> Ökotoxikologische Bewertung von anthropogenen Stoffen · Krebstieren (z.B. dem Wasserfloh...

27
acatech MATERIALIEN – NR. 10 Diskussionspapier für die acatech Projektgruppe „Georessource Wasser – Herausforderung Globaler Wandel” > Ökotoxikologische Bewertung von anthropogenen Stoffen Thomas Knacker und Anja Coors

Transcript of > Ökotoxikologische Bewertung von anthropogenen Stoffen · Krebstieren (z.B. dem Wasserfloh...

acatech Materialien – nr. 10Diskussionspapier für die acatech Projektgruppe

„Georessource Wasser – Herausforderung Globaler Wandel”

> Ökotoxikologische Bewertung von anthropogenen Stoffen

thomas Knacker und anja Coors

Impressum

autoren:Dr. Thomas Knacker, Dr. Anja CoorsECT Oekotoxikologie GmbHBöttgerstr. 2-1465439 Flörsheim a.M.E-Mail: [email protected], [email protected]

Projekt: Georessource Wasser – Herausforderung Globaler Wandel

empfohlene Zitierweise:Thomas Knacker, Anja Coors: Ökotoxikologische Bewertung von anthropogenen Stoffen, acatech Materialien Nr. 10, München 2011.

Reihenherausgeber:acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, 2011

GeschäftsstelleResidenz MünchenHofgartenstraße 280539 München

T +49(0)89/5203090F +49(0)89/5203099

E-Mail: [email protected]: www.acatech.de

ISSN: 2191-8481/ISBN: 978-3-942044-24-0

© acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften 2011

Redaktion: Ulrike v. SchlippenbachLayout-Konzeption: acatechKonvertierung und Satz: Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, Sankt Augustin

acatech HauptstadtbüroUnter den Linden 1410117 Berlin

T +49(0)30/206309610F +49(0)30/206309611

inHalt

ZuSaMMenfaSSunG 5

1. aufGaBe Der ÖKotoxiKoloGiSCHen BeWertunG 6

2. KonZePte Zur uMWeltriSiKoBeWertunG 7 2.1 Expositionsabschätzung 8 2.2 Wirkungsabschätzung 8 2.3 Der Vergleich der Exposition mit der Wirkung 10

3. uMWeltriSiKoBeWertunG aM BeiSPiel von PHarMaKa 11 3.1 Wahrnehmung eines Umweltproblems 11 3.2 Spezifische Eigenschaften eines Umweltproblems 11 3.3 Eintrag und Vorkommen von Pharmaka in Gewässern 12 3.4 Nicht-beabsichtigte Wirkungen von Pharmaka in der Umwelt 13

4. BerüCKSiCHtiGunG von StoffGeMiSCHen in Der ÖKotoxiKoloGiSCHen BeWertunG 15

5. ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG antHroPoGener SPurenStoffe iM WaSSerKreiSlauf: SinD neue KonZePte unD verfaHren erforDerliCH? 16 5.1 Minimierung der Einträge von Spurenstoffen in die Umwelt 16 5.2 Charakterisierung und ökotoxikologische Bewertung von Spurenstoffgemischen 16 5.3 Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Aufnahme von Spurenstoffen 17 5.4 Risikokommunikation über Spurenstoffe 17 5.5 Risikomanagement im Umgang mit Spurenstoffen 18

6. faZit 19

7. HinWeiSe unD DanKSaGunG 20

8. literatur 21

5

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

Zur Charakterisierung der von Chemikalien ausgehenden Ri-siken werden Stoffgruppen-spezifische Verfahren zur Umwelt-risikobewertung angewendet. Das Prinzip der Umweltrisikobe-wertung ist der Vergleich zwischen der Wahrscheinlichkeit des Vorkommens (Expositionsabschätzung) mit dem Gefahrenpo-tential der Chemikalie (Wirkungsabschätzung). In prospektiven Risikobewertungen wird das Risiko einer Chemikalie vor deren Freisetzung in die Umwelt abgeschätzt; in retrospektiven Risiko-bewertungen werden Ursachen für bereits aufgetretene schädi-gende Wirkungen aufgeklärt. Die vorhersagende, modellieren-de Expositionsabschätzung ist von Substanzeigenschaften, der Art der Anwendung und der Menge der Chemikalie abhängig. Für die retrospektive Risikobewertungen kann die Exposition durch chemisch-analytisches Monitoring bestimmt werden. Die Art und Intensität von Wirkungen auf einzelne biologische Ar-ten wird mit Hilfe standardisierter Prüfverfahren unter Laborbe-dingungen gemessen. Für das aquatische Umweltkompartiment werden drei verschiedene trophische Ebenen repräsentierende Prüforganismen ausgewählt. Durch Anwendung eines „Sicher-heitsfaktors“ wird von den unter Laborbedingungen gemes-senen Wirkungen auf die realen Bedingungen aller Organismen eines Ökosystems extrapoliert. Der berechnete Risikoquotient aus Expositions- durch Wirkkonzentration zeigt an, ob in dem jeweils untersuchten Umweltkompartiment das von der Chemi-kalie ausgehende Risiko akzeptabel ist. Das gestufte Verfahren zur Umweltrisikobewertung beginnt in der Regel mit Annah-men, die ein (über)protektives Ergebnis im Interesse der Umwelt erwarten lassen. Zeigt der Risikoquotient in der ersten Stufe ein nicht akzeptables Risiko an, kann durch Annäherung der Prüf-bedingungen an realitätsnahe Verhältnisse in den folgenden Stufen die Umweltrisikobewertung optimiert werden.

Auf Grund der Ähnlichkeit biochemischer Mechanismen und Stoffwechselwege in vielen Organismen können Pharmaka auch bei Nicht-Zielorganismen bereits durch niedrige, therapeutische Konzentrationen unerwartete Wirkungen auslösen. Das massen-hafte Sterben von Geiern auf dem Indischen Subkontinent zeigt, wie durch die Anwendung eines Arzneimittels dramatische, kaum vorhersehbare Folgen bei Nicht-Zielorganismen ausgelöst werden können. Human-Pharmaka werden in der Regel über Abwässer von Kläranlagen kontinuierlich in Oberflächengewäs-ser freigesetzt; dass heißt viele Nicht-Zielorganismen sind einer niedrigen, aber dauerhaften Arzneimittelexposition ausgesetzt. Durch die Freisetzung von Antibiotika besteht zusätzlich die Möglichkeit, dass die Entstehung von resistenten pathogenen Bakterien in der Umwelt begünstigt und damit die Behandlung von bakteriellen Krankheiten erschwert wird.

Vor dem Hintergrund des Nachweises von Chemikalien in niedrigen Konzentrationen, der spezifischen Wirkmechanismen vieler Spurenstoffe sowie dem Vorkommen in komplexen Stoff-gemischen werden Möglichkeiten der Umweltrisikominderung und der verbesserten Umweltrisikobewertung für Chemikalien vorgeschlagen. Davon abgeleitet und bedingt durch knapper werdende Wasserressourcen werden außerdem Möglichkeiten der optimierten Nutzung gereinigten Abwassers erwogen.

ZuSaMMenfaSSunG

6

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

1. aufGaBe Der ÖKotoxiKoloGiSCHen BeWertunG

Die Zusammensetzung der Arten, d.h. die Biodiversität, ist ein wesentliches Strukturelement der Ökosysteme. Der Schutz von Arten bzw. Populationen stellt sicher, dass unter anderem durch den Erhalt der komplexen Nahrungsnetze die wesentlichen Funktionen des jeweiligen Ökosystems wahrgenommen werden können. Die Stellung einer jeden Art im Nahrungsnetz wird durch die Nahrungsaufnahme, d.h. durch den Energiebedarf und durch das Energieangebot bestimmt. Die verschiedenen Ebenen eines Nahrungsnetzes werden als Trophiestufen bezeich-net. Das Fundament bilden die Primärproduzenten. Dies sind im Wesentlichen Pflanzen und Algen, die mit Licht als Energiequel-le und anorganischen Nährstoffen wie Kohlendioxid, Stickstoff und Phosphor organische Substanzen produzieren. Organismen der nächsten Trophiestufe ernähren sich von Pflanzen oder/und Algen und werden Herbivoren oder Konsumenten erster Ord-nung genannt. In der nächsten Stufe sind Konsumenten zweiter Ordnung (Raubtiere), die sich von Konsumenten erster Ordnung ernähren, angesiedelt. In einer weiteren Trophiestufe befinden sich Destruenten wie Bakterien und Pilze, die sich vom Abbau toter Biomasse ernähren; sie führen durch Mineralisierung orga-nischer Substanzen Nährstoffe dem Stoffkreislauf aus Produk-tion und Verbrauch wieder zu. In einem typischen limnischen Ökosystem besteht ein Nahrungsnetz aus Algen als Primärpro-duzenten, aus algen-abweidenden Insektenlarven oder kleinen Krebstieren (z.B. dem Wasserfloh Daphnia magna) als Herbivor-en, aus räuberische Insektenlarven (z.B. Libellen), die sich von Herbivoren ernähren, und aus Fischen (z.B. Forelle) als Räuber zweiter Ordnung. Größere Organismen wie Vögel (z.B. Fischad-ler) oder Säugetiere (z.B. Flussotter) ernähren sich von Fischen und sind Repräsentanten der so genannten Top-Predatoren; sie können als Brücke zwischen aquatischen und terrestrischen Öko-systemen verstanden werden.

Menschliche Aktivitäten haben erheblichen Einfluss auf lim-nische Ökosysteme. Bauliche Maßnahmen in oder an Flüssen, wie das Errichten von Dämmen, verändern die Fließgeschwin-digkeit des Flusses und damit auch die Lebensbedingungen für aquatische Organismen. Ein erheblicher Wechsel der Lebens-gemeinschaften tritt beim Übergang des Flusses von einem engen Tal mit starken Strömungen in ein langsam fließendes, flaches Auengebiet auf. Landwirtschaftliche Tätigkeiten wie die Bewässerung von Feldern können den Wasserhaushalt durch Absenkung des Grundwassers beeinträchtigen. Durch Boden-erosion können zusätzliche Nährstoffe in benachbarte Gewäs-ser getragen werden und eine Eutrophierung verursachen. In eutrophierten Gewässer ist die Verfügbarkeit von Nährstoffen

wie Stickstoff und Phosphor erhöht, wodurch ein Anstieg der Primärproduktion (Algenblüten) ausgelöst wird. Algenblüten zeigen eine erhebliche Menge an Biomasse an, die nach dem Absinken als abgestorbenes organisches Material im Sediment bakteriell abgebaut wird. Die dabei verzehrte Sauerstoffmenge kann zu sauerstoffarmen Zonen im Wasser führen und die Le-bensbedingungen für sauerstoffabhängige Organismen wie für Fische dramatisch verändern. Die Sauerstoffsättigung sowie der Phosphor- und Stickstoffgehalt des Wassers sind in Monitoring-Programmen wesentliche Kenngrößen zur Beurteilung der Was-serqualität.

