenhabenverschie-dene ForscherBegriffe entwickelt, umKultur alsProzessdenkbarzumachen.
U.a. Clifford Geertz ist es zu verdanken, dassdieForschungenüberKulturundüberdenMen-schen als kulturell handelnden Menschen ihrenFokus verlagerten: Mit seinem berühmten Werk„Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehenkultureller Systeme“32 aus dem Jahr 1973 hat ereinen Paradigmenwechsel eingeleitet: Er wandtesichdavonab,menschlichesHandelnanhandvonkulturellenGesetzenzuerklärenundrichtetesei-neAufmerksamkeitaufdieBedeutungkulturel-lenHandelns. Anhand eines einfachenBeispiels
erklärtGeertz,wieerKulturversteht:DieschnelleBewegungeinesAugenlidskannvonaußenobjek-tiv beobachtetwerden (z.B. durch eine Kamera).Sie kann als Zucken des Augenlids beschriebenwerden, ohne dass man dadurch geklärt hat, inwelchem Zusammenhang dieses Zucken aufge-tretenist.DerZusammenhangkannzumBeispielsein, dass sich zwei Personen gegenüber stehenund nacheinander mit dem Augenlid zucken. Istes ein bloßes Zucken? Oder ein kommunikativerAktdesZuzwinkerns?Oderäfftdereinedenan-deren mit seinem Zwinkern nach? Nach Geertzwird Verhalten plus Kultur zur Gebärde.33 Dasbedeutet,dassKulturdasist,wasdemHandeln,indiesemFalldemBewegendesAugenlids,eineBedeutungverleiht.UmseinemHandelnsinnvol-leBedeutungzuverleihen,oderumdieBedeutungdeuten zu können, benötigt man die Kenntnisüber bestimmte Bedeutungsstrukturen be-züglich gesellschaftlich festgelegte Codes. DieBewegung des Augenlids bedeutet z.B. in einembestimmtenkulturellenRahmeneineBegrüßung.
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GeertzbeziehtsichmitseinemKulturverständnisaufMaxWeber,undumschreibtesals „selbstge-sponnenes Bedeutungsgewebe“34, in das derMensch verstrickt ist. Dadurch, dass Menschenihre soziale Handlung ständig interpretieren, istKultur wandelbar. Die Ethnowissenschaften sindbisheutemaßgeblichvonGeertz’Kulturverständ-nisgeprägt.35
DieRelevanzeinesbedeutungsorientiertenKul-turansatzesfürdasVerständnisvonsozialenundkulturellen Prozessen in Einwanderungsgesell-schaften soll anhand eines alltäglichen BeispielsauseinemFrankfurterFreundeskreisveranschau-lichtwerden:LetztensfeierteichbeieinemFreundmeinenGeburtstagnach.DaeswarmwarundichrelativvieleLeuteeinladenwollte,machte ichesmirmitdemEsseneinfachundludzumGrillenein.EineGeburtstagsfeierinmittenvonFrankfurt:DerHausherrderWohnung–Mika–arbeitetseitmeh-reren JahrenalsArzt inFrankfurt.Er istGrieche,derinBulgarienstudierthat.Domaist„Deutschermit kroatischem Pass“36, ein zugezogener aberüberzeugter Bornheimer und Mitbegründer desVereinsBernemerSchoppekicker.AlserMikadasersteMaltraf,unterhieltensichdiebeidenineinerSprache,diewederkroatischnochbulgarischwar,aber zur Verständigung taugte. Meine FreundinTassiaarbeitetbeiderDeutschenBank,sieistBra-silianerinundlebtmitihremdeutschenFreundJa-sonzusammen.Wennsichdiebeidenunterhalten,lassen sie manchmal brasilianische Wortfetzenein�ließen.WeitereGästewarenDani, gebürtigerSchwalbachermitspanisch-italienischenWurzeln,Manu und Natalie, deren Vater als sizilianischer„Gastarbeiter“ Anfang der 1970er Jahre zuerst
bei Ford arbeitete und dann in Frankfurt langeJahrealsLehrertätigwar,Vanja,Musiker,familiäreMigrationsbiogra�ieausKroatien... undsoweiter.Es wurde gegrillt, Tassia und Mika übernahmenden Grill, Bezug nehmend auf ihre Herkunft ausBrasilien und Griechenland, weil sie Grillen alsein wichtiges familiäres und gemeinschaftlichesAbendritualerinnerten.Mirwaresrecht–GrillenistnichtmeineStärkeundsokonnteichmichummeineGästekümmern–Menschen,diemehroderweniger lange in Frankfurt leben und arbeiten,dieeinenstarkenBezugzuBornheimhabenundgleichzeitigidentitätsstiftendeBezügeüberFrank-furter, über deutsche, über europäische Grenzenhinweg aufweisen. Diese Bezüge sind an demAbend genauso präsent gewesen wie Bornheim.Das Grillen wurde als griechisch-brasilianischetraditionelle Küche inszeniert, die Berger StraßelagderTerrassezuFüßenundwarVoraussetzungfürdieAnwesenheitdervielenFreunde,derOden-waldwaralsDialektvertretenundheißgeführteDiskussionen über den gefürchteten Abstieg derEintrachtmitUli,demeinzigenOFC-FanimFreun-deskreis,dominiertenzeitweisedasWohnzimmer.
Die Globalisierung, das ist mittlerweile gesell-schaftlicher und wissenschaftlicher Konsens, hatnebenderMobilität vonWarenundFinanzen zueiner rasanten Mobilität von Menschen, Ideenund Informationen geführt. Dieser Prozess wirdgemeinhin als kulturelle Globalisierung be-zeichnet. Schaut man sich die vielfältige Zusam-mensetzungderGesellschaftan,fürdiemeineGe-burtstagsgästeeinenmikroskopischenAusschnittdarstellen,wirdesunmöglich,ethnische,religiöseoderkulturelleGruppenscharfvoneinanderabzu-
34Geertz(2003)S.935DievonGeertzbegründeteMethodederdichtenBeschrei-bungistbisheuteein�lussreich.Durchdiekomplexeundde-taillierteBeschreibungz.B.einesRituals,sollesdemForschermöglichwerden, auf seineBedeutung zu schließen.Dasbe-rühmtesteBeispielGeertz’istdasdesbalinesischenHahnen-kampfes.GeertzinterpretiertdiesesblutigeundspektakuläreEventnichtinseinerFunktionfürdieGemeinschaft,sondernin seinerBedeutung: er liest dasRitualwie einenText, deneszu interpretierengilt.ErverlagertKultur indieSemiotik.DerText,deraufgrunddieserInterpretationsarbeitentsteht,warinGeertz’AugenderFiktionzuzuschreiben.MitdemBild
desEthnologen,derbisherdazuinderLageschien,Wirklich-keitobjektivwiederzugeben,wurdedamitgebrochen.JamesClifford radikalisierte die so genannte Repräsentationskriseindemerbehauptete,ForschungsobjekteentstündenerstinderForschung,seienalsoihrProduktundalleethnologischenTexteseinereineKonstrukte.EthnologenwürdenKulturalsonicht repräsentieren, sondern er�inden.DieseWende führtezu einer zunehmenden kritischen Erforschung der eigenenkulturanthropologischen Texte. Weiterführend: Clifford /Marcus(1986)36SobezeichneteDomasichselbst,alsnachseinerNationali-tätgefragtwurde.
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grenzen.DiebereitserwähnteDeckungsgleich-heitvonKultur-undGruppengrenzenistnichtauszumachen. Es stellt sich im Gegenteil eineaußerordentlicheKomplexitätundgleichzeitigeineRessourcenvielfaltdar.Sokönnenvieleaufunterschiedliche sprachliche Ressourcen zurück-greifen, seien es nationale oder ethnische Spra-chen oderDialekte. DasGrillen als Tradition derVergemeinschaftung wurde als solche zelebriert.Diejenigen, die das Grillenmit dieser Bedeutungversehen, haben sich fast wortlos darüber ver-ständigt und eine nach außen spürbare Verbun-denheitaufgebaut.IhrekulturelleRessourceliegtdarin,übereinebestimmtePraxisVerständigungherzustellen. Manu und Natalie, die durch ihrenVater starke Verbindungen zur sizilianischen Fa-miliehaben,könnenunddasnichtnursprachlich,zwischendenInteressenderFamiliedortundderdeutschenMutter in Deutschland vermitteln. Siealle greifen je nach Kontext auf unterschied-lichste kulturelle Ordnungen oder, in GeertzSinne, Bedeutungsgewebe zurück, durch diesie ihreHandlung in eineder Situation ange-messeneSinnhaftigkeitübersetzenkönnen.
Der SoziologeAndreas Reckwitz hält für dasVerständnisvonKulturinnerhalbsolcherKontextedas„ModellkulturellerInterferenzen“37bereit.Obwohl es etwas technisch anmutet, vermag esKulturimKontextderEinwanderungsgesellschaftgutzuveranschaulichen.Reckwitz’Bezugsrahmenfür seine Auseinandersetzung mit Kultur ist derNationalstaat, in dem Multikulturalismus als einmögliches Konzept des Zusammenlebens unter-schiedlicher kultureller Gruppen diskutiertwird.WieAmartyaSeninseinemBuch„DieIdentitäts-falle.WarumeskeinenKriegderKulturengibt“38,kritisiert auch Reckwitz jenes Verständnis von„Multikulturalismus“, welches annimmt, abge-schlossene kulturelle Gruppen würden nebenei-nander auf einem nationalen Territorium leben.Sen nennt diese Vorstellung „pluralen Monokul-
turalismus“undverweistdamitdarauf,dassdarinGruppenalshomogeneEinheitengedachtwerden.Das Kulturverständnis, dass dieser Vorstellungzugrunde liegt, entspricht jener ethnisierendenPraxis,diedieGesellschaft ineineVielzahlethni-scherGruppeneinteiltunddiesedannalseinzel-neSteinchen ineinemMosaikkulturellerVielfaltversteht.DiegesellschaftlicheRealität inderEin-wanderungsgesellschaftsiehtaber–wiedasobigeBeispielzeigt–andersaus.ReckwitzmachtzweiDenkschritte:(1)ZumbedeutungsorientiertenKulturbegriff:Damit löst er die Übereinkunft von übersub-
jektiven kulturellen Ordnungen und territorialde�inierten Gruppen oder Gemeinschaften auf.MikaundTassiabeziehensichaufeingeteiltesBe-deutungsge�lecht„Grillen“,obwohlihreterritorialeHerkunftunddarangeknüpfteGruppenzugehörig-keitennichtunterschiedlicherseinkönnten.(2)ZumModellkulturellerInterferenzen:ReckwitzbeschreibtdamitdieMöglichkeitder
ParallelexistenzverschiedenerBedeutungsge-webe(ernenntsiebackgroundlanguages),diealskulturelles Repertoire in der Lebenswelt dergleichenAkteurewirksamsind.Domaschließtin seiner Person dasWissen über kulturelle Co-des seines „Bernermer“ Vereins, seiner Migrati-onsgeschichte, seines Freundeskreises, seiner inKroatien lebenden Verwandtschaft und seiner inDeutschlandlebendenFamilieein.JenachKontextundBeziehungkanneraufdieseWissensvorrätezurückgreifen.AufdieGesellschaftbezogenheißtdasdann,dassunterschiedlicheKomplexesozialerPraxis, indenensichdieBedeutungsgewebeaus-drücken,indengleichenKollektivenwirksamsind.Kulturelle Heterogenität besteht dann alsonichtzwischenKollektivensonderninnerhalbdieser. Die oben dargestellte Geburtstagsgesell-schaftisteingutesBeispielfürdieseHeterogenitätundwiderlegt ein homogenisierendes Kulturver-ständnis.
37Reckwitz(2001),S.188ff 38Sen(2007)
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In Gesellschaften, in denen die Menschen inBewegungsind,Migrationserfahrungenhaben,alsTouristengereistsindodereinfachanOrtenleben,indeneneseinegroßeFluktuationvonMenschengibt,musseinKulturverständnisgreifen,welchesaufeinneuesVerhältnisvonTerritorialitätundkulturellerVergemeinschaftung reagiert. Dennwenn man Kultur und kulturelle Zugehörigkeitnicht mehr selbstverständlich und ausschließ-lich mit einer territorial verorteten Gruppe undihren geteilten Denk- und Handlungsstrukturenerklären kann, dann stellt sich die Frage, nachwelchenPrinzipienunddurchwelchePraxenkulturelleZugehörigkeitundVergemeinschaf-tung organisiertwird. Der EthnologeFrederikBarthwidersprachbereitsEndeder1960erJahrein seinem Buch „Ethnic Groups and boundaries.The social organization of cultural difference“39derVorstellung,ethnischeGruppenseiennatürli-cheEinheiten,diesichdeswegenvoneinanderab-grenzten,weilsieräumlichvoneinandergetrenntwaren und/oder sich kulturell eindeutig vonein-ander unterschieden. Die grenzüberschreitende
BewegungvonMenschenunddamitdieAu�lösungbestimmterstabilerundterritorialverorteterGe-meinschaften hatte, seinen Forschungen zufolge,nichtdazugeführt,dasssichdieIdenti�ikationmitbestimmten ethnischen Kollektiven und die Ab-grenzungvonanderenentkräftethaben.Stattdes-senstellteerfest,dassgeradeinderInteraktionzwischenIndividuenundzwischenethnischenGruppen, kulturelle Abgrenzungen in einemdynamischen und aktiven Prozess hergestelltund/oderstabilisiertwürden,undzwar indemsich Akteurinnen und Akteure bestimmter kul-turellerRepertoires bedienen, um sich innerhalbsozialerBeziehungenzupositionieren.
Regina Römhild erforschte die Konstruktionder ethnischen Identität der Russlanddeutschen.Dabeiuntersuchtesie,wiediesesichwährenddesAu�kommens des russischen Nationalismus undalsReaktionaufUnterdrückungundDiskriminie-rung als „Deutsche“ eine gemeinsame kulturelleIdentitätalsethnischeGruppeau�bauten.Diege-meinsamenErfahrungenderDiskriminierungund
39Barth(1969)
Geertz versteht unter Kultur ein Bedeutungs-gewebe, welches durch das soziale Handeln derMenschenundihreInterpretationdiesesHandelnständigen Veränderungen unterliegt. Um Kulturzuverstehen, reicht es alsonicht aus, bestimmteRegelnundGesetzekulturellenHandelnsheraus-zu�inden.EineHandlungmussinihremkonkretenKontext als sinngebende und sinnverstehendePraxis verstanden werden. Menschen greifendabeiaufverschiedenekulturelleRessourcenzu-rück.DieseRessourcenkönnenauchalskulturelleWissensvorräte oder background languages be-zeichnetwerden,diemanimLaufeseinesLebensund aufgrund gemachter Erfahrungen sammelt
odererlernt.JederMenschverfügtüberkomplexeWissensvorräte,diejenachsozialemUmfeldakti-vierbarsind,unddiedemMenschenermöglichen,inunterschiedlichenKontextenhandlungsfähigzusein.DasVerständnis vonKultur als Ressourcen,Wissensvorräte oder background languages löstKultur von ihrer Gebundenheit an Gruppen undOrteabundermöglichtes,MenschenalsAkteurezu denken, die mit verschiedenen Gruppen ge-meinsame background languages teilen. Gleich-zeitigistinnerhalbvonGruppenmitderparallelenExistenzmehrerer kulturellerbackground langu-ages und damit mit kultureller Heterogenität zurechnen.
Kultur:ZugehörigkeitundIdentität
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des Ausschlusses aufgrund der Markierung alsethnisch-deutscheGruppestellthierineinenwich-tigenMotorfürdieKonstruktioneinerethnischenGruppedar.Dabeiwaresnichtzentral,dassmanselbst diese Erfahrung gemacht hatte;Menschenknüpften auch an die Erfahrungen anderer an.Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Kultur er-folgtalsonichtautomatischausdergemeinsamenHerkunft, sondern vielmehr aus gemeinsamenErfahrungenundeinemgeteiltenErfahrungs-wissen,aufdessenGrundlageeineGruppenzu-gehörigkeitkonstruiertwird.
Diese konstruktivistischen Perspektiven aufIdentität und Zugehörigkeit im ZusammenhangmitKultursindindenöffentlichenundalltäglichenDebatten,aberauchineinigenwissenschaftlichenDiskursenumkulturelleDifferenzen,Multikultura-litätund„Fremdheit“nichtangekommen.Dortistvielmehr immer noch die Vorstellung verbreitet,Kulturenseienterritorialundlokalgebundenundvon „äußeren Ein�lüssen“ wie Migration, Touris-musodertransnationalenBeziehungen,diedurchdieGlobalisierungverstärktauftauchen,bedroht.UmdieKulturvonMigrantinnenundMigrantenzuerklären,werdenfolglichoftmalsdietraditionells-ten kulturellen Aspekte ihres Herkunftslandesherangezogen.Dabeibleibtunberücksichtigt,dassdie Migrationserfahrung möglicherweise zuVeränderungeninnerhalbderkulturellenOri-entierungundPraxisgeführthat.IndemAufsatzvonAyseÇaglar „DasKulturkonzeptalsZwangs-jackeinStudienzurArbeitsmigration“40von1990wirddiedamitverbundeneProblematikdeutlich.Çaglar veranschaulicht am Beispiel türkischerMigrantinnen und Migranten, wie diese in wis-senschaftlichenStudien auf ihreHerkunft festge-schriebenwerden.DadurchbleibenihreeigenenZugehörigkeitsdiskurse und Abgrenzungspra-xen, die von Migrationserfahrungen geprägtsind,unbeachtet.DerAufsatz istbereits20 JahrealtundhatvonseinerAktualitätnichtseingebüßt.
Çaglar problematisiert die dominante Rede vonder inneren kulturellen Zerrissenheit, vom Bildder zwischen zwei Stühlen sitzendenMigranten,vonKrisenauslösenderOrientierungslosigkeitderzweitenoderdrittenGeneration,anhanddererIn-tegrationsproblemebegründetwerden.Ohneaus-schließenzuwollen,dassdieseEffekteundFolgenvon Migration existieren, legt die Dominanz, diedieseThemeninderAuseinandersetzungmitMi-grationhaben,nahe,dassKulturnochimmeralsetwas gedacht wird, das an seine territorialeHerkunftgebundenistunddurchMobilitätge-störtwird.DiesesKulturverständniskonkretisiertsichauchinderSprache,wennüberMigrationundihre Folgen gesprochen wird. Wie Liisa Malkki41herausstellt, wird die kulturelle ZugehörigkeitsprachlichinstarkenMetaphernnaturalisiert.DasBildderVerwurzelung,dieMetapherdesBaums,impliziert,dassKultureinerwichtigenGrundlagebedürfe: der Sesshaftigkeit.Mobilität undMigra-tion42stellenindieserLogikeinenStörfaktordar,der als „Entwurzelung“ thematisiert wird. DiesegeneriereeinProblemfürdiekulturelleIntegritätmigrierterMenschenundführezuabweichendemVerhalten.
Der Erziehungswissenschaftler Tarek Badawia(2002) entwickelte in einer qualitativen Groun-ded-Theory-Studie unter bildungserfolgreichenjugendlichen Migrantinnen und Migranten inDeutschland eine neue Identitätsposition durchdenUmgangmitzweiKulturen:„derDritteStuhl“als Alternative zur Zerrissenheit des oben be-schriebenen gängigen sprachlichen Bildes, dieJugendlichen stünden „zwischen zwei Stühlen“.„Mit dem ‚Dritten Stuhl’ erschaffen die Jugendli-chen trotz aller Schwierigkeiten und strukturellungünstigenEntwicklungsbedingungeneineneuesozialeDoppelrolledesTeilnehmersundBeobach-tersundleistendabeieinenwichtigenBeitragzurTransformationvonsoziokulturellenBedingungenindieserGesellschaft.“43
40Çaglar(1990)41Malkki(1992)42wobeidieMigrationdertransnationalenHighProfessionals
im Gegenteil meist positiv konnotiert ist und Mobilität imKontextkosmopolitischerLebensentwürfealsPrivileggilt.43Badawia(2002)
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Ein Kulturverständnis, welches Kultur unterden Bedingungen der Globalisierung erfassenwill, muss die vermeintlich „äußeren Faktoren“,die „globale“ Phänomene auf „lokale“ Strukturenhaben,alskulturimmanenteFaktorenbegreifen.InwiefernnureindynamischesKulturverständniskulturelle Zugehörigkeitsdiskurse in Migrations-gesellschaftenangemessenerfassenkann,solleinBeispiel aus der Arbeitmit jungen Erwachsenenverdeutlichen.44 Es geht um eine Gruppe, die imKontextdesFreiwilligenSozialenJahresregelmä-ßig auf mehrtägigen Bildungsseminaren zusam-menkam.InderGruppebestandeinestarkeaberdynamische Kleingruppenbildung und zwar ent-lang unklarer und durchlässiger und immer neude�inierter Grenzen. Von außen betrachtet, wareseineAusdifferenzierungentlangverschiedenerLifestyles, Erfahrungshorizonte und subkulturel-ler Zugehörigkeitspolitiken. Die ethnischen Zu-gehörigkeitenspielten fürdieKleingruppenzuge-hörigkeit,wennüberhaupt,nureinekleineRolle.Trotzdemwurdensiethematisiert, teilweisesehremotionalundnicht selten ineinerVermischungpolitischerStatementsundpersönlicherKon�likte.ZueinersolchenSituationkamesineinemSemi-nar, als zwischen zwei Teilnehmenden ein Streitentfachte.Anna,eine jungeFrauAnfangzwanzig,die einegriechischeMigrationsbiogra�iehat, undIvo, ein 18-jähriger junger Serbe, dessen ElternausdemehemaligenJugoslawien�lüchteten,strit-tensichüberihrsozialesVerhalteninderGruppe.Nach lautstarkenDiskussionenkamIvo ineinemsarkastischenTonaufAnnasgriechischeHerkunftzusprechen.EsgingumGriechenlandsSchulden-krise,dieermitAnnasUnvermögen,sichaussei-nerSichtangemessenzuverhalten,inVerbindungbrachte. Anna schien von dieser Anschuldigungsehrverletzt.DerStreitwurdeaggressivundAnnasteigertesichemotionalinIvosAffrontgegendieGriechenhinein.DieSeminarleitungmussteindenStreiteingreifenundihnbeenden.DieDiskussionüber den Rettungsschirm für Griechenland war
Austragungsort eines persönlichen Kon�likteszwischen zwei dominanten Personen, die sich inihren Freiräumen eingeschränkt fühlten. AnnasgriechischeHerkunft spielte bis dahin keineRol-le. ImGegenteil,durch ihren fränkischenDialekt,standsieoftmalsalsNürnbergerinimMittelpunkt,eineRolle,mitdersiesichgerneidenti�izierte.Ihregriechische Herkunft wurde von Ivo in der Kon-�liktsituation anhand der politischen und ökono-mischenSchwierigkeitendesLandesherabgewür-digt und diente ausschließlich dem verletzendenAngriff.Annasöffentliche Identi�ikationmit ihrernationalenHerkunfttratzumerstenMalindieserDeutlichkeit hervor und verschwand einen Tagspäterwieder,alssichdiebeidenversöhnthatten.DieeinzigenMale, indenensichAnnaansonstenauf ihre Herkunft bezog, waren Situationen, indenen sie aufgrund ihrer au�brausendenArt kri-tisiertwurde.IhreEntschuldigungwardann,dasssieals„Griechin“nichtanderskönne,dassihrdas„im Blut liege“. Diese Selbstzuschreibung konntealso als Strategie eingesetzt werden, sich unan-grei�barzumachen.
ÄhnlicheSituationengabeshinundwiederzwi-schenIvoundEsma,einerjungenbosnischenFrau,diealsKindmitihrerFamilieausdemehemaligenJugoslawienge�lohenist.DeranhaltendeKon�liktzwischenbosnischenundserbischenJugendlicheninderDiasporadienteimmerwiederalsAusgangneckender Provokation zwischen den beiden,die dadurch einander sehr viel Aufmerksamkeitschenktenundgleichzeitigvoneinandereinforder-ten.GleichwohlwurdendieDiskussionennichtmitweniger Ernsthaftigkeit und emotionaler Beteili-gung ausgetragen. Die Herkunft eines Georgiers,der als einziger erst seit kurzem in DeutschlandlebtundsomittatsächlichdenGroßteilseinesbis-herigenLebensineinemanderenLandverbrachthatte, war kein Thema. Er war der Älteste undwurde als integrierender und versöhnender TeilderGruppeakzeptiertundgeschätzt.
44DasBeispielstammtauseinemderArbeitskontextederAutorin.
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Anscheinend dienten kulturelle Identitäten indieserGruppe dazu, BeziehungenzwischendenTeilnehmenden für diesen spezi�ischen zeit-lichen und räumlichen Rahmen aktiv zu or-ganisierenundauszuhandeln. Es gabkonkreteKontexte, in denen sie thematisiert wurden undvieleMomente, indenensiekeineRolle spielten.Die Gruppe organisierte sich immerwieder neu,wasauchdaranlag,dasseseinestarkeFluktuationvonTeilnehmendengab.DieethnischeZugehörig-keitoderdiekulturelleIdentitäteinerbestimmtenHerkunftsnation waren zwei von vielen Instru-menten dieser ständigen Neuorganisation. Dabeiwar ihreRelevanzkeineswegsselbstverständlich,sonderninhohemMaßekonstruiertundinstru-mentalisiert.
