Übersehene Verletzungen im Schockraum - bbraun.de · Einleitung . Deutliche Verbesserung der...

Post on 15-Aug-2019

224 views 0 download

Transcript of Übersehene Verletzungen im Schockraum - bbraun.de · Einleitung . Deutliche Verbesserung der...

Klinik für Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie

Übersehene Verletzungen im Schockraum:

Philipp Lichte

Wonach müssen wir suchen?

Einleitung

Deutliche Verbesserung der Diagnostik durch weite Verbreitung der Ganzkörper-CT

• Die Traumaspirale verbessert signifikant die Überlebenswahrscheinlichkeit von Polytrauma-Patienten1

• Abnahme der übersehenen Beckenverletzungen durch die

Einführung der Traumaspirale2

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung Seite 2

1 Huber-Wagner S. et al., Lancet, 2009 2 Pfeifer R. et al., Patients Safety in Surgery, 2008

Einleitung

Im Schockraum übersehene Verletzungen sind trotzdem ein immer noch aktuelles Problem:

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung Seite 3

• Inzidenz von 1,9% bis 39%1,2

• Davon 15-22% klinisch relevante Verletzungen1,2

• 1-4% lebensbedrohliche Verletzungen1,2

Die Wahrscheinlichkeit eine Verletzung zu übersehen steigt

• mit der Gesamtverletzungsschwere2

• bei sedierten Patienten2

• außerhalb der Kernarbeitszeiten3

1 Pfeifer R. et al., Patients Safety in Surgery, 2008 2 Eurin M. et al., Injury, 2012 3 Mazahir S. et al., Injury, 2015

Einleitung

Bis zu 75% der übersehenen Verletzungen betreffen die Extremitäten: • 8,1% - 25,8% OSG und Fuß

• 2,7% - 32,9% Handgelenk und Hand

• 3,4% - 15% Wirbelsäule • 2,7% - 18,4% Becken

Knöcherne Verletzungen des Körperstamms

Pfeifer R., et al., Patients Safety in Surgery, 2008 Eurin M., et al., Injury, 2012

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Einleitung

4 Ursachen für übersehene Verletzungen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung Seite 5

• Verletzung trotz vollständiger Diagnostik nicht oder verspätet erkannt

• Trotz Klinik keine weitere Diagnostik durchgeführt

• Keine Klinik und daher auch keine Diagnostik durchgeführt

• Abbruch der Diagnostik aufgrund Kreislaufinstabilität

Einleitung

4 Ursachen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung Seite 6

• Verletzung trotz vollständiger Diagnostik nicht oder verspätet erkannt

• Trotz Klinik keine weitere Diagnostik durchgeführt

• Keine Klinik und daher auch keine Diagnostik durchgeführt

• Abbruch der Diagnostik aufgrund Kreislaufinstabilität

• Verletzung initial übersehen, obwohl retrospektiv sichtbar • Verletzung auch retrospektiv nicht sichtbar

Einleitung

4 Ursachen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung Seite 7

• Verletzung trotz vollständiger Diagnostik nicht oder verspätet erkannt

• Trotz Klinik keine weitere Diagnostik durchgeführt

• Keine Klinik und daher auch keine Diagnostik durchgeführt

• Abbruch der Diagnostik aufgrund Kreislaufinstabilität

• Verletzung initial übersehen, obwohl retrospektiv sichtbar • Verletzung auch retrospektiv nicht sichtbar

Häufig übersehene Verletzungen des Körperstamms

• Gefäßverletzungen • Darm- und Mesenterialverletzungen • Beckenverletzungen

• Blasen- und Urethraverletzungen • Decollementverletzungen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Häufig übersehene Verletzungen des Körperstamms

• Gefäßverletzungen • Darm- und Mesenterialverletzungen • Beckenverletzungen

• Blasen- und Urethraverletzungen • Decollementverletzungen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Thorakale Aortenruptur / -dissektion

Seite 10

10-15% Patienten erreichen das Krankenhaus lebend, davon versterben 30-60% vor oder während Reanimations- bzw. chirurgischen Maßnahmen. Bei kreislaufstabilen Patienten ist die Adventitia noch intakt, sekundäres Rupturrisiko (<1% pro Stunde).

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Ein normales Röntgen-Thorax Bild hat einen negativ prädiktiven Wert von 98%.

Die Spezifität eines pathologischen Röntgenbefundes mit einem verbreiterten Mediastinum beträgt jedoch nur 10-45%.

CT!

Thorakale Aortendissektion

Seite 11

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Abdominale Aortendissektion

Seite 12

Dissektion der Aorta abdomialis distal des Abgangs der A. mesenterica superior mit Verschluss der Iliakalgefäße

Letalität akute Mesenterialischämie bis zu 80%1

1 Jost D.et al., Unfallchirurg, 2014

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Pseudoaneurysma Lumbalarterie

Seite 13 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Blutungsdiagnostik im CT

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Blutungsdiagnostik im CT

Seite 15 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

CTgraphisch kein Nachweis einer aktiven Blutung

Intraoperativ massive Blutung aus der Pulmonalvene

Häufig übersehene Verletzungen des Körperstamms

• Gefäßverletzungen • Darm- und Mesenterialverletzungen • Beckenverletzungen

• Blasen- und Urethraverletzungen • Decollementverletzungen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Seite 17

