Www.evaluation.ac.at Fakultät für Psychologie Universität Wien Gewalt in multikulturellen...

Post on 06-Apr-2015

105 views 0 download

Transcript of Www.evaluation.ac.at Fakultät für Psychologie Universität Wien Gewalt in multikulturellen...

www.evaluation.ac.at

Fakultät für Psychologie

Universität Wien

Gewalt in multikulturellen Schulklassen

Ergebnisse aus Österreich

Mag. Dr. Dagmar Strohmeier

Gewalt: Prävention und Intervention

Erste Steirische Fachtagung für angewandte Psychologie in der Pädagogik

30.9.2006 Graz

www.evaluation.ac.at

Multikulturalität in der Schule

Das Aufwachsen in einer multikulturellen Gesellschaft sowie der positive Umgang mit kultureller Vielfalt ist eine neue Entwicklungsaufgabe für Kinder und Jugendliche. Der tägliche Kontakt in der Schule eröffnet Chancen und birgt Risiken für interkulturelle Beziehungen.

Die beiden größten Herausforderungen im sozialen Bereich sind:

(1) Die Entwicklung von Freundschaften(2) Das Erlernen eines konstruktiven

Umgangs mit Konflikten

www.evaluation.ac.at

Immigrantenkinder in Österreich

17% der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen haben eine andere Erstsprache als deutsch

46% aller Immigranten- oder Flüchtlingskinder besuchen Wiener Pflichtschulen

• 52% von ihnen kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien

• 30% kommen aus der Türkei

(Schuljahr 2004/05)

www.evaluation.ac.at

Was ist Gewalt? (WHO)

„Violence is the intentional use of physical and psychological force or power, threatened or actual, against oneself, another person, or against a group or community, that either results in or has a high likelihood of resulting in injury, death, psychological harm, mal-development or deprivation. “

www.evaluation.ac.at

Was ist Aggression?

Reaktive Aggression:Ereignis – Frustration – Ärger, Wut – aggressive

ReaktionMotiv für aggressives Verhalten ist eine negative

Emotion, z.B. Wut oder Ärger.Typ = „Häferl“

Instrumentelle (proaktive) Aggression:kühle Berechnung – Freude, Spaß - aggressives

VerhaltenMotiv für das aggressive Verhalten ist Macht und Spaß.

Der Täter erreicht durch aggressives Verhalten ein Ziel und sehr oft auch einen hohen sozialen Status bei seinen Anhängern.

Typ = „Machiavelli“

www.evaluation.ac.at

Bullying und Viktimisierung

Subkategorie aggressiven Verhaltens

Schädigungsabsicht

längerer Zeitraum

Machtungleichgewicht

Bullying umfasst verschiedenste negative Handlungen

physische oder verbale Angriffe (direktes Bullying)

sozialer Ausschluss oder Manipulation von Beziehungen (indirektes Bullying)

www.evaluation.ac.at

Prävalenzraten bei Immigrantenkindern

Bullying in Schulen ist weitverbreitet

~ 10% der SchülerInnen sind regelmäßig beteiligt

Kaum Prävalenzraten bei Immigrantenkindern

Studien im deutschsprachigen Raum

wenige Studien mit vielen Mängeln

inkonsistente Ergebnisse

Situation von Immigrantenkindern unklar

www.evaluation.ac.at

Wie ist die Situation in Österreich?

Unterscheiden sich die Täter- und

Opferprävalenzraten zwischen Kindern

verschiedener kultureller Gruppen?

www.evaluation.ac.at

Datensatz – 6 unabhängige Studien

Die Daten stammen von

• 3 unterschiedlichen Schultypen (Grundschule - Hauptschule – Berufsbildende höhere Schule)

• 4. bis 11. Schulstufe

• 2184 SchülerInnen verschiedener Altersstufen (10-16 Jahre)

www.evaluation.ac.at

Forschungsstrategie Differenzierung innerhalb der Gruppe der

Immigrantenkinder

Gruppenbildung basierend auf Muttersprache

deutsch Sprachen aus dem ehemaligen Jugoslawientürkisch alle anderen Sprachen (multikulturelle Gruppe)

Untersuchung verschiedener Formen von Bullying und Viktimisierung verbale Beleidigungen körperliche Attacken Ausgrenzung

Einsatz verschiedener UntersuchungsmethodenSelbsteinschätzungenPeernominierungen

www.evaluation.ac.at

Überblick über die Studien4. Schulstufe 5.-8. Schulstufe

(Strohmeier, Atria & Spiel, 2005)

6.-7. Schulstufe (Strohmeier & Spiel, 2003)

7.-8. Schulstufe 9. Schulstufe 9.-11. Schulstufe

Schultyp Grundschule Hauptschule Hauptschule Hauptschule Berufs-bildende höhere Schule

