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WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT
Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen
nach GHPO I vom 22. Juli 2003
Erfolgreich kommunizieren in der Krankenpflege
– Förderung von ausbildungsbezogenen
Sprachkompetenzen im Deutschunterricht –
vorgelegt von
Ulrike John
eingereicht bei der
Pädagogischen Hochschule Heidelberg
Referentin: Fr. Prof. Dr. Anne Berkemeier
Korreferentin: Fr. AOR Regina Wieland
Heidelberg, den 30.07.08
2
Inhaltsverzeichnis
I EINLEITUNG 5
1 Zur Fragestellung der Arbeit 5
2 Kommunikative Handlungsformen in der Krankenpflege als
Variante institutioneller Kommunikation
7
II MÜNDLICHE KOMMUNIKATION (Theoretischer Teil) 9
1 Anlässe und Formen mündlicher Kommunikation in der
Pflege
9
2 Darstellung der Forschungslage zur verbalen
Kommunikation
14
2.1 Überblick über den aktuellen Forschungsstand 14
2.2 Untersuchungen zur mündlichen Kommunikation 16
2.2.1 Die Gesprächsanalyse als Methode zur Untersuchung
gesprochener Sprache
16
2.2.2 Ergebnisse von vorliegenden Analysen gesprochener Sprache in
Einrichtungen des Gesundheitswesens
20
2.2.2.1 Allgemeine Beobachtungen zu Gesprächen in pflegerischen
Kontexten
20
2.2.2.2 Eröffnungsphasen 22
2.2.2.3 Gesprächsbeendigungen 25
2.2.2.4 Befindensfragen 26
2.2.2.5 Pflegerische Erstgespräche 27
2.2.2.6 Das Sprachverhalten alter und junger Menschen 31
3 Förderung ausbildungsbezogener Kompetenzen im
Deutschunterricht für den mündlichen Sprachgebrauch
33
3.1 Auswertung der Ergebnisse und Erwartungshorizont:
Welche Fähigkeiten müssten Schüler im Hinblick auf die
Ausbildung in Pflegeberufen erlangen?
33
3.2 Vorgaben des Bildungsplanes 34
3.3 Allgemeine Gesprächskompetenzen 37
3
3.3.1 Wissen über Kommunikation und Situationseinschätzung 37
3.3.2 Gesprächsorganisation: Verteilung des Rederechts und
Sprecherwechsel
38
3.3.3 Darstellung und Entfaltung des Themas 40
3.4 Spezielle Gesprächskompetenzen 42
3.4.1 Gruß 42
3.4.2 Vorstellung und Anrede 44
3.4.3 Anspielungen erkennen und nutzen 44
3.4.4 Umgang mit standardisierten Fragen 45
3.4.5 Gesprächsleitfaden erstellen und im Gespräch effektiv nutzen 46
4 Vergleich von ausbildungsbezogenen Erwartungen und
Vorgaben durch den Bildungsplan
48
III SCHRIFTLICHE KOMMUNIKATION (Empirischer Teil) 51
1 Anlässe und Formen schriftlicher Kommunikation in der
Pflege
51
2 Untersuchungen zur schriftlichen Kommunikation 56
2.1 Überblick über den aktuellen Forschungsstand 56
2.2 Eigene empirische Untersuchung von Pflegeberichten 57
2.2.1 Methode und Analysekriterien 57
2.3 Ergebnisse der Analyse von Pflegeberichten 59
2.3.1 Textsorte Pflegebericht? 59
2.3.2 Syntax 61
2.3.2.1 Satzglieder 61
2.3.2.2 Nebensätze 62
2.3.3 Kohäsion und Kohärenz 64
2.3.4 Lexik und Semantik 66
2.3.5 Abkürzungen und Verwendung von Zeichen 69
2.3.6 Inhalt 70
2.3.7 Schreibsituation 73
2.3.8 Überarbeitung
74
4
3 Förderung ausbildungsbezogener Kompetenzen im
Deutschunterricht für den schriftlichen Sprachgebrauch
75
3.1 Auswertung der Ergebnisse und Erwartungshorizont:
Welche Fähigkeiten müssten Schüler im Hinblick auf die
Ausbildung in Pflegeberufen erlangen?
75
3.2 Vorgaben des Bildungsplans 75
3.3 Schreibkompetenzen 77
3.3.1 Schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten 77
3.3.2 Zweck des Schreibens 79
3.3.3 Textsortenkenntnis 80
3.3.4 Die Funktion des Schreibens:
Problemlöseprozess oder kommunikative Handlung?
82
3.3.5 Adressatenbezug 84
3.3.6 Überarbeitungskompetenz 85
4 Vergleich von ausbildungsbezogenen Erwartungen und
Vorgaben durch den Bildungsplan
86
IV ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE
UND AUSBLICK
89
V ANHANG 91
1 Literatur 91
2 Internetquellen 94
3 Abbildungsverzeichnis 94
4 Versicherung über die Autorenschaft 95
5
I EINLEITUNG
1 Zur Fragestellung der Arbeit
„Non scholae sed vitae discimus!“1
Schon die Römer wussten, dass wir nicht für die Schule, sondern für das Leben
lernen. Allerdings stellt sich auf Lehrer- wie auf Schülerseite im Schulalltag immer
wieder die Frage, wie dieser Anspruch wohl umzusetzen ist. Eine gängige
Möglichkeit ist es, den Schülern für das Leben möglichst viel ‘Allgemeinbildung’
mit zu geben oder ihnen, nach modernerem Verständnis, so genannte
Schlüsselqualifikationen (wie z. B. kommunikative Kompetenz) zu vermitteln. Eine
andere Möglichkeit besteht darin, sich ein Bild von der außerschulischen Berufswelt
zu machen und zu analysieren, welche Qualifikationen die Schulabgänger für ihre
nachfolgende Ausbildung benötigen. Sind die erforderlichen Kompetenzen benannt,
ist es Aufgabe der Institution Schule, diese auf die Unterrichtswirklichkeit herunter
zu brechen und daraus Lehr- und Lernziele abzuleiten.
In diesem Sinne soll diese Arbeit einen Brückenschlag zwischen Berufsalltag und
Schule herstellen und zu diesem Zweck werden einzelne Ausschnitte beruflicher
Kommunikation genau unter die Lupe genommen. Das Ziel ist, aus dieser
detaillierten Beobachtung und Beschreibung Aufschlüsse über die Anforderungen zu
erhalten, die an Schulabgänger zu Beginn ihrer Ausbildungen (und darüber hinaus)
gestellt werden.
Gegenstand der Untersuchung ist die Kommunikation in den verschiedenen Berufen
des Pflegebereichs. Hierzu zählen im Wesentlichen die Berufe der Krankenpflege,
der Krankenpflegehilfe2 und der Altenpflege sowie der Altenpflegehilfe (ferner
ließen sich auch Berufsbilder im Rettungsdienst sowie die der therapeutischen
Berufe hinzuzählen).
Die Ausbildungsgänge zu diesen Berufen unterscheiden sich nicht zuletzt nach den
Zugangsvoraussetzungen. So bleibt die Krankenpflegeausbildung zwar Realschul-
abgängern mit Mittlerer Reife vorbehalten, die anderen Berufsbilder können jedoch
nach Erreichen des 18.Lebensjahres auch mit Hauptschulabschluss erlernt werden.
Außerdem ermöglicht die prinzipielle Durchlässigkeit des deutschen Schulsystems ja 1 Ursprünglich von Seneca im 1. Jhdt. n. Chr. mit den Worten „Non vitae sed scholae discimus“ als Schulkritik formuliert, ist dieses Sprichwort heute in der umgekehrten o. g. Formulierung verbreitet. 2 Die korrekten Berufsbezeichnungen heißen „Gesundheits- und Krankenpflege“ bzw. „Gesundheits- und Krankenpflegehilfe“ (vgl. http://www.afg-heidelberg.de) (03.06.08)
6
zumindest theoretisch jedem Schüler den Wechsel auf eine höher qualifizierende
Einrichtung.
Viel wichtiger als der Blick auf die Zugangsvoraussetzungen erscheint mir aber die
Tatsache, dass die Schulabgänger über viele der für Pflegeberufe benötigten
sprachlichen Kompetenzen schon bei Ausbildungsbeginn verfügen müssten, denn in
den Ausbildungen zu Pflegeberufen ist kein Deutschunterricht mehr vorgesehen, der
die Auszubildenden gezielt auf ihr späteres Sprachhandeln vorbereiten könnte.
Kommunikative Kompetenzen werden in den Ausbildungsgängen zwar thematisiert,
jedoch ausschließlich unter psychologischen Gesichtspunkten und unter Verwendung
psychologischer Modelle. Die von der Schule vermittelbaren sprachlichen
Kompetenzen sind somit gleichsam ausbildungsbezogene wie berufsbezogene
Kompetenzen, die im Laufe der Ausbildung nicht mehr speziell gefördert werden. Es
gilt also, in den allgemeinbildenden Schulen – und ganz besonders im
Deutschunterricht – sich der Verantwortung diesbezüglich bewusst zu sein, wenn die
Schüler tatsächlich für das Leben lernen sollen!
In dieser Arbeit werden Lehr- und Lernziele exemplarisch durch die Analyse
sprachlicher Handlungen in Pflegeberufen abgeleitet. Dies ist nach ähnlichem Muster
genauso für andere Berufszweige denkbar und wäre im Hinblick auf die
Vorbereitung von Schülern auf das Berufsleben sicher auch sinnvoll. Da die
linguistischen Disziplinen, die sich mit diesen und ähnlichen Fragestellungen
beschäftigen, noch sehr jung sind, kann man davon ausgehen, dass hier in Zukunft
weitere Analysen entstehen werden.
Ich benutze im folgenden Text in der Regel die Termini der ‘Pflegenden’, der
‘Patienten’ und der ‘Schüler’. Damit sind natürlich immer Vertreter beiderlei
Geschlechts gemeint und außerdem auch immer Vertreter aller pflegerischen
Berufsgruppen.
Die Arbeit gliedert sich im Anschluss an die beiden einleitenden Abschnitte in zwei
große Teile: Der erste Teil ist theoretischer Art und behandelt die mündliche
Kommunikation, der zweite Teil beinhaltet meine eigene empirische Untersuchung
schriftlicher Kommunikation am Beispiel von Pflegeberichten. In beiden Teilen
erfolgt anhand der Analyseergebnisse eine didaktische Modellierung auf den
Deutschunterricht. Die abgeleiteten Lernziele werden im Anschluss daran auf ihre
Übereinstimmung mit dem Bildungsplan hin geprüft.
7
2 Kommunikative Handlungsformen in der Krankenpflege als
Variante institutioneller Kommunikation
Im Arbeitsalltag der in Pflegeberufen tätigen Fachkräfte gibt es sehr viele und sehr
verschiedene Formen und Anlässe von Kommunikation. Um den Einstieg in das
Thema zu erleichtern, beginne ich mit der Darstellung und Beschreibung der
gängigen kommunikativen Handlungen in den Berufsfeldern der Kranken- und
Altenpflege.
Die Kommunikation in der Pflege dient in dieser Arbeit exemplarisch für eine Art
der institutionellen Kommunikation. Dieser Begriff der Institution soll daher
zunächst etwas näher betrachtet werden.
Institutionen sind nach Ehlich und Rehbein „Formen des gesellschaftlichen Verkehrs
zur Bearbeitung gesellschaftlicher Zwecke; sie verlangen eo ipso Kommunikation
zwischen den Aktanten“ (Ehlich/Rehbein 1980, S. 338). In jeder Institution gibt es
spezielle, sie kennzeichnende sprachliche Handlungsmuster, die wiederum durch das
Charakteristische der jeweiligen Institution geprägt sind. Die Aktanten einer
Institution (also deren Agenten und Klienten) haben typische
„Handlungsmöglichkeiten, über die institutionsspezifisches Wissen ausgebildet ist“
(ebd., S. 343). Oftmals finden sich standardisierte Abläufe, so genannte sprachliche
Handlungsmuster, die durch die Tätigkeiten in der Institution bedingt sind. Mitunter
kann es dabei zu relativ starren Sprachhandlungsformen kommen (vgl. ebd., S. 342).
Da unterschiedliche Institutionen durch ganz verschiedene Handlungsmuster
charakterisiert sind, kann „die Untersuchung von Sprache in Institutionen […] sich
nur in Bezug auf einzelne Institutionen entfalten“ (ebd., S. 339). Daraus ergibt sich
wiederum, dass die Analyse sprachlicher Handlungen in der Institution
Krankenhaus/Pflegeheim hier nur den Ausschnitt des Pflegebereiches darstellen (und
von diesem wiederum nur ein kleiner Ausschnitt beleuchtet werden) kann.
Dennoch bin ich der Meinung, dass die Art der Analyse auch auf andere Formen
institutioneller Kommunikation übertragbar und auf deren Bezug zum
Deutschunterricht überprüfbar ist. Außerdem wird zu betrachten sein, was an
spezifischen Kommunikationsformen des Pflegebereichs durch eine induktive
Vorgehensweise auf andere Kommunikationssituationen in anderen Institutionen zu
übertragen und anzuwenden ist.
8
In der Krankenpflege spiegelt sich wider, was für unsere gesamte Gesellschaft gilt:
Wir leben in einer Zeit, in der eine „zunehmende Versprachlichung der Gesellschaft
und ihrer Institutionen“ (Fiehler/Sucharowski 1992, S. 24) zu beobachten ist.
Dadurch steigt zum einen die Anzahl sprachlicher Handlungen und kommunikativer
Formen insgesamt, zum anderen werden sprachlich-kommunikative Prozesse immer
differenzierter und komplexer. In vielen Bereichen des täglichen und beruflichen
Lebens wird von uns erwartet, dass wir uns angemessen ausdrücken und effektiv
kommunizieren können. Dazu gehört sowohl eine adäquate sprachliche Realisierung
als auch eine passende Einschätzung von situativem Kontext, Gesprächsgattung,
Verhältnis der Gesprächspartner usw., alles bezogen auf mündliche wie auch auf
schriftliche Formen von Kommunikation.
So stellt die kommunikative Kompetenz heute eine Schlüsselqualifikation dar, die
„auf allen Ebenen beruflicher Bildung in den letzten Jahren diskutiert, propagiert und
eingefordert wurde, wobei man sich auf den primären, sekundären und tertiären
Bildungsbereich bezieht“ (Walther 2003, S. 19). Dies gilt in besonderem Maße auch
für den Bereich der Pflegeberufe. Im Pflegealltag ist die Beherrschung vielfältiger
Kommunikationstechniken unerlässlich, denn nur so kann die Aufgabe bewältigt
werden, den Patienten mit einem gut kooperierenden Team bestmöglich bei seiner
Genesung zu unterstützen. Aber nicht nur innerhalb des therapeutischen Teams sind
kommunikative Kompetenzen wichtig, sondern auch im direkten Kontakt mit dem
Patienten. Moderne Krankenhäuser sind zu Wirtschaftsunternehmen geworden, in
denen Effektivität und Kundenorientierung eine elementare Rolle spielen. In den
letzten Jahren ist daher die Bedeutung der Kommunikation sowohl in das
Bewusstsein der Pflegewissenschaft und Pflegeforschung als auch in die
Rahmenlehrpläne der verschiedenen Ausbildungsgänge gelangt.
Es ist allerdings nicht eindeutig definiert, was genau unter kommunikativer
Kompetenz zu verstehen ist. Um sich der Vielschichtigkeit des Begriffes zu nähern,
werde ich zunächst aufzeigen, in welchen Zusammenhängen im Bereich der Pflege
kommunikative Handlungen überhaupt stattfinden.
9
II MÜNDLICHE KOMMUNIKATION
(Theoretischer Teil)
1 Anlässe und Formen mündlicher Kommunikation in der Pflege
Unabhängig von der eigentlichen Tätigkeit, von der Art der Klinik und vom
Fachbereich lässt sich feststellen, dass Pflegekräfte bei sehr vielen ihrer Tätigkeiten
kommunizieren. Betrachtet man einerseits die dafür aufgewendete Zeit und
andererseits die Anzahl der Anlässe für kommunikative Handlungen, so steht die
mündliche Kommunikation hier gegenüber der schriftlichen deutlich im
Vordergrund.
Sich an den am Gespräch beteiligten Personen oder Personengruppen zu orientieren,
stellt eine Möglichkeit dar, sich einen Überblick über die verschiedenen Arten
mündlicher Kommunikation zu verschaffen. Diese Art der Kategorisierung erscheint
mir sinnvoll, da sich Gespräche auf einer ersten Beobachtungsebene nach der
Auswahl der Gesprächspartner unterscheiden. Schwestern und Pfleger sprechen mit
Ärzten anders als mit ihren eigenen Kollegen, mit Therapeuten anders als mit
Angehörigen usw. Auch Sachweh kategorisiert in vergleichbarer Weise und
beschreibt dies als mögliche „Schnittstellen zwischen der Pflege und anderen
Arbeitsbereichen“ (Sachweh 2006, S. 36).
Zunächst werden in erster Linie die Gespräche zwischen dem Pflegepersonal und den
Patienten betrachtet, da diese Art der mündlichen Kommunikation im Rahmen der
vorliegenden Arbeit für den Teilbereich Mündlichkeit im Mittelpunkt stehen wird.
Gespräche zwischen Pflegekräften und Patienten sind mittlerweile auch zum
Untersuchungsgegenstand einiger linguistischer Analysen geworden, die im
Kapitel 3 vorgestellt werden.
Im Kontakt mit den Patienten gibt es sehr viele unterschiedliche Gesprächsanlässe.
Dabei ist zu unterscheiden, ob das Gespräch die eigentliche Tätigkeit darstellt oder
ob das Gespräch parallel zu einer Handlung stattfindet. Der allererste Kontakt
zwischen Patienten und Pflegenden ist ein Beispiel für eine Situation, in der das
Gespräch die eigentliche Tätigkeit ist. Dieser Erstkontakt erfolgt in der Regel als
Begrüßung und beinhaltet die Zuweisung eines Zimmers usw. Sofern der Patient
sprechfähig ist, erfolgt bald nach dessen Ankunft auf einer Station ein
10
Aufnahmegespräch, das jedoch oft eher eine Befragung des Patienten als ein
Gespräch im eigentlichen Sinne ist (vgl. Abschnitt 2.2.2.5 in diesem Teil). Für die
Pflegenden ist es wichtig, möglichst genau über die mit der Krankheit in Verbindung
stehenden Probleme, Einstellungen und Gewohnheiten des Patienten Bescheid zu
wissen. Sie fragen daher gezielt und umfangreich nach dem körperlichen Befinden
und aktuell bestehenden Problemen, aber auch beispielsweise nach bisher
verordneten und eingenommenen Medikamenten, der häuslichen Situation, den
Ernährungsgewohnheiten usw.
Auch während des stationären Aufenthaltes erkundigen sich die Pflegenden
regelmäßig nach dem Befinden ihrer Patienten. Dies kann gezielt erfolgen oder quasi
nebenher entstehen, also während die Pflegekraft einer anderen Tätigkeit nachgeht.
Diese handlungsbegleitende Kommunikation macht einen Großteil der mündlichen
Kommunikation aus. Bei allen sich bietenden Kontakten zwischen Pflegenden und
Patienten, also während der Hilfestellung bzw. Übernahme der Körperpflege oder bei
Routineuntersuchungen (Temperatur- und Blutdruckmessungen, Verbandswechseln
usw.) sprechen die Pflegenden mit den Patienten. Sie kündigen ihre Tätigkeiten an,
sie erklären ihr Tun und ergänzen ihr physisches Handeln durch sprachliches
Handeln. Dabei hat das sprachliche Handeln selbst aber immer auch eine
pflegerische Komponente. „Im Sinne der Kommunikation, die eine pflegerische
Handlung ist und dem Heilungsprozess eines Patienten dienen soll, sollen die
Gespräche – auch handlungsbegleitend – geplant und gesteuert werden“, wie es in
einem Standard-Lehrbuch für Krankenpflege gefordert wird (Geißner 2004b, S. 413).
Unter Umständen wird die mündliche Kommunikation erheblich erschwert, nämlich
dann, wenn die Patienten aufgrund ihrer Erkrankung in ihrer Sprach- und/oder
Sprechfähigkeit eingeschränkt sind. Besonders Krankheitsbilder wie Demenz,
Schwerhörigkeit, Morbus Parkinson oder Schlaganfälle mit begleitenden Sprach-
oder Sprechstörungen (Aphasien, Dysarthrien) führen dazu, dass die Kommunikation
auf die Bedürfnisse der Patienten angepasst werden muss (vgl. Sachweh 2006,
S. 157ff.). Im schlimmsten Fall sind Patienten völlig verstummt, zum Beispiel wenn
sie komatös sind oder eine sprachbehindernde Erkrankung im Finalstadium vorliegt.
Die Pflegekräfte sprechen aber auch mit diesen Patienten und versuchen, die
Kommunikationssituationen so normal wie möglich erscheinen zu lassen. Ihr
Bestreben ist es, auch unter erschwerten Bedingungen respekt- und würdevoll mit
den Patienten umzugehen, wozu eine angemessene Kommunikation gehört. Sachweh
11
hat solche Gespräche untersucht und betont, dass es besonders wichtig ist, sich genau
mit der jeweiligen Diagnose der Bewohner zu beschäftigen, da die aus einer
Erkrankung resultierenden Kommunikationsschwierigkeiten sehr unterschiedlich
sein können (vgl. Sachweh 2006, S. 157ff.).
Die Aufklärung über ärztliche Untersuchungen und Eingriffe stellt (nicht zuletzt
unter juristischem Blickwinkel) eigentlich eine ärztliche Tätigkeit dar. Trotzdem
besteht seitens der Patienten oft Bedarf, von den Schwestern und Pflegern weitere
Informationen über ihren Gesundheitszustand oder detaillierte Angaben zur
Durchführung geplanter Interventionen zu erhalten. Die Pflegekräfte haben also auch
die Aufgabe des Erklärens und Informierens.
Weitere Gesprächsanlässe ergeben sich in beinahe allen Situationen, in denen es zum
Patientenkontakt kommt; die Gespräche müssen dabei aber nicht unbedingt fachliche
oder pflegespezifische Inhalte haben. Beispielsweise haben so genannte „homilëische
Diskurse“ (Ehlich/Rehbein 1980, S. 343) inhaltlich nichts mit dem institutionellen
Krankenhausalltag zu tun; sie lockern aber den Patientenalltag auf und dienen somit
der Beziehungspflege zwischen den Gesprächspartnern (vgl. Sachweh 2000, S. 42ff.,
Weinhold 1997, S. 22). Wenn man bedenkt, dass es in manchen Krankenhäusern nur
stundenweise Besuchszeiten gibt oder Patienten überhaupt keinen Besuch erhalten,
kann man erahnen, wie wichtig diese Gespräche für die Kranken sein können. (Die
psychische Komponente der Genesung kann in dieser Arbeit allerdings nur am
Rande erwähnt werden.)
Sachweh nennt zusammenfassend die kommunikativen Anforderungen an Pflegende
im Kontakt zu den Patienten und stellt hierbei fest, dass „die Spanne der
notwendigen kommunikativen Tätigkeiten vom Informieren, Erklären, Beraten,
Motivieren, Unterhalten, Erzählen, Singen und Scherzen bis zum Trösten“ reicht
(Sachweh 2006, S. 36).
Das Pflegepersonal tritt aber auch zu anderen Berufsgruppen in Beziehung, woraus
sich noch eine ganze Reihe weiterer Gesprächsformen ergibt. Da auf diese hier nicht
weiter eingegangen werden kann, werden sie aufgezählt und nur kurz erläutert, um
zu verdeutlichen, welchen Umfang die mündliche Kommunikation im Berufsalltag
hat.
Zunächst seien Gespräche mit den Ärzten genannt. Pflegekräfte erstatten den
Stationsärzten regelmäßig Bericht über den Zustand der ihnen angetrauten Patienten.
12
Sie informieren die Ärzte bei Komplikationen, sie halten Rücksprache bezüglich
organisatorischer oder medizinischer Fragen wie beispielsweise der Medikation,
geplanten oder bereits durchgeführten Untersuchungen, dem voraussichtlichen
Entlassungszeitpunkt eines Patienten usw. Die Stationsärzte nutzen diese
gegenseitige Informationen einerseits um die Behandlung ihrer Patienten zu
optimieren, andererseits um wiederum andere Personen zu informieren; z. B. den
Oberarzt in der Visite oder den Hausarzt mittels Arztbrief. Oft finden solche
Gespräche zwischen Pflegepersonal und ärztlichem Personal unter Zeitdruck statt, so
dass eine strukturierte und präzise Ausdrucksweise wichtig und auch in diesem
Rahmen besonders hervorzuheben ist. Dies gilt auch für mündliche Äußerungen in
ärztlichen Visiten. Pflegekräfte ergänzen durch ihre persönlichen Beobachtungen und
die im Kontakt mit den Patienten gewonnenen Informationen somit die ärztliche
Einschätzung, die sich oft im Wesentlichen nur auf Untersuchungsbefunde und
Laborwerte stützt. Dies liegt vor allem daran, dass den Ärzten für direkte Gespräche
mit einzelnen Patienten im Vergleich zu den Pflegekräften viel weniger Zeit zur
Verfügung steht. Die Pfleger betreuen je nach Stationsart und –größe zwischen zwei
und ca. acht Patienten, während die Ärzte in der Regel für eine ganze Station (bis zu
über 30 Patienten) alleine zuständig sind.
Die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und Ärzten ist gekennzeichnet durch
den Einsatz vieler Fachtermini, die sich die Pflegekräfte einerseits aneignen müssen,
um sich unmissverständlich ausdrücken zu können, andererseits um Äußerungen der
Ärzte verstehen und Anordnungen umsetzen zu können. Im Hinblick darauf, dass nur
ein Teil der Pflegekräfte eine höhere Schulausbildung mit den Fremdsprachen Latein
und/oder Griechisch absolviert hat, stellt die angemessene Nutzung von Fachsprache
für einige Pflegende eine große Herausforderung dar. Auf welche Art die Aneignung
des Fachvokabulars tatsächlich erfolgt, wäre ein weiterer interessanter zu
untersuchender Aspekt, der den Rahmen dieser Arbeit allerdings deutlich übersteigen
würde3.
Die Fachsprache spielt auch im Kontakt zu anderen medizinischen Berufsgruppen
eine Rolle; es sind informative und organisatorische Gespräche, die das
Pflegepersonal mit Physio- und Ergotherapeuten, mit Logopäden, Sozialarbeitern
u. a. führt. Der Inhalt dieser Gespräche reicht vom Austausch über den aktuellen
3 Ein Überblicksartikel zur linguistischen Bedeutung von Fachsprachen findet sich z. B. bei W. v. Hahn (1980). In: Althaus, Hans Peter et al. (Hrsg.), S. 390-395
13
Zustand eines Patienten über terminliche Absprachen bis hin zu freundschaftlichen
fachfremden Gesprächen, die primär der Beziehungspflege dienen.
Auch zwischen des Angehörigen des Pflegebereichs finden Gespräche statt; viele
davon ungeplant, z. B. während gemeinsamer Pflegeaktivitäten oder beim Richten
von Medikamenten, viele auch geplant, so z. B. die regelmäßig stattfindenden
Schichtübergaben.
Zu Beginn jeder Schicht, also in der Regel drei Mal am Tag (Früh-, Spät-,
Nachtdienst) findet eine Übergabe statt, in der die Kollegen, die ihren Dienst
beginnen, genau über jeden einzelnen Patienten informiert werden. Übergaben finden
gewöhnlich in separaten Räumen statt, meist im Stationszimmer oder im
Aufenthaltsraum. Das gesamte pflegende Personal der angrenzenden Schichten ist
anwesend. Jeder Pfleger berichtet dabei über die Patienten, die er im Laufe seiner
Schicht im Rahmen der heute weithin üblichen ‘Zimmerpflege’ betreut hat, für die er
also in den Stunden zuvor Ansprechpartner und Verantwortlicher war. Der
kompetente und adäquate Einsatz von Fachvokabular kann in diesen Gesprächen
helfen, die eigenen Beobachtungen und die erhobenen Befunde zweifelsfrei und
unmissverständlich weitergeben zu können (vgl. Geißner 2004b, S. 408). In der
Übergabe müssen alle relevanten Dinge knapp und präzise formuliert werden; die
nachfolgenden Kollegen sollen ein möglichst umfassendes Bild der ganzen Station
bekommen. Hierbei ist es sehr wichtig, dass auch psychische Auffälligkeiten von
Patienten zwar erwähnt werden, aber keine Wertung erfahren, da negative
Werturteile über Patienten sonst über Schichtgrenzen hinweg das Verhältnis zu
einzelnen Patienten belasten können. Übergaben fachlich kompetent, effektiv und
gleichzeitig verständnisvoll zu gestalten ist also eine Tätigkeit, die nur auf den ersten
Blick leicht erscheinen mag.
