Post on 31-Jan-2021
Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
1792
Helvetiorum Fidei ac Virtuti
Email: dorfgeschichte@burgenverein-untervaz.ch. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
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1792 Helvetiorum Fidei ac Virtuti Vincenz Oertle Vincenz Oertle, Maur: HELVETIORUM FIDEI AC VIRTUTI oder "Ein Tag
wie der 10. August 1792 kommt nicht über die Völker wie ein Erdbeben, dessen Namen niemand ahnt...." in: Der "Tanzbödeler", Magazin für den Uniformen und Militariasammler Nr. 37. 10 Jahrg. 1992.
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S. 01: Editorial
Liebe Leser,
Aus aktuellem Anlass bringt der «Tanzbödeler» wieder einmal eine Sonder-
nummer. Es sind nun 200 Jahre her, seit der Sturm auf die Tuilerien
stattgefunden hat, ein Ereignis, das für die damalige Schweiz wie ein Schock
wirkte, ist doch ein grosser Teil der Schweizergarde dabei umgekommen, und
wie wir heute wissen, völlig sinnlos. In Frankreich selber bedeutete dieses
Ereignis das Ende der alten Monarchie.
Die Umstände die dazu führten und die vielen unbekannten Details der
verschiedenen Phasen zeigt uns der Autor, Vincenz Oertle, auf eindrückliche
Art und Weise in seiner Arbeit. Im Gegensatz zu vielen der späteren
Geschichtsschreiber, die das Ereignis auf ihre Art und Weise patriotisch
ausgeschlachtet haben, wird hier auch das Umfeld der Ereignisse beschrieben.
Die offizielle Schweiz und die Stadt, in der das Löwendenkmal steht,
ignorieren diesen Tag weitgehend oder sind nicht an Publizität interessiert.
Man möchte den grossen Nachbarn im Westen wohl nicht unnötig verärgern -
nach 200 Jahren!
Das Jahr 1992 scheint auch für den Autor ein Jahr der Jubiläen zu sein, feiert
er doch im Oktober seinen 50. Geburtstag und startet im kommenden
November zum 25. Mal am Militärmarathon von Frauenfeld. (Siehe auch
«Tanzbödeler» Nr. 23). Als aktiver Waffenläufer ist der ehemalige Feldweibel
der Panzer Kp. 11/16 bereits seit 1963 «auf den Beinen».
Herzlichst Ihr Redaktor Jürg Burlet
Inhalt
10. August 1792 - Tuileriensturm Seite 2
Anmerkungen 17
Kampfphasen 18
Anhang 30
Bibliographie 40
Titelbild:
Grenadier des Schweizer Garderegiments in königlich französischen Diensten,
um 1790 (Lithografie nach Charlet). Ehrenbezeugung durch Strecken des
Gewehrs vor dem König und der Generalität.
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S. 02: HELVETIORUM FIDEI AC VIRTUTI1
oder «Ein Tag wie der 10. August 1792 kommt nicht über die Völker wie ein
Erdbeben, dessen Namen niemand ahnt … »2 von Vincenz Oertle, Maur
Als sich im angebrochenen letzten Viertel des 18. Jahrhunderts die sozialen
und politischen Spannungen in Frankreich mehrten und zunehmend in Aufruhr
umschlugen, ahnten wohl viele Offiziere der königlichen Schweizerregimenter,
dass es sich nur um Vorboten eines nicht allzu fernen Chaos handeln konnte.
Für die biederen, unwissenden Mannschaften indes manifestierte sich der
rapide Nieder gang des Ancien Régime vorerst mal in handfesten
Auseinandersetzungen mit immer aufsässiger werdenden Provokateuren.
Schlägereien auf Tanzveranstaltungen und in Tavernen, sowie Überfälle auf
offener Strasse waren an der Tagesordnung. Je häufiger es zu Zusammen-
stössen zwischen dem unzufriedenen Proletariat und den Truppen des Königs
kam, umso gezielter liess man die aufgestaute Wut an den hochgewachsenen
«Rotröcken» aus, die als bestbezahlte Söldner der korrupten Monarchie und
nicht zuletzt als ernstzunehmende Konkurrenz im Liebeswerben um die
Garnisonsgrazien seit jeher mit Neid und Missgunst beobachtet worden waren.
Dass man sich dabei nichts schuldig blieb, beruhte auf Gegenseitigkeit. Am
Ende der Gewaltspirale entlud sich der übermächtige Volkszorn dann eben am
Freitag den 10. August 1792 vollends, indem man die verhassten Fremden
erschlug, vierteilte, aufschlitzte und deren abgehauenen Köpfe im Triumph auf
Piken pflanzte.
«Mort aux Suisses»
Wenn rechtlose Arbeiter überall im Königreich auf die Strasse gingen,
Lohnerhöhung forderten, streikten, mit leerem Bauch Bäckerstuben und
Metzgereien plünderten, wenn ausgebeutete Soldaten marodierten und
Kriminelle in Ausnützung der Situation gut gekleidete Passanten ausraubten,
waren es vornehmlich Fremdtruppen, darunter auch die zuverlässigen
Schweizerregimenter, die in Gewaltmärschen heranbeordert wurden, um
Remedur zu schaffen. Die Schweizer verschanzten sich dann in Feldbivaks,
umringt von einer feindlich gesinnten Menge, schlecht versorgt und in
permanenter Alarmbereitschaft, so auch auf dem Pariser Marsfeld in den
Tagen um den 14. Juli 1789, als die Bastille fiel.
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In einem Hagel von Pflastersteinen wurden die gestressten Füsiliere und
Grenadiere von einem Brenn punkt zum anderen durch Quartiere und Gassen
gehetzt, um Ansammlungen zu zerstreuen und «aufzuräumen».
S. 03:
Füsiliere des Schweizer Garderegiments verteidigen die Königinnentreppe an der Westseite des Palastes (vergleiche: Phasen 3 und 4), (Ansichtskarte, um 1920).
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S. 04: In diesem undankbaren «Job» standen die Schweizer nahezu allein da, denn
die landeseigenen Verbände der ehemals glanzvollen königlichen Armee samt
ihrem einst stolzen blauen französischen Garderegiment befanden sich in
voller Auflösung. Die Mannschaften meuterten, bedrohten die Offiziere,
verliessen ihre Einheiten, versoffen und verhurten die Regimentskassen und
verbrüderten sich mit der Gosse. In gleichem Masse, wie die lokalen Behörden
und das royalistisch gesinnte wohlhabende Bürgertum, das sich kaum mehr aus
den Häusern wagte, die Schweizer als letzte Ordnungsmacht belobigten und
die Eidgenössische Tagsatzung an Zuverlässigkeit und Loyalität appellierte,
eskalierte von unten gehässige Aggression und Gewalttätigkeit.
Auf verlorenem Posten
Hatten die Schweizertruppen vorerst gegen Fäuste, Scheuereisen, Heugabeln
und Sensen noch leichtes Spiel gehabt, so sah man sich zunehmend mit
schiessenden Haufen konfrontiert, die sich Waffen und Munition bei
Überfällen auf Pulvermagazine und Arsenale sowie aus der Hand von
Überläufern organisierten. Allein 28'000 Gewehre und mehrere Geschütze
stammten aus dem Zeughaus der Invalides, das die Menge vor dem Marsch zur
Bastille gestürmt hatte.
Louis XVI., König von Frankreich (1754-1793), (Ansichtskarte, um 1920).
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Vielleicht wäre es unmittelbar nach der wenig glorreichen Einnahme des
praktisch leeren Staatsgefängnisses (später zum Nationalfeiertag
aufgebauscht), das von einer Invalidenkompanie sowie 32 Füsilieren, einem
Wachtmeister und einem Leutnant aus dem Schweizerregiment Salis-Samaden
verteidigt worden war,3 noch gelungen, die Lage unter geballtem Einsatz der
halbwegs loyalen Fremdregimenter in den Griff zu bekommen. Dazu hätte sich
aber ein entschlossener «Soldatenkönig» vom Format eines Friedrich des
Grossen an die Spitze der Truppen stellen müssen. Louis XVI. wählte indes,
anstatt der Flucht nach vorn, die Flucht ins Ausland, die denn auch zwei Jahre
später, am 21. Juni 1791, noch vor der Grenze, bei Varennes in den Argonnen
kläglich scheitern sollte. Ludwig und seine Familie wurden unterwegs erkannt,
gestellt und nach Paris zurückspediert, wo ihnen das Volk höhnend Spalier
stand. Der de facto bereits weitgehend entmachtete König verharrte daher in
Resignation und Passivität und
S. 05: widersetzte sich Schiessbefehle zu erteilen, in der Meinung, allein durch
Gewaltlosigkeit liesse sich die Monarchie in der einen oder anderen Form noch
retten. Während die Nationalversammlung (Legislative) debattierte, die
Revolutionsklubs agierten und die «Strasse» nicht mehr zu bremsen war,
wartete Ludwig gott- und schicksalsergeben auf die Katastrophe. Die
Linienregimenter rückten ohne weitere Ordres in ihre Garnisonen ab und im
brodelnden Hexenkessel Paris blieb auf verlorenem Posten das Schweizer
Garderegiment allein zurück, ohne eigene Artilleriesektion (1789 aufgelöst)
und mit einem schwindenden Mannschaftsbestand. «Die Leibgarden, die
schweren Gardereiter, die Chevaulegers, die Schützen von Monsieur - alle
diese wunderschönen Korps waren vom Wirbelsturm hinweggefegt worden.
Die zum Teil aus ehemaligen französischen Garden und aus Deserteuren
anderer Regimenter bestehende Gendarmerie wartete nur auf eine Gelegenheit,
um Ludwig XVI. im Stich zu lassen. Die Nationalgarde war, mit Ausnahme
einiger Bataillone, nur eine wenig zuverlässige Miliz ohne Zusammenhalt und
Mannszucht»4 und am 16. März 1792 wurden auch noch die traditionellen
Hundertschweizer entlassen. Dass man nach dem Zerfall der französischen
Garde im Sommer 1789 dem Schweizer Garderegiment still schweigend eine
Schonfrist eingeräumt hatte,
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lag darin begründet, dass sich die Nationalversammlung verpflichtet sah, die
Sicherheit des Königs noch auf absehbare Zeit zu gewährleisten und dazu
boten ausschliesslich die Schweizer Garantie.
