> TRANSFER 01|2014 TECHNIK IM GESPRÄCH · die sogenannten MINTFächer Mathematik, Infor matik,...

8
01|2014 TECHNIK IM GESPRÄCH > TRANSFER THEMA: INNOVATIONSPOLITIK Liebe Leserinnen und Leser, Prof. Henning Kagermann Präsident acatech Prof. Reinhard F. Hüttl Präsident acatech ob eine nachhaltige Energiewende, Mobilitäts- lösungen für Ballungsräume, moderne Gesund- heitstechnologien oder vernetzte Welten: Eine hohe Innovationskraft ist die Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand und die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Wie sollte unser Innovationssystem ausgestaltet sein, damit aus Ideen Innovationen und aus Innovationen Chan- cen auf nachhaltigen Wohlstand und Beschäftigung erwachsen? Dieser Frage geht unser TRANSFER nach. acatech moderiert vielfältige Dialoge zwischen Wissen- schaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, um Ant- worten auf diese Fragen zu geben. Unser innovations- politisches Herzstück ist dabei der Innovationsdialog der Bundesregierung, den acatech seit 2009 gestaltet. Auf dem besten Stand des Wissens diskutiert dort die Bundesregierung mit Wissenschaft und Wirtschaft über die innovationspolitischen Leitthemen unserer Zeit. Wir möchten Ihnen auch Personen und Positionen der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften im deutschen Innovationssystem vorstellen: Im Diskurs mit Ulrich Grillo und Michael Sommer diskutieren wir über In- novation und die Zukunft der Arbeit und Wertschöpfung. Unser acatech Mitglied Anke Kaysser-Pyzalla erläutert am > IM FOKUS IDEEN FÖRDERN, INNOVATION ERMÖGLICHEN Elektroautos, Produkte und Pakete, die ihren eigenen Weg gehen oder mobile Endgeräte, die uns ortsun- abhängig immer umfangreichere Informationen und Dienste zur Verfügung stellen – technologische Inno- vationen und die daraus entstehenden Produkte und Geschäftsmodelle prägen das alltägliche Leben und verändern die Gesellschaft. Deutschland geht als Leitanbieter für Elektromobilität und als Pionier der Industrie 4.0 voran und gehört zu den innovations- starken Ländern weltweit. Das zeigen auch die Rankings des Innovationsindikators der Deutschen Telekom Stiftung und des BDI (Rang 6) sowie des Innovation Union Scoreboard (Rang 3). Um aus der guten Position einen Spitzenplatz zu machen, müssen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft kooperieren – über Forschungsdisziplinen und Branchen- grenzen hinweg. Nur so gelingt es, Brücken zu bauen zwischen dem heutigen erfolgreichen Modell indus- trieller Wertschöpfung und der Industrie 4.0, zwischen dem Energiesystem des 20. und des 21. Jahrhunderts, zwischen dem heutigen und dem zukünftigen Mobili- tätssystem, das mehr leisten und zugleich weniger verbrauchen muss. acatech baut diese Brücken. Die Akademie eröffnet Perspektiven mit wissenschaftlich fundierten Studien beispielsweise zur Elektromobilität oder zur Industrie 4.0, berät Politik und Gesellschaft in technologiepolitischen Fragen und organisiert die Innovationsdialoge der Bundesregierung mit Wirtschaft und Wissenschaft. Beispiel der Energiewende, wie Wissenschaft Innova- tionen anstoßen kann. Auf Seite 7 entwerfen wir ein Szenario für die Mobilität von morgen. Unsere Aktivitäten dienen dabei stets der Beratung von Politik und Gesellschaft. Mit unseren inter- disziplinären Projekten möchten wir Diskussionen und technologiepolitische Entscheidungen fördern und versachlichen. In diesem Sinne freuen wir uns auf einen regen Austausch mit Ihnen. Mit den besten Grüßen

Transcript of > TRANSFER 01|2014 TECHNIK IM GESPRÄCH · die sogenannten MINTFächer Mathematik, Infor matik,...

01|2014 TECHNIK IM GESPRÄCH

> TRANSFERTHEMA: INNOVATIONSPOLITIK

Liebe Leserinnen und Leser,

Prof. Henning Kagermann

Präsident acatech

Prof. Reinhard F. Hüttl

Präsident acatech

ob eine nachhaltige Energiewende, Mobilitäts­

lösungen für Ballungsräume, moderne Gesund­

heitstechnologien oder vernetzte Welten: Eine

hohe Innovationskraft ist die Voraussetzung für

nachhaltigen Wohlstand und die internationale

Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Wie sollte

unser Innovationssystem ausgestaltet sein, damit

aus Ideen Innovationen und aus Innovationen Chan­

cen auf nachhaltigen Wohlstand und Beschäftigung

erwachsen? Dieser Frage geht unser TRANSFER nach.

acatech moderiert vielfältige Dialoge zwischen Wissen­

schaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, um Ant­

worten auf diese Fragen zu geben. Unser innovations­

politisches Herzstück ist dabei der Innovationsdialog

der Bundesregierung, den acatech seit 2009 gestaltet.

Auf dem besten Stand des Wissens diskutiert dort die

Bundesregierung mit Wissenschaft und Wirtschaft über

die innovationspolitischen Leitthemen unserer Zeit.

Wir möchten Ihnen auch Personen und Positionen der

Deutschen Akademie der Technikwissenschaften im

deutschen Innovationssystem vorstellen: Im Diskurs mit

Ulrich Grillo und Michael Sommer diskutieren wir über In­

novation und die Zukunft der Arbeit und Wertschöpfung.

Unser acatech Mitglied Anke Kaysser­Pyzalla erläutert am

> IM FOKUS

IDEEN FÖRDERN, INNOVATION ERMÖGLICHENElektroautos, Produkte und Pakete, die ihren eigenen

Weg gehen oder mobile Endgeräte, die uns ortsun­

abhängig immer umfangreichere Informationen und

Dienste zur Verfügung stellen – technologische Inno­

vationen und die daraus entstehenden Produkte und

Geschäftsmodelle prägen das alltägliche Leben und

verändern die Gesellschaft. Deutschland geht als

Leitanbieter für Elektro mobilität und als Pionier der

Industrie 4.0 voran und gehört zu den innovations­

starken Ländern weltweit. Das zeigen auch die

Rankings des Innovationsindikators der Deutschen

Telekom Stiftung und des BDI (Rang 6) sowie des

Innovation Union Scoreboard (Rang 3).

