Umweltfreundliche Arzneimittel Mehr als eine Utopie · als ein neues, richtungweisendes Konzept...

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Umweltfreundliche Arzneimittel –

Mehr als eine Utopie

Klaus Kümmerer

Sektion AngewandteUmweltforschung

Workshop: Nachhaltigkeit in der pharmazeutischen Industrie

Osnabrück 22.-23. Juni 2006

Ein schlauer Mensch löst ein Problem. Ein weiser Mensch vermeidet es.

Albert Einstein

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

Worin besteht das Problem?

Persistenz von Chemikalien in der Umwelt!

(z.B. POPs, vPvT, vBvPvT)

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

Prinzipien der Nachhaltigen Chemie(Anastas und Warner 1998)

• Atomeffizienz• Kein/geringer Abfall• Keine/geringe Mengen Lösungsmittel• Katalysatoren (Energie sparen)• Nachwachsende Rohstoffe• …• Umweltfreundliche Produkte

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

Prinzipien der Nachhaltigen Chemie

• Atomeffizienz• Kein/geringer Abfall• Keine/geringe Mengen Lösungsmittel• Katalysatoren (Energie sparen)• Nachwachsende Rohstoffe• …• Inhärent sichere Produkte

(z.B. Arzneimittel bzgl. „Nebenwirkungen“)

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

Stoffe, die ihren Anwendungszweck möglichst gut erfüllen

und gleichzeitig umweltverträglich sind

nach Gebrauch leicht (schnell, möglichst vollständig)

abbaubar

Ziel

leicht abbaubar nach Gebrauch

keine Exposition

keine Wirkungen, kein Risiko

Inhärent (umwelt)sichere Stoffe

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

Wirksamkeit und Abbaubarkeit

Ein grundsätzlicher Widerspruch?

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

Chemische Struktur und Eigenschaften

OH

Benzen:nicht biologisch abbaubar kanzerogen,nicht bakterizid

Phenol:leicht biologisch abbaubar nicht kanzerogenbakterizid

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

X:O oder N: beeinflusst

Aktivität

Kontrolle des Wirkspektrums und der Pharmakokinetik

R7:

gram-negative Bakterien

Kontrolle der AktivitätH->F: 5-100Aktivitätszunahme C-F: schwer abbaubarPhotosensibilisierung?

Kontrolle der Wirksamkeit,

R1: Pharmakokinetik

F

F

Gyrasebindung und Membrangängigkeit

keine Modifizierung möglich

NN

R

O

C

O

N

OHF

X

R1

R2

R5

R7Chinolone

Struktureigenschaftsbeziehungen Beispiel: Wirksamkeit von Quinolonen

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

Gezielte Verbesserung der biologischen Abbaubarkeit: Tenside TPS vs. LAS

TPS: 1955, nicht biologisch abbaubar

S

O

O-

O

Na+

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Folgen des schwer abbaubaren TPS

1955 ff: Beginn der Umweltgesetzgebung in Deutschland

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer Nachhaltigkeit in der pharmazeut. Industrie

Gezielte Verbesserung der biologischen Abbaubarkeit: Tenside TPS vs. LAS

TPS: 1955, nicht biologisch abbaubar

S

O-

O

O

Na+

1962: Wasch- und Reinigungsmittegesetz

LAS: ca. 1960, leicht biologisch abbaubar

S

O

O-

O

Na+

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Gezielte Verbesserung: Komplexbildner EDTA vs. S,S-EDDS

nicht biologisch abbaubar, remobilisiert Schwermetalle aus

Sedimenten

sehr guter Komplexbildnerleicht biologisch abbaubar,

Strukturisomeres von EDTA

NH

NH

ONa

O

NaO

O

O

NaO

O

OH

Tri-Natrium-[S,S]-EDDS

NN ONa

O

NaO

O ONa

NaO

O

O

EDTA

Dixon N. 2004 (http://www.euconferences.com/chemicalsmanagement04 /day2presentations.htm)

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Weitere zahlreiche Beispiele:

Schädlingsbekämpfungsmittel, z.B.Chlororganika PhosphororganikaCarbamate Pyrethroide- Spinosoide (z.B. Spinosad*™), - Acylharnstoffe (z.B. Hexoflumuron*™)