Die Kontamination aquatischer Ökosysteme durch verschiede-ne Chemikalien ist ein weiteres, durch menschliche Aktivitäten ausgelöstes Problem. Seit langem bekannte Beispiele für anthro-pogene Schadstoffe sind Schwermetalle und Pflanzenschutzmit-tel, die durch Bergbau bzw. Landwirtschaft freigesetzt werden. Weniger offensichtliche Beispiele sind Haushaltsprodukte wie Waschmittel, Shampoos und Nahrungsmittelzusatzstoffe, die ebenfalls industriell produzierte Chemikalien enthalten. Eine weitere Gruppe von Chemikalien, die in die Umwelt gelangen können sind Pharmazeutika. Die beabsichtigte oder unbeab-sichtigte Freisetzung von anthropogen erzeugten Chemikalien in die Umwelt ist im Laufe der letzten Jahrzehnte in vielen Län-dern durch Bestimmungen und Maßnahmen des Gesetzgebers auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geregelt (De Peyster und Day 1998). Dabei orientiert sich die Bewertung von Chemikalien mit Blick auf die menschliche Gesundheit an Einzelpersonen, während in der Umwelt die Populationen inner-halb eines Ökosystems das Schutzziel sind.

7

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

Wie der Begriff „Risikobewertung” bereits vermuten lässt, kann das Ziel einer vollständigen Vermeidung jeglichen Risikos für die Umwelt bei der Verwendung tausender Chemikalien nicht erreicht werden. Dies liegt neben dem mangelhaften Wissen über das Verhalten und die Wirkung dieser Chemikalien als Einzelsubstanz und im Gemisch auch an der unvollständigen Kenntnis über die Funktionsweise der verschiedenen Kompo-nenten eines Ökosystems. Entsprechend bleibt jede Vorhersa-ge der durch Chemikalien verursachten Konsequenzen für die Umwelt mit Unsicherheiten behaftet. Die Aufgabe einer Risiko-bewertung kann also nur sein, genügend Wissen über Chemi-kalien und ihren Wechselwirkungen mit Bestandteilen von Öko-systemen zu beschaffen, um wohlbegründete Entscheidungen über mögliche Einschränkungen im Umgang mit Chemikalien zu treffen.

Folglich ist die Herstellung und Anwendung vieler Chemikali-en auf der Grundlage einer Risikobewertung reguliert, d.h. es können Verkaufs- bzw. Anwendungsverbote ausgesprochen wer-den oder es werden Maßnahmen angeordnet, die zu einer Mi-nimierung eines identifizierten Risikos beitragen. Das Ergebnis einer Risikobewertung wird dem gesellschaftlichen Nutzen der Chemikalie gegenübergestellt. Diese Risiko-Nutzen-Abwägung berücksichtigt auch gesellschaftspolitische Interessen und ist nicht alleine durch wissenschaftliche Erkenntnisse bestimmt. Dennoch ist es wichtig, dass die Risikobewertung nach formal abgestimmten und wissenschaftlich begründeten Standards durchgeführt wird, um anerkannte und vergleichbare Ergeb-nisse zu erhalten.

Das von Chemikalien ausgehende Risiko für die Umwelt wird im Rahmen eines als „Umweltrisikobewertung“ benannten Verfah-rens systematisch untersucht und nach formalisierten Kriterien bewertet. Das grundlegende Prinzip der Umweltrisikobewertung ist der Vergleich zwischen der Wahrscheinlichkeit die Chemika-lie in der Umwelt vorzufinden (Expositionsabschätzung) mit dem Gefahrenpotential der Chemikalie (Wirkungsabschätzung) (Van Leeuwen und Vermeire, 2007). In Abbildung 1 wird dieses Prinzip in allgemeiner Form dargestellt.

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Prinzips der Umweltrisikobewer-tung für Einzelstoffe. (PEC: durchschnittlich erwartete Konzentration einer Sub-stanz in einem Umweltkompartiment; PNEC: Konzentration der Substanz, bei der keine Wirkung auf die Organismen im Umweltkompartiment erwartet wird)

Eine prospektive Risikobewertung versucht, das Risiko einer Chemikalie vor deren Freisetzung in die Umwelt vorherzusagen. Diese wird üblicherweise im Rahmen eines Autorisierungsver-fahrens zur Vermarktung einer Chemikalie erstellt. Dagegen wird eine retrospektive Risikobewertung in der Regel dann durchgeführt, wenn die Ursachen für bereits aufgetretene schädigende Wirkungen aufgeklärt werden sollen (Calow and Forbes 2003). Formalisierte prospektive Verfahren zur Risikobe-wertung werden in vielen Ländern angewendet (z.B. USA, Eu-ropäische Union, Kanada, und Japan). Im Einzelnen variieren diese Verfahren von Land zu Land und in Abhängigkeit von dem Anwendungsgebiet der Chemikalien (z.B. Pflanzenschutzmittel, Pharmaka, Chemikalien, die in Verbrauchsgütern oder in Nah-rungsmitteln enthalten sind).

Für eine große Anzahl existierender („alter“) Chemikalien war zum Zeitpunkt ihrer beginnenden Vermarktung eine Umweltri-sikobewertung nicht erforderlich oder der geforderte Datensatz entsprach nicht dem heute gültigen Standard. Für diese Che-mikalien kann entsprechend der Europäischen Wasserrahmen-richtlinie (EC 2000) eine retrospektive Umweltrisikobewertung vorgenommen werden. Dabei werden sogenannte Umwelt-Qua-lität-Standards (UQS) ermittelt. Dies sind Schwellenkonzentra-tionen für Chemikalien, unterhalb derer der chemische Status eines Wasserkörpers als mindestens „gut“ bezeichnet werden kann; d.h. es werden keine grundsätzlichen Veränderungen der ökologischen Funktion und der Artenzusammensetzung des Wasserkörpers erwartet. Durch Monitoring-Programme werden die tatsächlichen Konzentrationen ausgewählter Chemikalien

2. KonZePte Zur uMWeltriSiKoBeWertunG

Prinzip der Risikoabschätzung

< 1 = akzeptables Risiko

≥ 1 = nicht akzeptables Risiko

Verfahren für EinzelstoffeExpositionsabschätzung Wirkungsabschätzung

PredictedEnvironmentalConcentration

PECPredicted NoEffectConcentration

PNEC

PEC≥ 1 ?

PNEC

Risikoquotient (RQ):

8

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

in verschiedenen Umweltmatrizes wie Wasser, Boden, Sediment sowie biologischen Geweben gemessen und mit den entspre-chenden UQS-Werten verglichen.

2.1 exPoSitionSaBSCHätZunG

Die Exposition einer Chemikalie steht in Bezug zur Art der An-wendung und der Menge, die in die Umwelt bzw. in die be-troffenen Umweltkompartimente (Oberflächengewässer, Grund-wässer, marine Gewässer, Sedimente, Böden und Atmosphäre) gelangen kann. Die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Chemikalie beeinflussen unter anderem, in welchem Maße sie durch abiotischen und biotischen Abbau wieder aus der Um-welt entfernt werden kann und wie sie sich zwischen den ver-schiedenen Umweltkompartimenten verteilt. Dadurch wird der Konzentrationsbereich ihres Vorkommens in den Umweltkom-partimenten festgelegt.

Die Konzentration einer Substanz kann durch ihre chemisch-analytische Bestimmung im Rahmen von Monitoring-Program-men in verschiedenen Kompartimenten gemessen werden (Mea-sured environmental Concentration; MEC). Dieses Verfahren ist die retrospektive Herangehensweise, da ausschließlich Chemi-kalien erfasst werden, die bereits in die Umwelt gelangt sind. Es wird das reale Niveau einer Kontamination an ausgewählten Orten und Zeitpunkten bestimmt. Die prospektive Herange-hensweise wird in der Regel im Rahmen eines Authorisierungs-verfahrens zur kommerziellen Nutzung einer Chemikalie einge-setzt. Dabei werden unter Berücksichtigung der vorgesehenen Anwendung und der Substanzeigenschaften Modelle zur Kon-zentrationsvorhersage in verschiedenen Umweltkompartimen-ten genutzt. Die prospektive Methode hat den Vorteil, dass die Exposition für neue Substanzen, die noch nicht in die Umwelt emittiert wurden, oder für bereits gehandelte Substanzen, für die jedoch keine analytischen Methoden zur Verfügung stehen, berechnet werden kann. Außerdem wird durch das prospektive Verfahren eine durchschnittliche Umweltkonzentration für ein Kompartiment vorhergesagt, während die in einem Monitoring-Programm gemessenen Werte durch die Auswahl von nicht re-präsentativen Probenahmestellen beeinträchtigt sein können. Das Ergebnis einer prospektiven Expositionsabschätzung wird als „Predicted environmental Concentration“ (PEC) bezeichnet; d.h., die durchschnittliche erwartete Konzentration einer Subs-tanz in einem Umweltkompartiment bei einem angenommenem Anwendungsmuster. Da PEC- und MEC-Werte durch verschiede-

ne Methoden gewonnen werden, können diese sich auch für die gleiche Substanz in einem Kompartiment unterscheiden.

2.2 WirKunGSaBSCHätZunG

Die zweite Komponente der Umweltrisikobewertung betrifft die Wirkungen, die eine Chemikalie auf lebende Organismen ausüben kann; d.h. die Art und Intensität von Wirkungen auf verschiedene Lebewesen. Zur Abschätzung möglicher Wirkun-gen werden üblicherweise ausgewählte, einzelne Arten einer Konzentrationsreihe der zu untersuchenden Substanz ausge-setzt und die Wirkungen auf die Organismen bestimmt und statistisch ausgewertet. In Abbildung 2 werden typische Ergeb-nisse gezeigt, wie sie in einem der am weitesten verbreiteten ökotoxikologischen Standardtests, dem akuten Toxizitätstest mit Daphnia magna (Abbildung 3), auftreten können. Für solche standardisierten Tests stehen auf nationaler und internationaler Ebene Richtlinien zur Verfügung wie z.B. die OECD- Richtlinien (OECD: organisation for economic Co-operation and Develop-ment, www.oecd.org) und ISO-Richtlinien (ISO: international or-ganization for Standardization, www.iso.org). Die Durchführung von Tests nach Richtlinien ist wichtig, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus verschiedenen Laboratorien und für verschie-dene Chemikalien sicher zu stellen. Für jedes zu bewertende Umweltkompartiment werden die Prüforganismen nach einer Reihe von Kriterien ausgewählt. Zwei der wichtigsten Kriterien sind: (a) die biologische Art, zu der die Prüforganismen gehö-ren, sollte eine wichtige Funktion in Ökosystem ausüben (z.B. viele Wechselwirkungen mit anderen Arten aufweisen) und (b) sie sollte unter Laborbedingungen leicht haltbar oder leicht zu züchten sein. Die drei Standard-Prüforganismen für das aquati-sche Kompartiment gehören zu drei verschiedenen trophischen Ebenen: eine Algenart, ein aquatischer Invertebrate (meist der Wasserfloh Daphnia magna) und eine Fischart.