Um aus der guten Position einen Spitzenplatz zu

machen, müssen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft

kooperieren – über Forschungsdisziplinen und Branchen­

grenzen hinweg. Nur so gelingt es, Brücken zu bauen

zwischen dem heutigen erfolgreichen Modell indus­

trieller Wertschöpfung und der Industrie 4.0, zwischen

dem Energiesystem des 20. und des 21. Jahrhunderts,

zwischen dem heutigen und dem zukünftigen Mobili­

tätssystem, das mehr leisten und zugleich weniger

verbrauchen muss. acatech baut diese Brücken. Die

Akademie eröffnet Perspektiven mit wissenschaftlich

fundierten Studien beispielsweise zur Elektromobilität

oder zur Industrie 4.0, berät Politik und Gesellschaft

in technologiepolitischen Fragen und organisiert die

Innovationsdialoge der Bundesregierung mit Wirtschaft

und Wissenschaft.

Beispiel der Energiewende, wie Wissenschaft Innova­

tionen anstoßen kann. Auf Seite 7 entwerfen wir ein

Szenario für die Mobilität von morgen.

Unsere Aktivitäten dienen dabei stets der Beratung

von Politik und Gesellschaft. Mit unseren inter­

disziplinären Projekten möchten wir Diskussionen

und technologiepolitische Entscheidungen fördern

und versachlichen. In diesem Sinne freuen wir uns

auf einen regen Austausch mit Ihnen.

Mit den besten Grüßen

INNOVATIONSPOLITIK | 02

logischen und kulturellen Wohlstand. Innovative,

forschungsintensive Produkte, Dienstleistungen und

Prozesse „Made in Germany“ schaffen Wertschöpfung

und Arbeitsplätze und stellen die soziale Markt­

wirtschaft auf eine sichere Basis. Zugleich eröffnen

sie neue Perspektiven bei den globalen Herausfor­

derungen des 21. Jahrhunderts wie Rohstoffknapp­

heit, dem Klimawandel oder der demografischen

Entwicklung. Durch die gestiegenen Investitionen in

die Forschung konnte die Position Deutschlands als

international führender Innovationsstandort in den

letzten Jahren gefestigt werden. Die Innovations­

zyklen werden jedoch immer schneller, es entstehen

weltweit neue Wettbewerber und andere entwickeln

sich dynamisch weiter. Um die wissenschaftliche und

wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher For­

schungseinrichtungen und Unternehmen nachhaltig

zu sichern, sind somit weiterhin große und dauer­

hafte Anstrengungen nötig.

Die Bundesregierung hat im Jahr 2006 die Hightech­

Strategie ins Leben gerufen, um Deutschland bis 2020

zum Pionier in den innovationspolitischen Bedarfs­

feldern Klima und Energie, Gesundheit und Ernährung,

Mobilität und Sicherheit sowie Kommunikation zu

machen. Zukunftsfähige Mobilitätslösungen und

Ob Automobil oder Eisenbahn, Telefon oder Internet,

Webstuhl oder Roboter – Innovationen prägen die

Gesellschaft und verändern Epochen. Insbesondere

für das rohstoffarme Deutschland ist eine Kultur des

Ideenreichtums und der Innovationsfreudigkeit eine

Voraussetzung für den wirtschaftlichen, techno­

> ZUR SACHE

INNOVATION IST DEUTSCHLANDS WICHTIGSTE RESSOURCE

nachhaltiges Wachstum durch Innovation stehen auch

im Mittelpunkt aller acatech Projekte, die darüber

hinaus interdisziplinär und branchenübergreifend auf­

gestellt sind. Die Akademie erarbeitet wissenschaftlich

fundierte Studien und Positionen, und berücksichtigt

in ihren Vorschlägen für den Ausbau technologischer

Infrastrukturen auch die gesellschaftlichen Aspekte

neuer Technologien. Vor diesem Hintergrund hatte

Bundeskanzlerin Angela Merkel die Deutsche Akade­

mie der Technikwissenschaften im Jahr 2009 damit

beauftragt, den Innovationsdialog zwischen Bundes­

regierung, Wirtschaft und Wissenschaft einzurichten.

Der Innovationsdialog steht der Bundesregierung als

unabhängige Fachberatung zur Seite. In bisher fünf

Dialogen sprachen die Experten über die Rahmen­

bedingungen von Forschung und Innovation, techno­

logische Entwicklungen und erörterten Innovations­

potenziale für Wertschöpfung und Beschäftigung.

Förderung digitaler Innovation

Besonderes Augenmerk legt acatech auf die Digitalisie­

rung und die zunehmende Vernetzung der Lebens­ und

Arbeitswelten – einer Schlüssel innovation mit weit­

reichenden Auswirkungen. Smarte Geräte in intelligen­

ten Netzen verbinden sich zu Wertschöpfungssystemen,

1. Innovationsdialog: Internationale

Benchmark Innovationssysteme – Wo steht

Deutschland im internationalen Vergleich?

2. Innovationsdialog: Finanzierung innovativer

Unternehmensgründungen und Analyse der

Clusterlandschaft

3. Innovationsdialog: Technologiefelder und

Dienstleistungsinnovationen mit hohem

Potenzial für Wertschöpfung und Beschäfti­

gung in Deutschland

4. Innovationsdialog: Die internationale

Dimension der deutschen Innovationspolitik

– am Beispiel Asien

5. Innovationsdialog: Innovationspotenziale für

Wertschöpfung und Beschäftigung ermög­

licht durch Digitalisierung

http://innovationsdialog.acatech.de

03 | INNOVATIONSPOLITIK

die Nutzergewohnheiten und Märkte revolutionieren.

Industrie 4.0 ist ein Paradebeispiel für das Verschmel­

zen von digitaler Welt und klassischen Wirtschaftsberei­

chen. Produkte und internetbasierte Dienste verschmel­

zen im Zeitalter der Industrie 4.0 zunehmend zu Smart

Services. Sie waren das Thema des Arbeitskreises Smart

Service Welt, der auf der CeBIT 2014 seinen Bericht an

Bundeskanzlerin Angela Merkel übergab.