Es spielt in diesem Beispiel keine Rolle, obsich Serben von Bosniern durch ihre Herkunftkulturell voneinander unterscheiden, oder ob„die griechische Mentalität“ von Müßiggang undunternehmerischemVersagenodervonTempera-mentgeprägtist.UmbestimmteVerhaltensweisenzuverstehen, istdieFrageviel aufschlussreicher,welcheidentitätsstiftendenBezügedieIndividuensubjektiv und kontextabhängig im Rahmen derAbgrenzung oder der Zuordnung hervorbringenund wie sie sich dabei auf vielfältige kulturelleBezügeberufen.KulturwirdhieralsPraxisderOrganisationdes sozialenRaums verstanden:AkteurinnenundAkteurenutzenihrekulturellenRepertoiresalsInstrumentederPositionierungin-nerhalbbestimmtersozialerKontexte.ImKontext
der Einwanderungsgesellschaft ermöglicht einsolchesKulturverständnis,dieZuordnungspraxenminorisierterAkteurinnenundAkteurealseinenselbstbestimmtenUmgangmitdendominantenZuschreibungen der Mehrheitsgesellschaft zuverstehen,innerhalbderersiemeistalsethnischeMinderheitenmarkiertwerden.GerdBaumanzeigtanhand seiner Forschungen in einem LondonerStadtteil auf, wie sich Akteurinnen und Akteure,die Migrationsbiogra�ien aufweisen, des „domi-nantenDiskurses“45derKategorisierungnachHerkunftskulturen für eigene Ziele bedienenkönnen,währendsieihninihreralltäglichPra-xis genauso selbstverständlich unterwandernundsichbestimmterZuordnungenentziehen.Römhild beschreibt dies als einen Lernprozess,in demMigranten die Kategorien, in die sie vonaußeneingeordnetwerden(häu�ig religiöse,eth-nische oder nationale Kategorien), erlernen unddiese für sich nutzen, während sie gleichzeitigRäume suchen und bilden, in denen diese außerKraftgesetztsind.46InderpostkolonialenTheoriewirdeinesolchePraxisdesWiderstandesgegendie hegemoniale Vorstellung der NormalitätundZugehörigkeit,indersichunterprivilegierteSubjektebestimmteSymboleundCodesaneignenund umdeuten, alsHybridität bezeichnet.47 Derpostkoloniale Theoretiker Homi Bhabha48 be-zeichnet jene komplexen Prozesse als hybrid, indenen bestimmte Praktiken der Machtausübungdurch die unterdrückten Subjekte unerwartetoderunkontrollierbarangeeignetundumgedeutetwerden.
KulturwandeldurchdiePraxisderkulturellenGrenzüberschreitung
DieSozialwissenschaften,u.a.diePostkolonialeTheorie,unddieTransnationalisierungsforschung,untersuchendasPhänomenderkulturellenGrenz-überschreitung.DamitistjenePraxisgemeint,mitderAkteurinnenundAkteuredieindendomi-nanten Diskursen herrschenden kulturellenKategorien überschreiten. In der Kolonialzeit
wardasz.B.dieGrenzezwischendenKolonisato-ren und den Kolonisierten, die durch bestimmteStrategien durchbrochen wurden. In der Trans-nationalisierungsforschungsinddasz.B.dieterri-torialenGrenzen,diedurchsozialeVernetzungenaußer Kraft gesetzt werden. Und in derMigrati-onsgesellschaft sind es ethnische, religiöse oder
45Bauman(1996),S.10946Römhild(2007);S.166
47Bhabha(1997)48Ebd.
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nationale Kategorien, nach denenMenschen ein-geteiltundunterschiedlichbehandeltwerden,unddiedurchwidersprüchlicheund selbstbestimmtePraxen der verschiedensten Akteure unterwan-dertwerden.IndenSozialwissenschaftenwurdenverschiedene Begriffe und Konzepte entwickelt,mitdenenprozesshafteundkomplexePhänomenederkulturellenGrenzüberschreitungen,wieobenbeschrieben, analysier- und benennbar wurden.DazugehörenSynkretismus,KreolisierungundHybridität.
Çaglar plädiert mit dem aus der Religionseth-nologie stammenden Begriff des Synkretismusfür eine Perspektive, die daskreative Potentialund die Dynamik von kulturellen Mischfor-men hervorhebt und Unregelmäßigkeiten, sowieBrüchemitTraditionenalsOrtederNeuschöp-fung wertschätzt. Es gibt zahlreiche Beispiele,die diesesMoment der aktiven und produktivenMischung kultureller Ordnungen illustrieren, u.a.in der Kunst und Popkultur. Künstler wie FatihAkin, der als deutscher Regisseur internationalAnerkennunggenießt,oderwieXavierNaidooundJoyDenalane,diewichtigeVertreterderdeutschenPopmusiksind,zeugendavon.
UlfHannerzkritisiertinseinemBuch„Transna-tionalConnections“49dieAuffassung,dasssichkul-turelle Unterschiede und Besonderheiten durchdie Globalisierung einebnen würden und eineeinheitlichewestlichgeprägteWeltkulturentstün-de.DabeiargumentierterwieÇaglar,dassdieBe-gegnungenverschiedenerkulturellerStrömungenhingegen stets eine interessante Neuschöpfungvon Kultur mit sich bringen. Er beschreibt die-sen Prozess mit dem Begriff derKreolisierung.„Creole“ ist ein Begriff, der in (post)kolonialenGesellschafteneinehybrideSprachpraxisbezeich-nete. Dabei haben die Kolonisierten die SprachederKolonialherrenmit ihrenSprachenvermischtundverändert.ÄhnlichwieSynkretismuswider-
spricht Kreolisierung dem Ideal der „kultu-rellenReinheit“undentlarvtesalsKonstrukt.„Kultur“ entsteht aus der Begegnung verschie-dener kultureller Ordnungen und aus dem, wasdieAkteuredarausmachen.DieAnnahme, lokale„Kulturen“seiendieOpferderglobalenKulturin-dustrie, verleugnet die Tatsache, dass MenschenAkteuresind,diemitkulturellenEin�lüssenaktivumgehenunddieseständigmodi�izieren.
ZweiBeispielesollendiePraxisderkulturellenGrenzüberschreitung veranschaulichen. Es sindBeispiele für die aktive Modi�ikation kulturellerPraxendurchdieAkteure.DasersteBeispielent-stammt einer Forschung über die transnationaleProduktiondesYoga50:
YogaisteinePraxis,diekulturellinIndienver-ortetwird.VerschiedeneForschungen51zeigenauf,inwiefernYogatransnationalproduziertwirdundsichineinemständigenWandelbe�indet.DieKri-tikvielerPraktizierender,derYogainDeutschlandseiverfälschtundnichtmehrauthentisch, istaushistorischer Perspektive nicht haltbar. Yoga hatsichinIndienundaußerhalbseitseinenUrsprün-gen durch den Ein�luss verschiedener indischerund nicht-indischerDenker und Praktiker, sowiedurch sozio-kulturelle Veränderungen ständigweiterentwickelt. Die Vorstellung einer reinen,ursprünglichenYogalehre, diemannur in Indien�inden kann, ist eine Konstruktion westlicherPraktizierender.
YogawurdeEndedes19.Jahrhundertsüberdenindischen Gelehrten Swami Vivekananda in denUSA populär gemacht. Das erste Weltparlamentder Religionen in Chicago 1893, dessen implizi-tes Ziel es war, im Zuge der sich verbreitendenalternativenreligiösenIdeenausdenKoloniendieVorherrschaft des Christentums zu propagieren,wurde Schauplatz für ein erstaunliches Ereignis:SwamiVivekananda,deralsHinduvordemParla-
49Hannerz(1996)50Sarma(2009)unveröffentlicht,S.14ff
51U.a,Strauss,Sarah(2005)
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52Bhabha(1997)
mentsprach,lösteeineunerwarteteWellederBe-geisterungfürseinLandunddenHinduismusaus.SeineMissionwares,SpendenfürdasgebeutelteIndienzuerbitten,undimGegenzugbotereinim„Westen“ scheinbar sehnsüchtig vermisstes Gutan: die Spiritualität. Er vermittelte Yoga als eineerlernbare und erfahrbare spirituelle Praxis, dieauf großes Interesse stieß.Wie gelang es SwamiVivekananda,einensolchenEindruckzuhinterlas-sen?ObwohlmanzuderZeitnochnichtvonkultu-rellerGlobalisierung imheutigenSinne sprechenkann,gabesdennocheinenweltweitenAustauschvonphilosophischen, literarischenundreligiösenGedanken.SwamiVivekanandawareinGelehrterund kannte sich mit europäischen und ameri-kanischen Intellektuellen und zeitgenössischenPhilosophien aus. Ebensowar er des Englischenmächtigundtratgebildet,eloquentundcharisma-tischauf.YogaverkaufteeralseinePraxis,dieeinegewisseRationalitäthat, die empirischerfahrbaristunddienichtnurGeist, sondernauchKörperstärkt:damithaterYoganicht„verfälscht“,erhatYoga ausgehend von verschiedenen kulturellenStrömungen kreolisiert. Bei der kolonisierten in-dischenBevölkerung genoss SwamiVivekanandagroße Anerkennung, weil er es vermochte, denAmerikanern auf gleicher Augenhöhe zu begeg-nen.Erbeein�lusstedieEntwicklungdesYoga inIndienmaßgeblich, wo zunehmend Yogainstituteund wissenschaftliche Zentren entstanden, dieder indischen Bevölkerung die gesundheitsför-dernde und ausgleichende Wirkung des Yoga inHandbüchern und Abendkursen nahe brachten,lange bevor Deutschland, die USA oder andere„westliche“StaatenYogaalsWellnesspraxisetab-lierten. SwamiVivekananda, sowieviele von ihmbeein�lussten Yogis verarbeiteten in der Trans-formation der jahrtausend alten Yogapraxis dietransnationalenVeränderungengesellschaftlicherStrukturendurchdieweltweiteIndustrialisierungund Technologisierung. Gleichzeitig widerstandSwami Vivekananda auf demWeltparlament der
Religionen der christlichen Missionierung desHinduismus und setzte das Machtbestreben deswestlichen Christentums außer Kraft. Er unter-wanderte mit seiner Kenntnis des westlichenZeitgeistesdieVorherrschaftdesWestensunddesChristentums und kehrte zumindest für die ZeitderEuphorieüberIndiensSpiritualitätdieMacht-verhältnisseum.DennererfülltedieBedürfnisseseiner wirtschaftlich und politisch überlegenen„Gastgeber“,indemersichihrerkulturellenCodesbediente, und enthob sich und sein Heimatlandgleichzeitig ihrer Zuschreibung als Unterlegene.HierlässtsicheingutesBeispielfürdenvonHomiBhabha verwendeten Begriff derHybridität er-kennen, den er für die Beschreibung kulturellerÜberschneidungspraxennutzt.BhabhaentwickeltdenBegriffimKontextseinerpostkolonialenKri-tik und verbindet mit ihm vor allem Subversionund Destabilisierung kolonialer Herrschaft undwestlicherHegemonie.52
DaszweiteBeispielbeziehtsichaufdieTouris-musindustrie:eineIndustrie,dieindemRufsteht,die lokaleBevölkerungals touristischeAttraktio-nenzuverkaufen,allesihrerMarktlogikzuunter-werfen und darüber hinaus die besuchten Men-schen in ihrer Ursprünglichkeit zu „verderben“.OftschwingtindiesenUrteileneinPaternalismusmit,derdieansässigeBevölkerungexotisiertundinfantilisiert: DieMenschen in den so genanntenEntwicklungsländern werden als Opfer des Tou-rismus dargestellt, die keinerlei Mitspracherechtoder Gestaltungsmöglichkeit haben. Es soll andieser Stelle nicht ignoriert werden, dass struk-turelleMachtungleichheiteneineAbhängigkeitimTourismushervorbringen,diekritischzubetrach-ten ist. Dennoch soll folgendes Beispiel zeigen,wiesichStrandverkäuferinneninIndienaktivundselbstbewusst in der Marktlogik des Tourismusverorten,wie siediesevon innenverändernundsomit als Gestalterinnen und Pro�iteurinnen desTourismushervorgehen.
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Während eines Strandurlaubes in Goa/Indienmachte icheineBekanntschaft, diedenhybridenUmgang mit kulturellen Ordnungen gut zu ver-deutlichen vermag. Es war zu Beginn der Hoch-saison. Die meisten Unterkünfte waren belegtund jeden Tag kamenmehr Touristen an. Gleichbeimeinem ersten Strandspaziergangwurde ichvonvielenVerkäuferinnenangesprochen,dieeineguteÜbersicht über dieNeuankömmlinge zu ha-benschienen.SieludenmichinihreStrandbudeneinoderpräsentiertenmir ihreWaren,diesie ineinem Beutel mit sich herumtrugen. Die Frauensprachen alle ein ausgezeichnetes Englisch. DieArbeit schien gut durchorganisiert zu sein, jedehatte ihren ausgewiesenenGeschäftsbereich undihrespeziellenAngebote.MeineersteReaktionaufihreAnsprachenwarAblehnung:ichwolltenichtskaufenunddementsprechendauchkeinenSmall-talk halten, von dem ich überzeugt war, dass ernureinZielhatte:dasGeschäft.AlsogingichdenFrauenzuBeginnausdemWeg,verschanztemichmitstarremBlickinmeinBuchodermitzielstre-bigen Schritten insWasser. Nach ein paar TagenkamichdennochimmerwiederinsGesprächmiteinerderFrauen.SienanntesichLola,warumdiezwanzigundhatteeinenkleinenSohnundeinenMann.SiekamimmerwiederzumirandieLiege,wir saßenzusammenunderzählten,oderbessergesagt, erzähltemeistens sie. Ich erfuhr, dass sienurzurSaisonnachGoakamundbereitsanver-schiedenenSträndengearbeitethatte.GenauwiediemeistenanderenFrauenwohntesieeigentlichimNachbarstaatKarnataka,wosieinderNeben-saisonaufdemFeldarbeitete.SieerzähltemirvonihrerFamilieundvon ihremGeschäft–sehrver-trautundpersönlich.Ichgenosses,mitihrZeitzuverbringenundhattedasGefühleinbisschenüberdieStrukturenhinterdemvermeintlichenStrand-paradies zu erfahren. Sie machte den Eindruckeinersehrselbstbewusstenundre�lektiertenFrau.Ichkonntesieüber ihrVerhältniszudenTouris-ten fragenundsieerzähltemirvongewonnenenFreunden,dieimmerwiederkämenundihrPost-kartenschickten.Sieerzähltedasstolzabernicht
sehnsüchtig. Ich konnte mir auch vorstellen, siein Zukunft wieder zu besuchen, gemeinsam Zeitzuverbringenundzuplaudern.KurzvormeinerAbreisebatsiemich,dochnochmalinihrenShopzu kommen, oder ihr zumindest einige Dinge zuhinterlassen,dieichnichtmehrmitnehmenwollte,Shampoo,Duschgel,Klamotten,etc.IhreBittetrafmichwieeinSchlag,hatte ichmichdochsoübereinen freundschaftlichen nicht-geschäftlichenKontaktgefreut.Ichbedauerteeshäu�iginIndien,dass es mir nicht gelang, freundschaftliche Kon-takte zu Inderinnen oder Indern aufzunehmen.Wahrscheinlichgingesnichtnurmirso.Nachdemichenttäuschtwar,schlechtenGewissensihraberdennoch irgendwas abkaufte und ihr tatsächlicheinpaarKleinigkeitendaließ,verließichdenOrt.IchdachteseithervielübermeineBegegnungmitLolanach(einNameübrigens,densiesichselbstgab,nachdemsiederAuffassungwar,dassTouris-tenihrenNamennichtaussprechenkönnen,odervielleichtauch,weileralsMaskeihrePrivatsphäreschützte).
Lolas Motivation, mit mir in Kontakt zu kom-men, kann ichnicht einschätzen.MöglicherweisewarenesauchfürsieangenehmeUnterhaltungen,undsielerntemichebensogernekennen,wieichsie.WasichjedochdurchmeineReaktionaufunse-reBegegnungweiß,istdassesihrgelungenist,miretwaszuverkaufen.Wennmansowill,könntemanihreHandlungalsVerkaufsstrategieinterpretieren.DasBedürfnisderTouristinnenundTouristen,je-mandausderlokalenBevölkerungkennenzuler-nenundhinterdieKulissendertouristischenOrtezu blicken, hat sie offenbar erkannt und sich zuNutzengemacht.DabeihatsiedieBeziehungvonAnfangangelenkt,siekamzumir,wannsiewollte,ging,wannsiewollteunderzählte,wassiewollte.ObestatsächlichprivateDetailsausihremLebenwaren, die siemir erzählt hat, spielt keineRolle.Entscheidendwar,dassichdachte,siewürdesichmiranvertrauen.SieverkaufteimEndeffektnichtnureinenRockundeinpaarOhrringe,sondernsieverkaufte dazu eine Geschichte. Steffen Schülein
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53Weiterführendzuempfehlen:Schülein(2004)
würde das die „Inszenierung der Hinterbühne“nennen.53Hättesiediesnichtgetan,hätteichmitSicherheitnichtsvon ihrgekauft.Obwohl ichmitmeinen westlichen Privilegien, mit meinen öko-nomischenRessourcenundmeinen„unendlichen“Möglichkeiten, die Welt zu bereisen, kam, bliebmir Lolas Lebenswelt mitsamt ihrem wirklichenVornamenverschlossen.DiemächtigeTourismus-industrie,gesteuertvondengroßenUnternehmen,dieauchinGoapräsentsind,vermochteesnicht,inihrenWirkungskreiseinzudringen.Was hat das nun mit dem praxisorientierten
Kulturbegriff, Kreolisierung oder Hybridität zutun?DerTourismus istnebenderMigrationeineglobaleKraftderMobilität.Aucherträgtzurkul-
turellen Globalisierung bei, indem er Menschen,Ideen,GüterundInformationenwandernundsichbegegnen lässt. IndiesenBegegnungenprodu-zieren Menschen neue „hybride“ kulturelleOrdnungen, in dem sie ihr Repertoire mit demneuerlerntenkombinieren,ergänzenodermodi-�izieren. Lola hat diesbezüglich eine erfolgreicheGeschäftskultur sowie eine besondere Art derinterkulturellen Kommunikation in touristischenBeziehungen entwickelt. Sie unterscheidet sichdarüber hinaus vom traditionellen Frauenbild inIndienundbeein�lusstdadurchihreGeschlechter-kultur,ohnenach„westlichenLebensmodellen“zustreben.
Kultureller Wandel ist als wesentlicher Be-standteil von Kultur zu verstehen und nicht alsAusnahme in einem Gefüge stabiler und homo-gener kultureller Einheiten. Kulturelle Identitä-ten und Zugehörigkeiten werden in öffentlichenDiskursen jedoch weiterhin statisch gedachtund von bestimmten territorialen Herkünftenabgeleitet. Dadurch werden Menschen auf ihreHerkunftskultur festgelegt. Die hohe MobilitätvonMenschenstelltdieseVerknüpfung jedoch inFrage und verlangt neue Perspektiven auf kultu-relle Identität und Zugehörigkeit. Während vorallemindenMigrationsdebattenMobilitätmitderMetapher der Entwurzelung und der kulturellenZerrissenheitproblematisiertwird, fragenSozial-wissenschaftlernachdemUmgangmitMehrfach-zugehörigkeitendurchAkteurinnenundAkteure.Dabeistellensieeinen�lexiblen,produktivenundstrategischen Umgang mit verschiedenen kultu-rellenRepertoires fest,die fürdiePositionierunginnerhalbsozialerRäumeeingesetztwerden.Die-sesozialenRäumekönnenjedochnichtaußerhalbvonMachtstrukturengedachtwerden.Dominante
Diskurse,indenenMigrantinnenundMigranteninethnischen,nationalenoderreligiösenKategorienunterschiedenundvonderMehrheitsgesellschaftabgegrenzt werden, beein�lussen Strategien undPraktiken der Zuordnung und Abgrenzung mi-norisierter Subjekte. Dennoch entwickeln diesewiderständigePraktiken,mitdenensiediedomi-nantenZuschreibungenfürsichnutzen,unterwan-dernoderaußerKraftsetzen.DiePerspektiveaufdenMenschenalsAkteur,derdurchseinHandelnkulturelle Bedeutungen innerhalb spezi�ischerkultureller Sinnhorizonte immer wieder neu in-terpretiert und dadurch modi�iziert, legt nahe,KulturalsdynamischenProzessundalsPraxisderSinnstiftungundderPositionierungzube-trachten.DieTatsache,dasssichMenschenkultu-relleIdentitätenkonstruieren,undsichdabeiausvielfältigenterritorialen,kulturellenundsozialenBezügen „bedienen“, die eine globalisierte Weltdurch transnationale Bewegungen und Vernet-zungen bereithält, stellt die Deckungsgleichheitvon lokalerKultur undTerritorium in Frage undverlangt,Kultur(en)undihreVerortungneuzu
Zusammenfassung
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54 Römhild, Vertovec, et. al. (2009). Diese Expertise wurdeim Auftrag des Amts für multikulturelle AngelegenheitenderStadtFrankfurtamMainalsGrundlagenarbeitfürdasimHerbst 2010 von der Stadtverordnetenversammlung verab-schiedete Frankfurter Integrations- und Diversitätskonzept
erstellt. (Magistrat der Stadt Frankfurt am Main. DezernatXI-Intergration(2011)55Vertovec,Römhildet.al.2009:3156Ebd.S.22
überdenken.Darausfolgtschließlich,dassKulturalseinProduktausder(auchkon�liktreichen)Begegnung kultureller Ordnungen und Syste-
me verstanden werden muss, dass sich ständigverändertundsomithybridist.
BeispielFrankfurt:DieGlobalCityundihreSuper-Diversität
Frankfurt, das stellt einewissenschaftlicheEx-pertise von Römhild und Vertovec, sowie einemTeam von Frankfurter KulturanthropologinnenundKulturanthropologenheraus54, isteineStadt,diealldiebisherthematisiertenkulturellenDyna-mikeninhohemMaßerepräsentiert.AlszentraleCharakteristika fürFrankfurtnenntdieExpertisedie internationaleFunktionFrankfurtsals „Glo-bal City“, diehoheBevölkerungsmobilität, dieTransnationalisierung der Beziehungen, „Su-per-Diversität“ als besonderes Merkmal derZusammensetzungderBevölkerung, sowiedieEntstehung neuer Milieus und Szenen – auchjenseitsnationalerHerkünfte.GlobalCitywerdenStädtegenannt,dieimZen-
trumeinesneuartigen internationalenStädtesys-tems stehen. Sie konzentrieren Steuerungsfunk-tionen der Finanzdienstleistungen und weltweitzersplitterter Industrieproduktionen wie z.B.die Zentralen von Banken und internationalenKonzernen, wichtige Finanzmärkte und unter-nehmensnaheDienstleistungen. Frankfurt gehörtzu den herausragenden europäischen und inter-nationalen Finanz- und Dienstleistungszentrenundgiltalseinzige„GlobalCity“Deutschlands.DieökonomischeBedeutungder „GlobalCity“Frank-furtalseuropäischesund internationalesFinanz-und Dienstleistungszentrum ist eng verbundenmit Einwanderung, einer hohen Mobilität derBevölkerung und kultureller Dynamik. 40% derStadtbewohner(undüber60%derunter6-Jähri-gen)habeneinenMigrationshintergrund,unddie
gesamteBevölkerungderStadtweistimHinblickaufHerkunft, sozialeZusammensetzungundkul-turellePluralitäteineaußerordentlicheDiversitätauf.Mobilität undMigration bedeuten allerdings„nicht nur den „Import“ unterschiedlicher kul-tureller Orientierungen, sondern vor allem auchdieWeiterentwicklungundNeuer�indung vonKultureninderBegegnungmitAnderen“55.Dieökonomische Globalisierung der Wirtschaftsme-tropole und die kulturelle Dynamik der Einwan-derungs- und Wissensmetropole sind unbedingtalsmiteinander verschränkte Prozesse zu sehen,welche nicht nur die Bevölkerung insgesamt be-treffen sondern auch sehr viel stärker als bisherzusammengedachtwerdenmüssen.56
MitwelchemVerständnis vonKultur undwel-chen adäquaten Begriffen und Konzepten kannmaninwissenschaftlichen,aberauchininterkul-turellen Trainingskontexten dieser Komplexitätgerecht werden? Um die kulturelle PluralitätFrankfurts zu erfassen, muss die außerordent-liche Mobilität der Frankfurter Bevölkerungmitgedacht werden. Nicht nur die Fluktuationender Bevölkerung durch Zu- undWegzüge, sowiedurch Pendler und durch stadtinterne Mobilitätvervielfältigt die kulturelle Diversität der Stadt,sondernebensodietransnationalenBeziehungen,die Frankfurterinnen und Frankfurter zu Ortenaußerhalb Deutschlands p�legen. Die Lebensrea-litätvonMigrantinnenundMigrantenistheuteinhohemMaße dadurch geprägt, dass sie in ihremAlltag vielfältige ökonomische, soziale, politische
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57MagistratderStadtFrankfurtamMain(2010):S.358Vertovec entwickeltedenBegriffder „Superdiversity“, umdamitdiekomplexeVielfaltempirischbeschreibenzukönnen,
die sich in einigenGroßstädtewie z.B. Londonund auch inFrankfurtamMainentwickelthat.Vgl.Vertovec(2007).
und kultureller Beziehungen zuOrten außerhalbDeutschlandsunterhalten.BegünstigtwerdendasLeben in grenzüberschreitenden Alltagsweltenund die Aufrechterhaltung von transnationalenNetzwerkendurchneue Informations- undKom-munikationstechnologienundgünstigeTransport-möglichkeiten.Transnationalvernetztsindselbst-verständlich auch die Anbieter und Nutzer derinternationalen Dienstleistungsunternehmen der„GlobalCity“Frankfurt.Geradeineinerinternatio-nalenStadtwieFrankfurtgehörentransnationaleBewegungen und Beziehungen aber auch längstzum beru�lichen und/oder privaten AlltagslebenvonFrankfurterinnenundFrankfurterndeutscherHerkunft.FamiliäreBeziehungeninsAusland,Fe-rienhäuser, geschäftliche Kontakte etc. lösen dieStadtalseinzigenkulturellenBezugspunktaufunddeutenaufeineVernetzunglokalerAkteureund Strukturen in transnationale Netzwerkehin. DieNotwendigkeit für ein dynamisches Ver-ständnis von Kultur und kultureller Identität in-nerhalbsolcherkomplexerZusammenhängeliegtaufderHand.
