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76 » GARTENGESTALTUNG – VOM BAUM ZUM FORMGEHÖLZ « » KOI KURIER | 3-2012 « iwaki heißen sie, oder einfach nur Gartenbonsai oder „japanisches“ Formgehölz. Bäume, die zunehmend auch in Deutschland kultiviert werden, haben ihren japanischen Idealen zumindest in den Bereichen Winterhärte und Anspruchslosigkeit längst den Rang abgelaufen. Allein das meist höhere Alter und der län- gere Zeitraum der intensiven Bearbeitung sind Krite- rien, die für die meist auch preislich erheblich teuere Japanware sprechen. Wer jedoch selbst nicht in der Lage ist, Bäume auf hohem Niveau weiterzupflegen, wird sehr schnell enttäuscht, weil Schönheit und Ver- gänglichkeit oft sehr dicht beieinander liegen. ES GIBT VIELE WEGE, UM AUS GE- WÖHNLICHEN KONIFEREN BÄUME ZU FORMEN, DIE DEM JAPANISCHEN SCHÖNHEITSIDEAL ENTSPRECHEN. HANS-JOACHIM KLEIMANN ERLÄU- TERT JAPANISCHE TECHNIKEN DER BAUMGESTALTUNG UND ERKLÄRT, WIE MAN MIT GEEIGNETEM AUSGANGSMATERIAL UND ENTSPRECHENDER TECHNIK WIRKUNGSVOLLE FORMEN ERZIELEN KANN. » Text: Hans-Joachim Kleimann Bilder: Tim Wiese, Hans-Joachim Kleimann Vom Baum zum Formgehölz N

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iwaki heißen sie, oder einfach nur Gartenbonsai oder „japanisches“ Formgehölz. Bäume, die zunehmend

auch in Deutschland kultiviert werden, haben ihren japanischen Idealen zumindest in den Bereichen Winterhärte und Anspruchslosigkeit längst den Rang abgelaufen. Allein das meist höhere Alter und der län-gere Zeitraum der intensiven Bearbeitung sind Krite-rien, die für die meist auch preislich erheblich teuere Japanware sprechen. Wer jedoch selbst nicht in der Lage ist, Bäume auf hohem Niveau weiterzupflegen, wird sehr schnell enttäuscht, weil Schönheit und Ver-gänglichkeit oft sehr dicht beieinander liegen.

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bilder: tim Wiese, hans-Joachim kleimann

Vom Baum zum Formgehölz

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Es bestehen also triftige Gründe dafür, sich mit der Anzucht von Bäumen auseinander zu setzen; sei es, um zu experimentieren und Erfahrung in der Formung zu gewinnen oder um einfach nur in der Lage zu sein, die Konsequenzen verschiedener Schnittmaßnahmen bei bereits fertigen Bäumen zu erfahren.

Für Anfänger ist es ratsam, sich zunächst auf jün-gere Pflanzen von schnellwüchsigen Koniferen zu konzentrieren. Sowohl die japanische Lärche (Larix kaempferii) wie auch die Wacholder (Juniperus vir-giniana ‚Glauca‘) haben biegsame Stämme und ein gesundes Wachstum, so daß man die Auswirkungen

der gestalterischen Maßnahmen sehr zeitnah nach-verfolgen kann. Grundsätzlich sollte man bereits bei der Betrachtung der vorliegenden Rohmaterials eine Entscheidung treffen, in welche Richtung der Baum zu formen ist. Andersherum bedeutet dieses natürlich, daß wenn man eine bestimmte Form entwickeln will, man auch das entsprechende Rohmaterial dafür aus-suchen sollte.

Für AnFänger ist es rAtsAm, sich zunächst AuF jüngere PFlAnzen von schnellwüchsigen KoniFeren zu Konzentrieren.

Der Kran macht es möglich – Bäume in dieser Größe können nicht anders bewegt werden.

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Was in der Regel nicht praktikabel ist, ist die Verände-rung einer bestehenden Form in eine andere Variante – es ist uneffektiv und verschwendet Zeit, die man besser in einen neuen Rohbaum steckt.

In der Regel werden die unterschiedlichen Formen anhand der Ausbildung des Stammes unterschieden, wobei zum Teil die gleichen Bezeichnungen wie bei Bonsai verwendet werden. Zum Beispiel beschreibt die Bezeichnung „Chokkan“ einen Baum mit exakt ge-radlinigem Stamm, im Gegensatz dazu „Kyokkan“ ei-nen künstlich gebogenen Stamm. Bei Doppelstämmen ist die Bezeichnung „Soukan“ gebräuchlich. Weiterhin lassen sich Sonderformen wie Schleppast-Bäume mit Bezeichnungen wie Monkaburi oder Sashieda unter-scheiden.