Lullin de Châteauvieux
Auch die Schweizer Linienregimenter in der Provinz und das Garderegiment in
der Hauptstadt waren Zielscheibe massiver Propaganda und wüster Drohungen
umstürzlerischer Zirkel. Besonders aktiv zeigte sich der «Helvetische Klub»,
Forum aus der Eidgenossenschaft abgeschobener Dissidenter. Ziel des Klubs
war die Durchsetzung längst fälliger politischer und gesellschaftlicher
Reformen in der Schweiz und dazu sollten auch möglichst viele Soldaten
eingespannt werden. Die Schweizerregimenter, Profitruppen mit Berufsstolz,
waren indes weit weniger anfällig auf revolutionäres Gedankengut, als ihre
französischen Schwestereinheiten.
Füsilieroffizier des Schweizer Garderegiments (Ansichtskarte, um 1920).
S. 06: Ausgeprägtes Ehrgefühl der Offiziere und Mannschaften, ein in der Tradition
verwurzelter Korpsgeist, eine eher konservative Lebenseinstellung und
wachsame Kader hielten die Zahl der politischen Sympathisanten und
Meuterer in Grenzen.
Dennoch, der bekannteste Fall kollektiver, wenn auch nicht unberechtigter
Gehorsamsverweigerung von Schweizertruppen ereignete sich im August 1790
in Nancy. Teile des Regiments Lullin de Châteauvieux hatten sich der
rebellierenden Garnison angeschlossen, die Offiziere unter Druck gesetzt, die
Rückzahlung von Soldabzügen erpresst und 27'000 Livres verjubelt.
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Einzelne Kompanien des Regiments hatten sich schon am Tag des Bastille-
sturmes in Paris einem Schiessbefehl gegen Demonstranten verweigert. Als die
Situation vollends ausser Kontrolle zu geraten schien, liessen die Behörden
unter Teilnahme der Schweizerregimenter de Castella und de Vigier Nancy
stürmen. In der Folge kam es zu heftigen Strassenkämpfen, wobei auch eine
Kompanie des Regiments de Castella durch Kartätschenfeuer empfindliche
Verluste erlitt. Insgesamt fielen über 400 Offiziere und Soldaten. Das
Schweizer Kriegsgericht liess 24 Todesurteile vollstrecken, verhängte 41
langjährige Galeeren- und etliche Gefängnisstrafen (Galeerenstrafen mussten
unter besonders miesen Bedingungen auf abgewrackten verankerten Schiffen
verbüsst werden). Auf Betreiben der Jakobiner (radikalster politischer Klub der
Französischen Revolution) und unter Protest der Eidgenössischen Stände
wurden die Galeerensträflinge allerdings am 1. Januar 1792 amnestiert, im
Triumphzug von Brest nach Paris geleitet, in der Nationalversammlung
ehrenvoll empfangen, mit Volksfesten gefeiert und die toten Meuterer zu
«Märtyrern der Freiheit» hochstilisiert.
Pfeifer des Schweizer Garderegiments (Ansichtskarte, um 1920).
Eine ganze Reihe weiterer spektakulärer, von der Geschichtsschreibung
zuweilen verschwiegener Revolten spielten sich in den Jahren 1789/90 auch im
Schweizer Garderegiment ab, hier ebenso vor dem Hintergrund sozialer
Ungerechtigkeit und der Forderung nach bürgerlicher Gleichberechtigung.
Ganze Kompanien verweigerten den Exerzierdienst, setzten in den
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S. 07: Schweizer Linienregimenter in französischen Diensten
Stand Anfang 1792
Regiment von Ernst (Nr. 63) bestehend seit 1672
letzte Garnison: Aix-en-Provence
Regiment von Salis-Samaden (Nr. 64) bestehend seit 1672
letzte Garnison: Arras
Regiment von Sonnenberg (Nr. 65) bestehend seit 1672
letzte Garnison: Marsal
Regiment von Castella (Nr. 66) bestehend seit 1672
letzte Garnison: Metz
Regiment von Vigier (Nr. 69) bestehend seit 1673
letzte Garnison: Strassburg
Regiment Lullin de Châteauvieux (Nr. 76) bestehend seit 1677
letzte Garnison: Bitsch
Regiment von Diesbach (Nr. 85) bestehend seit 1689
letzte Garnison: Lille
Regiment von Courten (Nr. 86) bestehend seit 1690
letzte Garnison: Valenciennes
Regiment von Salis-Marschlins (Nr. 95) bestehend seit 1734
letzte Garnison: Korsika
Regiment von Steiner (Nr. 97) bestehend seit 1752
letzte Garnison: Grenoble
Regiment des Fürstbischofs von Basel - von Reinach (Nr. 100)
bestehend seit 1758, letzte Garnison: Dünkirchen
Vergleiche:
August von Gonzenbach, Der 10. August 1792 mit besonderer Rücksicht auf
die Haltung des Schweizer Garderegiments, Bern 1866, Seite 16 f
Eugène Fieffé, Geschichte der Fremdtruppen im Dienste Frankreichs ...‚
München 1856, 1. Band, Seite 532 ff.
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Die in der Provinz stationierten Schweizer Linienregimenter bildeten, obwohl
teils revolutionär angehaucht, für die örtlichen Behörden oft die letzte
zuverlässige Truppe, um in den ersten Jahren des Umsturzes Ordnung und
Sicherheit aufrechtzuerhalten. Nach dem Untergang des Garderegiments
wurden die zehn noch in Frankreich verbliebenen Linienregimenter entlassen.
Das Regiment von Ernst war nach seiner Entwaffnung in Aix-en-Provence
bereits im Frühjahr 1792 vom kapitulierenden Kanton Bern abberufen worden.
Anfang Oktober war die Rückführung aller Regimenter abgeschlossen.
Zahlreiche Offiziere und Mannschaften liessen sich umgehend in die Heere der
französischen Republik anwerben, traten in die Dienste der antirevolutionären
europäischen Koalition oder der royalistischen Vendée.
S. 08: Schreibstuben mit gezücktem Säbel die Unterzeichnung einiger Hundert
Congés durch und in Courbevoie «warfen sie sich auf den Wirt der Kaserne,
plünderten und verwüsteten seinen Keller, töteten sein Schlachtvieh,
zerschlugen seine Mobilien und nahmen ihm 200 Louis d'or weg».5
Aber auch in den niederen Chargen des Offizierskorps rumorte es, machte sich
Opposition bemerkbar, insbesondere gegen die in den Schweizerregimentern
weit verbreitete Vetternwirtschaft.
Schweizer Gardegrenadiere (links) im Nahkampf (anonyme Darstellung). Nach dem Abmarsch des Detachements Dürler zur Nationalversammlung drangen die Belagerer in den Palast ein und trafen auf die sich sammelnden Reste des Regiments (vergleiche: Phasen 5 und 6).
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Denn, renommierte Offiziersdynastien mit «Vitamin B» erhielten
freigewordene lukrative Kommandostellen stets bevorzugt zugeschanzt,
während verdiente Offiziere «ordinärer» Herkunft nur mühsam vorwärts
kamen.
Eine ebenso bemerkenswerte Episode spielte sich in Aix-en-Provence ab. Das
Regiment von Ernst hatte langjährigen Dienst auf Korsika versehen, war zu
Beginn der Revolution nach Marseille verschifft und schliesslich rundum
angefeindet in Aix kaserniert worden. Von über 10'000 Revolutionären
belagert und im Schussfeld zahlreicher Geschütze sah man sich am 27. Februar
1792 gezwungen Übergabeverhandlungen aufzunehmen.
S. 09: Nach freiwilliger Entwaffnung erhielt das Regiment mit den Fahnen
ungehinderten Abzug, wurde von der Berner Regierung zurückgerufen und
überschritt nach einem turbulenten Rückmarsch Mitte Juni die Grenze.
Das Schweizer Garderegiment
Das Schweizer Garderegiment wurde im Jahre 1616 durch Louis XIII.
gegründet. Erster Kommandant war der Glarner Oberst Kaspar Gallati (1535-
1619). «Gaspard Gallaty, du canton de Glaris catholique, à jamais célebre dans
les annales de France, pas sa conduite remplie de bravoure, de mème que par
son attachement inviolable, pour Henri III, Henri le Grand & Louis XIII, se
trouvant en 1614 pour la septieme fois, à la tète d'un regiment Suisse de 3000
hommes, divisé en dix compagnies de 300 hommes chacune: ce corps fut créé
le 16 Mars 1616, régiment des gardes Suisses de sa majesté par des lettres-
patentes de Louis XIII, donnés à Tours.»6
Das Schweizer Garderegiment galt und verstand sich nicht bloss als loyale
Wach- und Repräsentationstruppe, sondern war ein in zahlreichen Schlachten
erprobter Eliteverband erster Wahl.
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Es nahm nach dem französischen Garderegiment, mit dem es den Dienst teilte
und eine Brigade bildete, den zweiten Rang in der Armeehierarchie ein. Das
Garderegiment besass also auch gegenüber den elf Schweizer Linien-
regimentern eine bevorzugte Stellung. Mannschaften, Unteroffiziere und
Offiziere waren rangmässig höher eingestuft, was sich gesellschaftlich wie
pekuniär auszahlte. Während die Linie im wesentlichen kantonale Kontingente
umfasste, rekrutierte sich das Garderegiment in strenger Auslese aus der
gesamten Eidgenossenschaft.