Als Folge der digitalen Vernetzung nehmen Daten­

ströme erheblich an Umfang zu. Sinnvoll aufbereitet

und intelligent verknüpft ermöglicht diese Flut an Da­

ten („Big Data“) vielfältige innovative Geschäfts modelle

und Dienstleistungen. Smart Grids als zentraler Baustein

der Energiewende, Smart Cities und die Vernetzung des

Verkehrs und der Logistik (Smart Mobility vgl. S. 7) –

der Technologietrend der Digitalisierung ist vielfältig.

Profitieren können sowohl innovative Start­ups als auch

große Konzerne und kleinere und mittelständische

Unternehmen. Die Finanzierung von Innovationen

und die Unterstützung von Hightech­ Ausgründungen

sind deshalb wichtige Bausteine, um insbesondere

Jungunternehmern den Schritt von der Wissenschaft in

die Wirtschaft zu erleichtern.

www.acatech.de/industrie4.0.

www.acatech.de/arbeitskreis-smart-

service-welt

Der Innovationsdruck steigt

Verschiedene aktuelle Innovationsrankings zeigen,

dass Deutschland insbesondere im Bereich Bildung

noch immer Schwächen hat. Das betrifft vor allem

die sogenannten MINT­Fächer Mathematik, Infor­

matik, Technik und die Naturwissenschaften. Ein

besonderes Anliegen der Akademie ist deshalb die

Technik bildung unserer Gesellschaft. Sie ist dabei

mehr als ein Wettbewerbsfaktor, mehr als ein Kampf

um die klügsten Köpfe. Sie ist unverzichtbar für

die gesellschaftliche und politische Teilhabe. Ohne

Technikbildung ist es kaum möglich, Risiken und Un­

sicherheiten von naturwissenschaftlich­technischen

Entwicklungen einzuschätzen. Das Verständnis von

naturwissenschaftlich­technischen Zusammenhän­

gen ist eine Grundlage, komplexe technologische

Herausforderungen zu beurteilen, mit gesellschaft­

lichen Kontroversen fundiert umzugehen, aktiv an

aktuellen Debatten um wichtige gesellschaftliche

Entwicklungen teilzunehmen und schließlich verant­

wortlich entscheiden und handeln zu können.

Damit aus Innovationen Lösungen für globale He­

rausforderungen werden, müssen internationale

In novationsstrategien entwickelt werden. Die globale

Dimension der deutschen Innovations politik hat der

Innovations dialog am Beispiel Asien diskutiert. Da Ex­

perten schätzen, dass die größten Wachstums impulse

für die Weltwirtschaft in den nächsten 20 bis 30

Jahren vor allem aus China und Indien kommen

werden, liegen dort auch wichtige Märkte für inno­

vative Produkte und Dienste aus Deutschland. Ein

Thema dieses Innovationsdialogs waren Rahmen­

bedingungen für die internationale Zusammenarbeit

zwischen dem asiatischen Raum und Deutschland.

China etwa hat es sich zum Ziel gesetzt, sich bis

zum Jahr 2020 zum weltweit führenden Innovations­

standort zu entwickeln. Südkorea ist in nur vier

Jahrzehnten der Aufstieg vom Entwicklungs­ zum

Hightech­Land gelungen. Im Mittelpunkt des Innova­

tionsdialogs stand die Frage, wie angesichts der He­

rausforderungen in Asien – aber auch anderenorts –

die deutsche Innovationspolitik ausgestaltet werden

muss, um die globale Wettbewerbsfähigkeit des

Wirtschafts­ und Wissenschaftsstandorts Deutsch­

land auch in Zukunft zu sichern und auszubauen. In

diesem Sinne unterstützt acatech auch das BMBF

inhaltlich wie organisatorisch bei der Vorbereitung

der geplanten 3. Deutsch­Chinesischen Regierungs­

konsultation sowie der weiteren Zusammenarbeit

mit den chinesischen Partnerministerien. Ziel ist es,

ein Konzept für eine China­Strategie und ein konti­

nuierliches Monitoring der Zusammenarbeit beider

Länder zu erarbeiten.

Deutschland gehört zu den innovationsstärksten

Ländern der Welt. Aus guten Ideen nachhaltige

Innovationen zu entwickeln ist einer der wichtigsten

Voraussetzungen für Wertschöpfung und Beschäf­

tigung. Die innovationspolitische Agenda der noch

jungen Legislaturperiode ist ambitioniert. Energie­

wende, Industrie 4.0, Elektromobilität, Smart Ser­

vices – die Liste der technologischen Aufbrüche ließe

sich noch fortsetzen. Die Akademie unterstützt diese

technologischen Aufbrüche, indem sie die notwendi­

ge Kooperation mitträgt und Multi­Stakeholder­Platt­

formen wie den Innovationsdialog koordiniert.

Innovation braucht KooperationInnovationspolitische Herausforderungen stehen im Zentrum der Themennetzwerke und Projekte von

acatech. Darüber hinaus koordiniert die Akademie Multistakeholder- Plattformen, die den sektorüber-

greifenden Dialog von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ermög lichen. Zu diesen

Plattformen gehören:

Innovationsdialog zwischen Bundesregierung,

Wirtschaft und Wissenschaft

Leitung des Steuerkreises: Henning Kagermann

Koordination: acatech

Nationale Plattform Elektromobilität

Vorsitz: Henning Kagermann

Koordination: acatech

Akademienprojekt

„Energiesysteme der Zukunft“

Leitung des Steuerkreises: Robert Schlögl (Fritz­

Haber­Institut der Max Planck Gesellschaft, acatech)

Leitung des Kuratoriums: Reinhard F. Hüttl

Koordination: acatech

Forschungsforum Energiewende

Vorsitzender des Leitungskollegiums: Staats sekretär

Georg Schütte (BMBF)

Koordination: acatech, IASS, MPG

Arbeitskreis Industrie 4.0 (hervorgegangen aus

der Forschungsunion)

(Co­)Vorsitz: Henning Kagermann,

Siegfried Dais (Bosch)

Koordination: acatech

Arbeitskreis Smart Service Welt

(hervorgegangen aus der Forschungsunion)

(Co­)Vorsitz: Henning Kagermann,

Frank Riemensperger (Accenture)

Koordination: acatech

Wissenschaftlicher Beirat der Plattform Industrie 4.0

Leitung: Reiner Anderl (TU Darmstadt, acatech)

Koordination: acatech

Nationales MINT-Forum

Sprecher: Henning Kagermann,

Thomas Sattelberger (MINT Zukunft schaffen)

Koordination: acatech, MINT Zukunft schaffen

Henning Kagermann (l.) übergibt gemeinsam mit

Vertretern des Arbeitskreises (r. Wolfang Wahlster,

DFKI) den Bericht Smart Service Welt an Bundes­

kanzlerin Angela Merkel.