Folgendes Zitat aus dem Integrations- undDi-versitätskonzept der Stadt Frankfurt beschreibtdie aktuellen gesellschaftlichen, politischen undwirtschaftlichenDynamikenderStadtso:„AlseinKnotenpunkteinerneuen,globalenStäd-
testruktur, als typische Einwanderungsstadt undalsdeutscheBürgerstadtbegegnenundüberlagernsichinFrankfurtheuteeineVielzahlsozialerLagen,Berufswege,BiographienundZugehörigkeitsgefüh-le. Frankfurt ist nicht nur eine Stadtmit Einwoh-nerinnen und Einwohnern aus über 170 oder 180Nationen:EinsolcherBlickaufnationaleHerkunfts-gruppenverdecktnichtnur,wievieledieserStaatenselbstdurchgroßeUnterschiedeundBevölkerungs-gruppen geprägt sind. Er übersieht außerdem diezunehmendeMischung nationaler oder ethnischerGruppen in Frankfurt sowie ihre innere kulturelle,
religiöse und soziale Differenzierung in eine Viel-zahlurbanerMilieus.DieseDifferenzierungnimmtzu,und solcheUnterschiedekönnen fürdenAlltagder Menschen und ihre tatsächliche Orientierungrelevanter sein als eine ehemalige Herkunft ihrerFamilie:StädteverändernsichdurchMenschenundStädteverändernMenschen.“57
DieBevölkerungszusammensetzungFrankfurtsweist hinsichtlich ihrer hochgradigen Differen-ziertheitbesondereQualitätenauf,dievonVerto-vecmitdemBegriffder„Super-Diversität“gefasstwurde58.Vertovecbetontdamit,dassesnichtnurumVielfalt, sondernebensoumUnterschiedlich-keitinderEinwanderungsgesellschaftgeht.Dieseerschöpft sichnicht inderBeschreibungdesZu-sammenlebensverschiedenerNationalitäten,bzw.Ethnien oder pauschal von Deutschen und Aus-ländern. Eine Betrachtungsweise entlang solcherKategorienaufeinevielfältigeGesellschaft,würdeandertatsächlichenkulturellenKomplexitäteinerStadtwieFrankfurtvorbeigehen.DerBegriffderSuper-Diversität beschreibt diese KomplexitätundProzesshaftigkeit, die globale Städte kenn-zeichnenundberücksichtigtdabeifolgendeFakto-ren:(1)DieBevölkerungvonGlobalCitieszeich-net sich durch eine zunehmende Vielfalt vonHerkunftsländernund-kulturenaus.FrankfurtistnichtnurvondengroßenGruppenderklassi-schen Arbeitsmigration geprägt, sondern durcheinegroßeZahlkleinerundkleinsterGruppenausaller Welt. (2) Die jeweiligen Einwanderergrup-pen zeichnen sich wiederum durch eine innereHeterogenität aus, unddienationalenGruppen-zugehörigkeiten überlagern sich mit anderenUnterschieden wie unterschiedlichen sozialenLagen,Rechtsstatus,ethnischerZugehörigkeit,Sprachen, Religion, Geschlechtszugehörigkeit,Alter,Schichtzugehörigkeit,Schulbildung,beruf-lichenQuali�ikationen,regionalenundlokalenIdentitäten, kulturellen und subkulturellen
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59DerBegriff„Diskurs“nachMichelFoucaultbeschreibtnichtnur eine durch sprachliche Äußerungen vollzogene Debat-te, sondern Prozess, in dem durch Sprache, Bilder, Gesten,Objekte, institutionelle Abläufe etc. ein bestimmtesWissenerzeugtwird.DiesesWissenkonstituiertsichinInstitutionenundPraxenalsWirklichkeit,d.hesbeein�lusstnichtnurMei-nungenoderGeschichten, sondern reguliert die Lebenswelt
der Menschen, indem Gesetze, Normen und institutionelleAbläufe installiert werden. Diskurse erzeugen, verbreitenundverändernWissenüberetwas, zumBeispielüberZuge-hörigkeit.Dabei sind sienichtunabhängig vonbestehendenMachtverhältnissenzubetrachten,ausdenensiehervorgehenunddiesiereproduzieren.Foucault(1991).
WertenundPraktikenetc.DieReduktionaufna-tionaleHerkunftsgruppeneinschließlichderdeut-schenverdecktundverhindertdieWahrnehmungvon kulturellen und sozialen Überschneidungenjeweils von nationalen und ethischen Grobkate-gorien diese inneren Differenzierungen. (3) DieMigrationspfadederZuwanderungdiversi�izie-rensichebenfalls.SiesinddurchunterschiedlicheMotivationen der Migration (Arbeitsmigration,Flucht und Asyl, Bildungsmigration etc.), sowiedurch unterschiedliche Zugangswege und Mobi-litätsformen (z.B. Pendelmigration) bedingt. Und(4) Es ergeben sich höchst unterschiedlicheLebenssituationen,NetzwerkeundMilieus,die
unabhängigvonnationalenoderethnischenGrup-pierungenentstehen.
DieseSuper-Diversitätwidersprichtzumeinendem ethnisierenden Kulturverständnis, weil sieaufzeigt, wie vielschichtig, kontextabhängig undwandelbar soziale Organisationsformen sind.Gleichzeitig verdeutlicht sie, inwiefern die Glei-chungKultur=Herkunftvielzukurzgreift,wennsie Zugehörigkeits- und Abgrenzungspraxen er-klärenwillunddamitmigrationsgesellschaftlicheDynamiken innerhalb einer StadtgesellschaftwieFrankfurtethnisiertundkulturalisiert.
DieMachtdimensionenvonKultur
IndenSozial-undKulturwissenschaftenwurdeseitden1970erJahrenunteranderemdurchdenPhilosophen und Historiker Michel Foucault, so-wiedurchVertreterinnenundVertreterderCultu-ralStudiesundderPostkolonialenTheoriezuneh-mend der Machtbegriff innerhalb der Kulturde-batten thematisiert. Die AuseinandersetzungmitMachtundKulturhatzueinerKritikanveraltetenKulturkonzepten geführt, die derenWirkung aufNormativitätsdiskurse59, auf gesellschaftlicheHerrschaftsverhältnisse und auf Selbst- undFremdverständnisse problematisiert. Gleich-zeitig werden die Möglichkeiten eines oppositi-onellen Gebrauchs von Kulturpraktiken undDiskursen durch minorisierte Akteurinnen undAkteure(inderpostkolonialenTheorieSubalternegenannt) zunehmend untersucht. Im Folgenden
soll also, nachdem nun verschiedene Argumenteund Diskussionen im Zuge eines sich erweitern-den und dynamisierenden Kulturverständnissesvorgestellt wurden, mit einem Einblick in diepostkoloniale Theorie explizit auf eine politischeDimensiondesKulturverständnisseseingegangenwerden.EswirdzumeinendieFragegestellt,auswelchenhistorischtradiertenMachtverhältnis-sendasimmernochwirksameethnisierendeundessentialisierende Kulturverständnis hervorgehtund welche Interessen es bedient. Zum anderensoll aus dieser historischen und postkolonialenPerspektiveherauseinRaumeröffnetwerden, indemneueVerständnissevonKulturundkultu-rellerIdentitätinihrerkon�liktreichen,wider-sprüchlichenundkonstruktivenProzesshaftig-keitverstehbarwerden.
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60 Über die Heterogenität postkolonialer Diskurse siehe Ha(2007b)61FürdenbritischenKontextistu.a.derSoziologeStuartHallzu nennen, der als Begründer der Cultural Studies gilt. Diean US-amerikanischen Universitäten lehrenden TheoretikerGayatriChakravortySpivakundHomiK.Bhaba,sowiederLiteraturtheoretiker Edward Said gelten als MitbegründerderpostkolonialenTheorie.62Siehez.B.Steyerl/GutiérrezRodríguez(2003)
63Ha(2007b),S.4164 „Die wichtigsten Elemente des Migrationsregimes sind dieAsyl- und Ausländergesetzgebung, die als Kontroll-, Regulie-rungs-undAbschreckungsinstrumentedieMöglichkeitvonMi-grationnachDeutschlandunddieverschiedenenRechtssituati-onenderFlüchtlinge,MigrantinnenundMigranten festsetzenunddurchAusländerbehörden,ArbeitsämterundSicherheitsbe-hördenumgesetztwerden.“Zin�lou(2007),S.5765Hall(1992)
Der„Westen“undder„Rest“oderwersindeigentlich„dieAnderen“?
DieAuseinandersetzungmitkulturellenUnter-schiedenoderDifferenzen–sowiesieTeil inter-kultureller Trainings ist – setzt eine Selbst- undeineFremdwahrnehmungvoraus,dienichtaußer-halbvonsozialen,historischenundinstitutionellenKontexten und darin bestehendenMachtverhält-nissenbetrachtetwerdenkann.DiesenKontextenwidmensichverschiedenekritischeWissenschaft-lerinnen undWissenschaftler aus der Soziologie,derAnthropologie,derPolitologieundvielenande-renauch interdisziplinärenSozialwissenschaften,die sich einer postkolonialen Perspektive60 ver-p�lichtetfühlen.FürdendeutschenKontext61wirdimFolgendenvorallemderPolitologeKienNghiHarezipiert,wobeieszunehmendmehrWissen-schaftlerinnen undWissenschaftler gibt, die sichmitderFragebeschäftigen,wiemandieausdemanglophonen Wissenschaftskontext stammendenpostkolonialenStudienaufdendeutschenKontextübertragen kann.62 Dabei geht es unter anderemum die Frage, inwiefern die Arbeitsmigrationeine Folge der „postkolonialen Konstellation“ist,dasheißt„AusdruckeinerungleichgewichtigenGlobalisierung, die nicht zuletzt durch kolonialeExpansionen,historischeUngleichheitsstrukturender kapitalistischenWeltökonomie, geopolitischeDominanzenundsozialeKon�likteforciertwird.“63Gleichzeitigwirdderwirtschaftliche,politischeundinstitutionelleRahmenderMigrationnachDeutschland (manifest im Migrationsregime64)als Fortführung kolonialer Praktiken kritischanalysiert. Ein zentrales Interesse postkolonialerTheorieistes,überdieAnalysederpostkolonialenMachtverhältnisse die daraus hervorgehendenPraktiken,sowohlderUnterdrückungalsauchdesWiderstandeszuuntersuchen.
EinwesentlicherAngelpunktderKritiksinddiePraktikenderUnterscheidung,überdieDiffe-renz zwischen ungleichen Interaktionspart-nern hergestellt wird. Es wurde in diesem Zu-sammenhangbereitsüberEthnisierungspraktikengesprochen, dienunnoch einmal historischkon-textualisiertwerden.DieUnterscheidungin„Wir“unddie„Anderen“hateinelangeTraditionundistTeil der Ausbildung kultureller, nationaler oderethnischer–alsokollektiverIdentitäten.HallholtweitinderGeschichteausunderklärt,wiesichimLaufe der letzten Jahrhunderte einDiskurs etab-lierte,derdieseWir/Sie-UnterscheidunganhandderUnterscheidungzwischendem„Westen“unddem „RestderWelt“vornimmt.65Dabei beziehtsich „Westen“nichtauf eine räumlicheodergeo-gra�ischeDimension,sondernvielmehraufeinenKomplex von Vorstellungen und Bildern, die einbestimmtes Gesellschaftsmodell repräsentieren.Hall bezeichnet den „Westen“ als ein „Konzept“,nachdemGesellschaften inKategorien eingeteiltwerden. Dieses Konzept dient dazu, Gesellschaf-tenmiteinanderzuvergleichenundzubewerten.Bilder,diemitdemKonzept „Westen“verbundensind, sind u.a. Industrialisierung, Urbanisierung,Entwicklung, Kapitalismus, Säkularisierung undModerne. Diese Bilder stehen einem KomplexvonNegativbilderngegenüber,diemitdem„Rest“verbundenwerden,soz.B.Unterentwicklung,Tra-ditionoderRückschrittlichkeitoderauchmitexo-tisierendenBildernwieWildnis,Ursprünglichkeit,Natürlichkeit.Hallbeschreibt,wiedieeuropäischeExpansionunddie langeundgewaltvolleKoloni-algeschichtedazuführten,dasssich„derWesten“als gesellschaftliche Ideologie ausbildete, diesichgegenüberdem„RestderWelt“alsüber-
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66Siehez.B.Ha(2004),Ha(2007),Steyerl/GutiérrezRodríguez(2003)67Weiterführend:IbnWarraq(2007)68IndeutscherÜbersetzung:Said(2009).DieVeröffentlichung
desBuchesgiltgemeinhinalsderBeginnderpostkolonialenStudien(Ha2007b).69Spielhaus(2011)70Ha(2004)
legene und herrschende Gesellschaftsformdarstellte, um die Ausbeutung der Kolonien zulegitimierenunddieeigeneVormachtstellungalsprosperierendeGesellschaftzusichern.Der„Rest“wurdedurchdeneurozentrischenBlickalsalldasrepräsentiert, was der „Westen“ nicht war undgegendasersicheineIdentitätau�bauenkonnte.EshatsicheinDualismusetabliert,derzweiKon-strukteantagonistischgegenüberstellt,diegleich-zeitig voneinander abhängen. In ähnlicherWeiseistauchdiehäu�igformulierteUnterscheidunginSüdenundNordenalsKonstruktionzubetrachten.DieseKonstrukteunddiemitihnenverbundenenVorstellungenundWertigkeitensindengmitAn-sprüchen und Praktiken der Macht verwobenundbisheute inmigrations-und integrationspo-litischen Kontexten wirksam.66 Dabei ist zentral,dass entsprechende Diskurse um Migration undIntegration, die diese Konstrukte immer wiederreproduzieren, stark vereinfachen. Sie repräsen-tieren etwas als homogen („der Westen“, „west-liche Mentalität“, „westliche Lebensweise“), daseigentlich in hohem Maße heterogen ist. Damitwerden Stereotype etabliert, die zur Grund-lagevonUnterscheidungenundBewertungenwerden.
DerLiteraturtheoretikerEdwardSaidbeschäf-tigtesich1978 inseinembekanntenundbiswei-len umstrittenen67 Werk „Orientalism“ dezidiertmitderFrage,wieder„Orient“alsGegenentwurfzum „Westen“ diskursiv konstruiert wurde undwiedadurchbestimmteBilderundVorstellungenbisheutegeprägtsind.68SaidsKritikbeziehtsichexplizitdarauf,dassdieserKonstruktionsprozessnicht interesselos zubetrachten ist.Vielmehr seidurch „westliche“ Repräsentationen des „Mor-genlands“ eineUnterscheidungzum „Abendland“getroffenworden,diezurStabilisierungder„west-lichen“ Überlegenheit über den „Osten“ führte.DieserDualismuszwischen„Westen“und„Nicht-
Westen“kannindenDebattenumMigrationundIntegration auf den Diskurs um kulturelle Diffe-renzenübertragenwerden.DieHomogenisierungundStereotypisierungvomkulturell„Anderen“als„nicht-westlich“unddiedominanteRedevomals„westlich“ markierten christlich-jüdischen oderchristlich-abendländischen „Kulturkreis“69 folgtdieser dualen Denkstruktur und hängt ebenfallsmit der Verteilung von und demKampf umRes-sourcenundPrivilegienzusammen.70
DieDe�initiondes„Anderen“erfolgtmeistüberdie Feststellung und Problematisierung „seiner“kulturellen Differenz. Kulturelle Differenzenwerden inderZuwanderungs-oder Integrations-debatteoftalsArgument fürdenZugangzuoderdenAusschlussvonbestimmtengesellschaftlichenRäumenherangezogen.DaistdieRedevonkultu-rellen Unterschieden, häu�ig anhand vonWertenundNormende�iniert,dienichtmiteinanderver-einbarseien,besondersvirulentindersogenann-ten„Islamdebatte“.MiteinemessentialisierendenKulturverständnis wird dann darauf verwiesen,dass „die eben anders sind“. In Alltagsdiskursenwird selten hinterfragt, wer eigentlich mit „dieAnderen“gemeintist,undvonwemgenausiesichunterscheiden. Genausowird auch selten hinter-fragt,wasgenaudieislamische,diechristliche,dieabendländische,diewestliche,dietürkischeodersonstigeKulturüberhauptist.Stattdessenscheinteseinencommonsensedarüberzugeben,wessenKulturals„fremd“betrachtetwirdundwessenals„normal“,welche„wir“teilen(wollen)undwelchekeinenlegitimenPlatzinDeutschlandbekommendarf–kurz,werzurMehrheitsgesellschaftmitallihrenPrivilegiengehörtundwernicht.Ausdiesemcommon sense geht eine große gesellschaftlicheAkzeptanz für die ungleiche Behandlung vonMigrantinnen und Migranten, ebenso, wie eineToleranz gegenüber kulturalisierenden und ras-sistischenStruktureninsozialen,politischenund
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institutionellenRäumenderGesellschafthervor.71DiepostkolonialeTheoretikerinGayatriChakra-vortySpivakprägtedenBegriff„Othering“72mitdem sie den Konstruktionsprozess beschreibt,durchdendie„Andern“–alsodiekulturell„Frem-den“und„Nicht-Zugehörigen“–innerhalbvonhe-gemonialenDiskursenhergestelltwerdenundzurAbgrenzung der eigenen Identität dienen. DieserUnterscheidungsmechanismus ist Grundlage fürdiskriminierende und rassistische Feindbilder,weil er innerhalb eines Feldes operiert, in demsich Gruppen und Menschen unterschiedlicherDe�initionsmacht gegenüber stehen. Das heißt,nicht jeder Mensch verfügt in gleichem MaßeüberdieMöglichkeit,sichalszugehörigzurMehr-
heitsgesellschaftzupositionierenundalssolcheranerkannt zu werden, ungeachtet dessen, ob errechtlich– sprichdurchseineStaatsbürgerschaft–zugehörigist.73
DiesedemPostkolonialismuszuzuordnendenÜberlegungen hinterfragen die grundlegendenKonzepte und Kategorien unseres Denkensüber Kultur: Es geht nicht mehr darum, zu be-stimmen,weroderwasfremdoderandersist,wiemandamitumgehtundobKulturAundKulturBmiteinandervereinbarsind.Esgehtdarum,zuhin-terfragen,durchwelcheProzessedie„Andern“überhaupt zu „Andern“ werden und welcheMachtverhältnissedamitzusammenhängen.
71 So gefährdete Roland Kochs Wahlkamp�kampagne 1998/99 gegen die Neuregelung des Staatsbürgerschaftsrechtszu keinem Zeitpunkt sein politisches Überleben, obwohldie Kampagne offensichtlich an solche Diskurse anknüpfte.StattdessengewannerdamitdieWahlundnahmdasRisiko,rechtsextremen Gruppen zuzuspielen und ihr Gedankengutsalonfähigzumachen,inKauf.Zin�louschreibtdazu:„Ineinervermeintlichmutigen Offenheit zeitweise anknüpfungsfähigfür rassistische Positionen zu sein, gehört innerhalbdes bundesrepublikanischen Mehrheitsdiskurses zumStandardrepertoire.“ Die Kritik an rassistischen Ideologiensei,soZin�louweiter„einBausteinimeinkalkuliertenSturmderEntrüstung,anhanddessendierisikolosmitrassistischenPositionen kokettierenden Akteure der gesellschaftlichenMitte ihren „politischen Mut“ konstruieren.“ (Zin�lou
(2007); S. 55f) Ebenso können Thilo Sarrazins rassistischeÄußerungen seines Buches „Deutschland schafft sich ab“eingeordnet werden. Während den Kritikern vorgeworfenwurde,Probleme tabuisierenzuwollen,erfuhrseinBuch inderMedienlandschafteinebreiteAufmerksamkeitundwurdezumBestseller.72EsgibtkeineEinigkeitumeinedeutscheÜbersetzung.Teil-weisewirdOtheringmit„Veranderung“übersetzt.73CastroVarela/Dhawan(2005)74DerRassismusbegriffisteinkomplexerundvieldiskutierterBegriff,derteilweiseunscharfundbeliebigverwendetwird.Für eineAnalyse des Rassismusbegriffs und seinermehrdi-mensionalenBedeutungundWirkkraftsiehez.B.Terkessidis(2004),Zin�lou(2007),Kilomba(2008)75zit.Hall(2000),S.7
TeildespostkolonialenDiskurses ist eineAus-einandersetzungmitMechanismenderDiskrimi-nierung,derUnterdrückungundderAusgrenzungbestimmter, als „Andere“ markierter Gruppen,die in der Ungleichverteilung von Privilegien inder Einwanderungsgesellschaft von Bedeutungsind. ZentraleBegriffe, die zurBeschreibung sol-cher Mechanismen herangezogen werden, sindRassismus, Kulturalisierung, Kulturrassismusoder kultureller Rassismus. Wenn man Kulturals Praxis sozialer Ordnung versteht, die unterdenBedingungeneinerungleichenVerteilungvonMacht und Ressourcen vollzogen wird, dann istdieFragerelevant,welcheMechanismenindieserOrdnungspraxis greifen. Konkreter formuliert:nachwelchenPrinzipienwerdenwelcheGrup-pen vom Zugang zu ökonomischem, sozialem
und kulturellemKapital ausgeschlossen? Undwelche Rechtfertigung erfährt die Tatsache, dassbestimmte Gruppen zum Preis der Benachteili-gungandererihrePrivilegiensichernkönnen?MitdemBegriffdesRassismus74wirddieKlassi�izie-rung bestimmter Bevölkerungsgruppen anhandkörperlicher bzw. biologischer (phänotypischer)Merkmale bezeichnet, die als Grundlage für denAusschluss „vom Zugang zu materiellen undsymbolischen Ressourcen“75 dient. Dieser Me-chanismus knüpft damit an rassenideologischenÜberlegenheitsvorstellungen an und weist somiteine Kontinuität zur Geschichte der Kolonialzeitund des Nationalsozialismus’ auf. Die Begriffekultureller Rassismus oder Kulturrassismus er-weitern den Bezug auf phänotypischeMerkmalemitAusschlusskriterienanhandkulturellerMerk-
AusgrenzungsmechanismenundKultur
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76Kaschuba(1995)77Elverich/Reindlmeier(2009),S.3078Balibar(1989),S.373,zitiertinLeiprecht(2001),S.17279Frederickson(2011),S.1580„PositiveMaßnahmen“isteinBegriffausdem§5desAll-gemeinenGleichbehandlungsgesetz’.ErbezeichnetMaßnah-
men,diezumaktivenAusgleichstrukturellerUngleichheitenund damit zur Schaffung von Chancengleichheit eingesetztwerden.Vgl.Baer(2010)81Smykalla/Vinz(2011)82Elverich/Kalpaka/Reindlmeier(2009)
male.KulturalisierungbeschreibtdiePraxis,Men-schen ausschließlich auf ihre kulturellen Musterfestzulegenundsiedadurchzuentmündigenundauszugrenzen. Dabei spielt Kulturalisierung imKontext von Migration eine besondere Rolle. Esist einTrendauszumachen,nachdemsämtlicheökonomische,sozialeundpolitischePhänome-nemitKulturerklärtwerden,wasderEthnologeWolfgang Kaschuba als das „Verschwinden desSozialenimgesellschaftlichenDiskurs“76bezeich-net.Gleichzeitigistauffällig,dassMigrationimmerwieder automatisch mit Identität und Kultur inVerbindunggebrachtwird,ohnedasssozialeoderökonomische Faktoren herangezogen würden,wasmanalsKulturalisierungdesDiskursesbe-zeichnenkann.DiederKulturalisierungzugrundeliegendeVerwendungdesessentialisierendenKul-turbegriffsweistvieleÄhnlichkeitenmitdemKon-zeptder„Rasse“auf:DazugehörendieVorstellun-genderUnvereinbarkeit verschiedenerKulturen,derGlaubeandieReinheitvonKultur,derGlaubean die Unveränderlichkeit kultureller IdentitätenoderdieNaturalisierungkulturellerUnterschiede,dieinAusdrückenwie„imBluthaben“oder„kul-turelleWurzeln“besondersdeutlichwird.Elverichund Reindlmeier konstatieren sogar, dass derKulturbegriff, genauwiederBegriffder „Ethnie“,denRassebegriffnurersetzthabe,unddamitdiemitRasseverbundenenVorstellungenfortführe.77EtiènneBalibarprägtedenAusdruck „Rassismusohne Rassen“, „dessen vorherrschendes ThemanichtmehrdiebiologischeVererbung,sonderndieUnau�hebbarkeitderkulturellenDifferenzenist“.78Frederickson nennt es „kulturellen Rassismus“,wenn „Differenzen, die sonst als ethnokulturellebetrachtetwerden,fürangeboren,unauslöschlichundunveränderbarerklärtwerden.“79
EsgehtalsoumStrategienderHierarchisierunginGesellschaften,diesichauskulturellenÜberle-
genheitsvorstellungen dominanter Gruppen ge-genüber bestimmten Minderheiten rechtfertigenund denen ein essentialistisches Kulturverständ-nis zugrunde liegt. Die RechtswissenschaftlerinSusanne Baer weist darauf hin, dass ebenso dieReaktionenaufDiskriminierungundAusgrenzungauf ihr Kulturverständnis hin überprüft werdenmüssen. In Form der so genannten „positivenMaßnahmen“80 würden Gruppen aufgrund be-stimmter Merkmale homogenisiert, so Baer. Sienennt diesen Mechanismus Gruppismus undverweist damit auf die Gefahr, mit solchenMaßnahmenkulturelleDifferenzenzuessenti-alisieren.DiesepositivgemeintenReaktionenaufDiskriminierungundAusschlussstellendieKate-gorienrassistischeroderkulturalistischerDiskri-minierungnicht inFrage, sondernreproduzierensie. Es stellt sich also die Frage, wie stattdessen(auchbegrif�lich)mitderKomplexitätvonDiskri-minierungspraxenumgegangenwerdenkann,diesich entlangdiverserDifferenzlinien (Geschlecht,Sexualität,Religion,soziale,nationaleoderethni-scheHerkunft)ausdrücken.HierkannderBegriffder Intersektionalität hilfreich sein, diskutiertunterandereminderVeröffentlichung„Intersekti-onalitätzwischenGenderundDiversity“81.Mitderintersektionalen Perspektive wird versucht,Formen gesellschaftlicher Ausgrenzung nichtmehr isoliert nebeneinander zu betrachten(also Diskriminierung aufgrund von GeschlechtoderHerkunftoderBehinderung),sondernÜber-schneidungen, Beziehungen und Zusammen-hängevonUnterscheidungskategorienimHin-blickaufDiskriminierung zuanalysierenundzubearbeiten.WichtigeDiskussionenüber einemacht-undrassismuskritischeBildungsarbeit imKontext der Einwanderungsgesellschaft sind u.a.indenAufsatzsammlungen„Spurensicherung.Re-�lexionvonBildungsarbeitinderEinwanderungs-gesellschaft“82 und „Rassismus bildet. Bildungs-
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83Broden/Mecheril(2010)84Melter,Mecheril(2010)85Anderson(1988)86 Die Ausbildung eines nationalen Bewusstseins wird aus-führlichimSammelbandBerding(1994)behandelt.87DasswirdiesesKonstruktalsgegebeneWirklichkeitauffas-
sen,hatnachLuckmannundBergermitsogenanntenObjek-tivierungsprozessenzutun:durchSpracheundgesellschaftli-cheInstitutionenwerdenkulturelleStrukturenexternalisiertund im Prozess der Sozialisation alsWirklichkeit internali-siert.WeiterführendBerger/Luckmann(1967)88Hamburger(2009),S.137
wissenschaftlicheBeiträgezuNormalisierungundSubjektivierung in der Migrationsgesellschaft“83,
sowie im Lehrbuch „Migrationspädagogik“84 zu�inden.