Französische und Schweizergarden versahen in den königlichen Residenzen
die sogenannte «äussere Wache», im Gegensatz zur Wache im Inneren der
Paläste, welche das Garde du Corps und die Compagnie des Cent Suisses
(gegründet 1496/97) versahen. «Und wenn der König, begleitet von einem
glänzenden Gefolge, beim Klang der dumpfen Trommeln und den schrillen,
den Bernermarsch spielenden Pfeifentönen, die Treppen herunterschritt, so
standen links und rechts von ihm, wie zwei unbewegliche Mauern, die
französische Garde von azurblauer und die Schweizergarde von blutroter
Farbe.»7
Das Regiment war, seit der Ordonnanz vom 1. Juni 1767 mit einem
Sollbestand von 2415 Mann, in vier Bataillone zu je drei Füsilierkompanien
und einer Grenadierkompanie eingeteilt. Angeschlossen war eine Gardebatterie
mit 8 Geschützen und ein Spiel. Die Füsilierkompanien rekrutierten nur
Bewerber mit einer Mindestgrösse von 5 Fuss 4 Zoll (162 cm),
S. 10: die Grenadierkompanien und die Generalkompanie verlangten ein Gardemass
von 5 Fuss 6 Zoll (168 cm). Die Generalkompanie, benannt nach deren
Ehreninhaber, dem Oberkommandierenden, dem französischen «Colonel
Général des Suisses et Grisons», erhielt als eigentliche Vorzeigekompanie
exklusiv stets die grössten und schönsten Rekruten. Das Offizierskorps
bestellte sich fast ausschliesslich aus dem Adel und dem Patriziat der
eidgenössischen Orte und deren Zugewandte.
Die völlige Zerschlagung dieses stolzen, ruhmreichen Korps am 10. August
1792 und zwar innert weniger Stunden, war eine militärische Katastrophe.
Zuweilen wagte man sogar den Vergleich mit dem Kampf der Spartaner gegen
die Perser bei den Thermopylen von 480 v. Chr.
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«On a comparé la journé du 10 août à celle des Thermopyles. Les Spartiates
combattoient pour leurs femmes, pour leurs enfans, pour leur gloire, pour leur
patrie, pour les autels de leurs dieux, les Suisses pour le sentiment du devoir,
de la foi aux sermens, de l'honneur de leur pays. Les Spartiates et les Suisses
savoient d'avance qu'ils marchaient à une mort inévitable, ils l'ont acceptée de
sang froid, sans délibérer ni se plaindre. Mais les Spartiates avoient leur roi à
leur tète et ce roi n'avoit pas ses propres sujets pour ennemis.»8 Tradition und
Selbstverständnis der Truppe liessen den Soldaten in der Tat gar keine andere
Wahl, als den Auftrag widerspruchslos zu erfüllen und in einem sinn- und bald
auch aussichtslosen Kampf die eigene Haut möglichst teuer zu verkaufen. «La
Garde meurt mais elle ne se rend pas!»
Hauptmann Jost von Dürler (1746-1802), später Oberst des britischen Schweizerregiments von Roll (anonyme Miniatur). Dürler leitete nach der Gefangennahme des Interims-Kommandanten de Maillardoz unter persönlichem Einsatz die Verteidigung der Tuilerien, führte aufgrund des falsch übermittelten Befehls Louis XVI. ein Detachement zur Nationalversammlung und geriet in Gefangenschaft (vergleiche: Phase 5).
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S. 11:
Handschriftlicher Befehl Louis XVI. an Hauptmann Jost von Dürler (vergleiche: Phase 5). «Le Roi ordonne aux Suisses de déposer à l'instant leurs armes et de se retirer dans leurs casernes».
Vor dem Sturm
Im Oktober 1789 war Louis XVI. von Versailles in die Tuilerien «umgezogen»
worden und lebte dort mit reduzierter Hofhaltung, quasi als Internierter, unter
Kontrolle der Nationalversammlung. Die königliche Familie verliess das
Stadtschloss nicht mehr und selbst die Spaziergänge in den Gärten wurden zum
Spiessrutenlaufen unter den unflätigen Kommentaren des rund um die Uhr
anwesenden neugierigen Gesindels. Die gesamte Verantwortung für den
Schutz der Tuilerien lag praktisch auf den Schultern der Schweizer
Wachmannschaften, weil auf die neugeschaffenen Nationalgarden kaum
Verlass war. «Von ihren Fenstern aus konnte die königliche Familie die roten
Schildwachen in den Höfen und vor den Türen auf- und abgehen sehen. Die
Wachablösung geschah um 11 Uhr mit grosser Feierlichkeit, mit Fahne und
Musik, wie in den schönen Tagen von Versailles. In zwei Reihen im
Königshofe aufgestellt, schimmernd in der Augustsonne und unter den
Klängen des von den Trommlern und Pfeifern geblasenen und geschlagenen
Schweizermarsches erwiesen die ablösende Kompanie links und die abgelöste
rechts der Fahne die militärischen Ehren und zeigten dabei jene Exaktheit in
den Bewegungen ... wie sie den Schweizern eigen war.»9
Als sich die Lage in Paris Ende Juli 1792 durch den steten Zuzug revolutio-
närer Verbände dramatisch zugespitzt hatte und der Angriff in der Luft lag,
war das Schweizer Garderegiment in der Nacht vom 4. zum 5. August
alarmiert worden. Die Bataillone rück ten in die Tuilerien ein, verbrachten den
ganzen Tag unter Waffen, kehrten aber, als sich nichts tat, abends wieder in die
Kasernen zurück.
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Das Regiment war seit Beginn der Revolution bestandesmässig auf
Sparflamme gehalten worden. Am 7. August wurden zudem 300 Mann und 8
Offiziere herausgezogen und in die
S. 12: Normandie in Marsch gesetzt, offiziell mit dem Auftrag Getreidetransporte zu
begleiten. Später wurde aber auch die Vermutung geäussert, das Detachement
sei als Eskorte für die königliche Familie vorgesehen gewesen, falls sich diese
nochmals zu einem Fluchtversuch entschlossen hätte. Das Detachement wurde
später in Dieppe entlassen. Die Gardisten schlugen sich in die Heimat durch
oder schlossen sich Einheiten der royalistischen Vendée an.
Die Tuilerien Der Ende des 16. Jahrhunderts erbaute zwei- und dreistöckige Tuilerienpalast bildete auf einer Breite von über 300 Metern den nach Westen gerichteten Abschluss des Louvre. Er wurde flankiert von den heute noch bestehenden Pavillons de Marsan und de Flore. Der Ostseite vorgelagert waren verschiedene Gebäudekomplexe und Höfe, mit Mauern und Toren gegen den Place du Carrousel gesichert. Nach Westen erstreckten sich über fast 800 Meter grosszügige Parkanlagen bis zum Place Louis XV. (heute Place de la Concorde). Die Längsseiten des Parks säumten erhöhte breite Promenaden, die sogenannten Terrasses, von denen aus die Gärten überblickt werden konnten. Schloss und Nebengebäude wurden beim Aufstand der Pariser Kommune 1871 niedergebrannt und danach abgerissen. Die vorliegenden Lagepläne der Tuilerien (taktische Eintragungen von V. Oertle) stammen aus: Paul de Vallière, Treue und Ehre - Geschichte der Schweizer in fremden Diensten, Neuenburg 1912, Seite 517. Der Plan verhält sich zu den tatsächlichen Dimensionen nicht ganz massstabgetreu.
So ist, als das Schweizer Garderegiment schliesslich den entscheidenden
Befehl erhält, sich am 9. August morgens um 3 Uhr in den Tuilerien zu
versammeln, um seinen König, dessen Familie und Residenz samt Resten des
Hofstaates zu verteidigen, dessen Bestand auf die Hälfte der 2415 Mann Soll
zusammengeschrumpft. Abzüglich der Kranken, Urlauber, Nichtkombattanten,
der Wachsoldaten in den Stadtkasernen, in Rueil, Courbevoie und in den
verwaisten Schlössern um Paris ...‚ beträgt die Kampfstärke gerade noch etwa
900 Mann. An deren Seite stehen lediglich eine Handvoll schlecht bewaffnete
Aristokraten, Minister, Offiziere und Bedienstete sowie etwa 2000 National-
gardisten und etwas Gendarmerie, die beim ersten Schuss überlaufen werden.
Die Munitionsdotation ist mangelhaft, die zu verteidigenden Gebäude-
komplexe, Höfe und Gärten unübersichtlich, das Glacis durch windige
französische Einheiten besetzt.
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Es fehlt an einer straffen, einheitlichen Kommandostruktur, der König gibt
keine Führerfigur ab, der für die Gesamt-verteidigung zuständige Chef der
S. 13: Pariser Nationalgarde wird noch vor Kampfbeginn ermordet und der Interims-
Kommandant des Garderegiments, der Freiburger Oberstleutnant Jean Roch
Marquis de Maillardoz, gerät wenig später mit Louis XVI. in Gefangenschaft.
Rund um die Tuilerien werden in den Morgenstunden des 10. August, begleitet
von Sturmglocken und unter den Klängen von Carmagnole und Marseillaise,
über 100'000 Mann und Weiber aufmarschieren, ein blutrünstiger Mob,
Abschaum, Mitläufer, Revolutionsbataillone, zehntausende ehemalige
Soldaten, übergelaufene Garde Nationale und Gendarmerie ... gut bewaffnet,
fanatisiert und mit reichlich Artillerie ausgestattet. Parole: Tuilerien stürmen,
Schweizer mit Stumpf und Stiel ausrotten und das «dicke Schwein» arretieren!
Westseite des Tuilerienpalastes - Blick von der Terrasse de 1'Eau (Kupferstich von Rigaud).
Legende und Wahrheit
Der 10. August 1792 ist ein bedeutendes Datum in der Geschichte der
Französischen Revolution und derjenigen der eidgenössischen Fremddienste.