INNOVATIONSPOLITIK | 04

> NEUE acatech PUBLIKATIONEN

acatech POSITION: Future Business Clouds –

Cloud Computing am Standort Deutschland

zwischen Anforderungen, nationalen Aktivitäten

und internationalem Wettbewerb (März 2014)

Smart Service Welt – Umsetzungsempfehlungen

für das Zukunftsprojekt Internetbasierte Dienste

für die Wirtschaft (März 2014)

acatech MATERIALIEN: Future Energy Markets

– Mehr Markt für eine effiziente Energiewende

(April 2014)

acatech STUDIE: Future Business Clouds – Ein

Beitrag zum Zukunftsprojekt Internetbasierte

Dienste für die Wirtschaft (Januar 2014)

acatech DISKUSSION: Potenziale einer For­

schungsdisziplin Wirtschaftsingenieurswesen

(Dezember 2013)

Alle Veröffentlichungen können in der

Geschäftsstelle bestellt werden bei

[email protected] und stehen

online zum Download bereit unter:

www.acatech.de/publikationen

> VERANSTALTUNGEN

Perspektiven für die Energie-wende und die Industrie 4.0

Der Energiewende und der Industrie 4.0 wid mete

acatech die Festveranstaltung am 23. Oktober

2013 in Berlin. Unter dem Motto „Die Energie­

wende ge stalten“ eröffneten acatech Präsident

Reinhard F. Hüttl und Robert Schlögl vom Fritz­

Haber­Institut der Max Planck Gesellschaft jeweils

wissenschaftliche Perspektiven für eine sichere,

bezahlbare und umweltverträgliche Energie­

versorgung. Robert Schlögl stellte in seinem

Vortrag das Akademieprojekt „Energie systeme

der Zukunft“ vor, eine gemeinsame Initiative der

Wissenschafts akademien acatech, Leopoldina und

Akademie union. Die Akademien erarbeiten Hand­

lungsoptionen für die Energiewende und bringen

diese in die gesellschaftliche Debatte ein. Das

zweite technologie politische Leitthema der neuen

Legislaturperiode ist die Industrie 4.0. acatech

Präsident Henning Kagermann wies darauf hin,

dass Deutschland als Exportnation zwar einen

Startvorteil genieße, bei der Umsetzung neuer

Geschäftsmodelle aber schnell handeln müsse.

Deutsch-Indisches Joint Venture

Industrie 4.0 wird im englischsprachigen Raum

unter dem Stichwort Advanced Manufacturing

diskutiert. Indien möchte bis 2025 den Anteil der

industriellen Produktion am Bruttoinlands produkt

von derzeit 16 auf 25 Prozent steigern. Seit 2012

entwickelt acatech in Kooperation mit der Indian

National Academy of Engineering Perspektiven zur

Weiterentwicklung industrieller Produktions prozesse in

beiden Ländern. Auf einem gemeinsamen Workshop

am 23. und 24. Januar 2014 in Neu Dehli diskutierten

insgesamt 40 Gäste Strategien und Konzepte zu den

Kernthemen Smart Factories, Mensch­Maschine­Inter­

aktion sowie Technologien und Wertschöpfungsnetz­

werke der Industrie 4.0. Rajagopala Chidambaram,

wissenschaftlicher Berater der indischen Regierung,

betonte, dass die Zusammenarbeit mit Deutschland

Indien langfristig den Aufbau einer länderübergreifen­

den Wissens ökonomie ermöglichen soll.

acatech stellt sich den Abgeordneten vor

Mit einer Informationsveranstaltung „acatech am Mit­

tag“ stellten acatech Präsident Henning Kagermann

und Generalsekretär Michael Klein am 14. Januar

2014 die Akademie den neu gewählten Parlamen­

tarierinnen und Parlamentariern vor. Im Mittelpunkt

des Gesprächs im Bundestag standen technologie­

politische Leitthemen der neuen Legislaturperiode

wie die Energiewende und die Industrie 4.0. „Wir set­

zen uns dafür ein, dass aus Ideen Innovationen und

aus Innovationen Chancen auf nachhaltigen Wohl­

stand und Beschäftigung er wachsen“, umschrieb Prä­

sident Henning Kagermann die Arbeit der Akademie.

Generalsekretär Michael Klein erläuterte am Beispiel

von Projekten zur Energiewende den systemischen

und integralen Ansatz von acatech zur Politikbera­

tung. Auch in Zukunft wird acatech im Rahmen von

„acatech am Mittag“ regelmäßig kompakte Dialoge

zu aktuellen Fragen der Innovations­ und Forschungs­

politik anbieten. Zu vertiefenden Gesprächen kamen

am 11. Februar 2014 Mitglieder des acatech

Präsidiums und führende Forschungspolitiker von

CDU/CSU, SPD und Grünen zusammen.

05 | INNOVATIONSPOLITIK

> IM DISKURS

WIE DEUTSCHLAND ZUKUNFTSFÄHIG BLEIBT

Innovationen treiben nicht nur unsere Gesellschaft

voran, sie sind auch Grundlage des Wirtschafts-

wachstums. Im TRANSFER Interview erläutern

Ulrich Grillo, Michael Sommer und Henning Kager-

mann, wie Wissen schaft, Industrie und Politik die

Innovationsfähigkeit Deutschlands stärken können

und warum es dabei nicht nur auf technische Neu-

entwicklungen ankommt.

Was sind die aktuellen Herausforderungen im inter-

nationalen Innovationswettbewerb?

Ulrich Grillo: Die deutsche Industrie ist weltweit die

drittinnovativste. Der Innovationswettbewerb ist

intensiv, neue Hightech­Hotspots entstehen auch in den

BRICS­Staaten. Wir müssen früh genug bei den relevan­

ten Technologien dabei sein, sonst werden wir in der

Aufholjagd bei Patenten, Produkten und Fachkräften

eingeholt. Uns bremst derzeit vor allem der Fachkräfte­

mangel, wir brauchen einen erleichterten Zuzug qualifi­

zierter Migranten, eine gezieltere Immigrationspolitik.