*Green Chemistry Award der US-EPA 1999, 2000

: Lopez et al., Green Chem., 7, 431-442, 2005

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Biologische Abbaubarkeitstrukturell verwandter Zytostatika

Kümmerer & Al Ahmad, Acta Hydro-chim. Hydrobiol., 25, 166-172 1997

O

FOH

FH

H

HO

H

N

N

NH2

O

Log P: -0,9Henry's Law: 13,56

C9H11F2N3O4Mol. Wt.: 263,2

-10

10

30

50

70

90

5-FU Gemcitabin Cytarabin

biol

. Abb

auba

rkei

t in

%

CBT 28 TageCBT 45 TageZWT 28 Tage

HN

NH

O

O

CC FHN

NH

O

O

F

O

HOH

OHH

H

HO

H

N

N

NH2

O

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sehr gut biologisch abbaubar, verbesserte Resorption im Darmß-D-Glc-IPM („Glufosfamid“)

OHO

HOOH

OH

OP

O

NH

NHCl

ClN

O

P

O

Ifosfamid

nicht biologisch abbaubar NH Cl

Cl

Beibehalten der Wirkstruktur

Wießler et al. 1998, Kümmerer et al. 2000

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StabilitätsfaktorenNutzung vs. Umwelt

• pH-Wert,• Redoxpotential• Konzentration• Lichtintensität und spektrale Verteilung• Feuchtigkeit• Mikrobiologie (z.B. Art und Anzahl von Bakterien)

• …..

Vom Lebenszyklus eines Moleküls her denkend

Life Cycle Assessment für Moleküle und ihre FunktionalitätRandbedingungen und notwendige Eigenschaften für:• Rohstoffe• Synthese• Produktion• Anwendung• Verbleib

Rationales Design

Erwünschte Eigenschaften: Wirksam, effizient und abbaubar in

der Umwelt

Identifizierung von günstigen/ungünstigen Strukturelementen

(z.B. mit in-Silico-Testing)

Rationales Design

Benign byDesign!

Abbaubarkeit ist eine Funktionalität!

Benign by Design

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer

Prof. Dr. Klaus Kümmerer

Gezielte Entwicklung umweltverträglicherer Arzneimittel auf Basis nachwachsender Rohstoffe als ein neues, richtungweisendes Konzept für eine

nachhaltige Chemie

DEUTSCHES KREBSFORSCHUNGSZENTRUM

Stiftung des öffentlichen Rechts

Prof. Dr. Manfred Wiessler

Dr. Raphael Vogler

Geht das?

Osnabrück 22./23.6.2006 K. Kümmerer

Phase 3Synthese Erfolg

versprechender Stoffe:Synthesebausteine,

Festphasensynthese, D-A

Phase 4Experimentelle Evaluation

wichtiger Eigenschaften der dargestellten Zielstrukturen

(Strukturbestätigung, Wirksamkeit, Abbaubarkeit)

Phase 1Identifizierung von

Leitstrukturvarianten,Softwareevaluation

Phase 2Screening mittels SAR und

Molecular Modeling Wirksam, abbaubar,

synthetisierbar?

Optimierung der Leitstrukturen

Verbesserungspotentiale

C. Tsoka, W. R. Johns, P. Linke, A. Kokossis: Green Chemistry, 2004, 6(8), 401 - 4

0

10

20

30

40

50

60

70

80

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Ökoeffizienz

Prozessoptimierung

Supplychainoptimierung

Emmissions- undAbfallreduktionProzessintegration

Prozesssynthese

Integriertes Produkt- undProzessdesignComputerunterstütztesDesign

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Innovation und Ökonomie• … Forschungsschwerpunkte unter anderem … die Intensivierung

der Forschung im Bereich der Entwicklung sicherer Ersatzstoffe …Langlebigkeit … nicht ausreichend kontrolliert werden können …

Agenda 21, Rio 1992, 19.21•

• … innerhalb einer Generation sollten ausschließlich Chemikalien produziert und angewendet werden, die keine nachteilige Wirkung auf die Umwelt haben.

EU-Parlament and EU-Kommission 2002

• … Mittel- und langfristig wird es eine Zunahme von Innovationen und ökonomische Vorteile für gesunde und umweltfreundliche Produkte geben.

Sachverständigenrat für Umweltfragen 2003

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Erde