An diesem Tag beseitigte eine neue schwungvolle Idee mit Hilfe der Anarchie
ein überkommenes morsches System. Selbst für eine konstitutionelle
Monarchie, deretwegen sich das berühmteste Schweizerregiment des
königlichen Heeres, weniger aus politischer Überzeugung als vielmehr dem
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S. 14: Ordre de Bataille des Schweizer Garderegiments
am Vorabend des 10. August 1792
I. Bataillon (Standort Paris) Grenadierkompanie de la Thanne (Freiburg) Generalkompanie (Füsiliere) Oberstenkompanie (Füsiliere) Oberstleutnantskompanie (Füsiliere)
II. Bataillon (Standort Rueil) Grenadierkompanie de Castella (Freiburg) Füsilierkompanie d'Affry (Freiburg) Füsilierkompanie von Salis-Zizers (Graubünden) Füsilierkompanie von Roh (Solothurn)
III. Bataillon (Standort Courbevoie) Grenadierkompanie von Diesbach (Freiburg) Füsilierkompanie von Dürler (Luzern) Füsilierkompanie de Loys (Bern) Füsilierkompanie Pfyffer von Altishofen (Luzern)
IV. Bataillon (Standort Courbevoie) Grenadierkompanie von Surbeck (Solothurn) Füsilierkompanie von Byss (Solothurn) Füsilierkompanie von Reding (Schwyz) Füsilierkompanie von Erlach (Bern)
Vergleiche: August von Gonzenbach, Der 10. August 1792 mit besonderer Rücksicht auf die Haltung des Schweizer Garderegiments, Bern 1866, Seite 111 f. Der Sollbestand des Regiments betrug 2415 Mann. Nach den Revolten der Jahre 1789/90 mit den nachfolgenden Entlassungen umfasste das Regiment noch rund 2000 Mann. Danach sank der Bestand bis zum August 1792 auf rund 1500 Mann ab. Es fanden kaum noch Rekrutierungen statt und Urlaube wurden grosszügig gewährt. Die Gardebatterie mit 50 Artilleristen war bereits 1789 aufgelöst und deren 8 Geschütze an die Nationalgarde abgetreten worden.
Abzüglich der am 7. August in die Normandie detachierten 300 Soldaten und 8 Offiziere (aus allen Kompanien herausgezogen), der Nichtkombattanten, der Kranken, der Urlauber sowie der Wachmannschaften in den Kasernen, Schlössern, Palais und anderen staatlichen Einrichtungen in und um Paris standen zur Verteidigung der Tuilerien gerade noch etwa 900 Mann samt 42 Offizieren zur Verfügung.
S. 15: Eid verpflichtet, buchstäblich in Stücke hauen liess, war kein Platz mehr. Das
Regiment verteidigte Höfe, Gärten, Stauungen, Wachlokale ... und ein Schloss,
das der König am Morgen, eine Stunde vor dem Angriff freiwillig verlassen
hatte. Während sich Kompanien und Züge in totaler Befehlskonfusion,
gnadenlosen Nahkämpfen und verzweifelten Ausbruchversuchen aufrieben,
sass derjenige, dem der Einsatz galt, nur wenige hundert Meter entfernt, in der
zur Nationalversammlung umfunktionierten ehemaligen königlichen Reitbahn
bereits in Arrest.
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Das Opfer war letztlich vergebens, umsomehr verdient die Haltung der Truppe
uneingeschränkten Respekt. «Ich bin für mein Verhalten den eidgenössischen
Ständen, meiner Obrigkeit, verantwortlich, nie werde ich die Waffen
strecken»,10 soll Hauptmann von Dürler im Cour Royale der Aufforderung zur
Kapitulation entgegnet haben.
Das Debakel des 10. August 1792 war bis in unser Jahrhundert hinein
Gegenstand zahlreicher, wenn auch zumeist heroisierender kriegsgeschicht-
licher Abhandlungen. Dabei geisterte stets von neuem die These herum, das
Regiment sei «bis zum letzten Mann» aufgerieben worden, obwohl lange vor
der ersten Centenarfeier bereits sachliche Forschungsergebnisse vorlagen,
unter anderem des eidgenössischen Staatsschreibers August von Gonzenbach
(Der 10. August 1792 mit besonderer Rücksicht auf die Haltung des Schweizer
Garderegiments, Bern 1866). Diese immer wieder kolportierte Legende basiert
offensichtlich auf ersten Horrormeldungen aus Paris, wonach «alle Schweizer
in den Tuilerien umgekommen seien».11 Schon ein Blick in das «Verzeichniss
der noch lebenden Offiziers, Unter-Offiziers und Soldaten, welche den 10.
August 1792 unter dem Königlichen Schweizer-Garde-Regiment in Paris, den
Kampf für die Sache des Königs bestanden haben», der Eidgenössischen
Kanzlei in Bern vom 5. Dezember 1818, hätte solche Behauptungen längst ad
acta legen lassen. Die Liste diente als Grundlage für die Verleihung der von
der Tagsatzung gestifteten Denkmünze «Treue und Ehre» und enthielt 345
Namen.
Füsilier und Kanonier (rechts) des Schweizer Garderegiments (Ansichtskarte, um 1920).
- 20 -
S. 16: Geschichtslosigkeiten
Noch um die Jahrhundertwende waren die Fremddienste im Bewusstsein
breiter Bevölkerungskreise solid verankert. Damals lebten immerhin noch
neapolitanische Veteranen, sowie ehemalige päpstliche Carabinieri, Cacciatori
und Zuavi von Mentana (3.11.1867) und Castelfidardo (18.9.1860) und
altgediente Fremdenlegionäre waren hoch im Kurs. Historische Daten wie der
10. August 1792 wurden vom eidgenössischen Milizheer, mangels eigener
zeitnaher Glanzlichter, nur zu gerne für die Traditionspflege vereinnahmt. Und
noch während der Grenzbesetzung 1939/45 gehörte der Kampf des Schweizer
Garderegiments in den Tuilerien, als nachahmenswertes Beispiel unbeirrter
Pflichterfüllung bis in den Tod, zum Repertoire offizieller
Durchhaltepropaganda, quasi als Moralspritze für Volk und Armee.
Sappeur des Schweizer Garderegiments (Kupferstich von Wille).
Danach gerieten die Fremddienste zunehmend in Vergessenheit, bis über
diesen bedeutenden Abschnitt schweizerischer Militär- und Kriegsgeschichte
weitum kaum noch ein blasser Schimmer an Wissensstand festzustellen war.
Dafür fühlte sich das selbst gefällige Kleinbürgertum aufgerufen, gegen
moderne Schweizer Reisläufer, insbesondere Interbrigadisten und
Ostfrontkämpfer, pauschal Dreck zu schmeissen, ohne selbst je einen Schuss
Pulver gerochen zu haben. «Vae victis»!
Wer ist denn heute noch in der Lage, Namen wie Pavia, Rocroy, Denain oder
Baylen ... in der militärhistorischen Agenda einzuordnen? Vielleicht ist
katholischen Insidern der Sacco di Roma (6.5.1527) noch ein vager Begriff.
- 21 -
Des Oberleutnants Thomas Legler und seiner Beresinagrenadiere von 1812
werden sich nur noch geschichtsbewusste Glarner erinnern und neben
knipsenden Touristen aus Asien und Amerika dürften zahlreiche Schweizer
wohl ebenso ratlos vor dem sterbenden Löwen von Luzern verweilen, im
erfolglosen Bemühen die lateinischen Texte zu deuten.
Die aufgrund von Berichten Überlebender in etlichen Publikationen
rekonstruierten Kampfhandlungen um die Tuilerien sind im wesentlichen
erforscht, wenn auch nicht immer mit deckungsgleichem Ergebnis.
Insbesondere über die Einsätze kleinerer
S. 17: Kampfgruppen (namentlich auch der Generalkompanie) des am frühen
Nachmittag des 10. August 1792 zerschlagenen und führungslos gewordenen
Regiments kursieren verschiedenste Versionen. Mit dem unrealistischen und
zudem noch falsch übermittelten Befehl Louis XVI., das Regiment solle sich in
die Kasernen zurückziehen, verwandelte sich schon zu Beginn der Gefechte
ein erster unerwartet glänzender Abwehrerfolg abrupt in eine vernichtende
Niederlage. Der trotz widriger Umstände nicht chancenlose Verteidigungsplan
zerfiel in eine Vielzahl unkoordinierter Einzelaktionen, deren Ablauf sich
später nur noch mühevoll nachvollziehen liess.
Anhand von Lagekarten und gegliedert in sechs, in Wirklichkeit sich
überschneidende Hauptphasen, sollen hier zum 200. Jahrestag des
Tuileriensturms die Kämpfe in groben Zügen und damit zum leichteren
Verständnis nochmals skizziert werden.
- 22 -
Anmerkungen
1 «Der Treue und Tapferkeit der Schweizer» - Inschrift über dem
Löwendenkmal in Luzern.
2 Gonzenbach August von, Der 10. August 1792 mit besonderer Rücksicht auf
die Haltung des Schweizer Garderegiments, Bern 1866, Seite 4.
3 Der kommandierende Unterwaldner Leutnant von Flüe verfasste einen
ausführlichen Bericht über die Verteidigung der Bastille und die Umstände, die
zur Einnahme durch die Revolutionäre führten. Vergleiche: Eugène Fieffé,
Geschichte der Fremdtruppen im Dienste Frankreichs …...‚ München 1856,
I. Band, Seite 468 ff
4 Vallière Paul de, Treue und Ehre - Geschichte der Schweizer in fremden
Diensten, Lausanne 1940, Seite 604 f
5 Carl, Die Schweizerregimenter in Frankreich 1789-1792. Episoden aus der
Revolutionsgeschichte Frankreichs und der Schweiz, St. Gallen 1853, Seite 94f
6 May M. de Romainmotier, Histoire militaire de la Suisse et celle des Suisses
dans les différens services de l'Europe, Lausanne 1788, Tome VI., Seite 374f.
7 Vallière Paul de, Heldentod des Schweizer Garderegiments - Die Verteidi-
gung des Tuilerienschlosses am 10. August 1792, Zürich/Leipzig 1937, S. 14.
8 Pfyffer Karl, Récit de la Conduite du Régiment des Gardes Suisses à la
Journée du 10. Août 1792, Luzern 1819, Seite 1.
9 Vallière Paul de, Treue und Ehre - Geschichte der Schweizer in fremden
Diensten, Lausanne 1940, Seite 605.
10 desgleichen, Seite 620
11 Gonzenbach, August von, Der 10. August 1792 mit besonderer Rücksicht
auf die Haltung des Schweizer Garderegiments, Bern 1866, Seite 252.
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S. 18/9: 1. Phase 9. August 1792
Angesichts der kritischen Lage werden die Bataillone aus Rueil, Courbevoie
und die Pariser Garnison in der Nacht vom 4. zum 5. August in die Tuilerien
beordert. Die Garde steht den ganzen Tag unter Waffen und rückt, da sich
nichts tut, abends wieder ab.
In der Nacht vom 8. zum 9. August wird das Schweizer Garderegiment erneut
alarmiert. Ein Teil der Fahnen wird in der Kaserne von Courbevoie vergraben,
um sie nicht an den zahlenmässig weit überlegenen Gegner zu verlieren. In den
Kasernen verbleiben nur Wachmannschaften, Nichtkombattante und Kranke.
Kleinere Detachemente sichern Schlösser und staatliche Einrichtungen in und
um Paris.
1. Die Bataillone treffen, gesichert durch Vorhut und Plänkler gegen 03.00
über die Champs-Elysées in den Tuilerien ein.
«Hinter den Sappeuren erhebt sich der stolze Schatten des Marquis von
Maillardoz zu Pferd, dann folgt der Tambourmajor Chaullet, riesenhaft und in
prachtvoller Uniform, den Pfeifern und kleinen, 15jährigen Trommlern
vorangehend. Es folgen die Bärenmützen von Castella, die Walliser Kompanie
von Courten, die Freiburger des Hauptmanns Ludwig von Affry, die
Grenadiere von Diesbach, die Bündner von Salis, die Solothurner von Roll, die
Luzerner von Dürler, die Berner und Waadtländer von Loys und die Schwyzer
von Reding. Unter dem regelmässigen Taktschritt wogen die Gewehre von
einem Kolonnenende zum anderen, die Bajonette werfen kurze Blitzlichter
über die weissgeränderten Dreispitzhüte.
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Mit Todesdrohungen werden diese Männer empfangen, die sich dessen
bewusst sind, dass dieser nächtliche Aufmarsch ihr letzter ist» (Paul de
Vallière, Heldentod des Schweizer Garderegiments - Die Verteidigung des
Tuilerienschlosses am 10. August 1792, Zürich/Leipzig 1937, Seite 56 f).
2. Knapp 900 Schweizer, etwa 200 schlecht bewaffnete königstreue Adelige
und ehemalige französische Offiziere, rund 2000 Mann Nationalgarde mit
etwas Artillerie sowie einige Abteilungen Gendarmerie richten sich auf
Verteidigung ein.
Dem Schutz des Schlosses, der Höfe und vorgelagerten Gebäudekomplexe gilt
erste Priorität. Die Zugänge von der Place du Carrousel her, sowie bei den
Pavillons de Flore und de Marsan werden abgeriegelt. In der weitläufigen
unübersichtlichen Gartenanlage, entlang der Terrasses de l'Eau und Feuillants
(heute Rue Rivoli), an der Drehbrücke zur Place Louis XV. (heute Place de la
Concorde) wird nur leicht gesichert.
Der Aufmarsch der Revolutionsbataillone und fanatisierter Massen zeichnet
sich in den Nachtstunden zum 10. August definitiv ab. Die Verteidiger
beziehen Gefechtsposition.
Der greise 79jährige Generalleutnant und Oberst des Schweizer Garde-
regiments Graf Ludwig August d'Affry übergibt das Kommando an Oberst-
leutnant Marquis de Maillardoz aus Freiburg und zieht sich zurück.
S. 20/1: 2. Phase 10. August 1792, morgens
Louis XVI. inspiziert um 06.00 unter dem Gejohle zahlreichen Pöbels die zur
Verteidigung bereitgestellten Truppen. Während dieser letzten Revue in den
Höfen und Parkanlagen der Tuilerien machen sich bei den französischen
Einheiten Auflösungserscheinungen bemerkbar. Die Schweizerkompanien
bewahren Haltung, zeigen sich ruhig und gefasst.
«Die Schweizer Trommler schlagen feierlich den Ehrenmarsch. Pfeifentöne
schrillen in die Luft. Indem sie die Waffen präsentieren, folgen die Männer
erhobenen Hauptes dem Blicke dessen, der schon nicht mehr König von
Frankreich ist. Die Offiziere grüssen mit dem Degen. Die geflammten Fahnen
mit dem weissen Kreuz flattern in der Luft. Gleichgültig und zerstreut geht der
König, ohne stille zu stehen, an den Reihen vorbei» (Paul de Vallière,
Heldentod des Schweizer Garderegiments - Die Verteidigung des
Tuilerienschlosses am 10. August 1792, Zürich/Leipzig 1937, Seite 83).
- 25 -
1. In Erwartung des Angriffs lässt sich der König durch Minister und
Abgeordnete überreden, die Nationalversammlung aufzusuchen um sich unter
deren «Schutz» zu stellen.
Mit einer Eskorte, bestehend aus der Schweizer Generalkompanie und 50
Grenadieren der Nationalgarde verlässt die königliche Familie gegen 08.30 das
Schloss. Im Gefolge befinden sich auch Oberstleutnant de Maillardoz und
Offiziere des Regimentsstabs.
2. Die Generalkompanie bleibt unterhalb der von Revolutionären dicht
belagerten Terrasse des Feuillants zurück und wartet auf weitere Befehle.
3. Abgeordnete und Grenadiere der Nationalgarde bahnen dem König und
seinem Gefolge den Weg zur Nationalversammlung. Oberstleutnant de
Maillardoz (Anfang September 1792 in der Conciergerie ermordet) und die
Stabsoffiziere werden gefangen genommen. Louis XVI. und seine Familie
kommen in einer Journalistenloge in Sicherheitshaft.
Nachdem der König das Schloss verlassen hat, verdrücken sich die National-
gardisten in Masse oder laufen zu den Belagerern über.
S. 22/3: 3. Phase 10. August 1792, vormittags
Nach der Gefangennahme des Interims-Kommandanten, Oberstleutnant von
Maillardoz, übernimmt der Luzerner Hauptmann Jost von Dürler die Leitung
der Verteidigung.
- 26 -
Inzwischen haben sich an die 100'000 Gegner, Revolutionsbataillone,
übergelaufene französische Einheiten, Unterweltsgestalten aller
Schattierungen, ein blutrünstiger Mob, Mitläufer und Gaffer rund um die
Tuilerien zusammengerottet.
1. Um etwa 09.00 werden alle Sicherungen aus den Gärten zurückgezogen und
die Verteidigung auf die Gebäudekomplexe und Höfe konzentriert. Mit den
königstreuen französischen Adeligen und Offizieren bleibt gerade noch eine
Handvoll Nationalgarde und Gendarmerie bei der Stange. Das Regiment hat
Ordre erst zu schiessen, wenn es angegriffen wird. Das Gerücht, die Schweizer
hätten das Feuer eröffnet, wird später das kriminelle Gesindel vollends zu
Greueltaten aufstacheln.
2. Gegen 09.30 durchbrechen die Angreifer das Tor zum Cour Royale. «Am
Fuss der grossen Treppe sehen sie vier Schweizerkompanien in Schlacht-
ordnung, Gewehr bei Fuss, die Offiziere vor der Front, die Wachtmeister hinter
der Linie in Reih und Glied, andere Abteilungen decken, einem scharlachroten
Teppich gleich, die Stufen. Das ist der letzte Anblick des Regiments im Glanz
der blitzenden Bajonette, der schimmernden Uniformen und der flatternden
Fahnen» (Paul de Vallière, Heldentod des Schweizer Garderegiments - Die
Verteidigung des Tuilerienschlosses am 10. August 1792, Zürich/Leipzig
1937, Seite 95). Die letzten französischen Artilleristen wechseln die Front und
richten die Geschütze gegen das Schloss. Die Gendarmen laufen über. Die
Menge drängt in die Höfe und fordert die Kapitulation.
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Die Schweizer Offiziere lehnen die kampflose Übergabe ab. Rangeleien
zwischen provozierten Wachtposten und Sansculottes folgen vereinzelte
Schüsse, worauf die Revolutionäre im Cour Royale das Feuer eröffnen. Die
Schweizer schliessen die auf gerissenen Reihen, erwidern Pelotonfeuer und
schlagen den Angriff ab. Auch auf der Gartenseite setzt der Beschuss ein.
3. Die Generalkompanie wartet in schwieriger Lage seit einer Stunde auf
Befehle.
S. 24/5: 4. Phase 10. August 1792, vormittags
1. Die Schweizer machen Ausfälle im Cour Royale sowie bei den Pavillons
und erobern einige Kanonen. Ein Teil der Geschütze muss allerdings vernagelt
werden da Munition und Lunten fehlen. Die Höfe und Terrassen werden
gesäubert und der Place du Carrousel mit Feuerunterstützung aus den Schloss-
etagen vorübergehend leergefegt.
«Die von wildem Schrecken erfasste Menge wälzt sich wie ein Gebirgsbach
nach den Gassen und Uferstrassen hin, flutet zurück und wird bis zum Rathaus
gewirbelt, viele enden ihre Flucht erst in der Vorstadt St. Antoine. Die vom
Strom der Flüchtlinge mitgerissene berittene Gendarmerie bringt die
Verwirrung auf ihren Höhepunkt. Pistolenschüsse gehen auf gut Glück los,
Menschen werden unter den Pferdehufen niedergetreten. Alles schreit nach
Verrat und beschuldigt die Schweizer des Mordes ...» (Paul de Vallière, Treue
und Ehre - Geschichte der Schweizer in fremden Diensten, Lausanne 1940,
Seite 621).
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Die Gewehrmunition wird knapp. Die letzten Patronen aus den Kartouchen-
taschen Gefallener und Verwundeter werden auf die besten Schützen des
Regiments verteilt.
2. Die Generalkompanie steht unter Beschuss und macht sich durch
Gegenstösse Luft. Ein Bataillon der Nationalgarde wird überrannt.