Michael Sommer: Die Energiewende, der demografische

Wandel und die Verbesserung des Bildungs systems – das

sind aktuelle Herausforderungen, denen wir uns stellen

müssen. Vor allem im Bildungssektor muss mehr investiert

werden – vom frühkindlichen Bereich über die vernachläs­

sigte Weiterbildung bis zur personellen und finanziellen

Ausstattung der Hochschulen. Denn es sind die Men­

schen, die Innovationen schaffen und vorantreiben.

Hennig Kagermann: Ich stimmte Ihnen zu, Fachkräfte­

mangel ist ein großes Hindernis für unsere Innovations­

fähigkeit. Der Blick über den nationalen Tellerrand ist

hier entscheidend. Wir brauchen eine Fachkräftestrate­

gie, die national das Interesse an MINT­Fächern steigert

und das Arbeiten in Deutschland für ausländische

Fachkräfte attraktiver gestaltet. Die Etablierung eines

Kompetenzmonitorings würde helfen, Handlungsbedar­

fe frühzeitig zu erkennen.

Welche Trends bergen Chancen für den Innovations-

standort Deutschland?

Henning Kagermann: Der Megatrend unserer Zeit ist

die Digitalisierung. Das Internet der Dinge, Daten

und Dienste ist die zukünftige Infrastruktur unserer

Industrie. Mithilfe moderner Informations­ und Kom­

munikationstechnologien entstehen heute intelligente

Produkte, autonome Produktionseinheiten und

cloudbasierte Daten dienste. Hier sehe ich ein großes

Potenzial für neue Dienstleistungen und innovative

Geschäftsmodelle.

Ulrich Grillo : Die Digitalisierung der Wirtschaft ist

ein Innovationsmotor. Dafür müssen wir dringend in

die infra strukturelle Voraussetzung investieren: das

Breitbandinternet. Die Energiewende ist eine weitere

Chance – Deutschland hat das Potenzial, zum Leit­

anbieter für Elektromobilität zu werden. Auch im

Gesundheits­ oder dem Mobilitätssektor eröffnen sich

chancenreiche Innovationsfelder. Für alle brauchen

wir verlässliche Rahmenbedingungen.

Michael Sommer: Wir dürfen uns nicht auf einzelne

Hochtechnologien konzentrieren, sondern müssen uns

breit aufstellen und Industrie und Dienstleistung nicht

getrennt, sondern zusammen denken. Die Digitalisierung

bietet gewaltige Chancen für die Arbeits welt, das Bil­

dungssystem und die Zeitsouveräni tät der Be schäftigten.

Aber dafür müssen auch die digitalen Kompetenzen der

Mitarbeiter gestärkt und die notwendigen Investitionen

in das Breitbandnetz vorgenommen werden.

Wo sehen Sie politischen Handlungsbedarf?

Michael Sommer: Innovationen dürfen nicht auf rein

technologische Aspekte reduziert werden, denn auf

die Menschen kommt es an. Viele Innovationen gehen

auf Vorschläge von Mitarbeitern zurück. Deswegen

müssen Bezahlung, Arbeitsbedingungen und Mit­

bestimmung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der

Gerechtigkeit, sondern auch der Innovationsfähigkeit

betrachtet werden. Und gerade im Dienstleistungs­

sektor müssen die Innovationspotenziale der Beschäf­

tigten stärker gefördert werden.

Ulrich Grillo: In der Digitalisierungs­, Infrastruktur­ und

Energiepolitik müssen wir die zersplitterten Zustän­

digkeiten schleunigst aufheben. Es fehlt zu oft an

ressortübergreifender Koordination. Deutschland

braucht einen gemeinsamen Plan, wo wir hinwollen; die

Zukunftsvergessenheit der Politik ist ein Innovations­

hemmnis. Die Bildungsrepublik muss Realität werden,

aus dem Kooperationsverbot muss ein ­gebot werden.

Die Digitalisierung braucht eine Beschäftigungsbrücke.

Henning Kagermann: Weil Deutschlands größte

Chancen an den Schnittstellen vormals getrennter

Technologiebereiche liegen, muss ihre Vernetzung

durch geeignete Koordinationsformen vorangetrieben

werden. In Bezug auf den Digitalisierungstrend halte

ich die Schaffung von Rechtssicherheit und einheit­

liche Regelung für Datenschutz für unerlässlich. An­

derenfalls laufen wir Gefahr, dass viele Innovationen

aus Angst vor Datenmissbrauch gesellschaftlich nicht

angenommen werden.

Michael Sommer ist seit 2002 Vorsitzender des

Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Zuvor

übernahm er im Jahr 2001 die Position des

Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der damals

neu gegründeten Dienstleistungsgewerkschaft

ver.di. Im Jahr 2004 wurde Michael Sommer zum

Stellvertretenden Präsidenten

des Internationalen Bundes

Freier Gewerkschaften

(IBFG) gewählt und ist

seit 2010 Präsident der

Nachfolgeorganisa­

tion Internationaler

Ge werkschaftsbund

(IGB).

Henning Kagermann, habilitierter Physiker

und ehemaliger Vorstandssprecher der SAP, ist

seit 2009 Präsident von acatech – Deutsche

Akademie der Technikwissenschaften. Henning

Kagermann ist Vorsitzender der Nationalen

Plattform Elektromobilität und Vorsitzender

des Steuerkreises des Innovationsdialogs. Er

koordiniert im Rahmen der Forschungsunion

Wirtschaft­ Wissenschaft den

Arbeitskreis Smart Service

Welt. Dieser untersucht,

wie die zu nehmende

Vernetzung intelligenter

Objekte neues Wissen gene­

riert, das zur Grundlage

innovativer Dienstleis­

tungen wird.

Ulrich Grillo: Der studierte Betriebswirt ist seit

Januar 2013 Präsident des Bundesverbandes der

Deutschen Industrie (BDI e.V.). Zuvor war Ulrich

Grillo von 2006 bis 2012 Präsident der Wirt­

schaftsvereinigung Metalle. Seit 2001 ist Ulrich

Grillo Vorstandsvorsitzender der Grillo­Werke AG,

einem Familienunternehmen der Metall­ und Che­

mieindustrie. Ulrich Grillo ist

darüber hinaus in verschie­

denen Gremien der Wirt­

schaft und Wissenschaft

tätig, unter anderem

als Beirat der Mercator

School of Management

an der Universität

Duisburg­ Essen.