Je schwerer Patienten erkrankt sind, desto wichtiger wird der Kontakt zu
Angehörigen. Sie sind oft mit der gesamten Situation überfordert, machen sich
Sorgen und sind häufig ein Bindeglied zwischen dem Krankenhauspersonal und
ihrem erkrankten Familienmitglied, das möglicherweise nicht mehr selbst
kommunizieren kann. Sie kennen ihren Verwandten am besten, sie können sich am
ehesten vorstellen, was er an Vorstellungen und Wünschen hat, die er vielleicht nicht
(nicht mehr / noch nicht) äußern kann. Obwohl die Informations- und Aufklärungs-
pflicht hier wiederum bei den Ärzten liegt, schätzen es Angehörige doch sehr, auch
mit den Pflegenden über den Patienten sprechen zu können. Diese Situationen
14
einfühlsam und kompetent zu gestalten, ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, zumal
es bei der Gestaltung beispielsweise auch um Entscheidungen geht, ob man in An-
oder Abwesenheit des Patienten über ihn spricht usw. In vielen Kliniken gibt es für
dieses weite Feld Fortbildungsangebote für die Mitarbeiter4.
Zuletzt sollen zusammenfassend Kommunikationsanlässe mit weiteren
Personengruppen genannt werden, mit denen Pflegende in Kontakt treten; so
sprechen Pflegende im Arbeitsalltag aus den unterschiedlichsten Gründen
beispielsweise mit Versorgungs- und Reinigungskräften, mit Hausarbeitern,
Verwaltungsangestellten, Apothekenmitarbeitern, Fahrern von Krankentransport-
und Rettungswagen und vielen anderen.
Allen genannten Anlässen des Sprechens ist eines gemeinsam: Sie alle erfordern eine
bestimmte Situationsangemessenheit und Adressatenspezifik und somit neben der
Einschätzung von Situation und Umfeld, Gesprächskonstellation und Verhältnis der
Gesprächspartner zueinander ein ausreichendes Wissen über die Besonderheiten der
Institution Krankenhaus. Damit Sprache als Handlung wirksam werden kann, bedarf
es darüber hinaus natürlich eines adäquaten und kompetenten Einsatzes von
Wortwahl, Satzbau und Grammatik.
2 Darstellung der Forschungslage zur verbalen Kommunikation
2.1 Überblick über den aktuellen Forschungsstand
In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich viele Autoren mit der
Kommunikation in der Pflege befasst. So entsteht bei ersten Erkundungen der
Eindruck, es gebe eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Forschungsarbeiten,
Aufsätzen, Artikeln, Berichten und Ratgebern zu diesem Thema. Ein zweiter Blick
auf den Gegenstand relativiert diese Einschätzung jedoch ein wenig. Dem
Gegenstand ‘Kommunikation in der Pflege’ kann man sich auf vielen verschiedenen
Wegen nähern. Die Untersuchungen lassen sich nach spezifischen Handlungsfeldern
einerseits und nach Kommunikationsformen andererseits unterscheiden. So gibt es
4 Vgl. z. B. das aktuelle Programm der Heidelberger Akademie für Gesundheitsberufe unter http://www.afg-heidelberg.de/uploads/media/Programm_2008.pdf, S. 18-28 (17.06.08)
15
beispielsweise Analysen über Gespräche mit Patienten, mit Angehörigen, mit
Schwerkranken und Sterbenden usw., aber auch Untersuchungen inter- und
intradisziplinärer Gespräche. Teilweise werden besondere Gesprächssituationen in
den Blick genommen, wie z. B. das Sprechen mit ‘schwierigen’ Patienten oder
‘schwierigen’ Mitarbeitern. Außerdem spielt der fachliche Horizont der jeweiligen
Autoren eine entscheidende Rolle: Infolgedessen sind neben germanistischen vor
allem psychologische, pflegewissenschaftliche und soziologische Untersuchungen
erschienen.
Die bisher vorliegenden Veröffentlichungen beziehen sich in der Mehrzahl auf die
mündliche Kommunikation, viele aber auch auf schriftliche oder nonverbale Formen,
einige „bieten von jedem etwas an oder konzentrieren sich eher auf allgemeines,
psychisch-soziales Verhalten von Menschen“ (Walther 2003, S. 13). Somit ist eine
Eingrenzung des Themas und eine besondere Fragestellung nötig, wenn der
umfangreiche Stand der Forschung wiedergegeben und auf seine Verwendung hin
untersucht werden soll. Da viele Arbeiten eher psychologischen und weniger
linguistischen Ursprungs sind, relativiert sich nun der Umfang des Materials
deutlich. „Je nachdem, welchen Blickwinkel man in der Auseinandersetzung mit der
Thematik Kommunikation und Sprache in der Pflege einnimmt – und je nach
Interessen- oder Forschungsschwerpunkt –, gewinnt man entweder den Eindruck, das
Angebot sei völlig ausreichend, wenn nicht gar schon zu groß oder das Angebot
genüge bei weitem nicht, um den Anforderungen in Ausbildung und Praxis gerecht
zu werden“, beschreibt Walther das Dilemma beim Versuch, einen Überblick über
die vorliegenden Arbeiten zu erhalten. Diese widersprüchliche Beurteilung der
Forschungs- und Datenlage findet sich auch bei anderen Autoren (vgl. ebd., S. 14,
Hervorhebung im Original).
Kommunikation ist in erheblichem Maße von Sprache abhängig bzw. wird durch
Sprache erst wirksam. Andere Faktoren wie Zeit, Situation, Stimmlage, Mimik und
Gestik tragen zwar ebenfalls einen Teil zur Verständigung bei und beeinflussen den
Verlauf von kommunikativen Situationen, aber der eigentliche Kern der
Kommunikation ist die Sprache. Es liegt daher auf der Hand, kommunikative
Prozesse insbesondere auch sprachlichen Analysen zu unterziehen, da nur
linguistische Untersuchungen Aufschluss über sprachliche Handlungsmuster und
deren Wirkung geben können. Ein rein linguistischer Ansatz findet sich allerdings
16
nur in einer sehr geringen Anzahl der vorliegenden Arbeiten. Walther hat in einer
kommentierten Bibliographie 320 Publikationen aufgenommen, die sich mit der
Kommunikation in der Pflege befassen (Walther 2003). Von diesen 320 Arbeiten
stuft sie 207 als „wissenschaftlich“ ein, davon gründen 114 Arbeiten auf empirisch
gewonnenen Daten. Von den 207 als „wissenschaftlich“ eingestuften Arbeiten
befassen sich 99 schwerpunktmäßig mit verbaler Kommunikation. Besonders
auffällig ist, dass wiederum nur 23 Arbeiten überhaupt die schriftliche Kommunika-
tion thematisieren, lediglich fünf haben diese zum Schwerpunkt (ebd., S.35ff.). Ein
weiterer erstaunlicher Befund ergibt sich für Walther in der Tatsache, dass „in
Pflegelehrbüchern […] häufig die Schriftsprache und nicht die gesprochene Sprache
im Vordergrund [steht], obwohl man sich in den Publikationen in der Mehrzahl mit
Gesprächsführungskompetenzen beschäftigt“ (ebd., S. 20).
Bei der Darstellung der Forschungslage im Bereich der mündlichen Kommunikation
werde ich mich auf die Zusammenfassung solcher Arbeiten beschränken, die
einerseits linguistischen Ursprungs sind und andererseits auf empirischen Unter-
suchungen basieren. Eine solche Einschränkung erscheint mir im Hinblick auf die
zentrale Fragestellung dieser Arbeit sinnvoll, da gezeigt werden soll, wie sprachliche
Kompetenzen schon in der allgemeinbildenden Schule angebahnt werden können.
Die auf den Deutschunterricht bezogene didaktische Umsetzung kann meiner
Einschätzung nach am effektivsten und nur dann zielgerichtet erfolgen, wenn sie auf
konkret vorliegenden Korpora und deren Analyse basiert. Davon abgesehen,
erscheint es mir wichtig, linguistische Betrachtungen und Erkenntnisse von
psychologischen Phänomenen und Verhaltensmustern so gut wie möglich
abzugrenzen, um den Fokus tatsächlich auf sprachliche Handlungsmuster legen zu
können.
2.2 Untersuchungen zur mündlichen Kommunikation
2.2.1 Die Gesprächsanalyse als Methode zur Untersuchung gesprochener
Sprache
Will man verbale mündliche Kommunikation unter sprachlichen Gesichtspunkten
wissenschaftlich erforschen, so bedarf es einer Methode, die sich auf die tatsächlich
gesprochene Sprache konzentriert. Der Terminus „gesprochene Sprache“ wird von
17
Schank und Schwittalla durch mehrere Merkmale definiert: Es handelt sich um
„freies ad-hoc Formulieren ohne detaillierte vorherige Vorbereitung“ und es findet in
einer natürlichen Situation als Face-to-Face-Kommunikation statt, so dass „Zeit und
Ort der Produktion und Rezeption des Sprechens in eins fallen“ (Schank/Schwitalla
1980, S. 314). Außerdem postulieren die Autoren das Fehlen von beobachtenden
Personen, die Einfluss auf das Gespräch nehmen könnten. Dieser Punkt ist in der
gesprächsanalytischen Praxis jedoch kaum auszuschließen, denn es muss ja
irgendjemand (oder irgendetwas) eine Aufzeichnung erstellen. (Es ist mit Rücksicht
auf die Privatsphäre aus rechtlichen Gründen auch nicht möglich, Gespräche ohne
vorherige Information der beteiligten Gesprächspartner ‘geheim’ aufzuzeichnen.)
Außerdem muss die verwendete Methode die Möglichkeit bieten, die
Sprechhandlungen in einer Weise darzustellen, in der sie wiederholt betrachtet
werden können, ohne dass sie sich verändern, was zum Beispiel zu erwarten wäre,
wenn Gespräche nur aus der Erinnerung heraus und im Nachhinein protokolliert
werden. Sie müssen also in einer Art und Weise fixiert werden, dass sie genau so,
wie sie gesprochen wurden, für die Analyse zeitlich unbegrenzt zur Verfügung
stehen.
Dafür steht die Methode der Gesprächsforschung bzw. der Diskursforschung zur
Verfügung. Die Gesprächsforschung arbeitet grundsätzlich mit authentischem
Gesprächsmaterial, das mittels Tonband-, Minidisc- oder Videoaufnahmen in
natürlichen Gesprächssituationen gewonnen wird. Die Gesprächsforschung
unterscheidet sich hierin von psychologischen Methoden, die mit inszenierten
Gesprächen arbeiten oder stattgefundene Gespräche erst im Nachhinein
reflektierend-erinnernd betrachten.
Wenn sprachliche Handlungen im Hinblick auf wiederkehrende Handlungsmuster in
Institutionen untersucht werden sollen, werden viele Aufnahmen in vielen
verschiedenen, aber wiederkehrenden Situationen aufgenommen. So beziehen sich
die Analysen von Sachweh (2000) z. B. auf die tätigkeitsbegleitende Kommunikation
während der Morgenpflege oder die Arbeiten von Weinhold (1997) auf Situationen
wie Begrüßungen bzw. Eröffnungsphasen, Gesprächsbeendigungen und Befindens-
fragen. Walther (2001a) vergleicht dagegen Anamnesegespräche im Rahmen der
stationären Aufnahme.
18
Um Handlungsmuster identifizieren zu können, ist es notwendig, bestimmte
wiederkehrende Situationen miteinander zu vergleichen, da unterschiedliche
Aktanten zwar unterschiedlich (sprachlich) agieren, sich aber trotzdem unter
Umständen verallgemeinerbare Aussagen über musterhafte Handlungen treffen
lassen. „Die [Gesprächs]analyse geht – bis zum Beweis des Gegenteils - davon aus,
dass Gespräche und Interaktionen zu jedem Zeitpunkt geordnete, d.h. auf der
Grundlage von Regeln produzierte Aktivitäten der Beteiligten sind. Es wird
unterstellt, dass – auch in scheinbar ‘chaotischen’ Sequenzen – Ordnung besteht,
wobei die ordnungsstiftenden Regeln zu explizieren sind“ (Fiehler/Sucharowski
1992, S. 28).
Liegt ein ausreichendes Korpus an Aufnahmen vor, werden diese transkribiert. Es
gibt unterschiedliche Transkriptverfahren5, die je nach Untersuchungsziel ausgewählt
werden können (vgl. Becker-Mrotzek/Brünner 1992, S. 18), gemeinsam ist ihnen
jedoch, dass grundsätzlich alle Äußerungen (auch unverständliche, abgebrochene, in
Dialekt gesprochene usw.) aufgezeichnet werden und zwar in einer Partitur-
schreibweise. Jeder sprechende Gesprächsteilnehmer erhält dabei eine Partiturzeile
(stummen Teilnehmern werden so lange keine Zeilen zugeordnet, bis sie Äußerungen
tätigen), die Partiturzeilen der Sprecher werden mittels einer Klammer als Fläche
markiert. Jede Fläche wird dann wie eine Zeile gelesen. Wie in einer musikalischen
Partitur kann so gesehen werden, welche Sprechhandlungen von welchem Sprecher
produziert werden und wann sie genau stattfinden, ob sie sich überschneiden, ob
Pausen entstehen usw. In vielen Transkripten sind Hinweise zu Intonation,
Stimmhebungen und –senkungen sowie zur Tonlage enthalten. Zusätzlich können
Zeitangaben notiert sein.
Obwohl es extrem zeitaufwändig ist, Transkriptionen zu erstellen – für eine
Gesprächsminute fallen bis zu 120 Minuten Transkriptionsarbeit an (vgl. Becker-
Mrotzek/Brünner 1999, S. 47) – ist das Ergebnis keinesfalls mit einer unbearbeiteten
Tonbandaufnahme zu vergleichen, da nur im Transkript, das „die Flüchtigkeit der
mündlichen Kommunikation systematisch [überwindet]“ (ebd.), das Kommu-
nikationsgeschehen tatsächlich in beliebig langsamer Zeitlupe betrachtet werden
5 Vgl. z. B. Weinholds Ausführungen zur „Halbinterpretativen Arbeitstranskription (HIAT)“, die von Ehlich und Rehbein 1976 entwickelt wurde (Vgl. Weinhold 1997, S. 24) sowie die Beschreibung des „Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems (GAT)“ (Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 333). Weitere Hinweise gibt auch das Institut für deutsche Sprache auf seiner Homepage (http://www.ids-mannheim.de/). Anmerkungen zur Erstellung von Notationssystemen geben auch Henne/Rehbock 2001, S. 66ff.)
19
kann. Alle gleichzeitig ablaufenden Handlungen können sichtbar gemacht werden
und ein Vor- und Zurückspringen ist ohne Probleme möglich. Ebenso können
verschiedene Transkripte direkt miteinander verglichen werden, was bei einer
Tonband- oder Videoaufnahme technisch deutlich schwieriger ist.
Im darauf folgenden Schritt werden die Gespräche interpretiert. Um dies zu
ermöglichen, ist eine möglichst genaue Beschreibung des Gesprächskontextes
wichtig. Durch die Analyse der Gespräche wird auch deutlich, über welches Wissen
die Aktanten einer Institution verfügen, beispielsweise berufliches Wissen. Für die
Analyse institutioneller Kommunikation ist zu beachten, dass die Agenten, also die
Vertreter der Institution, ein größeres Aktantenwissen haben als die Klienten, hier
also die Patienten. Dieses Ungleichgewicht wirkt auf viele Klienten verunsichernd,
was Kommunikationsstörungen hervorrufen kann oder zumindest begünstigt (vgl.
Sachweh 2000, S. 39f.).
Das interpretative Vorgehen in der Gesprächsanalyse folgt einem hermeneutischen
Ansatz. Dabei spielt die Gesprächserfahrung des Untersuchers eine wichtige Rolle,
denn er versetzt sich wechselseitig in die Rolle des Sprechers und des Hörers hinein.
Dadurch sind Fehlinterpretationen nie völlig auszuschließen; die Untersuchungs-
ergebnisse müssen also als wahrscheinliche Interpretationen verstanden werden.
Durch den Vergleich ähnlicher Analysen können Vermutungen gestützt werden;
allerdings liegt für diesen Fall wohl in den meisten Fällen nicht genug Material vor
(vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 311f.).
Im dritten Schritt, den Becker-Mrotzek und Brünner „Mikroanalyse und Kategorien-
entwicklung“ (Becker-Mrotzek/Brünner 1992, S. 18) nennen, werden ausgewählte
Handlungen miteinander verglichen und wiederkehrende und „übergreifende
Ordnungsstrukturen“ herausgearbeitet (Linke/Nussbaumer/Portmann, S. 295). Hat
man diese Strukturen erkannt und benannt, können auch Kommunikationsstörungen
bzw. -schwierigkeiten identifiziert und genau beschrieben werden.
Wenn die Analyse mit dem Ziel erfolgt, kommunikative Kompetenzen zu erkennen
und zu verbessern, kann sich nun eine Suche nach sprachlichen
Handlungsalternativen anschließen. Dies ist ein in vielerlei Hinsicht lohnendes
Unterfangen für den Deutschunterricht (vgl. Kap.3), aber auch der Inhalt linguistisch
orientierter professioneller Kommunikationsberatungen bzw. -trainings.
20
Abschließend ist zu erwähnen, dass die Gesprächsanalyse eine relativ junge
Teildisziplin der germanistischen Linguistik ist und sich erst seit den 1970er Jahren
wirklich etabliert hat, was nicht zuletzt daran liegt, dass ihre Entstehung erst durch
die technische Entwicklung von Tonbandaufnahmen überhaupt ermöglicht wurde.
Daraus folgt jedoch auch, dass große Anteile der gesprochenen Sprache noch gar
nicht systematisch erforscht wurden, was sich letztlich auch in der recht geringen
Anzahl von linguistischen Publikationen zur institutionellen Kommunikation in
Einrichtungen des Gesundheitswesens zeigt.
Alle Untersuchungen, auf die ich mich im Kapitel über mündliche Kommunikation
beziehe, basieren auf der Analyse von Transkripten.
2.2.2 Ergebnisse von vorliegenden Analysen gesprochener Sprache in
Einrichtungen des Gesundheitswesens
2.2.2.1 Allgemeine Beobachtungen zu Gesprächen in pflegerischen Kontexten
Gespräche zwischen Patienten und Pflegenden im Krankenhaus und im Pflegeheim
sind kurz. Sachweh bezieht sich auf eine Studie von Wells und stellt dar, dass ein
Großteil der Konversation im Krankenhaus (allerdings in England, ca. Ende der
Siebziger Jahre) durchschnittlich nicht länger als 25 Sekunden dauert (vgl. Sachweh
2000, S. 45ff.). Dies dürfte heute in Deutschland zumindest ähnlich sein und liegt vor
allem am Zeitdruck, unter dem das Personal steht, aber auch daran, dass viele
Gespräche stattfinden, während die Pflegenden etwas anderes tun, was Weinhold als
„tätigkeitsbegleitende Kommunikation“ (Weinhold 1997, S. 139ff.) bezeichnet. Bei
längeren Abschnitten pflegerischer Tätigkeiten entstehen naturgemäß
Gesprächspausen. Wenn nach einer längeren Pause wieder gesprochen wird, kann
entweder das vorangegangene Gespräch fortgesetzt werden oder ein neues mit einem
anderen Thema begonnen werden. Ob es sich dann um ein oder um zwei Gespräche
handelt, hängt sowohl von der Interpretation des Untersuchers als auch vom Inhalt
des Gesprochenen ab. (Man könnte in diesem Zusammenhang zur genaueren
Abgrenzung auch von (Gesprächs-)Sequenzen sprechen oder die Kategorien
Gesprächsschritt bzw. Gesprächsakt benutzen6).
Eine Dialogform, die eine deutlich längere Dauer als die oben genannten aufweist, ist
das Erst- oder Anamnesegespräch, das Walther ausführlich untersucht hat. Sie nennt
6 Henne/Rehbock benutzen für den „Prototyp der Äußerungseinheiten“ den Terminus „Gesprächsschritt“ und für den „Prototyp der semantischen Einheiten“ den Terminus „Gesprächsakt“ (Henne/Rehbock 2001, S.247).
21
eine mittlere Dauer von gut elf Minuten bei Erstgesprächen, die von examinierten
Pflegekräften durchgeführt und über 17 Minuten bei denen, die von Auszubildenden
geführt wurden (Walther 2001a, S. 145 bzw. S. 274).
Die Verteilung der Rollen in Gesprächen in der Patienten-Pflege-Interaktion ist in
mehrfacher Hinsicht asymmetrisch. Sachweh zählt verschiedene Aspekte auf, durch
die die Asymmetrie gekennzeichnet wird (vgl. Sachweh 2006, S. 41ff.), von denen
ich einige herausgreife, die mir für diese Arbeit bedeutsam erscheinen. Als Agenten
der Institution verfügen die Pflegenden als Experten über ein größeres
Aktantenwissen als die Klienten, die medizinische Laien sind. Dies führt, wie bereits
erwähnt, unter Umständen zu einer Verunsicherung der Patienten, die sich aufgrund
des geringeren Wissens fachlich unterlegen fühlen. Der unüberlegte Gebrauch
medizinischer Fachsprache kann dieses Phänomen noch verstärken.
Auch in körperlicher Hinsicht herrscht ein ungleiches Verhältnis: Das Pflegepersonal
ist in aller Regel deutlich jünger als die zu Pflegenden. Während die Patienten sich
vorübergehend oder dauerhaft damit abfinden müssen, einen Teil ihrer
Beweglichkeit verloren zu haben, erfreuen sich die Pflegenden vorwiegend guter
Gesundheit und Mobilität. In vielen Gesprächssituationen stehen die Pflegenden am
Bett oder am Rollstuhl der Patienten und sprechen daher von oben auf diese herab.
Deren Abhängigkeit und Unterlegenheit wird durch diese Anordnung nicht nur
wahrnehmbar, sondern sogar sichtbar gemacht. Insbesondere wenn die Patienten nur
ein Nachthemd tragen oder sogar unbekleidet sind, intensiviert sich die ungleiche
Situation. Die Pfleger besitzen durch ihre Rolle, die ihnen die Institution zuweist, die
Macht, über den Tagesplan und den Ablauf bestimmter Tätigkeiten zu entscheiden,
wodurch die Patienten ihnen in vielerlei Hinsicht ausgeliefert sind. Sie haben keine
oder nur wenig Möglichkeiten der Einflussnahme in Bezug auf die institutionellen
geregelten Abläufe, was sich auch in der Einflussnahme auf sprachliche
Handlungsabläufe zeigt.
Es ist festzuhalten, dass die Gesprächsinitiative meistens vom Pflegepersonal
ausgeht. In vielen Fällen begrüßen sie beim Betreten eines Zimmers die Patienten
und schließen eine Sequenz zu den anstehenden pflegerischen Routinearbeiten an, so
dass der Beginn des Gespräches durch den Gruß (mit oder ohne vorheriges
Anklopfen) gekennzeichnet ist. Da die Pflegenden ein Zimmer fast immer mit der
Absicht betreten etwas Bestimmtes zu tun, ist es verständlich, dass die Patienten,
22
teilweise nach Erwiderung des Grußes abwarten, was die Pflegekraft von ihnen
möchte.
Im Gegensatz zur Alltagskommunikation, in der das Rederecht prinzipiell nach
jedem „turn“, also nach jedem „Gesprächsschritt oder Gesprächsbeitrag“ (Henne/
Rehbock 2001, S. 2) neu verhandelt werden kann, liegt das Rederecht im Pflege-
bereich offenbar stärker auf der Seite der Pflegekräfte. Quasthoff hat die Verteilung
des Rederechtes in der Arzt-Patienten-Kommunikation geprüft und festgestellt, dass
dort einerseits das Prinzip des primären Sprechers gilt, nach dem in
Erklärungssequenzen das Rederecht beim Sprecher bleibt (und nicht turn-by-turn
wechselt), aber andererseits die Vergabe des Rederechts auch durch die
„Zuständigkeit“ bzw. „Verantwortung“ des Arztes charakterisiert wird (vgl.
Quasthoff 1990). (Sie bezweifelt dabei allerdings, dass das Rederecht des Arztes
primär aus der institutionellen Rollenverteilung resultiert, vielmehr sieht sie seine
Ursache u. a. in der Sachkompetenz und der Zuständigkeit des Arztes. Diese kommt
dadurch zustande, dass der Patient den Arzt zum Zweck der Diagnose und Therapie
konsultiert und ihm damit die Zuständigkeit für seinen Gesundheitszustand
überträgt.) Diese Beobachtungen sind meines Erachtens auch auf die Pflege zu
übertragen, kommen dort aber etwas abgeschwächt zum Vorschein, da die
Pflegenden von den Patienten weniger deutlich als Experten eingestuft werden als
die Ärzte.
Dennoch handelt es sich bei der Verteilung des Rederechts und besonders bei der
Menge der Anteile am Gespräch nicht um feststehende Größen. Diese Faktoren
hängen vielmehr auch von der Art der Gesprächsführung ab. Dass sich das ungleiche
Verhältnis der Gesprächsanteile in Gesprächen mit geschulten Pflegekräften
durchaus zu Gunsten der Patienten verschieben lässt, konnte Walther (2001a)
nachweisen (vgl. Abschnitt 2.2.2.5).
In einigen Veröffentlichungen liegen linguistische Analysen zu speziellen
sprachlichen Handlungssequenzen vor, von denen ich mehrere herausgreifen und
darstellen möchte. Im Wesentlichen beziehe ich mich dabei auf die Arbeiten von
Weinhold (1997), Walther (2001a) und Sachweh (2002).
2.2.2.2 Eröffnungsphasen
Im vorigen Abschnitt wurden im Rahmen der Gesprächsinitiierung die
Eröffnungsphasen kurz erwähnt. Nach Henne/Rehbock wird in Eröffnungsphasen die
23
„wechselseitig akzeptierte Situationsdefinition“ erreicht (Henne/Rehbock 2001,
S. 166f.). Da in institutionellen Interaktionen die Rollenverteilung weitgehend
zweifelsfrei geklärt ist, fällt die Eröffnung hier zwar oft kurz aus; Gespräche
beginnen und enden aber auch in einem institutionellen Kontext nicht unvermittelt,
sondern haben eine Einleitungs- und meist eine Beendigungsphase.
Weinhold hat die Eröffnungsphasen der ersten Begegnungen zwischen Pflegenden
und Patienten an einem Tag (im Früh- und im Spätdienst) einer detaillierten
Untersuchung unterzogen und kann hier typische sprachliche Muster aufzeigen. Sie
beschreibt 6 Typen (vgl. Weinhold 1997, S. 48f.), die sich dadurch unterscheiden, ob
es eine Grußformel gibt oder nicht und ob es beim Übergang zur „Sequenz zu
Routinearbeiten“ noch eine „Einleitungssequenz“ und/oder eine „fachinterne
Sequenz“ gibt (gemeint ist ein Gespräch Pflegender untereinander). Auffällig ist,
dass die Pflegenden in ihren Grußformeln variieren, während die Patienten eher
monotone Formeln verwenden oder aber den Gruß überhaupt nicht erwidern. Dies ist
in der Alltagskommunikation völlig unüblich, da der Gruß normalerweise den
Gegengruß als ritualisierte Formel nach sich zieht. Dies wird vom Grüßenden dem
Gegrüßten gegenüber erwartet, wenn es nicht zu Beziehungsstörungen kommen soll.
Weinhold interpretiert den fehlenden Gegengruß in der Weise, dass es in der
Institution Krankenhaus offenbar Situationen gibt, in denen alltägliche
Höflichkeitsformeln außer Kraft gesetzt sind. Eine andere Erklärung könnte sein,
dass manche Patienten körperlich oder geistig nicht in der Lage sind, auf den Gruß
angemessen zu reagieren (vgl. ebd., S. 52f.). Trotz dieses Normverstoßes fahren die
Pflegenden in höflicher Weise mit dem Gespräch fort; sie haben sich also in gewisser
Weise an das Fehlen eines Gegengrußes oder das Vorhandensein monotoner
Grußformeln gewöhnt bzw. messen der Art der Grußerwiderung keine
schwerwiegende Bedeutung auf der Beziehungsebene bei.
Beim Grüßen selbst ist hervorzuheben, dass die Pflegenden manchmal die
Grußformel mit einer namentlichen Anrede der Patienten kombinieren, was die
Patienten nur sehr selten tun. Für die Pflegekräfte ist der Name der Patienten ein
elementares Merkmal zur Unterscheidung, das Personal darf seine Schutzbefohlenen
natürlich unter keinen Umständen verwechseln, da dies fatale Auswirkungen sowohl
auf der medizinisch-fachlichen wie auch auf der Beziehungsebene haben könnte. Die
Nennung des Namens der Patienten bedeutet für diese eine Wertschätzung ihrer
Person, wodurch die Beziehungsebene positiv beeinflusst wird.
24
Die Pflegenden erfahren den Namen ihrer Patienten entweder in der Übergabe oder
durch die Akte oder Aufkleber am Krankenbett, die Patienten setzen jedenfalls
voraus, dass ihr Name der zuständigen Pflegekraft bekannt ist (vgl. Walther 2001a,
S. 116). Andersherum ist der Name einer Pflegekraft schwieriger zu erfahren.
Abgesehen von einer persönlichen Vorstellung ist er normalerweise dem (oft
kleinen) Schild auf deren Berufskittel zu entnehmen oder findet sich auf einer
Informationstafel auf dem Stationsflur (nicht immer aktuell). Er ist möglicherweise
aus der Sicht der Patienten nicht allzu bedeutsam, da ja alle Kollegen die Aufgaben
der Institution ausführen und in gewisser Weise austauschbar erscheinen, vor allem,
was die Ausführung der pflegerischen Tätigkeiten anbelangt. Auf der
Beziehungsebene stellt sich dieses freilich anders dar, da hier persönliche
Sympathien, individuelle Umgangsformen usw. eine größere Rolle spielen. Es ist
erstaunlich, wie oft Patienten die Namen der betreuenden Pflegekräfte gar nicht
kennen und daher den Namen im Gegengruß auch gar nicht verwenden könnten,
selbst wenn sie es wollten.