Dünndarm- und Mesenterialverletzungen

Sensitivität des CT für Mesenterialverletzungen nur 69-95%

CAVE: Dünndarm enthält physiologischerseits keine Luft – daher häufig kein Nachweis von freier Luft im Abdomen Häufig erst sekundäre Diagnose (Symptomatik des akuten Abdomens)

Kleinere Abrisse ohne Nachweis von freier Flüssigkeit aber mit sekundärer Hypoxie von Dünndarm- / Darmabschnitten

Im Zweifel Laparatomie / -skopie

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Dünndarm- und Mesenterialverletzungen

Seite 18 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Dünndarm- und Mesenterialverletzungen

Seite 19 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Dünndarm- und Mesenterialverletzungen

Seite 20 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Häufig übersehene Verletzungen des Körperstamms

• Gefäßverletzungen • Darm- und Mesenterialverletzungen • Beckenringverletzungen

• Blasen- und Urethraverletzungen • Decollementverletzungen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Beckenverletzungen

Seite 22 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Beckenverletzungen

Seite 23

Ein suffizient angelegte Beckenschlinge kann eine instabile Beckenringverletzung reponieren und damit maskieren

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Häufig übersehene Verletzungen des Körperstamms

• Gefäßverletzungen • Darm- und Mesenterialverletzungen • Beckenringverletzungen

• Blasen- und Urethraverletzungen • Decollementverletzungen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Blasenverletzungen

10 – 15% aller Beckenfrakturen sind mit Blasenverletzung verbunden

Seite 25 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Besondere Gefährdung bei mehrfragmentären ventralen Frakturen

Blutige Anurie oder Makrohämaturie bei vorderer Beckenringfraktur: Hochgradiger Verdacht auf Blasenruptur/Urethraabriss

Bei Verdacht: Urographische Phase im CT Retrograde Urethrozystographie

Häufig übersehene Verletzungen des Körperstamms

• Gefäßverletzungen • Darm- und Mesenterialverletzungen • Beckenringverletzungen

• Blasen- und Urethraverletzungen • Decollementverletzungen

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Decollementverletzungen

Seite 27 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Weichteil- und Decollementverletzungen können einen massiven Blutverlust bedeuten

Morell-Lavalee Läsionen infizieren sich sekundär in bis zu 46% der Fälle1

1 Takahara S, Case Reports in Orthopedics, 2014

Decollementverletzungen

A.5.5. Zweiter Untersuchungsgang Der Zweite Untersuchungsgang wird (ebenfalls arbeitsteilig) direkt nach dem Team- Rapport 1 durchgeführt, nachdem umgehend erforderliche Behandlungsmaßnahmen (siehe A.6.) durchgeführt oder eingeleitet worden sind: − Die Anästhesie überwacht den Atemweg, die (Be)Atmung und die Kreislauffunktion und legt eine Magensonde, die i.d.R. transoral erfolgt. − Die Neurochirurgie führt ggf. eine wiederholte und erweiterte klinische Untersuchung durch (ATLS und ggf. zusätzliche Untersuchungen)

− Die Unfallchirurgie führt die komplette körperliche Untersuchung durch (ATLS) einschl. des „log-roll“ und der rektalen-digitalen Untersuchung

Seite 28 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Decollementverletzungen

Seite 29 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Takahara S, Case Reports in Orthopedics, 2014

Trauma Tertiary Survey

Erneute Untersuchung nach Beendigung der Notfallbehandlung (Schockraum, Notfall-OP) innerhalb der ersten 24h auf der ICU

Seite 30 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Vollständige körperliche Untersuchung und erneute Durchsicht aller radiologischen und laborchemischen Befunde Wenn auch mit geringer Evidenz bei eingeschränkter Studienlage so scheint der TTS zu einer Reduktion von übersehenen Verletzungen zu führen.1

1 Keijzers GB, Scand Journal of Trauma , Resuscitation and Emergency Medicine, 2012

Zusammenfassung

• Trotz Traumaspirale ist die genaue klinische Untersuchung unersetzlich

Seite 31 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

• Dissektionen der großen Gefäße sind nicht selten und initial häufig nicht klinisch auffällig, daher gezielt danach suchen

• CT-Diagnostik mit eingeschränkter Sensitivität für Darm-/Pankreas-/und Mesenterium-Verletzungen – bei entsprechender Klinik – Laparoskopie/-tomie

• Pelvic-Binder können das Erkennen von Beckenringverletzungen erschweren

• Bei Beckenverletzungen auch an Verletzungen von Blase und Urethra denken

• Decollementverletzungen können initial übersehen werden und trotzdem eine massive Blutungsquelle sein

Immer secondary und tertiary Survey mit Sichtung aller Bilder und Befunde

Verkehrsunfall Motorrad gegen Traktor: •Im Schulterbereich instabile linke obere Extremität •Sensomotorik Arm ausgefallen •Pulsloser Arm

Seite 32 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Seite 33 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Skapulothorakale Dissoziation

Seite 34 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Skapulothorakale Dissoziation

Seite 35 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Skapulothorakale Dissoziation

Seite 36 59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung

Skapulothorakale Dissoziation

Seite 37

Thoraxröntgen a.p. (Seitendifferenz Margo medialis - Dornfortsätze > 1cm !!!)

59. Kasseler Symposium 2016- Praxis der Polytraumaversorgung