INNOVATIONSPOLITIK | 06

Dafür bietet das Helmholz­Zentrum Berlin mit seinem

Forschungsreaktor BER II und der Synchrotronstrah­

lungsquelle BESSY II einzigartige Möglichkeiten: Denn

die beiden Großforschungsanlagen mit ihren vielseiti­

gen Instrumenten ermöglichen es, die entscheidenden

physikalischen und chemischen Prozesse genau zu un­

tersuchen. Sind diese erst einmal verstanden, können

Materialien gezielt entwickelt und optimiert werden;

die Taktik „Versuch und Irrtum“ hat dann ausgedient.

„Unser Ziel ist, die Energieforschung auf ein breiteres

materialwissenschaftliches Fundament zu stellen. Da­

für bauen wir am HZB gezielt bestimmte Kompetenzen

aus, zum Beispiel durch die Berufung renommierter

Expertinnen und Experten, die bei uns eigene Institute

aufbauen können, aber auch mit dem Bau des neuen

Laborkomplexes EMIL, einem großen Labor für die

Forschung an Energie materialien und Katalysatoren“,

sagt Kaysser­Pyzalla.

„Als Mitglied der Helmholtz­Gemeinschaft forschen wir

an Grundlagenfragen, aber immer mit Blick auf die ge­

sellschaftlichen Herausforderungen“, so die Geschäfts­

führerin des HZB. „Indem wir die Erkenntnisse aus der

Spitzenforschung in die Anwendung bringen, leisten

wir ganz konkret einen Beitrag dazu, den Wohlstand

im Land zu erhalten.“ So ist die Solarzellenforschung

am HZB weit gereift, viele Ergebnisse sind unmittelbar

relevant für die Industrie. Um den Transfer von Wissen

und Technologien zu beschleunigen, hat das HZB mit

anderen Partnern das Photovoltaik­Kompetenzzentrum

PVcomB aufgebaut. Hier arbeitet das HZB gemeinsam

mit Industriepartnern an Fragen, die sich unmittelbar

aus der Industriefertigung ergeben.

Die Entwicklung von Materialien zur Energiespeicherung

steht dagegen noch fast am Anfang, dennoch können

HZB­Forscher schon jetzt die Kompetenzen des PVcomB

Fragt man Anke Kaysser­Pyzalla nach den Bedingungen

für das Gelingen der Energiewende, weist sie auf die

Notwendigkeit innovativer Werkstoffe hin. Sie bilden die

Basis, um neue Technologien für die Energieerzeugung,

­speicherung und den Transport entwickeln zu können.

Für die Geschäftsführerin des Helmholz­Zentrums Berlin

(HZB) steht die Weiterentwicklung der Photovoltaik auf

der Agenda. Außerdem möchte sie die Forschung an

Speichertechnologien voranbringen. Etwa an solaren

Brennstoffen. Hier besitzt das HZB eine einzigartige Ex­

pertise, die Anke Kaysser­Pyzalla konsequent ausbauen

will. „Die Umwandlung von Sonnenlicht in speicherbare

Brennstoffe über den Prozess der Wasserspaltung

befindet sich noch relativ am Anfang der Entwicklung.

Am HZB arbeiten wir daran, geeignete Materialsysteme

zu entwickeln. Die Photovoltaikforschung hat dagegen

schon sehr reife Systeme hervorgebracht, auch dank un­

serer Forschung. Hier forschen wir an neuen Materialien

und arbeiten daran, die physikalischen Vorgänge,

beispielsweise an Grenzschichten, tiefer zu verstehen“,

erklärt Kaysser­Pyzalla.

für ihre Entwicklungen gut gebrauchen. „Die Zeit von der

Grundlagenforschung bis zu reifen, marktfähigen Produk­

ten lässt sich nicht ohne weiteres verkürzen, aber durch

gute Rahmenbedingungen können Grundlagenforschung

und Industrie schneller zueinander finden. Wissenschafts­

netzwerke und Akademien wie acatech können dabei

helfen“, findet Kaysser­Pyzalla.

Damit erworbenes Know­how schnell und bedarfs­

orientiert in die Industrie gelangen kann, investiert

das HZB stark in die Ausbildung von Fachkräften.

Von beruflichen Ausbildungen für junge Leute über

Doktorandenprogramme und Sommerschulen für den

wissenschaftlichen Nachwuchs bis hin zu eigenen Nach­

wuchsgruppen für herausragende junge promovierte

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet das

HZB viele Möglichkeiten, eine Karriere zu gestalten.

Zwei Schülerlabore ermöglichen auch Kindern und

Jugendlichen eine Begegnung mit der Wissenschaft:

Die Experimente mit Magnetismus und Solarenergie

stoßen bei Schülerinnen und Schülern auf große

Begeisterung; die Workshops sind über Monate

ausgebucht. Und damit alle Mitarbeiterinnen und Mit­

arbeiter Karriere und Familie miteinander verbinden

können, setzt sich Anke Kaysser­Pyzalla persönlich für

ein familienfreundliches Arbeitsumfeld ein.

Auf die Frage, was ihr an ihrer Arbeit besonders ge­

fällt, antwortet sie: „Die Möglichkeit, Wissenschaftlern

einen Ort zu bieten, Spitzenforschung zu betreiben

und damit dazu beizutragen, eine sichere und saubere

Energieversorgung zu schaffen. Außerdem kommen

jährlich fast 3000 Wissenschaftlerinnen und Wissen­

schaftler zu uns, um an der Neutronenquelle BER II

oder dem Synchrotron BESSY II zu messen. Die wollen

wir bestmöglich unterstützen. Das ist die spannende

Herausforderung meiner Arbeit.“

Anke Kaysser-Pyzalla ist wissenschaftliche Ge­

schäftsführerin des Helmholtz­Zentrums Berlin.

> IM PORTRAIT

DER STOFF FÜR DIE ENERGIEWENDEWerkstoffexpertin und Materialforscherin Anke Kaysser-Pyzalla ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Helmholtz- Zentrums Berlin. Mit Teilchen beschleunigern treibt sie die Energieforschung voran – mit einem Fokus auf Solarzellen und solaren Brennstoffen.

