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Grundzüge der Anwaltshaftung

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A. GrundlagenI. Haftung für die Berufsausübung1. Gesetzliche Grundlagen der Anwaltshaftung

Rechtsanwälte haften für berufliche Fehler: daher Berufshaftpflichtversicherung; Die Haftung des Rechtsanwalts ist vom Gesetzgeber nicht einheitlich

geregelt.

a) BGB Vertragliche Haftung nach BGB gemäß Leistungsstörungsrecht

insbes. § 280 I BGB; Echter Anwaltsvertrag ist nach h.M. regelmäßig Dienstvertrag, der

Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat (§§ 611, 675 I BGB), ausnw. Werkvertrag, der Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat (§§ 631, 675 I BGB); z. Abgrenzung s. BGH NJW 1996, 661, 662.

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Im Weiteren wird nur Haftung aufgrund echten Anwaltsvertrages behandelt; abzugrenzen von Haftung für anwaltsfremde, amtliche, amtsähnliche Tätigkeit (z.B. als Insolvenzverwalter, Vormund, Testamentsvollstrecker)

Außervertragliche Haftung, GoA, Bereicherungsrecht, Delikt

b) Richterrecht Ausdifferenzierte Judikatur

c) Regelungen in Berufsordnung, BRAO § 44 BRAO vorvertragliche Haftung § 51 a BRAO vertragliche Begrenzung von Ersatzansprüchen

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2. Haftung anderer klassischer juristischer Berufsgruppen

a) Notare Geregelt in § 19 BNotO; Haftung nach den Grundsätzen der

Amtshaftung; Haftungsprivileg bei Fahrlässigkeit

b) Richter Grundsätzlich keine Haftung, § 839 II BGB; Ausnahme: wenn

Pflichtverletzung in Straftat (z.B. Rechtsbeugung, Vorteilsannahme etc.) besteht.

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3. Haftung für andere Rechtsanwälte?

Anwälte sind regelmäßig nicht als Einzelanwälte tätig, sondern kooperieren zunehmend mit anderen Anwälten, typischerweise in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit. Dies wirft die Frage auf nach der Haftung für Fehler eines Partners/Sozius‘.

Die wichtigsten Sozietäts- und Kooperationsformen sind: a) GbR

Gesellschaftsrechtlich ist eine Sozietät der Zusammenschluss von Rechtsanwälten zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer GbR, sofern die Rechtsanwälte nicht ausdrücklich eine andere Rechtsform gewählt haben (vgl. BGH NJW 1971, 1801, 1802).

GbR ist eine klassische und weit verbreitete Form der Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten

Seit BGHZ 146, 341 ff. (=WM 2001, 408 ff.) ist entschieden, dass Außenrechts-GbR beschränkt geschäftsfähig ist und als solche Vertragspartner eines Auftragsgebers ist Ausn.: Einzelmandat

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Gesellschafter einer Außen-GbR haften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft kraft Gesetzes akzessorisch, gesamtschuldnerisch, unmittelbar, unbeschränkt und persönlich, d.h. auch mit Privatvermögen, analog § 128 HGB (vgl. BGH WM 2001, 408, 414)

Bei der GbR haftet ein eintretender Gesellschafter grundsätzlich analog § 130 HGB auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten (s. auch BGH WM 2006, 187 ff.)

Diese Grundsätze hat BGH mit Urteil vom 07.04.2003 auch für Freiberufler-Sozietäten übernommen (BGH NJW 2003, 1803); dabei aber offen gelassen, ob § 130 HGB auch für Verbindlichkeiten aus beruflichen Haftungsfällen analog gilt und ob hier analog § 8 II PartGG eine Haftungsbeschränkung greift. (Problem: Versicherungsschutz wird nach marktüblichen Bedingungswerken nur für Verstöße ab Versicherungsbeginn gewährt)

Im Einzelnen noch etliche offene Fragen. Haftungsfalle:

Anscheinssozietät: selbst wenn keine GbR besteht, sondern lediglich Zusammenschluss in Bürogemeinschaft ist Haftung nach oben genannten Grundsätzen möglich, wenn zurechenbar der Anschein einer GbR erweckt wurde VORSICHT bei der Gestaltung von Briefbögen etc.!!!