«Plötzlich eröffnet ein am Eingang der Reitbahn aufgestelltes Geschütz das
Feuer auf die zusammengedrängte Kompanie, die sofort ausbricht, die
Terrassenmauer erklettert, und mit einem gutgezielten Feuer die Kanoniere
zerstreut. Die Menge flüchtet sich ... in die Sackgasse der Orangerie» (Paul de
Vallière, Heldentod des Schweizer Garderegiments - Die Verteidigung des
Tuilerienschlosses am 10. August 1792, Zürich/Leipzig 1937, Seite 103).
Die Angriffe sind beidseits der Tuilerien nach kaum 20 Minuten abgewiesen.
Das Garderegiment hat die Situation im Griff aber die zerstreuten Massen
organisieren sich erneut.
S. 26/7: 5. Phase 10. August 1792, vormittags
Der Kampflärm dringt bis zur Nationalversammlung. Unter dem Druck der
aufgeregten Deputierten erlässt Louis XVI. folgenden Befehl: «Der König
befiehlt den Schweizern, sich in ihre Kasernen zurückzuziehen. Er befindet
sich im Schosse der Nationalversammlung». Dieser Befehl wird offensichtlich
in der Aufregung nicht richtig gelesen, mündlich ungenau übermittelt und
schliesslich so interpretiert, dass sich die Schweizer sofort zum König in die
Nationalversammlung in Marsch zu setzen hätten.
1. Die Offiziere lassen im Vestibüle des Schlosses sammeln. Etwa 200 Mann
unter Führung von Hauptmann Jost von Dürler schlagen sich verlustreich zur
Nationalversammlung durch. Im Gefechtslärm werden die Signale zum
Sammeln nicht überall vernommen und der Befehl zum Abrücken erreicht
zahlreiche Posten im weitläufigen Schloss nicht oder zu spät.
2. Die Generalkompanie hat sich bei der Reithalle wieder geordnet und
vereinigt sich mit dem anrückenden Detachement.
Das Auftreten der Schweizer bewirkt in der Nationalversammlung, die über die
Lage kaum informiert ist, Panik. Die Offiziere erkennen den Irrtum. Der König
erteilt Hauptmann Dürler den schriftlichen Befehl: «Le Roi ordonne aux
Suisses de dèposer à l'instant leurs armes et de se retirer dans leurs casernes.»
- 29 -
Ein Rückzug in die Kasernen ist aber zu diesem Zeitpunkt absolut unmöglich
geworden. Die Schweizer werden entwaffnet, gefangengenommen und teils
auf der Stelle ermordet.
3. Teile der Generalkompanie verweigern die Entwaffnung, schlagen sich bis
zur Place Louis XV. durch und werden dort im Kampf massakriert.
Der unrealistische und falsch übermittelte Befehl des Königs hat für das
Garderegiment katastrophale Folgen. Vielleicht hätte sich das Regiment mit
einem geschlossenen Ausbruch noch verlustreich vom Gegner lösen können.
Dessen Kompanien stehen jedoch nunmehr auseinandergerissen und ohne
koordinierende Gesamtführung vollends auf verlorenem Posten.
4. Die Angreifer dringen ins Schloss ein.
S. 28/9: 6. Phase 10. August 1792, gegen Mittag/nach mittags
1. In und um die Tuilerien kämpfen noch etwa 450 Schweizergardisten im
Verhältnis 1:100 weiter. Offiziere und Unteroffiziere versuchen die Reste der
Kompanien zu sammeln, um sich zur Nationalversammlung oder in die
Kasernen durchzuschlagen. Die Gebäudekomplexe stehen unter massivem
Artilleriebeschuss und brennen.
Im Schloss entwickelt sich über Stunden ein gnadenloser Nahkampf, eine
Hetzjagd nach allem was Uniform, Perücke oder Seide trägt, in den
Treppenhäusern, von Etage zu Etage, von Saal zu Saal, bis unters Dach.
Insbesondere die verhassten Schweizer sollen mit Stumpf und Stil ausgerottet
werden.
- 30 -
Mobiliar, ganze Bibliotheken, Gemälde und Kunstgegenstände werden
geplündert oder in blinder Zerstörungswut vernichtet.
2. Bei einem verzweifelten Ausbruchversuch durch den Cour de Marsan geht
eine Kampfgruppe in Kompaniestärke unter.
3. Eine längst ausgeschossene Abteilung von etwa 200 Mann bricht durch die
Gärten aus, zuerst in Richtung Nationalversammlung, erreicht schliesslich
schwer angeschlagen den Place Louis XV., löst sich im Nahkampf auf und
wird von der tobenden Menge zusammengesäbelt, erschlagen und auf
gespiesst.
Kleine Gruppen und einzelne Gardisten versuchen den Ausbruch auf eigene
Faust, hauen über Dächer und durch Kamine ab. «... Schiessen, Fluchen,
Todesschreie nicht nur im Garten, in den Höfen, auf den Terrassen, ... sondern
in den Korridoren und Gemächern des Schlosses, in dem die Rasenden alles
morden, was sie trafen: verwundete und sterbende Schweizer und Adlige,
Diener und Lakaien des Königs, sogar ... einen zehnjährigen Küchenjungen,
den die Scheusale lebendig in einem Kessel sotten. Durch die zertrümmerten
Fenster wurden Leichname und Lebendige in die Tiefe geschleudert, bald
folgten ihnen Kommoden, Tische, Spiegel, und die Trümmer der kostbaren
Möbel wurden zu hohen Haufen aufgetürmt und angezündet ... und trunken
von Blut und Wein begannen Weiber und Männer um diese Feuer zu tanzen
…...» (Joseph Spillmann, Tapfer und Treu - Memoiren eines Offiziers der
Schweizergarde Ludwigs XVI., Freiburg i. B. 1917, Seite 212).
- 31 -
Kasernen und Palais in und um Paris werden gestürmt, die Schweizer
Wachmannschaften massakriert oder gefangengenommen. Während Tagen und
Wochen herrscht völlige Anarchie mit wilder Jagd auf alles Schweizerische,
Aristokratische und Klerikale.
Abgehackte Körperteile, zerfetzte Uniformen und Ausrüstungsgegenstände
werden im Triumph herumgetragen. Gefangene werden ermordet oder enden
unter der Guillotine. Trotzdem gelingt es zahlreichen Gardisten mit Hilfe
königstreuer Franzosen unterzutauchen. Sie erhalten Unterschlupf, Pflege und
Zivilkleider, fliehen später in die Schweiz oder lassen sich erneut anwerben, in
die antirevolutionären Koalitionsarmeen, in Einheiten der royalistischen
Vendée, in die Massenheere der Republik …
S. 30: Anhang
Zeitzeugen
Unteroffizier J. Bonifaci Good aus Mels versah Anfang August 1792 mit 6
Mann Wachdienst bei der Staatskasse in Paris. In der Zeit vom 10. August bis
zum 3. September fasste er seine Eindrücke in einem Brief an die Geschwister
zusammen. Dieser Brief wurde am 1. August 1916 im Feuilleton der NZZ Nr.
1219 unter dem Titel «Aus den Aufzeichnungen eines roten Schweizers»
veröffentlicht. Die folgenden Passagen vermitteln ein eindrückliches
Stimmungsbild aus der im Chaos versinkenden französischen Hauptstadt.
«Ich fange an, ein trauriges Schicksal zu beschreiben, ich weiss aber nicht, ob
ihr diese Zeilen, welche euer auf den Tod betrübter Bruder euch widmet,
werdet zu sehen bekommen oder nicht, die Hoffnung ist klein und die Gefahr
ohnbeschreiblich gross ... Heut am Morgen umb ohngefähr 8 Uhr war ich vor
der Porten einer Caisse, wo ich alle Tage meine Verrichtung hatte, und ich
wartete alda bis man aufmachen würde, es kamen undschiedliche Personen und
sagten ... dass der Pöbel schon vielen die Köpf abgehauen und dass man selbe
in der Stadt herumtrage. Bald darauf sagte man, dass schon viele Leut auf dem
Carouzelle versamlet seyen und dass man nur auf die Einwohner der Forburg
St. Antoine warte, umb mit Gewalt in die Tuilerien zu dringen und das ganze
Schloss niederzureissen.
- 32 -
Das ganze Regiment der Schweizergarde war alda, ausgenommen 300 Mann,
welche verwichnen Dienstag auf Evreux in die Normandie seind detachiert
worden, ich förchtete aber noch nicht, dann ich hoffete, dass die Garde
Nationale sambt der Schweizer Garde dieses Vorhaben des Pöbels vernichten
werde ... Bald dar auf kam Zeitung, dass die Schweizer auf den Pöbel Feuer
gegeben haben, und dass die Schlacht angefangen. Ich könnte dieses noch
nicht glauben. Bald aber hörte man ein Kanonen-Feuer.
Gute Freund ermahnten mich und meine 6 Soldaten, uns zu verstecken ... Ich
gieng in mein Zimmer und nahm meine Soldaten mit, zum Glück hab ich
Bürgerkleider, welche ich gleich anzoge. Ich sagte denen Soldaten, sie sollen
im Zimmer bleiben und sich nicht sehen lassen Meine Frauen waren unsere
Boten, welche uns die Neuestigkeiten in unser Gefängnis brachten, etwelche
alle Mal schrecklich waren, das erste Mal kam meine Frau weinend und sagte,
dass man schon Grenadier Katzen und Stücker von Schweizer Röcken in denen
Strassen herumtrage, ein andere, dass das Königschloss schon in vollem Brand.
Ich durfte mich nicht sehen lassen, ich hörte immer mit Stücken schiessen, ich
sahe den dicken Rauch aufsteigen bis in die Wolken, ich hörte ein greuent-
liches Schreien und Rufen in denen Strassen. ... Nun kombt meine Schattiger
S. 31: aus der Hall zurück und sagt, dass man die zerstückten Cörper von denen
Schweyzern in denen Strassen herum schlege, wie auch, dass man ihre aus
gerissenen Herzen an denen Spitzen der Säbel herumtrage. ... Du allein all
mächtig gütiger barmherziger Gott kannst uns aus dieser Gefahr noch retten. ...