Berufs-bildende höhere Schule

Alter 10-11 Jahre 11-15 Jahre 11-14 Jahre 13-15 Jahre 15-16 Jahre 15-17 Jahre

Methode Selbstein-schätzungen

Selbstein-schätzungen & Peer Nominierung-en

Selbstein-schätzungen & Peer Nominierung-en

Selbstein-schätzungen

Selbstein-schätzungen

Selbstein-schätzungen

N 209 280 563 689 246 197

Muttersprache 77 d49 ju46 tü37 M-kult

107 d83 ju61 tü29 M-kult

323 ö125 ju 79 tü 36 M-kult

123 ö262 ju205 tü94 M-kult

121 ö47 ju38 tü40 M-kult

88 ö57 ju37 tü15 M-kult

Ergebnisse Bullying undViktimi-sierungKeine Unterschiede

Bullying und Viktimi-sierung

d > ju, tü

Bullying und Viktimi-sierungd > ju, tü

Bullying Keine Unterschiede

Viktimi-sierung d > ju, tü

Viktimi-sierungd > ju, tü, M-kult

Bullying und Viktimi-sierung

Keine Unterschiede

www.evaluation.ac.at

Ergebnisse – Zusammenfassung

Konsistente Befunde über alle Studien hinweg

Immigrantenkinder sind gleich häufig oder seltener in Bullying verwickelt wie österreichische Kinder

www.evaluation.ac.at

Wie begründen Opfer verschiedener kultureller

Gruppen ihre Erfahrungen?

www.evaluation.ac.at

Rassistische Viktimisierung

Gründe für negatives Verhalten aus Opferperspektive bedeutsamProzess = kausale Attribution

Unter rassistischer Viktimisierung werden jene negative Verhaltensweisen subsumiert, die vom Opfer auf Herkunftsland, Sprache, kulturelle Gruppe, Hautfarbe etc. attribuiert werden.

www.evaluation.ac.at

Untersuchung von Gründen

Studie 2 (Schulstufen 5-8), N=280

Bullying und ViktimisierungSelbsteinschätzungen: verbale Beleidigung,

Ausgrenzung, körperliche Attacken

Ursachenzuschreibung negativer Erlebnisse Vorlage einer Liste mit verschiedenen Gründen:

Aussehen, Kleidung, Sprache, eigenes Verhalten, Peergruppenzugehörigkeit, Herkunftsland, selbst Täter, Unbeliebtheit, keine Ahnung

www.evaluation.ac.at

Gründe für Viktimisierung - Überblick

8,3 8,2

5,36,3

9,5

4,5

14,6

23,1

10,6

20,5

28,6

18,2

26,3

21,2

34,8

0

5

10

15

20

25

30

35

Sprache Herkunftsland Unbeliebtheit eigenes Verhalten keine Ahnung

Viktimisierungsgründe (gesamte Stichprobe, in % )

verbale Beleidigungen Ausgrenzung körperliche Attacken

www.evaluation.ac.at

Gründe für Viktimisierung - Sprache

5,7 6

0

12,1

4,8

6,3

9,8

20

18,2

5,6

7,76,7

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

ÖsterreicherI nnen J ugoslawI nnen TürkI nnen Multikulturelle Gruppe

Attribution auf Sprache (in % )

verbale Beleidigungen Ausgrenzung körperliche Attacken

www.evaluation.ac.at

Gründe für Viktimisierung - Herkunftsland

3,4 31,6

8,69,5

3,1

12,2

16

9,1

0

30,8

13,3

0

5

10

15

20

25

30

35

ÖsterreicherI nnen J ugoslawI nnen TürkI nnen Multikulturelle Gruppe

Attribution auf Herkunftsland (in % )

verbale Beleidigungen Ausgrenzung körperliche Attacken

www.evaluation.ac.at

Ergebnisse – Zusammenfassung II

Opfer suchen die Gründe für erfahrenes negatives Verhalten bei sich selbst (eigenes Verhalten und Unbeliebtheit). Allerdings gibt es Unterschiede zwischen Kindern verschiedener kultureller Gruppen hinsichtlich rassistisch motivierter Erklärungen. Türkische Kinder sehen ihre Sprache vergleichsweise häufig als Viktimisierungsgrund, Kinder der multikulturellen Gruppe ihr Herkunftsland.

www.evaluation.ac.at

Unterscheidet sich die Dynamik von

interpersonalen und interethnischen

Konfliktsituationen?

www.evaluation.ac.at

Theoretische Position

1. Aggressives Verhalten ist soziales Verhalten

(min.) zwei ProtagonistInnen + Kontext

2. „Aggressives“ Verhalten ist ein Beurteilungsprädikat

Beurteilerperspektive + Kontext

3. Ethnizität ist eine soziale Konstruktion

Attribut von Individuen oder Gruppen + situationsbezogener Hinweisreiz

(Sozial Interaktionistische Aggressionstheorien, Felson & Tedeschi, 1993;