In den aquatischen Kurzzeittests (akute Toxizitätstests) wird als bewertungsrelevante Endpunkte die Konzentration bestimmt, bei der 50% der im Test eingesetzten Organismen sterben (letale Kon-zentration 50; LC50) bzw. Wirkungen zeigen, die das Überleben der Organismen im Test ausschließen (Effektkonzentration 50; EC50). Im Gegensatz dazu wird bei den Langzeittests (chronische Toxizitätstests) meistens die höchste Konzentration bestimmt, bei der auf die Überlebensrate oder/und die Reproduktionsrate oder/und die Wachstumsrate keine statistisch signifikante Wirkung auf-tritt (no observed effect Concentration; NOEC).

9

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

Abbildung 2: Im Daphnia magna-akut-Toxizitätstest werden Gruppen von neu-geborenen Wasserflöhen (D. magna) unter standardisierten Laborbedingungen in einer Reihe verschiedener Prüfsubstanzkonzentrationen exponiert. Der Graph zeigt das Ergebnis eines Tests mit sieben Konzentrationsstufen, wobei die Sub-stanzkonzentrationen auf der logarithmischen x-Achse und der relative Anteil der immobilisierten (lebensunfähigen) Wasserflöhe nach 48 h Expositionszeit auf der y-Achse aufgetragen sind. Mit Hilfe der die Datenpunkte verbindenden Konzentrations-Wirkungskurve kann der für die Wirkungsabschätzung entschei-dende EC50 (die Effektkonzentration, bei der 50% der Wasserflöhe immobilisiert sind) berechnet werden. In diesem Beispiel beträgt der EC50 375 mg/L.

Von dem Testergebnis des am empfindlichsten reagierenden Or-ganismus wird die Predicted no effect Concentration (PNEC) ab-geleitet; dies ist die Konzentration der Prüfsubstanz, bei der keine Wirkungen auf die Organismen in der Umwelt erwartet werden. Diesem Konzept liegt die Annahme zugrunde, dass die unter La-borbedingungen an den drei Standard-Prüforganismen beobach-teten Wirkungen auf die realen Bedingungen aller Organismen ei-nes Ökosystems übertragen werden können. Diese Extrapolation bzw. die Berücksichtigung eines Sicherheitsabstandes erfolgt mit Hilfe eines Sicherheitsfaktors („assessment factor“), der bei der Bestimmung des PNEC von den Labor-Prüfergebnissen eingesetzt wird. Beim Vorliegen von Daten zur akuten Toxizität beträgt der Sicherheitsfaktor für Industriechemikalien 1000; d.h., der nied-rigste LC50 oder EC50-Wert wird durch 1000 dividiert. Bei einem vollständigen Datensatz chronischer Testergebnisse mit Algen, aquatischen Invertebraten und Fischen wird hingegen in aller Regel ein Sicherheitsfaktor von 10 verwendet; d.h., die niedrigste Konzentration, bei der keine statistisch signifikante Wirkung auf

eine der drei Prüforganismen festgestellt wurde, die NOEC, wird durch 10 dividiert. Die so gewonnene Konzentration entspricht der PNEC, die alle Organismen eines Ökosystems vor Wirkungen der Prüfsubstanz schützen soll. Bei Industriechemikalien werden bei niedrigen Verkaufs- bzw. Importmengen ausschließlich akute Toxizitätsdaten, bei hohen Mengen zusätzlich chronische Toxi-zitätsdaten gefordert. Im Falle der Umweltrisikobewertung für Human-Pharmaka werden ausschließlich Daten aus chronischen Toxizitätstests verwendet; dies ist begründet durch die in aller Re-gel zu erwartende Langzeit-Exposition der Organismen in Ober-flächengewässern durch die stetige Emission von Pharmaka über den Abfluss von Kläranlagen (s. auch Kapitel 3).

Die Größe des Sicherheitsfaktors und das durch ihn berücksich-tigte Ausmaß der Unsicherheit bei der Übertragung der Labor-daten auf die Freilandsituation ist immer wieder Gegenstand intensiver Debatten.

100

80

60

40

20

1 10 100

Concentration (mg/l)

Mor

talit

y (%

)

1000 10000

Abbildung 3: Der Wasserfloh Daphnia magna wird bis zu 5 mm lang; er be-wohnt kleine Teiche. Das Bild zeigt einen erwachsenen, weiblichen Wasserfloh mit einer Reihe von ovalen Eiern in der Bruttasche am Rücken. Die Antennen am Kopf werden zum Schwimmen benutzt, darunter befindet sich das schwar-ze Auge. Unterhalb des Auges beginnt der grünlich schimmernde Schlund; die Färbung wird durch Grünalgen verursacht, die von D. magna als Futter aus dem Wasser gefiltert werden.

10

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

2.3 Der verGleiCH Der exPoSition Mit Der WirKunG

Schließlich ist der entscheidende Schritt in der Umweltrisikobe-wertung die Herstellung eines Bezugs zwischen Exposition und Wirkung. Zu diesem Zweck wird die erwartete Umweltkonzen-tration einer Substanz (die PEC) mit der Konzentration vergli-chen, bei der keine schädigende Wirkung der Substanz erwartet wird (die PNEC). Der berechnete Risikoquotient (PEC geteilt durch PNEC) zeigt an, ob in dem jeweils untersuchten Um-weltkompartiment das von der geprüften Substanz ausgehen-de Risiko akzeptabel oder nicht akzeptabel ist (Abbildung 1). Ist der Quotient kleiner als 1 wird von einem akzeptablen Risiko ausgegangen. Der konzeptionelle Gedanke zur Bildung eines Ri-sikoquotienten kann durch zwei Beispiele verdeutlicht werden: (a) eine Substanz mit hoher Toxizität (also niedriger PNEC) be-deutet möglicherweise dennoch für die Umwelt ein akzeptables Risiko, wenn diese Substanz nur in sehr geringen Mengen in die Umwelt freigesetzt wird (also niedriger PEC); (b) wird eine Substanz in großen Mengen freigesetzt (also hoher PEC), dann kann dies trotzdem ein geringes Risiko für die Umwelt bedeu-ten, wenn diese Substanz eine geringe Toxizität (also hoher PNEC) aufweist.

Zu Beginn eines Verfahrens zur Risikobewertung („initial risk assessment“) werden sowohl für die Expositions- als auch für die Wirkungsabschätzung Annahmen getroffen, die in der Regel ein (über)protektives Ergebnis im Interesse der Umwelt erwar-

ten lassen („worst case assumptions“). Ergibt der Risikoquoti-ent beim „initial risk assessment“ einen Wert von größer oder gleich 1 (d.h. das Risiko ist nicht akzeptabel), dann können ent-sprechend den regulativen Vorgaben die Expositions- oder die Wirkungsabschätzung oder beide „verfeinert“ werden. Die Ver-feinerung der Expositionsabschätzung kann in der Anwendung realitätsnaher und damit komplexer Modelle zur Berechnung der PEC bestehen. Die Wirkungsabschätzung kann mit Hilfe von aufwendigen Mehr-Arten Systemen („multi-species“ Studi-en), mit Untersuchungen an Ökosystemausschnitten oder Frei-landuntersuchungen verfeinert werden („higher tier studies“). Werden für die Wirkungsabschätzung Ergebnisse aus „higher-tier-studies” verwendet, kann der Sicherheitsfaktor verringert werden. Die Verfeinerung einer Umweltrisikobewertung ist nur begrenzt formalisierbar und erfordert in aller Regel Expertenwis-sen (Van Leeuwen und Vermeire, 2007).

Die Verlässlichkeit des Ergebnisses einer Risikobewertung ist wesentlich von der Qualität der verwendeten Informationen abhängig. Immer werden Unsicherheiten sowohl über die Wir-kungen als auch über das Vorkommen einer Chemikalie in der Umwelt bestehen bleiben. Es ist grundsätzlich nicht möglich, alle eventuell betroffenen Organismen unter den verschiedenen in Frage kommenden Expositionsbedingungen zu untersuchen. Außerdem sind auch aus finanziellen Gründen Monitoring-Programme für alle Chemikalien zur genauen Bestimmung der Umweltkonzentrationen nicht realisierbar.

11

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

3.1 WaHrneHMunG eineS uMWeltProBleMS

Nachfolgend werden einige wichtige Aspekte der Umweltrisiko-bewertung für Arzneistoffe illustriert. Arzneistoffe gehören zu einer Gruppe von Chemikalien, der üblicherweise ein wichtiger Nutzen bei der Behandlung von Krankheiten oder der Bekämp-fung von Parasiten sowohl beim Menschen (Human-Arzneimit-tel) als auch bei Tieren (Veterinär-Arzneimittel) zugeordnet wird; in der Öffentlichkeit wurden sie nicht als Problem für die Um-welt wahrgenommen. Dennoch sind Pharmaka ein Beispiel für so genannte ‘emerging pollutants’; dies sind Chemikalien, die erst in jüngster Zeit als potenziell problematisch für die Umwelt identifiziert worden sind. Diese Klassifizierung der Arzneimittel wurde in der zweiten Hälfte der 90er Jahre des letzten Jahrhun-derts ein fester Bestandteil in der Umweltforschung. Bereits in den 70er und 80er Jahren waren Berichte über einzelne Funde von Pharmaka im Oberflächenwasser und Kläranlagenabläu-fen veröffentlicht worden. Die gestiegene Zahl der entdeckten Pharmaka in der Umwelt wurde jedoch erst durch verbesserte analytische Methoden in den 90er Jahren (Flüssigchromatogra-phie gekoppelt mit Tandem-Massenspektrometrie) ausgelöst und nicht durch eine erhöhte Kontamination der Umwelt durch Pharmaka verursacht (Ternes et al. 2004). Durch dieses neue analytische Verfahren konnten sehr niedrige Konzentrationen polarer Substanzen, zu denen die meisten Arzneimittelwirkstof-fe gehören, in der Umwelt bestimmt werden. Andere analytische Methoden wie die Gaschromatographie eignen sich besonders gut für nicht-polare Substanzen, erfassen damit aber nur wenige Arzneimittel.

Neben den verbesserten analytischen Methoden war der zweite wichtige Auslöser zur Erhöhung der Aufmerksamkeit für Arznei-mittel in der Umwelt das Problem der endokrin wirksamen Subs-tanzen. Purdom et al. (1994) in Großbritannien waren die ersten Wissenschaftler, die Veränderungen in Fischen auf hormonhalti-ge Substanzen im Abwasser zurückführen konnten. Durch diese Veröffentlichung wurden zahlreiche Forschungsaktivitäten welt-weit über das Vorkommen endokrin wirksamer Substanzen im Abwasser und ihrer nicht-beabsichtigten Wirkungen in Fischen und anderen Organismen initiiert. Ein erheblicher Teil dieser Forschung war auf das synthetisch hergestellte Ethinylöstra-diol (EE2) gerichtet, einem Derivat des natürlichen Hormons Östradiol. Seit den 1960er Jahren ist EE2 ein Bestandteil vieler Kontrazeptiva („die Pille“), das über Fäzes und Urin unverändert ausgeschieden wird und über Abwasserkanäle und Kläranlage-nabläufe in die aquatische Umwelt gelangt.