Auch Weinhold stellt fest, dass das im Alltag gebräuchliche gegenseitige Vorstellen
im Krankenhaus nicht praktiziert wird und das Fehlen somit ein Kennzeichen des
institutionellen Sprachgebrauches ist (vgl. Weinhold 1997, S. 179). (In Pflegeheimen
scheint sich der Sprachgebrauch in Bezug auf die namentliche Anrede und das
Grüßen eher an der Alltagskommunkation zu orientieren, was wahrscheinlich daran
liegt, dass die Bewohner sich ja tatsächlich im ‘Alltag’ befinden und die betreuenden
Pflegekräfte schon lange kennen (vgl. Sachweh 2002, S. 117f.)).
Im folgenden Beispiel aus einem Krankenhaus fehlen sowohl der Gegengruß als
auch die namentliche Anrede der Krankenschwester durch den Patienten, ohne dass
dies Auswirkungen auf den weiteren Gesprächsverlauf hätte.
Abb. 1: Beispiel einer Eröffnungsphase im Frühdienst (Weinhold 1997, S. 214)
25
2.2.2.3 Gesprächsbeendigungen
Im Gegensatz zu den Eröffnungsphasen konnte Weinhold keine ganz eindeutigen
Muster bei den Beendigungen feststellen. Dennoch gibt es spezifische Inhalte, die
relativ häufig vorkommen und damit diese Gesprächsform konstituieren. Eine
Gesprächsbeendigung im Pflegebereich geht nahezu immer mit dem Verlassen des
Zimmers durch die Pflegekraft einher. Eine Verabschiedung findet jedoch nur in
wenigen Fällen statt, wobei oftmals auch nicht eindeutig feststeht, ob sich die
Gesprächspartner an diesem Tag noch einmal sehen werden. Stattdessen werden
Formulierungen wie „Bis später“, „Bis später dann“ oder „Also bis später“ vor allem
dann benutzt, wenn ein Wiedersehen in absehbarer Zeit zu erwarten ist.
Die alltagstypische Verabschiedungsformel „Auf Wiedersehen“ wird weder von
Walther (vgl. Walther 2001a, S. 129) noch von Weinhold (vgl. Weinhold 1997, S.
78ff.) genannt. Häufig stellen die Pflegenden auch abschließende Fragen, die den
Patienten ermöglichen, noch etwas zu sagen. Durch solch eine Frage räumt die
Pflegekraft dem Patienten ganz eindeutig das Rederecht ein. Diese könnten dann
noch ein Anliegen vorbringen, sich bedanken, ihre (Un-)Zufriedenheit ausdrücken
usw. Walther hebt hervor, dass die Patienten durch eine abschließende Frage einen
Hinweis darauf erhalten, dass das Gespräch sich dem Ende nähert, was aufgrund der
asymmetrischen Kommunikationssituation und des unterschiedlichen Wissens über
die Kommunikationssituation wichtig sei.
Trotz der Erteilung des Rederechts an den Patienten geht die Initiative zur
Gesprächsbeendigung also vom Personal aus (vgl. Walther 2001a, S. 125). Sowohl
ein Hinweis auf baldige Rückkehr als auch die abschließende Frage werden von
Weinhold als Zeichen dafür gewertet, dass das Personal trotz des Gesprächsendes
seine weiterhin bestehende Verfügbarkeit für die Patienten hervorheben möchte. Den
gleichen Zweck erfüllen Hinweise auf die Möglichkeit, bei Bedarf von der
Patientenklingel Gebrauch zu machen. Die häufigsten letzten Worte bei
Beendigungen im Spätdienst sind „Gute Nacht“ und „Bis morgen“, während der
Schlaf nur sehr selten thematisiert wird und eine Formel wie „Schlafen Se gut“ im
gesamten Korpus nur einmal vorkommt (vgl. Weinhold 1997, S. 71ff.).
In ihrer Analyse pflegerischer Erstgespräche beschreibt Walther auch Störungen in
den Gesprächsbeendigungen. Diese können entstehen, wenn der Patient die Hinweise
auf die Beendigung nicht versteht oder nicht aufnimmt, wenn er im vorangegangenen
26
Gespräch übergangen wurde oder wenn keine abschließenden Fragen gestellt werden
(vgl. Walther 2001a, S. 138).
2.2.2.4 Befindensfragen
Eine betrachtenswerte Art von Sprachhandlungen im Pflegebereich sind die
Befindensfragen. An diesem Beispiel wird besonders gut deutlich, warum
Pflegekräfte sprachliche Handlungen durchaus als Teil ihrer Tätigkeit begreifen
sollten. Die Frage nach dem Befinden des Patienten stellt ganz eindeutig eine
sprachliche pflegerische Aufgabe dar, weil es die Pflicht der Pflegenden ist, sich über
den aktuellen Gesundheitszustand der Patienten zu informieren. Die Antwort auf eine
Befindensfrage beinhaltet in der Regel eine „somatisch-physiologische“ (Weinhold
1997, S. 87) Information; zumindest wird diese in der Institution Krankenhaus
erwartet.
Ganz anders verhält es sich dagegen im Alltag. Nach einer Grußformel schließt sich
in der Alltagskommunikation oft eine Befindensfrage an, die jedoch nicht den
gleichen Zweck verfolgt wie ihr Pendant in der institutionellen Kommunikation. Im
Alltag dient die Frage eher dem Beziehungsaufbau und es wird eine Antwort
erwartet, die die Emotionen des Gesprächspartners thematisiert. Sie hat dann nicht
unbedingt die Funktion einer echten Frage. Die Befindensfrage hat im alltäglichen
Kontext eine stark rituelle Komponente, die deswegen auch zu einer rituellen
Antwort führen kann. Wenn die Befindensfrage im Pflegekontext wirklich mit dem
Ziel gestellt wird, etwas über den aktuellen körperlichen Zustand zu erfahren, kann
eine ritualisiert oder emotional orientierte Antwort seitens des Personals als störend
oder unpassend aufgefasst werden, weil sie nicht zur Erreichung des angestrebten
Ziels führt. Psychisch-emotionale Antworten werden vom Personal weniger erwartet,
es sei denn, es handelt sich um eine Einrichtung für psychiatrische Erkrankungen.
Fiehler stellt (im Zusammenhang ärztlicher Interaktion) fest:
[Die gesellschaftliche Institution Medizin] beschränkt sich entweder auf die somatische oder auf die psychische Seite des Leidens. […] Der Zweck der Institution Medizin besteht in der Heilung von Krankheit, ohne – was für die alltagsweltliche Interaktion zentral ist – ein individuelles Interesse und Anteilnahme an der Person und ihrem (Wohl-)Ergehen. (Fiehler 1990, S. 48) Dieser Äußerung von Fiehler würden zwar viele Pflegekräfte empört widersprechen,
da dem Berufsverständnis schon seit mindestens zwei Jahrzehnten eine ganzheitlich
orientierte Pflege zugrunde liegt, die physische und psychische Komponenten sowie
27
das persönliche Wohlergehen des Patienten einschließt (vgl. z. B. Geißner 2004a,
S. 5f.). Dennoch kommt es im Berufsalltag im Zusammenhang mit Befindensfragen
zu Kommunikationsstörungen, weil institutionelle Sprachhandlungen nicht von
alltäglich-ritualisierten unterschieden werden. Weinhold stellt aber fest, dass es zu
deutlich weniger Missverständnissen kommt, wenn Pflegende nicht allgemeine,
sondern konkrete inhaltliche Fragen stellen. Diese beziehen sich direkt auf
bestehende Probleme des Patienten und werden daher von diesen in der Regel auch
so verstanden und beantwortet (vgl. Weinhold 1997, S. 95). Das folgende Beispiel
zeigt, dass die Patientin Pw3 (übrigens ohne Gegengruß – s. o.) zunächst eher
alltagstypisch rituell mit „Na ja.“ auf die Befindensfrage „Na wie isses mit Ihnen?“
reagiert und erst auf die Nachfrage der Schwester Sw1 ihre Antwort konkretisiert.
Abb. 2: Beispiel einer Befindensfrage (Weinhold 1997, S. 213)
2.2.2.5 Pflegerische Erstgespräche
Während in den voran stehenden Abschnitten kurze musterhafte
Gesprächssequenzen beleuchtet wurden, sollten auch längere Gespräche zwischen
Pflegenden und Patienten berücksichtigt werden. Durch die Analyse längerer
Abschnitte oder vollständiger Gespräche können eher Aussagen zu Inhalten, zur
Themenverteilung und zu speziellen Strategien getroffen werden als es bei der
Analyse kurzer Sequenzen möglich ist. Zur Darstellung beziehe ich mich im
Folgenden auf die Publikation von Walther (2001a). Sie hat pflegerische
Erstgespräche untersucht, die sowohl von examiniertem Krankenpflegepersonal als
auch von Auszubildenden geführt worden sind.
28
Pflegerische Erstgespräche nehmen im Pflegealltag insofern einen Sonderstatus ein,
als dass sie selbst die pflegerische Handlung darstellen und nicht in die große Gruppe
der handlungsbegleitenden Kommunikation fallen (vgl. ebd., S. 16). Der
Hauptzweck der Erstgespräche besteht darin, etwas über die mit seiner Erkrankung
in Zusammenhang stehenden Probleme des Patienten zu erfahren. Pflegende erheben
mittels dieser Gesprächsform also pflegerelevante Befunde, werten diese aus und
setzen sie in pflegerische Maßnahmen um. Je besser die Gesprächskompetenz der
Pflegekräfte ist, umso mehr relevante Daten werden sie herausfinden und umso
besser kann die Pflege individuell angepasst werden.
Ein weiteres wichtiges Ziel des Erstgespräches ist der Aufbau einer persönlichen
Beziehung zum Patienten, die den Genesungsprozess unterstützen soll (vgl. ebd.,
S.31f.). Gleichzeitig wird angestrebt, dass sich die Pflegekraft ein möglichst
umfassendes Bild über die Gesamtsituation des Kranken machen kann, was sowohl
psychische wie auch soziale Faktoren einschließt. Der Aufbau einer emotionalen
Beziehung ist ein wesentlicher Grund, weswegen sich Walther für den Begriff des
Erstgespräches ausspricht (vgl. ebd., S. 35ff.), obwohl dieser Terminus in der
Literatur nicht einheitlich benutzt wird; es besteht offenbar Uneinigkeit darüber, ob
es sich bei dieser Sprachhandlung um ein Gespräch handelt oder eher um ein
Interview. Der Hauptunterschied liegt darin, dass das Interview eine Befragung ist,
bei der die Rollen in die des Fragenden und die des Antwortenden aufgeteilt sind,
während sich ein Gespräch durch das Wechselspiel zwischen Sprecher und Hörer
auszeichnet, wobei beide Gesprächspartner beide Rollen im Wechsel übernehmen
und im Rahmen des Sprecherwechsels tauschen (vgl. Kap. 3.3.2).
Walther unterzieht die Transkriptionen pflegerischer Erstgespräche einer
umfangreichen Analyse nach vielfältigen Kriterien, von denen ich hier diejenigen
herausgreifen möchte, die in den vorangegangenen Abschnitten noch nicht erwähnt
wurden und die mir im Hinblick auf ihren Bezug zum Deutschunterricht bedeutsam
erscheinen.
Da Pflegekräfte gesetzlich zur Dokumentation ihrer Tätigkeiten verpflichtet sind,
müssen sie auch die im Erstgespräch erhaltenen Informationen schriftlich fixieren.
Dazu gibt es in der Regel einen Anamnesebogen, der die zu erfragenden Inhalte
weitgehend vorschreibt. Gelegentlich ist dieser in den Bogen zur Pflegeplanung
integriert, was vermutlich den anfallenden Schreibaufwand reduzieren soll (vgl.
Abb.3, S. 50, Spalte „Infosammlung“). Oft enthält er aber zu einzelnen Stichpunkten
29
Zeilen, in die die Pflegenden ihre Notizen als Freitext eintragen können. In jedem
Fall soll die physische, die psychische und die soziale Situation erfasst werden, da
davon ausgegangen wird, „dass die körperliche Erkrankung Einfluss auf andere
Lebensbereiche oder ‘Lebensaktivitäten’ nehmen kann“ (Walther 2001a, S. 37).
Der Hinweis auf die schriftliche Dokumentation an dieser Stelle hat zwei Gründe:
Erstens darf nicht unerwähnt bleiben, dass es eine sehr komplexe Handlung darstellt,
ein Gespräch zu führen und die Gesprächsergebnisse gleichzeitig nebenher zu
fixieren. Sprechen, hören, formulieren, schreiben, bewerten und einiges mehr müssen
gleichzeitig ablaufen, was eine hohe Konzentration erfordert und die Gefahr birgt,
dass entscheidende Fakten, Handlungen oder Informationen vergessen oder
übersehen werden. Dass die Qualität der Gesprächsführung unter der hohen
Komplexität leiden kann, ist gut vorstellbar.
Zweitens kann der vorgegebene Formbogen sehr unterschiedlich eingesetzt werden.
Im günstigeren Fall wird er von den Pflegenden als Gesprächsleitfaden oder
Gesprächsstütze genutzt, wie es auch in der einschlägigen Pflegeliteratur
vorgeschlagen wird: „Fragebögen sind Leitfäden. Sich informieren lassen ist ein
kommunikativer Prozess, in dem die interessierte Aufmerksamkeit des Fragenden
dem Patienten hilft, die für ihn schwierigen Informationen preiszugeben“ (Geißner
2004b, S. 413). Das besprochene Thema weist dann zwar inhaltliche
Übereinstimmung mit dem Anamnesebogen auf, er dient aber nicht dazu,
Formulierungen des Bogens wörtlich ins Gespräch zu übernehmen. Letzteres
geschieht aber, wenn Pflegende sich sehr stark am Anamnesebogen orientieren und
ihn als Checkliste verstehen, nach der die Patienten befragt werden. Dieser
grundlegende Unterschied im Umgang mit dem Formbogen hat erhebliche
Auswirkungen auf das Gesprächsverhalten. Je enger sich die Pflegenden am
Formular orientieren, desto stärker liegt die Initiierung eines neuen Themas zu über
90% bei ihnen, d. h., sie bestimmen fast immer, worüber als nächstes geredet wird
(vgl. Walther 2001a, S. 140, 148, 175). Die starke Bindung an den Anamnesebogen
birgt somit die Gefahr eines scheinbar zusammenhanglosen Abfragens verschiedener
Themenbereiche. Den Pflegenden gelingt es vielfach nicht, die Themen so
miteinander in Verbindung zu bringen und zu verknüpfen, dass ein fortlaufendes
Gespräch entsteht, dessen Sinn für den Patienten nachvollziehbar ist.
Im Folgenden ein Beispiel aus einem Erstgespräch (KS: Krankenschwester, P:
Patient):
30
KS: Sind irgendwelche Allergien bekannt? P: Nein. KS: Penicillinallergie oder auf irgendwelche Antibiotika [oder so was?] P: [Nich dass ich] wüsste. KS: Keine bekannt. Und Sie leben zu Hause mit Ihrer Ehefrau in einer gemeinsamen Wohnung, [ja?] ((2 Sek.)) P: [Hm.] KS: Und was sind Sie von Beruf? (Walther 2001a, S. 220, die Transkriptzeichen stammen von der Verfasserin)
Die Themenwechsel werden nur selten durch eine inhaltliche oder grammatische
Verknüpfung hergestellt, häufig sind hingegen Gliederungs- oder Abschlusssignale
wie „gut“ oder „o.k.“ (vgl. ebd. S. 220). Außerdem führt eine starre (oder sogar
wörtliche) Orientierung an den Vorgaben leicht zu geschlossenen Fragen, die von
den Patienten entsprechend knapp beantwortet werden; zwei Drittel der
Patientenantworten sind Kurzantworten bzw. werden nur mit einem Wort
beantwortet (vgl. ebd., S. 183). Die Folge in Bezug auf die ungleiche Verteilung der
Redeanteile ist offensichtlich. Durch die Abfolge von geschlossener Frage,
Kurzantwort und Themenwechsel wird das Gespräch immer wieder unterbrochen,
bzw. die Entstehung eines Gespräches im eigentlichen Sinne wird von vorneherein
behindert. Walther stellt fest, dass „die vorliegende Form der Interaktion in hohem
Maße dadurch gekennzeichnet ist, dass sie laufend beendet wird“ (ebd., S. 222). Sie
schlussfolgert, dass es sich bei den von ihr analysierten Sprachhandlungen
überwiegend um Interviews und nicht um Gespräche handelt (ebd., S. 248).
Patientenorientierte Gespräche kommen hingegen eher zustande, wenn verschiedene
Strategien bei der Gesprächsführung berücksichtigt werden. Besonders wenn
verschiedene gesprächsfördernde Signale in günstiger Weise zusammen spielen,
werden die Patienten zum ausführlicheren Sprechen angeregt, die Themen werden
dann freier entfaltet und ausgeführt. Als Möglichkeiten hierfür bieten sich
Hörersignale, explizite Aufforderungen zum Erzählen, positive Rückmeldungen,
Verständnis, offene Fragen usw. an. Das Gespräch wird nicht ständig unterbrochen,
wenn verschiedene Themen geschickt miteinander verknüpft werden, wie das
folgende Beispiel zeigt:
P: Nee, ich bin doch jetzt ((lächelt)) jetzt im Dezember, eh, jetzt, sechzich Jahr verheirat! KS: Ohh, das is ja toll! P: Am ersten Dezember. KS: Is ja toll! · Ihre Frau ist auch mitgekommen? Hat Sie begleitet?
(Walther 2001a, S. 221)
31
Wenn Gesprächspausen nicht nur entstehen, weil Informationen notiert werden,
können sich diese ebenfalls positiv auswirken, weil die Gesprächspartner dadurch
Zeit zum Nachdenken erhalten. Walther betont außerdem die Wichtigkeit der
genauen Kenntnis des Gesprächszweckes (aus der Sicht beider Gesprächspartner!),
um die gewünschte Patientenorientierung erfolgreich umsetzen zu können. Nur wenn
dem Patienten der Sinn des Erstgespräches klar ist, kann er sich wirklich auf dieses
ernsthaft einlassen (vgl. ebd., S. 124, 330).
Dass gezielte Schulungen bei der Erlangung von Kompetenzen für diese Art von
Gesprächen ausgesprochen positive Auswirkungen haben können, zeigt Walther in
ihrer Arbeit, indem sie die Gespräche von examinierten Krankenpflegern denen von
Auszubildenden gegenüberstellt, die zuvor einen gezielten Unterricht erhalten hatten,
der sie auf das Führen von pflegerischen Erstgesprächen vorbereitet hat.
2.2.2.6 Das Sprachverhalten alter und junger Menschen
In den bisher zitierten Arbeiten wird das Sprachverhalten alter und junger Menschen
nicht im Detail thematisiert oder analysiert, wahrscheinlich weil dies genügend
Material für etliche weitere, v. a. soziolinguistische Untersuchungen bergen würde.
Da meine Arbeit sich jedoch mit den didaktischen Möglichkeiten des
Deutschunterrichtes zur Förderung berufsbezogener Sprachkompetenzen beschäftigt,
erscheint es mir wichtig, zumindest einen kurzen Blick auf den Sprachgebrauch alter
und junger Menschen zu werfen.
Die Kommunikation in Kranken- und Pflegeeinrichtungen wird nicht nur durch
institutionelle Merkmale charakterisiert, sondern auch durch gesellschaftliche
Faktoren, Rollenverhalten und Einschätzungen der Generationen zueinander –
inklusive aller denkbaren Stereotype und Vorurteile. Ein Großteil der im
Krankenhaus betreuten Patienten und fast alle Bewohner von Pflegeheimen sind alte
oder zumindest ältere Menschen. Sie besitzen einen reichen Schatz an
Lebenserfahrung, haben verschiedene Zeiten und Epochen (und politische Systeme)
erlebt und haben im Laufe ihres Lebens Wertvorstellungen und Normen entwickelt,
die ihr Kommunikationsverhalten beeinflussen. In Einrichtungen des
Gesundheitswesens treffen sie auf deutlich jüngere Menschen, die sich um sie
kümmern und für sie verantwortlich sind. Im Deutschunterricht haben wir es mit
noch jüngeren Menschen zu tun, deren Leben sich von dem der älteren Menschen in
32
hohem Maße unterscheidet. Die Sprache ist dabei nur ein Merkmal unter vielen
anderen. Linke/Nussbaumer/Portmann beschreiben, dass
„die Angehörigen einer bestimmten Altersgruppe aufgrund der für die verschiedenen Lebensalter konstitutiven Erfahrungs- und Handlungswelten auch ein entsprechend ähnliches Sprachverhalten an den Tag legen. Damit ist nicht gemeint, dass z.B. ältere Menschen eben noch über einzelne ‘altmodische’ Ausdrücke bzw. über einzelne Wortschatzbereiche verfügen, die den jüngeren Generationen nur noch passiv oder überhaupt nicht mehr zur Verfügung stehen. Gemeint ist vielmehr, dass es so etwas wie ‘altersspezifische Sprachwelten’ geben muss“ (Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 354). Jugendsprache kann mit Hilfe vieler verschiedener Merkmale beschrieben werden.
Dazu gehören z.B. Verstärkungspartikeln wie „echt“, „total“, Anglizismen („cool“,
„Hi!“), Partikeln wie „irgendwie“ usw. (vgl. ebd., S.354ff.). Es erscheint mir wichtig,
hier (in stark verkürzter Form!) darauf hinzuweisen, dass es durch den
Sprachgebrauch zu Unverständlichkeiten, befremdlichen Gefühlen und Irritationen
kommen kann, wenn Jugendliche und alte Menschen miteinander kommunizieren. Es
sind überwiegend negative Stereotype und Klischees, die die Kommunikation mit
älteren Menschen zu belasten drohen (vgl. Sachweh 2000, S. 28ff.). Andererseits ist
nicht außer Acht zu lassen, dass es nicht zwangsläufig zu Kommunikationsstörungen
kommen muss, wenn junge und alte Menschen aufeinander treffen; die Sprechenden
selbst beeinflussen durch ihren Sprachgebrauch die Gesprächssituation und
definieren durch ihr sprachliches Handeln in der entsprechenden Situation die
sozialen Variablen immer wieder neu (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S.
367).
Abschließend sei nochmals erwähnt, dass die beschriebenen Kategorien und
Phänomene lediglich eine Auswahl darstellen. Es gäbe noch etliche weitere
Sprachhandlungen zwischen Patienten und Pflegepersonal, die es sich darzustellen
lohnte, dafür sei aber an dieser Stelle nochmals auf die Publikationen von Walther
(2001a), Weinhold (1997) und Sachweh (2000) verwiesen, deren Analysen
mündlicher Kommunikation viele weitere Aspekte umfassen.
33
3 Förderung ausbildungsbezogener Kompetenzen im
Deutschunterricht für den mündlichen Sprachgebrauch
3.1 Auswertung der Ergebnisse und Erwartungshorizont:
Welche Fähigkeiten müssten Schüler im Hinblick auf die
Ausbildung in Pflegeberufen erlangen?
Es besteht offenbar Einigkeit darüber, dass während der Schulzeit Kompetenzen zur
Gesprächsfähigkeit erworben werden sollen. Der Bildungsplan Hauptschule für
Baden-Württemberg postuliert, dass „der Deutschunterricht in der Hauptschule […]
die Anbahnung und Entwicklung sprachlicher Kompetenzen zum Ziel [hat], die zur
eigenverantwortlichen Bewältigung der Anforderungen von Schule, Alltag,
Gesellschaft und Arbeitswelt befähigen“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
2004, S. 54). Nur teilweise wird allerdings konkretisiert, wie diese Kompetenzen
genau aussehen sollen.
Zunächst lassen sich – sehr pauschal – die Bereiche Sprechen, Schreiben und Lesen
benennen. Meines Erachtens müsste beim Lernbereich „Sprechen“ auch noch der
Lernbereich „Hören“ genannt werden, der zur Entwicklung von Gesprächsfähigkeit
ja ebenfalls konstitutiv ist. Als weitere Säule kommt die Reflexion über Sprache
hinzu, was in unserem Fall nicht (nur) den traditionellen Grammatikunterricht
meinen sollte, sondern die Auseinandersetzung mit gesprochener und geschriebener
Sprache überhaupt, also auch im Hinblick auf semantische und pragmatische
Phänomene sowie auf verschiedene Sprechsituationen.
Der Bildungsplan für den Deutschunterricht in der Grundschule und in der
Sekundarstufe 1 thematisiert die mündliche Kommunikation in verschiedenen
Zusammenhängen. Im ersten Abschnitt des folgenden Kapitels werden die
wichtigsten Inhalte vorgestellt.
Danach soll aufgezeigt werden, welche konkreten Fähigkeiten Schülern im
Deutschunterricht vermittelt werden können; dieser Schritt entspricht im weiteren
Sinne einer didaktischen Analyse. Hier orientiere ich mich an der Didaktik Wolfgang
Klafkis, der fordert, die Unterrichtsinhalte im Hinblick auf die Gegenwarts- und
Zukunftsbedeutung für die Schüler, auf ihre Exemplarität und auf ihren
Bildungsgehalt hin zu überprüfen (vgl. z. B. Gudjons 2003, S. 235f).
Neben der Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten dürfen daher meines
Erachtens auch schülergerecht aufbereitete fachlichwissenschaftliche Grundlagen im
34
Bereich der Gesprächsanalyse nicht fehlen. Um das Lernziel Gesprächsfähigkeit
erreichen zu können, müssen die Lernenden grundlegende Kategorien von
Gesprächen kennen, die im zweiten Abschnitt als „allgemeine Gesprächs-
kompetenzen“ bezeichnet werden.
Aus den in Kapitel 2.2.2 beschriebenen Sprachsituationen ergeben sich zusätzlich
Hinweise auf spezielle Kompetenzen, die Pflegenden das effektive mündliche
Kommunizieren erleichtern bzw. ermöglichen. Viele dieser Kompetenzen können
und müssen bereits in den allgemeinbildenden Schulen (und nicht erst in
Berufsschulen) angebahnt und gefördert werden, weil sie in diversen Situationen des
alltäglichen und beruflichen Lebens nötig sind. Es ist an dieser Stelle nochmals
hervorzuheben, dass die Krankenpflege hier als Exempel dient, an dem sich
sprachliche Phänomene beobachten lassen. In anderen Berufsfeldern mögen die
Schwerpunkte vielleicht etwas anders geartet sein, gewisse Regelmäßigkeiten von
institutioneller Kommunikation und allgemeinem Sprachverhalten sind aber
durchaus übertragbar.
Man kann davon ausgehen, dass eine berufsbezogene Sprachkompetenz demnach
auch positive Auswirkungen auf sprachliches Handeln im Alltag hat.
3.2 Vorgaben des Bildungsplanes
Der Bildungsplan für das Fach Deutsch an baden-württembergischen Grund- und
Hauptschulen orientiert sich vom Aufbau her zum einen an den zwei Großbereichen
der Deutschdidaktik (Sprachunterricht und Literaturunterricht), zum anderen an
einem kontinuierlich fortschreitenden Zuwachs der Kompetenzen der Schüler. Für
die Klassenstufen 2, 4, 6 und 9 gibt es genaue Vorgaben bezüglich der zu
erwerbenden Kompetenzen und der zu vermittelnden Inhalte. Diese werden anhand
von vier Lernbereichen dargestellt: „Sprechen“, „Schreiben“, „Lesen / Umgang mit
Texten und Medien“ und „Sprachbewusstsein entwickeln“, wobei der erste und der
letzte traditionell dem Sprachunterricht zuzuordnen sind, während „Schreiben“ und
„Lesen / Umgang mit Texten und Medien“ ihren Schwerpunkt im Literaturunterricht
haben. Dennoch wird betont, dass die vier Arbeitsbereiche „nur aus Gründen der
Übersichtlichkeit getrennt aufgeführt [werden]. Deutschunterricht ist prinzipiell
integrierter Unterricht, die Arbeitsbereiche beziehen sich funktional aufeinander“
(Bildungsplan Hauptschule, S. 55).
35
Besonders für die Förderung von berufsbezogenen Sprachkompetenzen erscheint
dieser ganzheitliche Ansatz wichtig, da alle Bereiche für die Entwicklung der nötigen
Fähigkeiten von Bedeutung sind. Einzelne Kompetenzen müssen vernetzt werden,
damit sie in komplexeren Handlungszusammenhängen gemeinsam eingesetzt werden
können (vgl. Berkemeier 2006, S. 172). Berkemeier schlägt daher vor, einzelne
„Kernkompetenzen“ auch schon im Unterricht vernetzt zu vermitteln und
anzuwenden.