DieBehauptungethnischerund/oderkulturel-lerDifferenzalsPraxisderUnterscheidungbewegtsichindiesemkomplexenFeldderMachtungleich-heiten, des Otherings und der damit zusammen-hängenden Sicherung privilegierter Positionendurch Diskriminierung und Ausschluss. WennvonKultur,kulturellenIdentitäten,EthnizitätundZugehörigkeit gesprochen wird, dann ist eineEinordnung dieser Diskurse in den Kontext desNationalstaats aufschlussreich. Nationalstaatensind eine Er�indung derModerne, die eine neueFormderVergemeinschaftunggeschaffenhat:dasnationale Kollektiv. Um die innere Stabilität desStaateszugewährleisten,musstediesesKollektivsolidarisch seinundgemeinsame Interessenver-folgen. Es brauchte ein nationales Bewusstsein.InderErziehung,durchMedienundinderKunstwurde der nationalen Identität Konturen gege-ben: Eine gemeinsame Vergangenheit, nationaleHeldensagen und literarisch-intellektuelle eigeneTraditionenfügtensichzueineralshomogenima-ginierten Nationalkultur, die Benedict Andersonals „imagined community“85 bezeichnet. Dies istnatürlich eine stark vereinfachteDarstellung derHerausbildung des Nationenkonzeptes, welchesviel komplexer und keineswegs so mechanisch,linear und universell ist. 86 Trotzdem soll damitdeutlichwerden,dassdieNationunddamitauchdieNationalkultureinedurchdenMenschenkon-struierteEinheit ist.87Obwohl alsonationalstaat-liche Grenzen keineswegs natürlicher, sondernpolitischerArt sindund künstlicheGrenzen zwi-schenMenschenziehen(siehez.B.diewillkürlicheAufteilungdesafrikanischenKontinentsunterdenKolonialmächten,dieTeilungIndiensinden40er
Jahren oder die Bildung der NachfolgestaatenJugoslawiens), ist die Vorstellung einer natürlichgewachsenenundexistentennationalen Identitätverbreitet und die damit verbundene Emotio-nalität groß. Der starke Bezug auf die nationaleIdentitätzeigtsichauchinDiskussionenüberdieEinwanderungsgesellschaft,inderinternationalenZusammenarbeit und im Tourismus. Vermeint-lich nationale Kulturunterschiede sind in diesenKontexten ein beliebtes Thema. Entsprechendgründete die interkulturelle Pädagogik ihre klas-sische Methodik auf der Typisierung nationalerKulturstandards nachAlexander Thomas, dessentheoretisches Gerüst in einem späteren Kapitelnoch einmal diskutiert wird. Kulturen scheinensich imAlltagsdenken, inderBildungund indenMedien an den Staatsgrenzen voneinander zutrennen, trotz der oben geschilderten Praxis derGrenzeundtrotzGlobalisierung.DieLeitkulturde-batte zeigt,welcheVerunsicherungenesdarübergibt,wasdieeigeneNationalkulturüberhauptaus-machtundzeugtdarüberhinausvomstarkenBe-dürfnis, diese inAbgrenzung zuallemmöglichen„Fremden“docheinfürallemalklarzude�inieren.Die gesellschaftliche Realität der kulturellen Di-versität, entstanden durch Migration, TourismusundMedien,istalsoanscheinendkeineswegsdas,wasinunsererGesellschaftalsNormalzustandge-sehenwird,sondernscheintalsHerausforderungfür das kollektive Nationalbewusstsein wahr-genommen zu werden: Die Einwanderung nachDeutschlandwirdzurProvokationfüreinesichalshomogen wahrnehmende Nationalkultur.88 DieseNationalkulturwirdfortwährendanhandvonver-schiedenenAusschlussdiskursenundPraktikenals
DieVerteidigungdesNationalendurchdenAusschlussdes„Anderen“inderMigrationsgesellschaft
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89Ha(2007d)90Kaschuba(2007)
91z.B.www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,753953,00.html(Zugriff:10.07.2011).
Der Ethnologe Kaschuba verdeutlicht in sei-nem kritischen Aufsatz „Ethnische Parallelge-sellschaften? Zur kulturellen Konstruktion desFremden in der europäischen Migration.“90 von2007, inwiefern die öffentliche Diskussion umdie Parallelgesellschaftenkonstitutiver Teil desNationalisierungsdiskurses sind. Zuerst kriti-sierter,dassderBegriffnichtaufFaktenberuhe,sondernaufeinemKlimaderVerunsicherungundder Bedrohung, dem insbesondere der Islam alsFeindbild diene.Parallelgesellschaftenwürdenals Symbol für die negativen Folgen der Ein-wanderunginszeniertunddramatisiert.Versu-chemandenBegriff,seineBedeutungundseinenRealitätsbezug zu analysieren, �inde man wenigAnhaltspunkte für eine tatsächlicheExistenz vonParallelgesellschaften. Trotzdem würde in derÖffentlichkeit ein Szenario herau�beschworen, indem „Deutsche“ die Verdrängung „ihrer Kultur“durchdieInstallation„fremder“Systemefürchtenmüssen.Alsgefürchtete„Fremde“würdendiejeni-genMigrantinnenundMigrantenwahrgenommen,die aus einem sichtbar „fremden (meist nicht-christlichen)Kulturkreis“stammenunddenenun-terstelltwürde,dieIntegrationinden„deutschenKulturkreis“zuverweigern.LautKaschubaspeistsichdiesesSzenariovorallemauszweiEntwick-lungen: (1)Migrantenwürden zunehmend alskulturell „Fremde“ und nicht zur deutschenMehrheitsgesellschaft zugehörig wahrgenom-men:DieFragen,dieeinemhäu�igbegegnen,„Wo-herkommstdu?WelcheNationalität?“bestätigendieseSelbstverständlichkeit,mitderangenommenwird, dass Menschen mit bestimmten äußeren
Merkmalen nicht deutsch sein können. (2) DerIslamwürde seitdenTerroranschlägenvom11.September 2001 untrennbar mit Terrorismusund Bedrohung verknüpft. Die Forderung vonInnenminister Friedrich,Muslimverbände solltenstärker mit Sicherheitsbehörden zusammenar-beiten, kann als Ausdruck dieser Wahrnehmungverstanden werden. Politiker und einige Mus-limverbände äußerten scharfe Kritik, FriedrichwürdemitseinerForderungMuslimeuntereinenGeneralverdachtdesTerrorismusstellen.91EbensobestärkenbiometrischeFahndungsmethodenundeine restriktive Ausländerpolitik das Misstrauengegenüber Migrantinnen und Migranten (insbe-sondere gegenüber jenen mit bestimmten phä-notypischen Merkmalen). Es ist zu beobachten,dass rassistischeKategoriendie Sicherheits- undKontrollmaßnahmen prägen (also die Akzeptanzz.B. selektiver Polizeikontrollen von MenschenmitbestimmtenphänotypischenMerkmalen)unddieszunehmendmehrheitsfähigist.
Kaschuba hinterfragt die öffentlich geführtenDiskursekritisch,dieindensogenanntenParallel-gesellschafteneineBedrohungfürdie„christlich-freiheitlichen Grundsätze“ Deutschlands sehen.Stattdessenvermuteter,dassdieplötzlichePo-pularität des Politikums Parallelgesellschaftein integraler Teil der De�inition der „deut-schenKultur“inZeitenderGlobalisierungsei.WurdefrüherdienationaleIdentitätinAbgrenzunggegendieeuropäischenNachbarstaatenundderen„andereMentalitäten“ de�iniert, sowerden diesenationalen Bezüge durch die hohe Mobilität der
ParallelgesellschaftenunddieKonstruktiondermigrantischen„Anderen“
abgrenzbar,einheitlichundeindeutig„verteidigt“.Die jahrzehntelange Verweigerung der Anerken-nungDeutschlandsalsEinwanderungsland,sowiedas assimilative Verständnis von Integration alseinseitigeAnpassungan„diedeutscheKultur“unddaraus folgende pädagogisierende Maßnahmen
sindBausteinedieserVerteidigungsstrategiendesNationalen.89EbensotragendieDiskurseüberkul-turelleFremdheit–besondersdeutlichimBegriffder Parallelgesellschaft – zur Aufrechterhaltungder Homogenitätsvorstellungen der deutschenNationbei.
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92ZitiertinKaschuba(2007)93Terkessidis(2010),S.1394 Hall, der sich in seinen Forschungen auf den britischenKontext bezieht, verwendet denRassismusbegriff innerhalbderbritischenBegriffstradition.DerdarinenthalteneBegriff„race“muss im Unterschied zum deutschen Rassebegriff inseinerspezi�ischenVerwendung“imSinne(derBeschreibung)einer soziologischen Kategorie, einer ‚Community’ oder einessubjektivenZugehörigkeitsgefühls“(Terkessidis(2004),S.76)verstandenwerden.DieBegriffe „race“ und „Rasse“ können
also nicht einfach synonym verwendet werden, da sie „aufunterschiedlichehistorischeErfahrungenundEntwicklungenverweisen und im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext zuverstehensind.“Vgl.Mecheril/Melter(2010)S.151.95Hall,Stuart(2000),S.1496Rommelspacher(1995)97Hamburger(2009),S.7098DerBegriffwirdmeistensimEnglischenverwendet,daeskeine geeignete deutsche Übersetzung gibt. Teilweise wird„Ermächtigung“alsÜbersetzungangeboten.Empowerment
Menschenzunehmendbrüchig.DasBildeinerho-mogenenNationalkulturist,lautKaschuba,immerschwierigeraufrechtzuerhalten.SeinerMeinungnach bedarf es einer „identitätspolitischen Neu-ausrichtung(...) ingesellschaftlichenVerteilungs-undMachtkämpfen“92,inder„Parallelgesellschaft“zueinemöffentlichkeitswirksamenBegriffwurde.Dasbedeutet,dassdiezugeschriebene„kulturelleFremdheit“derMigrantenalsGegenstückzur„deutschenKultur“dieserüberhaupterstKon-turenverleiht.Dadurch,dassbestimmtenEinwan-derungsgruppenbestimmtekulturellebegründetenegative Eigenschaften bescheinigtwerden,wirdgleichzeitigkonstatiert,dass„wirDeutschen“ebengenau das Gegenteil sind: Die Emanzipation derFrauz.B.wirdsoinAbgrenzungzuden„Fremden“alseinedenDeutscheneigeneErrungenschaftprä-sentiert93,ohnedabeizuprüfen, inwieferndieserStandard in der eigenen Gesellschaft überhaupterreicht ist, ganz frei nach dem Motto „Bei unsistesimmerhinbesser,alsbeidenen“.StuartHallbringtdieseUnterscheidungin„Wir“und„Sie“miteinem polemischen Zitat in Zusammenhang mitrassistischen Denkstrukturen94 und weist damitaufdieWirksamkeitdieserDenkstruktureninderProduktionkulturellerDifferenzenhin:„Dasheißtalso,weilwirrationalsind,müssensie
irrational sein,weilwir kultiviert sind,müssen sieprimitiv sein, wir haben gelernt, Triebverzicht zuleisten,siesindOpferunendlicherLustundBegierde,wirsinddurchdenGeistbeherrscht,siekönnenih-renKörperbewegen,wirdenken,sietanzenusw.[…]DiesesSystemderSpaltungderWeltinihrebinärenGegensätzeistdasfundamentaleCharakteristikumdesRassismus,woimmermanihn�indet.“95
HallbeschreibthierdieProduktiondes„Ande-ren“ im Kontext der eigenen Identitätskonstruk-tion.DieFunktionderProduktiondes „Anderen“siehterimAusschlussdieser„Anderen“undinderBehauptung der eigenen Überlegenheit. Gleich-zeitig wird sowohl die Kultur der „Anderen“, alsauch die „eigene“ homogenisiert. Der PädagogeFranz Hamburger sieht die Praxis der Homo-genisierung von eigener und fremder KulturimBegriff derEthnizitätmanifestiert. DieDe-�inition bestimmter Gruppen als ethnische Min-derheiten schließt diese grundsätzlich aus einerals homogen geglaubten Mehrheitsgesellschaftaus. Die Zuschreibung ethnischer Identitätenaus einer mehrheitsdeutschen Position undderUmgangmitdiesenZuschreibungendurchdie Minorisierten spiegeln einen Kampf umdie Verteilung von Ressourcen und um diePrivilegiensicherung wider. Die Psychologinund Pädagogin Birgit Rommelspacher sprichtvonder „Dominanzkultur“ derMehrheitsgesell-schaft96,innerhalbder(auchethnische)Fremdheitnach eigener Verwertungslogik einverleibt (z.B.kulinarische, städtetouristische oder andere At-traktionen)oderausgegrenzt(z.B.Religion)wird.Gleichzeitigistdiese,einemstatischenKulturver-ständnis verschriebene Verwendung des ethni-schen Identitätsbegriffs,wieHamburgerdeutlichmacht, nicht nur im Kontext eines „rassistischenHerrschaftsanspruchs“ wirkungsvoll, sondernauchals„menschrechtlicheGegenwehr“97:Migran-tengruppen und Minderheiten greifen diese, sievon der Mehrheitsgesellschaft ausschließendenIdentitätskategorien für sich auf, und reagierendamitaufdieMechanismengesellschaftlicherUn-terdrückung.DieseSelbstethnisierungkannalsStrategie des Empowerment98 fungieren, die
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nennt man Strategien, die den Grad der Autonomie undSelbstbestimmung erhöhenund eine selbstbewusste, eigen-verantwortliche und ressourcenbewusste Lebensführungermöglichen.
99Breidenbach/Nyìri(2008),S.56ff100Sezgin(2011)101IFADE(2005)102Kaya(2005)
nurimKontextderEinwanderungsgesellschaftverstehbar ist und nicht aus einer Herkunfts-kulturabzuleiten ist. Sie ist einweitverbreitetesInstrumentfürdieBehauptungundEinforderungbestimmterGruppenrechte.99
Kaschuba analysiert den Prozess der kulturel-len Identitätsbildung inBezugaufdasöffentlich-keitswirksame und vieldiskutierte Thema desislamischenExtremismus.Muslimeerfahreneinezunehmende Stereotypisierung und Diskriminie-runginderdeutschenGesellschaft.SowohlgroßeEreignissewie terroristischeAnschläge oder Eh-renmorde, aber auch innerfamiliäre oder schuli-scheProbleme inmuslimischenFamilienwerdenausmehrheitsdeutscherPerspektivemeistensaufeine„islamischeKultur“zurückgeführtunddamitkulturalisiert.GleichzeitigwerdensämtlicheMus-lime über kulturalisierende Zuschreibungen un-mittelbarmiteinemradikalenIslamismusidenti-�iziertundregelmäßigaufgefordert,dazuStellungzubeziehen.100
Durch dieKulturalisierung desDiskurseswer-den sozio-ökonomische Ursachen für radikalePositionen,wiesieteilweiseinDiskussionenüberden Rechtsextremismus thematisiert werden,verschleiert, sowie die reale Dimension des Pro-blemszugunstenbestimmterStereotypeverzerrt.Gleichzeitig wird das Phänomen des religiösenExtremismus’ausdermehrheitsdeutschenGesell-schaft ausgelagert. Um die starke Identi�ikationmit religiösen Gemeinschaften zu analysieren,ziehtKaschuba jedochgenaudiesengesellschaft-lichenKontextheranundbedenkteinigeGrundü-berzeugungenspätmodernerGesellschaften:Sozi-aleSicherheit,kulturelleAnerkennung,Legitimitätdifferenter Lebensstile und ihre gesellschaftlicheRepräsentationseiennotwendigeFaktorenfürdieEntwicklungundStabilitätdereigenenPersönlich-keit.WürdendiesedemIndividuumvorenthalten,
sofordereessiewirkungsvollein.Einaufschluss-reichesBeispielausderAufsatzsammlungInsider-Outsider101veranschaulicht,wasKaschubameint:
Asiye Kaya102 untersucht das Mutter-Toch-ter-Verhältnis von zwei Frauen mit türkischemMigrationshintergrund: der Mutter Neziha undderTochterMeral.Meralwächst ineinerFamilieauf, in der die Mutter ein traditionell-religiösesLeben führt, dieMoschee besucht undwenig In-teraktion mit der deutschen Gesellschaft p�legt.Interessanterweise spielte dieMoschee alsmän-nerdominierter Raum in ihrem Heimatort keineRollefürsie,daFrauendortihrenBerichtezufolgeihre Religiosität ausschließlich zuhause in FormvonreligiösbegründetenWertenundMoralleben.Ihre starke Zuwendung zur Moschee begründetsie durch persönliche Verunsicherungen nachder Einreise nach Deutschland. Siemöchte ihrerTochter starke moralische Werte vermitteln, diesie aus dem islamischen Glauben zieht, und siegleichzeitigausSorgeumihreUnversehrtheitvoneiner als bedrohlich wahrgenommenen „deut-schen Gesellschaft“ fernhalten. Merals Vater, derals„Gastarbeiter“nachDeutschlandkam,möchte,dassseineTochtereineguteSchulbildunggenießt,um beru�lich erfolgreich zu sein. Er legt keinenbesonderenWertaufdieReligion.DieElternma-chenMeralverschiedeneAngebotefürdieeigenePositionierung inderdeutschenGesellschaft.MitderPubertätbeginntMeral,einKopftuchzutragenund erlebt zunehmende Diskriminierung durchihreLehrerinnenundMitschüler.DieseErlebnissenenntsiealsGrundfürdieemotionaleDistanzie-rungvonderSchuleund fürdasDesinteresseangemeinsamen schulischen Aktivitäten. Sie ist einjungesMädchen,aufderSuchenachdereigenenIdentität und nach Anerkennung, die ihr in derSchulevorenthaltenwerden.IhrKopftuchalsSym-bolfürihremuslimischeIdentitätstößtaufAbleh-nung.Sie �indetAnerkennung inderMoschee. In
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einem Mädchenkreis übernimmt sie bestimmteAufgabenunderarbeitetsicheineVorbildfunktionfürihreFreundinnen.Siewächstmit ihrerCliquezusammen,diefürsieeinenstarkenBezugspunktbildet (Peergroup). Je mehr sie sich in der Mo-scheeengagiert,destomehrvernachlässigtsiedieSchule. Ihre Eltern sehen dasmit Sorge, obwohlinsbesondere die Mutter auf ihr Engagement inderMoscheestolz ist.Meralselbsterlebtsichalsstarke Persönlichkeit durch dieMoschee. Sie hatselbstbewusste Zukunftspläne, die sowohl beruf-lichewieauchprivateUnabhängigkeitbeinhalten.Sie nutzt den Raum der Religion für ihren indi-viduellen Lebensentwurf, der dem Bild der FrauimIslamwiderspricht.Gleichzeitiggrenztsiesichbewusst vondeutschenGleichaltrigenab. Sie ver-urteiltihrVerhaltenalsunmoralischundfalschundbegründetihreeigenenWerteüberdieReligion.
Meral hatte im Gegensatz zu ihren Mitschüle-rinnen sehr begrenzteMöglichkeiten, sich in derdeutschen Gesellschaft eine eigene Identität zukonstruieren,dieAnerkennungerfährt.Derverur-teilendeBlickderanderenaufihrKopftuchhatsieaufihremuslimischeIdentitätfestgelegt,dieabergleichzeitig keinen legitimen Entfaltungsraum inderSchuleerhielt.DiesenRaumfandsieinderMo-schee.KaschubasiehthierindenentscheidendenPunkt:IndemderIslam,wieInnenministerFried-rich betonte, als nicht zugehörig zu Deutschlandbetrachtetwird,dieMuslimeaberschon,wirdeinunüberwindbaresParadoxaufgestellt:Die Identi-�ikationmiteinerReligionsetztdieAnerkennungdieser voraus. Indem die Zugehörigkeit der Mo-scheen, des Islam und allen damit verbundenenPraxen zurMehrheitsgesellschaft durch denVer-dacht der Parallelgesellschaft in Zweifel gezogenwird, erfahren die muslimischen Migrantinnenund Migranten zweierlei Diskriminierung: zumeinenwirdihnen,sofernihreReligiositätsichtbarist,dieMöglichkeitderMehrfachzugehörigkei-ten verwehrt. InMeralsFallwar es ausgeschlos-sen–dasbewiesjaihrKopftuch–dasssieaußerMuslimin auch noch andere Identitäten für sich
beanspruchen könnte. Kaschuba stellt eine star-keentweder/oderSichtweise inderdeutschenMehrheitsgesellschaftfest:Migrantensindentwe-der integriert (denMaßstab füreineerfolgreicheIntegration legt dabei die Mehrheitsgesellschaftfest), oder sie leben in einer Parallelgesellschaft.InMeralsFallhatdieablehnendeundstereotypi-sierendeHaltungihresschulischenUmfeldeszumRückzugundzurAblehnungdiesessieausschlie-ßendenUmfeldes geführt.Zumanderen,undalsFolgeausdemerstenPunkt,suchensichMenschenmit Diskriminierungserfahrungen Räume, in de-nen ihre selbst gewählten oder zugeschriebenenIdentitätenAnerkennungerfahren, indiesemFalldie Moschee. Die Zuwendung zur Moschee wirdjedochvonderMehrheitsgesellschaftals Integra-tionsverweigerung interpretiert und abgelehnt.Wird der Islam zum einzigen möglichen Iden-ti�ikationsraum, ist dies eine sehr fragile Basis.GreiftjemanddieseBasisan,soKaschuba,wirdsievermutlichauchoffensivunddemonstrativvertei-digt. Emotionale, Reaktionen auf Religionskritiklassen sich auf diese Problematik zurückführen.Identitätsbildung bekommt (nicht nur hier) einepolitische Bedeutung und kann zu einer starkensozialenBewegungwerden.