Dieser Weg der Kontamination der aquatischen Umwelt mit hormonell aktiven Pharmaka ist unter anderem eine wichtige Ursache zur Entstehung von ‘Intersex‘ (Feminisierung von männ-lichen Fischen bzw. Anlage von oocytenproduzierenden Zellen in Hoden von Fischen) bei Rotaugen (Rutilus rutilus) ein wild-lebender Süßwasserfisch (Jobling et al., 2006). Die Geschichte des Problems mit endokrin wirksamen Substanzen und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen wurden in einem Auf-satz von zwei auf diesem Gebiet führenden Wissenschaftlern zu-sammengefasst (Sumpter und Johnson, 2008). Eine besondere Lehre ist, dass die Produktion großer Chemikalienmengen nicht zwingend die Ursache für Umweltprobleme sein muss. Die Ver-wendung von etwa 25 kg EE2 pro Jahr in Großbritannien bzw. 50 kg pro Jahr in Deutschland (BLAC, 2003) ist gering im Ver-gleich zu den über 9000 Tonnen Insektiziden und Akariziden, die in Deutschland im Jahr 2007 verkauft wurden (BVL, 2007). Wie bereits im Kapitel 2 beschrieben zeigt dieser Vergleich, dass neben der Menge oder Konzentration einer Chemikalie (“likeli-hood of the event”) auch die Wirksamkeit der Chemikalie (“con-sequence of an event”) von entscheidender Bedeutung ist.

3.2 SPeZifiSCHe eiGenSCHaften eineS uMWeltProBleMS

Mehrere Gründe sprechen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit dafür, dass Pharmaka im Vergleich zu an-deren Anwendungsgruppen von Chemikalien einer speziellen Betrachtung unterzogen werden sollten. Der erste Grund ist die Tatsache, dass sowohl Human-Arzneimittel als auch Veterinär-Arzneimittel entwickelt werden, um bei niedrigen Konzentrati-onen biologische Wirkungen zu zeigen. Diese beabsichtigten Wirkungen zielen auf eine Vielzahl verschiedener biochemischer Mechanismen bei Säugern oder auch bei Invertebraten, wie beispielsweise die Abtötung von Parasiten bei Mensch und Tier (Tarazona et al. 2010). Solche beabsichtigten Wirkungen von Pharmaka stehen im Gegensatz zur Situation bei Industrieche-mikalien, die nicht zum Zwecke der Interaktion mit biologischen Systemen entwickelt werden. Die Ähnlichkeit biochemischer Mechanismen und Stoffwechselwege selbst bei phylogenetisch voneinander weit entfernten Organismen ist Anlass zur Annah-me, dass durch Pharmaka auch nicht beabsichtigte Wirkungen bei Umweltorganismen bzw. Nicht-Zielorganismen schon bei niedrigen Konzentrationen auftreten können (Schmitt et al. 2010). Zur Erläuterung zwei Beispiele:

3. uMWeltriSiKoBeWertunG aM BeiSPiel von PHarMaKa

12

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

(a) Der Östrogen-Rezeptor des Menschen wird durch das natür-liche Östrogen aktiviert (östrogene-Wirkung) und durch das synthetische Arzneimittel Raloxifen, das zur Vermeidung von Osteoporose und Behandlung von Brustkrebs bei Frauen ein-gesetzt wird, blockiert (anti-östrogene Wirkung; Brzozowski et al. 1997). Der Östrogen-Rezeptor beim Menschen ist struk-turell sehr ähnlich dem Östrogen-Rezeptor beim Zebrafisch (Costache et al 2005), so dass der Zebrafisch in der medizi-nischen Forschung als Modellorganismus zur systematischen Bestimmung der östrogenen Aktivität von Chemikalien ein-gesetzt wird; andererseits dient der Zebrafisch auch als Prüf-organismus in ökotoxikologischen Standardtests.

(b) Eine andere Gruppe von biochemischen Rezeptoren sind die ß-adrenergen Rezeptoren, die vor allem im Herzen von Säugern vorkommen. Das Blockieren dieser Rezeptoren mit sogenannten ß-Blockern ist beim Menschen eine weitver-breitete Methode zur Behandlung von Herzerkrankungen und Bluthochdruck. ß-adrenerge Rezeptoren bei Säugern sind strukturell und wahrscheinlich auch funktionell sehr ähnlich den ß-adrenergen Rezeptoren bei Fischen (Owen et al. 2007), so dass Wirkungen dieser Gruppe von Arzneimit-teln auf Fische in Gewässern mit Abwässern, die Spuren von ß-Blockern enthalten, nicht ausgeschlossen werden können.

Ein zweiter Grund zur besonderen Betrachtung der Pharmaka ist ihre kontinuierliche Freisetzung über Abwässer von Kläranlagen. Folglich können Pharmaka selbst bei nachgewiesener Abbaubar-keit ständig in der aquatischen Umwelt präsent sein und dadurch eine dauerhafte Exposition aquatischer Organismen über viele Ge-nerationen bewirken. Entsprechend wurde die Besorgnis geäußert, dass diese im Vergleich zu anderen biologisch aktiven Substanzen wie Pflanzenschutzmittelwirkstoffen kontinuierliche Exposition zu schleichenden, kaum merkbaren Veränderungen der betroffenen Populationen führen kann (Daughton und Ternes 1999).

Antibiotika als wichtige Substanzgruppe innerhalb der Pharma-ka sind Gegenstand einer weiteren Besorgnis. Die Entstehung resistenter pathogener Bakterien bei normaler, medizinischer Anwendung von Antibiotika ist ein seit langem bekanntes Problem und kann zu ernsthaften Schwierigkeiten bei der Be-handlung von bakteriellen Krankheiten führen (Rice 2007). Die kontinuierliche Freisetzung geringer Mengen Antibiotika in die Umwelt ist Anlass zur Sorge und begründete zahlreiche For-schungsprojekte zur Frage, ob Antibiotika die Resistenzbildung bei „Umweltbakterien“ fördern.

Schließlich ein letzter Aspekt der im Unterschied zu anderen Chemikaliengruppen zumindest für Human-Arzneimittel eine besondere ethische Betrachtungsweise erfordert. Wie auch immer das Ergebnis einer Umweltrisikobewertung ausfällt, es führt zu keinem Verbot von Human-Arzneimitteln, da eine ku-rativen Behandlung durch nachweislich wirksame Arzneimittel nach aktueller Rechtslage aus ethischen Gründen nicht versagt werden darf (Koschorreck und Hickmann, 2008). Andererseits kann im Sinne der Umwelt durchaus der hohe und nicht im-mer notwendige Verbrauch von Arzneimittel auf den Prüfstand gestellt werden (Wennmalm et al. 2010). Für Veterinär-Arznei-mittel sind die entsprechenden ethischen Überlegungen von geringerer Bedeutung, so dass deren Vermarktung aus Umwelt-gründen beschränkt werden kann, wenn andere Möglichkeiten zur Risikominimierung nicht gegeben sind. Unabhängig von der Verbotsmöglichkeit tragen andere Maßnahmen wie die Verbes-serung der Klärwerkstechnologie oder die Aufklärungsarbeit bei Interessensgruppen des Gesundheitswesens zur Verringerung der Umweltbelastung durch Pharmaka bei (Dieter et al. 2010).

3.3 eintraG unD vorKoMMen von PHarMaKa in GeWäSSern

Human-Arzneimittel werden hauptsächlich über kommunale Kläranlagen in die Umwelt eingetragen; d.h. die Kontamination aquatischer Kompartimente erfolgt durch Arzneimittelrückstän-de, die in Kläranlagen nicht oder nicht vollständig eliminiert werden (EMEA/CHMP, 2006). Arzneimittel erreichen die Klär-anlagen über die Ausscheidungen von Patienten oder über die Entsorgung nicht genutzter Medizin in die Toilette. Der Boden kann durch Ausbringung von Klärschlämmen, an denen Phar-maka adsorbiert sind, kontaminiert werden. Zusammen mit Haushaltsabfällen können nicht genutzte Arzneimittel auch in Deponien eingelagert werden und über Deponiesickerwasser in das Grundwasser gelangen. Durch thermische Abfallbehand-lung und durch Versiegelung des Deponieuntergrundes wird der Eintragspfad von Arzneimitteln in die Umwelt über Abfalldepo-nien mehr und mehr begrenzt.

Für Veterinär-Pharmaka sind andere Pfade in die Umwelt von Bedeutung. Vor allem durch Tiere, die nach der medizinische Be-handlung Oberflächengewässer betreten oder ihre Ausscheidun-gen auf Weideflächen hinterlassen, ist eine direkte Kontamina-tion der Umwelt durch Arzneimittelrückstände möglich (EMEA/CHMP, 2008). Ein Beispiel ist die medizinische Behandlung von

13

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

im Freien weidenden Schafen in Tauchbäder zur Bekämpfung von Parasiten. Eine weitere Quelle für Arzneimittel ist der Dung von in Stallungen medizinisch behandelten Tieren, der als Dün-ger in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Ausgehend von kon-taminierten Böden können Arzneimittelrückstände durch Regen in Oberflächengewässer geschwemmt werden.

Eine weitere Kontaminationsquelle ist die Produktion von Arz-neimitteln, die erst vor wenigen Jahren Gegenstand wissen-schaftlicher Untersuchungen wurde. Obwohl im Einzelnen nicht bekannt, wird für Europa angenommen, dass die produktions-abhängige Freisetzung von Pharmaka durch entsprechende ge-setzliche Auflagen gering ist. Generische, d.h. nicht mehr durch Patente geschützte Pharmaka, werden meist in so genannten Entwicklungsländern produziert, insbesondere in Indien und China (Larsson 2008). In Indien wurden in Abläufen von Kläran-lagen, in denen Abwässer aus Produktionsanlagen für Pharma-ka behandelt werden, für einige Arzneimittel extrem hohe Kon-zentrationen von mehr als 100 µg/L gemessen (Larsson et al. 2007). Diese Befunde sind einerseits unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes sehr besorgniserregend und andererseits unter ökonomischen Gesichtspunkten erstaunlich, da offenbar erhebliche Produktionsverluste hingenommen werden.

In den so genannten industriell entwickelten Ländern wie Kana-da, den USA, Schweiz, Italien und Deutschland wurden seit den 1990er Jahren, also bevor gesetzliche Regelungen zur Umweltri-sikobewertung für Pharmaka in Kraft getreten sind, Erhebungen zum Vorkommen von Pharmaka in der Umwelt durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten sind in mehreren Auf-lagen des Buchs “Pharmaceuticals in the Environment” zusam-mengefasst (Kümmerer 2001, 2004, 2008). In Italien wurden für besonders häufig genutzte Arzneimittel in Oberflächenge-wässern Konzentrationen unterhalb von 0.25 µg/L gefunden. In Kanada wurde in Kläranlagenabläufen und in den benach-barten Oberflächengewässern für viele Arzneimittel keine Konzentration oberhalb von 1 µg/L gemessen. Walraven und Laane (2009) haben die in den Niederlanden zwischen 1996 und 2005 in Oberflächengewässern bestimmten Arzneimittel-konzentrationen zusammengefasst: 58 der 102 analysierten Arzneimittel wurden zumindest einmal gefunden; der höchste gemessene Wert war 0.83 µg/L für den Entzündungshemmer Diclofenac. Röntgenkontrastmittel werden besonders häufig in Oberflächengewässern gefunden. Für das Kontrazeptivum EE2 war der höchste gemessene Wert 0.0067 µg/L (Liebig et al. 2006); die zur Geburtenkontrolle vorgesehenen Tagesdosis

von 0.025 mg EE2 müsste also in 3700 L Wasser, der täglichen Abwassermenge von etwa 15 Haushalten, gelöst werden, um die höchste gemessene Konzentration zu erreichen.