Ich wollte gerne das wenige was ich dato mit saurem Schweiss ersparet
verlassen und mit meinen Händen die Erde umbatzen umb mich und meine
kleine Familie zu unterhalten, aber ich sehe keine Hoffnung darvon zu
kommen. Der Massacre in denen Prisonen dauert fort, die abgeschlagenen
Köpf werden herumgetragen und die Leiber herumgeschleppt in allen Strassen.
Man hört nichts anderes als ein erschreckliches Heulen und Schreien, General
schlagen und Sturmläuten » J. Bonifaci Good hielt sich mit seiner Familie
mehrere Wochen in Paris versteckt, bis ihm die Flucht in die Schweiz gelang.
Seine Brüder Jakob Felix und Franz Anton dienten ebenfalls im Garde-
regiment. Jakob Felix gehörte zu dem Detachement, das am 7. August in die
Normandie entsandt wurde. Auch er überlebte.
- 33 -
Franz Anton Good (1755-1818) diente als Korporal im Regiment, wurde
bereits 1786 entlassen und machte zu Hause als Politiker und Arzt Karriere.
Seine Tagebücher wurden auszugsweise publiziert und geben einen
lebensnahen Einblick in die letzten Jahre des Ancien Régime. Unter anderem
war er 1783 Augenzeuge eines Heissballonflugs der Gebrüder Montgolfier
(vergleiche: Jean Geel, Vom Söldner zum Landarzt - Nach Aufzeichnungen
eines Schweizergardisten in Paris zur Zeit Ludwigs XVI., Bad Ragaz 1969).
Napoleon Bonaparte (1769-1821) als General der Revolutionsarmee während der Schlacht bei Arcole (15./17.11.1796), (Ansichtskarte, um 1920). Napoleon war als junger Artillerie-hauptmann passiver Zeitzeuge der Kämpfe um die Tuilerien.
Ein prominenter Zeitzeuge des Tuileriensturms war Napoleon Bonaparte
(1769-1821), damals noch junger Artilleriehauptmann, ein Jahr später aber
bereits erfolgreicher Brigadegeneral der Revolutionsarmee. Im Exil auf St.
Helena schrieb er über seine Eindrücke und Erlebnisse des 10. August 1792:
«Das Schloss war von der abscheulichsten Canaille angegriffen. ...
S. 32: Nach der Einnahme des Palastes ... versuchte ich es, in den Garten zu
gelangen. Niemals später hat mir irgend eines meiner Schlachtfelder die
Vorstellung so vieler Leichen erzeugt, als da die Menge der Schweizer zeigte,
sei es, dass der kleine Raum ihre Zahl hervor hob, sei es, dass es mein erster
solcher Eindruck war.
- 34 -
Ich sah da Weiber auf den Leichen die ärgsten Schändlichkeiten begehen»
(Wolfgang Friedrich von Mülinen, Das französische Schweizer Garderegiment
am 10. August 1792, Luzern 1892, Seite 54 f).
Napoleon wollte später in seinem kaiserlichen Heer ebensowenig auf
Schweizertruppen verzichten, wie vorher (ab 1798) das französische
Direktorium auf die zwar unterbesetzten Helvetischen Halbbrigaden. Am 27.
9. 1803 schloss er mit der Eidgenossenschaft eine erste Militärkapitulation
über 4 Linienregimenter ab.
Verluste
Die Verluste des Schweizer Garderegiments wurden sehr unterschiedlich und
teils wesentlich zu hoch angesetzt. Selbst in modernen Publikationen taucht
noch da und dort die Behauptung auf, das Regiment sei «bis zum letzten
Mann» aufgerieben worden. Diese Fehlinformation hat einesteils ihren
Ursprung in ersten Horrormeldungen, die bereits wenige Tage nach dem
Untergang des Regiments in die Schweiz gelangten. Andernteils passten solche
Hypothesen in das lange überhöht zelebrierte Geschichtsbild der Schweizer in
fremden Diensten.
Fest stehen allein die Namen der 26 gefallenen und ermordeten Offiziere. Sie
sind am Löwendenkmal in Luzern aufgeführt, ebenso wie diejenigen der 16
überlebenden Offiziere. Am 9./10. August 1792 waren also insgesamt 42
Schweizeroffiziere in den Tuilerien, sowie drei französische Truppenärzte, ein
französischer Regimentsschreiber, ein Zahlmeister, ein Feldprediger, ein
Mathematiklehrer und zwei Tambourmajors, die alle dem Stab zugeteilt waren
(Karl Pfyffer, Recit de la Conduite du Regiment des Gardes Suisses ...‚ Luzern
1819, Seite 25 f.). In Luzern sind ferner 760 (ca.) umgekommene und 350 (ca.)
überlebende Unteroffiziere und Mannschaften angegeben. Bei beiden Zahlen
wurde mit Sicherheit weit daneben gegriffen. Paul de Vallière kam in seinem
Standartwerk sogar auf 850 Mann Verluste an Unteroffizieren und
Mannschaften (Treue und Ehre - Geschichte der Schweizer in fremden
Diensten, Lausanne 1940, Seite 637).
- 35 -
S. 33:
Tambourmajor des Schweizer Garderegiments (Aquarell von L. Rousselot).
S. 34:
Der genaue Gefechtsbestand des Regiments vom 10. August steht nicht fest,
betrug aber nach Berechnungen des eidgenössischen Staatsschreibers August
von Gonzenbach nur etwa 900 Mann (Der 10. August 1792 - unter besonderer
Rücksicht auf die Haltung des Schweizer Garderegiments, Bern 1866, Seite
109 ff). Weiterhin konnte die Eidgenössische Staatskanzlei in einem
Verzeichnis vom 5. Dezember 1818 noch 345 lebende Tuilerien-Veteranen
(darunter 11 Schweizer Freiwillige und 4 Franzosen) ermitteln, die Anspruch
auf die Denkmünze «Treue und Ehre» hatten.
- 36 -
Sappeur des Schweizer Garderegiments (Ansichtskarte, um 1920).
Unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Medaillenverleihung (26 Jahre
danach!) bereits verstorbenen Gardisten und der später sogar noch auf 395
erhöhten Anzahl Beliehener (inbegriffen einzelne Ausländer), sind die
Angaben auf dem Löwendenkmal sowieso mit Vorsicht zu geniessen.
Bei den Unteroffizieren und Mannschaften liessen sich nie genaue
Verlustzahlen eruieren und schon gar keine komplette Namensliste erstellen.
Auch Karl Pfyffers Etat blieb äusserst unvollständig (Recit de la Conduite du
Régiment des Gardes Suisses ...‚ Luzern 1819, Seite 28 ff). Denn, nach dem
Fall der Tuilerien konnte kein Appell mehr gemacht werden und auch die Zahl
der Heimkehrer lieferte keinen zuverlässigen Anhaltspunkt zur Berechnung der
Verluste. Es gab Soldaten, die nach gelungener Flucht, aus Passion oder
gezwungenermassen in Einheiten der Revolutionsarmee übertraten oder sich
anderswo in fremde Dienste verpflichteten, ohne je wieder aufzutauchen.
Die wohl fundierteste Berechnung der Verluste stellte wiederum August von
Gonzenbach an (Der 10. August 1792 - unter besonderer Rücksicht auf die
Haltung des Schweizer Garderegiments, Bern 1866, Seite 250 ff). Er kam zum
realistischen Schluss, dass rund 400 Mann umgekommen sind, davon
vermutlich etwa die Hälfte durch Mord, unmittelbar nach der befohlenen
Entwaffnung oder in den Gefängnissen. Der Glarner Major Karl Leodegar
Bachmann endete am 2. oder 3. September sogar unter der Guillotine. Die
Verluste derjenigen Gardedetachemente, die sich nicht an den Kämpfen um die
Tuilerien beteiligten, fallen kaum ins Gewicht und müssen im vor liegenden
Zusammenhang ohnehin unberücksichtigt bleiben.
- 37 -
S. 35: Denkmünze «Treue und Ehre»
Die Eidgenössische Tagsatzung hatte am 12. Juni 1815 eine silberne Denk-
münze gestiftet. Sie wurde verliehen an Offiziere, Unteroffiziere und
Mannschaften der vier ehemals kaiserlich-französischen Schweizerregimenter,
die nunmehr im Dienste Ludwig XVIII. standen und im März 1815 nach der
Rückkehr Napoleons von Elba nicht auf dessen Seite übergetreten, sondern
heimgekehrt waren. Die Medaille wurde nachträglich auch den Hundert-
schweizern zugestanden.
Nachdem die Behörden hierzulande über Jahre dem Kaiser der Franzosen mehr
oder weniger freiwillig gehuldigt hatten, war nach der erneuten Machtüber-
nahme durch die Bourbonen wieder voll auf das royalistische Pferd
umgesattelt worden. So lag es eben im Trend, dass man sich wieder des Ancien
Régime erinnerte und damit auch der in den Tuilerien untergegangenen Garde.
Eiserne Denkmünze «Treue und Ehre» (Rückseite) für die Überlebenden des Tuileriensturms, gestiftet am 7. August 1817 durch die Eidgenössische Tagsatzung.
Daher beschloss die Eidgenössische Tagsatzung am 7. August 1817 die noch
lebenden Angehörigen des ehemaligen Schweizer Garderegiments ebenfalls
mit einer speziellen eisernen Medaille zu ehren. Es ist anzunehmen, dass bei
der Stiftung das populäre preussische Eiserne Kreuz der Befreiungskriege Pate
gestanden hatte. «Dass die Standhaftigkeit, mit welcher das Volk die
unwiderstehlichen Übel einer eisernen Zeit ertrug, nicht zur Kleinmüthigkeit
herabsank ...»‚ hatte Friedrich Wilhelm III. am 10. März 1813 die
Stiftungsurkunde eingeleitet.