Die Festlegung auf bestimmte kulturelle oderreligiöse Zugehörigkeiten als Kontrolle und Aus-schluss,oderzurSicherungetablierterDominanz-verhältnisse lässt sich aber nicht nur zwischenMehrheits-undMinderheitengruppenausmachen,sondern ist eine Praxis, die innerhalb von allenmachtungleichen sozialen Beziehungen zur Ver-teidigungeigenerPrivilegienzumTragenkommenkann–zumBeispielzwischenMännernundFrau-en.DabeiwirdderAusschlussvonFrauenausbe-stimmtensozialenRäumenodervonbestimmtenRessourcenhäu�igkulturellbegründetunddurchTraditionen legitimiert. Dies übrigens nicht nurin ethnischen oder religiösen Gruppen, sondernebensoinbestimmtenBerufszweigenodersubkul-turellen Gemeinschaften. Breidenbach und Nyìriargumentieren,dassmaskulineDominanzansprü-
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103Breidenbach/Nyìri(2008),S.86104Ebd.S.55f105MitdenBegriffen„globalerNorden“und„globalerSüden“wird die diskriminierende und hierarchisierende Bezeich-
nungder „ErstenundDrittenWelt“ bewusst abgelehnt.Vgl.auchMerz,S.„DritteWelt“.In:Arndt,S./Ofuatey-Alazard(Hg.),2011,683.106Hamburger(2009)
Die historischePerspektive auf globaleMacht-verhältnisse,diesichseitderKolonisierungweiterTeile derWelt zuGunsten einigerwenigerwohl-habenderStaatendes„globalenNordens“undaufKostendes„globalenSüdens“105entwickelthaben,hat aufgezeigt, dass sich spezi�ische Unterschei-dungskategorien bis in die heutige Zeit etabliertundfortgesetzthaben.DabeispieltdasKonstrukt„Westen“einewesentlicheRolle,dennesverknüpftbestimmteals„westlich“de�inierteGesellschaften(die keineswegs geogra�isch im Westen verortetoder überhaupt territorial eindeutig lokalisier-bar seinmüssen)mit Vorstellungen und Bildernder Überlegenheit, während der Rest der Weltals „nicht-westlich“ diesen untergeordnet wird.Dieser Dualismus stellt ein Ordnungsprinzip zurVerfügung,nachdemGruppenundGesellschaftenbis in die heutige Migrationsgesellschaft hineinhierarchisiert werden. Der in der medialen undpolitischen Öffentlichkeit dominierende Diskursüber kulturelle Differenzen verweist auf diesenDualismus, indemauch ihmeineUnterscheidungin „westliche“ und „nicht-westliche“ (inAbwand-
lungenauch„christlich-jüdische“und„islamische“,„moderne“ und „traditionale“) Gesellschaftenund Kulturen zugrunde liegt. Der Begriff des„Othering“ bezeichnet die dahinter liegende Pra-xis der Konstruktion von „Anderen“, die anhandbestimmter Differenzmarkierungen (ethnischer,religiöser, physiognomischer u.a.) von einem„Wir“unterschiedenwerden.Ethnische,nationaleoder Schwarze Minderheiten, Migrantinnen undMigranten, Spätaussiedlerinnen und Spätaus-siedler, Flüchtlinge oder „Gastarbeiterinnen“ und„Gastarbeiter“, ihnenallenhängtderStempeldes„Anderen“an,dasgeschützt,studiert,kontrolliert,anerkanntoderabgelehntwerdenmuss.Imnatio-nalenKonsensüberdieDe�initionderZugehörig-keitnachterritorialerHerkunftundAbstammungwerden, ungeachtet der staatsbürgerschaftlichenZugehörigkeit, kulturelle Differenzen markiert,welchediegeglaubteHomogenitätder„deutschenKultur“ gegenüber den „Anderen“ aufrechterhält.Die Folgen sind eine statische und ideologischeSeparation in „Die“ und „Wir“.106 DieMöglichkei-ten der Selbstverortung innerhalb dieser Matrix
Zusammenfassung
chegegenüberFraueninnerhalbbestimmterEin-wanderungsgruppen zwar häu�ig über kulturelleWerte begründet würden, aber vielmehr FolgensozialerUnterschichtungdurchdieMigrationsind,ohnedasssieeinertatsächlichenkulturellenoderreligiösen Tradition entspringen.103 Somit habenwiresauchhierunterUmständenmiteinemso-zio-ökonomischen Problem zu tun und nichtmiteinem kulturellen. Die Forderung des Respektsgegenüber vermeintlich differenten kulturellenWerten im Fall der Gleichberechtigung der Fraudürfe, so argumentieren Breidenbach und Nyìriweiter, den Schutz individueller Persönlichkeits-rechte nicht ersetzen. Die Anerkennung undWertschätzungkulturellerDifferenzübereinsich
amGruppismusorientierendesundessentialisie-rendes Kulturverständnis ist problematisch. DieFestschreibung kultureller Zugehörigkeiten zuhomogen geglaubten Gruppen von außen, sowievon innen, übersieht Herrschaftsverhältnisseinnerhalb dieser Gruppen ebensowie interneHeterogenität undkritische Beziehungen ein-zelner Individuen zu kulturellen Strukturenund Praktiken. In der Betrachtung bestimmterkulturellerSelbst-undFremdzuschreibungen,so-wohlvonIndividuenalsauchvonGruppen,mussstets die Frage danach gestellt werden, welcheInteressendamitverbundenseinkönnen,wemwelcheZuordnungennutzenundwemsiescha-den.104
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der Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit sindfür Migrantinnen und Migranten und andere als„fremd“markierteMenscheneingeschränkt.Dennes haben sich strukturelle, institutionelle undideologischePrinzipienverankert,durchdieeineHierarchisierung von Gruppen und diesen zuge-ordneten Individuen ständig reproduziert wird.Darunter zählen rassistischeundkulturalistischeDiskriminierungspraktiken durch soziale Akteu-re, aber auch durch politische Maßnahmen undinstitutionelle Strukturen.Minorisierte Akteurin-nen und Akteure gehen mit diesen dominantenStrukturenaufverschiedeneWeiseum.EineStra-
tegieistderRückzugindieihnenzugeschriebenenKategorienundu.U.diepolitischeRadikalisierungals widerständige Positionierung gegen denHerrschaftsdiskurs. Im Kontext islamfeindlicherDiskursewird dieser Zusammenhang ausgeblen-det und religiöse Radikalisierung als ethnisches,kulturelles oder eben „nicht-westliches“Problemdargestellt. Kulturelle Differenz kann aus dieserPerspektivealsAusschlusskriteriuminstrumenta-lisiertwerden,Feindbilder�ixierenundpolitische,sozialeundwirtschaftliche– sprichdiedeutscheGesellschaft betreffende – Problemfelder entthe-matisieren.
Anfangs wurde bereits über die doppelteBedeutung von Kultur geschrieben, die in derGleichzeitigkeit von (1) Kultur als Teil desHerrschaftsdiskurses als essentialistischesundethnisierendesKonzeptund(2)KulturalshybrideAlltagspraxisliegt.Uminnerhalbdieserkomplizierten und widersprüchlichen Doppel-deutigkeitKulturalsAnalysekonzepthandhabbarzumachen,wurdenhistorischeEntwicklungenindenSozialwissenschaftenaufgezeigt,diezueinemdynamischen, praxisorientierten und prozesshaf-ten Kulturverständnis geführt haben. Diesbezüg-lich wurden Begriffe wie Transnationalisierung,Hybridität und Diversität skizziert, die für dieBeschreibung der komplexen und sich ständigveränderndenkulturellenZusammenhängeindenWissenschaften entwickeltwurden. Sie sind hilf-reich,umkulturellePraktikenundIdentitätenunddamitauchkulturelleDifferenzenbeschreibbarzumachen, ohne dabei statische und essentialisie-rende Kulturverständnisse zu reproduzieren. Eswurde aber auchdarauf hingewiesen, dass dieseDiskurse in außer-universitären Kontexten nichtangekommen sind und dort weiterhin ein veral-tetes Kulturverständnis wirksam ist. ErkennbaristdieseTatsachedadurch,dassKulturinöffentli-
chenDiskursenanBedeutungfürdieVerhandlun-genvonZugehörigkeitundAbgrenzunggewinnt.MehrheitsdeutscheundminorisierteAkteurin-nenundAkteure(re)produzierenüberdieVer-wendung eines statischen Kulturverständnis-ses die Vorstellung homogener Gruppen undpraktizieren dadurch Abgrenzung. DasModellder Mehrheitsgesellschaft und ihr gegenüberste-hendenMinderheitengruppenverfestigt sichundbildetdieMatrix,innerhalbdersichdieverschie-denenAkteurinnenundAkteurepositionieren.AuspostkolonialerPerspektivewurdendiedieserMa-trixzugrundeliegendenUnterscheidungskategori-endurchdieKonstruktionder„Anderen“unddiedarausresultierendenDiskriminierungspraktikenineinenhistorischenKontextderProduktionvonMachtungleichheitenundAbhängigkeitengestellt,diebisheute fortwirken.HierinwirdKulturalsTeil des Herrschaftsdiskurses sichtbar. Trotzder wissenschaftlichen Widerlegung kulturellerEindeutigkeiten,Homogenität und Statik, scheintgenaudieseVorstellungvonKultureinwirkungs-volles Konzept zu sein, umMachtverhältnisse zustabilisieren,bzw.umdarinPositionierungenaus-zuhandeln. Gleichzeitig wurde auf den �lexiblenUmgangmitethnischenodernationalenIden-
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107Sieheu.a.Ha(2005)108GutiérrezRodríguez(2003),S.26
109Ebd.(2003)
titäteninnerhalbsozialerBeziehungeneingegan-gen. Anhand einiger Beispiele konnte aufgezeigtwerden, wie minorisierte Akteurinnen und Ak-teuredominanteundausschließendeDiskursederkulturellenFremdzuschreibungaufgreifenundfürsichnutzen.SeiesdieErkämpfungvonbestimm-tenMinderheitenrechtenoderdiePositionierunginnerhalb sozialerRäume,die entlangvonethni-schen oder nationalen Identitäten vorgenommenwird; das Aufgreifen dieser Identitäten kann alsFormdes Empowerment gegen denHerrschafts-diskurseingesetztwerden,währendesgleichzei-tigdiediesemDiskurszugrundeliegendenKatego-risierungenreproduziert.SpivaksprichtindiesemKontextvon„strategischemEssentialismus“.
Ebenso wurden grenzüberschreitende undhybride Alltagspraktiken als Ver�lechtungkulturellerMusterzuneuenkulturellenPrak-tiken aufgezeigt. So hat sich Lola außerhalb derZuschreibung als Vertreterin der lokalen Bevöl-kerung, als Repräsentantin ihrer Kultur oder alsexotisches Objekt, mithilfe der kulturellen Res-sourcen, über die sie verfügt, einen (Frei)Raumgeschaffen, über den sie selbst bestimmt. Darinhat sie Praktiken entwickelt, durch die sie imglobalen System wirtschaftlicher Abhängigkeitenund Ausbeutung ihre Existenz sichern kann undsichgleichzeitigderdominantenObjekti�izierungundExotisierungderTourismusindustrieentzieht.AuchdasBeispielvonMeralkannindiesemKon-textgelesenwerden.Durchihrespezi�ischenDis-kriminierungs- und EmpowermenterfahrungenausunterschiedlichensozialenKontexten(Schule,Familie,Moschee) positioniert sie sich als hybri-desSubjekt,das sichdereindeutigenZuordnungzur „deutschen Mehrheitsgesellschaft“ oder zur
„muslimischen Parallelgesellschaft“ entzieht undstattdessen einewiderständige sowohl/als auch-Identitätkonstruiert.
DiePraxisderAneignungverschiedenerkultu-reller Praktiken undOrdnungen und ihreNeuin-terpretation oder Neukontextualisierung durchAkteurinnen und Akteure unterwandert unddurchbricht Herrschaftsdiskurse. Die dadurchentstehenden „kulturellen Zwischenräume“ sindals Orte des Widerstandes und der kulturel-len Neuschöpfung zu betrachten. Bhabha be-schreibtsieals „thirdspaces“,alsRäumediesichderbinärenAufteilungin„Wir“und„Sie“,„Eigen“und „Fremd“, „Subjekt“ und „Objekt“widersetzen.Gleichzeitigwerdensieselten„gesehen“.AufdieGe-fahrderVereinnahmunghybriderPraktikendurchden Mainstream107, oder ihrer Verschweigung,AusgrenzungundUnsichtbarmachungdurch„he-gemonialeRepräsentationstechniken“108wirdvonpostkolonialenKritikerinnenundKritikernimmerwiederhingewiesen.109Die„kulturellenZwischen-räume“sind–beschäftigtmansichmitKulturundkulturellen Differenzen in der Migrationsgesell-schaft–jeneblindenFleckenindenKulturdebat-ten,dieesherauszuarbeitenundzuverdeutlichengilt.Zumeinen,weilinihnendieDoppeldeutigkeitvonKulturunddiesichinihrausdrückendeAmbi-valenzzwischenvielgestaltigenMacht-undWider-standspraktikenamdeutlichstensichtbarwerden.Zumanderen,weilessichumjeneRäumehandelt,indenendurchInterventionenundBrüchemithe-gemonialenStrukturenkulturelleTransformati-onsprozesse„vonunten“statt�inden,welchedieKomplexitätderkulturellenRealitäteninderMig-rationsgesellschaftamehestenrepräsentieren.
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interkulturelle Trainings
110Motakef(2000)S.34ff 111Motakef.S.21
EinekurzehistorischeÜbersicht
DieEntstehungsgeschichtederinterkulturellenTrainingsgehtindie1950erJahrederUSAzurück,alsUS-Amerikaner inEntwicklungshilfeprojektenProblemenbegegneten,diesieaufkommunikativeund kulturelle Missverständnisse zurückführten.Um diesen Problemen besser begegnen zu kön-nen, wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
auf ihre Einsätze im Ausland vorbereitet. Nebender Vermittlung von Sprachkenntnissen botenAnthropologenKursean, indenenGesellschaftenim Allgemeinen analysiert wurden. Die Teilneh-mendenäußertenjedochdasBedürfnis,konkreteHandlungs-undKommunikationshinweise fürihre Arbeitskontexte zu erhalten. So entwickelte
DasKulturverständnisininterkulturellenTrainings
Ein Ziel interkultureller Trainings ist die Ver-mittlunginterkulturellerKompetenz.InBereichen,indenenkulturelleUnterschiedezuProblemeninderKommunikationführen,solleninterkulturelleKompetenzen lösungsbringend eingesetzt wer-den.110Wie interkulturelle Kompetenz genau de-�iniertwird,hängtjeweilsvondenEinsatzfeldernderTrainings,denTrainierendenundderZielgrup-peab.DieKulturanthropologinMitraMotakefstelltin einer empirischen Untersuchung eine großeBandbreiteanTeilkompetenzenundSchwerpunk-tenfest,dieeinzelneTrainerinnenundTrainerih-rem Verständnis von interkultureller Kompetenzzuordnen. Zusammengefasst lassen sich darausdrei Zieldimensionen interkulturellerKompetenzausmachen:(1)kognitiveZiele,also„dieZunah-mevonWissenundKenntnissenübereinefremde
Kultur“,(2)affektiveZiele,also„dieVeränderungvon Interessen, Einstellungen und Werten undeineSteigerungdereigenenkulturellenBewusst-heit“und(3)verhaltensbezogeneZiele,alsodieVergrößerung des „Verhaltensrepertoire(s) derTeilnehmer und Teilnehmerinnen“ in interkultu-rellen Kontexten.111 Kultur ist ein vielschichtigerund ambivalenter Begriff innerhalb der interkul-turellenTrainingspraxis.Angesichtsderimvorangegangenen Kapitel deutlich gewordenen Kom-plexität der wissenschaftlichen Kulturdebatten,kannderKulturbegriffinderAuseinandersetzungmitinterkulturellenTrainingsnichtunhinterfragtbleiben.SomitsollimFolgendeneinBlickaufdieKulturtheoriengeworfenwerden,die in interkul-turellenTrainingsAnwendung�inden.
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112WeiterführendMotakef(2000),S.89ff113Breidenbach/Nyìrì(2008),S.50
114Motakef(2000),S.27115Mecheril(2010),S.77
derAnthropologeEdwardT.Hall,deralsBegrün-derderinterkulturellenKommunikationalsan-thropologischeWissenschaftgilt,diesogenannte„microcultural analysis“. Er arbeitete bestimmteAspektederKommunikationheraus,die er alsrelevant für konkrete interkulturelle Interaktio-nenerachteteunddieerlernbarschienen.112HallsKulturverständniswar starkgeprägtvonderUS-amerikanischen Kulturanthropologie der 1950erJahre. Diese konzipierte Kulturen „als kohärente,geschlosseneSystememit ihreneigenen ‚Charak-termerkmalen’“113.
In den 1960er Jahren wurden die interkul-turellen Trainings in den USA auf verschiedeneZielgruppen ausgeweitet. Eswurden zunehmendTrainingsangeboten,andenenStudentinnenundStudenten, Freiwillige der US-amerikanischenFriedenscorpsundvorallemauchGeschäftsleuteteilnahmen. Motakef erklärt diese Entwicklungmit der zunehmenden Internationalisierung derWirtschaft einerseits und den Forderungen vonBürgerrechtsbewegungennachderAnerkennungkultureller Diversität andererseits. Erst in den1970er Jahren folgte die InstitutionalisierungderinterkulturellenKommunikationdurchdiewissenschaftlicheErforschungdesThemasanUS-amerikanischenUniversitäten,diezuBeginnnochengmitderKulturanthropologieverknüpftwar.
InDeutschlandwurdeninterkulturelleTrainingserstEndeder1970erJahreimRahmenderVorbe-reitungvonEntwicklungshelferndurchgeführt.Inden1980erJahrenwurdendieTrainingsinnerhalbderWirtschaftpopulär.114DerFokusderTrainingslag aufderVorbereitungvonFachkräften, die imAusland arbeiten sollten und war inhaltlich undmethodisch somit auf spezi�ische Ländervor-bereitungen ausgerichtet, die gesellschaftlicheNormen,BräucheundSittenvermittelten. Inden1990er Jahren wurde die interkulturelle Kom-munikation als Fach an deutschen Universitäteneingeführt, die sich seither mit der Erforschung
vonHandlungs- undKommunikationsmustern ininterkulturellen Kontaktsituationen beschäftigt.Interkulturelle Kommunikation als Wissenschaftist interdisziplinär ausgerichtet und bezieht kul-tur- und kommunikationstheoretische Ansätzemit ein, hat sich abermit der Zeit insbesonderedurch ihre quantitativen Forschungsmethodenvon der qualitativ ausgerichteten kultur- undsozialanthropologischen Forschung entfernt. Dieinterkulturelle Kommunikation ist das wissen-schaftlichePendantzurPraxisderinterkulturellenTrainings,undliefertdaswissenschaftlicheFunda-ment,aufdemsichdieTrainingspraxisbegründet.Mittlerweile sind interkulturelle Trainings unddie Vermittlung interkultureller Kompetenzenein ertragreichesGeschäft geworden. ImKontextdes interkulturellenManagements spieltdieVer-mittlungkulturellenWissensundinterkulturellerKompetenzeneine zentraleRolle.AbernichtnurfürdieFührungmultikulturellerTeamsodermul-tilateralerGeschäftsbeziehungenoderimKontextder interkulturellenÖffnung vonOrganisationen,sondernauchfürdieVermarktungvonProduktenin unterschiedlichen kulturellen Kontexten, iminternationalen Jugendaustausch und innerhalbder Ausbildung beim Militär ist interkulturel-le Kompetenz zu einem Schlagwort geworden.Während diese Felder interkultureller Trainingsstark auslandsbezogen sind, gibt es mittlerweileein weiteres Feld der interkulturellen Trainings,welchessichaufdiekulturelleHeterogenitätunddaran geknüpfte Herausforderungen in der Ein-wanderungsgesellschaftbezieht.DieDiskussionenüber interkulturelle Kompetenzvermittlung alsMaßnahmefürdieGestaltungderEinwanderungs-gesellschaft in sozialen und Bildungskontextenwurde insbesondere in der Pädagogik geführt.115Seitden1990er Jahrenwurdedie interkulturelleBildungalsAblösungfürdieAusländerpädagogikzunehmend thematisiert und es entwickelte sichdie Fachrichtung der interkulturellen Pädagogikinnerhalb der Erziehungswissenschaften. Ausge-hendvoneinerKritikander„De�izit,Förder-und
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116Ebd.S.56117MecherilS.57
118Ebd.S.88119Mecheril(2010),S.92
TheorienundModelle
EinBestandteilinterkulturellerTrainingsistes,TheorieüberdasThemaKulturundinsbesondereüberkulturelleUnterschiedezuvermitteln.DabeiversuchendieTrainerinnenundTrainerkomplexewissenschaftliche Begriffe und Diskurse im Hin-blick auf den zeitlichen Rahmen desWorkshopsknapp und eingängig zu erklären. Vier Persön-lichkeiten aus dem Gebiet der interkulturellenKommunikation stehen für die theoretischenModelle, die häu�ig dazu herangezogen werden:Der Anthropologe Edward T. Hall, der Sozial-psychologe Geert Hofstede, der Kommunikati-onswissenschaftler Fons Trompenaars und derPsychologeAlexanderThomas.Siealle liefertenModelle, die Kulturen anhand verschiedener
Aspekte unterscheiden. Die Studien, auf denendie Modelle au�bauen, sind meist quantitativeStudien, ihre Analyseeinheiten die Nationalstaa-ten. Hall unterschied (1) die Proxemik, also dasRaumverhalten (z.B. die körperliche Distanz, diein einer Kultur zwischen Interaktionspartnernals„normal“gilt),(2)dieZeitwahrnehmung(Hallunterscheidet dabei zwischen monochron undpolychron,wobeimonochronbedeutet,dassmanZeitpläneundAbläufestrengeinhält)und(3)dieUnterscheidung zwischen high- und low-context(z.B. wie direkt eine Kritik geäußert wird undwelcheRolle implizit übermittelte Informationenspielen).119Hofstede konzipierte eineMatrix kul-turellerDimensionen,anhanddererfünfzigNatio-
Sonderperspektive der Ausländerpädagogik“116insbesondere der Schulen, die bereits in den1980er JahrenzuDiskussionen führte,wurde in-terkulturelle Bildung letztlich 1996 durch einenBeschluss der Kultusministerkonferenz zu einemBestandteil allgemeiner Bildung. InterkulturelleBildungwurdeinderFolgealsgrundlegendeAuf-gabe der sozialenDienste diskutiert. Gleichzeitigwurdeangenommen,dasseseinerbesserenAus-bildungder Fachkräfte bedarf,mitDifferenzundFremdheitprofessionellumgehenzukönnen.Aus-und Weiterbildungsangebote mit dem Schwer-punktderinterkulturellenKompetenzvermittlungbekamenKonjunktur.117Innerhalbderinterkultu-rellenPädagogikgibtesseithereinekontroverseDiskussionüberdasKulturverständnis innerhalbihrerPerspektivenundüberdasVerständnisvoninterkulturellerKompetenz.118
Die parallele Entwicklung der Fachrichtungeninterkulturelle Kommunikation und interkul-turelle Pädagogik ist mit den gesellschaftlichenVeränderungen durch die zunehmenden Globa-lisierungsprozesse und der damit verbundenen
Mobilität zu erklären. Interkulturelle Trainings,die sich der Vermittlung interkultureller Kompe-tenz verschreiben, werden mit Bezug auf beideDisziplinen diskutiert und konzipiert, jedochmit teilweise unterschiedlichen Zielgruppen undEinsatzfeldern. ImKontext dieser Expertise inte-ressieren jene interkulturellenTrainings,diesichauf die Einwanderungsgesellschaft beziehen undsich somit den Herausforderungen und Fragendes Zusammenlebens innerhalb einer kulturellheterogenen Gesellschaft stellen. Diesen Heraus-forderungenkannjedochnichtmitdenMethodenundTheorienbegegnetwerden,dieinnerhalbderinterkulturellen Trainingspraxis im Kontext vonAuslandsaufenthalten und -beziehungen entwi-ckelt und etabliert wurden. Es lässt sich jedochfeststellen,dasssicherstallmählicheinBewusst-sein für die unterschiedlichen Fragestellungenin Bezug auf die verschiedenen EinsatzbereicheinterkulturellerTrainingsentwickelt.Immernoch�inden Theoriemodelle Anwendung, die aus derAuslandsvorbereitungübernommenwurden,undhäu�igeinveraltetesKulturverständnisaufweisen.DiesesollenimFolgendendiskutiertwerden.
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120http://www.geert-hofstede.com/(Zugriff:15.09.2011,10:30Uhr)121Motakef(2000),S.78ff
122Breidenbach/Nyìrì(2008),S.25123Ebd.S.25ff
nenaufeinerSkalavon0-100kulturelleinordnete.Die von ihm begründeten fünfKulturdimensio-nen sind (1) Machtdistanz, (2) Kollektivismus/Individualismus, (3) Maskulinität/Feminität, (4)Unsicherheitsvermeidung und (5) kurzfristige/langfristige Orientierung.120 Trompenaars gehthingegen von sieben Kulturdimensionen aus. Erunterscheidet zwischen (1) Universalismus vs.Partikularismus, (2) Emotionalität vs. Neutrali-tät, (3) Leistung vs. Herkunft, (4) Spezi�isch vs.Diffus,(5)Individualismusvs.Kollektivismus,(6)Serialitätvs.Parallelitätund(7)interneKontrollevs. externe Kontrolle.121 Thomas hat den BegriffderKulturstandardsgeprägt.MitdiesemBegriffbezeichnet er identi�izierbare zentraleMerkmaleeiner Kultur, die von denMitgliedern unbewusstalskulturelleNormenanerkanntwerdenundnachdenen man ebenso unbewusst handelt und be-wertet.SpäterwirdnocheinmalgenaueraufdasModellderKulturstandardseingegangen.
Breidenbach und Nyìrì identi�izieren bei derAnalyse dieserModelle drei gemeinsameAnnah-menüberKultur:(1) dass sich Kulturen klar voneinander ab-
grenzenlassen,(2) dass sie eine Zwiebelstruktur aufweisen,
nachdernurdieäußerenSchalen,wieMusikoderKleidersicht-undveränderbarseien,dieinnerenSchichten jedoch, die Werte und Einstellungen,unverändertbestehenbliebenundnichtunmit-telbarsichtbarseien,und(3)dassdieseEinstellungenundWerteanna-
tionale Grenzen geknüpft seien. Das jedenfallswird dadurch nahe gelegt, dass die Studien, aufdenensichdieModellestützen,NationalkulturenvergleichenundentlangdieserGrenzenkulturelleUnterschiedefeststellen.