07 | INNOVATIONSPOLITIK

Die Elektrifizierung der Antriebstechnologien ist

ein Kernstück der Mobilitätswende. Die Nationale

Plattform Elektromobilität (NPE) hat dafür eine

Zukunftsvision entwickelt, die die Menschen in den

Mittelpunkt stellt: Sie wollen auch 2020 kosten­

günstig und umweltfreundlich ankommen.

> AM HORIZONT

DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER MOBILITÄTSWENDE

Ihre Vorteile im Hinblick auf eine Mobilitätswende

spielt die Elektromobilität aus, wenn der systemische

Ansatz auch die Verzahnung der verschiedenen

Verkehrsträger des Mobilitätssystems mit dem

Energiesystem umfasst. Die (Teil­)Elektrifizierung von

Zweirädern, Schiffen, Bus sen oder LKWs geschieht pa­

rallel. Auch das Zusammen spiel von Elektro mobilität

mit einem nachhaltigen Energie system gewinnt

an Bedeutung: Als mobile Energiespeicher können

elektrisch betriebene Fahrzeuge das Energiesystem

der Zukunft stabilisieren. Elektro mobilität ist deshalb

ein Versuchslabor und Testfall einer Mobilitätswende,

die sich mit der Energiewende ergänzt.

Besser im Fluss

Die Vermeidung von Unfällen und Staus ermöglicht

eine weitere Steigerung der Verkehrsleistung bei

sinkendem Ressourcenverbrauch. Der Schlüssel hierzu

liegt auch in der Digitalisierung des Mobilitäts­ und

Logistikbereichs. Waren und Güter werden durch

kostengünstige Sensorik und Kommunikationstechno­

logien zu intelligenten Produkten, die sich in Cyber­

Physikalischen Systemen vernetzen. Diese Systeme

lassen sich in Echtzeit steuern und koordinieren.

Anwendungen sind die smarte Produktion in der In­

dustrie 4.0, intelligente Energienetze, aber auch intel­

ligente Verkehrsleit systeme (Smart Mobility). acatech

hat diesen Trend und dessen tiefgreifende Auswir­

kungen in Studien zu den Cyber­Physical Systems, zur

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis,

Logistik das Rückgrat der Wirtschaft. Der wachsende

Wohlstand und die Digitalisierung des Einzelhandels

steigern das Verkehrsaufkommen weltweit. Dem

steigenden Mobilitäts bedürfnis stehen Klimawandel

und Ressourcen knappheit gegenüber: Die Mobilität

der Zukunft muss deshalb zugleich mehr leisten und

weniger verbrauchen. Als Leitmarkt und Leitanbieter

in diesen Bereichen steht Deutschland deshalb vor

einer Mobilitäts wende. Sie gelingt nur mit einem

systemischen, technologie offenen sowie markt­

orientierten Ansatz.

Ein wichtiger Hebel für die Mobilitätswende ist die

Elektrifizierung der Antriebstechnologien. Die Bundes­

regierung legte 2009 mit einer Zielmarke los: Eine

Million Elektrofahrzeuge in Deutschland bis 2020.

acatech setzte sich im Januar 2010 erfolgreich dafür

ein, die Leitanbieterschaft als gleich rangiges Ziel aufzu­

nehmen. Im Mai 2010 übernahm Henning Kagermann

den Vorsitz der Nationalen Plattform Elektromobilität

(NPE). Nach drei Jahren hat sich Deutschland eine

gute Ausgangs position erarbeitet: 16 elektrifizierte

PKW­Modelle von deutschen Herstellern bis Ende des

Jahres zeigen die Fortschritte.

Doch der Erfolg der Elektromobilität – als Baustein der

Mobilitätswende – hängt ab von einem überzeugen­

den, komfortablen und wirtschaftlichen Gesamtpaket:

Dazu gehören barrierefrei zugängliche Ladesäulen

(Infrastruktur), der reibungslose Übergang zu anderen

Verkehrsmitteln (Intermodalität) sowie kluge monetäre

und nicht­monetäre Anreize wie das vergünstigte La­

den mit Grünstrom, kostenfreie Parkplätze für E­Autos

oder Maut­Befreiung.

Industrie 4.0 und ganz aktuell zu den internetbasier­

ten Diensten für die Wirtschaft untersucht.

In Echtzeit vernetzte Verkehrssysteme bringen

Menschen und Güter schneller ans Ziel und schonen

die Umwelt – sie gehören deshalb zum vollständigen

Bild der Mobilitätswende. Intelligente Assistenten

vermeiden schon heute Unfälle und schlagen zu

jeder Zeit die optimale Route vor. Erste Autos, die bei

Staus selbstständig fahren, gehen bereits in Serie. In

wenigen Jahren werden Fahrzeuge definierte Strecken

völlig automatisiert und autonom zurücklegen können.

Sie werden den Verkehrsfluss spürbar verbessern, weil

sie auf der grünen Welle durch die Städte gleiten statt

das alltägliche Stop­and­go zu verstärken. Auch wenn

zuvor viele rechtliche Fragen – beispielsweise nach der

Verantwortung bei Unfällen – zu klären sind: Fahrer­

lose Autos sind bereits technisch möglich und werden

ihren Teil zu einer effizienten, klima freundlichen und

nachhaltigen Mobilität beitragen.

Der anhaltende Aufstieg der Internetmärkte erhöht

den Druck auf die Logistik. Kunden bestellen einzel­

ne Produkte zunehmend direkt bei Versandhändlern.

Die Industrie 4.0 wird diesen Trend noch verstärken.

Der Anteil der Einzellieferungen nimmt deshalb

zu – eine Herausforderung für die Logistik. Doch

auch Transportprozesse werden dank Echtzeit­Daten

spürbar effizienter. Die Logistik – zu diesem Ergebnis

kommt eine von Michael ten Hompel geleitete

Projektgruppe der Akademie – entwickelt sich zu

einer High­Tech­Branche. Die Wissenschaftler sehen

allerdings in der chronischen Unter finanzierung der

Logistik­Forschung und Entwicklung eine Gefahr für

die Wettbewerbsfähigkeit der Branche und für den

deutschen Wirtschaftsstandort insgesamt. Perspek­

tiven der Logistik zeigen die Experten deshalb in

einem Positionspapier auf, das im Mittelpunkt der

acatech Senats veranstaltung 2013 stand.

Eine leistungsfähigere und zugleich nachhaltige

Mobilität und Logistik ist möglich – zu diesem Fazit

kommen alle Projekte und Initiativen der Akademie

in diesem Bereich. Deutschland kann ein Leitmarkt

und Leitanbieter innovativer Verkehrs­ und Transport­

lösungen werden. Die Mobilität mit ihren Facetten

ist das Thema des Akademietags in Stuttgart – der

Wiege des Automobils. Dort erörtern die wissenschaft­

lichen Mitglieder der Akademie mit Ministerpräsident

Winfried Kretschmann, Vertretern der Automobil­

branche sowie Stakeholdern aus Fachverbänden und

Kommunal politik Perspektiven der Mobilitätswende.

INNOVATIONSPOLITIK | 08

> TERMINE

> IM RÜCKSPIEGEL

Neuer Arbeitskreis: Ökonomie und Innovationsforschung

Im Dezember 2013 hat der hochrangig besetzte acatech

Arbeitskreis „Ökonomie und Innovations forschung“ seine

Arbeit aufgenommen. Der Arbeitskreis stärkt die System­

perspektive in der wissen schaftsbasierten Politikberatung

zu in novations politischen Fragen. Sprecher des Arbeits­

kreises ist Christoph M. Schmidt, Präsident des Rheinisch­

Westfälischen Instituts für Wirtschafts forschung in

Essen und Vorsitzender des Sachverständigenrats zur

Begutachtung der gesamtwirtschaft lichen Entwicklung.

Der Arbeitskreis berät das acatech Präsidium bei der

strategischen Weiterentwicklung der Themenportfolios,

liefert Impulse für neue Projekte und entwickelt eigene

Konzepte mit starkem innovations politischem Bezug.

Machbarkeitsstudie Nationales Kompetenzmonitoring

Welche innovationsrelevanten Kompetenzen braucht

Deutschland? Mit Blick auf diese Frage wurde bereits

2012 im von acatech koordinierten Innovationsdialog zwi­

schen Bundesregierung Wirtschaft und Wissenschaft ange­

regt, ein „Nationales Kompetenzmonitoring“ aufzubauen.

Auf Einladung von acatech und des Bundesverbands der

Deutschen Industrie (BDI) prüften Experten aus Wissen­

schaft und Wirtschaft die Idee von April bis Oktober 2013

in drei Workshops. Die Machbarkeitsstudie kommt zu dem

Ergebnis, dass ein „Nationales Kompetenzmonitoring“

eingerichtet werden soll. Die Kompetenz­Roadmap soll

aufzeigen, wie Deutschland notwendige Qualifikationen

aufbauen und seine Innovationskraft erhalten kann.

Herausgeber:

acatech – DEUTSCHE AKADEMIE

DER TECHNIKWISSENSCHAFTEN e. V.

Residenz München

Hofgartenstraße 2

80539 München

T +49 (0)89/5 20 30 90

E-Mail: [email protected]

www.acatech.de

Verantwortlich: Dr. Katrin Simhandl

Redaktion: Sebastian Brunkow, Dr. Christoph Egle,

Sandra Lehmann, Pavel Radchenko, Christoph Uhlhaas

Bildquellen:

Seite 1: Peter Himsel

Seite 2: shutterstock.com

Seite 3: DFKI

Seite 4: Peter Himsel

Seite 5: dgb.de/Plambeck; bdi.eu/Christian Kruppa;

Andreas Heddergott

Seite 6: HZB/V. Brekenkamp

Seite 7: Vision und Roadmap der Nationalen Plattform

Elektromobilität

Seite 8: acatech

Satz und Layout: Fraunhofer IAIS

> IMPRESSUM

Christoph M. Schmidt, Vorsitzender der Fünf Wirt­

schaftsweisen ist Mitglied des acatech Arbeitskreises

„Ökonomie und Innovationsforschung“

Bei FragenDr. Katrin Simhandl

Bereichsleiterin Kommunikation

T +49 (0)30/2 06 30 96­40

E­Mail: [email protected]

DATUM/UHRZEIT THEMA & VERANSTALTUNGSORT

7.–11. April HANNOVER MESSE PODIUM „INDUSTRIE 4.0“; MOBILITECH

Hannover, Messegelände

14.–17. April CPS WEEK 2014

Berlin, andel‘s Hotel Berlin, Landsberger Allee 106

7.–9. Mai ERGEBNISPRÄSENTATION DES PROJEKTS RESILIEN-TECH AUF DEM BMBF

INNOVATIONSFORUM „ZIVILE SICHERHEIT“

Berlin, Café Moskau, Karl­Marx­Allee 34, und

Kino International, Karl­Marx­Allee 33

8. Mai acatech ABSCHLUSSVERANSTALTUNG „RESILIENCE BY DESIGN.

STRATEGIE FÜR DIE TECHNOLOGISCHEN ZUKUNFTSTHEMEN.“

8. Mai

10.00–17.00 Uhr

NATIONALER MINT GIPFEL

Berlin, Siemens AG, Mosaikhalle, Rohrdamm 85

19. Mai

10.00–18.00 Uhr

POTSDAMER KONFERENZ FÜR NATIONALE CYBERSICHERHEIT

Potsdam, Hasso­Plattner­Institut, Prof.­Dr.­Helmert­Straße 2­3

27. Juni

15.00–17.45 Uhr

SENATSVERANSTALTUNG

München

(Senatsempfang von 18.30–22.30 Uhr)

4. November

13.30 Uhr

acatech MITGLIEDERVERSAMMLUNG

Berlin, Auditorium, Friedrichstraße 180

4. November

19.30–23.00 Uhr

acatech FESTVERANSTALTUNG

Berlin, Konzerthaus, Gendarmenmarkt

3. Dezember

10.00–17.00 Uhr

Euro-CASE ANNUAL CONFERENCE

ZUR EUROPÄISCHEN INNOVATIONSPOLITIK

Brüssel, Königliche Akademie der Wissenschaften Belgien

3. Dezember

19.00 Uhr

Euro-CASE ANNUAL CONFERENCE ABENDVERANSTALTUNG

ZUR EUROPÄISCHEN ENERGIEPOLITIK

Brüssel, Königliche Akademie der Wissenschaften Belgien