Mit Monitoring-Programmen können bei begrenztem finanziel-lem Aufwand das Vorhandensein und die Menge einer Chemi-kalie nur an vorher bestimmten, wenigen ausgewählten Orten und Zeitpunkten gemessen werden. Um Anhaltspunkte über die saisonale und geographische Verbreitung von Pharmaka zu erhalten, werden in der Regel mathematische Modelle zur Expositionsabschätzung angewendet. Zur Anwendung der Mo-delle sind Daten über den Gebrauch, Metabolismus im Zielor-ganismus, Abbau in Kläranlagen und anderen physikalisch-che-mischen Angaben des jeweiligen Arzneimittels erforderlich. In Abhängigkeit von der Wahl des verwendeten Modells konnten Liebig et al. (2006) für EE2 PEC-Werte im Bereich von 0.00013 bis 0.0008 µg/L in Oberflächengewässern berechnen; diese Werte sind etwa 5 bis 50fach niedriger als der höchste gemes-sene Wert, der mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer besonders kontaminierten Stelle („hot spot“) gemessen wurde.

3.4 niCHt-BeaBSiCHtiGte WirKunGen von PHarMaKa in Der uMWelt

Pharmaka zeigen üblicherweise eine geringe akute Toxizität beim Menschen. Entsprechend ist ihre akute Toxizität gegen-über anderen Organismen ebenfalls gering, wie in einem Über-sichtsartikel von Fent et al. (2006) gezeigt werden konnte: Nur zwei von 24 Human-Arzneimittel führten in ökotoxikologischen Standardtests zu akuten Wirkung unterhalb von 1 mg/L. Aller-dings ist die Expositionsdauer bei der Wirkungsabschätzung zu berücksichtigen (s. Kapitel 2). Zusätzlich wird von vielen Wis-senschaftlern betont, dass die Bestimmung der akuten Toxizi-tät für eine angemessene Wirkungsabschätzung von Human-Arzneimitteln nicht ausreichend ist. Wie im folgenden Beispiel gezeigt wird sind Endpunkte, die die beabsichtigte und nicht beabsichtigte Wirkung eines Pharmakon erfassen, für die Um-weltrisikobewertung von großer Bedeutung.

Neben den bereits in Kapitel 3.1 beschriebenen Wirkungen auf Fische durch östrogen-wirksame Substanzen ist ein weiteres ein-schneidendes Beispiel für Wirkungen eines Arzneimittels in der Umwelt die Behandlung von Viehbeständen mit Diclofenac; die-ses Arzneimittel wird in manchen Ländern sowohl als Human- als auch als Veterinär-Arzneimittel angewendet. Dieses Pharmakon

14

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

stellte sich als Auslöser für die dramatische Abnahme verschie-dener aasfressender Geierpopulationen (Gyps bengalensis; Gyps indicus) in Pakistan und Indien heraus. Oaks et al. (2004) fan-den die Ursache des zunächst rätselhaften Geiersterbens durch Untersuchungen an einer großen Zahl tot aufgefundener Gei-er, an denen viele an einem Nierenversagen gestorben waren, das immer von beachtliche Rückstandsmengen an Diclofenac begleitet war; bei aus anderen Gründen verstorbenen Geiern war kein Diclofenac nachgewiesen worden. Weiterhin fanden die Wissenschaftler in der Region des Geiersterbens Mengen des Entzündungshemmers und Schmerzmittels Diclofenac im Viehbestand, die ausreichend waren, um akutes Nierenversagen mit Todesfolge bei den Vögeln auszulösen. In anderen Worten: das in der betroffenen Region übliche Verhalten, nämlich die Kadaver der auf dem Feld verstorbenen und mit Diclofenac be-handelten Rinder durch aasfressende Geiern beseitigen zu las-sen, hat nahezu zum Aussterben der Geier geführt. Schultz et al. (2004) bestätigten diese Befunde in anderen Regionen des indischen Subkontinents. Schließlich demonstrierten Oaks et al. (2004), dass auch die beim Menschen angewendete kurative Dosierung von Diclofenac bei Geiern bereits zum Tod führen kann, demnach die Vögel auf dieses Arzneimittel also deutlich empfindlicher reagieren als der Mensch. Fehlfunktionen der Niere sind als Nebenwirkungen von Diclofenac im Menschen durchaus bekannt, niemand hat jedoch vorausgesehen, dass diese Nebenwirkung zum Tod einer anderen, nicht behandelten Art führen kann (Risebrough, 2004).

Prinzipiell kann durch die Anreicherung (Bioakkumulation) von Arzneimitteln in Fischen, die für den Konsum vorgesehen sind, auch die menschliche Gesundheit gefährdet werden. Zum Bei-spiel stellten Brooks et al. (2005) in Fischen Mengen des Arz-neimittels Fluoxetin von bis zu 1.6 ng/g Fisch fest. Allerdings ist diese Menge Fluoxetin im Vergleich zur verschriebenen Tagesdosis sehr gering. Eine Person müsste 10 000 kg Fisch mit diesem Kontaminationsgrad essen, um die Tagesdosis von 20 mg Fluoxetin zu erreichen. Für Arzneimittel mit höherem Bioakkumulationspotenzial kann sich die Situation aber auch anders darstellen.

Indirekte Wirkungen (secondary poisoning) auf den Menschen werden im Rahmen der Umweltrisikobewertung nicht berück-sichtigt; das Risiko durch „secondary poisoning“ wird jedoch für fischfressende Vögel und Säuger abgeschätzt. Wie der Fall der asiatischen Geier und Diclofenac zeigt, können über das Nah-rungsnetz indirekt vermittelte Wirkungen entscheidende Be-deutung erlangen. In diesem spezifischen Fall wäre jedoch nur durch die zusätzliche Berücksichtigung von kulturellen Randbe-dingungen auf dem indischen Subkontinent eine rechtzeitige Erkennung des Risikos für Vögel möglich gewesen.

15

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

Aus der Medizin ist bekannt, dass bei Patienten Wechselwir-kungen zwischen verschiedenen gleichzeitig eingenommenen Medikamenten auftreten können. Zum Beispiel sind pharmako-kinetische Wechselwirkungen zwischen EE2 und verschiedenen anderen Medikamenten gut belegt (Zhang et al., 2007). Prin-zipiell können sich in einer Mischung die Wirkungen verschie-dener Substanzen summieren (additive Wirkung), gegenseitig verstärken (synergistische Wirkung) oder abschwächen (antago-nistische Wirkung). Im Unterschied zu additiven Wirkungen sind synergistische und antagonistische Wirkungen mehr bzw. weni-ger als die Summe der Wirkungen der einzelnen Stoffe in der Mi-schung. In der Pharmakologie wurden zwei Modelle entwickelt, mit deren Hilfe sich die zu erwartende additive Wirkung einer Mischung aus den Wirkungen der einzelnen Substanzen be-rechnen lässt. Das Modell der „unabhängigen Wirkung“ (Bliss, 1939) gilt als besser geeignet für Substanzen mit verschiedenen Wirkmechanismen, während das Modell der „Konzentrations-additivität“ (Loewe und Muischnek, 1926) für Substanzen mit ähnlichem Wirkmechanismus herangezogen wird. Die Eignung beider Modelle auch für Mischungen anderer Substanzen, wie z.B. Pflanzenschutzmittel, wurde in einer Vielzahl von Studien experimentell bestätigt (Belden et al., 2007). Das im Auftrag der Europäischen Kommission angefertigtes Expertengutachten von Kortenkamp et al. (2009) fasst den Stand des Wissens zur Mischungstoxizität und die Berücksichtigung der Mischungs-toxizität in gesetzlichen Regelungen zusammen. Unter regula-torischem Blickwinkel wird zur Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit die Wirkung von Substanzgemischen, wie zum Beispiel für dioxin-ähnliche und radioaktive Substan-zen, ausgehend von der Toxizität der einzelnen Substanzen be-rücksichtigt.

Die Umweltrisikobewertung von Stoffgemischen basiert oftmals auf einer experimentellen Untersuchung des gesamten Stoff-gemisches, dessen einzelne Komponenten und deren Toxizität nicht bekannt sein müssen. Dieser sogenannte „whole-mixture testing approach“ wird beispielsweise für Abwasser, Abfälle und Stoffgemische unbekannter Zusammensetzung angewendet. Dieses Vorgehen erlaubt eine retrospektive bzw. auf das jewei-lige Gemisch beschränkte Bewertung, aber keine prospektive Bewertung von potentiell in der Umwelt auftretenden Stoffge-mischen. Die Möglichkeiten zur prospektiven Berücksichtigung der Mischungstoxizität von Stoffgemischen ist für Regulatoren der Umweltrisiken verschiedenster Stoffgruppen ein intensiv dis-kutiertes Thema.

4. BerüCKSiCHtiGunG von StoffGeMiSCHen in Der ÖKo-toxiKoloGiSCHen BeWertunG

16

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

Das Vorkommen anthropogener Spurenstoffe, ihrer Transforma-tionsprodukte sowie das Vorkommen von Krankheitserregern im Wasserkreislauf ist für alle Akteure der Wasserwirtschaft und für Trinkwasserkonsumenten Besorgnis erregend (Kolpin et al., 2001; Ternes und Joss, 2006; Richardson, 2009). Für viele die-ser Stoffe und Pathogene liegen nur unzureichende Informatio-nen über mögliche Risiken für Mensch und Umwelt vor. Durch demographische und klimatische Veränderungen werden sich Probleme zum Vorkommen und der Verbreitung von Spurenstof-fen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf verschärfen.

Die etablierten Verfahren zur Umweltrisikobewertung (siehe Kap 2) sind wegen der niedrigen Umweltkonzentrationen der Spurenstoffe, den komplexen Stoffgemischen sowie verschiede-ner spezifischer Wirkmechanismen vieler Spurenstoffe weiter zu entwickeln, damit besser fundierte Aussagen über Risiken für Mensch und Umwelt bei Langzeitexpositionen in niedrigen Konzentrationen getroffen werden können. In den folgenden Kapiteln 5.1-5.5 werden Schlüsselthemen benannt, deren Be-arbeitung durch gezielte Forschungsvorhaben zur Aufklärung und Bewältigung dieser durch Spurenstoffe und Krankheitser-reger verursachten Risiken beitragen können. Diese Themen sind in allgemeinen Grundsätzen in der Forschungsförderung des BMBF (FONA) und der EU (FP7) benannt, benötigen jedoch eine koordinierte und gezielte Vertiefung.