An diesen drei Annahmen über Kultur wirdsichtbar, dass den in interkulturellen Trainingsweit verbreiteten Theoriemodellen ein veralteter
Kulturbegriffzugrundeliegt,derdiewissenschaft-lichenDiskurseüberKulturderletztenJahrzehnteunberücksichtigt lässt. Die Vorstellung, Kulturenseienvoneinandereindeutigabgrenzbarundnachaußenhinabgeschlossen,istmitderhohenMobili-tätvonMenschen,WarenundInformationennichtmehrvereinbar.EbensoistdieVorstellungobsoletgeworden, es gäbe einen authentischen, wahrenoder reinen kulturellen Kern, der unveränderbarsei, wie es das Zwiebelmodell suggeriert. Die inden Kulturwissenschaften verhandelten BegriffeTranskulturalität oder Hybridität beschreibenhingegendieTatsache,dassKulturenpersenichtrein sind, sondern erst in der Begegnung undVermischung und unter Einbezug des „Anderen“entstehen.ObwohlderKulturwandel,wiebereitsineinemfrüherenKapitelerläutertwurde, schonimmerBestandteilvonKulturwar,haterdurchdiezunehmenden Globalisierungsprozesse neue Di-mensionenerhalten.Nichtzuletzt istdieAusrich-tungeinesAnalyseinstrumentariumsfürkulturelleUnterschiedeannationalstaatlichenGrenzenfrag-würdig.EsbleibtderVorstellungverhaftet,dasseseine Deckungsgleichheit von Territorium, KulturundMensch gäbe,welche in der kulturanthropo-logischen Forschung jedoch längst dekonstruiertwurde.BreidenbachundNyìrì,genauwieMotakef,kritisieren die Modelle wegen ihres „nationalenKulturdeterminismus“122 scharf. Er verschleiereinterneHeterogenitätebenso,wieerdieTatsacheignoriere, dass Nationalstaaten teilweise will-kürlichGrenzen zwischenTerritorien ziehenunddurch transnationale Vernetzungsstrukturen nurnoch einer unter vielen kulturellen Bezugspunk-tensind.123RudolfLeiprechtsiehtdieGefahrderVereinfachung und Stereotypisierung komplexerSachverhalte, indem ein statisches und essentia-listisches Kulturverständnis in diesen Modellenreproduziert wird. Anhand der Kulturstandardsvon Thomas, soll diese Problematik verdeutlichtwerden.
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124Thomas(1993)S.438125Ebd.S.437126Thomas.S.438
127zit.Motakef(2000),S.88128Motakef(2000),S.88
Das Konzept der Kulturstandards wurde vomPsychologenAlexanderThomasEndeder1980erJahre entwickelt und begründet sich auf einemKulturverständnis, das Kultur als Orientierungs-system versteht. Innerhalb dieses Orientierungs-systemskönnemandiesogenanntenKulturstan-dards–alsozentraleMerkmalebestimmterKultu-ren–feststellen,dieHandeln,WahrnehmungundDenkenderdieserKulturangehörigenMitgliedernormieren. Diese sind „nach erfolgreicher Sozia-lisation (...) nicht mehr bewusstseinsp�lichtig“124.IneinerDe�initionbeschreibtThomasKulturstan-dardswiefolgt:„ZentraleMerkmale einer Kultur lassen sich als
sog.‚Kulturstandards’de�inieren.UnterKulturstan-dardswerdenalleArtendesWahrnehmens,DenkenundHandelnsverstanden,dievonderMehrzahlderMitglieder einer bestimmten Kultur für sich per-sönlich und andere als normal, selbstverständlich,typisch und verbindlich angesehen werden. Eige-nesundfremdesVerhaltenwirdaufderGrundlagedieserKulturstandardsbeurteiltundreguliert.Dieindividuelle und gruppenspezi�ische AusprägungvonKulturstandardskanninnerhalbeinesgewissenToleranzbereichs variieren, doch werden Verhal-tensweisen und Einstellungen, die außerhalb derGrenzeliegen,abgelehntundsanktioniert.“125
DieExistenzsichunterscheidenderKulturstan-dardswürde,soThomas,erstdannwahrnehmbarwerden, wenn man mit „fremdkulturell sozia-lisierten Partnern“126 in Kontakt tritt. In diesenKontaktsituationen käme es zu interkulturellemLernen, sofern einePersongewillt ist, die „frem-denKulturstandards“zuverstehen,sieindas„ei-genkulturelleOrientierungssystem“zuintegrierenunddasdadurcherlernte(Handlungs-)Wissenim„fremdkulturellen Handlungsumfeld“ anzuwen-den. In seiner unkritischen Verwendung der Be-griffe„fremd“-und„eigenkulturell“wirddeutlich,
dasssichThomasaufeinKulturverständnisberuft,welchesKulturenalssichgegenüberstehendeundabgeschlosseneSystemeversteht.Ergehtautoma-tischvondernatürlichenExistenzkulturellerDif-ferenzen aus, die sich inbestimmten SituationenzeigenundstelltnichtinFrage,wie,warumundinwelchenKontexten undDiskursen kulturelleUn-terschiedehergestelltwerden.DasistjedocheinezentraleFrage,wennmandieMachtverhältnisse,indenenkulturelleUnterschiedeoftmalswirksamwerden,unddeneneinewesentlicheDimensioninder Funktion kultureller Unterschiede zukommt,nichtausblendenmöchte.
Thomas stellt Kulturstandards auf nationalerEbeneauf.DaswirddeutlichwennmansichseineHerangehensweiseandieDe�initiondieserKultur-standards im Bezug auf China und Deutschlandanschaut. In Interviews mit Managern, Fremd-sprachenkorrespondenten und Studenten, diejeweils eine Zeit im anderen Land verbrachten,fragte er nach Situationen, in denen „ihre aus-ländischen Partner in einer nicht erwartetenArtund Weise reagierten“127. Durch die Auswertungdieser Erzählungen kritisch verlaufender In-teraktionssituationen zwischen Deutschen undChinesenmithilfe vonExpertinnenundExpertenderKulturgeschichteundKulturphilosophie, ent-wickelteThomasKulturstandardmodellefürdiesebeiden Nationen. Für China stellt er dabei zumBeispiel die Kulturstandards „soziale Harmonie“,„Hierarchieorientierung“ und „Gesicht wahren“auf.128ThomaswilldamiteineKontextualisierungbestimmter Missverständnisse anregen: Ursachefür eine Irritation sind dann nicht die interagie-renden Individuen, sondern die wirksam wer-denden unterschiedlichen Kulturstandards.ErlegtdieseaufnationalkulturellerEbeneanundvollziehtdadurchsowohleineFestlegungderIn-teragierendenaufihreNationalkultur,alsauch
DieKulturstandardsnachAlexanderThomasundihrKulturbegriff
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129Leiprecht(2004),S.12130Breidenbach/Nyìrì(2008),S.78ff131Leiprecht(2004),S.9
132 Vgl. die vier Stufen interkulturellen Lernens bei Thomas(1993)S.439.133Leiprecht(2004),S.8
eineReduktionvonHandlungsmotivenaufdas„Kulturelle“. Ein Faktor, der dabei unbeachtetbleibt,istdieFragedanach,inwelchemVerhältnisIndividuenzuihrerGeschichteundihrersozialen,politischen,kulturellenundreligiösenUmgebungstehen.129 Ebenso bleiben politische oder wirt-schaftliche, sowie soziale Kontexte bestimmterHandlungsweisen unsichtbar. Breidenbach undNyìrì kritisieren zum Beispiel die Annahme, dieasiatischeKulturseieherkollektivistischalsindi-vidualistischausgerichtet,alsKulturalisierung.Sieargumentieren, dassdie Zuschreibungunberück-sichtigt ließe, inwieweit der angeblich kulturellbedingteKollektivismusalsKontrollmechanismusvon Regierungen, z.B. der singapurischen oderder chinesischen, bewusst gefördert und teilwei-se sogarbeiMissachtung strafrechtlich geahndetwürde.Sogäbeesz.B.inSingapureinGesetz,dasdieKinder zurP�lege ihrer alterndenEltern ver-p�lichteunddasbereitszurechtlichenStreitigkei-tengeführthabe.StarkeFamilienbindungenseienalsonichtausschließlichkulturelleNorm,sondernteilweisegesetzlicheP�licht.DiekulturellenWerteChinas, die häu�ig als Beispiel für Thomas’ Kul-turstandardsbeschriebenund inTrainingsange-wandtwerden,seienebensowenigausschließlichauf die Ursprünge chinesischer oder konfuziani-scher Kultur zurück zuführen. Vielmehr sei dieErklärung desWirtschaftswachstums ChinasmitkollektivistischenWertenwie Sparsamkeit, Fleißund Familiensinn als Kulturalisierung politischerundwirtschaftlicherReglementierungzubetrach-ten,dieesermöglicheproblematischeArbeitsbe-dingungen,FreiheitsbeschränkungenundniedrigeLohnkostenzuverschleiern.130
DieKulturstandardssuggerieren,dassmandasVerhaltenvonMenschenvondenWertenundRe-geln einerKultur ableitenkönne, dassMenschenalso wie Marionetten von ihrer Kultur geleitetwürden.131 Die Kenntnis über die unterschied-lichen Kulturstandards soll folglich zu einem
konstruktiveren und kon�liktfreien Miteinanderführen, weil man versteht, was hinter bestimm-tenHandlungsmustern steckt, oder diese bereitsvoraussehen kann. Abgesehen von der Tatsache,dassderErfolg,FettnäpfchendurchdieKenntnisvonKulturstandardszuvermeidenoderdurchsieerfolgreicher zu kommunizieren, nachzuweisenbleibt, sieht Leiprecht in ihrer Anwendung eineGefahrderReproduktionvonStereotypen.Ob-wohlThomas’TheoriederKulturstandardsdiffe-renzierter und komplexer ist, als hier dargestelltwerdenkann,weistLeiprechtdaraufhin,dasssieinTrainingsaufgrundzeitlicherundmethodischerFaktoren häu�ig auf „das Wesentliche“ reduziertwürden: auf das Erkennen und Verstehen des„fremdkulturellenOrientierungssystems“132.„Die mit dem Lernen von Kulturstandards oder
kulturellenHintergründen‚verbundeneStilisierungkultureller Differenzen birgt’ – in denWorten desPädagogen Bernd Krewers – ‚eine ... Fehlerquellein sich, die der interkulturellen ZusammenarbeitGrenzen setzen kann: Der Partner oder die Part-nerin wird nicht mehr als Person erlebt, sondernals Vertreter einer kulturellen Gruppe, und wirdentsprechendstereotypbehandelt.ErlernteKultur-standardswerdenzueinemStereotypraster,dasdenjeweiligen Gegenüber zu einem kulturabhängigenGruppenprototyp erstarren lässt und seiner Indi-vidualität unddamit auch seiner kommunikativenKompetenzberaubt.’(Krewer1994,147)”133
Leiprecht problematisiert darüber hinaus dasVorhaben, durch dieWissensaneignung über die„Anderen“Vorurteileabbauenzuwollen.ErsiehtdarindieimpliziteundfalscheAnnahme,dassderGrund für Vorurteilsbildung im Anderssein derAnderen zu suchen sei und nicht in den eigenenWahrnehmungs- und Denkstrukturen. Gleichzei-tig provoziere die Benennung von Beispielen fürKulturstandards unvermeidlich stereotype Denk-muster und Assoziationsketten, die zur Repro-duktion oft negativ konnotierter Bilder der „An-
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deren“ führe.134DieUnterscheidung in „Wir“und„dieAnderen“, oder in „Eigen“ und „Fremd“wirdmithilfe der Kulturstandards, sowie anderer re-duktionistischerModelleunddemihnenzugrundeliegenden essentialistischen Kulturverständnis,unhinterfragt festgeschrieben. Diese Komplexi-
tätsreduktionführtdazu,wesentlicheDynamikenundProzessevonKultur,sowieMachtungleichhei-tenauszublenden,diejedochfürdieLebensweltender Interagierenden möglicherweise von großerBedeutungsind.
134Ebd.S.5135Breidenbach/Nyìrì(2008),S.83
136Ebd.S.83137Breidenbach/Nyìrì(2008),S.7ff
DerNutzendes„alten“Kulturverständnisses
Warumaberwirdtrotzdermittlerweilebekann-tenKomplexitätdesKulturthemasaufKulturstan-dards, Kulturdimensionen und andere statischeund reduktionistische Kulturmodelle zurückge-griffen? Ist es dasUnwissenoderdiemangelndewissenschaftlicheAusbildungderTrainierenden?Vielleicht in manchen Fällen. Empirische For-schungen zeigen allerdings noch andere Gründeauf.DerAnthropologeThomasHüskenstellteine„strategische Modellierung von Wissen“135 fest.Trainierende reagierten, so seine Forschungser-gebnisse,aufdieErwartungenderKundinnenundKunden interkulturellerTrainings,diesichdavonHandlungs-undOrientierungssicherheitversprä-chen. Gleichzeitig erschiene vielen der aktuellewissenschaftliche Stand zu komplex, um ihn inTrainings zu berücksichtigen.136 Die erwähntenModelle hingegen sind leicht zu vermitteln undlassen eine schnell begrei�bare und anschaulicheKategorisierungkulturellerOrdnungenzu.Sie le-gitimierensichnichtnurdurchwissenschaftlicheStudien, auf denen sich dieModelle stützen undbietensomitGlaubwürdigkeitan,sondernsugge-rierendarüberhinausOrientierungineinemkom-plexen und kon�liktreichen Feld. Vor allem aberhaltensievermeintlicheLösungenfür interkultu-relle Kon�likte durch das Versprechen, kulturelleUnterschiedeverstehenunddadurchbeherrschenzulernen,bereit.
Gleichzeitig spiegeln die Kulturstandards eininteressantesPhänomenwider,das ineinemfrü-heren Kapitel im Kontext von Nationalisierungs-prozessenbereitserläutertwurde: InderÖffent-
lichkeit herrscht, trotz Jahrzehnte alter wissen-schaftlicherErkenntnisseüberKulturwandelundkulturelle Dynamiken, weiterhin ein statischesund essentialisierendes Kulturverständnis vor.Breidenbach und Nyìrì weisen auf verschiedeneKontexte hin, in denen ein solches Kulturver-ständnisimmerwiederreproduziertwird.137ZumBeispielgreifendieDebattenüberkulturelleViel-faltinderEinwanderungsgesellschaftunddaraushervorgehende Maßnahmen zur Gestaltung undIntegration häu�ig auf ethnokulturelle Gruppen-konstruktionen zurück. Ebenso argumentierenMinderheitengruppen für ihre Forderungen be-stimmter Sonderrechte und SchutzmaßnahmenaufderGrundlageihrerkulturellenundeindeutigidenti�izierbaren Gemeinschaft. Seit den Terror-anschlägen des 11. September 2001 gibt es einestarke Rhetorik des „Kampfes der Kulturen“, dieKulturen als sich unvereinbar und feindselig ge-genüber stehend versteht. Bürgerkriege,wie derGenozidinRuandaoderdieKriegeimehemaligenJugoslawien werden weitestgehend ethnokultu-rell begründet, ohne den Ein�luss historischer,politischer oderwirtschaftlicher Kontexte zu be-rücksichtigen. Dies sind nur einige Beispiele, dieaber zeigen,dassdasKulturverständnis,welchesinMedien,vonAktivistinnenundAktivisten,überpolitische Institutionen und in Trainings vermit-teltwird,KulturenalsabgrenzbareEinheiten,alsunveränderlich und als menschliches Verhaltendeterminierend begreift. Aus wissenschaftlicherSicht ist dieses Kulturverständnis überholt. Aberes dient je nach Kontext bestimmten Interessenund es sind meistens bestimmte Akteure aus-
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138Spivak(1985)nenntdies„strategischerEssentialismus“.139Breidenbach/Nyìrì(2008),S.59
140Breidenbach/Nyìrì(2008),S.99141Ebd.S.82
zumachen, die davon pro�itieren. So kann einstatisches Kulturverständnis, wie die Geschichtezeigt, zum Machtausgleich beitragen.138 Der an-tikoloniale Widerstand bezog sich auf gemeinsameethnokulturelleIdentitätenundZugehörigkeiten,umsichzuformieren.DiverseBürgerrechtsbewegungenberiefen sich auf gemeinsame kulturelle Besonder-heiten, um staatliche Anerkennung zu erreichen.139AnderenmarginalisiertenGruppen,wiedenAinu inJapan,gelanges,überdenTourismus„ihre“kulturelleIdentität„wiederzubeleben“undsichdamitGehörzuverschaffen. Es gibt aber auch zahlreiche Beispiele,in denen politische und wirtschaftliche Eliten einstatischesKulturverständnisinstrumentalisieren,umMachtpositionenzulegitimierenoderzufestigen.ZurZeit der Kolonialherrschaft war die Einteilung deransässigen Bevölkerung in kulturelle, religiöse oderethnische von einander unterscheidbare und damithandhabbare Gruppen eine gängige Praxis, die zurStabilisierung der Macht der Kolonisatoren beitrug.Selbst den Kon�likt zwischen Sunniten und SchiitenimIrak führenBreidenbachundNyìrìaufpolitischeStrategien der amerikanischen Übergangsregierungzurück.Diesehabe„zumerstenMalinderGeschichtedesLandesReligionszugehörigkeitundEthnizitätzuformalen politischen Organisationsprinzipien“140 er-hobenundSchiitenundKurdenvordenSunnitenpri-vilegiert.DamithabesieeinenentscheidendenBeitragzurSpaltungderBevölkerungundzurEthnisierungbeigetragen,umkurzfristigihreeigeneMachtpositionzu sichern. Die Eliten Chinas und die kooperieren-den Regierungen, sowie großeWirtschaftskonzernepro�itierenvonderdominantenRedeüberdieasia-tischenoderkonfuzianischenWerte.KulturalistischeArgumentelegitimierendieZusammenarbeitmitdemchinesischenRegime,dassichseinerseitsfürdieDiszi-plinierungdereigenenBevölkerungeinerPropagandavermeintlicherchinesischerWertebedient.
Warum das reduktionistische und statischeKulturverständnis weiterhin wirksam reprodu-ziertwird,kannalsoerklärtwerden:esdientdenMenschendazu, sicheinengeordnetenÜberblicküber eine komplexeWelt zu verschaffen und ei-geneInteressendurchzusetzen.DabeiistderGratschmal zwischen (1) Empowerment marginali-sierterGruppen,(2)systemischenZwängen,dieeineFremd-undSelbstethnisierungbedingenund(3) einem Machtmissbrauch durch Eliten undPrivilegierte.141AllevollziehenKulturalisierungenüberihrKulturverständnis,jedochzuunterschied-lichenZwecken.UndinallenFällen, indenenmitKultur argumentiert wird, lohnt sich die Fragedanach,wemdaseigentlichnützt. ImKontext in-terkulturellerTrainingsbedientdasstatischeKul-turverständnis Kundinnen und Kunden, die sichinterkulturellmöglichstschnellfürinterkulturelleKontexte „�itmachen“wollen,weil es einfach er-lernbareLösungsstrategiensuggeriert.AußerdemdientesdenTrainerinnenundTrainern,dieinkur-zerZeiteinihreKlientelzufriedenstellendesTrai-ningskonzept durchziehen müssen. Dabei kostetdieauspragmatischenGründenvollzogeneRepro-duktion eines statischen Kulturverständnisses inTrainings ihrenPreis:dennKulturundkulturelleUnterschiede sind nicht nur von wissenschaftli-chemoderberufspraktischem Interesse, sondernwie eben aufgezeigt wurde, ebenso von wirt-schaftlicher und (macht-)politischer Bedeutung.DieAnnahmenüberKultur,dieininterkulturellenTrainingsverbreitetundgefestigtwerden, tragendazubei,dassKulturalisierungenundStereotypi-sierungenweiterhinwirksampraktiziertwerdenkönnen.
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Die Komplexität des Kulturthemas und seineProblematik im Hinblick auf Machtverhältnisse,wirftdieFrageauf,ob,undwennjawiemanKulturinTrainingssettingsthematisierenkann.SiebringteinegroßeHerausforderungfürTrainerinnenundTrainer mit sich, die sich über die Gefahren derReproduktion eines essentialistischen Kulturver-ständnissesbewusstwerdenmüssen.DarauskanndieKonsequenz erfolgen,Kultur inTrainings garnichtmehrzuthematisieren.DieKulturanthropo-loginGertraudKochargumentiertdagegen,KulturseiweiterhineineUnterscheidungskategorie,nachder Menschen ihre soziale Umwelt organisierenunddeswegenseiesnotwendig,einenangemesse-nenUmgangmitdiesenUnterscheidungenzu�in-den. InterkulturelleTrainingsreagierenaufdieseNotwendigkeitundbe�indensichdamit ineinemkomplizierten Feld. Kochweist diesbezüglich aufeinSpannungsverhältnisinnerhalbderinterkultu-rellenKompetenzforschunghin:ZumeinenzeigenjüngereForschungsergebnissedieNotwendigkeitauf, Pluralisierung und Diversität als maßgeben-de Faktoren innerhalb der Theoriebildung überKultur zu berücksichtigen und essentialisierendeKulturauffassungen zu überwinden. Andererseitsaber beziehe sich Kultur als Unterscheidungs-kategorie auf Gemeinschaften, und bezeichnebestimmte Besonderheiten, durch die sich diesevoneinanderabgrenzen.InnerhalbdesFeldesderinterkulturellenTrainingspraxisundderentspre-chenden Forschungen wird dieses Spannungs-verhältniskontroversdiskutiert.EszeigtsicheinDilemma zwischen Homogenisierung von Kultur
undeinemkomplexenKulturverständnis,welchessich zuweilendamit schwer tut,Vergemeinschaf-tungsprozesse zu konzeptionalisieren.142 DiesesSpannungsverhältnisdarfininterkulturellenTrai-ningsjedochnichtzugunstenderKulturalisierungaufgelöstwerden,sondernmussalsDialektikdesKulturbegriffs thematisiert werden.143 Trainingsneigen jedochzuKulturalisierungen,dasichzumeinen ihre Existenz erst durch die Identi�ikationeben kultureller Faktoren in gesellschaftlichenProblemfeldern legitimiert und zum anderen diebereits erwähnten strukturellen Bedingungenwiez.B.derZeitfaktoroderdieErwartungenderAuftraggeberinnenundAuftraggeberKulturalisie-rungenderEinfachheithalberbegünstigen.Dieseführen jedoch, wie bereits ausreichend erläutertwurde, nicht zur Kon�liktlösung oder zur Ver-ständigung, sondern verweisen Zugehörige vonbestimmten Gruppen durch die Überbetonungkultureller Unterschiede permanent auf ihrenStatus als „Fremde“ zurück (Othering)144. DamitvollziehensieeinemachtvollePraxisderDesinte-gration.Kochweistdaraufhin,dasswichtige„ex-tra-kulturelleAnknüpfungspunktefürIntegrationund Verständigung aus dem Blickfeld (geraten),wenn ausschließlich die kulturelle Verschieden-heit als Dreh- und Angelpunkt von Erklärungs-und Lösungsansätzen fungiert.“145 Es lässt sichalsofesthalten,dass„der ‚alte’Kulturbegriffzwareinfach praktisch anwendbar ist, aber derWirk-lichkeit nicht gerecht wird, Stereotype verstärktundsozialeUngleichheitenverschleiert.“146
142Koch(2008),S.10143Ebd.S.12144Ebd.S.11
145Ebd.S.12146Motakef(2000),S.117
DasDilemmazwischenHomogenitätundDiversitätininterkulturellenTrainings
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147Breidenbach/Nyírí(2008),S.130 148Ebd.S.116
Perspektiven fürdie TrainingspraxisIII.PerspektivenfürdieTrainingspraxis
Die Begegnung mit kulturellen Ordnungen, dieeinem fremd erscheinen, ist stets eine Herausfor-derung, da sie eigene Gewohnheiten, GewissheitenoderÜberzeugungeninFragestellenkann.Zugleichstellen diese Begegnungen immer einen Raum fürEntwicklung dar. Kulturen, das wurde bereits dar-gelegt,entwickelnsich imMomentderBegegnung.AmartyaSenbegreift„Entwicklung“alsdieErweite-rungderWahlfreiheitvonMenschen.Unterschied-lichekulturellePraktikenundOrientierungenzeigenAlternativen zu den eigenen Lebensentwürfen auf,und ermöglichenunterUmständen, das eigeneLe-benselbstbestimmterundschöpferischerzugestal-ten.147DieKehrseiteistdieKulturalisierungkulturel-lerUnterschiede.DiesebegrenztMenscheninihrenWahlfreiheitenundführtzuAusschlussundDiskri-minierung.DasAnliegen sinnvoller interkulturellerTrainingsmuss es also sein, Kulturalisierungen zuproblematisierenundeinenRaumzuschaffen,Kul-tur als Unterscheidungskategorie differenziert undin ihrer Komplexität zu thematisieren, ohne dabeidominante Diskurse der Zuschreibungen und Ste-reotypisierungenunre�lektiertzureproduzieren.EsgehtalsoumdieFrage,wieeinschlägigeForschun-genderSozial-undKulturwissenschaften,diegenaudiese Problematik des Kulturbegriffs aufzeigen, inderTrainingspraxisberücksichtigtwerdenkönnen.