Zunächst werde ich die Vorgaben des Bildungsplanes darstellen, die sich direkt auf
die Vermittlung von kommunikativen Kompetenzen beziehen. Der Frage, ob es
darüber hinaus noch weitere Lernbereiche gibt, die dem Aufbau dieser Kompetenzen
indirekt dienen könnten, wird im Kapitel 4.2 nachgegangen.
Bereits in den Vorgaben im Arbeitsbereich „Sprechen“ für Klasse 2 wird erwartet,
dass Schüler themenbezogen und frei sprechend von Erlebnissen erzählen können.
Dabei sprechen sie verständlich und können anderen Personen zuhören. Sie sollen
erste Gesprächsregeln kennen und sich an diese halten. Für Klasse 4 wird dieser
Anspruch um die Fähigkeit erweitert, das Erzählen partner- und situationsbezogen zu
gestalten. Zusätzlich sollen sie „über das Gelingen von Kommunikation nachdenken
und Konsequenzen daraus ziehen“ können (Bildungsplan Grundschule, S. 50), dies
bedeutet meines Erachtens, dass sie auch über Kommunikation sprechen müssen
(wie könnte sonst das „Nachdenken“ gewährleistet werden?) und somit schon eine
Meta-Ebene erreichen. Implizites Wissen wird auf diese Weise bewusst gemacht,
reflektiert und kann schließlich mit explizitem Wissen verknüpft werden.
Es wird erwartet, dass die Schüler Spielszenen entwickeln und gestalten können, was
bedeutet, dass sie fremde Rollen übernehmen und in diesen übernommenen Rollen
sprechen und agieren müssen. Die Rollenübernahme kann dann gut gelingen, wenn
die Perspektive der Rolle übernommen werden kann, eine Fähigkeit, die die Kinder
erst erlernen müssen.
Die Arbeit am Wortschatz wird dem Arbeitsbereich „Sprachbewusstsein entwickeln“
zugeordnet. Die Schüler sollen Wörter sammeln und sortieren können (Klasse 2),
bzw. in Klasse 4 „Wörter nach grammatischen und semantischen Kriterien sammeln,
ordnen, gliedern“ (S. 52), was auch das Zusammenstellen von Wortfeldern
beinhaltet. Ansonsten beschränkt sich dieser Arbeitsbereich zumeist auf die
traditionellen Vorstellungen von Grammatik, also Verfahren zur Veränderung von
Sätzen zu erproben sowie die linguistische Terminologie kennen zu lernen (Vokal,
36
Konsonant, Alphabet, Silbe usw.). Auffallend ist meines Erachtens, dass sich das
Nachdenken über Sprache in diesem Arbeitsbereich vor allem auf die Schriftsprache
beziehen soll (vgl. S. 52); das Sprechen über gesprochene Sprache findet sich also
nur indirekt (s. o.)!
Für den Bereich der Hauptschule wird in den Leitgedanken zum Kompetenzerwerb
festgestellt, dass der Deutschunterricht „die Anbahnung und Entwicklung
sprachlicher Kompetenzen zum Ziel [hat], die zur eigenverantwortlichen
Bewältigung der Anforderungen von Schule, Alltag, Gesellschaft und Arbeitswelt
befähigen“ (Bildungsplan Hauptschule, S. 54). In den übergeordneten Erklärungen
zu den Kompetenzen findet sich hier eine Beschreibung, was unter Sprech- und
Gesprächskompetenz zu verstehen sei, nämlich „zunächst die Fähigkeit, anderen
zuzuhören, sie zu verstehen und Aussagen in eigene Wissenshorizonte einzubinden
[…] Die Auswahl angemessener sprachlicher Antworten und deren verständliche
Formulierung schließen sich an“ (S. 55). Die Schüler sollen sprachliche Mittel und
ihre Bedeutung kennen und sie der Situation angemessen einsetzen können. Die
Wirkung sprachlicher Mittel soll reflektiert und das Sprachverhalten entsprechend
angepasst werden.
Konkret werden für Klasse 6 die Beherrschung höflicher Umgangsformeln wie z. B.
Gruß und Vorstellung sowie das Beachten von Gesprächsregeln vorgegeben. Die
Schüler sollen ihre Meinung zu einem Thema äußern und in Diskussionen vertreten
können. Dabei akzeptieren sie abweichende Meinungen anderer Gesprächspartner.
Interessant erscheint mir die Vorgabe, dass die Schüler nach Anleitung
„Befragungen“ durchführen und „einfache Sachverhalte übersichtlich und
verständlich aufschreiben“ (S. 58) können sollen. Angemerkt sei hier, dass keinerlei
Hinweise auf die Behandlung spezieller Textsorten gegeben wird, so dass es
weitgehend unklar bleibt, ob es hier um die sprachliche Fähigkeit geht, Interviews
erheben zu können oder darum, erste Übungen zu empirischen Datensammlungen
nebst deren Präsentation durchzuführen.
Im Bereich „Sprachbewusstsein entwickeln“ findet sich nur ein Punkt, der auf
kommunikatives Verhalten abzielt; die Schüler sollen Zusammenhänge zwischen der
Kommunikationssituation, den Kommunikationspartnern sowie deren
Ausdrucksmitteln herstellen können, was auch die Wortwahl und verschiedene
Schreibweisen einschließen soll (vgl. S. 60). Alle anderen Vorgaben beziehen sich
auf grammatische Kategorien und die Untersuchung geschriebener Sprache.
37
Die Vorgaben für Klasse 9 sind diesbezüglich hilfreicher; nun werden auch
Fähigkeiten wie das Erkennen von Wertungen (Lob, Beleidigung usw.) benannt
sowie das Unterscheiden von Standardsprache gegenüber Soziolekten, Dialekten und
Fachsprachen.
Im Bereich „Sprechen“ soll die Diskursfähigkeit weiter ausgebaut werden, was sich
an Formulierungen wie „Die […] Schüler können ihre Meinung begründet vertreten
und auf andere Meinungen eingehen“ oder „Argumente und Aussagen unter-
scheiden“ (S. 61) zeigt. Wichtig für die Zielsetzung dieser Arbeit erscheint mir die
Fähigkeit, „eigenes und fremdes Gesprächsverhalten beschreiben und reflektieren“
(ebd.) zu können, was die Voraussetzung dafür ist, das eigene Gesprächsverhalten zu
begreifen und ggf. zu verbessern sowie andere bei deren Reflexion an ihrer
Sprachbenutzung zu unterstützen.
Die Weiterentwicklung der Fähigkeiten zu darstellendem Spiel, Rollenspiel und
Improvisation wird in den Niveaukonkretisierungen der 6. und der 9. Klasse benannt,
wobei das Rollenspiel in Klasse 6 auch den Zweck hat, Konflikte nachzuspielen und
damit wohl auch als Handreichung für Streitschlichterprogramme usw. zu verstehen
ist. Allerdings wird die sprachliche Auseinandersetzung mit Konflikten nicht speziell
thematisiert.
Im folgenden Kapitel werden konkrete Lerninhalte vorgestellt, deren Aneignung die
Entwicklung kommunikativer Kompetenz unterstützen kann. Es handelt sich
lediglich um eine Auswahl an Themen. Diese ist aber nicht zufällig erfolgt, sondern
die Inhalte lassen sich direkt aus der Analyse der verbalen Kommunikation in
Krankenhäusern und Altenheimen ableiten.
3.3 Allgemeine Gesprächskompetenzen
3.3.1 Wissen über Kommunikation und Situationseinschätzung
Gespräche sind sprachliche Handlungen, die eine Verständigung zwischen den
Gesprächspartnern anstreben. Diese ist elementar für das Erreichen bestimmter Ziele,
die von den Beteiligten interaktiv festgelegt werden und „auf die Bewältigung der
Realität in ihren verschiedenen gesellschaftlichen Formen und Strukturen
ausgerichtet“ sind (Lepschy 1999, S. 50). Sie umfassen also sowohl die Inhalts- wie
auch die Beziehungsebene. Das Gespräch ist ein dynamischer Prozess. Die
38
gemeinsam festgelegten Ziele werden während des Gespräches immer wieder
überprüft und ggf. gemeinsam neu definiert. Diese Gemeinsamkeit muss beiden
Gesprächspartnern bewusst und wichtig sein, damit eine tragfähige Gesprächsbasis
überhaupt denkbar ist.
Die Gesprächssituation wird abgesehen von sozialen Bedingungen stark durch
subjektive Wahrnehmungen und Bewertungen beeinflusst. Sie wird also ständig von
den Gesprächspartnern reflektiert und unterliegt einer fortlaufenden Interpretation. Je
symmetrischer und gleichberechtigter das Verhältnis der Gesprächspartner ist bzw.
von ihnen selbst so verstanden wird, desto eher ist die Perspektivenübernahme des
anderen Gesprächspartners möglich. Von Perspektivenübernahme spricht man, wenn
es darum geht, „psychische Zustände und Prozesse, wie etwa das Denken, Fühlen
oder Wollen einer anderen Person zu verstehen, indem die Situationsgebundenheit
des Handelns (bildlich also: ihre Perspektive) erkannt und entsprechende
Schlussfolgerungen gezogen werden“ (Silbereisen 1998, S. 831). Damit ist gemeint,
dass versucht wird, den Blickwinkel des Gesprächspartners und dessen Sichtweise
nachzuvollziehen. Dies ist die Voraussetzung dafür, die eigene mit der vermuteten
Vorstellung des Partners abzugleichen, erfolgreich auf die Beiträge des anderen
einzugehen und das Gespräch konstruktiv zu steuern. Dies ist auch dann möglich,
wenn die Gesprächspartner über unterschiedliche „Situationseinschätzungen“
verfügen, solange sie ein übereinstimmendes „Situationsverständnis als
Gesprächsbasis“ herstellen können (vgl. Lepschy 1999, S. 51).
Die Reflexion über diese Grundvoraussetzungen für das Gelingen von Gesprächen
sollte im Unterricht erfolgen, um den Schülern implizites Wissen bewusst zu
machen. Zusätzlich ist die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme hervorzuheben,
ohne die ein konstruktives Eingehen auf den Partner nicht erfolgen kann.
3.3.2 Gesprächsorganisation: Verteilung des Rederechts und Sprecherwechsel
Die asymmetrische Situation zwischen Pflegenden und Gepflegten führt, wie bereits
erläutert, dazu, dass Gespräche in den entsprechenden Institutionen zu einem großen
Anteil von den Pflegenden initiiert werden. Aufgrund der Zugehörigkeit zur
Institution kommt ihnen bei der Verteilung des Rederechts eine dominante Stellung
zu, was mit einem größeren Anteil der Gesamtmenge gesprochener Worte und
Äußerungen einhergeht (vgl. Walther 2001a, S. 357f.). Die durch die Institution
zugewiesene Sprecherrolle ist jedoch nicht die einzige Ursache der ungleichen
39
Verteilung der Gesprächsanteile, entscheidend ist auch, wie einem Gesprächspartner
das Rederecht zugeteilt wird und wie der Sprecherwechsel durchgeführt wird. Die
Art des Sprecherwechsels hat direkten Einfluss auf das Rederecht.
Der Sprecherwechsel kann durch Fremd- oder Selbstwahl erfolgen (vgl.
Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 301ff.). Bei der Fremdwahl wird der Dialog-
partner direkt oder indirekt aufgefordert, etwas zu sagen. Die deutlichste Form der
direkten Aufforderung ist die Frage mit direkter Anrede des Gegenübers. Indirekt
kann der Gesprächsbeitrag (turn) weitergegeben werden, in dem der zuvor
Sprechende aufhört zu sprechen oder seinen Partner erwartungsvoll anschaut, dem
damit das Wort erteilt wird.
Übernimmt einer der Gesprächspartner das Wort, ohne dass er per Fremdwahl dazu
aufgefordert wurde, spricht man von Selbstwahl. Hierbei kann es zu reibungslosen
Sprecherwechseln kommen, zu Überlappungen, die meistens nicht als störend
empfunden werden, oder aber zu Unterbrechungen. Letztere werden vom Sprecher
als unangenehm wahrgenommen, weil er mit seinen Ausführungen noch nicht zum
Ende gekommen ist und er beabsichtigte Beiträge sprachlich nicht umsetzen konnte.
Kommen Unterbrechungen gehäuft vor, kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit zu
Störungen in der Kommunikation.
Wenn ein Sprecher durch Selbstwahl das Wort ergreift, muss er sich an bestimmte
Regeln halten um Störungen zu vermeiden. Dazu gehört unter anderem, dass
derjenige das Rederecht hat, der nach einem Beitrag als erstes das Wort ergreift, dass
nur eine Person spricht und dass der Sprecher sich durch die vom Hörer
ausgesendeten Signale vergewissert, dass dieser ihm noch folgt.
Die Aufgaben des Hörers im Dialog sind indessen, Rückmeldungssignale verbal oder
nonverbal (z. B. Nicken, Kopfschütteln, Lächeln) so auszusenden, dass der
Sprechende seinen Gesprächsbeitrag daran orientieren kann. Signale wie „hm“ oder
„ja“ können „dem Sprecher als Symptom für die Wirkung seiner Äußerung bewusst
gemacht, und ihre Beachtung kann zur Kontrolle dieser Wirkung anempfohlen
werden“ (Becker-Mrotzek/Brünner 1999, S. 45). Fehlt diese Orientierung, so kann es
zur Verunsicherung des Sprechers kommen, die wiederum einen Abbruch der
Kommunikation zur Folge haben kann. Der Hörer muss also ebenfalls aktiv werden,
um das Gespräch in Gang zu halten. Seine verbalen Äußerungen können jedoch auch
zum Sprecherwechsel führen (vgl. Rosengren 1980, S. 284), die Rückmeldungen
werden somit zu Gesprächsschritten.
40
‘Gute’ Gespräche können nur geführt werden, wenn sich die Gesprächspartner ihrer
Regeln und Pflichten innerhalb des Gesprächs bewusst sind. Je besser sie mit den
ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen und nicht-sprachlichen Mitteln
umgehen können, desto größer sind die Chancen, die Absicht und den Sinn der
Sprechhandlung auch tatsächlich umzusetzen, unabhängig davon, ob es sich um eine
Mitteilung, eine Aufforderung, eine Befragung oder einen Austausch von
Informationen handelt. Dass diese Fähigkeit schon in der Schule eine Rolle spielt,
liegt auf der Hand. Die Frage ist, wie ihre Förderung sinnvoll in den Unterricht
eingebettet werden kann.
3.3.3 Darstellung und Entfaltung des Themas
Das Thema stellt den zentralen Inhalt eines Gespräches dar. Wenn das Gespräch in
Bezug auf die gemeinsam festgelegten Ziele erfolgreich verlaufen soll, ist es
unabdingbar, dass sich die Gesprächspartner einig über den Inhalt sind. Anders als in
der Alltagskommunikation, in der sich ein Gesprächsthema durchaus während des
Gespräches verändern kann und dieses von den Partnern auch gebilligt wird7, werden
institutionelle Gespräche in der Regel mit einer klaren Zielvorgabe geführt. Die
Gesprächspartner müssen dieses Thema klar darstellen und ihre Redebeiträge
inhaltlich auf die Relevanz für das Thema überprüfen (vgl. Lepschy 1999, S. 52).
Dies setzt voraus, dass die Gesprächspartner über den Zweck des zu führenden
Gespräches informiert sind. Ist das nicht der Fall, muss es vom
gesprächsinitiierenden Partner zu Beginn des Gespräches nachgeholt werden. Ein
Versäumnis dieser Klärung muss fast zwangsläufig Kommunikationsstörungen nach
sich ziehen, da der uninformierte Gesprächspartner mit großer Wahrscheinlichkeit
eine andere Zielvorstellung hat als der Initiierende.
Da in Institutionen in der Regel asymmetrische Gesprächskonstellationen vorliegen,
spielt auch die Beziehungsebene im Zusammenhang mit der Themenexplikation eine
Rolle. Entsprechend ihrer Funktion als Pflegende müssen die Vertreter der Institution
Krankenhaus gleichzeitig die gesellschaftlichen Erwartungen an diese Rolle erfüllen
(indem sie beispielsweise das Gespräch initiieren und das Thema (er)klären) und
trotzdem eine vertrauensvolle Gesprächsbasis schaffen, die es ermöglicht, die
7 Vgl. die Analyse eines Verkaufsgespräches im Vergleich mit der eines Partygespräches (Henne/Rehbock 2001, S. 215ff.), bei dem sich ein Thema „frei nach dem Interesse der Beteiligten [entfaltet], es besteht kein Plan oder Zwang, zu einer Entscheidung oder einem Ergebnis zu kommen“ (ebd., S. 215).
41
Gesprächsziele (z. B. Informationsgewinnung) zu erreichen. Die Gesprächspartner
müssen also die „Balance zwischen sozialen Erwartungen und individuellen
Vorstellungen herstellen“ (Lepschy 1999, S. 52).
Wenn Einigkeit über das Gesprächsziel besteht, müssen die Gesprächsteilnehmer
sich darum bemühen, die Kommunikation am Laufen zu halten. Hierfür sind
verschiedene sprachliche Mittel nötig. Abgesehen von bereits thematisierten
Strategien zum Sprecherwechsel braucht es auch Taktiken, mit denen Themen
entfaltet und miteinander verknüpft werden. Wir haben gesehen, dass abrupte
Themenwechsel in der Regel zu einer Beendigung der Interaktion führen. Dies kann
verhindert werden, indem inhaltlich ähnliche Dinge innerhalb der gleichen
Gesprächsphase thematisiert werden. Man kann also gewissermaßen die inhaltliche
Verwandtschaft von Themen zur Verknüpfung nutzen.
Ein ähnliches sprachliches Mittel ist der Rückbezug auf den zuletzt erwähnten
Sachverhalt. Indem das vorangegangene Thema mit dem folgenden verbunden wird,
kommt es nicht zu einem Bruch im Gesprächsablauf, wie folgendes Beispiel aus
einem Erstgespräch gut zeigt. Die Pflegeschülerin (A) erhält während des
Gespräches über den Krankheitsverlauf ohne Unterbrechung mehrere Informationen,
indem sie das Gesagte aufnimmt und ihre nächste Frage darauf bezieht. Sie erfährt,
dass der Patient regelmäßig Kontrolluntersuchungen wahrnimmt und zusätzlich
durch welche Ärzte er betreut wird. Beide Aspekte wären möglicherweise an einer
ganz anderen Stelle im vorgegebenen Anamnesebogen zur Sprache gekommen und
hätten – unvermittelt und zusammenhanglos abgefragt – möglicherweise zu
Irritationen beim Patienten und zu Kommunikationsstörungen geführt.
P: Ne. [Ja, und dann] …/ dann war ich zur Kontrolluntersuchung, und da hat man das festgestellt. A: Ah so, gehen Sie regelmäßig dann? [Hm] P: Muss i[ch, m]uß ich! Ja. Ja. A: Wo gehn Sie da hin? P: In die Gemeinschaftspraxis von Doktor Müller, Manner und Meier. (Walther, 2001a, S. 298; Hervorhebung und Transkriptionszeichen im Original) Inhaltliche Verknüpfung kann gelingen, wenn Stichworte des Gesprächspartners
aufgegriffen werden, dabei aber das übergeordnete Ziel des Gespräches, in diesem
Fall Informationen zu den vorgegebenen Sachverhalten zu erhalten, nicht aus dem
Blick gerät.
42
Die Schwierigkeit in der Themenverknüpfung liegt teilweise auch darin begründet,
dass Gespräche ja, oberflächlich betrachtet, ungeplant ablaufen. Ein Sprechakt zielt
zwar immer auf eine bestimmte Reaktion des Gesprächspartners, es ist aber offen, ob
sich dieser an die erwartete Reaktion auch hält. Die Kommunikation ist in dieser
Hinsicht nicht planbar (im Gegensatz zu schriftlichen Texten, deren Ablauf bereits
vor der eigentlichen Produktion vorgezeichnet werden kann bzw. sollte). In der
mündlichen Kommunikation müssen die Sprecher sehr flexibel und spontan
reagieren können, wenn das Gespräch störungsfrei verlaufen soll.
Dennoch ist eine gewisse Vorplanung hilfreich, in der wichtige Aspekte sein
könnten: „Was möchte ich unbedingt erfahren?“ „Welche Themen passen inhaltlich
zusammen, können also evt. nacheinander besprochen werden?“. Je besser sich die
Parteien auf die Gesprächssituation vorbereitet haben, also sich vorgestellt haben,
was im Dialog passieren könnte, und je besser sie sich auf unerwartete Reaktionen
eingestellt haben, desto größer ist die Chance auf ein gelingendes Gespräch. Die
Fähigkeit zur Perspektivenübernahme (vgl. Abschnitt 4) spielt dabei eine wichtige
Rolle. Eine Kombination aus sorgfältiger Vorbereitung, genauer Kenntnis des
Gesprächsthemas und der mentalen Vorstellung des Gesprächsablaufes kann die
Effektivität und die Qualität von Gesprächen steigern. Diese Erfahrung können
Schüler im Schulalltag machen, wenn ihnen genug Gelegenheit eingeräumt wird,
Gespräche zu führen und auch auf deren Vorbereitung Wert gelegt wird.
3.4 Spezielle Gesprächskompetenzen
In diesem Abschnitt werden diejenigen Fähigkeiten beschrieben, die sich direkt aus
der Analyse der mündlichen Kommunikation in der Pflege ableiten lassen und die in
der Kommunikation im Krankenhaus eine besondere Relevanz haben. Die
Zusammenstellung erhebt in keiner Weise den Anspruch auf Vollständigkeit. Es geht
vielmehr darum zu zeigen, wie aus der linguistischen Analyse spezieller
Sprachhandlungen Ziele für den Unterricht abgeleitet werden können.
3.4.1 Gruß
Viele allgemeine Sprachkompetenzen ergeben sich aus Normen und
Wertvorstellungen unserer Gesellschaft. Diese Kompetenzen sind nicht auf den
43
Bereich der Krankenpflege begrenzt, sondern sind für eine reibungslose
Kommunikation in Alltagssituationen und im beruflichen Umfeld wichtig. So ist die
Begrüßung ein Ritual, das sich als Paarsequenz aus Gruß und (erwartetem)
Gegengruß zusammensetzt. Welche Grußformel gewählt wird, ist von verschiedenen
Faktoren abhängig: Einer davon ist die Tageszeit („Guten Abend“, „Guten Morgen“
usw.), ein anderer das Beziehungsverhältnis der beteiligten Gesprächspartner. So
wäre die Formulierung „Hi, Alter“ für eine Begegnung mit einem Ranghöheren
ebenso unangemessen wie eine ausgesprochen höfliche Variante für eine nahe
stehende Person.
Dem Gruß kann sich eine namentliche Anrede anschließen, was zu einer
persönlichen Würdigung des Gegrüßten führt und signalisiert, dass der Grüßende
weiß, wer der Gegrüßte ist. Danach besteht die Möglichkeit, eine Befindensfrage an
den Gesprächspartner zu stellen. Je kürzer der Kontakt ist, desto unwahrscheinlicher
ist es, dass sich eine Befindensfrage anschließt, grüßt man sich nur im Vorübergehen,
wird diese oft fehlen. Die Bedeutung des unterschiedlichen Umgangs mit
Befindensfragen im Alltag und im Krankenhaus wurde unter 2.2.2.4 bereits
ausführlicher dargestellt.
Schüler müssen verschiedene Grußformeln kennen und diese der Situation und dem
Adressaten angemessen auswählen und benutzen können. Sie müssen in der Lage
sein, zu entscheiden, in welchen Situationen überhaupt gegrüßt wird, welche Gruß-
formel angemessen ist und ob eine anschließende Befindensfrage angebracht ist und
welchen Zweck diese erfüllen könnte. Dazu gehört auch, dass sie über eine
Reflexionsfähigkeit verfügen, wenn sie selbst gegrüßt werden, da auch sie
gesellschaftliche Normen erfüllen sollten. Sie müssen erkennen, dass der Gruß unter
Umständen schon die Eröffnungsphase eines Gespräches darstellt, in der ja die
Beziehungsebene geklärt werden sollte. Eine nicht situationsangemessene
Grußformel hat mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Folgen für den Fortgang der
Gesprächseröffnung. Darüber hinaus kann am Beispiel des Grüßens verdeutlicht
werden, inwiefern sich Alltagskommunikation von institutioneller Kommunikation
unterscheidet.
44
3.4.2 Vorstellung und Anrede
Wie bereits dargestellt wurde, besteht in Krankenhäusern oft das Problem, dass
Patienten das Personal oft nicht mit Namen anreden oder grüßen können, weil sie die
Namen der Pflegenden nicht kennen. Dies kann zwar prinzipiell daran liegen, dass
sich die Patienten so viele fremde Namen nicht oder nicht so schnell merken können,
es könnte aber auch eine Ursache in der Art und Form der Vorstellung liegen.
Jemanden mit dem Namen ansprechen zu können, führt dazu, dass eine persönliche
Beziehung zum Gesprächspartner hergestellt wird. Der Gesprächspartner erfährt
damit eine stärkere Wertschätzung seiner Person. Sachweh stellt fest, dass durch den
Gebrauch der nominalen Anrede (besonders in der Altenpflege) Respekt und Würde
vermittelt werden (vgl. Sachweh 2000, S. 132). Außerdem hat die Nennung des
Namens einen Appellcharakter und kann während einer Tätigkeit die
Aufmerksamkeit des Interaktionspartners sichern. In diesem Zusammenhang
verwendet steht die nominale Anrede in Verwandtschaft zu anderen Verständnis
sichernden Strategien.
Eine weitere Beziehung der Anrede besteht zu den im Deutschen möglichen Formen
des Duzens bzw. Siezens. In aller Kürze ausgedrückt ist festzustellen, dass das
Siezen in unserem Kulturkreis die angemessene Anrede gegenüber älteren Personen
ist, mit denen man keinen familiären oder freundschaftlichen Kontakt pflegt8.
Schüler sollten die Auswirkungen von Vorstellung und Anrede auf den
Gesprächsverlauf kennen und sich bewusst sein, dass eine formal korrekte
Vorstellung insbesondere von älteren Menschen als Form der Höflichkeit und
Wertschätzung gilt. Sie müssen erkennen, welche Wirkung die Nennung Namens
während des Gespräches hat und dieses dem Gesprächszweck entsprechend einsetzen
können. Sie sollten sich selber situationsangemessen vorstellen können, was
kontextabhängig auch bedeuten kann, dass man die eigene Funktion nennt (z. B. „Ich
heiße … und bin Schüler an der …-Schule“).
3.4.3 Anspielungen erkennen und nutzen
Walther (2001b, S. 144) stellt fest, dass Pflegende oft nicht auf Anspielungen
eingehen, die die Patienten machen. Hinter dieser Beobachtung verbergen sich
8 Sachweh hat das Duzen / Siezen in der Altenpflege genaueren Analysen unterzogen (vgl. Sachweh 2000, S. 132, 245f.). Da der Sprachgebrauch sich in diesem Fall zwischen Pflegeheimen und Krankenhäusern unterscheidet und einer detaillierteren Betrachtung bedarf als sie hier möglich ist, habe ich mich entschieden, in dieses Thema nicht tiefer einzudringen.
45
mehrere Probleme. Zum einen muss erwähnt werden, dass bestimmte Themen, die
für die Pflegekräfte vielleicht wichtig wären, für die Patienten schwierig zu äußern
sind. Dazu gehört insbesondere das Äußern von Ängsten und Sorgen. Walther weist
darauf hin, dass manche Anspielungen der Patienten deutlich darauf hinweisen, dass
ihrerseits Gesprächsbedarf besteht. Wenn Patienten zu für sie problematischen
Themen Anspielungen machen und diese von den Pflegenden nicht aufgegriffen
werden, sind gleich zwei Chancen vertan: Der Patient fühlt sich möglicherweise
zurückgewiesen und die Pflegekraft erhält weniger Informationen über den
Patienten. Damit können die beiden wichtigsten Gesprächsziele, nämlich eine
persönliche und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und gleichzeitig
Informationen zu sammeln, nicht realisiert werden.
Zur Kommunikativen Kompetenz gehört also auch, Anspielungen als solche
identifizieren zu können. Das setzt voraus, dass das eigene sprachliche Handeln
reflektiert werden und auf die Äußerungen des Gesprächspartners abgestimmt
werden muss. Walther betont, dass es nicht ausreiche, eine „allgemeine Formel wie
‘Gehen Sie auf Anspielungen des Patienten ein’ […], um Patientenorientierung zu
gewährleisten“ (Walther 2001b, S.144). Schüler müssen vielmehr lernen, wodurch
Anspielungen sich konkret auszeichnen, welchen Zweck sie haben und welche
Gründe es geben kann, auf sie einzugehen oder sich dagegen zu entscheiden.
Durchaus lohnenswert kann hier beispielsweise der Umgang mit aufgezeichneten
authentischen Gesprächen sein. An diesen lässt sich einerseits untersuchen, an
welchen Stellen es Anspielungen gegeben hat und andererseits, warum eine
Anspielung evt. nicht aufgegriffen wurde – Faktoren wie Unsicherheit oder
Unwissen können Gründe dafür sein.
Je heikler ein Thema ist und je schwerer es einem Gesprächspartner über die Lippen
kommt, umso wichtiger ist es, Sprachbarrieren zu vermeiden bzw. abzubauen. Das
Eingehen auf Anspielungen gehört damit zu grundlegenden Fähigkeiten
kommunikativer Kompetenz.