5.1 MiniMierunG Der einträGe von SPuren-Stoffen in Die uMWelt

Ein überaus wichtiger Beitrag zur Minderung potenzieller ökoto-xikologischer und humantoxikologischer Risiken ist die Vermei-dung unnötigen Verbrauchs von Chemikalien (auch von Spuren-stoffen) an der „Quelle“. Vieles spricht dafür, dass durch einen gezielten und umsichtigen Umgang mit Arzneimitteln und an-deren Spurenstoffen deren Freisetzung reduziert werden kann, ohne dass zum Beispiel therapeutische Maßnahmen beeinträch-tigt werden. Ein umfangreicher Katalog mit „Handlungsmög-lichkeiten zur Minderung des Eintrags von Humanarzneimitteln und ihren Rückständen in das Roh- und Trinkwasser“ liefert zahl-reiche mögliche Maßnahmen (Dieter et al., 2010).

Die Verwendung von Umweltzeichen für Produkte ist ebenfalls eine Möglichkeit, einen öffentlichen Diskurs über die Entwick-lung neuer, umweltschonender Produkte oder Produktionsme-thoden zu führen. Entscheidungen grundsätzlicher Art über

Nutzen und Risiken von Produkten oder Produktgruppen erfor-dern jedoch in der Regel Entscheidungen des Gesetzgebers. Das durch ein Umweltzeichen zu erreichende primäre Ziel ist, vertrau-enswürdige Informationen über die möglichen ökologischen Fol-gen eines Produkts so zu bündeln, damit für den Konsumenten eine begründete Wahl zwischen verschiedenen Produkten unter dem Gesichtspunkt der „Umweltfreundlichkeit“ stattfinden kann (Steinhäuser et al., 2004; Lavallee und Plouffe, 2004). Ein Um-weltzeichen ist mit Blick auf die Umwelt eine Auszeichnung für ein Produkt innerhalb einer bestimmten Produktkategorie; sie sagt jedoch nichts darüber aus, ob ein Produkt harmlos oder gar nützlich für die Umwelt ist. Ein bisher wenig berücksichtigter Aspekt für die Vergabe von Umweltzeichen ist die Einbeziehung möglicher Gefährdungen des Trinkwassers durch das Produkt.

Eine unter Umweltgesichtspunkten bereits verwendete Klassifi-zierung für Humanarzneimittel wurde in Schweden vom Stock-holm County Council entwickelt (Joss et al, 2006). Dieses im Internet verfügbare Instrument http://www.janusinfo.se/v/About-the-environment-and-pharmaceuticals/Environmentially-classified-pharmaceuticals/?id=9932 erlaubt es einem Arzt, unter Einhaltung der medizinischen Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit des Produkts bei der Verschreibung dasjenige Arzneimittel auszuwählen, das für die Umwelt die geringsten „Nebenwirkungen“ verursacht. Ein anderer Vorschlag für ein Umweltzeichen wurde von Klaschka et al. (2004, 2005) für Kör-perpflegemittel entwickelt, eine Produktgruppe, in der zahlrei-che Spurenstoffe enthalten sein können.

5.2 CHaraKteriSierunG unD ÖKotoxiKolo-GiSCHe BeWertunG von SPurenStoff-GeMiSCHen

Eine vollständige Eliminierung von Spurenstoffen und Pathoge-nen im Abwasser wird auch durch moderne Reinigungsverfahren nur bedingt erreicht. So sind zum Beispiel nach der Ozonung des Kläranlagenablaufes viele Spurenstoffe nicht mehr nach-weisbar, allerdings entstehen viele, teilweise toxische, Transfor-mationsprodukte (Stalter et al. 2010; Brenner und Ternes, 2009). Weiterhin können Krankheitserreger durch das Zusammenwirken verschiedener Spurenstoffe in verstärktem Maße unerwünschte Multiresistenzen als Folge eines Selektionsdrucks erwerben.

Im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Pro-jekts NEPTUNE wurde ein Konzept vorgeschlagen, das die

5. ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG antHroPoGener SPurenStoffe iM WaSSerKreiSlauf: SinD neue Kon-ZePte unD verfaHren erforDerliCH?

17

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

chemisch-analytischen Charakterisierung der Spurenstoffe im Abwasser von Kläranlagen mit der ökotoxikologischen Wir-kungsabschätzung und der Erkennung von Pathogenen durch mikrobiologische Indikatoren kombiniert (EAMI-WE-Konzept; effect assessment and Microbial identification for Whole ef-fluents). Die in Einzelheiten noch auszugestaltende Umsetzung dieses Konzepts würde die vergleichende ökotoxikologische Be-wertung von verschieden behandelten Abwässern und die von diesen Abwässern (Klarwasser) ausgehenden Risiken für den Wasserkreislauf ermöglichen.

Im EAMI-WE-Konzept sind vier Prüfbereiche (PB) vorgesehen:

– PB1: In-vitro Testbatterie zur Erkennung von Spurenstoffen mit gentoxischen Eigenschaften und spezifischen Wirk-mechanismen; in der Regel handelt es sich um Prüfun-gen mit einer Zeitdauer von wenigen Tagen.

– PB2: In-vivo Testbatterie zur Erkennung von populationsrele-vanten Wirkungen auf Organismen verschiedener tro-phischer Stufen und taxonomischer Zugehörigkeit; die Zeitdauer der Prüfungen ist wesentlich länger als in PB1.

– PB3: Mikrobiologische Testbatterie zur Erkennung von Ver-unreinigungen durch Pathogene.

– PB4: Chemisch-analytische Charakterisierung wichtiger Spu-renstoffe im Abwasser.

Der konzeptionelle Entwurf sieht vor, dass die Geräte zur che-misch-analytischen Charakterisierung des Abwassers und zur Durchführung der biologischen Tests in einem beweglichen La-bor installiert (MATU, Mobile analytical and toxicological unit) und je nach Bedarf zur verschiedenen Kläranlagen transportiert werden. Die zu bauende bewegliche Laboreinheit würde eine umfassende ökotoxikologische Charakterisierung einer spezifi-schen Kläranlage innerhalb von wenigen Monaten erlauben.

5.3 GefaHren für Die MenSCHliCHe GeSunD-Heit DurCH aufnaHMe von SPuren-Stoffen

Bis heute sind etwa 60 verschiedene Arzneimittel im Trinkwas-ser (Heberer, 2002; Benotti et al., 2009), Fischen (Brooks et al., 2005; Ramirez et al., 2009) und Kulturpflanzen (Farkas et al., 2007) gefunden worden. Obwohl die gemessenen und geschätzten Konzentrationen in den Nahrungsmitteln weit un-terhalb der für den Menschen bestimmten therapeutischen Ta-

gesdosen (TDD, therapeutic Daily Dose) und den akzeptablen täglichen Aufnahmeraten (ADI, acceptable Daily intake) liegen (z. B., Schwab et al., 2005; Boxall et al., 2006; Watts et al., 2007; Cunningham et al., 2009), besteht die Sorge, dass Arznei-mittel und andere Spurenstoffe in der Umwelt die menschliche Gesundheit beeinträchtigen können. Diese Sorge wird vor allem durch folgende Tatsachen begründet:

– Die Exposition erfolgt zwar bei niedrigen Konzentrationen aber über lange Zeiträume;

– Spurenstoffe treten im Trinkwasser nicht als Einzelstoffe son-dern in Mischungen auf (siehe Kapitel 4);

– Menschen ebenso wie Top-Predatoren sind bei der Nah-rungsaufnahme gleichzeitig über mehrere Expositionspfade den Spurenstoffen ausgesetzt; dieser Umstand wird bei vie-len etablierten Risikobewertungsverfahren vernachlässigt;

– technische Verfahren zur Aufbereitung von Trinkwasser kön-nen zu Transformationsprodukten mit größerem toxischem Potential als die Ursprungssubstanz führen (Krasner, 2009);

– Das erhebliche zytotoxische Potential einiger Spurenstoffe ist in Umweltrisikoverfahren unzureichend berücksichtigt (Rowney et al., 2009);

– Indirekte Wirkungen wie die Verbreitung und Anreicherung von resistenten Mikroorganismen durch Spurenstoffe (An-tibiotika) ist nicht ausgeschlossen (Heuer and Schmalla, 2007; Byrne-Bailey et al., 2009).

Die potentiellen Gefahren für die menschliche Gesundheit durch die in die Umwelt freigesetzten Spurenstoffe sind bisher in Risi-kobewertung und in der Forschung wenig bedacht worden.

5.4 riSiKoKoMMuniKation üBer SPuren-Stoffe

Durch geeignete Maßnahmen zur Risikokommunikation soll das „öffentliche“ Bewusstsein für die Problematik der anthropoge-nen Spurenstoffe und multiresistenten, pathogenen Bakterien im Wasserkreislauf geschärft werden. Dies ist die Voraussetzung um die Akzeptanz von Maßnahmen zur Risikominimierung bei der Anwendung von umweltwirksamen Substanzen und deren Freisetzung über Kläranlagenabläufe auf eine breite gesell-schaftliche Basis zu stellen.

Neben der Ableitung von Bildungsanforderungen im allgemein schulischen und berufsbildenden Kontext, unter anderem zur Ri-

18

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

sikowahrnehmung und Risikominimierung, ist die Entwicklung und Umsetzung von zielgerichteten Informationsinstrumente zur Aufklärung der Öffentlichkeit, Fachwelt und Politik im Hin-blick auf Risikopotential, sachgerechten Umgang und Reduk-tionsmöglichkeiten von Spurenstoffen und Krankheitserregern erforderlich.

5.5 riSiKoManaGeMent iM uMGanG Mit SPurenStoffen

Bisher bestehen kaum innovative und integrative Strategien des Risikomanagements für anthropogene Schadstoffe und Krankheitserreger im Wasserkreislauf. Dazu müssen Konzepte/Methoden aus den Bereichen Risikominimierung (Kap. 5.1) Ri-sikocharakterisierung (Kap. 5.2 und 5.3), Risikokommunikation (Kap 5.4) kombiniert werden.

Zum Beispiel erfordert die mögliche Nutzung geklärten Abwas-sers (Klarwasser) zur Stützung des Landschaftswasserhaushalts und zum Anbau von Energiepflanzen organisatorische Innova-tionen für ein angepasstes Landmanagement. Zur Entwicklung praxistauglicher Lösungen sind die in Kap. 5.2-5.4 für Spuren-stoffe skizzierten Aspekte mit den Anforderungen eines kombi-nierten Wasserhaushalts-, Stoff- und Landnutzungsmanagement zu verknüpfen und zu erproben. Bei einer Änderung der Abwas-ser- und Landnutzung werden Chancen und Risiken für eine gro-ße Zahl an Akteuren neu verteilt. Das bringt Konflikte aber auch Chancen mit sich. Hemmnisse lassen sich nur überwinden und Chancen realisieren, wenn die Nutzungsänderungen durch öko-nomische und administrative Steuerungsverfahren unterstützt werden.