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b) Partnerschaftsgesellschaft Gem. § 8 I PartGG grds. Haftung aller Partner für Verbindlichkeiten der

Gesellschaft mit Privatvermögen. ABER: gem. § 8 II PartGG für Verbindlichkeiten aufgrund fehlerhafter

Berufsausübung haftet nur der mit Bearbeitung des Auftrages befasste Partner.

c) GmbH Es haftet nur das Gesellschaftsvermögen; Gesellschafter haften grds.

nicht mit Privatvermögen (sondern allenfalls mit ihrer Einlage in die GmbH)

d) Aktiengesellschaft Ebenfalls keine Haftung der Aktionäre mit Privatvermögen.

e) Bürogemeinschaft Kein Zusammenschluss zur Berufsausübung, nur gemeinsame Nutzung

der Infrastruktur, Haftung nur ggü. Dem eigenen Vertragspartner (Haftungsfalle Scheinsozietät, s.o.)

=>Rechtsanwälte tragen grds. ein hohes, möglicherweise existenzgefährdendes Haftungsrisiko

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tatbestandliche Begrenzung des Umfanges der Sorgfaltspflichten durch Leistungsbeschreibung in der Mandatsvereinbarung (Bsp.: „Fragen des Steuerrechts sind nicht zu prüfen“).

II. Haftungsbeschränkungen

1. durch Leistungsbeschreibung (beschränktes Mandat)

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Vertragliche Haftungsbeschränkungen sind unter den Voraussetzungen des § 51 a BRAO zulässig. § 51 a I BRAO regelt Haftungsbeschränkungen auf einen Höchstbetrag § 51 a II BRAO regelt Haftungskonzentration auf einzelne Mitglieder einer

Sozietät

§ 51 a BRAO soll im Haftungsfall angemessenen Ausgleich der Interessen von Rechtsanwalt und Mandanten ermöglichen

2. vertragliche Haftungsbeschränkung

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betrifft nur Ansprüche aus echtem Anwaltsvertrag, erfasst daher z.B. nicht deliktische Ansprüche

a) Haftungsbeschränkung auf Höchstbetrag, § 51 a I BRAO

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Vereinbarung im Einzelfall muss zwischen den Parteien ausgehandelt sein (vgl. § 305 I 3 BGB).

Erforderlich, dass Gegenseite des Verwenders den Inhalt mit beeinflusst hat, bzw. mit beeinflussen konnte (vgl. BGHZ 85, 305, 308, 104, 232, 236) bzw. dass Inhalt der Klauseln ernsthaft zur Disposition gestellt wurde (vgl. BGH NJW 2000, 1110, 1111).

Schriftform iSd § 126 BGB, elektronische Form genügt nicht. Pflicht des Rechtsanwalts zur Aufklärung des Auftraggebers/Mandanten

über Rechtsfolgen der Vereinbarung Beschränkung der Haftung im Einzelfall auf die Höhe der

Mindestversicherungssumme (§ 51 Abs. 4 S.1 BRAO: z. Zt. EUR 250.000.00) für fahrlässig verursachte Schäden (str. ob dies auch bei grober Fahrlässigkeit gilt).

Vollständiger Haftungsausschluss demnach unwirksam.

aa) Individualvertragliche Vereinbarung, § 51 a I Nr. 1 BRAO

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vorformulierte Vertragsbedingungen iS von AGB (§§ 305 ff. BGB) Schriftform nicht erforderlich, aber absolut üblich und aus

Beweisgründen dringend zu empfehlen Haftungsbeschränkung nur für Fälle der einfachen Fahrlässigkeit

vereinbar; Beschränkung zulässig auf den vierfachen Betrag der

Mindestversicherungssumme (also z. Zt. EUR 1 Mio.) bzw. Beschränkung auf höheren Betrag soweit Versicherungsschutz im Zeitpunkt der Pflichtverletzung tatsächlich in dieser Höhe besteht. Achtung: wg. Transparenzgebot muss Haftungsbetrag ausdrücklich genannt werden

bb) vorformulierte Vertragsbedingungen, § 51 a I Nr. 2 BRAO

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Wirksamkeit gemäß §§ 305 ff. BGB im Übrigen: Einbeziehung gemäß § 305 II, III BGB (vorsichtshalber getrennte Urkunden,

nicht in Prozessvollmacht, Honorarvereinbarung aufnehmen, da str., ob dies die Voraussetzungen des § 305 c BGB betreffend überraschende und mehrdeutige Klauseln erfüllt);

§ 51 a I Nr. 2 BRAO ist Spezialregelung; die Rettung der Wirksamkeit einer vorformulierten Haftungsbeschränkung über §§ 307 I, II, 308, 309 BGB kommt nicht in Betracht.

b) Haftungskonzentration auf einzelne Rechtsanwälte, § 51 a II BRAO

spielt in Rechtspraxis so gut wie keine Rolle (vgl. Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee: Handbuch der Anwaltshaftung, RN 450).