3.4.4 Umgang mit standardisierten Fragen
Standardisierte Fragen spielen in beruflichen Kontexten eine große Rolle, weil es
dort ein hohes Maß an regulierten und festgelegten Abläufen gibt. Wenn die Schule
die Aufgabe ernst nimmt, auf das (berufliche) Leben vorzubereiten, sollte sie die
46
Schüler dazu befähigen, mit solchen standardisierten Abläufen umzugehen, bzw. sie
auf die Anforderungen des Umganges mit diesen vorbereiten.
Aus der Analyse der Erstgespräche konnte abgeleitet werden, dass standardisierte
Fragen die Gefahr bergen, ein freies Gespräch zu behindern und ein Interview zu
produzieren. Eine schlüssige Themenverknüpfung wird dadurch erschwert oder sogar
verhindert. Daraus lassen sich folgende Ziele für den Unterricht ableiten: Schüler
erkennen standardisierte Fragen und wissen, dass ein starres Festhalten an diesen
eine freie Gesprächsentfaltung blockieren kann. Sie sind in der Lage, standardisierte
Fragen auf ihre Reihenfolge hin zu untersuchen und können sich unter
Berücksichtung der übergeordneten Gesprächsziele (Inhalte? Gesprächsart?) dafür
entscheiden, die vorgegebene Aufeinanderfolge zu verändern. Sie können
vorgegebene Fragen umformulieren und sie durch ihre eigene Wortwahl so an das
Gespräch anpassen, dass die Interaktion nicht unnötig oft unterbrochen wird. Für
letzteres ist es nicht nur nötig, über einen ausreichenden Wortschatz zu verfügen um
eigene Formulierungen zu bewerkstelligen, sondern man braucht auch
Reflexionskompetenz um zu überprüfen, ob die eigene Frage inhaltlich mit der
vorgegebenen Frage übereinstimmt. Dafür muss sowohl die eigene Formulierung als
auch die Äußerung des Gesprächspartners genau auf die Themenrelevanz hin
beobachtet werden.
Letztendlich sollen Schüler auch verschiedene Gesprächsformen und deren Zwecke
kennen. Ein Gespräch unterscheidet sich von einem Interview durch bestimmte
Aspekte und verfolgt damit einen speziellen Sinn. Gleiches gilt auch für das
Interview, das in ganz bestimmten Kontexten zielgerichtet eingesetzt werden kann
und in der Regel auf standardisierten Fragen basiert. Besonders im Hinblick auf die
quantitative Sammlung von Informationen entfaltet das Interview damit seine ganze
Bedeutung.
3.4.5 Gesprächsleitfaden erstellen und im Gespräch effektiv nutzen
Wie in den vorigen Abschnitten verdeutlicht wurde, ist es für das Führen von
Informationsgesprächen sinnvoll, die zu behandelnden Themen so miteinander zu
verknüpfen, dass einerseits das Ziel des Gespräches für die Beteiligten klar ist und
andererseits abrupte Themenwechsel die kommunikative Interaktion nicht immer
wieder unterbrechen. Als Hilfsmittel können dafür vorgefertigte Fragebögen dienen,
die aber vorab unbedingt auf ihren Aufbau hin begutachtet werden sollten. Entsteht
47
der Eindruck, dass der Fragebogen eher einem zusammenhanglosen Abfragen dienen
könnte, bedarf es unter Umständen einer Eigenproduktion, um dem geschilderten
Problem auszuweichen.
Da ein Gesprächsleitfaden vordringlich dem Zweck dient nichts zu vergessen, kann
eine Stichwortliste zunächst hilfreich sein. Dabei wird geklärt, welche Informationen
auf jeden Fall erhalten werden müssen. Die gesammelten Stichworte (eigene oder die
des vorgegebenen Bogens) können im zweiten Schritt in eine sinnvolle Reihenfolge
gebracht werden. Dabei wird es sich nicht immer vermeiden lassen, dass
Themenbrüche auftreten; diese können aber nun besser identifiziert werden. Im
Laufe des Gespräches können Themenwechsel dann angekündigt werden; der
Gesprächspartner kann dann auf ein neues Thema besser eingehen, vorausgesetzt, er
ist über den Gesprächszweck ausreichend informiert.
Für den flüssigen Verlauf des Gespräches ist es darüber hinaus wichtig, zu
Stichworten freie Sätze formulieren zu können. Dies fällt umso leichter, je besser der
Sprecher paraphrasieren, umschreiben und frei formulieren kann.
Im Grunde ähneln diese Fähigkeiten sehr stark denen, die für Präsentationen benötigt
werden, nur dass im Gespräch noch die unberechenbare Größe des
Gesprächspartners samt seinen Äußerungen hinzukommt, auf die es möglichst
flexibel zu reagieren gilt. Ein Schüler mit Erfahrungen im Präsentieren dürfte mit
dieser Herausforderung jedoch besser umgehen können als einer, der nicht gelernt
hat, aus Stichworten und Gedächtnisstützen freie Sätze zu formulieren.
Konkret könnte hier zum Beispiel der Einsatz von Kohäsionsmitteln genannt werden
oder der Rückbezug auf bereits vorher Gesagtes. Besonders an Stellen des
Gesprächsverlaufes, die im Vorfeld als schwierig eingestuft werden (also
beispielsweise bei einem nicht zu vermeidendem Themenwechsel), können sie den
Bruch im Gespräch deutlich glätten. Eine entsprechende Notiz bzw. ein Hinweis auf
die geeigneten Formulierungen macht den Gesprächsleitfaden zu einem echten
Hilfsmittel.
48
4 Vergleich von ausbildungsbezogenen Erwartungen und Vorgaben
durch den Bildungsplan
In diesem Abschnitt wird gezeigt, inwiefern die zwei Grundbereiche Sprechen und
Reflexion über Sprache für den Zweck der Förderung berufsbezogener Kompetenzen
ausgelegt und genutzt werden können.
Als wichtiger Aspekt erscheint mir, dass kommunikative Kompetenz dann effektiv
geschult und verbessert werden kann, wenn der Schritt vom „intuitiven
Problembewusstsein“ zum „analytischen Problembewusstsein“ gelingt (vgl. Lepschy
1999, S. 52). Nur so kann man sich von der allgemein verbreiteten Meinung,
sprechen könne doch irgendwie jeder, lösen und die eigenen Fähigkeiten realistisch
beurteilen, Fehler identifizieren und Verbesserungen bzw. Handlungsalternativen
aufzeigen. Deswegen nimmt die Reflexion über Sprache, und insbesondere über
gesprochene Sprache, eine herausragende Stellung bei der Förderung
kommunikativer Kompetenzen ein.
Diese dominante Stellung wird ihr im Bildungsplan jedoch eindeutig nicht
zugewiesen. Der Schwerpunkt liegt dort mehr auf der Entwicklung und Anwendung
von Gesprächsregeln, es werden also Vorgaben gemacht, wie man sich in konkreten
Sprachsituationen zu verhalten habe anstatt authentische Sprechhandlungen zu
reflektieren und daran Handlungsalternativen aufzuzeigen.
Umso wichtiger erscheint mir, dass Lehrer und Schüler eine Gesprächskultur
entwickeln, so dass authentische und vielfältige Gesprächsanlässe ermöglicht
werden, die anschließend reflektiert werden können9. Dabei ist zu beachten, dass
nicht jedes Gespräch und jede Erzählsituation sich gleichermaßen eignet, wirklich
authentische Sprachhandlungen zu erzeugen. Fienemann und von Kügelgen warnen
zum Beispiel davor, Alltagskommunikation, etwa im Rahmen eines „Erzählkreises“
unreflektiert in den schulischen Kontext zu holen, da bedingt durch den Charakter
der Institution Schule (geregelte Verteilung des Rederechts usw.) keine
alltagstypischen Gesprächsmuster entstehen können (vgl. Fienemann/v. Kügelgen
2006, S. 133ff.). Der Zweck des Gespräches spielt daher eine wichtige Rolle; die
Gesprächspartner sollten sich auf gemeinsame (!) Ziele festlegen können.
9 Vgl. z. B. die Unterrichtskonzeption zum Klassenrat von Doris Baumann (http://www.bildung-staerkt-menschen.de/unterstuetzung/schularten/GS/umsetzungsbeispiele/D/@@example.2004-11-03.4673527332) (11.07.08)
49
Die Möglichkeiten zur Umsetzung sind trotzdem vielfältig. Als Gesprächsformen
kommen Klassengespräche10, Gespräche in Kleingruppen, Diskussionen, Berichte,
Gruppenarbeitsphasen und vieles mehr in Betracht. Auch Projekte bieten jede Menge
Gesprächsanlässe, insbesondere, wenn die Schüler in die Planung und Vorbereitung
aktiv einbezogen werden. Wichtig ist es dann vor allem, dass Lehrkräfte diese
Gesprächssituationen als solche auch wahrnehmen und den Schülern Möglichkeiten
zur Reflexion einräumen. Wenn es auch aus Zeitgründen unrealistisch ist,
beispielsweise von Klassengesprächen Transkripte anzufertigen, so könnten
Tonbandaufnahmen evt. einen Kompromiss darstellen. Zumindest ließe sich dann
verhindern, dass die Reflexion nur auf der Erinnerung an das Gespräch basiert oder
dass vorab Vorschläge für bestimmtes Verhalten in einer fiktiven Situation gegeben
werden.
In einer kommunikationsorientierten Unterrichtskultur sollten Präsentationen zu
verschiedenen Themen nicht fehlen. Im Bildungsplan des Faches Deutsch werden
diese nur auf Buchvorstellungen bezogen. Unabhängig davon, ob im Fach Deutsch
auch andere Themen präsentiert werden oder ob dies in anderen Fächern geschieht,
so ist doch darauf hinzuweisen, dass das Präsentieren eine komplexe Sprachhandlung
ist, die mehrerer Voraussetzungen bedarf. Der präsentierende Schüler muss das
Thema bestimmen, eingrenzen und darstellen, er muss den Ablauf und die
Reihenfolge festlegen und er kann sich durch Visualisierungshilfen, eine
Stichwortliste oder einen Leitfragen Unterstützung schaffen. Dies entspricht doch im
Wesentlichen den Faktoren, die für das Gelingen pflegerischer Erstgespräche
herausgearbeitet wurden (vgl. insbes. Kap. 3.4.5)! Lediglich der Gesprächspartner als
Unsicherheitsfaktor fehlt bei der Präsentation, so dass unter diesem Blickwinkel das
Präsentieren sogar um einen Faktor weniger komplex ist als das Erstgespräch –
welch andere Einschätzung als man annehmen würde, gilt doch das Präsentieren als
etwas Anspruchsvolles, was besonderer Übung bedarf, während jenes ja ‘nur ein
Gespräch’ ist…
Abgesehen von Inhalten des Bereiches Sprachdidaktik möchte ich noch die
Bedeutung des Literaturunterrichts für die Ausbildung der kommunikativen
Kompetenzen hervorheben. Meines Erachtens lassen sich auch aus den
literaturdidaktischen Bereichen Lernziele für die Förderung von Kompetenzen für
den mündlichen Sprachgebrauch ableiten, vor allem wenn man ihn als
10 Siehe z. B. das „Umtopfbeispiel“ (vgl. Berkemeier 2006, S. 174)
50
Literaturunterricht in der Auslegung Kaspar H. Spinners versteht (vgl. z. B. Spinner
1987, 1989).
Ein zentraler Begriff in Spinners Konzeption ist die Perspektivenübernahme, von der
wir gesehen haben, dass sie eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von
Gesprächen ist. Spinner überträgt die Entwicklung der Fähigkeit zur
Perspektivenübernahme auf die Fähigkeit, sich in literarische Figuren hinein zu
versetzen. Es ist die Besonderheit literarischer Texte, dass in ihnen Personen oder
Wesen agieren, deren Verhalten und Handeln man nur verstehen oder nachvollziehen
kann, wenn man in der Lage ist, eine fremde Perspektive zu übernehmen. Damit ist
nicht unbedingt gemeint, dass man sich mit der jeweiligen Figur identifizieren muss,
es ist aber nötig, sich so weit in sie hinein zu versetzen, dass man ihre Motivationen
und Gründe für ihr Handeln nachvollziehen kann. Außerdem werden in literarischen
Texten verschiedene Perspektiven miteinander in Beziehung gesetzt, so dass der
Leser aufgefordert wird, sich über bestimmte Sichtweisen Gedanken zu machen und
diese zu reflektieren (vgl. Spinner 1989, S. 16).
Ein in diesem Sinne gelungener Literaturunterricht kann das kompetente
Sprachhandeln insofern unterstützen und abrunden, dass Personen, die zur
Perspektivenübernahme fähig sind, auch adäquat auf ihre Gesprächspartner eingehen
können. Ähnliches gilt für alle Formen des darstellenden Spiels und des Rollenspiels.
Auch hier spielt in Bezug auf kommunikative Kompetenzen die
Perspektivenübernahme eine wichtige Rolle.
51
III SCHRIFTLICHE KOMMUNIKATION
(Empirischer Teil)
1 Anlässe und Formen schriftlicher Kommunikation in der Pflege
Gemessen an quantitativen Gesichtspunkten und im Vergleich zu den Anteilen
mündlicher Kommunikation nehmen schriftliche Kommunikationsformen in der
Kranken- und Altenpflege einen verhältnismäßig kleinen Stellenwert ein. Betrachtet
man jedoch die qualitative Komponente von Texten, die im Pflegealltag entstehen,
näher, lässt sich deren große Bedeutung erkennen.
Fast alles, was Pflegekräfte schriftlich fixieren, geschieht im Zusammenhang mit der
Pflegedokumentation. Darunter versteht man eine Sammlung aller Berichte, Notizen,
Befunde und Formulare, die den Pflegeverlauf betreffen. Die Pflegedokumentation
stellt damit einen Teil der Patientenakte dar. Der wichtigste Zweck dieser
Dokumentation ist die Erstellung einer individuell ausgerichteten Pflegeplanung, die
eine strukturierte Arbeitsweise aller beteiligten Pflegekräfte zum Ziel hat. Die
Pflegenden entwickeln anhand der gesundheitlichen Einschränkungen des Patienten
bestimmte Gesichtspunkte für die im Anschluss fest zu legenden pflegerischen
Maßnahmen. Da in der Pflegeplanung nicht nur das vorgesehene pflegerische
Vorgehen und genaue Anordnungen enthalten sind, sondern in der Regel auch eine
Bewertung der pflegerischen Maßnahmen vorgesehen ist, trägt sie auch wesentlich
zur Qualitätskontrolle bei.
Es gibt verschiedene Modelle, nach denen Pflegedokumentation und Pflegeplanung
erstellt werden. Gemeinsam ist ihnen ein Aufbau, der sich an folgenden Tätigkeiten
und Überlegungen orientiert: Den Pflegebedarf einschätzen (Informationen sammeln
und auswerten), die Pflege planen (Ziele und Maßnahmen festlegen), die Pflege
durchführen und die Evaluation / Verbesserung der Pflegemaßnahmen (vgl. z. B.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pflegeplan).
Abgesehen von der Planung erfüllt die Dokumentation weitere wichtige Zwecke: Sie
stellt den Leistungsnachweis für erbrachte pflegerische Leistungen bei der
Abrechnung mit den Leistungsträgern im Gesundheitswesen dar, sie dient der
juristischen Absicherung der verantwortlichen Pflegekräfte sowie der Information
der Kollegen, die den betreffenden Patienten ebenfalls betreuen. Mahler et al. (2002,
52
S. 6) fassen die Anforderungen an die Pflegedokumentation zusammen und führen
aus:
Jegliche Art von Dokumentation erfüllt den Zweck des Wiederauffindens und Aufbewahrens von Informationen. Dabei dient das Sammeln und Ordnen von Informationen einen [!] bestimmten Zweck. Für die Akzeptanz der Pflege- dokumentation ist es wichtig, die Gründe für die Dokumentation darzulegen. Einige wichtige Gründe sind:
- Schutz vor Informationsverlust - Unterstützung der Informationsbeschaffung - Unterstützung des zielorientierten Handelns - Konsistenz und Kontinuität der Pflege - Kommunikation mit anderen Berufsgruppen - Internes und externes Qualitätsmanagement - Leistungserfassung und Leistungsabrechnung - Rechtssicherheit - Einsatz für die Lehre - Unterstützung der Pflegewissenschaft - Unterstützung der Krankenhausplanung
Daraus folgt, dass die Dokumentation trotz des umfangreichen Inhaltes detailliert,
präzise und verständlich sein muss. Sie sollte gut und ohne allzu großen Zeitaufwand
lesbar sein. Sie muss alle Maßnahmen, die am Patienten erbracht wurden, sowie alle
relevanten Beobachtungen, Messungen usw. enthalten (vgl. z. B. Jung-Heintz/Lieser
2004, S. 56ff. oder www.pflegewiki.de/wiki/Pflegedokumentation).
Die Pflegedokumentation gliedert sich in der Regel in verschiedene Teile, wobei es
jeder Einrichtung frei steht, wie sie die Gestaltung und Aufteilung im Einzelnen
vornimmt. In vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens kommen standardisierte
Formulare zum Einsatz, häufig wird das System Optiplan® benutzt, das es in
verschiedenen Ausführungen gibt, die ich hier allerdings nicht im Detail beschreiben
möchte (vgl. www.optiplan.org/1/Homepage.htm).
Einheitlich ist jedoch weitestgehend, dass in einem vorbereiteten Blatt täglich die so
genannten Vitalwerte wie Temperatur, Puls und Blutdruck sowie die gesamte
aktuelle Medikation eingetragen wird. Hierzu gehören oral eingenommene
Medikamente wie Tabletten oder Tropfen sowie Infusionen, Inhalationen, Salben
usw. Weitere Spalten gibt es für andere Parameter wie beispielsweise die
Flüssigkeitsbilanz, Dokumentation der Ernährung bezüglich Art und Weg (oral oder
über eine Magensonde) usw. In der Regel werden hier auch venöse und arterielle
Zugänge für Infusionen sowie andere Arten von ‘Kabeln’ (etwa das Kabel des
Überwachungsmonitors) und ‘Schläuchen’ (Drainagen, Sonden, Katheter und
53
dergleichen) mit dem Datum der Anlage protokolliert. Dieser Teil der
Dokumentation entspricht in erweiterter Form dem, was früher als ‘Fieberkurve’
bezeichnet wurde und gibt auf einen Blick auch Aufschluss über messbare Daten, die
durch Pflegekräfte direkt am Patienten erhoben wurden. Diese Daten lassen schnell
Rückschlüsse auf seinen Zustand und Veränderungen desselben zu.
Auf einem weiteren Blatt (oder der Rückseite der ‘Fieberkurve’) tragen die Ärzte
ihre Anordnungen für Untersuchungen, Eingriffe, therapeutische Anwendungen u. ä.
ein. Die Pfleger haben dann die Aufgabe, diese Anordnungen auszuarbeiten, also
Blutröhrchen zu richten, Anmeldeformulare auszudrucken, die Termine des
Patienten zu koordinieren und vieles mehr. Sie bestätigen durch ihr Handzeichen,
dass der betreffende Punkt von ihrer Seite her erledigt ist.
Besonders auf Stationen, auf denen mit äußerlichen Schäden am Körper des
Patienten zu rechnen ist, gibt es oft einen Vordruck, auf dem Hautläsionen aller Art
durch Striche, Schraffierungen o. ä. eingezeichnet werden können. Dafür steht eine
Skizze des menschlichen Körpers zur Verfügung, in die an der betreffenden
Körperstelle ein Vermerk gemacht werden kann.
Es gibt in der Praxis verschiedene Varianten der Dokumentation spezieller
Pflegemaßnahmen, die im Rahmen der Pflegeplanung festgelegt wurden (s. o.). Oft
wird ein spezielles Formular angelegt, auf dem die Maßnahmen genauer beschrieben,
erklärt und protokolliert werden. Manchmal ergibt sich die Umsetzung der
Pflegeplanung schon durch die vom Arzt angeordnete Medikation, etwa wenn eine
Wunde mit einem speziellen Medikament oder einem besonderen Verbandsmaterial
versorgt werden soll. Das Formular für die Pflegeplanung kann auch bereits
ausformuliert vorliegen, so dass die Pflegenden nur noch die entsprechenden Felder
ankreuzen müssen. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die erste Seite einer
vorbereiteten Pflegeplanung; die die Teilbereiche Körperpflege und Ernährung
umfasst.
54
Abb. 3: Pflegeplanung (Ausschnitt)
Auf den weiteren, hier nicht abgebildeten Seiten finden sich – in unterschiedlicher
Ausführlichkeit – die weiteren Bereiche: „Ausscheidung“, „Bewegung“, „Wachsein/
Schlafen“, „Körpertemp.“, „Atmung“, „für Sicherheit sorgen“, „Beschäftigung“
„Kommunikation“ und „Sinn finden“. Auf der rechten Seite der Tabelle befindet sich
ein Raster, bei dem jede am Patienten tatsächlich durchgeführte Handlung per
Handzeichen mit Zuordnung zur jeweiligen Schicht (F, S, N) dokumentiert wird.
In einigen Einrichtungen gibt es für Routinehandlungen, wie z. B. den
Verbandwechsel an einer peripheren Verweilkanüle, festgelegte Standards, die in
ausführlicher schriftlicher Form vorliegen und den genauen Ablauf dieser
Handlungen regeln, so dass die Dokumentation sich auf Kürzel wie „nach Standard“
oder „nach Leitlinien“ („n. LL“) beschränken kann. Bei einer Pflege nach Standards
wird so immer ein bestimmtes Leistungs- und Qualitätsniveau festgelegt.
Pflegestandards werden von professionellen Pflegekräften entwickelt und formuliert.
Da die Erstellung von Standards jedoch eine hervorragende Sachkenntnis voraussetzt
und überdies sehr aufwändig ist, werden für diese Aufgaben in der Regel
Expertenrunden oder Kommissionen benannt, so dass diese Art der Textproduktion
nicht im regulären Pflegealltag stattfindet. Deswegen soll sie hier auch nicht weiter
thematisiert werden.
55
Die aufwändigste Schreibtätigkeit für die Pflegenden ist der so genannte
Pflegebericht. In einem Fließtext wird hier mindestens ein Mal pro Schicht der
aktuelle Zustand des Patienten beschrieben, sofern diese Fakten nicht durch die
Einträge auf den anderen Blättern zu entnehmen sind. Im Pflegebericht wird
aufgeführt, ob es in der vergangenen Schicht spezielle Schwierigkeiten gab, wie der
Patient sich subjektiv fühlt, ob es besondere Vorkommnisse gab oder Informationen
eingetroffen sind, die nicht anderweitig dokumentiert wurden. Die Bewusstseinslage
und das psychische Befinden des Patienten sind ebenfalls Elemente, die hier fixiert
werden. Auch wenn geplante pflegerische Tätigkeiten nicht oder abgeändert
durchgeführt wurden, sollte dies im Pflegebericht mit einer Begründung der
Abweichung vermerkt werden.
Der Pflegebericht hat die Funktion, den Patienten genauer zu beschreiben als es in
den standardisierten Tabellen möglich ist. Durch den Pflegebericht wird das Bild, das
sich die Pflegenden vom Patienten machen, reflektiert und vervollständigt. Der
Bericht kann damit auch zur rechtlichen Absicherung und zur Interpretation einer
zweifelhaften Situation herangezogen werden, sollte es zu Unklarheiten über die
angeordneten Maßnahmen und deren Durchführung kommen. Der Pflegebericht wird
in der Fachsprache verfasst und enthält häufig Abkürzungen, die aber im
Pflegeumfeld allgemein oder auf der Station im Speziellen geläufig sind.
Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren immer mehr Krankenhäuser
ihre schriftliche Dokumentation auf elektronische Datenverarbeitungssysteme
umstellen werden. Schon heute gibt es verschiedene Arten von Software, die im
Einsatz sind und je nach Oberfläche und Komplexität neben den sprachlichen auch
noch erhebliche technische Anforderungen an die Benutzer stellen11.
Wenn ein Patient nicht nach Hause entlassen, sondern auf eine andere Station bzw. in
eine andere Einrichtung verlegt wird, sollte ein Verlegungsbericht angefertigt
werden, aus dem die wichtigsten Informationen zum Pflegeverlauf ersichtlich sind.
Besonders nach einem langen Aufenthalt empfiehlt sich diese Art von Bericht, damit
das nachfolgende Pflegeteam von der Erfahrung seiner Vorgänger profitieren kann.
Wichtige Anforderungen an einen Verlegungsbericht, die seitens des Pflegepersonals
gestellt werden, sind seine Prägnanz und Unmissverständlichkeit sowie die
Möglichkeit, ihn schnell ausfüllen zu können. Es besteht in juristischem Sinne keine
11 Beispiele für Softwareprogramme dieser Art sind z. B. COPRA (http://www.copra-system.de/) (17.06.08) oder CareView (http://www.questek.com.au) (17.06.08)
56
Pflicht, einen Pflegeverlegungsbericht zu schreiben, so dass er quasi als ‘Service’ an
die übernehmenden Pflegekräfte mitgegeben wird. Daher ist der Wunsch nach einer
zeitsparenden Art des Ausfüllens durchaus verständlich und legitim.
Abb. 4 Pflegeverlegungsbericht
Neben der Pflegedokumentation gibt es im Stationsalltag weitere Formen der
Textproduktion, die zwar im weitesten Sinn der Kommunikation dienen, aber eher
eine untergeordnete Rolle spielen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang
Gesprächsnotizen, die sich auf Telefonate beziehen. Die Inhalte des Telefonats
werden schriftlich fixiert, um nicht anwesenden Kollegen etwas auszurichten oder
um sie – per Aushang – einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das
Gleiche gilt auch für Protokolle von Teamsitzungen, die entweder ausgehängt oder in
einem dafür vorgesehenen Ordner abgelegt werden.
2 Untersuchungen zur schriftlichen Kommunikation
2.1 Überblick über den aktuellen Forschungsstand
Für den Bereich der schriftlichen Kommunikation ergab die Sichtung der
vorliegenden Arbeiten ein ernüchterndes Ergebnis: Es liegt keine einzige Arbeit vor,
in der wirklich der Blick ausschließlich auf sprachliche Phänomene gelegt wurde.
57
Die ohnehin nicht sehr zahlreichen Veröffentlichungen thematisieren in der Regel
Schwierigkeiten im Rahmen der Pflegeplanung und gehen vor allem auf eine
pflegefachliche oder pflegetheoretische Fragestellung ein (vgl. z. B. Höhmann 1996).
Ich habe mich daher entschlossen, selbst nach Texten zu suchen, die von Pflegenden
verfasst worden sind und diese einer qualitativen Analyse zu unterziehen. Zu diesem
Zweck habe ich in einer großen süddeutschen Akutklinik Pflegeberichte gesammelt.
Es handelt sich um die Art von Berichten, die am Ende einer Schicht zu jedem
Patienten verfasst werden und deren Inhalt auch das Thema der Pflegeübergabe von
einer zur nächsten Schicht ist.
Der Pflegebericht ist die einzige Form schriftlicher Kommunikation, die als freier
Text (wenn auch nicht zwangsläufig als Fließtext) verfasst wird. Mein Interesse galt
daher vor allem der Fragestellung, ob sich das, was im Deutschunterricht im Bereich
der Schreibdidaktik gelehrt wird, auch tatsächlich im beruflichen Umfeld wieder
findet. Dabei soll betrachtet werden, ob die Schreibdidaktik gezielt auf das Schreiben
von Texten im Beruf vorbereitet und ob die in der Schule erworbenen Fähigkeiten im
beruflichen Umfeld abgerufen werden können.
Die genauen Kriterien für die Analyse habe ich erst im Laufe der Datensammlung
festgelegt, da ich zunächst nicht gezielt nach spezifischen Auffälligkeiten suchen
wollte. Im Laufe der Sammlung wurde aber offensichtlich, dass bestimmte
Phänomene gehäuft auftreten, so dass diese an jeweils mehreren Beispielen gezeigt
werden können. Es wäre interessant, meine Aussagen auch durch eine quantitative
Untersuchung empirisch zu untermauern. Dies scheint mir aber ein äußerst
umfangreiches Unternehmen zu sein, das letztendlich den Rahmen dieser Arbeit
sprengen würde.
2.2 Eigene empirische Untersuchung von Pflegeberichten
2.2.1 Methode und Analysekriterien
Bei der Überlegung, welche Textsorten sich für eine Art der Analyse im Kontext
dieser Arbeit eignen könnten, war zunächst auch das Problem zu lösen, zu welchen
Daten ich überhaupt Zugang bekommen könnte. Durch meine Berufstätigkeit ergab
sich die Möglichkeit, eine Datensammlung in einer großen Akutklinik zu planen. In
Gesprächen mit der verantwortlichen Pflegedienstleiterin, die ihr grundlegendes
Einverständnis zu einer Datensammlung gab, wurde jedoch ihr - durchaus
58
nachvollziehbarer - Einwand deutlich, dass die Klinik natürlich wenig Interesse
daran haben könnte, dass ich aufzeige, was die Angestellten des Pflegedienstes alles
nicht beherrschen bzw. wo ihre sprachlichen Defizite sind und dieses im Rahmen
dieser Arbeit an die Öffentlichkeit bringe.
So entstand die Idee, grundsätzliche sprachliche Phänomene von Pflegeberichten
deskriptiv aufzuzeigen und zu überprüfen, auf welche dort benötigten Kompetenzen
der Deutschunterricht vorbereiten kann. Da der Pflegebericht die einzige frei
formulierte Textsorte im Arbeitsalltag ist, erschien es mir sinnvoll, diese Textform
für eine genauere sprachliche Analyse auszuwählen. Dass dabei sehr gute Berichte
als Vorbild genutzt werden können, dafür schwächere eher zur Ableitung von
Verbesserungsvorschlägen oder zum Aufzeigen spezieller Probleme dienen, lässt
sich nicht völlig vermeiden. Dennoch ist es mir wichtig, die Pflegeberichte in der
Analyse keinesfalls zu bewerten oder herabzuwürdigen. Viele sind, wie noch zu
sehen sein wird, unter äußerst widrigen und schwierigen Umständen entstanden. Als
Textkorpus stehen 295 Pflegeberichte zur Verfügung, die auf sechs Normalstationen
und einer Intensivstation des Akutkrankenhauses entstanden sind. Dabei bezeichne
ich alle Einträge (meist ist es allerdings nur einer) zu einer ganzen Arbeitsschicht als
einen Bericht.
Es handelt sich bei der Untersuchung der Pflegeberichte um eine qualitative Analyse.
Nach der Sammlung der Daten und einer ersten Sichtung war schnell klar, dass
bestimmte Phänomene in einem Großteil der Berichte zu finden waren. Diese
wurden als Kriterien mit dem Ziel ausgewählt, die Phänomene detailliert zu
beschreiben. Aufgrund der Größe des Korpus wäre es möglich, hier auch quantitative
Aussagen zu machen, worauf ich jedoch verzichtet habe, da der Umfang der Arbeit
dies nicht zulässt.
Da die sprachlichen Phänomene durch Beispiele belegt werden sollen, hat die
Wahrung der Anonymität hohe Priorität. Ich habe die Berichte auf den jeweiligen
Stationen fotokopiert, werde Beispiele aber nur in abgetippter Form präsentieren, um
die Handschriften der Pflegenden zu anonymisieren. Nicht leserliche Passagen
wurden durch <…> gekennzeichnet, Abkürzungen und Symbole wurden unverändert
übernommen. Datum, Uhrzeit oder die übliche Notiz der Schicht (Früh-, Spät-,
Nachtdienst) sowie Handzeichen der Pflegenden wurden entfernt und
Patientennamen in beliebige Namen verändert, die rein zufällig ausgewählt wurden.
59
Bei der Wiedergabe habe ich alle Zeilenumbrüche so übertragen, wie ich sie in den
Berichten vorgefunden habe.
Die Nummerierung der Berichte beschreibt lediglich die Reihenfolge während der
Datenerhebung, dient nur dem Wiederauffinden innerhalb des Korpus und wird
daher nach jedem Zitat in Klammern angegeben. Medizinische Fachbegriffe werden
im Fußnotentext erklärt.
Die folgenden Abschnitte wurden so sortiert, dass erst sprachliche Phänomene
beschrieben werden und anschließend Inhalte und Textfunktion betrachtet werden.
Damit orientiere ich mich am Vorschlag Adamziks, Texte getrennt nach textinternen
und textexternen Dimensionen zu beschreiben (vgl. Adamzik 2004, S. 55).
Trotz offensichtlicher und vielfältiger Auffälligkeiten im Bereich der Orthographie
habe ich mich dazu entschlossen, diesen Gegenstand nicht in die Analyse
aufzunehmen. Das hat zwei Gründe: Zum einen müssten die orthographischen
Probleme genau analysiert und anschließend systematisiert werden, um daraus
schulische Fördermöglichkeiten ableiten zu können.
Zum anderen halte ich die meisten orthographischen Unregelmäßigkeiten in den
gesammelten Berichten nicht für so gravierend, dass sich daraus Kommunikations-
schwierigkeiten ergeben würden. Die Verständlichkeit ist in der Regel nicht
eingeschränkt, so dass der Fokus auch ohne Thematisierung der Orthographie auf der
kommunikativen Funktion liegen kann. So könnte sich zwar ein weiteres
Forschungsvorhaben zum Thema Orthographie im beruflichen Schreiben ergeben,
dies entspricht jedoch nicht der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit.
2.3 Ergebnisse der Analyse von Pflegeberichten
2.3.1 Textsorte Pflegebericht?
Bei einer ersten Betrachtung fällt dem Leser schnell ins Auge, dass die vorliegenden
Pflegeberichte sehr unterschiedlich ausfallen. Ihr Umfang reicht von ein bis zwei
Wörtern („schlief“ (119), „Pat. schlief“ (22, 28, 57 u. a.) oder „Ø Beschwerden“
(80)) bis zu ausführlicheren Texten mit mehreren Sätzen:
Pat. hat sich selbst versorgt. Laut HNO muss eine Tonsillektomie durchgeführt werden, außerdem sollen noch diverse Zähne gezogen / bzw. Parotontitis behandelt werden vor OP! Fraglich ist noch, ob Pat. so lange bei uns auf Station liegen
60
muß, da dies längere Zeit in Anspruch nimmt! (55) 12
An diesen wenigen Beispielen kann man schon deutlich sehen, dass es keinen
einheitlichen Umgang mit dem Schreibstil in Bezug auf die Textsorte gibt; in den
meisten Berichten dominieren stichwortartige Aufzählungen, in anderen finden sich
ganze Sätze, so dass Fließtexte entstehen. Berichte, die den Umfang von drei bis vier
Sätzen übersteigen, sind aber die Ausnahme.
An den oben zitierten Beispielen kann man die Spaltenbreite erahnen, die für den
Bericht vorgesehen ist (es sind 11 cm); die vorliegenden Berichte umfassen im
Durchschnitt 3,1 Zeilen. Die Anzahl der Zeilen ist allerdings nicht unbedingt
aussagekräftig in Bezug auf Inhalt oder Umfang, da kleiner geschriebene Buchstaben
naturgemäß weniger Zeilen benötigen, manche Schreiber hingegen für jedes einzelne
Thema eine neue Zeile beginnen, was insbesondere bei den stichwortartigen
Berichten vorkommt.
Während der Datensammlung fiel mir auf, dass der Umfang der Berichte auch stark
stationsabhängig ist. Auf einer Station, auf der die Patienten oft mehrere Wochen
lang behandelt werden, waren die Berichte durchschnittlich doppelt so lang wie auf
einer anderen Station, auf der die durchschnittliche Liegedauer nur wenige Tage
umfasst. Ob die Länge der Berichte dadurch beeinflusst wird, dass die Pflegenden
die Patienten bei längerer Liegedauer besser kennen lernen oder mehr dadurch, dass
die Stationsleitungen je nach Krankheitsschwerpunkten dem Bericht eine
unterschiedliche Bedeutung beimessen, darüber lässt sich nur spekulieren. Eine
einheitliche Vorgabe, an der sich die Pflegenden orientieren könnten, gibt es jedoch
nicht.
In der Regel werden die Berichte in Vergangenheitsformen verfasst. Dies liegt
meines Erachtens vor allem daran, dass sie meistens am Ende einer Schicht
geschrieben werden und die Pflegekräfte auf die vergangenen Stunden zurückblicken
und das Geschehen zusammenfassend notieren. Dabei kommen sowohl Perfekt als
auch Präteritum vor; innerhalb der Berichte wechselt die Vergangenheitsform in der
Regel jedoch nur selten, der einzelne Schreiber legt sich also auf eine der beiden
Möglichkeiten fest. Im Perfekt:
Pat hat nur 200 ml Urin <…>eschieden – Arzt informiert hat sich mit hilfe am Waschbecke<…> gewaschen […] (255)
12 Tonsillektomie: Entfernung der Rachenmandeln; Parodontitis: Zahnfleischentzündung
61
Im Präteritum:
Pat. wurde gegen 200 Uhr von der Wachstation auf Station verlegt. Sie wirkte sehr erschöpft und müde und schlief gleich ein. (187)
Manche Berichte stehen auch im Präsens; diese Form wird vor allem gewählt, wenn
sich am Zustand des Patienten bis zum Zeitpunkt des Schreibens nichts geändert hat:
Pat. fühlt sich nicht wohl, Vitalz. ↓ wie immer aber stabil, lehnt Grundpflege ab, obwohl ich ihm auch nur eine „Katzenwäsche“ angeboten habe, liegt nur im Bett + schont sich (216) 13
2.3.2 Syntax
Zum allgemeinen Verständnis konzeptualer Schriftlichkeit gehört unter anderem ein
komplexer und elaborierter Sprachgebrauch, der sich nicht zuletzt durch vollständig
konstruierte Sätze auszeichnet. Ob und inwiefern dies für Pflegeberichte zutrifft, ist
Inhalt der nächsten Abschnitte.
2.3.2.1 Satzglieder
Durch den stichwortartigen Charakter der Berichte entstehen regelmäßig
unvollständige Sätze, bei denen auf einzelne Satzglieder verzichtet wird. Dabei fehlt
entweder das Verb als Prädikat (fast durchgehend betrifft es die flektierten Formen
von ‘sein’), das Hilfsverb oder das Subjekt. Beispiele für fehlende Verben sind:
Pat. respiratorisch stabil, kardiozirkulatorisch schwankender Arterenolbedarf […] (90) 14 oder
Sonst Pat. wie immer, tlw. desorientiert (31)
oder
Pat. heute morgen bei ERCP; → hat eitrige Cholangitis […] (5) 15
Nicht selten fehlen die Hilfsverben, es sind dann lediglich die Partizipien vorhanden:
[…] Extubation 1215 seither etwas Hyperventiliert aber soweit gute Gase […](1) 16
13 Vitalz.: Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Atemfrequenz) 14 Arterenol: Medikament, das in der Intensivmedizin intravenös zur Blutdrucksteigerung verabreicht wird. 15 ERCP: Darstellung der Gallenwege, Cholangitis: Gallengangsentzündung 16 Extubation: Entfernung des Beatmungsschlauches aus der Luftröhre
62
oder
Pat. klagt über Schmerzen. Bedarfsmedi verabreicht. Nachsorge bisher o.B. (37)
Erstaunlich ist, dass in vielen Berichten das Tempus (teilweise auch der Modus)
nicht identifiziert werden kann, weil die dazu notwendige flektierte Verbform fehlt.
Dazu kommt es zu Konstruktionen wie
Pat. Ø Beschwerden, unauffällig (133)
oder
Pat. geduscht.[…] (203)
Es wird hier also nicht deutlich, ob der Patient geduscht hat oder ob er geduscht
wurde, was aus pflegerischer Sicht einen erheblichen Unterschied bezüglich der
daraus zu ziehenden Rückschlüsse über seine Selbständigkeit und den evt. damit
verbundenen Arbeitsaufwand macht.
Fehlende Subjekte finden sich zum Beispiel in folgendem Bericht:
Pat. war bei der Lufu. War lange weg Wartet zu Hause auf OP Termin Bekommt am Freitag Zähne gezogen bleibt solange hier. (51)17
Bei dieser Konstruktionsart wird in der Regel so vorgegangen, dass das Subjekt zu
Beginn des Eintrages steht und sich alle weiteren Sätze dann darauf beziehen. Diese
werden aber nicht durch Kommata aneinander gereiht, sondern stehen entweder ohne
Satzzeichen hintereinander (s. o.) oder werden durch Punkte getrennt.
Pat. klingelt. Hat Bedenken wg. heutiger HK-Untersuchung. Wollte etwas zur Beruhigung. Habe sie verbal beruhigt. (84)18
2.3.2.2 Nebensätze
Der Großteil der vorliegenden Fließtexte besteht aus einer Aneinanderreihung von
einfachen Hauptsätzen, Nebensatzkonstruktionen sind die Ausnahme, kommen aber
häufiger vor, wenn der Text insgesamt länger ist. Aufgrund der Unvollständigkeit der
Sätze sind auch Satzgefüge oft nicht vollständig und daher teilweise schwierig zu
klassifizieren. Die häufigsten Nebensätze werden durch Konjunktionen eingeleitet
(vgl. Drosdowski 1984, S. 667). In dieser Gruppe finden sich insbesondere
Kausalsätze, die durch ein Begründungsverhältnis gekennzeichnet sind: „im
17 Lufu: Lungenfunktionsuntersuchung 18 HK: Herzkatheteruntersuchung
63
wesentlichen wird in dem einen der beiden Teilsätze die Ursache für das im anderen
Satz genannte Geschehen […] gegeben“ (ebd, S. 692). Kausalsätze werden in der
Regel durch ‘weil’ oder ‘da’ eingeleitet, so auch in folgenden Beispielen:
800 Uhr wurde Heparinperfusor pausiert, da Pat. noch Ascites-Pkt. erhalten soll; hat sich morgens im Bad selbst vesorgt […] (65)19
bzw.
[…] kam nach ca 30 Min zurück, weil dort zu viele Leute waren. […] (30)
Bisweilen gibt es in den Berichten auch andere Konjunktionen, zu finden sind die
Wörter „aber“ (sechs mal), „jedoch“ (vier mal), „als“ (zwei mal) „obwohl“
„deshalb“, „wenn“, ob“ (jeweils ein mal), sowie Konstruktionen mit „dass“ (vier
mal).
Auffallend selten sind Relativsätze. Im gesamten Material (295 Berichte) sind nur
drei Nebensätze dieser Art zu finden, sie stehen in Berichten von sieben Zeilen bzw.
vier Zeilen Länge, also überdurchschnittlich langen Texten. Eine der drei
Relativsatzkonstruktionen müsste das Relativpronomen im Dativ enthalten, der
Schreiber verwendet es jedoch im Nominativ:
Pat. hatte mehrmals VT-Alarm, welche durch den Defi mit Entladungen entgegen gesteuert wurde. […] (23)20
In diesem Fall stimmen weder Kasus noch Numerus von Substantiv und
dazugehörigem Relativpronomen überein. Über die Ursache solcher Schreibungen
kann nur spekuliert werden; ich vermute, dass sie vor allem in einer ungünstigen
Schreibsituation zu suchen ist (s. Abschnitt 2.3.7).
Insgesamt enthalten die 295 Berichte 30 durch Konjunktionen eingeleitete, allerdings
teilweise unvollständige Nebensätze, das heißt, Konjunktionalsätze kommen nur in
etwa jedem zehnten Bericht vor.
Abgesehen von Konjunktionalsätzen existieren vereinzelte Infinitivkonstruktionen
mit „um zu“ (24, 26, 281 u. a.), mit denen der Zweck einer Handlung ausgedrückt
wird wie in folgendem Fall:
Pat. macht sich mehrmals selbst vom Monitor ab, um auf Toilette 19 Heparinperfusor: Infusionsapparat für das Medikament Heparin (‘Blutverdünner’), Ascites:Flüssigkeit, die sich krankheitsbedingt im Bauchraum angesammelt hat und mittels Punktion („Pkt.“) entfernt werden muss. 20 VT: Herzrhythmusstörung mit lebensbedrohlicher hoher Herzfrequenz; Defi: Interner Defibrillator: Implantiertes Gerät, das diese Rhythmusstörungen durch gezielte Stromschläge beenden kann.
64
zu gehen; sonst Ø Besonderheiten (24)
Auch bei diesen Beispielen gibt es allerdings wieder eines, bei dem die
Nebensatzkonstruktion nicht kongruent in ihrem Verhältnis zum Hauptsatz ist und
der ganze Satz in diesem Fall dadurch inhaltlich falsch wird:
Pat. war seit 930 bis 1300 auf Wache um ZVK zu legen. […] (281)21
Natürlich hat der Patient nicht selber einen „ZVK“ gelegt, sondern hat diesen von
einem Arzt gelegt bekommen. Möglicherweise ist die deutsche Sprache für diesen
Schreiber aber die Zweitsprache, denn er fährt fort:
da liegen 2 ZVKs. eins muß gezogen werden […]
Da das Wort ZVK maskulin ist (der Katheter), müsste also einer der beiden gezogen
werden. (Auch wirkt das auf den Ort hinweisende „da“ an dieser Stelle ungeschickt;
eleganter wäre eine Formulierung wie ‘Momentan liegen zwei ZVK, von denen einer
noch gezogen werden muss’ o. ä.)
2.3.3 Kohäsion und Kohärenz
Als Kohäsionsmittel bezeichnet man die sprachlichen Mittel, die an der
Textoberfläche als Verbindung zwischen den Worten sichtbar sind, als Kohärenz
bezeichnet man den Zusammenhang des Textes in sich, er ist folglich in der Tiefe
des Textes anzusiedeln (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 254ff.).
In der Textlinguistik besteht seit einiger Zeit Uneinigkeit darin, ob und wie viel
Kohärenz ein Text braucht, um tatsächlich als Text definiert werden zu können (vgl.
Adamzik 2004, S. 47ff.). Diese Diskussion nehme ich zum Anlass, die
Verbundenheit der Pflegeberichte genauer anzusehen. Unter Bezug auf Jürgens
(1999) gibt Adamzik zu bedenken, dass unter bestimmten Umständen „selbst der
minimalistische Einsatz von Köhäsionsmitteln die Verständigung nicht unbedingt
stört“ (ebd., S. 139)22. Dieser Frage wird auch im Abschnitt über die Inhalte (Kap.
2.3.6) noch nachgegangen werden.
Wie wir gesehen haben, sind Pflegeberichte besonders dadurch gekennzeichnet, dass
kurze Hauptsätze aneinander gereiht werden. Diese werden nur selten miteinander
verknüpft. Stattdessen werden die einzelnen Themenbereiche voneinander isoliert
aufgezählt, ohne dass zwischen ihnen Beziehungen sprachlicher oder inhaltlicher Art
21 ZVK: Zentraler Venenkatheter: Schlauch in einer großen Vene zur Infusionsgabe 22 Vgl. auch die Merkmale von Texten nach Beaugrande/Dressler (1981) in Becker-Mrotzek 1997, S. 16f
65
erkennbar sind. Die Pflegenden orientieren sich beim Schreiben offenbar an
Einzelfaktoren, die ihnen zu den betreuten Patienten einfallen. Sie verfassen die
Berichte möglicherweise anhand der in der Patientenakte vorliegenden Sammlung
von Befunden, Anordnungen sowie den geplanten und den bereits durchgeführten
Untersuchungen. Es ist denkbar, dass der Pflegebericht in der Reihenfolge der
anderen Daten der Akte unter Zuhilfenahme derselben erstellt wird. Was das
inhaltlich für Auswirkungen haben kann, wird in Abschnitt 3.2.2.6 noch deutlicher
herausgearbeitet. Sprachlich betrachtet gibt es für die Pflegenden offenbar kaum
Anlass zur Verknüpfung durch Kohäsionsmittel:
Pat. hat sich selbst versorgt. Ist mit Ehemann in der Augenklinik. Hatte heute keine Rhythmusstörungen. (33)
Auch wenn ein Thema über mehr als nur einen Satz entfaltet wird, verfügen die
Texte über wenig Kohäsion; nur ein Mittel wird häufig angewendet; es ist eine
verkürzte Variante der so genannten Proform. Bei dieser wird „mit Hilfe weitgehend
inhaltsleerer sprachlicher Elemente auf ein Bezugselement des sprachlichen
Kontextes verwiesen“ (Linke/Nussbaumer/Portmann 2004, S. 247). In den
Pflegeberichten wird eine pronominale Proform benutzt, jedoch ohne das Pronomen
tatsächlich zu nennen. Es handelt sich also im strengeren Sinne um Ellipsen, bei
denen anstelle der Proform eine Leerstelle steht (vgl. ebd., S. 251). Auch hierbei
entstehen Teilsätze, die kein Subjekt enthalten:
Pat. muss mehrmals zur Mobilisation aufgefordert werden, wird immer im Bett liegend o. schlafend an- getroffen; cardial beschwerdefrei (49)
Hier werden die Satzteile, die sich auf „Pat.“ beziehen und inhaltlich zur gleichen
Kategorie gehören, zwar durch Kommata abgetrennt, befinden sich folglich in einem
Satz, in anderen Beispielen kommen aber auch Punkte vor, so dass mehrere Sätze
entstehen (sofern der Punkt als zuverlässiges Zeichen für ein Satzende angesehen
wird):
Pat. beschwerdefrei. Hatte viel Besuch (118)
Andere Kohäsionsmittel wie Substitution oder andere Formen der Rekurrenz liegen
im untersuchten Material so gut wie nicht vor; Ausnahmen sind die oben erwähnten
Relativsätze, die den Proformen ähnlich sind, jedoch innerhalb eines Satzes gebildet
werden.
66
Einige Berichte, in denen kurze Angaben zu Besonderheiten bei der
Patientenbetreuung gemacht wurden, enthalten eine Abschlussformel, die durch
„ansonsten“ oder „sonst“ eingeleitet wird. Dieser Satz steht dann immer am Ende
eines Berichts, sofern den Schreibenden nicht danach noch etwas Mitteilenswertes
einfällt wie im zweiten der folgenden Beispiele:
Pat. 2x erfolglos auf Toilette, sonst Pfl. lt. Pl. (207) Gegen 400 hat Pat geklagt über Luftnot – hat O2 erhalten laut DA. <mehrere Wörter durchgestrichen> Ausgeprägte Pneumonie + Staung Pat hat 3mg Lasiv23 erhalten – um 530 sonst Pat. es geht ihr ein bischen besser AB n. plan (286)24
Hier wird der abschwächende Eindruck erweckt, die geschilderte Besonderheit sei
nicht sehr bedeutsam, da ja im Übrigen alles soweit normal sei. Dies kann für die
nachfolgenden Kollegen als Beruhigung gedacht sein, damit sie sich um die
betreffenden Patienten keine besonderen Sorgen machen müssen. Gleichzeitig macht
es den Eindruck, dass der schreibende Pfleger seine Patienten in ‘ordnungsgemäßem’
Zustand hinterlässt – was ja tatsächlich im Krankenhaus gar nicht unbedingt erwartet
würde, da es manchen Patienten (wie der oben geschilderten Frau, die eine schwere
Lungenentzündung hat) ja unter Umständen durchaus über Schichtgrenzen hinweg
nicht gut geht.
2.3.4 Lexik und Semantik
Die vorliegenden Pflegeberichte weisen sehr viele ähnliche Formulierungen auf, die
Pflegenden wählen in der Regel geradezu standardisierte Sätze. Dies ist keine
Besonderheit des hier vorliegenden Materials. Wie ich auch während meiner
Berufstätigkeit in verschiedenen Krankenhäusern beobachten konnte, sind auch über
Stations- und Bereichsgrenzen hinweg, unabhängig vom Alter oder der
Berufserfahrung der Pflegekräfte, die gleichen Sätze üblich, mit denen der Zustand
der Patienten oder bestimmte Vorkommnisse beschrieben werden. Man findet sie in
verschiedenen Einrichtungen und in verschiedenen Städten im deutschsprachigen
Raum, so dass sich mir die Frage stellt, ob mit einer derart reduzierten
23 M. E. wurden hier zwei Wörter miteinander verschliffen: Lasix (Medikament zur Förderung der Ausscheidung) und i. v. (intravenös) 24 DA: Dienstartzt, AB: Antibiose
67
Ausdrucksweise der Zustand eines kranken oder alten Menschen überhaupt treffend
wiedergegeben werden kann.
Auf gezielte Nachfrage bei einigen Pflegekräften wurden mir im Wesentlichen drei
Gründe (übrigens meist in vollem Bewusstsein für das bestehende Problem) für
diesen reduzierten Sprachgebrauch genannt: Erstens handele es sich um eine
konventionelle Ausdrucksweise, die in der Klinik eben üblich sei und die man schon
in der Ausbildung verinnerliche, weil ja schließlich alle Kollegen so schrieben (Wir
haben es demnach mit einer Form der institutionellen Kommunikation zu tun). Diese
Äußerung deckt sich mit der Beobachtung, die Jakobs über das Schreiben im Beruf
unabhängig von der Berufssparte gemacht hat: „Die Anfänger fragen erfahrene
Kollegen, wie Texte aussehen sollen und/oder orientieren sich an den Textbeispielen
der beruflichen Umgebung“ (Jakobs 2005, S. 321).
Zweitens koste das Verfassen der Berichte sehr viel mehr Zeit, wenn man sprachlich
anspruchsvoller schreiben wolle, diese habe man aber meistens nicht. (Die Ursache
für Defizite im sprachlichen Bereich seien durch wirtschaftliche Zwänge bedingt.)
Die Schreibaufgabe wird – im Gegensatz zu pflegerischen Handlungen – nicht als
die eigentliche Arbeit aufgefasst, was für spezielle Berufsgruppen ebenfalls auch von
Jakobs so beschrieben wurde: „Der subjektive Stellenwert wirkt sich auf den
Produktionsprozess aus“ (ebd., S. 323) und führt zu weniger Zeitaufwand und
Energie beim Überarbeiten.
Und drittens – und das ist wohl der erschütterndste Grund – würde ja sowieso
niemand lesen, was man dort schreibe, es gäbe also recht wenig Grund, sich Mühe
mit den Formulierungen zu geben. Diese Einstellung bekam ich auch zu spüren,
wenn ich auf den Stationen Material sammeln wollte und mich beim anwesenden
Personal kurz vorstellte und ihnen mein Vorhaben schilderte. Die Aussage „Das ist ja
ungewöhnlich, dass sich jemand für die Pflegeberichte interessiert!“ hörte ich nicht
nur ein Mal.
Welche Formulierungen sind nun konkret gemeint?
Zunächst fällt auf, dass von den 295 Berichten nur 58 nicht mit der Abkürzung „Pat.“
für Patient/Patientin beginnen! Bei einigen der 58 Berichte, die mit anderen Wörtern
beginnen, steht das Wort „Pat.“ dann zu Beginn des zweiten Satzes, so dass sich die
Zahl der Anfangsvarianten weiter reduziert. (Ebenfalls abgezogen werden müssten
die Berichte, die auf andere Weise standardisiert formuliert werden; an der
68
Handschrift ist zu sehen, dass einzelne Pflegende oft wörtlich identische Einträge
schreiben.) Die Bezeichnung „Pat.“ anstelle des persönlichen Namens scheint den
Pflegenden völlig zu genügen, denn Patientennamen werden in keinem einzigen
Bericht genannt. Dazu sei allerdings angemerkt, dass auf jedem Blatt ein
Namensetikett klebt, so dass Verwechselungen sicher ausgeschlossen sind. Der
Gebrauch der Abkürzung „Pat.“ legt jedoch die Vermutung nahe, dass die Patienten,
zumindest im Hinblick auf das Verfassen des Berichts, in gewisser Weise
austauschbar sind, bzw. dass es weniger um die Person geht, über die berichtet wird,
sondern hauptsächlich um einen zu schildernden Zustand oder besondere
Vorkommnisse.
Für den Bereich der mündlichen Kommunikation wurde bereits dargestellt, dass die
Nennung eines Namens einen Einfluss auf der Beziehungsebene hat (vgl. Kapitel
2.2.2.2 in Teil I). Dies hätte auch in der schriftlichen Kommunikation vielleicht eine
ähnliche Funktion. Ob die Pflegenden auf den Namen verzichten, weil sie dies im
schriftlichen Bericht unpassend finden oder ob wenig Wert darauf gelegt wird, zu
zeigen, ob oder dass sie eine persönliche Beziehung zu ihren Patienten aufgebaut
haben, bleibt unklar.
Im Gegensatz zum Fehlen der Patientennamen werden ab und zu Namen der Ärzte
genannt. Diese spielen wohl insofern eine größere Rolle, weil sich Pflegende damit
absichern können, wer genau etwas angeordnet oder eine ärztliche Entscheidung
getroffen hat, wer also im Falle auftretender Fragen oder Beschwerden als
Ansprechpartner angesehen wird:
Nierenwerte haben sich verschlechtert → wird gespült, Pat darf nicht in Ausgang l. OA Müller25 – Pat ist ziemlich aufgebracht. […](167)
Obwohl geschildert werden könnte, wie Patienten, denen es erfreulich gut geht, ihren
Tag verbracht haben, beschränken sich die Pflegenden in der Regel auf die
Formulierung
Pat. beschwerdefrei (72)
Pat. unauffällig (134)
oder auf vergleichbare Texte; ein Patient, der sich wohl fühlt, macht eben wenig
Arbeit. Eher selten wird sein Zustand erläutert, was dem Leser jedoch einen viel
genaueren Einblick in das Erleben des Patienten ermöglicht:
25 Name geändert
69
Pat. […] wirkt unzufrieden und gibt sich Gleichgültig gegenüber seiner Krankheit. Möchte am liebsten nach Hause. Ansonsten beschwerdefrei (58)
Das Wort „Beschwerde“ (bzw. „Beschwerden“, „Beschw.“ oder das Kompositum
„beschwerdefrei“) kommt in der Textsammlung 99 mal vor, steht also in jedem
dritten Bericht. Es wird immer dann gebraucht, wenn die Patienten keine
„Beschwerden“ haben, bei Einschränkungen des Wohlbefindens wird dieses in der
Regel kurz erläutert:
Pat. wirkt verlangsamt. RR ↓ Beine ↑ im Bett, spricht unklar (8)26
Daraus lässt sich schließen, dass bestehende Probleme des Patienten in der Regel zu
längeren Berichten führen. Dies müsste man genauer untersuchen, in dem man
inhaltliche Kategorien (Beschreibung des Zustandes der Patienten) mit der Anzahl
der geschriebenen Wörter vergleicht; ich beschränke mich hier jedoch auf die
Feststellung als solche, obwohl es auch einige wenige Abweichungen gibt, in denen
positive Vorkommnisse oder planmäßige Verläufe ausführlich geschildert werden:
Nach unauffälliger HK-Nachsorge wurde um 1430 der DV entfernt, Ø Strömungsgeräusch, ESS o. B. Pat. wurde problemlos mobili- siert. (125)27
2.3.5 Abkürzungen und Verwendung von Zeichen
In einigen der bisher zitierten Berichte kamen bereits verschiedene Symbole sowie
Abkürzungen vor. Oft entsprechen die Abkürzungen dem mündlichen
Sprachgebrauch des medizinischen Personals untereinander, insbesondere wenn es
sich um Abkürzungen für lange oder komplizierte Wörter handelt. Die Abkürzungen
werden von allen Pflegenden synonym für das medizinische Fachwort verwendet,
wobei es vorkommt, dass die korrekte Bezeichnung dem Personal nicht oder nicht
vollständig bekannt ist. Wenn alle Beteiligten aber nur die entsprechenden
Abkürzungen verwenden, fällt dieses jedoch nicht auf, bzw. spielt meist keine Rolle.
Beispiele hierfür sind „ACVB“ (124) für die Operationsbezeichnung
‘Aortocoronarer Venenbypass’ oder „o. B.“ für ‘ohne Befund’ (5).
Eine andere Form des Abkürzens tritt bei Wörtern auf, die sehr häufig vorkommen,
das Beispiel „Pat.“ wurde bereits genannt, unauffällig wird zu „unauff.“ (222),
26 RR: Blutdruck 27 HK: Herzkatheteruntersuchung, DV: Druckverband, ESS: Einstichstelle (unübliche Abkürzung)
70
Besonderes wird zu „bes.“ (67), Therapie zu „Th“ (175) und Pflege zu „Pfl“ (175).
Es wird dabei grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Leser diese Abkürzungen
versteht, die sich oft, aber nicht immer, tatsächlich im Kontext erschließen lassen,
zumindest wenn über medizinisches bzw. pflegerisches Fachwissen verfügt wird.
Abgesehen von Abkürzungen ist die Verwendung einiger Symbole sehr verbreitet.
Die häufigsten Zeichen sind Pfeile, die entweder angeben sollen, wie sich ein (Blut-)
wert oder ein Zustand verändert (↑,↓) oder eine Konsequenz beschreiben, die sich
aus dem zuvor geschilderten Geschehen ableiten lässt bzw. sich auf diese begründet.
Hierbei wird der nach rechts zeigende Pfeil eingesetzt (→).
Abkürzungen und Pfeile werden geradezu virtuos miteinander kombiniert und tragen
unter Umständen sehr zu einer Einsparung des Schreibaufwandes bei, wie sich am
folgenden Beispiel zeigt, über das man trotz seiner korrekten inhaltlichen Logik
beinahe schmunzeln muss…:
[…] Pat bei RR ↓ → hohe AF ↑, Sätt ↓, bei FiO2 ↑, AF ↓, RR ↑, Pat scheidet Ø aus. (93)28
Die insgesamt sieben (!) Pfeile in der ersten Zeile nutzt der Schreiber zur genauen
Darstellung des Zusammenhanges zwischen mehreren Beatmungsparametern und
Auswirkungen auf den Blutdruck (RR) des Patienten.
Das Zeichen Ø wird sehr verbreitet in verneinender Bedeutung verwendet und steht
immer für die Wörter nicht/nichts bzw. kein/keine.
2.3.6 Inhalt
Wie wir bereits gesehen haben, wird in den Pflegeberichten nicht nach einer genauen
Vorgabe dokumentiert, sondern es wird eher das notiert, was den Pflegenden in der
vergangenen Schicht erwähnens- oder bemerkenswert an ihren Patienten erschien.
Dies können medizinische Fakten, Rückschlüsse aus Gesprächen mit den Patienten,
Beobachtungen und vieles mehr sein. Da für den Pflegebericht unbegrenzt Platz zur
Verfügung steht, bleibt der Umfang im Ermessensspielraum der Pflegenden. Er
scheint vor allem durch die knappe zeitliche Ressource limitiert zu sein, die den
Pflegenden zur Verfügung steht.
Zusätzlich zum Pflegebericht müssen einige andere Formulare spätestens bis zum
Schichtende ausgefüllt werden, die Berichte werden im Arbeitsalltag oft zum Schluss
und in zeitlicher Nähe zur Schichtübergabe geschrieben.
28 AF: Atemfrequenz; Sätt: Sauerstoffsättigung im Blut; FiO2: Anteil des Sauerstoffes, der der Beatmungsluft beigemischt wird.
71
Bei der potentiellen Vielzahl der Themen muss angemerkt werden, dass bei einem
Großteil der Berichte Fakten notiert werden, die bereits an anderer Stelle der
Patientenakte (Fieberkurve usw., vgl. Kapitel 1 in diesem Teil) vermerkt wurden.
Dazu gehören alle Angaben zu Medikamenten, zu den Vitalzeichen Puls,
Temperatur, Blutdruck sowie Anordnungen zu Untersuchungen. Trotzdem finden
sich diese Themen sehr oft in den Berichten wieder, was letztlich bedeutet, dass viele
Dinge doppelt dokumentiert werden – und das, obwohl die Zeit oft so knapp ist! Im
folgenden Beispiel, einem mit vier Zeilen immerhin leicht überdurchschnittlich
langem Text, finden sich bis auf die ersten zwei Wörter nur Informationen, die an
anderer Stelle bereits genannt wurden:
Pat. beschwerdefrei, hat 3600 ml Aszitis punktiert bekommen. Bilanz bei -3050, ab 2200 wieder Heparin auf 2,1 + 5000 IE als Bolus (66)29
Ebenso verhält es sich im folgenden stichwortartigen Bericht aus einer
Intensivstation, bei dem die Inhalte der ersten vier (von sechs) Zeilen nichts
enthalten, was man nicht auch an der Kurve (oder dem mindestens stündlich
aktualisiertem Beatmungsprotokoll) ablesen könnte, da alle Ausscheidungen ja in der
Fieberkurve verzeichnet werden:
RR – weiter Arterenolpflichtig Resp. – stabil Hb-stabil – Ø Teerstuhl abgeführt fördert weiter Hämatin über MS Hat morgens Augen aufgemacht beim Lagern. Ø Fixiert. Ø Extremitäten bewegt. (91)30
Den Pflegenden scheint diese doppelte Dokumentationsarbeit nicht aufzufallen, sonst
würden sie sicher gerne darauf verzichten. Außerdem fehlt möglicherweise auch das
Bewusstsein dafür, was in einem Bericht notiert werden könnte. Insbesondere die
Befürchtung der Pflegenden, der Bericht werde womöglich sowieso von niemandem
gelesen (vgl. Kap. 2.3.4), verhindert eine echte Auseinandersetzung mit sinnvollen
Inhalten, die es zu kommunizieren gilt.
Zwei Einträge (87, 213) tragen wirklich Merkmale der Textsorte Bericht, die sich
durch präzise Formulierungen, eine neutrale Sichtweise und einen chronologisch
korrekt dargestellten Ablauf des Geschehens auszeichnet (vgl. http://www.uni-
duisburg-essen.de/schreibwerkstatt/trainer/trainer/seiten/s118.html). Beide Texte
29 Aszites: Wasseransammlung im Bauchraum, Heparin: Medikament zur Blutverdünnung, IE: Internationale Einheiten, Bolus: kurzfristige hohe Medikamentendosierung 30 RR: Blutdruck, Arterenol: Medikament zur Blutdruckerhöhung, MS: Magensonde
72
gehören zu den längsten der gesamten Datensammlung, einen zitiere ich hier
beispielhaft in seiner vollen Länge, obwohl auch dieser in den letzten drei Zeilen
Dinge enthält, die bereits an anderer Stelle stehen müssten:
[…] Pat von Toilette mit Stöcken zurück- gelaufen u vor dem Bett Übergewicht bekommen, Pat ist auf Nachttisch gestürzt nur mit <…> möglich Pat von Boden aufzuheben, Pat. hat an Nase von Brille leicht Schürfwunde Pat hatte Übelkeit mit erbrechen RR 90/50 70 HF, NaCl 0,9% angehängt soll 500 ml haben, BZ 135 mg% (213)31
Der Leser erfährt hier den Hergang des Sturzes des Patienten, der sich dabei leicht
verletzt hat. Unklar bleibt allerdings, ob die betreuende Pflegekraft selbst anwesend
war oder ihre Schilderung des Geschehens auf der Erzählung des Patienten basiert.
Interessant ist dieser Eintrag auch noch aus einem anderen Grund: Ausnahmsweise
bezieht sich der nachfolgende Bericht auf den Zustand des Patienten, bzw. auf die
zuvor beschriebene Übelkeit:
Pat. geht´s nach Pantozol- / Paspertingabe besser, hat viel geschlafen, probiert jetzt mit Tee + Zwieback (214)
Dieser Zusammenhang zwischen den Berichten ist sonst kaum zu finden, in der
Regel beziehen sich die Schreibenden nicht auf die vorigen Einträge, es sei denn, der
Zustand eines Patienten ändert sich über längere Zeit hinweg („weiterhin“) nicht und
dieses wurde zuvor schon mehrfach notiert:
Pat […] möchte Bett weiterhin nicht ver- lassen (217)
In der Regel stehen Berichte mit gleichem Inhalt jedoch hintereinander, ohne
inhaltlich oder sprachlich Bezug aufeinander zu nehmen:
Pat. klagt über Rückenschmerzen, erhielt 1x Bedarf, anschließend besser (40)
Pat. schlief. Wurde zur Toilette begleitet Hatte 1x Rückenschmerzen. Bedarf verab- reicht (41)
Diese Beobachtung spricht möglicherweise dafür, dass die Pflegenden ihre Berichte
gegenseitig nicht lesen, also deren kommunikative Funktion gar nicht wahrnehmen!
Das mangelnde Bewusstsein für diesen Zweck der Berichte erscheint mir
schwerwiegender als das Fehlen potentieller kommunikationsfördernder Elemente,
31 HF: Herzfrequenz, NaCl 0,9%: Kochsalzinfusion, BZ: Blutzucker
73
wie es vielfach zum Beispiel Kohäsionsmitteln zugeschrieben wird. Ich schließe
mich also hier insofern der Aussage Adamziks an, dass der sparsame Einsatz von
Kohäsionsmitteln die kommunikative Funktion nicht unbedingt stören muss (vgl.
Adamzik 2004, S. 139), sondern dass textexternen Faktoren wie etwa der Art der
Rezeption eine bedeutend größere Rolle zukommt.
2.3.7 Schreibsituation
In der Regel werden Pflegeberichte direkt auf der Station verfasst, wobei meistens
ein Schreibtisch im Pflegestützpunkt zur Verfügung steht, den sich die anwesenden
Pflegekräfte jedoch oft teilen. Eventuell können sie an Tische im Aufenthaltsraum
ausweichen. Viele Berichte, vor allem auf den Intensivstationen, werden jedoch im
Stehen auf Ablageflächen aller Art verfasst. Die Pflegenden können sich für ihre
Textproduktion in der Regel nicht zurückziehen, da in dieser Zeit niemand für ihre
Vertretung bei der Patientenbetreuung zur Verfügung steht; zumindest wird dies
gewöhnlich nicht eingeplant. Während der Schreibtätigkeit läuft der normale
Stationsbetrieb ungehindert weiter. Das bedeutet, dass die Pflegenden während des
Schreibens unter Umständen mehrfach unterbrochen werden, was sich auch an den
Texten zeigt. Es kommt zu Satzabbrüchen oder grammatisch inkonsistenten
Formulierungen, ohne dass mangelnde sprachliche Fähigkeiten dafür zu
identifizieren sind. Das folgende Beispiel verdeutlicht die Schwierigkeit, sich auf die
Textproduktion zu konzentrieren; sprachliche Defizite liegen dabei aber offenbar
nicht vor, denn die gleiche Schwester benutzt in einem anderen Bericht dieselbe
Formulierung grammatisch fehlerfrei:
[…] T-Stück nach 1 min abge- brochen auf Grund mangelndes Atemantrieb (90)32
Besonders in Berichten der Intensivstationen kommen Satzabbrüche vor, offenbar
werden die Pflegekräfte hier mit größerer Dringlichkeit in der Schreibarbeit
unterbrochen (Notfälle usw.) als auf den Normalstationen, wo dieses Phänomen
selten ist.
Pat. Kardiozir. Stabil, T-Stück ohne Probleme → Extubation 1215 seither etwas Hyperventiliert aber soweit gute Gase Pat. reagiert adequat gibt diffuse (1)
32 T-Stück-Versuch: Kurzfristiges Abschalten der Beatmungsmaschine mit dem Ziel, die Eigenatmung des Patienten beurteilen zu können.
74
Hier bricht der Bericht unvermittelt ab, es fehlt auch das Handzeichen, das ja
normalerweise am Ende jeden Berichtes steht.
2.3.8 Überarbeitung
Auch wenn durch eine qualitative Analyse wenig gesicherte Aussagen zur
Überarbeitung gemacht werden kann, ist wohl davon auszugehen, dass die Berichte
normalerweise nicht nochmals gelesen und überarbeitet werden, anderenfalls würden
vermutlich zumindest die unter 2.3.7 dargestellten Phänomene den Schreibern
auffallen. Ob die Ursache der fehlenden Korrektur vor allem in der knapp
bemessenen Zeit oder eher im mangelnden Bewusstsein für die kommunikative
Funktion des Berichtes zu suchen ist, wage ich nicht zu beurteilen. Dass sich die
durch Unruhe und Störungen geprägte Schreibsituation jedoch tendenziell negativ
auf die Berichte auswirken muss, ist wohl gut nachzuvollziehen.
Leider erkennen die Verfasser der Berichte oftmals die Zweckmäßigkeit ihres Tuns
nicht. Wenn sie ihrerseits die Texte ihrer Kollegen lesen und deren Informationen für
ihre eigene Arbeit gewinnbringend einsetzen könnten, hätten sie vermutlich eine
größere Motivation, auch schwierigere Sachverhalte (wie etwa das psychische
Befinden der Patienten) ausführlicher zu schildern. Da im Berufsalltag dem
Verfassen der Pflegeberichte in der Regel die mündliche Übergabe an die nächste
Schicht folgt, mag das schriftliche Dokumentieren als zusätzliche Arbeit erscheinen;
schließlich kann man die als wichtig eingestuften Dinge ja auch mündlich
weitergeben.
Der besondere Nutzen der Schrift, Informationen dauerhaft zu fixieren und damit
über Raum und Zeit hinweg beständig verfügbar zu machen, wird im Pflegealltag
kaum genutzt. Der Pflegebericht könnte nämlich auch dazu dienen, die Ereignisse
der vergangenen Stunden strukturiert zusammenzufassen und somit eine Vorlage für
die mündliche Übergabe zu erstellen. Dazu bedürfte es nicht zuletzt einer
konzentrierten und ruhigen Atmosphäre sowie einer klaren Zielsetzung beim
Schreiben. Außerdem müsste die Möglichkeit bestehen, auch fremde Texte zu lesen
und diese für das eigene Handeln zu nutzen, um den kommunikativen Zweck solcher
Texte zu erkennen. Eine Überarbeitung würde in diesem Sinne bedeuten, dass der
Text auch auf seine Verständlichkeit und seine Nutzbarkeit hin überprüft wird.
75
3 Förderung ausbildungsbezogener Kompetenzen im
Deutschunterricht für den schriftlichen Sprachgebrauch
3.1 Auswertung der Ergebnisse und Erwartungshorizont:
Welche Fähigkeiten müssten Schüler im Hinblick auf die
Ausbildung in Pflegeberufen erlangen?
In Kapitel 3.2 im Teil I war zu sehen, dass Kompetenzen für die mündliche
Kommunikationsfähigkeit vor allem in den Arbeitsbereichen „Sprechen“ und
„Sprachbewusstsein entwickeln“ vermittelt werden sollen. Für den Bereich der
schriftlichen Kommunikation und der Textproduktion finden sich die Vorgaben vor
allem in den Bereichen „Schreiben“ und „Lesen / Umgang mit Texten“.
Die Produktion schriftlicher Texte wird traditionell meist in Anlehnung an den
Literaturunterricht verstanden; Textproduktionen dienen dann der Entfaltung der
Kreativität und der Identitätsbildung der Schüler. Dabei spielen die Lerninhalte, die
auch zur Rezeption von Literatur befähigen, wie etwa die Fähigkeit zur
Perspektivenübernahme usw. eine große Rolle. Schreib- und Lesekompetenzen
gehören also insofern zusammen, dass das eine ohne das andere nicht denkbar ist. Im
Hinblick auf ausbildungsbezogene Kompetenzen ist es aber zweifelhaft, ob die
Entwicklung von Schreibkompetenzen auf den Literaturunterricht beschränkt bleiben
muss.
Zunächst wird jedoch dargestellt, welche Vorstellung von Textproduktion dem
Bildungsplan Baden-Württemberg zu Grunde liegt.
3.2 Vorgaben des Bildungsplans
In der Grundschule steht zunächst der Schriftspracherwerb im Vordergrund. Als
Leitgedanke für diesen elementaren Abschnitt des Schreibenlernens gilt, dass die
Schüler dabei eine „(Re)Konstruktion der Schrift“ in Eigenaktivität entwickeln sollen
statt passiv vorgegebene Muster und Konventionen zu übernehmen (vgl.
Bildungsplan Grundschule, S. 43). Sie sollen nach und nach Strategien entwickeln,
mit deren Hilfe sie ihre Texte verfassen können. Anfangs geht es dabei hauptsächlich
um Erkenntnisse über sprachliche Regelmäßigkeiten und die Entwicklung
orthografischer Kompetenzen, zunehmend aber auch um die Förderung einer
76
lebenslang andauernden Freude am Schreiben, Lesen und Sprechen. Das Schreiben
soll von den Kindern als persönlich bedeutsam erfahren werden (vgl. ebd. S. 47),
dabei soll die kommunikative Funktion des Schreibens von Anfang an eine wichtige
Rolle spielen. Die Kinder brauchen dafür die „Gewissheit, dass ihre Texte für reale
Leserinnen und Leser bestimmt sind“ (S. 45).
Am Ende der zweiten Klasse sollen die Kinder kurze Texte eigenständig verfassen
können, wobei die Schreibanlässe sowohl vorgegeben als auch individuell
ausgewählt sein sollen. Sie können die zeitliche Reihenfolge innerhalb einer
Geschichte beachten und können Fragen an eigene und an fremde Texte stellen.
Infolgedessen entwickeln sie erste Fähigkeiten zur Überarbeitung von Texten (vgl.
S. 48).
Am Ende der Klasse 4 wird erwartet, dass die Kinder ihren Schreibprozess selber
planen können, indem sie ihre Themen selber auswählen und ihre Texte unter einer
besonderen Zielsetzung schreiben. Die Texte dienen also einem bestimmten
kommunikativen Zweck, dessen wichtigste Voraussetzung der entsprechende
Adressatenbezug ist. Sie sollen sowohl Texte mit „erzählendem“ wie auch
„informierendem Charakter“ (S. 51) verfassen können, wobei nicht genau benannt
wird, worin sich die beiden Typen unterscheiden sollen. „Schreibhilfen“ wie
„Ideensammlung, Wortfelder, Textmuster“ oder „erweitern, ersetzen, umstellen,
kürzen“ (ebd.) sollen den Kindern helfen, ihre Texte zu strukturieren und
anschließend über eigene und fremde Texte zu kommunizieren.
In den „Leitgedanken zum Kompetenzerwerb für Deutsch“ im Bildungsplan
Hauptschule (2004, S. 55) wird definiert, was unter Schreibkompetenz zu verstehen
ist; es handelt sich um „die Fähigkeit, Texte so zu verfassen, dass sie der
Anforderungssituation entsprechen, also sie sachgerecht darzustellen, folgerichtig zu
argumentieren, ansprechend zu erzählen oder kreativ zu variieren“ (ebd.). Am Ende
der Klasse 6 sollen die Schüler Texte planen können, dazu gehören die Fähigkeit
Material zu sammeln, Stichworte für die Textproduktion verwenden zu können und
Ereignisse in einer folgerichtigen und logischen Reihenfolge wiederzugeben. Dabei
sollen sie „dem Schreibziel und der Schreibsituation entsprechend schreiben“ (S. 58).
Die Kompetenzen zur Überarbeitung eigener Texte werden in Schreibkonferenzen
und durch Gespräche über Texte gefördert (vgl. S. 59). Als zu vermittelnde
Textsorten werden Brief /E-Mail, Einladung und (Telefon-)Notiz genannt.
77
Erst in Klasse 9 wird die Textsorte Bericht explizit genannt, und zwar in Form des
Praktikumsberichts sowie des Unfallberichts. Die Schüler müssen also ihre Texte
nach vorgegebenen Textmustern verfassen können, dabei sollen sie in der Lage sein,
Konventionen zu bestimmten Textmustern zu beachten. Der Adressatenbezug wird
allerdings nur in Bezug auf die Gestaltung thematisiert, diese soll
„adressatengerecht“ und „übersichtlich“ sein (S. 61).
Insgesamt orientiert sich der Bildungsplan für die Hauptschulen Baden-
Württembergs relativ wenig an bestimmten Textsorten, der Schwerpunkt des Lernens
liegt eher auf Kriterien wie Verständlichkeit, Logik und einem angemessenen
Sprachgebrauch. Das bedeutet, dass sich die Vorgaben für die Hauptschule deutlich
von den Anforderungen, die an Gymnasiasten gestellt werden, unterscheiden; die
Vermittlung der Textsorten Erzählung, Schilderung, Bericht, Beschreibung und
Erörterung gehört heute an diesen Schulen immer noch zu den Standardinhalten des
Deutschunterrichts (vgl. z. B. Ludwig 2006, S.174f.).
3.3 Schreibkompetenzen
Ausgehend von der Analyse der Pflegeberichte lassen sich unter zwei
Gesichtspunkten Lernziele für die Entwicklung der Schreibkompetenz ableiten:
Erstens stellt sich die Frage, über welche Fähigkeiten Schüler verfügen müssen, um
beispielsweise Pflegeberichte verfassen zu können (bzw. überhaupt im beruflichen
Kontext Berichte schreiben zu können). Zweitens gilt es angesichts der
Analyseergebnisse wohl auch, Wege aufzuzeigen, wie Pflegeberichte und ähnliche
berufsspezifische Textsorten in Zukunft qualitativ verbessert werden könnten, mit
anderen Worten, wo eine noch stärkere Akzentuierung bestimmter Kompetenzen von
Nöten wäre. Beide Aspekte sollen in der Ableitung der Lernziele berücksichtigt
werden.
3.3.1 Schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten
Becker-Mrotzek stellt fest, dass „Kinder und Jugendliche […] über viele Jahre eine
deutliche Entwicklungsdifferenz zwischen ihren mündlichen und schriftlichen
Kommunikationsfertigkeiten auf[weisen]. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass die
Produktion von Texten anderen Bedingungen unterliegt als die mündlicher
Äußerungen“ (1997, S. 27).
78
Um diesem Phänomen nachzugehen, sollte man sich vergegenwärtigen, welche
Merkmale es sind, die die Schrift und den Schriftgebrauch konstituieren. Eine
umfassende (und hier sehr verkürzt dargestellte) Beschreibung erfahren diese
Merkmale im von Koch/Oesterreicher (1994) geprägten Begriff der Schriftlichkeit,
deren Ausprägung zwischen der medialen wie der konzeptionellen zu verorten ist.
Dabei gelten Merkmale wie ein höheres Maß an Kompaktheit, Komplexität,
Elaboriertheit für die konzeptionelle Schriftlichkeit konstitutiv. Weitere Faktoren wie
räumliche und zeitliche Distanz der Kommunikationspartner, ein gewisses Maß an
Öffentlichkeit, eine monologische Grundkonzeption und die Fixierung auf ein
bestimmtes Thema kommen hinzu (vgl. Günther 1993, S. 88).
Die medialen Dimensionen mündlich und schriftlich sowie die konzeptionellen Pole
der Mündlichkeit bzw. der Schriftlichkeit sind nicht genau voneinander abzugrenzen;
vielmehr existieren sie nebeneinander bzw. „durcheinander“ (ebd., S. 89). Dennoch
bedarf es einer genauen Vorstellung der konzeptionellen Schriftlichkeit, wenn
Schüler anhand vorgegebener Textmuster eigene Texte verfassen sollen.
Im Gegensatz zum Sprechen kann die einzelne Äußerung geplant werden, und zwar
so lange, wie der Schreiber das möchte; die „Planung des Sprechaktes wird zu einer
eigenen Handlung“ (Becker-Mrotzek 1997, S. 66), bevor sie geäußert, also
niedergeschrieben wird. Dies ermöglicht einen reflektierteren Sprachgebrauch, etwa
was die Wortwahl angeht, als es in der gesprochenen Sprache möglich ist. Die
Planung der Äußerung ist aber auch nötig, um einer Situation angemessen zu
agieren, was bei der Textproduktion beispielsweise heißt, dass die Reaktion des
Lesers schon antizipiert und ein Schreibziel formuliert werden muss und dass die
potenzielle Möglichkeit einer Überarbeitung und Veränderung bereits beim
Schreiben eingeschlossen ist.
Das Schreiben an sich teilt sich auf in den wichtigen Prozess der Planung und einen
zweiten Prozess der Niederschrift, also der graphemischen Umsetzung in
Schriftzeichen (vgl. ebd., S. 67). Das heißt, dass „Schriftlichkeit ein eigenständiges
Konzept, einen eigenen Denkstil darstellt und nicht nur ein Anhängsel des Sprechens
ist“ (Fix 2000, S. 34) und dass die für das Konzept erforderlichen Fähigkeiten und
Vorstellungen in der Schule ausgebildet werden müssen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die Entfaltung der konzeptionellen Schriftlichkeit an die
kognitive Entwicklung der Kinder gebunden ist, also erst im Laufe der Schulzeit
erreicht werden kann. Günther weist darauf hin, dass „selbst ganz einfache
79
sprachlich-kognitive Leistungen nicht möglich sind, solange Schrift nicht verfügbar
ist“ (1993, S. 86), die Aneignung von Schrift bewirkt nach seiner Auffassung also
eine Veränderung des Denkens.
Nicht unerwähnt sollten daher auch die Auswirkungen auf den mündlichen
Sprachgebrauch bleiben. Günther beschreibt, wie die Anforderungen an gesprochene
Sprache durch die Schriftlichkeit geprägt sind, so dass „das didaktische Ziel […]
(auch) [ist], dass der Schüler schriftlich sprechen lernt“ (ebd., S. 93). Diese
Forderung ist zwar nicht unumstritten, da der mündliche Sprachgebrauch ja durchaus
vom schriftlichen abweicht; ein Zusammenhang zwischen dem Begreifen von
schriftlicher Konzeption und der Verbesserung mündlicher Kompetenzen ist nach
Günther jedoch zweifelsfrei festzustellen.
Die Erziehung zur Schriftlichkeit umfasst die gesamte Schulzeit und beginnt mit dem
Schriftspracherwerb, der phonologischen Bewusstheit und der Erkenntnis, dass sich
Sprache in Laute gliedert. Schüler sollten die Unterschiede zwischen Schriftlichkeit
und Mündlichkeit kennen, sollten aber auch wissen, dass es in Bezug auf die
konzeptionelle Ebene Schriftlichkeit – Mündlichkeit selten eindeutige Zuordnungen
gibt, sondern dass die Unterschiede vielmehr graduell sind. Die Reflexion über
Normen und Konventionen des Sprachgebrauchs stellt für dieses Wissen eine
wichtige Basis dar.
3.3.2 Zweck des Schreibens
Die Schrift hat sich im Laufe der Zivilisation des Menschen aus Zeichen und
Symbolen entwickelt und dient dem Zweck, mit Hilfe konventionalisierter
graphischer Zeichen Sprache zu fixieren und damit dauerhaft verfügbar zu machen.
Die Schrift überträgt damit Sprache in ein anderes Medium (vgl. Günther 1993,
S. 85). Sie konnte sich entwickeln, weil die Kapazität des menschlichen
Gedächtnisses sehr begrenzt ist und es unzählige Gründe gibt, Informationen
aufzubewahren. Auch (und im Besonderen) Berichte erfüllen den wichtigen Sinn,
Sachverhalte zu fixieren und damit die Flüchtigkeit der mündlichen Sprache zu
überwinden. Damit werden Äußerungen reproduzierbar gemacht. Durch die Schrift
werden Sprachhandlungen „zerdehnt“ (Becker-Mrotzek 1997, S. 31), das Schreiben
bzw. Lesen ist gewissermaßen dadurch gekennzeichnet, dass einmal der Hörer und
einmal der Sprecher fehlt.