Koch gibt zu bedenken, dass im Transfer vonwissenschaftlichen Konzepten und Theorien indie interkulturelleTrainingspraxisdiePraxisfeld-orientierungeinewichtigeRollespielt.Dasheißt,esmüssenhandlungsbezogeneundpragmatischeKonzepte entwickelt werden, die in Situationen,die als interkulturell wahrgenommen werden,Orientierunggebenkönnen.DieSchnittstellezwi-schen Praxis und Theorie in der interkulturellenKommunikation stellt einen vor große Heraus-forderungen und wirft verschiedene Fragen auf:Wie kann man der Komplexität des Themas imRahmenvonTrainingsgerechtwerden?WiekanneineReproduktionvonMachtverhältnissendurchveralteteKulturauffassungenvermiedenwerden?UndwiekanndieMethodikderTrainingsdiesenFragen angepasst werden? Diese Fragen sindnicht einfach zu beantworten. Die große Diskre-panz zwischenden aktuellenKulturauffassungenderKulturanthropologie und denen in Trainings,führt Motakef auf die unterschiedliche „Reprä-sentationsdichtevonKultur“148,alsowiekomplexKultur repräsentiert wird, zurück. BreidenbachundNyríríschlagendeswegenvor,ethnogra�ischeMinistudiendurchzuführen,wiesieinderMarkt-forschung teilweise etabliert wurden. Diese klei-nenForschungenentsprächenderNotwendigkeit,
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III.PerspektivenfürdieTrainingspraxis
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Macht man sich die Transnationalität als le-bensweltlicheRealität innerhalbvonGesellschaf-ten stets bewusst, dann wird man konsequen-terweise nationalkulturelle Abgrenzungspraxenproblematisierenmüssen.Problematisierenheißthier, dass man weder die Existenz nationalkul-tureller Unterscheidungen leugnet, weil man sieals Konstrukte entlarvt hat, noch dass man vonder natürlichen Gegebenheit nationalkulturellerUnterschiede ausgeht, weil Menschen diese be-haupten.Vielmehristeswichtig,Unterschiedeals(historisch gewachsene) Praxen und Strategiender Organisation sozialer Räume zu verstehen.DiesedifferenziertePerspektiveaufnationalkultu-relleAbgrenzungspraxenmussimBezugaufsämt-licheDimensionenderkulturellenZuordnungundAbgrenzung eingenommen werden. Statt Kulturgegen alle Widerstände zu homogenisieren, ist
eine diversitätsbewusste Perspektive149 ange-messen,undzwaralsressourcenorientierteundmachtkritische Perspektive. Legt man seineneigenenWahrnehmungs-undOrdnungsprinzipiennuneinKulturverständniszugrunde,welcheseineVielfalt der möglichen ZugehörigkeitskategoriendurchtransnationaleVernetzungenundDiversitätzulässt,dannwirdesmöglich,Kulturalisierungenzu vermeiden. Die Berücksichtigung dermögli-chenMehrfachzugehörigkeiten von IndividuenzusozialenundkulturellenGruppenwirdsowohlvonMotakefalsauchvonKochalswesentlicherAspektderNeukonzeptionalisierunginterkul-turellerTrainingsgenannt.150
Grundlegend für die Vermeidung von Kultu-ralisierungen ist, dass den Interagierenden derRaum zugestanden wird, sich selbst zuzuordnen
so die Autoren, sich konkreten Situationen zuzu-wenden,umüber teilnehmendeBeobachtungundGesprächeeinenPerspektivwechselanzuregen.Zielsei es, Situationen in ihrerKomplexität zu verste-henundHandlungsmotive,sowieWahrnehmungeninihrespezi�ischenKontexteeinordnenzukönnen.DochgenauhierlässtsichdasProblemausmachen:KomplexeHerangehensweisen,wiediederethno-gra�ischen Forschung und der dichten Beschrei-bung,würdezwarderalltagsweltlichenkulturellenVielschichtigkeitgerechtwerden,wäreaberindenmeisten Trainings zeitlich nicht umsetzbar. DenndadieAuftraggeberinnenundAuftraggeberfürdasThemainFortbildungenoderinnerhalbvonAusbil-
dungen einen zu kleinen Zeitrahmen einräumen,sinddiezeitlichenRahmenbedingungeninterkultu-rellerTrainingsimmereingeschränkt.
AlsPerspektivesollenimFolgendenverschiede-neDenkanstößegegebenwerden,dieimFeldderinterkulturellen Kommunikation und Training-spraxis einemprozessorientiertenundmachtkri-tischenKulturverständnisRaumgeben.Dazuwer-denBegriffeundKonzeptevorgestellt,die indenSozial-undErziehungswissenschaftenverhandeltwerden.OhneAnspruchaufVollständigkeit,wer-denSchlaglichteraufeinigeweiterführendeKon-zeptegeworfen.
149DerBegriffderDiversitätsbewusstheitwirdmittlerweileinsbesondere im Kontext der Sozialarbeit und der interna-tionalen Jugendarbeit verwendet.Kerngedankederdiversi-tätsbewussten Perspektive ist die Anerkennung kulturellerDiversitätalsNormalität.DabeiorientiertsiesichaneinemkomplexenVerständniskulturellerDiversität,indemsowohldie verschiedenen Differenzlinien, wie Alter, Geschlecht,Herkunftetc.mitgedacht,alsauchderAspektderMachtunddersozialenUngleichheitberücksichtigtwerden.Zielistdie
SchaffungvonChancengleichheitundsozialerGerechtigkeit.DiediversitätsbewusstePerspektiveistvonDiversity-Strate-gienzuunterscheiden,dieinBereichenderfreienWirtschaftpopulärgewordensind.DortsindsieTeilderUnternehmens-führung, insbesonderedesPersonal- undOrganisationsma-nagement. Ziel vonDiversity-Management inUnternehmenistes,dievielfältigenPotenzialederMitarbeiterundMitar-beiterinnenoptimalfürdieUnternehmenszieleeinzusetzen,alsopro�itorientiertnutzbarzumachen.HubertusSchröer,
TheoretischeImpulsefüreinkomplexesKulturverständnis
ImpulsefüreinkritischesKulturverständnisininterkulturellenTrainings
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Erklärungsmuster„Kultur“kritischhinterfragen
PolitikwissenschaftlerundLeiterdesInstitutsInterkulturelleQualitätsentwicklung München IQM untersucht, ob AnsätzedesDiversity-ManagementsaufdensozialenSektorübertrag-barsind.ErstelltzwargroßeUnterschiedeinderZielsetzungder Implementierung von Diversity-Strategien fest (Pro�it-maximierung in Unternehmen vs. soziale Gerechtigkeit undChancengleichheit inderSozialenArbeit), siehtabergleich-zeitigPotenziale imganzheitlichenAnsatz desDiversity-Ma-nagementsderUnternehmen.WeiterführendSchröer(2006).Insgesamt werden entlang der Begriffe Diversity, DiversitätunddarananknüpfendIntersektionalitätkontroverseDebat-
tengeführt,dievorallemökonomischeVerwertungslogikenvonDiversity-StrategienundGefahrenderReproduktionvonZugehörigkeitskategorienkritisieren.Vgl.auchwww.i-iqm.de150Koch(2008),S.16undMotakef(2000),S.112ff151DerBegriffTranskulturalitätwirdindenSozial-undKul-turwissenschaftennichtverwendet.152siehez.B.www.transkulturelles-portal.com(Zugriff:01.12.2011)153Koch(2008),15154Auernheimer(2008),S.43155Motakef(2000)S.113156Ebd.S.114
und identitäre Bezüge herzustellen. Dass dieFremd- oder Selbstzuschreibung einer stabilenkulturellenIdentität(seieseinerethnischen,reli-giösen,geschlechtlichenodersonstigenIdentität)problematisch ist, wird deutlich, wennman Kul-tur als hybrid oder synkretisch versteht und dieKonstruktionderkulturellenIdentitätalsCollageauffasst. Im Trainingskontext ist der Begriff derTranskulturalität151 verbreitet. Um sich kultur-theoretischneuzupositionieren,greifenTrainingsdiesenBegriffaufundbeziehensichdamitaufei-nendynamischen,prozess-undpraxisorientiertenKulturbegriff.152ErentkräftetdieIllusionderRein-heitundGanzheitvonKultur(en)undermöglichtesstattdessen,eindynamischesKulturverständnismitVernetzungenundVermischungenbegrif�lichzufassen.153
Eine zentraleLeitlinie fürdasVerständnis vonKultur istes,Kultur immer inVerschränkungmitbestimmten Praktiken und Prozessen untermachtungleichen Bedingungen zu denken. DerPädagoge Georg Auernheimer de�iniert diesbe-züglich eine interkulturelle BegegnungssituationnichtübertatsächlichekulturelleDifferenzenderBeteiligten, sondern als eine Kommunikations-situation, in der sich die beteiligten Subjektegegenseitig als Mitglieder einer „Out-Group“wahrnehmen.154 Eine interkulturelle Begegnunggeht somit aus aktiven Wahrnehmungs- undOrientierungsprozessenderBeteiligtenhervor.
Wenn man also davon ausgeht, dass MenschenTrainings aufsuchen, um in von ihnen als inter-kulturell wahrgenommenen Begegnungs- undKommunikationssituationen angemessen agierenzu können, dann liegt dieser Betrachtung einVerständnis zugrunde, das Kultur und kulturelleDifferenz den sozialwissenschaftlichen Erkennt-nissen entsprechend als ein prozesshaftes Ord-nungsprinzip begreift. Kultur und somit auch„Interkultur“alskontextabhängigePraxisundalsdiskursiven Prozess zu verstehen und sie nichtauf unhinterfragte Gegebenheiten zu reduzieren,verändert allerdingseinewichtigeErwartungan interkulturelle Trainings: Wenn sich inter-kulturelle Situationen erst in der Begegnungssi-tuationdurchZuschreibungenundAbgrenzungenentwickeln, dann sind potentielle Probleme oderihreUrsachennichtvorherseh-undabwendbar,dasiesituationsbedingtsind.DieErwartung,poten-tielleKon�liktedurchdasVerstehender„fremdenKultur“ vorhersehen und vermeiden zu können,kann somit nicht erfüllt werden. Die Kommuni-kationswissenschaftlerin Annelie Knapp-Potthoffbetrachtet Kon�likte, die auf unterschiedlichenAnsichtenoderInteressenberuhen,sogaralswich-tigenBestandteilvonKommunikationundsiehtinder Kon�liktvermeidung kein Ziel interkulturellerKompetenz.155DieEthnologinBarbaraWaldissiehtininterkulturellenMissverständnissenein„zentra-lesundvorallemschöpferischesMomentkulturel-lenWandelsundindividuellerLernprozesse“156.
Behauptungen,dieimNamenvonKulturaufge-stelltwerden,müssenkritischhinterfragtwerden,um möglicherweise dahinter versteckte Macht-mechanismen sichtbar zu machen. Breidenbach
und Nyírí haben dazu einen Fragenkatalog zu-sammengestellt, der helfen soll, über bestimmte„Forschungsfragen“einekritischePerspektiveaufKulturerklärungenzuwerfenundumKulturalisie-
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Re�lexiveInterkulturalität
rungenzuvermeiden.SieteilendieFragenindreiFragenkomplexeauf157:
(1)ÜberwelcheGruppenwerdenpauschaleAussagengetätigt?EntlangwelcherKategorienwerden Gruppen de�iniert und voneinanderunterschieden?WerdendabeiwichtigeUnter-schiedeinnerhalbdieserGruppenübersehen?Hiergehtes insbesonderedarum,diegrobma-
schigen Gruppenkategorien wie Nation, Ethnie,Religionzuhinterfragen.ZumeinensolldamitdieinterneHeterogenitätsolcherGruppenkonstruktesichtbarwerden.ZumanderenmachendieseFra-gendeutlich,dassnichtalleMenschengleicherma-ßen über bestimmte kulturelle Zuschreibungenkategorisiert werden (das so genannte Otheringspiegelt häu�ig einen Prozess wider, in dem dasEigeneunsichtbarbleibt,währenddasanderealskulturelloderethnisch„fremd“markiertwird).
(2)WersprichtimNamenvonwem?WelcheInteressenkönnensichhinterdiesenAussagenverbergen?WohernehmenSprecherihreAuto-rität?WessenStimmenwerdeneventuellnichtgehört?HierstelltsichdieFrage,wessenInteressenmit
dem Kulturthema eventuell verfolgt werden undwelchedabeiunberücksichtigtbleibenoderüber-gangenwerden.EsgehtalsoumMachtverhältnisseinnerhalbderBeziehungen,indenenmitkulturel-lenUnterschieden argumentiertwird. Besondersim Bezug auf Kulturalisierungen ist es zentral,
mögliche machtbezogene Interessen hinter den„Kultur“-Argumenten zu hinterfragen (Zugang zuoderAusschlussvonPraktiken,Rechten,P�lichtenodergesellschaftlichenRäumen).
(3)Wie frei sind Mitglieder einer Gemein-schaft, bestimmte kulturelle Maxime zuverändern oder abzulehnen? Öffnen oderverschließen imNamen vonKultur erhobeneForderungen und Sonderrechte einen RaumfürabweichendeMeinungen?KönnenEinzelnedieGruppeverlassenundsich füreineneige-nenLebensstilentscheiden?Bei diesen Fragen geht es um den Aspekt der
Freiwilligkeit oder Wahlfreiheit in Sens Sinne.WerdenkulturelleUnterschiedezurLegitimationvonUnterdrückunggenutztoderbasierensieaufEntscheidungsmöglichkeiten der Individuen? ImSpannungsverhältnis von Mehrheitsgesellschaftund Minderheitengruppen können diese FragenMechanismenderFremd-undderSelbstethnisie-rungoffenlegen.
Diese Fragen geben Anregungen, das eigeneKulturverständnis und das des Gegenübers zuhinterfragen.Siekönnendazudienen,eineSkep-sisgegenüberdemErklärungsmuster „Kultur“zuentwickeln und damit etablierte und dominanteDiskurseüberKulturzudurchbrechen.Gleichzei-tig eröffnen sie denRaum für einedifferenzierteWahrnehmung von Situationen, in denen KulturalsUnterscheidungskategoriewirksamist.
Während Diversitätsansätze sowie transkul-turelle und transnationale Kulturkonzepte inerziehungswissenschaftlichen Diskursen zuneh-mend diskutiert werden, hat sich in den letztenJahrzehnten ein Arbeitsfeld, welches sich „inter-kulturell“ nennt, etabliert. Interkulturalität nunzu verwerfen und an ihre Stelle neue BegriffeundKonzeptezustellen,würdeunterUmständenalte Problematiken unter neuemNamen fortfüh-
ren. Anstatt alsomit neuen Begriffen verfestigteDenkstrukturenzubekämpfen, schlägtderPäda-gogeFranzHamburgereineselbstre�lexiveund(macht)kritischeAuseinandersetzungmitdemKonzeptderInterkulturalitätundseineninsti-tutionalisiertenProgrammenvor.DazubeziehterdieobendiskutiertenneuenBegriffeundAnsät-ze und insbesondere die darin enthaltene Kritikan statischen Vorstellungen von Kultur mit ein.
157 Folgende Fragen sind von Breidenbach/Nyírí (2008), S. 164ffübernommenworden
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DasProfessionalitätsverständnisinterkulturellerTrainerinnenundTrainer
Das Verständnis, professionell als TrainerinoderTrainer handeln zu können, ist engmit derErwartungverbunden,überallesBescheidzuwis-sen,Antwortenzuhabenund „echte“Kompeten-zenzuvermitteln.ImBereichderinterkulturellenBildungführendieseErwartungenhäu�igzueinerReduktionvonkulturellerKomplexitätundzueiner„Technologisierung“voninterkulturellemWissen.Der Pädagoge Paul Mecheril beschreibt, inwie-ferninsbesonderedieVersprechunginterkulturel-lerKompetenzalsTechnikimUmgangmit„Frem-dem“einsolchesProfessionalitätsverständniswi-derspiegelt.159InAnlehnungandieKritikaneinemsolchentechnologischenVerständnisvoninterkul-turellerKompetenzführtMecherildenBegriffder
„Kompetenzlosigkeitskompetenz“ ein. NatürlichistdieserBegriffeineprovokanteBezeichnungfüreineProfession,dieKompetenzvermittlungdurchTrainingszumZielhat.Dennochenthaltendieda-miteinhergehendenÜberlegungeneinigesinnvol-leundweiterführendeGedanken.Kerngedankeistes,ein„grundlegendre�lexivesVerhältniszudemeigenen professionellen Handeln, seinen Bedin-gungenundKonsequenzen“160einzugehen.161
Mecherilbegründet seineKritikauf einemderPädagogikinnewohnendenParadox:pädagogischesHandeln orientiert sich an bestimmten (erfah-rungsbezogenen,erziehungswissenschaftlichenodersonstigen)Wissensbeständen,dieesermög-
HamburgerstelltdieFrage,obdieunintendiertenFolgen, also die Reproduktion vonMachtverhält-nissen oder vonKategorisierungen in „Zugehöri-ge“und„Fremde“nichtviel stärkerseien,alsdie„guten“ Absichten interkultureller Maßnahmen.Seine Antwort darauf ist, dass „Interkulturalität“als scheinbarerKönigsweg in derGestaltung derEinwanderungsgesellschaft aufgrund dieser ver-mutetennegativenEffektezwarnichtersetzt,aberviel kleiner formatiertwerdenmüsse. Darausentwickelt er den Begriff der re�lexiven Inter-kulturalität. Dieser verlangt, dass man sich alspädagogischhandelnderMenschmitdenNeben-effektenderinterkulturellenArbeitkonfrontierenmüsse. Die Vorsilbe „inter-„ suggeriert die Exis-tenzzweierParteienoderSeiten.Einenentschei-denden Nebeneffekt sieht Hamburger folglich inder Stabilisierung kultureller Grenzen durch denFokus auf das „Zwischen” den Kulturen in inter-kulturellen Ansätzen. Es sei also, so Hamburger,einwichtigerTeilinterkulturellerArbeit,sichzumeinendieFolgendeseigenenHandelnsbewusstzumachenundsichdarüberhinauskritischdamit
auseinanderzusetzen.FürdiepädagogischePraxisbedeutetdies,dassderAuswegausdemDilemmader Reproduktion bestimmter Kategorien durchdie Thematisierung von Kultur nicht die Nicht-Thematisierung ist, aber auch nicht die einfacheReduktion auf ein geschlossenesKulturverständ-nis.Vielmehrgehtesdarum,dieeigenenGewiss-heitenundVorannahmensichtbarzumachenundzurDiskussionzustellen,sowiedieFolgeneinesauf statischemFußeplatzierten Interkultu-ralitätsverständnisses zu thematisieren. Darüberhinausbedeutet es auch,dasseserforderlich ist,zuanalysieren,wasdieKategorie „interkulturell“überhauptgenaubezeichnet,fürwelcheKon�likt-lagen und Situationen sie tatsächlich geeignetist undwelche Folgen sie gegebenenfalls für diePersonen hat, deren Handeln unter interkultu-rellerPerspektivebehandeltwird.Dies führt zur„bescheidenenFormatierung“158desKonzeptsderInterkulturalität,daesdenRaumlässt,vermeint-lich interkulturelle Situationen auch außerhalbkulturellerErklärungsmusterzuanalysieren.
158Hamburger(2009),S.129159Mecheril(2008),Mecheril(2005),Mecheril(2004)160Mecheril(2008)161 Mittlerweile gibt es diverse Fortbildungsprogramme fürProfessionelle im interkulturellen Bildungskontext, die sich
damit beschäftigen, eine solche selbstre�lexive Haltung zuetablieren, z.B. Social Justice Trainings: http://www.multiplikatorenbildung.de/multiplikatoren/social-justice (Zugriff20.09.2011,11Uhr)
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EinkonstruktiverAnsatzzurAnalyseinterkultu-rellerKon�liktestammtvonGeorgAuernheimer.163ErverarbeitetdieKritikamstatischenKulturver-ständnisunddiedarauf au�bauendenDilemmatainterkulturellerProgrammeinseinerDarstellungvon Kommunikations- und Kon�liktsituationen.
Er stellt damit ein Analyseinstrumentarium zurVerfügung, welches es ermöglicht, Kon�likte, dieals interkulturell etikettiertwerden,mehrdimen-sionalzubetrachten.Dazu fragterdanach,unterwelchen Bedingungen interkulturelle Kon�likteentstehen und welche Kräfte darin wirksam
InterkulturelleKon�liktemehrdimensionalbetrachtet
lichen,Situationeneinzuordnenundeinzuschätzen,umHandlungsoptionenzuentwickeln.GleichzeitigerfordertpädagogischesHandelneineOrientierunganderEigenlogikjedesEinzelfalls.Auf interkul-turelleTrainingsbezogenbedeutetdies,dasswennman interkulturelle Kompetenzen als Technologieverstünde, man sich auf das erlernte Kulturwis-sen(alsodiewieauch immerentstandenenWis-sensbestände, z.B. in Form von Kulturstandards)stützenunddarausHandlungableitenwürde.ManwürdedasParadoxalsozugunstenderkulturellenTypisierung (=Kulturalisierung) au�lösen.Meche-rilsetztdemeinSelbstverständnisentgegen,wel-cheszunächstdieGrenzendeseigenenprofessi-onellenHandelnsbewusstmacht:eswirdkeineMethode und keine Theorie geben, die Teilneh-mendenineinemTrainingFettnäpfchen,Befrem-dungsgefühle oder Unsicherheiten in konkretenSituationenersparenkann.AuchdieVermeidungvonKon�liktenkannkeinZielvoninterkulturellenTrainingssein.Das liegtganzeinfachdaran,dasszumeinendas„Wissenüber“einebestimmteKul-tur oderKulturstandardsnoch langenicht heißt,dass ich über mein Gegenüber, das vermeintlichdiese kulturelle Prägung aufweist, geschweigedenn über seine Motivationen, ReaktionsmusterundGefühlebescheidweiß.Zumanderenverleitetdas „Wissen über“ dazu, Verhalten zu kulturali-sieren undmeinem Gegenüber keinen Raum fürSelbstde�initionenzuüberlassen,welchesmanalsmachtvolleunddiskriminierendePraxisbegreifenmuss. Mecheril plädiert dafür, dass sowohl dasWissen als auch die Kompetenzen interkulturel-ler Trainings zunächst von den herkömmlichen
Inhalten entleert und dann neu besetzt werdenmüssten: Was man im Zusammenhang interkul-turellerBildungwissensollte, istnichtmöglichstvielübereineandereKultur,sondernbeziehtsichMecherilzufolgevorallemaufHintergründeundStrukturen von Dominanz- und Herrschafts-verhältnissen,sowieaufdieFunktionundKon-struktionsprozesse kultureller DifferenzenundDifferenzierungen.DieAuseinandersetzungdamitvorundinnerhalbderTrainingsermöglichteine (selbst)re�lexive Verwendung notwendigerBegriffewie „Kultur“, „Differenzen“und „Zugehö-rigkeit“. Was die Kompetenzen angeht, so nenntMecheril zum einen die Selbstbeobachtungs-kompetenz, die zur Selbstre�lexion im Umgangmit eigenen Vorannahmen und Kategorien befä-higtundeineguteBeobachtungskompetenz,dieeinem ermöglicht, die von den Akteurinnen undAkteurenselbstartikuliertenDifferenzkategorienwahrzunehmen.InsbesonderederBeobachtungs-kompetenz steht das vermeintlicheWissen überbestimmte kulturelle Muster häu�ig im Weg. Esführt zu kulturellen Zuschreibungen und Stere-otypisierungen und übersieht damit subjektiveZuordnungen.GleichzeitignimmtdieBereitschaft,Unwissen zuzugeben und einfach nachzufragen,ab.162Unwissenheit als konstruktivesMomentimUmgangmitverunsicherndenBegegnungenzuverstehen, ist einKerngedankedesKonzeptsder„Kompetenzlosigkeitskompetenz“.Darüberhinauskanneshilfreich sein,dieVerunsicherungenundÄngstezuthematisieren,diesuggerieren,manseiohneeinbestimmtesWissenhandlungsunfähig.
162DieseErfahrungenwurdenimZusammenhangmitderEnt-stehungdieserExpertisevonmehrerenTrainerinnenberichtet.163FürweitereAnsätzesiehez.B.:Mecheril,P..InNorbertCy-
rus&AndreasTreichler(Hrsg.)(2006)S.371-387undMeche-ril,P.&CastroVarela,delMarM.(2000).
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Machtasymmetrien
InterkulturelleKommunikations-undKon�liktsi-tuationenwerden unter anderemdann diagnosti-ziert,wennesz.B.umdenKontaktzwischenMehr-heits-undMinderheitenangehörigengeht,oderumIn-undAusländer,alsoumKontakteinnerhalbderEinwanderungsgesellschaft.Dieseunterinterkultu-rellenGesichtspunktenzubetrachten,ohneMach-tasymmetrien zu berücksichtigen, würde einenwesentlichen Faktor innerhalb der Beziehungenverschleiern.Auernheimer versteht unter „Macht“eine Überlegenheit, die sich dadurch ausdrückt,überwelcheHandlungsmöglichkeiteneinePersonodereineGruppeverfügt.Handlungsmöglichkeitenhängen mit dem Zugang zu kulturellen, sozialenund ökonomischen Ressourcen zusammen, sindinstitutionell verankert und zeigen sich unter an-derem darin, wer Regeln aufstellen, Beziehungende�inieren und Diskurse steuern kann. InnerhalbvonmachtasymmetrischenBeziehungenspieltderrechtliche Status einer Person (z.B. der Aufent-haltsstatus) genauso eine Rolle, wie das AnseheneinerGruppe.DiesesistgeprägtvonImaginationen–alsogewachsenenVorstellungenundBildern–dieinnerhalbeinerGesellschaftdurchbestimmteDis-kurseimmerwiederreproduziertwerden.
