Weltmarkttextilien Globale Güterketten im historischen Wandel SS 2010 Andrea Komlosy, Institut für...

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WeltmarkttextilienGlobale Güterketten

im historischen Wandel

SS 2010Andrea Komlosy, Institut für

Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Inhaltsübersicht• Kapitalismus – Arbeitsverhältnisse• Etappen in der Entwicklung textiler

Produktionsketten und die „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“

• Positionierung in der Güterkette aus entwicklungspolitischer Perspektive

• Globalisierungszyklen

"Mehrwert"• "Wenn der Arbeiter nur einen halben Arbeitstag

braucht, um einen ganzen zu leben, so braucht er, um seine Existenz als Arbeiter zu fristen, nur einen halben Tag zu arbeiten. Die zweite Hälfte des Arbeitstages ist Zwangsarbeit; surplus-Arbeit. Was auf Seite des Kapitals als Mehrwert erscheint, erscheint exakt auf Seiten des Arbeiters als Mehrarbeit über sein Bedürfnis als Arbeiter hinaus."

(Marx 1953: 230f)

Arbeitsverhältnisse im erweiterten Zugriff des Kapitals

• Variationen und Kombinationen von Selbständigkeit und Unselbständigkeit

• Zwangs- und Kontraktarbeit• Arbeit im informellen Sektor • unbezahlt geleistete Arbeit im Haushalt • unbezahlt geleistete Arbeit in der

Subsistenz

Handelsbeziehungen (vor 1700)

• Multizentrische Koexistenz europ. und asiatischer Exportgewerberegionen; Verbindung durch Handelsbeziehungen; keine internationale Arbeitsteilung i.S. von Standortketten

Manufaktur & Verlag (1700-1820)

• Ausbreitung des Manufaktur- und Verlagssystems - Verbindung von Standorten mit unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen in Produktionsketten (innerhalb und zwischen Weltregionen),

• z.B. Bodenseeraum, NÖ, Böhmen, Dadni-System, Zangfang-System, Thread& Money-System

• „Industriöse“ Produktionsweise

Fabriksystem in NW-Europa (1800 - 1914)

• Einführung des Fabriksystems in GB (ab 1780) und NW-Europa ,

• in der Folge nachholende Fabriks-Industrialisierung in anderen europäischen Regionen und in den USA;

• Regional auch in Nordindien, Japan und Mexico.

• Fabrik fügt sich in überregionale Produktionsketten ein.

Überregionale Standortkombinationen im 19. Jh• Mit dem Fabriksystem in NW-Europa verschwinden

die industriösen Verhältnisse nicht. Sie werden in die Schranken lokaler Märkte verwiesen bzw. als Nischen und Zulieferer in die Weltwirtschaft integriert.

• Asiatische Textilregionen: Handweben mit europäischem Fabriksgarn

• Periphere Textilregionen in EU: Handweberei (1.H.19.Jh.), verlängerte Werkbänke und Heimarbeit (2.H.19.Jh.)

• Bekleidung: städtisches Verlagssystem

Produktionsschritte I (Garn)• Rohmaterial

• Garn

• Rohstoffernte und –aufbereitung

• Synthetische Erzeugung

• Spinnen• Färben• Bei Seide: Abwickeln

der Rohseide vom Kokon

Produktionsschritte II (Stoff) • Gewebe

• Strick- und Wirkware

• Filzstoff

• Spitze

• Stoff mit spezifischen Eigenschaften

• Weben (Fläche durch Fadenbindung)

• Wirken (Fläche durch Maschenbildung)

• Filzen(durch Wasser, Druck und Wärme)

• Spitzenerzeugung

• Stoffveredelung, Ausrüstung

Produktionsschritte III (Fertige Textilien und Kleidungsstücke)

• Möbel- und Dekorstoffe

• Technische Textilien

• Kleidungsstücke (Unter- und Oberbekleidung)

• Entwurf• Zuschneiden• Formen• Nähen der Einzelteile• Assembling

(Zusammennähen)• Ausfertigung• Anbringen diverser

Applikationen und Effekte

Nachholende Industrialisierung nach dem 1. und 2. Weltkrieg

• Textil und Bekleidung als Flaggschiffe nachholender Industrialisierung in ehemals agrarisch oder handwerklich-industriös orientierten europ. u. außereurop. Regionen – mit dem Ziel einer alle Fertigungsstufen integrierenden Produktion (d.h. nationaler Bezugsrahmen, De-Globalisierung)

• Textile Massenproduktion verlagert sich im Laufe des 20. Jh. in NICs

Re-Globalisierung - verlängerte Werkbänke ab 1970ern

• Chancen der verlängerten Werkbänke auf erfolgreiche nachholende Entwicklung eingeschränkt durch:

• MFA 1974-1995, Welttextilabkommen 1995-2004): Quoten, Zolleskalation, Ursprungsregeln

• Bilaterale OPT-Abkommen USA und EU• Phase I: von MNK getragen• Phase II: Kommando über die Güterkette geht

auf Handelshäuser und Marktinhaber über („Käufer“)

Produzenten- vs Käufer-initiiert

Entwicklungspolit. Strategien

• a) Verteidigung der Vielfalt und Integration von Produktionsabläufen gegenüber einer zunehmenden Aufsplitterung der Fertigungsschritte entlang einer überregionalen Produktionskette

• B) Bemühen, innerhalb einer solchen Produktionskette eine möglichst wertschöpfungsintensive Position einnehmen

Beispiele zwischen Eigenständigkeit und Upgrading

• Schwechater Baumwollmanufaktur vs. örtliche Weber im Waldviertel (18.Jh.)

• Nachholende Industrialisierung in Zentraleuropa als nationalstaatl. integrierte Produktionskette

• Indien: Kontrolle der Produktionskette auf der Basis industriöser Kompetenz (19/20.Jh)

• Nordindisches Fabriksgarn für chinesische Handweber (Ende 19. Jh.)

• Mehmed Ali: ISI-Versuch und sein Scheitern• Vietnam: Sisyphos auf der Sprossenleiter der

globalen Güterkette

Zusammenfassung• Bis 17.Jh: Globale Interaktion durch Handel• Ab 17.Jh: Überregionale Standortkombinationen (reg.,

weltumspannend), seit 1800 unter Einschluss des Fabriksystems

• 19.Jh: Nationalstaatl. Industrialisierung nach britischem Vorbild

• 20.Jh: Nachholende Industrialisierung in Osteuropa und 3.Welt: ISI

• 1973: NIAT (F&E im Z, Massenprod. in P)- bis 1990: von MNK getragen- ab 1990: Verlagerung auf käufer-dominierte Ketten; Rückkehr der Deregulierung in die alten Z

GlobalisierungszyklenHandwerk Zünfte Lokal vor Ort

integriertManufaktur & Verlag 18/19.

Staat Überregional, global

Räumliche AT

Fabrik19/20.Jh

Staat,Sozialpartner

National Prozessorientierte AT

NIAT 1970ff GATT-WTO

Global Räumliche & prozessorientierte AT

Wiederkehr Verlagsystem

Race to bottom

Global Regionalisierung der AT

Perspektiven?• >Global Unions (Int. TGL Workers Fed)• >Soziale/ökologische Konditionalität (Clean

Clothes, Codes of Conduct)• >Vorrang nationaler Märkte (Binnenmarktschutz

und –förderung)• >Vorrang lokaler Märkte (regionale Kreisläufe)• >Reaktivierung von Subsistenz• ><Änderung des Konsumsverhaltens >mehr global …….<weniger global