Wenn man nun so vorgehen möchte, daß man eine neue Kyokkan-Form aus Rohmaterial entwickeln will, ist es ratsam eine Pflanze auszuwählen, die bereits eine Biegung im unteren Bereich ausweist oder die zumindest schief aus dem Boden wächst. Falls das nicht der Fall ist, kann hier sehr einfach nachgeholfenwerden, indem eine Seite des Wurzelballens mit demSpaten losgestochen wird, der Ballen etwas hoch ge-hebelt wird und dann der Stamm mittels Schrägpfahl in dieser Position fixiert wird. Je nach Pflanzenart kann eventuell die Rinde sehr quetschempfindlich sein und es ist empfehlenswert an den Berührungsstellen zum Pfahl jeweils eine Polsterung anzubringen.

in der regel werden die unterschiedlichen Formen AnhAnd der Ausbildung des stAmmes unterschieden.

Links: Chabohiba (Muschelzypresse) in der Kyokkan-Form mit gebogenem Stamm in einem Betrieb in Kawaguchi-Angyou.

Unten: Eine Kiefer in Monkaburi-Form. Der Schleppast überspannt die Zuwegung.

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Das Binden kann beispielsweise mit Kokosband erfol-gen. Vor dem eigentlichen Verbiegen des Stammes ist die Elastizität desselben zu prüfen. Viele Bäume sindbereits mit jungen Stämmen extrem bruchempfindlich.Um Schäden zu vermeiden, ist es deshalb ratsam, den kompletten Stamm mit Bindematerial zu versehen. Extrem bruchempfindliche Arten wie die Muschelzy-presse müssen zuvor mit der Spaltzange (Mikiwari) aufgebrochen werden. Dabei wird das innere Holz ge-spalten oder sogar teilweise entfernt, um eine bruch-lose Biegung einfacher zu machen.

Das mehrschichtige Bindematerial schützt dabei vor dem Ablösen der Rinde vom Holzteil und erhält so dieFunktionalität der darin liegenden Saftbahnen. Als besonders günstig hat sich dafür Raffiabast erwiesen,der sich, nachdem er zuvor in Wasser eingeweicht wurde, nach der Verarbeitung durch Trocknung zusam-men zieht und dabei der Anpressdruck der Bindung auf den Stamm noch höher wird. Ein verbundener Stamm überträgt die entstehende Spannung bei der Biegung auf seine gesamte Länge und die Gefahr des Brechens wird erheblich abgemindert.

Ausgehend von der schräg fixierten Pflanze ist nun ein weiterer Pfahl in Gegenrichtung erforderlich, damit die erste Stammwindung daran fixiert werden kann. Beim langsamen Biegen wird der Stamm gleichzeitig leicht gedreht. Am Pfahl angekommen wird mit Ko-kosband sicher fixiert. Am besten wird diese Arbeit von zwei Personen ausgeführt.

Ilex crenata als junges Rohmaterial, bis zur Auslichtung zum Formbaum werden noch einige Jahre vergehen

Oben: Ilex crenata, gestäbt, gebogen und ausgelichtet.

Rechts: Eine ähnliche Stäbetechnik wird auch bei japanischen Eiben „Taxus cuspidata“ verwendet. Zusätzlich werden die Äste mit Stäben fixiert.

dAs mehrschichtige bindemAteriAl schützt dAbei vor dem Ablösen der rinde vom holzteil und erhält so die FunKtionAlität der dArin liegenden sAFtbAhnen.

