Zieloffene Suchtarbeit KISS – Kontrolle im · PDF file„Zieloffene...

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© Körkel (2009)

Zieloffene Suchtarbeit

KISS – Kontrolle im selbstbestimmten Substanzkonsum

© Körkel (2009)

1. Was heißt zieloffene Suchtarbeit?

2. Übersicht: Das KISS-Programm und seine Hintergründe

Agenda zum Vortrag

„Zieloffene Suchtarbeit“

KlientInnen verfolgen selbstbestimmt eigene Ziele –z.B. abstinent leben oder sozial unauffällig konsumieren. Das tun sie sowieso!Arbeit wird es durch:

Herbeiführen eines eigenen Selbstklärungsprozesses:Eigene Haltung in Bezug auf verschiedeneKonsumziele? (z.B. Offenheit für verschiedeneZiele?) Wissen über unterschiedliche Ziele vorhanden?Bereitschaft vorhanden, offensiv und sanktionsfrei mit dem Klienten über verschiedene Konsumziele ins Gespräch zu kommen?

„Zieloffene Suchtarbeit“ (Forts.)

Führen eines zieloffenen Dialogs gemäß MotivationalInterviewing. Das bedeutet:

Die Zielfrage wird einladend ins Gesprächgebracht.

Das vom Patienten gewünschte Ziel wird offenund kunstfertig erkundet - durch Rückgriff aufMI-Methoden und Zielwissen (z.B. Wissen überkontrollierten Konsum). Auf „eigenen Senf“ wird verzichtet.

Eigene Überlegungen werden eingebracht - abererst nach Einwilligung des Patienten und ohne Richtigkeitsanspruch.

Fallen der Gesprächsführung

„Zieloffene Suchtarbeit“ (Forts.)

Vorhalten evidenzbasierter, d.h. wissenschaftlich abgesicherter therapeutischer Maßnahmen/Programme für unterschiedliche Ziele(v.a. Abstinenz und kontrollierter Konsum).

Zielbezogene Interventionen

Abstinenz

Entgiftungambulante Entwöhnungstationäre EntwöhnungNachsorge, usw.

Kontrollierter Konsum

KurzinterventionSelbstkontrollbroschüre (mit und ohne Beratung)Einzel- oder Gruppenprogramm

© Körkel (2009)

2. Übersicht: Das KISS-Programm und seine Hintergründe

2.1 Definition „Selbstkontrollierter Konsum“2.2 Warum ein Selbstkontrollprogramm wie KISS?2.3 Charakteristika, Inhalte, Durchführung von KISS 2.4 Indikation und Zielgruppen von KISS2.5 Ergebnisse der ersten Studie

Agenda zum Vortrag

© Körkel (2009)

2. Übersicht: KISS-Programm und Hintergründe

2.1 Definition „Selbstkontrollierter Konsum“

Agenda zum Vortrag

© Körkel (2009)

Selbstkontrollierter Substanzkonsum liegt vor, wenn eine Person (sie selbst!) ihren Konsum an einem zuvor festgelegten Konsumplanbzw. Konsumregeln ausrichtet.

Das bedeutet de facto, jeweils für eine Woche voraus zu planen:1. Anzahl konsumfreier Tage2. maximale Konsummenge an Konsumtagen 3. maximaler Gesamtkonsum in der ganzen Woche

und ggf. den Kontext festzulegen, wie etwa:□ Wann will ich konsumieren – wann nicht?□ Wo will ich konsumieren – wo nicht?□ Mit wem will ich konsumieren – mit wem nicht?

Definition „(Selbst-) Kontrollierter Konsum”

© Körkel (2009)

2. Übersicht: KISS-Programm und Hintergründe

2.1 Definition „Selbstkontrollierter Konsum“2.2 Warum ein Selbstkontrollprogramm wie KISS?

Agenda zum Vortrag

© Körkel, Becker, Happel & Lipsmeier (2009)

Warum AUCH Konsumreduktionsprogramme

= zieloffene Suchtarbeit ?

(a) Epidemiologische Forschung Viele KonsumentInnen sind änderungsbereit, aber nicht abstinenzbereit/-fähig Beispiel 1: Simon & Sonntag 2004: 47% der Cannabis-„Hochrisikokonsumenten“ wollen „weniger konsumie-ren“ [HRK = Konsum an 28,7 von 30 Tagen, pro Tag 10,8 Joints à 1,4-2,6 g, 5,2 DSM-IV-Kriterien].

(b) Bioethische Prinzipien„Sollen setzt Können voraus“; Freiheit der Zielwahl (Wahrung der Autonomie)

(c) Förderung des Behandlungsprozesses

© Körkel, Becker, Happel & Lipsmeier (2009)

(d) Forschung besagt: Kontrollierter/ reduzierter Konsum ist eine mögliche Option für die Überwindung von Suchtproblemen

Studien zur Veränderung ohne profes. Hilfe („self-change“): Übergang von Drogenabhängigkeit zu moderatem Konsum ist üblich (Happel 1986; Klingemann & Sobell 2007)

Katamnesestudien nach Abstinenztherapie: ca. 20% gehen auf Dauer zu kontrolliertem Drogenkonsum über (Übersicht: Schippers & Cramer 2002; Meili et al. 2004)

Behandlungen mit dem Ziel des kontrollierten Konsums (Alkohol, Zigaretten) sind mindestens genauso wirksam wie Abstinenztherapien (Hughes & Carpenter 2005; Saladin & Santa Ana 2004; Walters 2000, vgl. auch www.kontrolliertes-trinken.de, www.kontrolliert-rauchen.de)

Warum AUCH Konsumreduktionsprogramme

= zieloffene Suchtarbeit ? (Forts.)

© Körkel, Becker, Happel & Lipsmeier (2009)

(e) Substituierte konsumieren „quer Beet“ weitere Substanzen (zum Teil in abhängiger Weise) • ausnahmslos vor der Behandlung • meist auch während und nach der Behandlung

… wobei „als ‚Beikonsum‘ .. üblicherweise nur diejenigen Substanzen [gelten], die – in stiller Übereinkunft – für problematisch gehalten werden“(Westermann 2005)

Warum AUCH Konsumreduktionsprogramme

= zieloffene Suchtarbeit ? (Forts.)

© Körkel (2009)

2. Übersicht: KISS-Programm und Hintergründe

2.1 Definition „Selbstkontrollierter Konsum“2.2 Warum ein Selbstkontrollprogramm wie KISS?2.3 Charakteristika, Inhalte, Durchführung von KISS

Agenda zum Vortrag

© Körkel (2009)

KISS =

„Kontrolle im selbstbestimmten Substanzkonsum“

(Körkel & GK Quest Akademie, 20073)

Trainermanual

CD-ROM mit Arbeits- und Info-Blättern

Teilnehmerhandbuch

© Körkel (2009)

Charakteristika von „KISS“

1. zieloffen: kontrollierter Konsum oder Abstinenz möglichAbstinenzentscheidungen werden tageweise, wochenweise und substanzweise angeregt

© Körkel (2009)

Charakteristika von „KISS“

1. zieloffen: kontrollierter Konsum oder Abstinenz möglich

2. in Gruppen- und Einzelarbeit einsetzbar

© Körkel (2009)

Charakteristika von „KISS“

1. zieloffen: kontrollierter Konsum oder Abstinenz möglich

2. in Gruppen- und Einzelarbeit einsetzbar

3. zugrunde liegendes Menschenbild der Humanistischen Psychologie und tragende Basisfertigkeiten des Motivational Interviewing (affin zur akzeptierenden Drogenarbeit)

© Körkel (2009)

Charakteristika von „KISS“

1. zieloffen: kontrollierter Konsum oder Abstinenz möglich

2. in Gruppen- und Einzelarbeit einsetzbar

3. zugrunde liegendes Menschenbild der Humanistischen Psychologie und tragende Basisfertigkeiten des Motivational Interviewing (affin zur akzeptierenden Drogenarbeit)

4. verhaltenstherapeutisch strukturiert (BSCT):1-2 Vorgespräche12 aufeinander aufbauende wöchentl. Module (à 2¼Std.)

jedes Modul mit klarer Zeit- und Inhaltsstruktur(Trainermanual)

© Körkel (2009)

Ablauf einer KISS-Gruppensitzung

5´ Begrüßung und Übersicht

10´ Blitzlicht

45´7-Tages-

Rückblick und Austausch

15´ Pause

50´Bearbeitung eines neuen Themas

10´ Abschlussrunde +Stundenbeurteilung

z.B. Bilanz ziehen,Wochenziele festlegen,

Reduktionsstrategien auswählen,persönl. Risikosituationen

erkennen usw

© Körkel (2009)

Charakteristika von „KISS“

1. zieloffen: kontrollierter Konsum oder Abstinenz möglich

2. in Gruppen- und Einzelarbeit einsetzbar

3. zugrunde liegendes Menschenbild der Humanistischen Psychologie und tragende Basisfertigkeiten des Motivational Interviewing (affin zur akzeptierenden Drogenarbeit)

4. verhaltenstherapeutisch strukturiert (BSCT):1-2 Vorgespräche12 aufeinander aufbauende wöchentl. Module (à 2¼Std.)jedes Modul mit klarer Zeit- und Inhaltsstruktur(Trainermanual)„didaktisch ansprechend“: Visualisierungen (Flipchartetc.), Arbeits-/Infoblätter, Kleingruppenübungen ….

© Körkel (2009)

Austausch zu zweit(aus 1. KISS-Gruppe, Palette Hamburg, 2005)

© Körkel (2009)

Auftragen der individuellen Konsumverlaufskurven(aus 1. KISS-Gruppe, Palette Hamburg, 2005)

© Körkel (2009)

Inhalte der Vorgespräche

• Diagnostik (Konsum + Lebenssituation + Ziele + körperlicher Zustand)

• Einführung des Konsumtagebuchs (derzeitiger Konsum) inklusive Festlegung der Maßeinheit „Konsumeinheit“

• Verbündete gewinnen

© Körkel (2009)

Pocket-KonsumtagebuchBestandsaufnahme

© Körkel (2009)

Festlegung von Konsumeinheiten

© Körkel (2009)

Festlegung von Konsumeinheiten(Beispiele)

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Pocket-Konsumtagebuch

Crack

Cannabis

Alkohol

73

7 3 10

55

81220 4

2

13

1

11

3

1315

224

1214

1214

1214 27

7128

02

221 2

11

2 21

2 2 3 2 2 2 3

97

16 0

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Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung

© Körkel (2009)

Wöchentliche Zielfestlegung

Crack

4 4

10 7

20 15

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Pocket-Konsumtagebuchzur Zielfestlegung und -überprüfung

Pocket-Konsumtagebuch

Crack 1 Stein = 5 €

7 15 4

52 3

5510

5 2 8 154

x x x x x x x

xxx x

??

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Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung5. Strategien zur Zielerreichung

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung5. Strategien zur Zielerreichung (Konsumkontrolle)6. Umgang mit Risikosituationen

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung5. Strategien zur Zielerreichung (Konsumkontrolle)6. Umgang mit Risikosituationen7. Ausrutscher meistern

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung5. Strategien zur Zielerreichung (Konsumkontrolle)6. Umgang mit Risikosituationen7. Ausrutscher meistern8. Freizeitgestaltung

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung5. Strategien zur Zielerreichung (Konsumkontrolle)6. Umgang mit Risikosituationen7. Ausrutscher meistern8. Freizeitgestaltung9. Erkennen von Belastungen

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung5. Strategien zur Zielerreichung (Konsumkontrolle)6. Umgang mit Risikosituationen7. Ausrutscher meistern8. Freizeitgestaltung9. Erkennen von Belastungen10. Bewältigung von Belastungen

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung5. Strategien zur Zielerreichung (Konsumkontrolle)6. Umgang mit Risikosituationen7. Ausrutscher meistern8. Freizeitgestaltung9. Erkennen von Belastungen10. Bewältigung von Belastungen11. Soziale Kompetenzen („Nein-Sagen“)

© Körkel (2009)

Inhalte der 12 „KISS “ - Module

1. Grundwissen über Drogen2. Pro & Kontra Veränderung3. Konsum-Bilanz4. Erste Zielfestlegung5. Strategien zur Zielerreichung (Konsumkontrolle)6. Umgang mit Risikosituationen7. Ausrutscher meistern8. Freizeitgestaltung9. Erkennen von Belastungen10. Bewältigung von Belastungen11. Soziale Kompetenzen („Nein-Sagen“)12. Erreichtes sichern („Wie soll es weitergehen?“)

© Körkel (2009)

2. Übersicht: KISS-Programm und Hintergründe

2.1 Definition „Selbstkontrollierter Konsum“2.2 Warum ein Selbstkontrollprogramm wie KISS?2.3 Charakteristika, Inhalte, Durchführung von KISS 2.4 Indikation und Zielgruppen von KISS

Agenda zum Vortrag

© Körkel (2009)

Indikation für KISS

Wunsch, den Konsum zu reduzieren

Abstinenz kein zur Zeit gewünschtes oderrealistisches Ziel

© Körkel (2009)

Zielgruppen für KISS

1. (Noch) sozial unauffällige DrogengebraucherInnen

2. Sozial auffällige DrogenkonsumentInnenin der niedrigschwelligen Drogenhilfe (Konsumräume, Kontaktläden, Notschlafstellen, Streetwork etc.)in Substitutionsprogrammen (+Heroinprogrammen)auf Entgiftungsstationenin Drogentherapieeinrichtungen…

© Körkel (2009)

2. Übersicht: KISS-Programm und Hintergründe

2.1 Definition „Selbstkontrollierter Konsum“2.2 Warum ein Selbstkontrollprogramm wie KISS?2.3 Charakteristika, Inhalte, Durchführung von KISS 2.4 Indikation und Zielgruppen von KISS2.5 Ergebnisse der ersten Studie der idh Frankfurt e.V.

Agenda zum Vortrag

Studienergebnisse

Studienergebnisse

Studienergebnisse

Studienergebnisse

Studienergebnisse

Fazit der Studie

KISS wirkt – und die Wirkung hält an. Dies belegen alle Overall-Maße: Gesamtkonsum, konsumfreie Tage, Anzahl Abhängigkeiten, KonsumausgabenStarke und über viele Konsumindikatoren nachweisbare Wirkungen des KISS-Programms sind für Crack, Kokain, Benzodiazepine, Heroin und Cannabis nachweisbar. Bei Alkohol zeigen sich kaum EffekteDie durch KISS erzielten Wirkungen sind praktisch bedeutsamund liegen in einem Effektstärkenbereich, der für Pharmako- und Psychotherapie mit Drogenabhängigen üblich ist.Hohe Anzahl der wahrgenommenen Sitzungen (ca. 60%) in Verbindung mit der hohen Haltequote (über 90%) lassen die Schlussfolgerung zu, das KISS auch für polyvalent konsumierende und sozial depravierte Drogenabhängige, die niedrigschwelligeDrogenhilfeeinrichtungen aufsuchen, attraktiv und im Gruppensetting durchführbar ist.

© Körkel (2009)

1. Durch zieloffene Angebote lassen sich mehr Menschen füreine Konsumänderung gewinnen als durch ausschließlichabstinenzorientierte.

2. Programme zum kontrollierten Konsum lassen guteErfolge erwarten (= wesentliche Reduktion oder Abstinenz).

3. Für manche KonsumentInnen ist kontrollierter Konsumein hilfreicher Zwischenschritt auf dem Weg zur Abstinenz.

4. Im Suchthilfesystem und in der medizinischen Versorgungsollten Programme zum kontrollierten Konsum einen festenPlatz einnehmen - für KonsumentInnen legaler wie illegalerDrogen gleichermaßen.

5. Dabei ist ein „stepped care“-Ansatz sinnvoll: Von „wenig“ (z.B. Konsumtagebuch + 1 Blatt „Tipps“) zu „mehr“ (z.B. KISS-Gruppe oder KISS-Einzel).

Resümee

© Körkel (2009)

Weitere Infos, Downloads von Artikeln und Vorträgen,Schulungstermine usw. :

www.kiss-heidelberg.de

www.gk-quest.de

© Körkel (2009)

Infos, Materialien und Fortbildungen u.a. zu Programmen zum kontrollierten Konsum

Motivational Interviewing

GK Quest Akademie Maaßstr. 28

69123 Heidelberg Tel. 06221 - 739 20 30

info@gk-quest.de

www.kiss-heidelberg.dewww.gk-quest.de

© Körkel (2009)

Schönen Dank !