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S. 36: Worte, die im übertragenen Sinn durchaus auch auf die Haltung der Schweizer
in den Tuilerien zutrafen (vergleiche: Vincenz Oertle, Das Eiserne Kreuz der
Befreiungskriege 1813/15, Bischofszell 1987). Obwohl seit dem Tuilerien-
sturm bereits 25 Jahre vergangen waren und die Veteranen nunmehr
ungeduldig auf die Verleihung warteten, hatten es die Stifter keineswegs eilig.
Es dauerte noch ein volles Jahr, bis mit typisch eidgenössisch
parlamentarischer Gemächlichkeit die Verleihungsbestimmungen ausdiskutiert
waren. Sollten alle Angehörigen des Garderegiments beliehen werden, nur
diejenigen, die an den Kämpfen um die Tuilerien teilgenommen hatten, oder
müsste die Verleihung sogar auf alle ehemaligen Truppen in französischen
Diensten, also auch auf die Linienregimenter ausgedehnt werden? Am 20.
August 1818 fiel dann endlich der Tagsatzungsentscheid:
«Die Ehren-Denkmünze auf den 10. August 1792 und die begleitende Urkunde
sollen nur diejenigen Militärs des ehemaligen Schweizer-Garde-Regiments
erhalten, welche an dem Gefechte dieses Tages in Paris Theil genommen
haben». Die Medaillen wurden durch die Kantons- und Gemeindebehörden
ausgeteilt, im Ausland durch Vermittlung militärischer Kommandostellen. Ein
erstes Verzeichnis der Inhaber, erstellt am 5. Dezember 1818 durch die
Eidgenössische Kanzlei, umfasste 345 Namen. Inklusive Nachträge wurde die
Medaille schliesslich 395 mal verliehen, in wenigen Einzelfällen auch an
Ausländer und hohe Repräsentanten des neuen royalistischen Frankreichs,
zwei Exemplare sogar in goldener Ausführung. Ludwig XVIII. er hielt zur
Erinnerung ein eiserne Medaille. (Vergleiche: Gustav Grunau, Zwei
schweizerische militärische Verdienstmedaillen, Bern 1909, Seite 134 ff)
Das Löwendenkmal
«In die graue Sandsteinfelswand des ehemaligen St. Antonibruches ist eine
unregelmässige Nische eingetieft, in welcher ein aus dem gewachsenen Stein
gehauener, ungefähr 9 m langer sterbender Löwe ruht. Er liegt auf Waffen und
schützt mit der rechten Vorderpranke den französischen Lilienschild, der
Schweizer Schild lehnt in der Nische. Die klassizistische, aber durchaus
gedrungen kraftvolle Figur mit überlangem, von Naturalisten oft getadeltem
Schweif, ist das Symbol von Tapferkeit und Treue.»
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Das Denkmal trägt im wesentlichen folgende Inschriften:
HELVETIORUM FIDEI AC VIRTU TI = Der Treue und Tapferkeit der
Schweizer.
DIE X AUGUSTI. II ET III SEPTEM BRIS MDCCXCII = Am Tag des 10.
August, 2. und 3. September 1792
HAEC SUNT NOMINA EORUM QUI, NE SACRAMENTI FIDEM
FALLERENT = Dies sind die Namen derer, welche die Treue des Fahneneides
nicht brachen
FORTISSIME PUGNANTES CECIDERUNT = Als tapfer Kämpfende sind
gefallen:
DUCES XXVI =26 Offiziere ... MILITES CIRCITER DCCLX = ungefähr 760
Mannschaften.
SOLERTI AMICORUM CURA CLADI SUPERFUERUNT = Durch
S. 37: tüchtigen Einsatz und Aufopferung der Freunde haben überlebt
DUCES XVI = 16 Offiziere ... MILITES CIRCITER CCCL = ungefähr 350
Mannschaften.
Löwendenkmal in Luzern, eingeweiht am 10. August 1821 (Ansichtskarte, um 1960). Die Errichtung des Monuments stand unter massiver Kritik der Liberalen, die gegen die eidgenössischen Fremddienste opponierten.
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Hauptinitiant des Löwendenkmals war der Luzerner Oberst Karl Pfyffer (1771-
1840), ehemals Unterleutnant im Schweizer Garderegiment (zur Zeit des
Tuileriensturmes im Urlaub), Hauptmann in sardinischen und britischen
Diensten und Nachfahre des legendären «Schweizerkönigs» Ludwig Pfyffer
von Altishofen. Nach einer Reihe unbefriedigender Denkmalentwürfe
verschiedener Künstler fiel die Wahl schliesslich auf einen der berühmtesten
zeitgenössischen Bildhauer, den Dänen Bertel Thorwaldsen, der das Denkmal
im Modell schuf. Die praktische Ausführung übernahm zu nächst der
Solothurner Bildhauer Urs Pankraz Eggenschwyler, der sich aber bei einem
Sturz vom Gerüst derart schwer verletzte, dass er 1821 verstarb. Als
Nachfolger begann der Konstanzer Lukas Ahorn am 28. März 1820 die Arbeit
und beendete sie am 7. August 1821. Die Einweihung fand am 10. August
1821 statt. Ursprünglich im Besitz der Familie Pfyffer, wurde das
Löwendenkmal samt Parkanlage und Gedächtniskapelle 1882 durch die Stadt
Luzern erworben.
S. 38:
Grabtafel des Tuilerienveteranen Paul Josef Joos aus Untervaz GR, auf dem Fried hof Langenthal (Foto: Hans Zaugg, Langenthal).
S. 39: «Das vor und während der Entstehung von vielen als reaktionär oder
unpassend angefeindete Denkmal erlangte bald europäische Berühmtheit» und
zahlt sich heute als eines der Markenzeichen des Touristikzentrums Luzern
aus. (Vergleiche: Adolf Reinle, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern,
Basel 1953, Band II, Die Stadt Luzern 1. Teil, Seite 117ff)
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Grabstätten
Die rund 400 gefallenen und ermordeten Schweizer sind in Paris anonym
verscharrt worden. Während der Restaurationszeit errichtete man für Louis
XVI. und Marie Antoinette auf jenem Massengrab eine Gedächtniskapelle, wo
sie nach der Hinrichtung zunächst bestattet worden waren. Gebeine von
Revolutionsopfern wurden nach Errichtung der Gedenkstätte vielerorts
exhumiert und auf dem angegliederten Friedhof in Grabnischen
zusammengelegt. Es ist anzunehmen, dass dort auch zahlreiche
Schweizergardisten die letzte Ruhestätte fanden. Die Überreste des
Königspaares liegen seit 1815 in St. Denis. Die kaum bekannte Chapelle Louis
XVI. (auch Chapelle expiatoire genannt) mit den Massengräbern liegt mitten in
einem alten Wohnquartier, unweit des Schnittpunkts von Boulevard
Haussmann und Rue de Rome. (Vergleiche: Franz Zelger, Die Begräbnisstätte
der Schweizergardisten in Paris - Ein Gedenkblatt an den Ruhmes- und
Trauertag vom 10. August 1792, Luzern 1926.
Erhaltengeblieben ist das Grab von Paul Josef Joos, ehemals Trommelknabe
im Schweizer Garderegiment. Die Grabstätte befindet sich vor der Nordfassade
der reformierten Kirche auf dem Geissberg in Langenthal und trägt folgende
Inschrift: «Hier ruht in Gott - Paul Josef Joos - geb. im Jahr 1780 - Am 10.
August 1793 (!) als Tambour beim Schweizerregiment in den Tuilerien in Paris
- gestorben am 2. Febr. 1865 im 85. Altersjahr».
Joos (genaues Geburtsdatum 16. Juni 1780) stammte von Untervaz GR und
war Inhaber der Ehrendenkmünze «Treue und Ehre». Er ist im Verzeichnis der
Medailleninhaber vom 5. Dezember 1818 unter Nummer 248 aufgeführt
(vergleiche: Gustav Grunau, Zwei schweizerische militärische Verdienst-
medaillen, Bern 1909, Seite 181). Böse Zungen behaupten, Joos habe den
Tuileriensturm deshalb überlebt, weil er aufgrund der Grabtafelinschrift ein
Jahr zu spät in Paris war.
S. 40: Chronologie der Französischen Revolution 1. Mai 1789 Einberufung der drei Generalstände (Adel, Klerus und Städtevertretung)
17. Juni 1789 Der Dritte Stand konstituiert sich zur Nationalversammlung
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14. Juli 1789 Volksaufstand in Paris - Erstürmung der Bastille
6. Oktober 1789 Der König erhält Zwangsaufenthalt in den Tuilerien
21. Juni 1791 Ein Fluchtversuch der königlichen Familie scheitert in Varennes (Argonnen)
3. September 1791 Inkraftsetzung der Verfassung - Frankreich wird konstitutionelle Monarchie
10. August 1792 Tuileriensturm - die königliche Familie wird inhaftiert
21. September 1792 Abschaffung der Monarchie und Proklamation der Republik
21. Januar 1793 Louis XVI. wird hingerichtet
16. Oktober 1793 Marie Antoinette, Königin von Frankreich, wird hingerichtet
Nach jahrelangen Richtungskämpfen zwischen Gemässigten und Radikalen, der Ermordung zahlreicher politischer Gegner oder deren Hinrichtung durch Revolutionstribunale, royalistischen Aufständen und dem Ersten Koalitionskrieg, stürzte Napoleon Bonaparte am 9. November 1799 das Direktorium, beendete damit die zehnjährige revolutionäre Epoche und übernahm als Erster Konsul die Macht.
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- 44 -
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Zelger, Franz, Die Begräbnisstätte der Schweizergardisten in Paris - Ein
Gedenkblatt an den Ruhmes- und Trauer tag vom 10. August 1792,
Luzern 1926.
S. 42:
Was die Untervazer von damals betrifft siehe auch: Anno Domini 1991 und 1992, sowie diverse Texte zur Dorfgeschichte unter 1792.
Wir danken dem Verfasser bestens für die freundliche Wiedergabebewilligung.
Internet-Bearbeitung: K. J. Version 02/2018