Das Beispiel von Subash, der aus Indien nachDeutschlandmigrierte, zeigt,wieMachtasymme-trien Verhalten innerhalb von interkulturellenKon�likten beein�lussen165: Nachdemdieser eineangesehenePositioninseinemHerkunftsorthatte,kamernachDeutschland,woermehrereJahremitseinemAufenthaltsstatuskämpfte.ObwohlereineAusbildungabschloss,deutschsprachundquali�i-ziertarbeitete,mussteerimmerwiederumseinenAufenthaltsstatusbangen.ErentwickeltemitderZeiteinVerhalten,dasihnfastunsichtbarwerdenließ,dasihninKon�liktenunterwür�igerscheinenließ und das zu großen Schwierigkeiten, auch inderKommunikationunterFreunden,führte.SeineUnterwür�igkeit nun auf das „ostasiatische Har-moniebedürfnis“zubeziehen,esalsoanhandvonKulturstandardszuerklären,wäreanderUrsachefür die Kon�likte weit vorbei gegangen, indemmansieinseiner„Fremdheit“verortetunddamitsämtliche Machtasymmetrien verleugnet hätte.AuernheimerzitiertdiesbezüglicheinenExpertenfürinterkulturelleMediation,BerndFechler,nachdem es „kaum einen ‚interkulturellen Kon�likt’(gibt), bei dem nicht zugleich auch das ThemaMacht eineRolle spielenwürde.Vielmehrdeutet
164DazubedientersichderSoziolinguistik,derCross-Cultu-ral-PsychologyundderKommunikationspsychologie.Weiter-führendAuernheimer(2008)
165 Das Beispiel stammt aus dem persönlichen Umfeld derAutorin.
werden. Sein Hauptinteresse ist es, zu beleuch-ten,welcheFaktoreninKon�liktenzwischenzweivermeintlich kulturell unterschiedlich geprägtenKon�liktparteien außerhalb der kulturellenDifferenzauszumachensind.DieseHerangehens-weise widerstrebt der Tendenz, das Verhaltenbestimmter Personen in einem interkulturellenKon�liktanhandihrerKulturzuinterpretierenunddadurch zu kulturalisieren. In der Betrachtungeiner Kon�liktsituation unter komplexen Bedin-gungenbeziehternebenderindividuellenEbeneauchdiestrukturelleEbenemitein.AuernheimerentwirftaufderBasisverschiedenertheoretischerKonzepte164 ein mehrdimensionales Modell zurInterpretation interkultureller Begegnungen. Das
Modell soll einenRahmen bieten, innerhalb des-senunterBerücksichtigungvonvierDimensionenpotenzielleStörfaktorenidenti�iziertwerdenkön-nen,dieinKon�likteneineRollespielen.Ersprichtexplizit über interkulturelle Kon�liktsituationenund meint damit, Situationen, in denen sich dieBeteiligten gegenseitig als Mitglieder eine Out-Group–alsoalsMitgliedereiner„fremden“Grup-pe–wahrnehmen.
ImFolgendenwerdendieeinzelnenDimensio-nendesModells vorgestellt: (1)Machtasymme-trien, (2)Kollektiverfahrungen, (3)Fremdbil-derund erst an (4)Stelle differente kulturelleMuster.
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Eng verbundenmit Machtasymmetrien ist dieDimension der Kollektiverfahrungen. Durch dieKolonialgeschichte, durch Sklaverei, durch denNationalsozialismusunddurchanderehistorischeErfahrungen der Unterdrückung und Verfolgungsind Beziehungen zwischen Gruppen historischgeprägt.JenachKommunikationssituationkönnendieseErfahrungeneinenzentralenEin�lussaufdieBereitschaft zur Kommunikation, die Interpreta-tiondesGesagtenoderdie Formder Interaktionhaben. Die mediale Thematisierung der „Deut-schen-Feindlichkeit“ ist ein Beispiel dafür. DiesemitkulturellenWerten innicht-deutschen(meistnicht-christlichen)Gruppenzuerklären,verkenntdieTatsache,dassMenschen,dieeinensichtbarenMigrationshintergrundaufweisen,inDeutschlanddamitaufwachsen,alsNicht-Zugehörigebetrachtetzuwerden.167DieKollektiverfahrungenderUnter-drückungundderDiskriminierungmüssen,sofernmanüberKon�likteoderkon�likthaftesVerhaltenin einer machtasymmetrischen Beziehung (wieesdiezwischenMehrheit-undMinderheiteneineist) spricht, indenBlick genommenwerden.Au-ernheimer führtdasBeispiel desBehördengangs
an:Misstrauen undVerletzlichkeit können daherrühren,dassBekannteoderVerwandtebestimmteDiskriminierungs- oder Rassismuserfahrungengemacht haben, oder dass innerhalb von Com-munitiesbestimmteDiskursedarüberherrschen.Eine Kommunikationssituation innerhalb vonBehörden–abernichtnurdort–unterdiesemGe-sichtspunktzubetrachten,kannaufschlussreichersein,alsmangelndeBereitschaftzurKooperationkulturell zu begründen. Interessant ist an dieserStelle, nicht nur das Verhalten „des Anderen“ zuanalysieren, sondern die Rollen aller Beteiligtenzu fokussieren. Auernheimer konstatiert, dasssichRollenundentsprechendesVerhaltenhäu�igbedingen:paternalistischesoderkontrollierendesVerhaltenaufSeitenderdominantenPersonhin-ge engmit demVerhaltenminorisierterKlientenzusammen. Zusammenfassend lässt sich sagen,dassKollektiverfahrungen, diehistorischbedingtoder gesellschaftlich transportiert sind, Kon�likt-situationen beein�lussen, denn durch siewerdenErwartungen geschürt, Umgangsweisen erzeugtundReaktionengeprägt.
Fremdbilder sind von Kollektiverfahrungenmaßgeblich geprägt. Sie sind als historisch ge-wachseneunddurchöffentlicheDiskurseerzeugteImaginationenüberden „Anderen“ zu verstehen.Fremdbildersind imGrundeStereotype,diemanüberbestimmtePersonenoderGruppenhatunddie einen Ein�luss auf Wahrnehmung haben, in-demsiedieseprägen.Es ist fürdieBerücksichti-
gungvonFremdbildernnichtrelevant,obTeilederBilder oder Stereotype nun stimmen oder nicht,sondern es soll deutlichwerden, dass sie immernurAusschnittedarstellenundunvollständigsind.DieSchriftstellerinChimamandaNgoziAdichieer-klärtdieGefahrenvondominantenFremdbildernin ihremVortragmit demTitel „The danger of asingle Story“168. Es geht darin um den Kontinent
Kollektiverfahrungen
Fremdbilder
vielesdaraufhin,dassdieBrisanz‚interkulturellerKon�likte’ auf die strukturelle Machtasymmetrie(...) zurückzuführen ist.“166 Es ist also von außer-ordentlicher Wichtigkeit, Machtasymmetrien zuberücksichtigen, was voraussetzt, dassman einegewisse Kenntnis darüber mitbringt. Faktoren,
diezuthematisierensind,sindStatus-undWohl-standsgefälle, Sprache, Zugang zu Informationen,�inanzielle oder sonstige Abhängigkeiten, Rassis-men, sowie Praktiken und Kontexte von Selbst-undFremdzuschreibungen.
166Auerheimer(2008),S.49167Spielhaus(2011)
168 Siehe: http://www.ted.com/talks/chimamanda_adichie_the_danger_of_a_single_story.html(Zugriff02.08.2011)
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DifferenteKulturmuster
169Adichiekritisiertstark,dassüberbestimmteRegionenwieAfrikainwestlichenMedienausschließlicheinseitigberichtetwird,unddassAfrikanerwenigeMöglichkeitenhaben,andereBilderübersichzurepräsentieren.Diesführtdazu,dasseinBild diskursiv konstruiert wird, welches den Umgang mitMenschen ausAfrika beein�lusst. Sie erzählt, dass ihrKom-
militoninnenbereitsMitleidfürdieHerkunftauseinerarmenRegionentgegenbrachten,ehediesesieüberhauptkennenge-lernthatten.ImGegensatzzuAfrikagäbeeszumBeispielüberEuropasehrvieleGeschichtenundBilder,dieesermöglichen,eindifferenziertesBildaufzubauen.
AfrikaunddieihnbesetzendenNegativbilder.Alsjunge nigerianische Studentin an einer US-Ame-rikanischenUniversitätwurde sie immerwiedermitderGewaltderFremdbilderkonfrontiert,diedas Verhalten US-amerikanischer Studentinnenund Studenten, Dozentinnen und Dozenten ihrgegenüber,aberauch ihreIdenti�ikationmitdemafrikanischenKontinentstarkbeein�lussthat. IhrzentralesArgumentist,dassesnichtdarumgehensoll,bestimmteNegativbilderzuwiderlegen,son-dernsiealseinesvonvielenBildernzubetrachtenunddurchandere(auchwidersprüchliche)Bilderzu ergänzen.169 Auernheimer sieht in Fremdbil-dern insofern einen wichtigen Anhaltspunkt fürdie Analyse vonKon�likten, da sie Grundlage fürVorurteile oder gar Feindbilder sind. Für Auern-heimers Modell ist es wichtig, den Ein�luss vonFremdbildern auf bestimmte VerhaltensmusterinnerhalbderKon�liktsituationensichtbarzuma-chen. Ihm zufolge lenken Fremdbilder dieWahr-nehmung und die Interpretation der Beteiligten
inRichtungderReduktionvonKomplexität.Ver-halten wird entindividualisiert und bestehendenFremdbildern entsprechend kategorisiert. Hierliegt die Gefahr, einen interkulturellen Kon�liktüberhaupt erst zu erzeugen, indem das eigeneVerhaltennichtandietatsächlicheSituationange-passt,sonderndurchdieeigenenFremdbildervor-geprägtist.EinaktuellesBeispielfürFremdbilderunddadurcherzeugteKon�likteistdieForderung,allemuslimischenVerbändesolltensichöffentlichzur Verfassung bekennen. Die Ablehnung seitenseinigerVerbändeistunterdemAspektderFremd-bilderdannkeinIndizfürihreablehnendeHaltunggegenüberderVerfassung,sondernalsEmpörungüberdieUnterstellung,manseiverfassungsfeind-lich gesinnt, zu verstehen. Ebenso reproduzierenBevormundung,übertriebeneFürsorgeoderMit-leid, hervorgerufendurchbestimmteBilderüberMigrantinnen und Migranten, machtvolle Bezie-hungen,AbhängigkeitenundbedingenVerhaltens-musterundKon�likte.
Auernheimerlegtdaraufwert,dassdieDimen-sion„differenteKulturmuster“erstanvierterStel-leangeführtwird.Zwarweisterdaraufhin,dassmanFremdbilderdurchausalsTeilderKulturmus-ter betrachtenmuss. In Bezug auf diesesModellnimmterabereineTrennungvor.MitdifferentenKulturmusternmeint Auernheimer nun das,wasmeistalsersteszurErklärungvonVerhaltenver-meintlich „Fremder“herangezogenwird, alsodieso genannten kulturellen Codes oder Standards,die Wahrnehmung und Deutungsmuster prägen:Die Art der Begrüßung, Hö�lichkeitsformen, Um-gang mit Hierarchien, Nähe- und Distanzverhal-ten, Zeichen undGesten, kurzum, all daswas imAlltagsverständnisunterKultur verstandenwird.DasVerhalten,waseinemandemOrt,andemmanaufwächstoderwomanseitlangerZeitlebt,„an-
erzogen“wurde,kann ineinemanderensozialenKontext seine Gültigkeit verlieren oder missver-standenwerden.DassdieseineRollespielenkann,wennvon interkulturellenKon�liktengesprochenwird, ist nahe liegend undwichtigmitzudenken,denn sonst besteht die Gefahr der Differenz-blindheit. Dass grundsätzlich aber Machtasym-metrienmitgedachtwerdenmüssen,isteinewich-tigeErweiterung,diediesesModellvornimmt. InBeziehungen, in denen kaumMachtasymmetrienbestehen, können differente Kulturmuster alsBereicherung, als „lustige Anekdote“ oder alsunwichtige Differenz wahrgenommen werden.Inmachtasymmetrischen Beziehungen tendierensiedazu,sichmitFremdbildernzuverbindenundZuschreibungs-, Ausgrenzungs- oder Diskrimi-nierungspraxen zu rechtfertigen. Die Dimension
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Interkulturelle Kompetenz, so legt es uns Au-ernheimers Modell nahe, kann sich also nichtnur auf kulturelleDifferenzen beziehen, sondernmuss, wie bereits von Mecheril betont wurde,Machtasymmetrien, Kollektiverfahrungen undFremdbildermitdenken.Erinnertmansichandie
Teilbereiche interkulturellerKompetenz, nämlichkognitive Ziele (Wissen), affektive Ziele (Haltun-gen)undverhaltensbezogeneZiele(Fähigkeiten),soergibtsichdarauseineErweiterungder inter-kulturellenKompetenzen,diemitAuernheimer170imFolgendendifferenziertdargestelltwerden:
Nach Auernheimer erfordert interkulturelleKompetenz in der Einwanderungsgesellschaft,wenn sie Machtasymmetrien und Kollektiver-fahrungen berücksichtigen soll, ein Wissen überkontextabhängige Faktoren derUngleichheit undüber Praktiken der Diskriminierung. Er nenntKenntnisse über Asyl- und Zuwanderungsrecht,EinblickeinMigrationspfadeundLebenslagenvonMigrantinnenundMigranten,WissenüberRassis-musundDiskriminierung,gegebenenfallsüberdieKolonialgeschichteundüberglobaleAbhängigkei-ten.171AlsHaltungnenntAuernheimerdie„Sensibilität
fürAsymmetrienundnegativeErfahrungen,ohneder Tendenz zum Paternalismus zu erliegen“172.Damit meint er das Bewusstsein dafür, dass inderGesellschaftnichtalleüberdiegleichenMög-
lichkeiten und Ressourcen verfügen, dass alsoeine strukturelle Ungleichheit die Gesellschaftund ihre Institutionen durchzieht, und dass die-se bestimmte negative Erfahrungen, wie zumBeispiel Rassismuserfahrungen, mit sich bringt.Dieses Bewusstsein setzt, das sei hinzugefügt,eineRe�lektionüberdieeigenenPrivilegienoderBenachteiligungeninnerhalbderGesellschaftvor-aus.Miteinerselbstre�lexivenundmachtsensiblenHaltunglassensichReaktionenundVerhaltenbe-troffenerPersonen, aberaucheigeneVerhaltens-muster differenziert wahrnehmen. Die Fähigkeit,angemessene Umgangsweisen innerhalb dieserMachtstrukturenzuentwickeln,schließtein,einenKommunikationsrahmenzuschaffen,indemtrotzfaktischerMachtungleichheiteinGesprächaufAu-genhöheannäherndmöglichwird.173
InterkulturelleKompetenzuntereinermehrdimensionalenPerspektive
HiernenntAuernheimerdieFähigkeitzurRe�le-xioneigenerVorurteileundStereotype.Damit istnichtgemeint,dieeigenenVorurteileabzubauen,wieeshäu�iggefordertwird,dennVorurteilsfrei-heitisteineIllusion.Vielmehrgehtesdarum,die
Entstehung, Funktion und Wirkung von Vorur-teilen bewusst zumachen, um sie als Vorurteileüberhauptwahrzunehmen. Dazu gehört es auch,die eigenenvonVorurteilengeprägtenWahrneh-mungs- und Handlungsmuster zu re�lektieren
InterkulturelleKompetenzenimBezugaufMachtasymmetrienundKollektiverfahrungen
InterkulturelleKompetenzimBezugaufFremdbilder
170Auernheimer(2008),S.57ff171Um innerhalb dieserThemen jedoch keine starrenKate-gorien von Mehrheit und Minderheiten zu reproduzieren,sollergänztwerden,dassjenachKlientelundHandlungsfeldverschiedene und komplexe Differenzstrukturen wirksamseinkönnen,diezuAusgrenzungoderBenachteiligungführenkönnen.DieserKomplexitätvonDifferenzenundihrenÜber-schneidungen (z.B. von Migrationsgeschichten, Gender undSexualität)versuchtdieIntersektionalitätsforschunggerechtzuwerden.
172Auernheimer(2008),S.58173UmjedochnichtsolcheStrukturen innerhalbder Institu-tionenzureproduzieren, indenenmehrheitsdeutsche inter-kulturellkompetenteExpertinnenundExperteneinermino-risiertenKlientelgegenüberstehen,musssichinterkulturelleKompetenz bezogen aufMachtasymmetrien auch institutio-nellundstrukturellauswirken.EinSchlagwortinnerhalbderInstitutionenistindiesemKontextdieinterkulturelleÖffnung,und zwar mit einer diversitätsbewussten, ressourcenorien-tiertenundmachtkritischenAusrichtung.
„differente Kulturmuster“ schafft zwar Raum fürdenEinbezugmöglicher(!)kulturellerDifferenzenalsStörfaktoren inKommunikationen,verhindert
durchdenVerweisandievierteStellejedoch,dassdas Scheitern einer Kommunikation nur auf derSeitedesvermeintlich„Fremden“lokalisiertwird.
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Schlusswort
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InterkulturelleKompetenzimBezugaufdifferenteKulturmuster
Auernheimerverweistalserstesdarauf,dieei-genekulturellePrägungzure�lektieren.Dassmanherkunftsbedingt bestimmte Gewissheiten undNormalitätsvorstellungen hat, sollte einem, be-vormansichmit „fremdenKulturen“beschäftigt,bewusst sein. Daraus sollten sich eine OffenheitundeinVerständnisdafürentwickeln,dassandereMenschen durchaus andere Normalitätsvorstel-lungen haben, ohne diese Unterschiede zu hier-archisieren. Auernheimer erwähnt diesbezüglich„fremdkulturelle Skripts“ oder Kulturstandards,die man in Trainings exemplarisch heranziehenkann, wobei die Gefahr besteht, dass sie an ste-reotypisierten Vorstellungen der Teilnehmendenanknüpfen und diese somit reproduzieren. Statt-dessen könnten Theorien und Modelle über Di-versitätundkulturellePluralitätinGesellschaftenalsGrundlagefürkulturelleDifferenzenerarbeitetwerden, um ethnonationale Differenzlinien nichtzuessentialisieren.AndieserStelleisteszentral,abzuwägen,welchenNutzenbestimmteTheoriengegenüber potentiellen Gefahren der Reproduk-tion haben und wie solche Theorien kontextua-lisiert sind. Auernheimer betont dieWichtigkeit,für mögliche kulturelle Differenzen sensibel zu
sein. Diese werden bestenfalls jedoch nicht alsstatischesKulturwisseneinverleibt,sondernkoo-perativerschlossenundalsunvollständig,�ließendundnichtallgemeingültigverstanden.
Interkulturelle Kompetenz wird vor diesemHintergrund als eine Kompetenz verstanden, dieje nach Handlungskontext spezi�ische Kennt-nisse, Haltungen und Fähigkeiten erfordert.Sie kann nicht als Sonderkompetenz imUmgangmit vermeintlich „Fremdem“ konzipiert werden,die sich auf besondere Wissensbestände überkulturelle Differenzen begründet. Auernheimerbetont zu Recht, dass interkulturelle KompetenzalserstenundzentralenSchrittdieSelbstre�lexionauf denEbenenderMacht, der Fremdbilderundder kulturellen Prägung erfordert, um sich überdieeigenenWahrnehmungs-undVerhaltensmus-terinspezi�ischenKontextenbewusstzuwerden.Erst aus dieser machtkritischen Selbstre�lexionwirdesmöglich,ineinerInteraktionssituationdieentscheidendenDimensionen,dieaufdieKommu-nikationeinwirken,wahrzunehmenundineigenedifferenzierteHandlungsoptioneneinzubeziehen.
undgegebenenfalls zuüberdenken.Mansollte inder Lage sein, sämtliche Fremdbilder reprodu-zierendenFaktorenwiez.B. SpracheundMedienund durch sie erzeugte öffentliche Diskurse kri-tischzuprüfenundzuhinterfragen.AlswichtigeFähigkeit sieht Auernheimer eine differenzierte
Wahrnehmung,diePersonen,dieeinemKollektivangehören,stetszugesteht,dassdieseinderLagesind,zuihremKollektiveinekritischeDistanzein-zunehmenundeigeneindividuelleLebensstilezuentwickeln.
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Schlusswort
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DieDiskussiondesKulturbegriffs indieserEx-pertise ermöglicht einenÜberblick über aktuelleKulturdebattenundschaffteineGrundlage,eigeneKulturverständnissemitdiesenabzugleichenundkritisch zu überprüfen. Die Kritik am Kulturver-ständnis in interkulturellen Trainings zeigt auf,dassdieseDebattenauch fürdieTrainingspraxisrelevantsind.DasKulturverständnisistallerdingsnureinerderFaktoren,die innerhalbderEntste-hungs- und Anwendungskontexte interkulturel-ler Trainings einer kritischen Analyse bedürfen.WichtigeundweiterführendeKritikpunkteandenKonzepten interkultureller Trainings, wie zumBeispieleineKritikander implizitenVorstellungmehrheitsdeutscherZielgruppen fürdenKompe-tenzerwerb173, wurden nicht berücksichtigt undwerdenanandererStellediskutiert.174
Eswurdedeutlich,dassdieAuseinandersetzungmit Kultur und kulturellen Differenzen in Trai-ningsnichtunproblematischist,sondernvielmehrein Feld kontroverser Debatten. InterkulturelleTrainings operieren innerhalb gesellschaftlicherBedingungen,dievonmachtungleichenStrukturendurchzogensind.FolglichmüssensieimHinblickaufdieGefahrderReproduktiondieserStrukturenhinterfragtundkritisiertwerden.Sicheinkomple-xes und machtkritisches Verständnis von Kulturanzueignen, istsomitnichtnurdenWissenschaf-ten vorbehalten, sondern fürdieThematisierungvonKultur innerhalb vonBildungsaufträgennot-wendig. Anregungen für die Trainingspraxis unddas eigene Professionalitätsverständnis wurdendiesbezüglichbeispielhaftdargelegt.
Es liegt dieserExpertise fern, allgemeingültigeAussagen über ein „richtiges“ KulturverständniszumachenundentsprechendeRezepte für inter-
kulturelleTrainingsanzubieten.EbensoisteskeinAnliegen,überdieLegitimitätvoninterkulturellenTrainings zu urteilen, bzw. siemit anderen Trai-ningsmodellenabzuwägen.Stattdessensollsiezueiner Re�lexion der eigenen Trainingspraxis undzurweiteren und kritischen Auseinandersetzungmit neueren Kulturkonzepten anregen. Vor die-semHintergrund sollen abschließend einige Fol-geüberlegungenundFragenindenRaumgestelltwerden,denendieseExpertiseeinedifferenzierteAnalyseschuldigbleibt.
Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob, undwenn jawie, einmachtkritisches und komplexesKulturverständnis in interkulturellen TrainingszurVerbesserungdesMiteinanderinderMigrati-onsgesellschaftnutzbargemachtwerdenkann.IstderVerweis kulturellerDifferenzen an die vierteStelle, wie Auernheimer vorschlägt175, dafür aus-reichend? Welche Möglichkeiten gibt es, anhandder Vermittlung der hier diskutierten aktuellenKulturverständnisseinnerhalbvonTrainingseineReproduktion gesellschaftlicher Ungleichheitenzuvermeidenodersiesogarzubekämpfen?Wel-che Lernziele würden solche Trainings konkretverfolgen? Und welchen Problemen und Fragenkannmit solchenTrainingsbegegnetwerden? IndenkontroversenDiskussionenuminterkulturelleTrainings und ihr Kulturverständniswird immerwieder die Frage aufgeworfen, welche RelevanzKulturundkulturelleDifferenzindenFrage-undProblemstellungenderTrainerinnenundTrainerund Teilnehmenden hat. Diese Frage ist auch imLaufe der Erarbeitung dieser Expertise immerwiederaufgetauchtundkannnicht abschließendbeantwortet werden. Eine Betrachtung alterna-tiver Trainingsmodelle, die sich mit Problemenmoderner Migrationsgesellschaften beschäftigen
SchlusswortundweiterführendeFragen
173Damitistu.a.gemeint,dassInterkulturelleTrainings–auchwennkeineZielgruppeexplizitbenanntwird-meistvoneinerZielgruppe ausgehen, die der mehrheitsdeutschen Gesell-schaft angehört und am Arbeitsplatz mit „Anderen“, sprichMigranten, Ausländern etc. zu tun hat. Migranten tauchen
indieserVorstellungnichtalsFachkräfteundalspotentielleZielgruppefürdenKompetenzerwerbauf,sondernmeistnuralsRepräsentantenkulturellerFremdheit.174Vgl.z.B.Elverich/Kalpaka/Reindlmeier(2009)175MehrzudieserAussageAuernheimsimTextweiteroben
Schlusswort
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zeigt,dasseinigeesablehnen,KulturinnerhalbderTrainings zu thematisieren. Sie verschieben denFokus auf das Thema der sozialen Ungleichheit,aufRassismusundDiskriminierungspraktikenundzeigendamitPerspektivenundMöglichkeitenderRe�lexion und des Empowerment innerhalb derunterschiedlichen gesellschaftlichen Positionenauf.176DamitreagierensieaufdieGefahr,mitderThematisierungvonKulturanderewirkungsvollegesellschaftliche Mechanismen zu entthematisie-ren.AuskulturwissenschaftlicherPerspektivehältdiedifferenzierteAuseinandersetzungmitKulturund kulturellen Praktiken jedoch aufschlussrei-che und weiterführende Erkenntnisse über ein
komplexes Verständnis von Gesellschaften undihreMitgliederbereit.Machtverhältnisseundihrediskursiven, strukturellen und institutionellenAuswirkungenwerdendabei als kulturimmanen-teFaktorenmitgedachtundproblematisiert.Wiewäre also einTrainingvorstellbar,welcheskeineentweder/ oder-Entscheidung über die Themati-sierungvonKulturträfe,sondernKulturalsTeileiner differenzierten und machtkritischenAuseinandersetzung migrationsgesellschaft-licher Fragestellungen verstünde? UndwelcheHaltungen,FähigkeitenundKenntnissebräuchtenTrainerinnenundTrainerfürdieseherausfordern-deAufgabe?
176Z.B.Anti-Bias-Trainings,CriticalWhiteness-Trainings,Em-powerment-Trainings,Social-Justice-Trainings,etc.
Schlusswort
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