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Durch eine dritte Stange, die in der Regel dünner seinkann, wie z. B. Ein Bambusstab, wird der Stamm ober-halb der zweiten Bindung wieder über eine leichte Kurve in die Vertikale gezogen, so daß am Ende der Kopfteil (Atama) wieder gerade über dem Fußteil liegt. Auf die Stammformung folgt die Auslichtung der Äste. Die Auswahl der zu entfernenden Äste ist mit besonderer Beachtung zu treffen. Wichtig sind mehrere Kriterien. Grundsätzlich sollten bei einer ge-bogenen Stammform die markanten Äste immer auf einer Außenkurve des Stammes sitzen. Ganz beson-ders lang ausgeführte Schleppäste (Sashieda) sind im

Innenbogen des Baumstammes undenkbar. Weiterhin sollten die verbleibenden Äste sich nach oben hin in ihrem Durchmesser verjüngen. Gerade dort, wo Bäu-me anfänglich zu dicht beieinander gestanden haben, sind untere Zweige mangels Platz und Belichtung so verkümmert, dass sie von stärkeren Ästen in oberen Etagen überwachsen sind. Diese unnatürlichen Ver-hältnisse sind nach der Auslichtung deutlich sichtbar und ein späteres Anpassen dieser verfehlten Propor-tionen ist langwierig bis unmöglich. Es kann deshalb erforderlich sein, gerade im oberen Bereich der Pflan-ze größere Äste zu entfernen, obwohl man zunächst denkt, dass die dort vorhandene üppigere Grünmasse das Fortkommen der Gestaltung beschleunigt hätte.

Die Äste des untersten Astkranzes werden in der Regel alle entfernt. Die Verteilung der Äste um den Stamm sollte so sein, dass man gegenständige Äste vermeidet, soweit das Rohmaterial dieses zulässt. Desweiteren sollte man sich möglichst frühzeitig Ge-danken dazu machen, welches die spätere Vordersei-te des Baumes werden sollte. Dazu ist zum Beispiel hilfreich, den unteren Stammbereich (Tachiagari) zu betrachten und die Ausrichtung so zu wählen, dass die erste Biegung seitlich verläuft. Eine Biegung in die Richtung des Betrachters oder von ihm weg, ist zu vermeiden. Genauso wie die Anordnung des ersten Astes auf den Betrachter zu.

Rechts: Sehr schnelle Erfolge lassen sich mit der japanischen Lärche (Larix kaempferii) erzielen.

Unten: Deutlich erkennt man noch die Spuren, die durch die Stammspalt-technik entstanden sind. Der Stamm ist in sich verdreht worden, um die Biegung zu erleichtern.

Unten rechts: Eiben nach einmaliger Biegung und erstem Auslichten.

grundsätzlich sollten bei einer

gebogenen stAmm-Form die mArKAnten äste immer AuF einer

AussenKurve des stAmmes sitzen.

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Ein Sonderfall ist die Astanordnung beim Soukan, dem zweistämmigen Baum. Hierbei sollte der un-terste Ast zwingend am kleineren, kürzeren, dem optisch jünger aussehenden Stamm entspringen. Um dem nun ausgelichteten, verbogenen Baum nun eine richtige „Drachenform“ zu geben, ist es erforderlich, alle verbliebenen Äste abwärts zu neigen. Dabei soll-te die Waagerechte deutlich unterschritten werden. Die Äste werden mit geeignetem Bindematerial nach unten gezogen und an den darunter liegenden fixiert. Lediglich die Äste ganz unten machen es gelegentlich erforderlich, zusätzliche Befestigungen wie Erdanker o. ä. zu verwenden.

Die Bindungen sind gelegentlich zu prüfen, um zu vermeiden, dass sie starke Druckspuren hinterlassen oder gar völlig einwachsen und so später zu Schäden führen können. Normalerweise kann eine Bindung nach einer Wachstumsperiode entfernt werden, da durch das Dickenwachstum der Äste genug Festig-keit besteht und die Position der Äste verbleibt. Die obersten Äste werden ebenfalls herunter gebunden, allerdings werden hier rundherum Äste benötigt, um den Kopf (Atama) zu formen. Dieser sollte flach und schirmförmig ausgeführt werden.

Nachdem alle Bindemaßnahmen ausgeführt sind, kann bereits etwas mit der Schere nachgeholfen wer-

den, die verbleibenden grünen Teile einzukürzen. Die-se laufende Pinzierung lässt dann bereits nach einem Jahr nach der Erstformgebung dichtere Oberflächen entstehen und je nach Art und Sorte entwickelt der Baum dann mit zunehmender Pflege und Zeit seine Reife.

Unten: Schwarzkiefern sind ebenfalls recht biegsam und lassen sich leicht zu Schleppast-Formen heranziehen.

Rechts: Bindungen müssen laufend kontrolliert undgegebenenfalls erneuert werden, um ein Einwachsen zu verhindern.

die bindungen sind gelegentlich zu PrüFen, um zu vermeiden, dAss sie stArKe drucKsPuren hinterlAssen.