80
Je mehr sich der Berichtschreibende dieser Bedeutung von Schrift im Klaren ist,
desto besser kann er Inhalte identifizieren, die so wichtig sind, dass sie im Kontext
der zu berichtenden Situation aufgeschrieben werden sollten. Es ist im
Zusammenhang mit der Betreuung von Kranken kein Wunder, dass den
Pflegeberichten eine wichtige Absicherungsfunktion zukommt. Im Falle eines
Rechtsstreites werden Schriftstücke zur Rekonstruktion des zu behandelnden
Sachverhaltes herangezogen. Je differenzierter der Bericht ausfällt, desto schlüssiger
und klarer ist das Bild, das sich der Leser anhand der fixierten Fakten machen kann.
Das Verfassen eines Berichts beinhaltet also auch ein Maß an Verantwortung, dessen
sich der Verfasser bewusst sein sollte.
Auch wenn dem Schreiber die Absicht, sich verständlich auszudrücken, nicht
abzusprechen ist, gibt es doch Gründe für die Annahme, dass die
Textverständlichkeit für Texte im Berufsalltag nicht die höchste Priorität hat. Auch
Jakobs (2005, S. 324f.) weist darauf hin, dass berufliche Texte häufig der
Absicherung des Schreibers dienen, unter diesem Gesichtspunkt kann ein Bericht
eigentlich nicht ausführlich genug sein.
Für Schüler wird diese Verantwortung dann deutlich, wenn Berichte herangezogen
werden können, um vergangene Sachverhalte oder Situationen zu rekonstruieren. Sie
können in solchen Fällen selbst feststellen, welche Auswirkungen eine unpräzise
Schreibweise oder ein lückenhafter Bericht hat.
Auf die adressatenbezogene Funktion von Berichten wird in Kapitel 3.3.5 separat
eingegangen.
3.3.3 Textsortenkenntnis
Wie bereits dargestellt wurde, wird im Bildungsplan Hauptschule kein besonderer
Schwerpunkt auf die Vermittlung bestimmter Textsorten gelegt, während dies in
anderen Schulformen durchaus der Fall ist. Die Kenntnis gewisser Textsorten und
ihrer charakteristischen Merkmale kann Schülern jedoch beim Erwerb von
Schreibkompetenzen eine große Orientierung und Hilfestellung sein, weil Textarten
in gewisser Weise standardisiert sind. Da Textsorten „konventionalisierte
Sprachhandlungen“ sind, schaffen sich Schreiber und Leser einen „gemeinsamen
kommunikativen Kontext für ihren Austausch“ (Merz-Grötsch 2006, S. 811). Folgt
man der Argumentation von Schneuwly (1995), so stellen Textsorten „Werkzeuge
menschlichen Handelns“ dar, die vom Textproduzenten als Einheiten genutzt werden
81
können, um bestimmte kommunikative Ziele zu erreichen (vgl. ebd., S. 124).
Schneuwly geht davon aus, dass die Aneignung von Schreibkompetenzen durch die
Vernetzung neuer mit bereits bekannten Inhalten stattfindet und dass die Aneignung
deduktiv erfolgt, also vom „Abstrakten und Allgemeinen“ zum Speziellen, zum
„Empirischen und Erlebten“ verläuft (vgl. ebd., S. 127). Daraus lässt sich schließen,
dass Schreibkompetenzen nicht „naturwüchsig aus der Praxis des Schreibens“ (ebd.)
heraus aufgebaut werden können, wie es in Ansätzen der Reformpädagogen zum
freien bzw. bei Boettcher et al. (1973) zum kommunikativen Schreiben angenommen
wird. Die Kenntnis von Textsorten vermittelt dem Schreiber vielmehr eine
Orientierung an „thematischem Inhalt, kompositioneller Struktur und Stil als einer
begrenzten Auswahl sprachlicher Mittel“ (ebd., S. 125).
Die Textform Bericht lässt sich im Hinblick auf diese Kriterien recht eindeutig und
klar beschreiben. Die Schüler können an der Form des Berichts erfahren, wie man in
einer chronologischen Abfolge Sachverhalte neutral beschreibt. Die Exemplarität
mag der Grund dafür sein, dass sich der Bericht als einzige der in anderen
Schulformen behandelten Textarten in Form des Praktikumsberichts bzw. des
Unfallberichts findet. Die an dieser Textsorte erworbenen schriftlichen Fähigkeiten
erleichtern auch das Verfassen von verwandten Textarten wie Protokollen usw., die
im Berufsleben ebenfalls eine wichtige Bedeutung haben.
Haueis gibt hingegen zu bedenken, dass die Einteilung von Texten in bestimmte
Arten ein Relikt schulischer Schriftkultur vergangener Jahrzehnte sei, aber keinerlei
Bezug zur außerschulischen Schriftkultur habe (vgl. Haueis 2006, S. 226). Becker-
Mrotzek (1997, S. 82) weist außerdem darauf hin, dass die gängige Einteilung in
sechs Formen des Aufsatzes in ihrer Ausschließlichkeit textlinguistisch nicht zu
begründen ist. Die für den Bericht als typisches Merkmal geltende fehlende
„Ausschmückung durch adjektivische Attribute“ (Haueis 2006, S. 228) oder die
Verwendung bestimmter Tempora sind Charakteristika, die sich weniger durch
Analyseergebnisse außerschulisch produzierter Texte rechtfertigen als vielmehr
durch eine Festlegung für den Schulgebrauch (vgl. ebd.). Diese Feststellung
entspricht zwar der in dieser Arbeit vorliegenden Textanalyse (echte Berichte sind es
nämlich nach der schulischen Definition eben nicht, die von den Pflegenden verfasst
werden), dennoch halte ich die genannten Kennzeichen im Sinne einer Orientierung
für die Schüler hilfreich beim Erstellen eigener berichtender Texte.
82
Zum Schreibprozess gehört auch, dass der Schreiber eigene Strategien hat, nach
denen er seinen Text produzieren kann. Der Bericht eignet sich aufgrund seiner klar
zu benennenden Charakteristika dafür, solche Strategien zu verdeutlichen und zu
üben. Der Schüler kann seinen Text auf die gewünschten Kriterien hin ausrichten,
sich also zunächst evt. in Stichworten eine schlüssige Reihenfolge überlegen und
später daraus einen zusammenhängenden Text verfassen. Im nächsten Schritt könnte
er beispielsweise seine Wortwahl auf eine objektive Darstellungsweise hin
überprüfen.
Merz-Grötsch schließt sich gewissenmaßen Haueis` Vorschlag an, Texte vor allem
anhand ihrer Funktion zu beschreiben (vgl. Hauseis 2006, S. 230) und fasst
zusammen, dass
„das Wissen um Textsorten […] für Schülerinnen und Schüler längerfristig dann fruchtbar [wird], wenn ihnen Möglichkeiten und Zusammenhänge der Anwendung und Funktion von Textsorten für sie selbst in schulischen und außerschulischen Kontexten nachvollziehbar wird. In diesem Sinn sind Textsorten Formen, die zunächst sinnvollerweise als Sprachhandlungen erworben werden und die später nach Bedürfnis und Notwendigkeit verändert und variiert werden.“ (2006, S. 811)
3.3.4 Die Funktion des Schreibens:
Problemlöseprozess oder kommunikative Handlung?
Grundsätzlich lassen sich in der Schreibdidaktik unterschiedliche Ausrichtungen
feststellen. Heute wird die schulische Funktion der Textproduktion vor allem unter
dem Gesichtspunkt eines Problemlöseprozesses gesehen, Merz-Grötsch spricht von
der „Funktion des Schreibens als Problemlöseinstrument bei der Erschließung von
Informationsquellen“ (2006, S. 802). Der Schreibprozess als solcher erhält hier eine
besondere Bedeutung, da die Problemlösekompetenz entwickelt wird, indem der
Schreiber die Schreibaufgabe durch die Anwendung bestimmter eigener Strategien
löst. Aber auch bei freieren Formen des Schreibens wie dem expressiven oder dem
personalen Schreiben (vgl. Ludwig 2006, S. 175) wird die Arbeit am Text als Mittel
gesehen, das Denken zu fördern. Das Schreiben soll die Möglichkeit bieten, sich
selbst zu erkennen und die persönliche Identität auszubilden.
In der Schule steht neben der Orientierung am Problemlösen zusätzlich die
Produktorientierung aufgrund der Notwendigkeit einer Bewertung im Vordergrund.
Methodisch genauso denkbar wäre die Orientierung am Adressaten. Letztere wurde
erstmals in den 70er Jahren fokussiert, als die Schreibdidaktik sich stark den
kommunikativen Funktionen von Texten zuwandte (vgl. Haueis 2006, S. 229). Um
83
die kommunikative Funktion des Schreibens zu erkennen, bedarf es jedoch spezieller
Schreibanlässe, an denen es in der Schule jedoch oft mangelt; die Kinder empfinden
Schreibaufgaben oft als „lästige Pflichtübungen und Stillbeschäftigung“ (Merz-
Grötsch 2006, S. 805), da es an kommunikativen Anforderungen fehlt. Die sinnvoll
gestellte Schreibaufgabe kann jedoch auch die Funktion haben, die Textproduktion
im Hinblick auf Schreibziel und Planung besser zu bewerkstelligen und Kriterien
festzulegen, denen der zu produzierende Text genügen soll. Der Inbegriff des
kommunikativen Schreibens ist immer noch der Brief (neuerdings auch in anderen
Formen wie E-mail usw.); wie wir gesehen haben, kann aber auch Berichten eine
wichtige kommunikative Funktion zukommen.
Becker-Mrotzek stellt diese Funktion wieder stärker in den Fokus des
Schreibprozesses. Er betont, dass „Sprache in Form von Handlungsmustern bewährte
Formen für die mündliche wie schriftliche Kommunikation bereitstellt“ (1997, S. 11,
Hervorhebung im Original), so dass die kommunikative Aufgabe nicht jedes Mal von
neuem als Problem gelöst werden muss, sondern der Schreibende sich an bekannten
und bewährten Mustern orientieren kann. Eine Schwierigkeit besteht darin, sich den
Leser beim Schreiben vorzustellen und sich in ihn und in seine Rolle
hineinzuversetzen, also dessen Perspektive einzubeziehen. Die hierfür notwendigen
Fähigkeiten sind im Bereich der sozialen Kognition zu finden.
Schüler sollten bei der Festlegung des Schreibziels und noch vor der konkreten
Planungsphase überlegen, ob und welchen kommunikativen Zweck ihr Text erfüllen
soll. Lehrkräfte müssen sich ebenfalls darüber im Klaren sein, welches Lernziel
durch die Textproduktion erreicht werden soll. Günther nennt drei verschiedene
Zielsetzungen des Aufsatzunterrichts (vgl. Günther 1993, S. 92): Der Aufsatz kann
der Lernkontrolle dienen, wobei der inhaltliche Aspekt im Vordergrund steht und
dieser auch bewertet wird. Der Schreibprozess spielt folglich keine Rolle. Die zweite
Legitimation ist das Schreiben als Lerngegenstand, wobei gemeint ist, dass der
Schüler beispielsweise lernt, „dass die Angemessenheit des Schreibens abhängt vom
Texttyp“ (ebd.). Schüler sollen ihre Produktionen textsortenspezifisch ausrichten und
situationsangemessen agieren.
Die dritte Konzeption begreift das Schreiben als Lernmedium. Die Priorität besteht
darin, dass die Schüler das Schreiben an sich erfahren und sich „in konzeptioneller
Schriftlichkeit zurechtfinden“ (ebd.), was vom Lehrer jedoch einen sehr bewussten
und reflektierten Umgang mit Fehlern erfordert. Die Überarbeitung von Texten muss
84
unter dieser am Problemlöseprozess orientierten Konzeption eine herausragende
Stellung erhalten.
3.3.5 Adressatenbezug
Im Gegensatz zur mündlichen Kommunikation muss der Schreibende lernen, mit
dem Phänomen des abwesenden Lesers umzugehen und damit auf die ständige
„perikommunikative Verständnissicherung“ zu verzichten (Becker-Mrotzek 1997, S.
29 in Bezug auf Feilke/Augst 1989). Doch jeder Text wendet sich an einen Leser, der
durch den Text selbst mehr oder weniger konkret vorhanden ist. Im Brief scheint er
schon beinahe anwesend zu sein, kennt man doch den Empfänger des Briefes in der
Regel und kann sich gut vorstellen, was er gerne lesen möchte, wie er reagieren
könnte usw. Die Reaktion dieses Lesers kann auch von jüngeren Schülern relativ
leicht antizipiert werden, indem sie sich eine konkrete Person vorstellen, für die sie
schreiben. Schwieriger wird es, wenn der Leser eine abstrakte Größe wird, der aber
in der Vorstellung des Verfassers dessen Schreibprozess mitsteuert, indem er beim
Schreiben mit einbezogen und berücksichtigt wird. Die Art der Textgestaltung in
allen Dimensionen wird nicht zuletzt durch den impliziten Leser bestimmt33. (Streng
genommen müsste an dieser Stelle eine Unterscheidung zwischen implizitem und
intendiertem Leser erfolgen, auf die ich aus Gründen des Umfanges jedoch verzichte.
Gemeint ist in diesem Zusammenhang eher der intendierte Leser.) Es handelt sich
beim dem Text quasi innewohnenden Leser also um eine abstrakte Größe, deren
Existenz Schüler erst erkennen müssen.
Die Funktion des Lesers kann für Schüler verdeutlicht werden, indem ihre eigenen
Texte auch tatsächlich von anderen gelesen werden. In den höheren Klassen ist es
aber auch eine Aufgabe des Literaturunterrichts, den impliziten Leser erfahrbar zu
machen und an verschiedenen Beispielen seine Gegenwart aufzuzeigen.
Auch das Schreiben von Berichten kann bzw. muss unter einem speziellen
Adressatenbezug erfolgen. Einerseits könnte dies zum Beispiel ein Richter sein, der
Klarheit über einen bestimmten Vorgang erhalten möchte oder, im Fall eines
Unfallberichts, ein Polizist, der zwecks Klärung der Schuldfrage auf einen
aussagekräftigen Bericht angewiesen ist. Es ist ein besonderes Merkmal von
33 Der Begriff des impliziten Lesers geht auf die Theorie der Wirkungsästhetik und u. a. auf W. Iser und U. Eco zurück, vgl. z. B. Iser, W. (1972): Der implizite Leser. Kommunikationsformen des Romans von Bunyan bis Beckett. München
85
Berichten, dass der Schreibende eine Situation, bei der er selbst anwesend war, für
andere, die selbst nicht anwesend waren, möglichst gut nachvollziehbar und objektiv
darstellt.
Die Erfahrung, dass der implizite Leser niemals real wird, weil die verfassten Texte
niemals wirklich gelesen werden, kann Schreibende verständlicherweise frustrieren
(zumindest wenn der Schreibprozess nicht heuristische Zielsetzungen verfolgt, was
in dem hier behandelten Gebiet nicht der Fall ist). In Pflegeeinrichtungen könnte
diese Frustration durchaus vermieden werden, wenn es üblich wäre, die Berichte von
Kollegen dazu zu nutzen, das eigene Handeln auf die Informationen des Berichts
abzustimmen. „Kommunikation dient dazu, die Tätigkeiten einzelner Individuen im
Kontext eines übergeordneten gemeinschaftlichen Tätigkeitszusammenhangs zu
koordinieren“ erläutert Becker-Mrotzek (1997, S. 13) diese wichtige Funktion, die in
der Pflege in diesem Fall offenbar kaum genutzt wird. Die sprachliche Handlung ist
also nur ein Teil eines größeren Handlungszusammenhanges, dem sie dienen sollte.
In der Schule sollte dafür umso mehr darauf geachtet werden, dass Texte auch
gelesen werden, damit der Adressatenbezug ständig präsent ist und den Schülern
nicht ein wichtiges Motivationselement vorenthalten wird.
Lesen und Schreiben sollten in diesem Sinne eine Verschränkung erfahren und sich
gegenseitig bereichern.
3.3.6 Überarbeitungskompetenz
Es ist die Besonderheit schriftlicher Texte, dass sie zwar die Flüchtigkeit der
gesprochenen Sprache aufheben, aber verschiedenen Formen von Überarbeitung
zugänglich gemacht werden können. Die Fähigkeit, den produzierten Text kritisch zu
reflektieren und nicht als unveränderliches Produkt anzusehen, gehört heute zum
grundlegenden Verständnis über die Fähigkeiten zur Textproduktion. Insbesondere in
den prozessorientierten didaktischen Konzeptionen nimmt die Überarbeitungs-
kompetenz eine zentrale Rolle ein. Schon der Schreibprozess wird als Folge von
Schreiben, Lesen, Redigieren und Korrigieren verstanden (vgl. Sieber 2006, S.
213f.), der fertige Text steht am Ende eines langen Weges (es stellt sich vielleicht
sogar die Frage, ob es den ‘fertigen Text’ überhaupt gibt…). Der Schreibprozess
verläuft nicht linear, es finden während des Schreibens Änderungen statt, die
ihrerseits Konsequenzen auf die gedankliche Arbeit, das Schreibziel usw. haben.
Überarbeitung findet also zu mehreren Zeitpunkten statt; ständig während des
86
Schreibens und nach einer – vorläufigen – Beendigung des Schreibprozesses. Im
letzteren Fall muss die Überarbeitung nicht unbedingt durch den Schreiber selbst
stattfinden.
Der Überarbeitungsprozess sollte grundsätzlich so angelegt sein, dass „Gelegenheit
zur umfassenden Entwicklung von Alternativen auf allen sprachlichen Ebenen
gewährleistet ist“ (Merz-Grötsch 2006, S. 808). Das bedeutet, dass der Schreiber
genug Alternativen für sein sprachliches Handeln zur Verfügung haben muss. Die
Überarbeitungskompetenz wächst mit den vorhandenen Schreiberfahrungen, dem
„Schreibalter“ (Sieber 2006, S. 215). Dies hat auch damit zu tun, dass zur
Überarbeitung eine gewisse Distanz zum Text notwendig ist, die das Lesen desselben
mit den Augen des Lesers ermöglicht. Ohne die Fähigkeit zur Perspektiven-
übernahme, die ja ihrerseits an die kognitive Entwicklung gebunden ist, ist daher
eine erfolgreiche Revision nicht möglich.
Für die Schule bieten sich vielfältige Möglichkeiten an, die Überarbeitungs-
kompetenz zu stärken, Schreibkonferenzen sind beispielsweise ein geeignetes Mittel,
diese Fähigkeiten aufzubauen und zu stärken. Die Teilnehmer dein solch einer
Konferenz übernehmen die Adressatenrolle und melden dem Verfasser ihre
Eindrücke bei der Rezeption zurück. Angesichts der vielen Kriterien, die einer
Überarbeitung zugrunde liegen können, empfiehlt es sich, die Arbeit in
Schreibkonferenzen aufzuteilen, so dass einzelne Schüler bestimmte Kriterien in den
Blick nehmen. Ordnende Arbeitsanweisungen und Leitfragen des Lehrers können
Übersichtlichkeit über die Masse der potenziellen Veränderungsmöglichkeiten
schaffen.
4 Vergleich von ausbildungsbezogenen Erwartungen und Vorgaben
durch den Bildungsplan
Die Betrachtung der vorliegenden Pflegeberichte kann den Eindruck erwecken, dass
die Vorgaben des Bildungsplanes sowie wichtige Erkenntnisse der Schreibdidaktik
für das Schreiben in Pflegeberufen kaum von Belang sind und dort keine Effekte
zeigen. Entweder spielen Aspekte wie Adressatenbezug, Orientierung an
wesentlichen Inhalten oder Textsortenkenntnisse beim Verfassen von
Pflegeberichten eine untergeordnete Rolle oder die in der Schule vermittelten
Fähigkeiten werden von den Schreibenden im Berufsfeld nicht umgesetzt. Die im
87
Bildungsplan vorgegebenen Lerninhalte finden sich in den vorliegenden Berichten
jedenfalls kaum wieder.
In der Konsequenz dieser Beobachtung könnte sich die Frage nach der Berechtigung
des Schreibunterrichts in der vom Bildungsplan skizzierten Form stellen: Wenn das
Schreiben im Beruf so sehr vom Schreiben in der Schule abweicht, brauchen wir
dann überhaupt eine Schreibdidaktik, wie sie in Lehrplänen vorgegeben wird?
Müssen Schüler dann überhaupt lernen, was in Bericht ist und müssen sie sich einen
potenziellen Leser vorstellen können?
Bevor dieser Frage nachgegangen wird, sollte man sich aber ein paar Fakten
vergegenwärtigen:
Erstens ist der hier behandelte Pflegebericht nur eine einzige, spezielle Textsorte und
damit nur ein winziger Ausschnitt schriftlicher beruflicher Kommunikation - und
daher zwar ein Beispiel schriftlicher Kommunikation im Beruf, aber möglicherweise
kein repräsentatives. (Vergleiche mit anderen Textarten aus anderen Berufsfeldern
müssten hier Aufschlüsse geben.) Einerseits werden in der Pflege selbst auch noch
andere (vielfach sehr kurze) Texte produziert und andererseits entstehen in den
anderen zahlreichen vorhandenen Berufsfeldern ebenso zahlreiche andere
Textsorten. Welche Fähigkeiten Schüler für das Schreiben im Beruf unter allgemein
benötigen, kann an dieser Stelle also nicht befriedigend geklärt werden. Sie müssen
aber in jedem Fall darauf vorbereitet werden, dass sie die in der Schule erworbenen
Fähigkeiten in ihren jeweiligen Ausbildungen weiterentwickeln und variieren werden
müssen. Die Schule hat dabei die wichtige Aufgabe, einen Orientierungsrahmen
anzubieten, auf dessen Basis später eine den speziellen beruflichen Anforderungen
angepasste Entfaltung stattfinden kann.
Zweitens würde ein Verzicht auf die bisher praktizierte Form des Schreibenlernens
bzw. Textproduzierens auch bedeuteten, dass man den aktuellen Zustand von
Pflegeberichten für unveränderbar hält. Meines Erachtens besteht eine wichtige
Aufgabe der Schule vor allem darin, lebenslanges Lernen zu ermöglichen um damit
scheinbar festgelegte Formen und Strukturen kritisch hinterfragen und die
Veränderung derselben in Erwägung ziehen zu können. Für das Verfassen von
Pflegeberichten könnte das bedeuten, dass sie erst dann effektiver genutzt werden
können, wenn die Schreibenden deren potenziellen Nutzen (nicht zuletzt auch zum
Wohle des Patienten) erkennen und sich beim Schreiben daran orientieren können. Je
88
mehr Erfahrungsspielraum die Schule den Schülern bei Textproduktionen einräumt
und ermöglicht, desto eher sind Entwicklungen in dieser Richtung denkbar.
Zwar lässt die Analyse der von ausgebildeten Pflegekräften verfassten Berichte
Zweifel an der Umsetzung der in der Schule vermittelten Lerninhalte aufkommen,
aber die analysierten Berichte entstammen ja vorangegangenen Schülergenerationen,
die heute schon jahrelang im Beruf tätig sind.
In den letzten Jahren ist der Adressatenbezug in den Lehrplänen wieder stärker in
den Mittelpunkt schulischen Schreibens gerückt (vgl. Fix 2006, S. 705), was die
Hoffnung beinhaltet, dass zukünftige Schulabgänger über bessere Kompetenzen
verfügen als ihre Vorgänger, die heute im beruflichen Umfeld Texte produzieren.
Wenn Gesichtspunkte wie Adressatenbezug oder Textsortenkenntnis sachgerecht
reflektiert und mit Bedacht in den Unterricht einbezogen werden, kann die
Schreibdidaktik durchaus ihren Teil zur Verbesserung der aktuellen Situation des
beruflichen Schreibens beitragen.
Letztendlich spielt jedoch auch das Wissen des Lehrers über institutionelle und
berufliche Zusammenhänge eine entscheidende Rolle, ob der Schreibunterricht für
die Schüler eine Hilfe bei der Entwicklung der notwendigen Kompetenzen darstellt.
89
IV ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE
UND AUSBLICK
In diesem Abschlusskapitel möchte ich noch einmal auf das eingangs zitierte
Sprichwort zurückkommen: Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir.
Für das „Leben“ kann aber nur gelernt werden, wenn Erkenntnisse darüber vorliegen,
was unter ‘dem Leben’ (hier: dem Berufsleben) zu verstehen ist. Damit dem
Unterrichtshandeln nicht nur vage Vorstellungen und diffuse Vermutungen über das
Berufsleben zugrunde gelegt werden, müssen wissenschaftliche Untersuchungen
detaillierte Fakten über spezifische Ausschnitte beruflicher Wirklichkeit liefern.
In der vorliegenden Arbeit wurde gezeigt, wie es möglich ist, linguistische Analysen
der beruflichen Kommunikation für den Deutschunterricht nutzbar zu machen.
Anhand des vorliegenden Beispiels der Kommunikation im Pflegebereich wird
deutlich, dass die Verschränkung verschiedener Disziplinen dabei unabdingbar ist.
Zunächst bedarf es der germanistischen Fachwissenschaft, also hier der
linguistischen Forschung, die Befunde über kommunikatives Handeln aus den
verschiedensten Berufsfeldern liefert. Diese Forschung wird nie abgeschlossen sein,
da sich durch die ständig verändernden gesellschaftlichen Bedingungen auch die
Berufswelten mit ihren sprachlichen Phänomenen ändern.
Anschließend braucht es die Fachdidaktik, die die Beobachtungen auf ihre
Umsetzung in der Schule hin überprüft, Lern- und Lehrziele formuliert und Konzepte
für die Umsetzung im Unterricht aufzeigt. Der Bereich der Methodik fällt dann
hauptsächlich der Schule zu, die sich an den Lernzielen orientiert und diese in die
Unterrichtswirklichkeit holt.
Das Zusammenwirken dieser Disziplinen ist als dynamischer Prozess zu verstehen,
der unaufhörlich durch die gesellschaftlichen Bedingungen geprägt ist. Verändern
sich gesellschaftliche Verhältnisse, bedingt das fortlaufend neue Anforderungen für
das Berufsleben und so folgt beispielsweise auch die Suche nach neuen Textsorten,
die vermittelt werden müssen (vgl. Becker-Mrotzek 1997, S. 73f.). Diese ständigen
Veränderungen erfordern eine hohe Flexibilität der Schule, wobei „mit der
Etablierung neuer Unterrichtsinhalte […] in der Regel der Verlust anderer einher
[geht]“. Ein Mangel an Flexibilität kann eine gewisse „Beharrungstendenz der
90
Institution Schule“ (ebd., S. 74) hervorrufen, die wiederum eher hinderlich für
notwendige Innovationen ist.
Die Institution Schule kann im Hinblick auf die Berufsvorbereitung besonders
effektiv agieren, wenn Lehrer bereit sind, sich immer wieder aufs Neue mit der
außerschulischen Berufswelt auseinander zu setzen. Leider haben sie nur sehr
eingeschränkte Gelegenheiten dazu, und viele Lehrer haben im Laufe ihres Lebens
nur die Institution Schule (Hochschule / Universität und wieder Schule) kennen
gelernt. Ich halte einen kontinuierlichen Austausch zwischen den Schulen und
verschiedenen Betrieben für unabdingbar, damit Lehrer ihren Unterricht erfolgreich
auf das spätere Berufsleben ihrer Schüler ausrichten können. Je genauer sie die
außerschulische Berufswelt kennen, umso besser wird ihnen die Vorbereitung ihrer
Schüler auf berufliche Anforderungen gelingen können.
Für den Deutschunterricht bedeutet das, sich auf sich verändernde Unterrichtsinhalte
einzulassen und den Schülern einen fachlichen Orientierungsrahmen und die
Sprachkompetenzen zu vermitteln, mit deren Hilfe sie in ihrer Ausbildung ihr
sprachliches Verhalten variieren, reflektieren und an die jeweils gestellten Ansprüche
anpassen können.
Gleichermaßen erscheint es mir bedeutsam, den viel versprechenden und häufig
verwendeten Begriff der kommunikativen Kompetenz mit konkretem Inhalt zu
füllen. Es ist unbestritten, dass es Aufgabe der Schule ist, den Schülern selbige zu
vermitteln, aber nur selten wird formuliert, wie das zu erreichen ist. Durch die
genaue Formulierung einzelner Teilkompetenzen (vgl. die Abschnitte 3 in beiden
Teilen) erhoffe ich mir auch für meine eigene zukünftige Unterrichtsvorbereitung
mehr Struktur und Klarheit.
Ich schließe diese Arbeit in der Zuversicht, zukünftigen Schülern durch die effektive
Vermittlung und Förderung ausbildungsbezogener Sprachkompetenzen im
Deutschunterricht in kommunikativer Hinsicht einen erfolgreichen Übergang in ihr
Berufsleben zu ermöglichen.
91
V ANHANG
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3 Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Beispiel einer Eröffnungsphase im Frühdienst. In: Weinhold (1997), S. 214 Abb. 2: Beispiel einer Befindensfrage. In: Weinhold (1997), S. 213 Abb. 3: Erste Seite des Pflegeplanungsformulars der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, Stand April 2008 Abb. 4: Pflegeverlegungsbericht (www.altenhilfe-manager.de/demo/documents/ form_verlegungsbericht.doc) (02.06.08)
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