19

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

Der Vergleich der Expositions- mit der Wirkkonzentration ist auch für Spurenstoffe wie Arzneimittel die geeignete Grundlage zur Umweltrisikobewertung. Allerdings, der Nachweis von im-mer mehr, sehr unterschiedlichen und in geringen Konzentra-tionen vorkommenden Chemikalien erfordert Verbesserungen bzw. Erweiterungen der entsprechenden Bewertungsverfahren sowie Änderungen der Risikowahrnehmung durch betroffene gesellschaftliche Gruppen. Folgende Maßnahmen werden vor-geschlagen:

– bei kontinuierlichem Vorkommen von Chemikalien in der Umwelt die Wirkungen auf die betroffenen Organismen über möglichst mehrere Generationen zu verfolgen;

– spezifische Eigenschaften von Chemikalien wie die Förde-rung von Resistenzen bei pathogenen Keimen durch Anti-biotika in die Umweltrisikobewertung zu integrieren;

– für die in komplexen Mischungen auftretenden Chemikalien Verfahren zur Identifikation und Berücksichtigung relevan-ter Mischungstoxizität zu verbessern;

– potentielle Gefahren für die menschliche Gesundheit durch die in die Umwelt freigesetzten Chemikalien zu berücksich-tigen;

– durch verbesserte Kennzeichnungen chemischer Produkte den Anwender über mögliche ökologische Folgen informie-ren;

– durch rationale Schlussfolgerungen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen die Risikowahrnehmung für alle betroffenen gesellschaftlichen Gruppen transparent zu gestalten;

– vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen die Nutzung ge-klärten Abwassers bei der Gestaltung des Landschaftswas-serhaushalts durch geeignete Risikomanagementverfahren zu prüfen.

6. faZit

20

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

Die Autoren möchten anerkennend und dankend darauf hin-weisen, dass neben den in der Literaturliste genannten Arbeiten auch der fruchtbare Gedankenaustausch mit Kollegen und Wis-senschaftlern an den von der Europäischen Union geförderten Projekten POSEIDON (FP5-EVK1-2000-0047) ERAPharm (FP6-SSPI-CT-2003-511135) und NEPTUNE (FP6- Project No. 036845) sowie die intensiven Diskussionen im Arbeitskreis „Anthropo-gene Spurenstoffe“ (DWA-Arbeitsgruppe-KA 8.1 und Arbeits-gruppe des Hauptausschusses III, Wissenschaftliche Grundla-gen, der Wasserchemischen Gesellschaft) zur konzeptionellen Gestaltung dieses Beitrags mitgeholfen haben. Wesentliche Vorarbeiten für die Kapitel 1-3 dieses Beitrags sind im Rahmen

des von der Europäischen Union geförderten Projekts ComEnvir (FP7-ENV-2008-1, Project No. 226919) entstanden und sind zur Veröffentlichung in englischer Sprache vorgesehen (A. Coors & T. Knacker: Pollutants in freshwater – the case of pharmaceuti-cals. In: Pechan, P. (ed) Living with water - targeting quality in a dynamic world. Springer Verlag. In preparation.). Die konzeptio-nellen Gedanken in den Kapiteln 5.4 und 5.5 stammen aus dem Antrag des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens ELaN (Entwicklung ei-nes integrierten Landmanagements durch nachhaltige Wasser- und Stoffnutzung in Nordostdeutschland, FKZ 033L025F).

7. HinWeiSe unD DanKSaGunG

21

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

Belden J. B., Gilliom r. J. & lydy M. J. (2007b) How well can we predict the toxicity of pesticide mixtures to aquatic life? Inte-gr. Environ Assess.Manag., 3, 364-372.

Benner, J., ternes t.a. (2009): Ozonation of propranolol: forma-tion of oxidation products. Environ. Sci. Technol. 43 (13), 5086–5093

Benotti M.J., et al. (2009) Pharmaceuticals and endocrine dis-rupting compounds in U.S. drinking water. Environmental Sci-ence and Technology 43: 597.

BlaC (2003) Arzneimittel in der Umwelt - Auswertung der Un-tersuchungsergebnisse. Report of the German „Bund/Länder-ausschuss für Chemikaliensicherheit (BLAC)”. City of Hamburg, Germany.

Bliss, C. i. (1939) The toxicity of poisons applied jointly. Annals of Applied Biology, 26, 585-615.

Boxall, a.B.a., et al. (2006) Uptake of veterinary medicines from soils into plants. J. Agric. Food Chem. 54(6): 2288..

Brooks B.W., Chambliss C.K., Stanley J.K., ramirez a., Banks K.e., Johnson r.D., lewis r.J. (2005) Determination of select antidepressants in fish from an effluent-dominated stream. Envi-ron Toxicol Chem 24:464–469

Brooks B.W., et al. (2005) Determination of select antidepres-sants in fish from an effluent-dominated stream. Environmental Toxicology and Chemistry 24: 464.

Brzozowski a.M., Pike a.C.W., Dauter Z., Hubbard r.e., Bonn t., engström o., Öhman l., Greene G.l., Gustafsson J.-a., Carl-quist M. (1997) Molecular basis of agonism and antagonism in the oestrogen receptor. Nature 389:753-758

Bvl (2007) Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundes-republik Deutschland. Report of the German „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)”. Braun-schweig, Germany.

Byrne-Bailey K.G. et al. (2009) Prevalence of sulfonamide resis-tance genes in bacterial isolates from manured agricultural soils an pig slurry in the United Kingdom. Antimicrobial Agents and Chemotherapy 53(2): 696.

Calow P., forbes v.e. (2003) Does ecotoxicology inform ecologi-cal risk assessment? Environ Sci Technol 37:146A-151A

Costache a.D., Pullela P.K., Kasha P., tomasiewicz H., Sem D.S. (2005) Homology-modeled ligand-binding domains of zebrafish estrogen receptors α1, ß1, and ß2: from in silico to in vivo stu-dies of estrogen interactions in Danio rerio as a model system. Mol Endocrinol 19:2979–2990

Cunningham v.l. et al. (2009). Human health risk assessment from the presence of human pharmaceuticals in the aquatic environment. Regulatory Toxicology and Pharmacology, 53: 39.

Daughton C.G., ternes t.a. (1999) Pharmaceuticals and perso-nal care products in the environment: Agents of subtle change? Environ Health Perspect 107(S6):907–938.

De Peyster a., Day K. (eds) Ecological risk assessment: a mee-ting of policy and science. SETAC, Pensacole, FL, 1998.

Dieter H., Götz K., Kümmerer K., rechenberg B., Keil f. (2010) Handlungsmöglichkeiten zur Minderung des Eintrags von Humanarzneimitteln und ihren Rückständen in das Roh- und Trinkwasser. Umweltbundesamt (UBA), Berlin; Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), Frankfurt; 24 S.

eC (2000) European Commission. European Water Framework Directive (WFD), Directive 2000/60/EC of the European Par-liament and the Council of 23 October 2000 establishing a framework for the Community action in the field of water policy, Brussels.

eMea/CHMP (2006) European Medicines Agency/Committee for Medicinal Products forHuman Use. Guideline on the envi-ronmental risk assessment of medicinal products for human use. London, UK: EMEA. EMEA/CHMP/SWP/4447/00.

eMea/CvMP (2008) European Medicines Agency/Committee for Medicinal Products for Veterinary Use. Revised guideline on environmental impact assessment for veterinary medicinal pro-ducts in support of the VICH guidelines GL6 and GL38. London, UK: EMEA. EMEA/CVMP/ERA/418282/2005-Rev.1 Consulta-tion.

8. literatur

22

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

farkas, M.H. (2007) Chlortetracycline detoxification in maize via induction of glutathione S-transferases after antibiotic expo-sure. Environmental Science and Technology 41(4): 1450.

fent K., Weston a.a., Caminada D. (2006) Ecotoxicology of human pharmaceuticals. Aquat Toxicol 76:122–159

Heberer t. (2002). Occurrence, fate, and removal of pharmaceu-tical residues in the aquatic environment: A review of recent research data. Toxicol. Lett. 131: 5.

Heuer H., Smalla K. (2007) Manure and sulfadiazine synergi-stically increased bacterial antibiotic resistance in soil over at least two months. Evironmental Microbiology 9(3): 657.

Jobling S., Williams r., Johnson a., taylor a., Gross-Sorokin M., nolan M., tyler C.r., van aerle r., Santos e., Brighty G. (2006) Predicted exposures to steroid estrogens in U.K. rivers correlate with widespread sexual disruption in wild fish popula-tions Environ Health Perspect 114(suppl 1):32–39

Joss a., Klaschka u., Knacker t., liebig M., lienert J., ternes t.a., Wennmalm a. (2006) Source control, source separation. In: Human Pharmaceuticals, Hormones and Fragrances – The challenge of mircopollutants in urban water management. Ter-nes TA, Joss A (eds). IWA Publishing; London, New York; pp. 353-384

Klaschka u., liebig M., Moltmann J.f., Knacker t. (2004) Po-tential environmental risks by cleaning hair and skin. Eco-label – a possibility to reduce exposure to personal care products. In: Pharmaceuticals in the environment. Sources, fate, effects and risks, (2nd edition; edited by Kümmerer K), pp. 411-430. Sprin-ger Verlag, Berlin.

Klaschka u., liebig M., Knacker t. (2005) Arznei- und Körper-pflegemittel: Weniger Umweltbelastung durch Umweltzeichen. Chemie in unserer Zeit - ChiuZ 39, 122-128.

Kolpin D.W., furlong e.t., Meyer M.t., thurman e.M., Zaugg S.D., Barber l.B., Buxton H.t. (2002) Pharmaceuticals, hormo-nes, and other organic wastewater contaminants in US streams, 1999-2000: A national reconnaissance. Environmental Science and Technology 36: 1202-1211.

Koschorreck J., Hickmann S. (2008) European Developments in the Environmental Risk Assessment of Pharmaceuticals. Part IV, pp. 323-334. In: Kümmerer K (ed.) Pharmaceuticals in the en-vironment – Sources, fates, effects and risks. 3rd edition. Sprin-ger Verlag Berlin, Heidelberg.

Kortenkamp a., Backhaus t., faust M. (2009) State-of-the-Art report on mixture toxicity. Report to the European Commission under Contract N° 070307/2007/485103/ETU/D.1

Krasner S.W. (2009) The formation and control of emerging disinfection by-products of health concern. Phil Trans Royal Soc A. 367(104): 4077.

Kümmerer K. (ed) (2001, 2004, 2008) Pharmaceuticals in the environment – Sources, fates, effects and risks. 1st edition 2001, 2nd edition 2004 and 3rd edition 2008. Springer Verlag Berlin, Heidelberg

Kümmerer K., Hempel M. (eds) (2010) Green and sustainable pharmacy. Springer Verlag Berlin, Heidelberg

larsson D.G., de Pedro C., Paxeus n. (2007) Effluent from drug manufactures contains extremely high levels of pharmaceuti-cals. J Hazard Mater 148:751-755

larsson D.G.J. (2008) Drug production facilities – an overlooked discharge source for pharmaceuticals to the environment. In: Kümmerer K (ed) Pharmaceuticals in the environment – Sources, fates, effects and risks. Springer Verlag Berlin, Heidelberg

lavallee S., Plouffe S. (2004) The ecolabel and sustainable de-velopment. International J. of Life Cycle Assessment 9, 349-354

liebig M., Moltmann J.f., Knacker t. (2006) Evaluation of mea-sured and predicted environmental concentrations of selected human pharmaceuticals and personal care products. Environ Sci & Pollut Res 13: 110-119

loewe S., Muischnek H. (1926) Über Kombinationswirkungen: 1. Mitteilung: Hilfsmittel der Fragestellung. Naunyn-Schmiede-bergs Arch Exp Pathol Pharmacol 114: 313-326.