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§ 8 II PartGG

§ 13 GmbHG (s.o.)

2. Haftungsbeschränkung durch Rechtsform

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Rechtsanwälte haften ihren Auftraggebern (Mandanten) für berufliche Fehler, i.d.R. aufgrund eines Anwaltvertrages (hierzu s.o.) Die vertraglichen Pflichten des Rechtsanwaltes ergeben sich aus dem Rahmen seines Auftrages (Mandant) im Einzelfall (siehe Teil B).

III. Haftungskonstellationen: Haftung ggü. wem?

1. vertragliche Haftung gegenüber Mandant siehe unten Teil B

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Beispiel (nach BGH NJW 1965, 1955 ff.): M beauftragt Anwalt A an der testamentarischen Einsetzung der Tochter T des M mitzuwirken. Infolge einer schuldhaften Säumnis des A kommt es nicht mehr zur formwirksamen Errichtung des Testaments: M verstirbt ohne ein Testament. Aufgrund der gesetzlichen Erbfolge wird T gemeinsam mit ihrer Nichte und Enkelin des M Miterbin zu ½. T macht gegenüber A den ihr aufgrund der Nichterrichtung des Testaments entstandenen Schaden geltend. Zu Recht?

a) echter (Anwalts-) Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB hier T (-) da bestimmungsgemäßer Leistungsempfänger M sein sollte.

b) Anwaltsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Drittem steht zwar kein Anspruch auf die vertragliche Hauptleistungspflicht zu,

wohl aber ein eigener SE-Anspruch gegen den Schuldner wegen der Verletzung von Vertragspflichten

2. vertragliche Haftung gegenüber Nichtmandanten

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Voraussetzungen: Leistungsnähe des Dritten Interesse des Gläubigers am Schutz des Dritten Erkennbarkeit für den Schuldner Dritter schutzbedürftig, d.h. kein eigener vertraglicher Anspruch Dem Vertragsschuldner war die Einbeziehung des Dritten bei

Vertragsschluss bekannt, bzw. erkennbar; begünstigter Personenkreis bei Vertragsschluss muss objektiv abgrenzbar sein

Der BGH hat angenommen, dass T in Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezogen war und somit Ansprüche geltend machen kann.

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Fallgruppen/Beispiele, in denen der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte für die Frage der Anwaltshaftung Bedeutung erlangen kann:

Schutzwirkung für Angehörige des Mandanten Mandant beauftragt RA mit Anfertigung einer Auskunft, Gutachten, Testat

o.ä., wobei erkennbar auch Interessen eines Dritten (z.B. Kreditgeber, Käufer) berührt werden. Beispiel: Der Kreditgeber, Vertragspartner des Mandanten, möchte Gutachten des RA zur Grundlage einer Vermögensentscheidung machen.

c) Auskunftsvertrag mit Dritten (in besonderen Fällen auch konkludent);

d) Treuhandverhältnisse; e) Aufgrund bes. Vertrauensstellung; Verschulden bei

Vertragsverhandlung z.B. Prospekthaftung; Sachwalterhaftung gem. § 311 II Nr. 3; III BGB;

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Vertragspflichten ergeben sich nach Maßgabe und in den Grenzen des Mandats. Aus Vertrag lassen sich jedoch idR nur Hauptleistungspflichten entnehmen, nicht die ebenfalls zu beachtenden Leistungs- und Treuepflichten. Aus dem Gesetz ergeben sich nur wenige haftungsrechtlich relevante Pflichten. Bei dem weitaus größten Teil der dem Anwalt obliegenden Grundpflichten handelt es sich um Richterrecht:

3. Jedermann aufgrund GoA, ungerechtfertigte Bereicherung, Delikt.

B. Vertiefung vertragliche Haftung gegenüber dem Mandanten gem. §§ 280 I, 611, 675 BGB

I. Verletzung anwaltlicher Pflichten als Haftungsvoraussetzung

1. Pflichten aus dem Anwaltsvertrag

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Der BGH (vgl. statt aller BGH NJW 1994, 1211, 1212) umschreibt die grundlegenden Vertragspflichten (Kardinalpflichten) des Rechtsanwaltes aus einem echten Anwaltsvertrag wie folgt: „Der Rechtsanwalt hat im Rahmen seines Auftrages seinen Auftraggeber

umfassend und erschöpfend zu belehren. Er muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbei zu führen. Ist dies der Fall, so hat der Anwalt seinem Auftraggeber diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen können. Dafür hat der Anwalt den sichersten Weg vorzuschlagen. Vor voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen muss der Anwalt den Mandanten bewahren. Damit dieser eine sachgerechte Entscheidung treffen kann, hat der Anwalt ihn über die Risiken und deren abschätzbares Ausmaß aufzuklären. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sach- und Rechtslage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Auftraggeber erörtern.“

Dies bedeutet, dass der Anwalt die Pflicht zur umfassenden Beratung und Dies bedeutet, dass der Anwalt die Pflicht zur umfassenden Beratung und Interessenwahrnehmung in Rechtsangelegenheiten hat. Im Einzelnen zählt Interessenwahrnehmung in Rechtsangelegenheiten hat. Im Einzelnen zählt dazu die Pflicht zur:dazu die Pflicht zur:

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a) Aufklärung, Ermittlung und Sicherung des Sachverhalts

Ermittlung der Ziele des Mandanten; Aufklärung des Sachverhaltes, durch Befragung des Mandanten, durch

Anfordern und Prüfen von potentiellen Beweismitteln; Einsicht in Akten, Register, Unterlagen, Urkunden;

Mandant hat Obliegenheit, den RA zu informieren, der Anwalt darf auf Richtigkeit der Angaben des Mandanten vertrauen;

Beweissicherung; RA hat grds. keine eigene Ermittlungspflicht über Befragung und o.g.

Einsichtspflicht hinaus.

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b) Prüfung der Rechtslage „nach jeder Richtung“ (BGH WM 1993, 1376, 1377)

Überwachung prozessualer und materieller Fristen; mehr als 40 % aller Haftpflichtfälle sind in Fristversäumungen begründet;

Gesetzeskenntnis: mandatsbezogen, aktuell; Kenntnis der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung in den Hauptgebieten

des Rechts (NJW, MDR) und den Spezialgebieten des Anwaltes, bei Fehlen höchstrichterlicher Rechtsprechung auch der Untergerichte;

Kenntnis des Schrifttums: grds. Kenntnis der einschlägigen Kommentarliteratur; rechtswissenschaftliche Literatur nur bei Fehlen/Zweifeln am Fortbestand von höchstrichterlicher Rechtsprechung;

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c) Beratung und Belehrung des Mandanten

Ergebnis der Sach- und Rechtsprüfung umfassend und erschöpfend darlegen, um Mandanten eigenverantwortliche sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, insb. auch in Vergleichsverhandlungen Belehrungsbedürftigkeit d. Mandanten beachten;

Aufklärungspflicht; §§ 675 I, 666 BGB; Zweifel, Bedenken, Risiken (Prozessrisiko, evtl. Kostenrisiko) benennen und

erörtern; Aufklärung über besonders risikoreiche Maßnahmen; nicht bezgl. außerrechtlicher Umstände, z.B. wirtschaftlicher Interessen; Pflicht zur Aufklärung über eigene anwaltliche Fehler.

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d) Schadensverhütungspflicht, insb. Grundsatz des relativ sichersten Weges

sicherster Weg aus ex ante Sicht (z.B. in Zweifelsfällen stets zu Beurkundung raten);

Pflicht den Auftraggeber vor voraussehbaren und vermeidbaren Schäden zu bewahren insbesondere: Verhinderung der Verjährung;

gerichtlichen und behördlichen Fehlentscheidungen entgegen wirken.

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e) sonstige Pflichten

Weisungsgebundenheit, §§ 675 I, 665 BGB Verschwiegenheit, § 43a II BRAO, § 2 BORA Herausgabepflicht, §§ 675 I, 667 BGB (Handakte, Mandantengelder …)

Im eigenen Interesse dokumentiert der RA die Erfüllung dieser Im eigenen Interesse dokumentiert der RA die Erfüllung dieser Pflichten!Pflichten!