Soziale Informationsverarbeitugsmodelle, Crick & Dodge, 1994)

www.evaluation.ac.at

Theoretische Position

4. Unterscheidung von zwei Extrempolen sozialen Verhaltens

interpersonales Verhalten - intergruppales Verhalten

Interpersonaler Konflikt

Soziale Kategorien sind nicht salient => Attribution des Konflikts auf individuelle Eigenschaften

Intergruppaler Konflikt

Saliente soziale Kategorien => Attribution des Konflikts auf Gruppenzugehörigkeit(en)

(Theory of Intergroup Conflict – Tajfel & Turner, 1979)

www.evaluation.ac.at

Datensatz – 2 experimentelle Studien

Studie 1: 2x4 Design, 629 SchülerInnen (Schulstufen 7-8)

Studie 2: 3x4 Design, 246 SchülerInnen (Schulstufe 9)

Typische Konfliktsituationen (Vignetten)

Unabhängige Variable

Konfliktattribution

Abhängige Variablen (Perspektive des Opfers)Einschätzung der Situationantizipierte Reaktion

www.evaluation.ac.at

Studie 1: 2 x 4 Design

Muttersprache-gruppen

der Opfer

Interpersonale Konfliktsituation

Interethnische Konfliktsituation

Deutsch

Türkisch

Sprachen aus dem ehem. Jugoslawien

Multikulturelle Gruppe

Experimentelle Variable – Messwiederholung

Quasi-experimentelle Variable – unabhängige Gruppen

www.evaluation.ac.at

Studie 1: 2 x 4 Design

Muttersprache-gruppen der Opfer

Interpersonale Konfliktsituation

Interethnische Konfliktsituation

Deutsch 54Mädchen

64Jungen

54Mädchen

64 Jungen

Türkisch 75Mädchen

101Jungen

75 Mädchen

101Jungen

Sprachen aus dem ehem. Jugoslawien

69Mädchen

90Jungen

69 Mädchen

90Jungen

Multikulturelle Gruppe

70Mädchen

106Jungen

70Mädchen

106Jungen

268 Mädchen

361Jungen

268 Mädchen

361Jungen

Experimentelle Variable – Messwiederholung

Quasi-experimentelle Variable – unabhängige Gruppen

Stichprobe:629 SchülerInnen7 und 8 Schulstufe13-16 Jahre.

www.evaluation.ac.at

Studie 2: 3 x 4 Design

Experimentelle Variable – Messwiederholung

Quasiex-perimentelle Variable-unabhängige Gruppen

Muttersprache-gruppen der Opfer

Interpersonale Konfliktsituation

IntergruppaleKonfliktsituation

Ethnizität Familie

Deutsch

Sprachen aus dem ehem. Jugoslawien

Multikulturelle Gruppe

Türkisch

www.evaluation.ac.at

Studie 2: 3 x 4 Design

Experimentelle Variable – Messwiederholung

Quasiex-perimentelle Variable-unabhängige Gruppen

Muttersprache-gruppen der Opfer

Interpersonale Konfliktsituation

IntergruppaleKonfliktsituation

Ethnizität Familie

Deutsch 121 121 121

Sprachen aus dem ehem. Jugoslawien

47 47 47

Multikulturelle Gruppe

40 40 40

Türkisch 38 38 38

Stichprobe:

246 SchülerInnen

9 Schulstufe

15-16 Jahre.

www.evaluation.ac.at

Ergebnisse – Zusammenfassung III

Sowohl hinsichtlich der Einschätzung als auch hinsichtlich der antizipierten Reaktionen fanden wir Unterschiede zwischen den Konfliktsituationen.

Das selbe Verhalten wird in intergruppalen Konfliktsituationen aggressiver eingeschätzt als in interpersonalen!Die selben Personen würden in intergruppalen Konfliktsituationen aggressiver reagieren als in interpersonalen!

Es zeigten sich Unterschiede in Abhängigkeit der Muttersprachegruppen der Opfer.

www.evaluation.ac.at

Schlussfolgerungen

Sorgfältige Beschreibung des Verhaltens von Kindern verschiedener Muttersprachegruppen

PLUSBeachtung von attributionalen Prozessen in konkreten Situationen liefern Einblicke in interethnische Beziehungen.

(Ethnische) Gruppenzugehörigkeit als soziale Konstruktion ist sowohl ein Merkmal der jeweiligen Gruppe bzw. des Individuums ALS AUCH der konkreten sozialen Situation!

www.evaluation.ac.at

Literaturtipps:

Nolting, H.P. (2005). Lernfall Aggression. Wie sie entsteht – Wie sie zu vermindern ist. Eine Einführung. Reinbeck: rororo Verlag.

Essau, C.A. & Conradt, J. (2004). Aggression bei Kindern und Jugendlichen. Reinhardt: UTB.

www.evaluation.ac.at

Bitte:

Beteiligung an einer Studie zum Thema

„Umgang mit Bullying aus LehrerInnensicht“

Prof. Sheri Bauman

University of Arizona

http://www.ed.arizona.edu/bullying/welcomedeutsche.htm

Passwort: ijime