23

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

oakes K.D., Coors a., escher B.i., fenner K., Garric J., Gust M., Knacker t., Küster a., Kussatz C., Metcalfe C.D., Monteiro S., Moon t.W., Mennigen J.a., Parrott J., Péry a.r.r., ramil M., roennefahrt i., tarazona J.v., Sánchez-argüello P., ternes t.a., trudeau v.l., Boucard t., van Der Kraak G.J., Servos M.r. (2010) An environmental risk assessment for the serotonin re-uptake inhibitor fluoxetine – A case study using the European risk assessment framework. Integr Environ Assess Manag 6:524-539

oaks J.l., Gilbert M., virani M.Z. et al (2004) Diclofenac re-sidues as the cause of vulture population decline in Pakistan. Nature 427:630-633

owen S.f., Giltrow e., Huggett D.B., Hutchinson t.H., Saye J., Winter M.J., Sumpter J.P. (2007) Comparative physiology, pharmacology and toxicology of -blockers: Mammals versus fish. Aquat Toxicol 82:145–162

Purdom C.e., Hardiman P.a., Bye v.J., eno n.C., tyler C.r., Sumpter J.P. (1994) Estrogenic effects of effluents from sewage treatment works. Chem Ecol 8: 275-285

ramirez a.J., et al. (2009) Occurrence of pharmaceuticals and personal care products (PPCPs) in fish tissues: Results of a nati-onal pilot study in the U.S. Environ Toxicol Chem.

rice l.B. (2007) Emerging issues in the management of infec-tions caused by multidrug-resistant gram-negative bacteria. Cle-ve Clin J Med 74, Suppl. 4: 12-20.

richardson S.D. (2009) Water Analysis: Emerging Contami-nants and Current Issues. Analytical Chemistry 81: 4645-4677

risebrough r. (2004) Fatal medicine for vultures. Nature 427:596-598

ruden C., liljelund K., Hagerman H. (eds) (2010) Towards sustainable pharmaceuticals in a healthy society. Published by MistraPharma.

rowney n. C. et al. (2009). Cytotoxic drugs in drinking water: A prediction and risk assessment exercise for the thames catch-ment in the United Kingdom. Environmental Toxicology and Chemistry, 28 (12): 2733.

Sanchez W., Porcher J.-M. (2009) Fish biomarkers for environ-mental monitoring within the Water Framework Directive of the European Union. Trends in Analytical Chemistry 28, 150-158.

Schmitt H., Boucard t., Garric J., Jensen J., Parrott J., Péry a., römbke J., Straub J.o., Hutchinson t.H., Sánchez-argüello P., Wennmalm a., Duis K. (2010) Recommendations on the envi-ronmental risk assessment of pharmaceuticals: effect characteri-zation. Integr Environ Assess Manag 6: 588-602.

Schwab B.W. et al. (2005) Human pharmaceuticals in US sur-face waters: a human health risk assessment. Regulatory Toxico-logy and Pharmacology 42: 296.

Shultz S., Baral H.S., Charman S., Cunningham a.a., Das D., Ghalsasi G.r., Goudar M.S., Green r.e., Jones a., nighot P., Pain D.J., Prakash v. (2004) Diclofenac poisoning is widespread in declining vulture populations across the Indian subcontinent. Proc Biol Sci. 271 (Suppl 6): S. 458-460.

Stalter D., Magdeburg a., Weil W., Knacker t., oehlmann J. (2010): Toxication or Detoxication? In-vivo toxicity assessment of ozonation as advanced wastewater treatment with the rain-bow trout. Water Res. 44, 439-48

Steinhäuser K. G., richter S., Greiner P., Penning J., angrick M. (2004) Sustainable Chemistry – Principles and perspectives. Environmental Science and Pollution Research 11, 284-290.

Sumpter J.P., Johnson a.C. (2008) 10th Anniversary Perspecti-ve: Reflections on endocrine disruption in the aquatic environ-ment: from known knowns to unknown unknowns (and many things in between). J Environ Monitor 10:1476–1485.

tarazona J.v., escher B.i., Giltrow e., Sumpter J.P., Knacker t. (2010) Targeting the environmental risk assessment of phar-maceuticals: facts and fantasies. Integr Environ Assess Manag 6: 603-613.

ternes t.a., Joss a. (Hrsg.) (2006) Removal of PPCP during drinking water treatment Human pharmaceuticals, hormones and fragrances: a challenge for urban water management”, IWA Publishing, London.

24

ÖKotoxiKoloGiSCHe BeWertunG von SPurenStoffen

ternes t.a., Joss a., Siegrist H. (2004) Scrutinizing pharmaceu-ticals and personal care products in wastewater treatment. Envi-ron Sci Technol 38: 392A-399A.

Walraven n., laane r.W. (2009) Assessing the discharge of pharmaceuticals along the Dutch coast of the North Sea. Rev Environ Contam Toxicol 199: 1-18.

Watts C., et al. (2007). Desk based review of current knowledge on pharmaceuticals in drinking water and estimation of poten-tial levels. Drinking Water Inspectorate, Report DWI 70/2/213.

Wennmalm a., Bengtsson B.e., Gunnarsson B. (2010) The visi-on – sustainable pharmaceutical management in a sustainable society. In: Ruden C, Liljelund K, Hagerman H (eds) Towards sustainable pharmaceuticals in a healthy society. MistraPharm, Stockholm, Sweden.

Williams rt (ed.) (2003) Human pharmaceuticals: Assessing the impacts on aquatic ecosystems. Proceedings from the Pells-ton Workshop on Science for Assessing the Impacts of Human Pharmaceuticals on Aquatic Ecosystems, 3-8 June 2003, Snow-bird, Utah, USA. Society of Environmental Toxicity and Che-mistry (SETAC), Pensacola, FL, USA.

van leeuwen, K., theo vermeire, t. (Eds.) (2007): Risk assess-ment of chemicals – an introduction. Springer, 2nd edn., ISBN: 978-1-4020-6101-1, 688 pp.

Zhang H, Cui D, Wang B, Han YH, Balimane P, Yang Z, Sinz M, rodrigues aD (2007) Pharmacokinetic drug interactions in-volving 17alpha-ethinylestradiol: a new look at an old drug. Clin Pharmacokinet 46, 133-157.

25

erSCHienene PuBliKationen

Materialien Der ProJeKtGruPPe „GeoreSSourCe WaSSer – HerauSforDerunG GloBaler WanDel“

Udo Wiesmann: Historische Impressionen bei einer Spreefahrt durch Berlin, acatech Materialien Nr. 2, München 2011.

Insa Theesfeld, Christian Schleyer: Institutional Requirements for Integrated Water Resource Management in Germany, acatech Ma-terialien Nr. 3, München 2011.

Helmar Schubert: Die Konzepte des Virtuellen Wassers und des Wasser-Fußabdrucks, acatech Materialien Nr. 4, München 2011.

Hagen Koch, Uwe Grünewald: Anpassungsoptionen der Wasserbewirtschaftung an den globalen Wandel in Deutschland, acatech Materialien Nr. 5, München 2011.

Steffen Krauss, Christian Griebler: Pathogenic Microorganisms and Viruses in Groundwater, acatech Materialien Nr. 6, München 2011

Wolfgang Wagner, Michael Vetter, Annett Bartsch: Novel Microwave- and Lidar Remote Sensing Techniques for Monitoring of In-Land Water Resources, acatech Materialien Nr. 7, München 2011.

Bernd Hansjürgens: Bewertung von Wasser in Landschaften – Konzepte, Ansätze und Empfehlungen, acatech Materialien Nr. 8, München 2011.

Irene Slavik, Wolfgang Uhl: Konzepte und Technologien für eine nutzungsangepasste Bereitstellung von Wasser, acatech Materialien Nr. 9, München 2011.

Der aktuelle Stand der acatech Materialien zum Projekt „Georessource Wasser – Herausforderung Globaler Wandel“ sowie einzelne Texte sind unter anderem im Internet unter http://www.acatech.de/de/projekte/laufende-projekte/georessource-wasser.html ein-sehbar. An gleicher Stelle sind auch Hinweise auf weitere Publikationen und auf Veranstaltungen im Rahmen des Projektes zu finden.

> acatech – DeutSCHe aKaDeMie Der teCHniKWiSSenSCHaftenacatech vertritt die Interessen der deutschen Technikwissenschaften im In- und Ausland in selbstbestimmter, unabhängiger und gemeinwohlorientierter Weise. Als Arbeitsakademie berät acatech Politik und Gesellschaft in technikwissenschaftlichen und techno-logiepolitischen Zukunftsfragen. Darüber hinaus hat es sich acatech zum Ziel gesetzt, den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu erleichtern und den technikwissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Zu den Mitgliedern der Akademie zählen herausragende Wissenschaftler aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. acatech finanziert sich durch eine institutionelle Förderung von Bund und Ländern sowie durch Spenden und projektbezogene Drittmittel. Um die Akzeptanz des tech-nischen Fortschritts in Deutschland zu fördern und das Potenzial zukunftsweisender Technologien für Wirtschaft und Gesellschaft deutlich zu machen, veranstaltet acatech Symposien, Foren, Podiumsdiskussionen und Workshops. Mit Studien, Empfehlungen und Stellungnahmen wendet sich acatech an die Öffentlichkeit. acatech besteht aus drei Organen: Die Mitglieder der Akademie sind in der Mitgliederversammlung organisiert; ein Senat mit namhaften Persönlichkeiten aus Industrie, Wissenschaft und Politik berät acatech in Fragen der strategischen Ausrichtung und sorgt für den Austausch mit der Wirtschaft und anderen Wissenschaftsorga-nisationen in Deutschland; das Präsidium, das von den Akademiemitgliedern und vom Senat bestimmt wird, lenkt die Arbeit. Die Geschäftsstelle von acatech befindet sich in München; zudem ist acatech mit einem Hauptstadtbüro in Berlin vertreten Weitere Informationen unter www.acatech.de

> Die reiHe „acatech Materialien“In der Reihe „acatech MATERIALIEN“ erscheinen Diskussionspapiere, Vorträge und Vorstudien, die im Rahmen der Entwicklung oder Durchführung von Projekten der Akademie entstanden sind. Die Bände dieser Reihe liegen in der inhaltlichen Verantwortung der jeweiligen Herausgeber und Autoren.

Ziel des acatech Projektes „Georessource Wasser – Herausforderung Globaler Wandel“ ist es, innovative Beiträge für die nachhaltige Bewirtschaftung von Wasserressourcen unter den Bedingungen des Globalen Wandels zu erarbeiten und den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen. Der räumliche Fokus des Projektes liegt einerseits auf sensitiven Regionen in Deutschland, das heißt Gebieten, in denen Probleme im Wassersektor bestehen oder absehbar sind und an-dererseits wird die globale Verflechtung Deutschlands betrachtet. Zentrales Ergebnis des Projektes sind an verschiedene Zielgruppen – Wissenschaft, Wissenschaftspolitik, Wirtschaft, Politik und allgemeine Öffentlichkeit – gerichtete Empfehlungen.