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Pflichtverletzung vom Mandanten zu beweisen, Rechtswidrigkeit dann indiziert

II. rechtswidrige Pflichtverletzung gem. § 280 I BGB

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Beweislast gem. § 280 I S. 2 BGB, d.h. Rechtsanwalt muss fehlendes Verschulden nachweisen

III. Verschulden gemäß §§ 276, 278 BGB

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Im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel

(+) wenn Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten des RA/bei zutreffender Beratung ausgeblieben wäre.

Beweislast: als Anspruchsbegründende Voraussetzung grds. vom Mandanten zu beweisen

IV. Kausalität

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FallbeispielFallbeispiel:

MM überlegt, Pflichtteilsansprüche im Klagewege geltend zu machen. RA A übersieht den von § 197 BGB abweichenden Verjährungsbeginn in § 2332 BGB und stellt M gegenüber die Erfolgsaussichten der Klage als gut dar und M entschließt sich nach dieser Beratung zur Klageerhebung. Das Gericht entscheidet, dass Ms Pflichtteilsansprüche gemäß § 2332 I BGB verjährt sind. M verlangt von RA A die Prozesskosten im Wege des Schadensersatzes.

Pflichtverletzung evident, da Falschberatung vorliegt

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Problem aber: Wie hätte der Mandant gehandelt, wenn er richtig beraten/ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre? Diese Frage bezieht sich nicht auf ein reales Geschehen, sondern auf einen hypothetischen Fall.

Der BGH (grundlegend BGH NJW 1993, 3259) löst dieses Beweisproblem über die Grundsätze des Anscheinsbeweises („Vermutung beratungsgerechten/aufklärungsrichtigen Verhaltens“): Es gilt demnach die Vermutung, dass der Mandant bei pflichtgemäßer Beratung/Aufklärung den (zutreffenden) Hinweisen des Anwaltes gefolgt wäre, sofern für ihn bei vernünftiger Sicht nur eine Entscheidung nahe gelegen hätte.

Sofern dieser Anscheinsbeweis eingreift, kann RA diesen entkräften, indem er Tatsachen vorbringt, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten sprechen (was selten gelingen dürfte).

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b) Zurechenbarkeit und Adäquanz

nach den allgemeinen Kriterien

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Grds. gilt die Differenzhypothese, d.h. der Mandant ist so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des RA stehen würde

V. Zurechenbarer Schaden gem. § 249 ff. BGB

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Fallbeispiel:Fallbeispiel:

MM überlegt, Klage auf Schadenersatz wegen angeblicher Baumängel an seinem Haus zu erheben. RA A kommt zu der (unzutreffenden) Beurteilung, sämtliche Ansprüche seien verjährt und er rät M von Klage ab. Nachdem die Ansprüche tatsächlich verjährt sind, erfährt M anderweitig von dem Fehler des A und verlangt den zur Beseitigung der angeblichen Baumängel erforderlichen Betrag von RA A. Zu Recht?

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Problem:Problem:

Es kommt darauf an, wie das Klageverfahren des M gegen den Bauunternehmer ausgegangen wäre, wenn Klage rechtzeitig erhoben worden wäre. Der hypothetische Geschehensablauf ist nicht mehr ermittelbar.

Lösung:Lösung:

Schadensrichter muss prüfen, wie nach seiner Auffassung der Vorprozess richtigerweise hätte entschieden werden müssen /vgl. statt aller BGH NJW 2005, 3071, 3072) und zwar anhand Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt (hypothetische Betrachtung). Dies gilt auch für Tatsachenfragen, d.h. evtl. Vernehmung sämtlicher Zeugen im Haftpflichtprozess!

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Der Anwalt tritt insoweit in die Rolle der Gegenpartei des Ausgangsrechtsstreites ein (im Beispiel tritt RA in die Rolle des Bauunternehmers ein, wird also Mängel bestreiten etc., um darzulegen, dass der Mandant das Verfahren ohnehin nicht hätte gewinnen können, sein Fehler also letztlich am Ausgang nichts geändert hat und somit nicht kausal für das Ergebnis war).

Literaturhinweis:

Zur Anwaltshaftung siehe auch: DB 2009, S. 2475 ff.

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit