· Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in...

90
1 Max Fuchs Kulturelle Unterrichtsentwicklung Zur Rolle des Ästhetischen im Unterricht - Ein Überblick Wuppertal 2016

Transcript of  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in...

Page 1:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

1

Max Fuchs

Kulturelle Unterrichtsentwicklung

Zur Rolle des Ästhetischen im Unterricht - Ein Überblick

Wuppertal 2016

(Stand 3.12.2016)

Page 2:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

2

Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung 3

A. UNTERRICHT ALLGEMEIN

2. Einführung 4

3. Was ist Unterricht? 9

4. Wissenschaftliche Zugriffe auf den Unterricht 16

B. ZU EINIGEN DIMENSIONEN VON UNTERRICHT

5. Schülerinnen und Schüler 20

6. Lehrerinnen und Lehrer 24

7. Der Unterrichtsgegenstand 27

8. Zur Unterrichtsmethode 35

C. UNTERRICHT UND ÄSTHETISCHE ERFAHRUNG

9. Ästhetische Erfahrung im Unterricht – ein Überblick 38

10. Rahmenbedingungen und Kontexte und ihre Gestaltung 42

11. Das Ästhetische am Unterrichtsinhalt 45

12. Ästhetisches Lernen im Unterricht 51

13. Ästhetisches Lehren 54

14. Schlussbemerkungen:

Kulturelle Unterrichtsentwicklung - Kulturelle Schulentwicklung 57

Literatur 59

Page 3:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

3

1. Vorbemerkung

Eine Kulturschule ist eine Schule, in der allen Beteiligten, vor allem den Lehrerinnen und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern, umfassende Möglichkeiten gegeben werden, ästhetische Erfahrungen zu machen. Man kann dies eher technisch so formulieren, dass in allen Qualitätsbereichen von Schule das Prinzip Ästhetik eine wichtige Rolle spielt.

Dies bedeutet etwa, dass eine Kulturschule vielfältige Kooperationsbeziehungen mit Kultureinrichtungen bzw. mit Künstlerinnen und Künstlern pflegt. Es bedeutet, dass es ein anspruchsvolles und vielseitiges Angebot an Arbeitsgemeinschaften mit einer entsprechenden Themenstellung gibt. Es bedeutet, dass man Sorgfalt auf die Gestaltung des Gebäudes und der Anlagen legt. Es geht insgesamt darum, dass die Rede von einer Schule als Ort des ästhetischen Lernens und Lebens Realität wird.

Man wird allerdings nicht von einer Kulturschule sprechen können, wenn zwar all diese Dimensionen berücksichtigt sind, der Unterricht jedoch bei einer entsprechenden kulturellen Profilierung von Schule nicht berücksichtigt wird. Die Umsetzung der Forderung, auch und gerade den Unterricht als Kerngeschäft von Schule in eine entsprechende Profilierung mit einzubeziehen, soll „kulturelle Unterrichtsentwicklung“ genannt werden. Im Folgenden soll – zumindest kursorisch – ein Einblick in die wissenschaftlichen Debatten rund um Unterricht gegeben werden. Es werden unterschiedliche Aspekte und Dimensionen von Unterricht aufgezeigt und es wird die Frage gestellt, welche Rolle eine Berücksichtigung des Ästhetischen jeweils spielen kann.

Dazu werden in den ersten beiden Teilen Einblicke in die Debatten über Unterricht im Allgemeinen gegeben. Im dritten Teil wird dann – allerdings nur auf einer allgemeinen Ebene – gezeigt, was eine Berücksichtigung des ästhetischen Prinzips im Unterricht bedeuten könnte. Konkrete Unterrichtsvorschläge werden allerdings nicht entwickelt, da dies im Rahmen der jeweiligen Fachdidaktiken geschehen muss.

Page 4:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

4

A. UNTERRICHT ALLGEMEIN

2. Zur Einführung

Dass es in der Wissenschaft widerstreitende Positionen gibt, überrascht nicht nur nicht, sondern es gehört vielmehr zum Konstitutionsmerkmal von Wissenschaft. Eher überraschend ist es allerdings, wenn immer wieder in der Fachliteratur beklagt wird, dass es zu wenig wissenschaftliche Auseinandersetzung und insbesondere eine ungenügende Theorienbildung bei dem betreffenden Thema gibt, man aber gleichzeitig vor Bergen von Fachliteratur steht. Dies ist bei dem Thema Schule und insbesondere bei dem Thema Unterricht zweifellos der Fall.

Einen Grund für diese Fülle kann man darin sehen, dass die praktische und theoretische Beschäftigung mit der Vermittlung von Fähigkeiten, Fertigkeiten, Haltungen, Überzeugungen und Wissen nicht bloß der genuine Gegenstand der Pädagogik ist, sondern dass man sogar in der Beschäftigung mit einer systematischen Vermittlung historisch den Ursprung einer sich allmählich verwissenschaftlichenden Pädagogik sehen kann. Denn im Zuge der Durchsetzung der Moderne und der modernen Industriegesellschaft entsteht allmählich ein flächendeckendes System allgemeinbildender Schulen, deren Kerngeschäft genau diese systematische Vermittlungsaufgabe, nämlich „Unterricht“, ist.

Dieser Allgegenwärtigkeit von Schule, der sich in der modernen Gesellschaft niemand entziehen kann und die in vielen Ländern sogar durch entsprechende Gesetze verpflichtend für alle Heranwachsenden ist, ist auch die Ursache für ein weiteres Problem für alle diejenigen, die sich wissenschaftlich mit Unterricht befassen wollen. Denn die Situation ähnelt sehr stark derjenigen eines Länderspiels unserer Fußballnationalmannschaft, bei dem man mit einer zweistelligen Zahl von Bundestrainern rechnen muss, die es alle besser wissen als derjenige, der für diese Aufgabe eingestellt worden ist.

Im Hinblick auf Schule dürfte diese Zahl der selbsternannten Experten/innen noch um ein Vielfaches größer sein. Man spricht davon, dass Heranwachsende in ihrem Leben 15.000 Unterrichtsstunden erleben. Bei ca. 17 Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland ergeben sich so 255 Milliarden Stunden insgesamt und etwa 85 Millionen Unterrichtsstunden pro Tag. Diese enorme Stundenzahl wird von etwa 680.000 Lehrerinnen und Lehrern an ca. 36.000 Schulen in Deutschland bewältigt, was pro Tag etwa 3,4 Millionen Unterrichtsstunden ergibt.

Diese Zahlenspielerei, die man im Hinblick auf ihre Exaktheit nicht sonderlich ernst nehmen muss, die aber die Größenordnung des Gegenstandes, über den hier gesprochen werden soll, erahnen lässt, zeigt, wie umfangreich eigentlich die empirische Basis für eine wissenschaftliche Bearbeitung ist. Sie zeigt zugleich, dass jeder vielfältige und umfassende Erfahrungen mit Schule und Unterricht gemacht hat und sich daher mit einiger Berechtigung als Experte oder Expertin in diesem Feld betrachten kann.

Angesichts des Umfangs dieser Erfahrungen kann man sich nunmehr über die These von einem Mangel an wissenschaftlicher Theorienbildung nur wundern. Nicht zu wundern braucht man sich allerdings über die Fülle an schul- und unterrichtsbezogener Literatur, die von medienwirksamen und

Page 5:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

5

oft kritischen Thesen über den Zustand der Schule und die Bildung der Jugendlichen, über mehr oder weniger reflektierte Reformvorschläge, über Beratungstexte für unterschiedliche Problemlagen und Zielgruppen rund um die Schule bis hin zu fachwissenschaftlichen Auseinandersetzungen auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus reicht.

Die Schule ist also nicht bloß ein existenzielles Problem für jeden Einzelnen, was man etwa auch daran erkennen kann, dass selbst hochbetagte Menschen bei dem Thema Schule eigene Erlebnisse so berichten, als ob sie erst gestern stattgefunden hätten. Die Schule ist auch ein mediales Ereignis, sie ist ein oft heiß umstrittenes Thema in der politischen Auseinandersetzung. Es lohnt sich zudem immer wieder ökonomisch für Autorinnen und Autoren sowie für Verlage, sensationsheischende Bestseller zu platzieren.

Auch der wissenschaftliche Diskurs ist ausgesprochen vielfältig und durchaus kontrovers. So gibt es gleich mehrere Disziplinen, die sich mit Unterricht befassen: Jeder, der über Schule spricht, wird über kurz oder lang auch auf den Unterricht zu sprechen kommen; es gibt eine Unterrichtswissenschaft, gibt eine Allgemeine und eine Fachdidaktik, es gibt Spezialuntersuchungen zu Fragen der Methoden, es gibt Auseinandersetzungen über Unterrichts- und Schulentwicklung und veritable Handbücher, es gibt Modewellen, in denen jeweils eine Dimension von Unterricht (Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Unterrichtsinhalte, Stoffe und Lehrpläne, die Rolle von Eltern, die Struktur des Schulsystems, bestimmte Lehrmittel wie etwa Bücher oder aktuell Computer, die Universitäten mit ihren Lehrerbildungsgängen, die Qualität von Unterricht und Wege zu ihrer Verbesserung, die Leistungskontrolle, die Kommunikation und die Interaktion im Unterricht und vieles mehr) in den Vordergrund gerückt wird.

All dies ist natürlich legitim, weil die eben vorgenommene Aufzählung zentrale und relevante Aspekte und Dimensionen von Unterricht enthält. Das Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne Aspekte sogar vernachlässigt werden dürfen. All dies geschieht zu dem nicht in einem interessefreien Raum, weswegen weltanschauliche, politische und Machtfragen auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Unterricht und ohnehin in den öffentlichen Debatten eine wichtige Rolle spielen.

Dies ist auch deshalb verständlich, weil es zum einen um die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen, also um ihre gegenwärtige und zukünftige Lebensbewältigung geht. Es geht zudem auch um die Gegenwart und Zukunft der jeweiligen Gesellschaft. Damit ist aber auch zugleich einer jeglichen Beschäftigung mit Unterricht eine Vielfalt von Widersprüchen einprogrammiert: Es geht um das Verhältnis von individuellen und gesellschaftlichen Interessen, wobei diese gesellschaftlichen Interessen durchaus nicht homogen sind, so dass man den Unterricht auch als Spielball unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen, die versuchen Einfluss zu nehmen, verstehen kann.

In wissenschaftlicher Hinsicht gibt es zudem das Problem, dass Unterricht als Fachunterricht etwas mit der Entwicklung der entsprechenden wissenschaftlichen Fachdisziplinen zu tun hat, so dass man klären muss, in welchem Verhältnis die Fachwissenschaften zu den Inhalten des Unterrichts stehen. Offenbar muss man wissenschaftliches Wissen, Schulwissen und Alltagswissen unterscheiden.

Es ist allerdings auch zu berücksichtigen, auf welche Weise Lehrerinnen und Lehrer lehren und auf welche Weise Schülerinnen und Schüler lernen. Es melden sich daher zu Recht unterschiedliche Disziplinen zu Wort, die eine Zuständigkeit in dem komplexen Geschehen des Unterrichts für sich

Page 6:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

6

reklamieren: Psychologie als Entwicklung der Persönlichkeit und insbesondere in ihrer beanspruchten Zuständigkeit für Lernen und Lehren; die Soziologie, weil es beim Unterricht um ein spezifisches Handeln in einer sozialen Gruppe geht; die Politikwissenschaft, weil es in jeder Gruppe Aspekte von Macht und Einflussnahme gibt; die Organisationstheorie, weil Unterricht eingebettet ist in die komplexe Struktur der Schule, die wiederum eine bestimmte Rolle im sozialen Raum der Stadt oder des Stadtteils spielt. Unterricht ist zudem ein Umgang mit Symbolen, weshalb ein kulturwissenschaftlicher Zugang auch hierbei ein Anwendungsfeld sieht.

Unterricht ist also Kommunikation und Interaktion, Unterricht ist Lernen und Lehren, Unterricht ist organisiertes Handeln, Unterricht ist eine Abfolge von Entscheidungen, Unterricht ist Teil der komplexen Organisation Schule, Unterricht ist ein Produkt einer historischen Entwicklung, im Unterricht geht es um Wissen, Werte, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Haltungen und Weltanschauungen, Unterricht ist ein Ort der Demütigung und Anerkennung, Unterricht ist ein Ort der ständigen Bewertung und Beobachtung, Unterricht ist ein Markt für Lehrmittel, Unterricht ist der wesentliche Teil der Professionalität einer zahlenmäßig großen Berufsgruppe, Unterricht ist Gegenstand (und damit Arbeitsfeld) unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen, die alle auch um Ressourcen, Forschungsgelder und Planstellen kämpfen. Nicht zuletzt ist Unterricht zu einem Thema internationaler Konkurrenzfähigkeit geworden.

Dies gilt insbesondere seit den umfangreichen internationalen Studien wie etwa PISA, bei denen es weniger um die Entwicklung der Persönlichkeit, sondern um ökonomische Kategorien wie Wettbewerbsfähigkeit geht, ganz so, wie es im Bereich der Europäischen Union die berühmt-berüchtigte Lissabon-Strategie formuliert: nämlich aus der Europäischen Union (v. a. mit Hilfe des Bildungssystems) „den stärksten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ machen zu wollen.

In dem vorliegenden Text geht es darum, wie im Vorwort angekündigt die Rolle des Ästhetischen im Unterricht zumindest kursorisch zu untersuchen. Dies bedeutet, dass man sich eigentlich mit allen Aspekten von Unterricht im Hinblick auf diese spezifische Fragestellung befassen müsste, was für einen kürzeren Text natürlich nicht möglich ist. Ich werde daher eine Auswahl treffen müssen. Bei der Erarbeitung und Auswahl spezifischer Aspekte werde ich eine Durchsicht durch unterschiedliche wissenschaftliche Zugriffe auf Unterricht vornehmen, um theoretische und konzeptionelle Entwicklungen in den verschiedenen Disziplinen, die sich mit Unterricht befassen, zu nutzen.

Hilfreich ist dabei die Erkenntnis, dass viele wissenschaftliche Beschäftigungen mit Schule letztlich im Wesentlichen von Unterricht handeln. Dies bedeutet, dass man auf die umfangreiche Literatur zum Thema Schule zurückgreifen kann. Dies bedeutet speziell in unserem Fall, dass die durchaus intensive Beschäftigung mit dem Thema „Kulturschule und kulturelle Schulentwicklung“ (Fuchs/Braun 2015a und b, 2016) auch hier genutzt werden kann, sodass man nicht am Anfang steht.

Die Durchführung von Unterricht ist nicht bloß Kerngeschäft von Schule und von Lehrerinnen und Lehrer, sie ist auch diejenige Aufgabe, weswegen der Staat oder die Gesellschaft ein solch aufwändiges und teures System wie Schule aufrechterhält. Insbesondere bedeutet dies, dass man – zumindest in heuristischer Weise – alle Aussagen, Thesen und Behauptungen über die Schule als – zunächst fragende – Aussagen über Unterricht umformulieren kann. Dies gilt etwa für die bereits oben angesprochene grundsätzliche Widersprüchlichkeit (vgl. Fuchs 2012, 101 ff.).

Ebenso wie die Schule ist insbesondere der Unterricht Mehreres gleichzeitig:

Page 7:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

7

Er ist

– Teil der Gesellschaft,

– Teil des Bildungssystems (als Teil des Subsystems Kultur),

– Teil der staatlichen Bürokratie,

– Teil eines Schulaufsichtsbezirks.

Dies bedeutet u. a., dass die jeweiligen Regelungssysteme, die für die Schule gelten, insbesondere eine Relevanz auch für den Unterricht haben.

Andere Bestimmungsmerkmale von Schule betreffen ebenfalls insbesondere den Unterricht:

Ebenso wie Schule ist Unterricht

– ein System institutionalisierten Lernens,

– eine Institution der Vergabe von Berechtigungen,

– ein Schonraum,

– eine Lebenswelt eigener Art,

– ein Arbeitsplatz,

– ein Ort der Begegnung von Generationen,

– ein Ort systematischen Lehrens und Lernens,

– ein Ort der Begegnung mit Gleichaltrigen,

– eine Instanz der Selektion,

– ein Ort der Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung,

– eine Sozialisationsinstanz,

– ein Ort der Befreiung vom Elternhaus,

– ein Ort der Anerkennung und Demütigung,

– ein Ort, der in einer entscheidenden Lebensphase einen sehr hohen Zeitanteil in Anspruch nimmt mit einem bestimmten rigiden Zeitregime,

– ein räumlicher Kontext.

Die Schule und damit der Unterricht sind daher geprägt von vielfältigen Widersprüchen:

– dem Widerspruch von Bürokratie und Pädagogik,

– dem Widerspruch von Bildung und Auslese.

Der Unterricht befindet sich im Widerspruch

Page 8:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

8

- unterschiedlicher Theorien,

– unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen und Aufgabenzuweisungen,

– unterschiedlicher Reformprozesse,

– zum außerunterrichtlichen und außerschulischen Alltag,

– zwischen dem Wunsch nach totaler Steuerung und Freiheitsräumen,

– unterschiedlicher Akteure (Schulverwaltung, Exekutive, Parlament, Gewerkschaften, Elternverbände etc.).

Page 9:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

9

3. Was ist Unterricht?

Zur Geschichte des Unterrichts

Unterricht, so wie wir ihn kennen, nämlich als professionell organisierte Massenerscheinung – man spricht sogar ironisch gelegentlich von einer „lernbezogenen Menschenhaltung in der Schule“ (so Marcelo Caruso in Meseth 2011, 24ff.) – ist eng verbunden mit der flächendeckenden Einrichtung eines allgemeinbildenden Schulsystems. Dies macht verständlich, dass sich historische Darstellungen von Unterricht auf die Neuzeit beziehen und ihre Darstellung sogar oft erst im 18. Jahrhundert beginnen lassen. So geschieht es im Standardwerk „Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte“ (Berg u. a. 1996 etc.), bei dem der erste Band die Zeit vom 15. Bis zum 17. Jahrhunderts darstellt, der zweite Band immerhin noch das gesamte 18. Jahrhundert zum Thema hat und sich die folgenden drei Bände mit den letzten 200 Jahren befassen. Gerhard Petrat (1979) beginnt seine Sozialgeschichte des Unterrichts in Deutschland mit dem Jahr 1750. Dies ist sinnvoll, weil ein zunehmend flächendeckendes System von Schule, das allerdings auch erst im späten 19. Jahrhundert und als gesetzlich verpflichtend erst in der Weimarer Republik erreicht wurde, verbunden ist mit der Frage, wie man eine größere Anzahl von Lehrenden mit einer noch größeren Anzahl von Lernenden in einen systematischen Zusammenhang bringen kann. Denn bei dieser großen und anwachsenden Zahl an benötigten Lehrkräften kann man sich nicht mehr auf die zufällig vorhandene individuelle Begabung für die Lehrkunst durch einen Lehrenden beschränken, sondern man muss sich überlegen, wie man eine größere Anzahl von Lehrenden entsprechend ausbildet und welche Inhalte und Themen wie und an wen vermittelt werden sollen, zumal sich das entstehende Schulsystem mit einer ebenfalls entstehenden Öffentlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft konfrontiert sieht, die sehr genau beobachtet, was in der Schule geschieht.

Die Geschichte des Unterrichts ist also eingebettet in eine Geschichte der Schule. Gerhard Petrat (1987) erfasst mit einem weiteren Buch über die „Sozialgeschichte der Schulerziehung in Deutschland“ ebenfalls die Zeit seit dem 18. Jahrhundert. Noch später beginnen Herrlitz und andere (1993) ihre „Deutsche Schulgeschichte“, nämlich mit dem Jahr 1800.

Dies bedeutet nun allerdings nicht, dass es nicht schon vorher Bildungseinrichtungen wie die Schule und damit schulischen Unterricht gegeben hat. So ist etwa an die mittelalterlichen Klosterschulen zu erinnern und möglicherweise sogar an die berühmten philosophischen Schulen, die Platon und Aristoteles gegründet haben. Doch kann man in beiden Fällen nicht von einer Flächendeckung von Schule und einem Bildungssystem sprechen.

Helmut Fend (2006) spricht von einem „Sonderweg im europäischen Kulturraum“ in seiner Darstellung der Geschichte des Bildungswesens und weist insbesondere auf das Christentum, die damit verbundene kanonisierte Lehre, auf die einheitliche Sprache des Lateins im europäischen Kulturraum und den Beginn der Alphabetisierung des Volkes mit der Reformation hin, beschreibt diese Entwicklungen allerdings nur als Grundlage für eine erst im 18. Jahrhundert beginnende Institutionalisierung des Bildungswesens.

Man kann sich natürlich fragen, wieso es erst mit Beginn der Neuzeit notwendig geworden ist, ein solches Bildungswesen zu installieren. Denn offensichtlich genügte es im Mittelalter, dass in der bäuerlichen Welt das „ganze Haus“ (oikos) die notwendigen Fähigkeiten vermittelte, zu denen Lesen und Schreiben zunächst einmal nicht gehörten. Einen Bedarf an intellektueller Bildung gab es im

Page 10:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

10

Wesentlichen in Kirchen, die in eigenen Bildungseinrichtungen streng ausgewählte begabte Kinder als professionellen Nachwuchs für den Klerus herangezogen.

Auch in der Antike gab es keine organisierter Bildung und Erziehung für alle oder zumindest für viele. D.h. natürlich nicht, dass man sich nicht vielfältige Gedanken über die Entwicklung des Nachwuchses gemacht hatte. Die Bildung, insbesondere die Bildung der Herrschenden und Reichen, war vielmehr aufs engste verbunden mit der politischen Gestaltung der Polis. Neben der entstehenden Philosophie sind es vor allen Dingen die Künste, die in dieser Hinsicht ihre bildende Wirkung entfalteten und als Bildungsmittel genutzt wurden (Jaeger 1936).

Damit eröffnet sich ein weiterer Bereich, in den Unterricht eingebettet werden muss: das allgemeine Feld der Bildung und Erziehung. Dieses ist zudem verbunden mit der Geschichte der Kindheit und später der Jugend (Ariès 1978, Tenorth 2000).

Mit dem Hinweis auf die griechische Antike befindet man sich im Bereich dessen, was man als „Hochkultur“ bezeichnet. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass der Mensch nur zum Menschen, wie wir ihn kennen, werden konnte durch seine spezifische Entwicklung (Anthropogenese; vgl. Fuchs 2017) und diese Entwicklung nur dadurch zustande kommen konnte, dass der Mensch aufgrund seiner genetischen Mitgift lernfähig und lernbereit war, dann bedeutet dies, dass alle diese Diskussionen und Debatten über Erziehung, Bildung, Schule und Unterricht auf anthropologischen Grundlagen basieren., so dass man von einer Anthropologie des Lernens, des Unterrichts, der Schule etc. sprechen kann, also sich mit der pädagogischen Anthropologie befassen muss. Insbesondere kann man sich daher in einer pädagogischen Perspektive für „die Erziehung auf frühen Stufen der Menschheitsentwicklung“ (so Alt 1956) interessieren.

Die Geschichte der Bildung und Erziehung, so wie sie oben angesprochen worden ist, ist immer schon verbunden mit Reflexionen darüber, wie die pädagogische Tätigkeit geschehen müsse. Im Rahmen der mit dem europäischen Sonderweg (Fend) verbundenen Verwissenschaftlichung von immer mehr Bereichen der Natur und der Kultur wird man daher die Frage danach stellen müssen, ab wann man von einer Wissenschaft der Bildung und Erziehung, von einer Wissenschaft der Schule und speziell von einer Wissenschaft des Unterrichts sprechen kann.

Ein einschlägiges Überblickswerk mit dem Titel „Theorien des Unterrichts“ (Baumgart u. a. 2005) erfasst zwar ein breites Spektrum unterschiedlicher Unterrichtstheorien, auf das ich später noch zurückgenommen kommen werde, es bezieht sich jedoch ausschließlich auf Theorien seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Unmittelbare Vorgänger wie Wilhelm von Humboldt und Herbart und etwas später Ziller, Stoy oder Dörpfeld werden zwar als Vorläufer erwähnt, aber nicht vertiefend behandelt.

Als Gegenstand der vorgestellten Unterrichtstheorien, also als Unterricht wird „eine institutionalisierte Interaktion von Lehrenden und Lernenden… (verstanden), in dem die eine Seite mit bestimmten Intentionen mittels bestimmter Inhalte und bestimmter Methoden und mithilfe bestimmter Kontrollverfahren auf das Wissen, die Fähigkeiten und Einstellungen der anderen Seite einwirken und sie verändern will.“ (14).

Immerhin wird auf die Vorgeschichte der vorgestellten Unterrichtstheorien hingewiesen:

„Das Nachdenken über Unterricht, seine Merkmale und Aufgaben sowie die davon abgeleiteten Erwartungen an Lehrerinnen und Lehrer haben eine lange Tradition. Bereits bei den Sophisten, bei

Page 11:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

11

Platon und Aristoteles sowie der anderen Philosophen und Lehrer der Rhetorik in der Antike wurden Fragen nach den Zielen und Methoden des Lehrens und Lernens und nach der Organisation des Unterrichts, nach den Inhalten, ihrer Auswahl und Anordnung und ihrer bildenden Wirkung thematisiert. Die Geschichte der abendländischen Didaktik begann jedoch erst im 17. Jahrhundert, mit W. Ratkes Programm einer Lehrkunst und J.A. Comenius' „Großer Didaktik“. Es ist ein „visionärer Beginn“…, das Versprechen einer rationalen, erlernbaren und erfolgreichen Technik des Lehrens und Unterrichtens als Mittel zu einer idealen, gottgewollten bzw. vernünftigen Gestaltung der Welt und zur Erlangung des Heils der Menschheit. Diese Versprechen haben das didaktische Denken in seiner historischen Entfaltung bis in die Gegenwart begleitet.“ (ebd. 15)

In der Tat muss Unterricht bei aller Spezialisierung und Ausdifferenzierung der Forschungsfragen immer in diesem weiten philosophischen, weltanschaulichen und politischen Kontext gesehen werden. Es geht von Anfang an um die „Verbesserung der menschlichen Dinge“ (Komensky 1970), zu der der Unterricht, zu der die Schule und zu der die Pädagogik generell einen entscheidenden Beitrag leisten müssen.

Dies erklärt auch das oben vorgestellte vielfältige öffentliche und wissenschaftliche Interesse an diesem Thema. Comenius‘ Anspruch ist in der Tat ambitioniert: In seiner Großen Didaktik schreibt er davon, dass es darum gehe, alle alles zu lehren. Bereits in der Überschrift zu diesem ersten systematischen Werk gibt er die Ziele an: wissenschaftliche Ausbildung, Frömmigkeit und Religiosität, gute Sitten. Er gibt die geeignete Methode an, nämlich diejenige, von der er glaubt, dass sie in der entstehenden Naturwissenschaft angewandt worden sei. Und nicht zuletzt verspricht er, dass man unter Anwendung dieser Methode rasch, angenehm und gründlich lernen könne, sodass in den Schulen weniger Lärm, Überdruss und unnütze Mühe herrsche.

Dieses Versprechen weist darauf hin, dass es selbst in den bislang nur rudimentär entwickelten Schulen bereits eine Menge an Problemen gab, die sowohl die Inhalte als auch die Methoden des Unterrichts betrafen. Denn offensichtlich macht das Versprechen von Comenius nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass es in den Schulen eben sehr viel Lärm, Überdruss und unnütze Mühe gegeben hat.

Page 12:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

12

Systematische Zugänge

Unterricht ist ein spezifisches soziales Geschehen, bei dem eine gewisse Auswahl von Menschen regelmäßig und mit einer bestimmten Intention gemäß bestimmter Regeln an einem festgelegten Ort zusammentreffen. Es gibt also zahlreiche Besonderheiten, die das soziale Ereignis Unterricht von anderen sozialen Ereignissen wie einem Familientreffen, einem Fußballspiel, einem Kneipenbesuch etc. unterscheiden. Man kann als bereits bei dieser ersten oberflächlichen Beschreibung die Entscheidung treffen, ob man das Gemeinsame mit anderen sozialen Ereignissen (Interaktionen, Kommunikation, Machtbeziehungen, Identitätsklärungen etc.) als Ausgangspunkt nimmt oder von den Unterschieden ausgeht: Intentionalität, Zwangscharakter, Asymmetrie, Inhaltlichkeit, Bewertung, Ort, Zeitregime etc.).

Aufgrund seiner Komplexität gibt es also unterschiedliche Zugangsweisen, dieses Geschehen zu verstehen, die alle zunächst einmal legitim sind. Daher kann man mit einiger Berechtigung die These vertreten, dass alle wissenschaftlichen Zugriffe auf den Unterricht ihren Sinn haben, weil sie einen relevanten Aspekt von Unterricht thematisieren. Es kommt allerdings darauf an, in welcher Weise die Komplexität reduziert wird, welche Aspekte vernachlässigt werden und wie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Aspekte gedacht und konzeptionalisiert wird.

So kann man zunächst einmal die äußeren Rahmenbedingungen in den Blick nehmen. Hierbei lassen sich zwei Ebenen unterscheiden: Unterricht als ein Teil der Mikroebene ist eingebettet in die einzelne Schule (Mesoebene), die wiederum in das System Schule und darüber hinaus in das gesamte Bildungssystem eingebettet ist. Dieses ist Gegenstand politischer und administrativer Steuerungsversuche.

Unterricht ist das Kerngeschäft von Schule, wobei es in einer solchen Schule akademisch ausgebildete Experten und Expertinnen gibt, die staatlich vorgegebene Inhalte in einer bestimmten, streng organisierten Weise weitergeben. Als „Humandienstleister“ sind diese Profis einem besonderen Ethos verpflichtet. Zudem sind sie im öffentlichen Dienst, also Angestellte und in der Mehrzahl Beamte (Privatschulen kann man – zumindest in Deutschland – zunächst einmal vernachlässigen).

Diejenigen, an die diese Inhalte weitergegeben werden, sind nicht freiwillig anwesend: In Deutschland gibt es eine gesetzlich geregelte Schulpflicht, wobei Verstöße gegen diese Schulpflicht geahndet werden. In einer gemeinsamen Grundschulzeit werden zudem alle Kinder gemeinsam beschult (eine Errungenschaft der Schulpolitik der Weimarer Republik), bevor mit Eintritt in die Sekundarstufe die Zuweisung in unterschiedliche Schulformen erfolgt, ein Spezifikum in Deutschland, das immer wieder von nationalen und internationalen Experten kritisiert wird, u. a. weil ein problematisches Menschenbild dahinter steckt. Es zeigt sich dabei bereits hier, wie stark das Schulsystem nicht (nur) von rationalen Erwägungen, sondern sehr stark auch von weltanschaulichen Positionen abhängig ist.

Die Schule wiederum ist eine Institution eigener Art, die ebenfalls Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen und Theorienbildungen ist.

Die bisherige Darstellung wird in der Regel mit dem Modell des didaktischen Dreiecks beschrieben, dessen Ecken von Lehrerinnen und Lehrer (LuL), von Schülerinnen und Schülern (SuS) und einem Unterrichtsinhalt gebildet werden. Im Rahmen der Didaktik als (wörtlich) Wissenschaft vom Lehren

Page 13:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

13

sind „didaktische Modelle“ entwickelt worden, wobei es Ansätze gibt, die die Lehrerinnen und Lehrer bzw. das Lehren, die die Schülerinnen und Schüler bzw. das Lernen oder die den Unterrichtsinhalt, den Stoff, in den Mittelpunkt stellen. Es gibt zudem solche Ansätze, die versuchen, alle drei Pole des Unterrichts miteinander in Verbindung zu bringen. Weitere Ansätze thematisieren das kommunikative bzw. interaktive Geschehen zwischen Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite und Schülerinnen und Schülern auf der anderen Seite.

Entsprechend unterscheidet das Buch „Theorien des Unterrichts“ (Baumgart u.a. 2005) vier große Gruppen von Unterrichtstheorien:

– Unterricht als technologische Aufgabe des Lehrers (Wilhelm Rein, Paul Heimann, Felix von Cube, Klaus Prange),

– Unterricht als Vermittlung und Aneignung von Kultur (Otto Willmann, Erich Weniger, Heinrich Roth, Josef Derbolav, Wolfgang Klafki, Saul B. Robinsohn, Dietrich Benner)

– Unterricht als Arrangements für selbsttätiges Lernen (Hugo Gaudig, John Dewey, Jörg Ramseger, Werner Jank und Hilbert Meyer, Rolf Dubs)

– Unterricht als Interaktion und Kommunikation (Kurt Lewin, Jules Henry, Klaus Schaller, Thomas Gordon, Arno Combe).

Entsprechend der jeweiligen Schwerpunktsetzung werden verschiedene Bezugsdisziplinen zugezogen (Psychologie, Kommunikationstheorie, Philosophie, Soziologie, Kybernetik etc.). Zum Teil sind die vorgestellten didaktischen Modelle als Teil einer erziehungswissenschaftlichen Theorienbildung den großen wissenschaftstheoretischen Schulen (Positivismus bzw. kritischer Rationalismus, Hermeneutik, Kritische Theorie) und/oder philosophischen Großtheorien unter Bezug auf bestimmte Autoren (Kant, Hegel, Marx, Dilthey, Wittgenstein, Popper, Luhmann, Habermas, Foucault etc.) zugeordnet.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass bereits die phänomenologische Beschreibung von Unterricht am Anfang dieses Abschnittes eine sehr viel größere Komplexität unterstellt, als ein einfaches Verständnis des didaktischen Dreiecks suggeriert. Denn es wird darauf hingewiesen, dass die Präsentation des Stoffes durch die Lehrerinnen und Lehrer in einem bestimmten Kontext stattfindet: Auf der Mesoebene ist die Institution der Schule mit ihren Ordnungsstrukturen, ihrer baulichen Gestaltung und ihrem spezifischen Zeitregime zu berücksichtigen, wobei es innerhalb der Schule bereits unterschiedliche Fachkulturen gibt, die mit je eigener Sprache und eigenem Regelsystemen arbeiten. Die Unterrichtsinhalte werden wiederum in einem komplizierten Prozess ermittelt, bei der die entsprechenden Fachwissenschaften, die Fachdidaktiken, aber auch die öffentliche Meinung und die Medien, die Eltern, die Fachverbände, die Schulbuchverlage, die Parteien, die Verwaltung und die Politik eine wichtige Rolle spielen und letztlich der Fachlehrer entscheidet, was er wie und wie lange zum Gegenstand von Unterricht macht.

Im Hinblick auf die Lehrerinnen und Lehrer und die Schülerinnen und Schüler spielen die sozialen und kulturellen Kontexte eine Rolle, aus denen sich die Beteiligten rekrutieren. Bei den Lehrerinnen und Lehrern spielt zudem die Fachkompetenz im Unterrichtsfach ebenso eine Rolle wie die Methodenkompetenz und die soziale, die kommunikative und die Medien-Kompetenz. Dies heißt, dass auch die Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern, also etwa der Wissenschaftsbereich der Hochschulen und damit die Hochschulpolitik, ebenfalls mit einbezogen

Page 14:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

14

werden müssen. Es ist sogar so, dass der Bedarf der Schule an Fachlehrern mit bestimmten Fächern den Grund dafür liefert, ob bestimmte Fachgebiete überhaupt an der Hochschule verankert sind und mit welchen Ressourcen sie ausgestattet werden. So war es in der Geschichte der Universität die Einführung eines „Philosophikums“ für das höhere Lehramt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das für eine beachtliche Präsenz der Philosophie an Universitäten gesorgt hat (und nicht ein gesellschaftlicher Bedarf an Orientierungswissen).

Gerade in den letzten Jahren werden zudem international agierende Organisationen mit ihren Interventionen, die unmittelbar Wirksamkeit auf den konkreten Unterricht entfalten, bedeutsam (z. B. die OECD). Hier ist etwa auf internationale Vergleichsuntersuchungen oder auch auf die länderübergreifenden Monitoring-Aktivitäten auf Bundesebene zu verweisen, die bei der Bestimmung dessen, was die Qualität der Schule und speziell des Unterrichts ausmacht, eine wesentliche Rolle spielen.

Zwischen den Disziplinen, die sich wissenschaftlich mit Unterricht befassen, gibt es Spannungen. So wird etwa beklagt, dass viele didaktische Modelle Unterricht ausschließlich aus der Perspektive des Lehrers sehen. Man klagt darüber, dass das Lernen im Unterricht zu stark in der Hand der pädagogischen Psychologie ist, der man ein zu enges Verständnis von Lernen vorwirft (vgl. die Beiträge in Meseth u. a. 2011) und insbesondere die Schriften von Andreas Gruschka. Daher gibt es in den letzten Jahren Bemühungen in der Pädagogik, den Lernbegriff als pädagogischen Begriff zurückzuerobern. Man klagt über eine empirisch vorgehende Unterrichtswissenschaft, die bestimmte wichtige Aspekte des Unterrichts erst gar nicht in den Blick nimmt. Auch innerhalb der Didaktik gibt es Vorwürfe, dass bestimmte Dimensionen des Unterrichts verabsolutiert und andere relevante Dimensionen vernachlässigt werden. Über all diese Kontroversen kann man sich in den zahlreichen Einführungsbüchern über Didaktik selbst dann gut informieren, wenn die Autoren selbst eine bestimmte Position einnehmen bzw. einen eigenen Didaktikentwurf vorlegen (vgl. Meseth u. a. 2011). In den folgenden Kapiteln werde ich auf einige dieser Kontroversen eingehen.

Auf ein weiteres Problem weist der Kölner Erziehungswissenschaftler Wilfried Plöger (1999) hin, wenn er etwa auf die Kluft zwischen der Allgemeinen Didaktik und den jeweiligen Fachdidaktiken hinweist.

Es wurde oben bereits darauf hingewiesen, dass bestimmte Strukturmerkmale der Schule sowie Funktionserwartungen an die Schule zwar die Schule als Ganzes in den Blick nehmen, sich jedoch im Wesentlichen auf den Unterricht beziehen. Dies gilt zunächst einmal für die gesellschaftlichen Funktionen, so wie sie Hellmut Fend seinerzeit identifiziert hat: Qualifikation für das Subsystem Wirtschaft, Legitimation für das Subsystem Politik, Allokation und Selektion im Hinblick auf die Gemeinschaft und Enkulturation hinsichtlich des Subsystems Kultur. Es ist dabei im Wesentlichen der Unterricht, in dem Wissen angeboten und in dem Haltungen und Verhaltensweisen gelernt werden, der Unterricht ist der Ort der Habitusentwicklung, der wesentlich für die spätere Einordnung in das soziale System verantwortlich ist. Die Bewertungen der Lernleistungen entscheiden über Selektion und Allokation und nicht zuletzt sind die Unterrichtsinhalte keineswegs politisch harmlos, sondern sie werden durch strenge staatliche Genehmigungs- und Prüfinstanzen festgelegt. Dies gilt insbesondere bei der staatlichen Festlegung von Aufgaben bei den Abschlussprüfungen (mittlerer Schulabschluss, Zentralabitur).

Page 15:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

15

Daneben gibt es einige Kataloge von Strukturmerkmalen von Schule, die bei aller Verschiedenheit der einzelnen Schulen eine generelle Gültigkeit für die Schule an sich beanspruchen. So tauchen immer wieder die folgenden Aspekte auf, die sich leicht auf den Unterricht beziehen lassen:

– Distanz des Unterrichtsgeschehens zur Praxis,

– symbolische Vermitteltheit des Gegenstandes, Simulation von Realität,

– professionelle Anleitung,

– formale Organisation und öffentlich-rechtlicher Rahmen,

– dualer Zeithorizont (in der Gegenwart für die Zukunft lernen),

– Primat des Kognitiven (Baumert),

– kumulativer Aufbau des Stoffes,

– individuelle Leistung und Leistungsbewertung, Leistungsvergleich innerhalb der Klasse.

Auch die von Klaus Holzkamp (1993, 42 ff.) beschriebene „Einkreisung des Subjekts durch die Schuldisziplin“ im Anschluss an Michel Foucault gilt im Wesentlichen für den Unterricht: gesetzliche Schulpflicht, Ordnungsmaßnahmen, permanente Aufsicht, Zeitdisziplin, Zwang zu räumlicher und mentaler Anwesenheit, Homogenisierung und Isolierung, vergleichsorientierte Bewertung des einzelnen Schülers.

All dies macht deutlich, dass es im Schulunterricht als staatlicher Zwangsmaßnahme keineswegs um eine zweckfreie Bildung der Persönlichkeit in Freiheit geht (so wie man etwa die Bildungstheorie von Wilhelm von Humboldt verstehen könnte), sondern dass die durchaus real stattfindenden Entwicklungen der Persönlichkeit einhergehen mit rigiden Zwangsmaßnahmen, die man gerade nicht emanzipatorisch verstehen kann. Der bereits von Kant formulierte Grundwiderspruch der Pädagogik („Die Entwicklung von Freiheit bei dem Zwange.“), der von Dietrich Benner (1987) in seiner These von der Pädagogik als (sich selbst aufhebendem) Gewaltverhältnis aufgegriffen und präzisiert wurde, zeigt sich insbesondere in der Schule und dort insbesondere im Unterricht.

Page 16:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

16

4. Wissenschaftliche Zugriffe auf den Unterricht

Auf den ersten Blick scheint es selbstverständlich zu sein, dass Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht lehren und Schülerinnen und Schüler im Unterricht lernen. Von daher scheint es plausibel zu sein, dass Lernen und Lehren gleichermaßen im Fokus eines wissenschaftlichen Zugriffs auf den Unterricht sind. Es gibt allerdings einige Tatbestände, die dieses einfache Bild vom Unterricht stören. Ich beginne mit dem Begriff des Lernens.

Wie oben angedeutet, kann man die Entwicklung des Homo Sapiens nicht erklären, wenn man nicht unterstellt, dass er die Fähigkeit zum Lernen hat, dass er das Bedürfnis zum Lernen empfindet, etwa weil er lernen muss, um überleben zu können, und dass er in der Tat auch permanent lernt. Ist dies einsichtig, dann bedeutet dies, dass das Lernen als menschliche Aktivität schon lange vor der Zeit begonnen hat, als man überhaupt an Schule oder Unterricht gedacht hat.

Im Hinblick auf Schule und Unterricht geht es nämlich um eine sehr spezifische Form des Lernens, bei der zu überprüfen ist, inwieweit allgemeine Bedingungen, Kriterien und Gesetzmäßigkeiten des Lernens unter den spezifischen Umständen eines schulischen Unterrichts überhaupt gelten. Wenn man zudem eine enge Verbindung zwischen Lernen, Unterricht und Schülerinnen und Schülern herstellt, so muss man sehen, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht ausschließlich oder sogar überhaupt mit Lernen beschäftigt sind, zumindest nicht mit einem solchen Lernen, das der Lehrer oder die Lehrerin mit seinem Lehrangebot beabsichtigt. Spätestens seit den berühmten Studien des Ehepaars Tausch in den späten 1960er und 1970er Jahren, die sehr genau und im Detail untersucht haben, was jeder einzelne Schüler und jede einzelne Schülerin in einer Unterrichtsstunde tun, weiß man, dass die lernende Tätigkeit, die sich auf den Unterrichtsinhalte bezieht, nur einen kleinen Anteil an der Schülertätigkeit im Unterricht ausmacht. Man kann sogar sagen, dass Unterricht auch dann stattfindet, ohne dass es ein Lernen bei den Schülerinnen und Schülern gibt. Dies bedeutet allerdings, dass Unterricht nicht oder nicht ausschließlich mithilfe des Lernbegriffs definiert werden kann.

Man muss zudem sehen, dass die in den letzten Jahren gebräuchlich gewordene Unterscheidung von formalem, nonformalem und informellem Lernen auch auf den Unterricht anwendbar ist. Frühe Unterrichtstheorien, die vom Lernen von Schülerinnen und Schülern ausgegangen sind, hatten nur das formale Lernen, also die Vermittlung von lehrplangestützten Inhalten, zum Gegenstand. Über diese Lernprozesse hinaus geschieht jedoch sehr viel mehr im Unterricht, was in keinem Lehrplan erfasst wird: Es geht um soziale und psychologische Prozesse, es gibt zwischenmenschliche Beziehungen, es geht um Hierarchien, um Anerkennung oder um Demütigung. Es werden im Unterricht zwischenmenschliche Verbindungen geknüpft oder zerstört, man übt Solidarität oder eben auch nicht. All dies kommt bei einer Konzentration auf bloß formales Lernen nicht in den Blick.

Ein weiteres ist zu berücksichtigen. Eine Sichtweise auf Unterricht, die das Lernen und damit den Schüler oder die Schülerin in den Blick nimmt, ist neueren Datums. Über die längste Zeit hinweg hat man sich nämlich zunächst einmal auf die Unterrichtsinhalte konzentriert und sich bemüht, das relevante Wissen der jeweiligen Zeit in einem Lehrplan festzuhalten (Dolch 1971). Damit eng verbunden ist eine Sichtweise auf Unterricht, die den Lehrer und seine lehrende Tätigkeit in den Blick nimmt. Erst mit der Reformpädagogik um die Jahrhundertwende 1900 nahm man verstärkt Heranwachsende in den Blick und entwarf Konzepte, die das pädagogische Geschehen „vom Kinde aus“ konzipierten. Diese Sichtweise wird seither immer wieder in unterschiedlicher Weise praktiziert,

Page 17:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

17

wenn man etwa von Prinzipien wie Schülerorientierung, Lebensweltorientierung, Interessenbezogenheit bis hin zur Kompetenzorientierung spricht.

Diese Einsichten werden natürlich schon längst der Schulpädagogik und speziell in der Didaktik diskutiert. So kritisiert der Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart (2009) – hierbei durchaus im Einklang mit Andreas Gruschka (2011) – nicht bloß eine positivistisch-quantitativ vorgehen lernpsychologische Unterrichtsforschung, er relativiert sogar - für einen Didaktiker überraschend - die Rolle des schulisch verfassten Lehrens und Lernens:

„Denn die gegenwärtig viel diskutierten alternativen Lehr- und Lernformen sowie die neuen Lernkulturen…

– entwickeln sich größtenteils außerhalb etablierter Lehr-Lern-Institutionen und sind zum Teil völlig ent-institutionalisiert,

– basieren nicht auf institutionell erzwungener Anwesenheit, sondern auf der aktiven Wahl des Lernenden,

– setzen keinen vordefinierten Lehrplan um, sondern bestehen aus von den Lernenden individuell zusammengestellten Lern-Einheiten,

– betreiben nicht wie die Schule ein „Lernen auf Vorrat“, sondern stattdessen ein Lernen innerhalb der unmittelbaren Gebrauchssituation,

– beziehen in vielfältiger Weise die Möglichkeiten der modernen Kommunikations- und Informationstechnologien ein, und sie

– implizieren nicht selten die zeitweilige Vertauschbarkeit zwischen der Position des Lehrenden und des Lernenden.“ (29)

Gruschka (2011, 18 f.) verschärft die kritische Haltung gegenüber einer zu eng verstandenen Pädagogischen Psychologie noch:

„Die eingesetzte Mischung aus Betriebswirtschaftslehre und Pädagogischer Psychologie (bei der aktuellen „Reform“ des Schulsystems; M. F.) Zeigt heute bereits eine Fülle von pädagogischen Kollateralschäden, sie kommt nicht ans messbare Ziel, und vor allem vermag sie nicht die spezifischen Probleme des „Systems“ zu begreifen und entsprechend praktisch zu bearbeiten: Sie verfehlt die pädagogische Substanz der Aufgaben von Schule, insbesondere ihre Erziehungsaufgaben und Bildungsfunktionen. Das, was die Reformen von Schulen und Lehrern verlangen, erlaubt Schulen und Lehrern gerade nicht, ihre Aufgaben besser zu erfüllen.“

An dem oben vorgestellten Bild ist auch nicht richtig, dass das Lehren und das Lernen ausschließlich auf die Lehrerinnen und Lehrer auf der einen Seite und die Schülerinnen und Schüler auf der anderen Seite bezogen werden. Denn natürlich ist es auch so, dass Lehrerinnen und Lehrer in jeder Unterrichtsstunde selbst vielfältige Lernerfahrungen machen. Das kann sich auf den vermittelten Unterrichtsstoff beziehen, denn jeder weiß, dass das Lehren eines Inhaltes zu einem vertieften Verständnis dieses Inhaltes führt. Das Lernen kann sich allerdings auch auf das Sozialverhalten des Lehrenden, auf die Methodenkompetenz, auf Interaktionen und Kommunikationen beziehen. Und natürlich lernt die Lehrerin oder der Lehrer während des Unterrichts nicht nur sehr viel über die Schülerinnen und Schüler, sondern auch über sich selbst.

Page 18:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

18

Auf der anderen Seite sind auch die Schülerinnen und Schüler nicht bloß Lernende, sondern ein kluger Unterricht bezieht Schülerinnen und Schüler immer wieder auch als Lehrende mit ein. Unter dem Lehren soll dabei nicht bloß eine absichtsvolle und inszenierte Unterweisung verstanden werden, sondern in einem erweiterten Verständnis kann auch das Zeigen, das Vormachen, also das Anwenden eines mimetischen Prinzips, als Lehrtätigkeit verstanden werden. In der Tat dürfte das Zeigen und das Vormachen zu den frühesten pädagogischen Strategien in der Entwicklung der Menschheit gehören.

Die Relevanz dieser pädagogischen Praktiken besteht bis heute und spielt in der Unterrichtstätigkeit eine wichtige Rolle. Man denke etwa an Experimente und Demonstrationen in einem erfahrungsbasierten Unterricht, man denke an das Vorrechnen an der Tafel, man denke insgesamt an die Nutzung der Tafel in jedem Schulfach. Auch der immer wieder formulierte Gedanke, dass der Lehrer oder die Lehrerin ein Rollenmodell für die Schülerinnen und Schüler präsentieren, an dem diese sich – in positiver oder negativer Weise – abarbeiten, kann zu dem weiten Feld des Lehrens gezählt werden.

Diejenige Disziplin, die sich in besonderer Weise um das Lernen bislang gekümmert hat, ist die Pädagogische Psychologie. Terhart (2009) sieht die folgenden Unterschiede zwischen der Allgemeinen Didaktik und der empirischen Unterrichtsforschung: In der empirische Lehr-Lern-Forschung sieht er eine Dominanz des Kognitiven (157), er sieht als zentrales Ziel die Forschung als primären Zweck, wohingegen er in der Allgemeinen Didaktik ein Element des Ausbildungsprozesses von angehenden Lehrern sieht, die sich primär mit der Theoretisierung und der operativen Gestaltung von Lehren und Lernen im Kontext von Ausbildung für den pädagogischen Beruf des Lehrers befasst (157 f.):

„Es muss ein Hintergrund, es müssen Begriffe, Denkwerkzeuge und Urteilskategorien zur Verfügung stehen, mit denen man die eigene didaktische Praxis, das eigene lehrende, unterrichtende Handeln und Entscheiden reflektieren kann, um in einen solchen Prozess der produktiven Verarbeitung von beruflicher Erfahrung eintreten können.“ (Terhart 2009, 10)

Didaktische Theorien und Modelle können nach unterschiedlichen Gesichtspunkten unterschieden werden. Wigger (in Benner/Oelkers 2010, 244 ff.) schlägt die folgende Ordnung vor:

– Im weitesten Sinne bezieht sich didaktische Forschung, Reflexion und Lehre auf alle Bereiche und alle Formen, in denen in irgendeiner Weise gelehrt und gelernt wird (Peterßen, Klafki, Kron)

– Didaktik als „Wissenschaft vom Unterricht“ (Heimann/Otto/Schulz)

– Didaktik als „Theorie der Bildungsinhalte“ (Weniger)

– Didaktik als „Theorie der Steuerung von Lernprozessen“ (von Cube)

– Didaktik als Anwendungsbereich psychologischer Lehr- und Lerntheorie („psychologische Didaktik“; Aebli, Roth).

Desweiteren unterscheidet er drei Ebenen: Didaktik als Zieltheorie, als Prozesstheorie (Analyse und Konstruktion des Lehrplans) und als Handlungstheorie (Analyse, Planung, Kontrolle und Reflexion des Unterrichts).

Page 19:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

19

Da es eine Reihe guter Überblicksdarstellungen über die verschiedenen Theorien und Modelle der Didaktik (z B. Kron 2000, Jank/Meyer 1991, Coriand 2015) und es in jedem Handbuch der Pädagogik oder der Erziehungswissenschaft einschlägige Artikel gibt, wird hier auf eine Kurzdarstellung verzichtet. Einzelne didaktische Modelle, die in unserem Zusammenhang von Interesse sind, werden später aufgegriffen.

Als Resümee seiner Darstellung der Entwicklung didaktischen Denkens stellt Lothar Wigger (a.a.O.) eine Konvergenz zwischen verschiedenen einflussreichen didaktischen Modellen vor. So wird man heute kaum bestreiten, dass die Unterscheidung der Berliner und späteren Hamburger Didaktik sinnvoll ist: die Bedingungsfelder der anthropologischen und soziokulturellen Voraussetzungen sowie die vier Entscheidungsfelder Intentionen, Inhalte, Methoden und Medien zu berücksichtigen. Eine Konvergenz wird auch dort festgestellt, wo sowohl Klafki als auch die Hamburger Weiterentwicklung des Berliner Modells durch die Rezeption der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule gemeinsam nunmehr Emanzipation und Mündigkeit als leitende Erkenntnis- und Handlungsinteressen akzeptieren (272).

Als nur selten rezipierte Didaktikentwürfe werden aufgezählt: die skeptische Didaktik (Ballauf), die kritisch-kommunikative Didaktik (Schäfer/Schaller), die marxistische Kritik bürgerlicher Didaktik (Huiskens), die Systemtheoretische Didaktik (König/Riedel), den Strukturgitteransatz (Lenzen/Menck), die kritisch-instrumentelle Didaktik (Bönsch), die kommunikative Didaktik (Popp, Winkel), die didaktische Grundlegung erziehenden Unterrichts (E.E. Geißler), die Bauformen des Unterrichts (Prange).

Page 20:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

20

B. ZU EINZELNEN DIMENSIONEN VON UNTERRICHT

5. Schülerinnen und Schüler

Möglicherweise wundert man sich heute nicht mehr darüber, dass man diejenigen, für die man die flächendeckende Infrastruktur von Schule eingerichtet hat und aufrecht erhält, Schülerinnen und Schüler nennt. Denn eigentlich handelt es sich um Kinder und Jugendliche, die in der Regel ab ihrem sechsten Lebensjahr für eine recht lange Zeit diese Institutionen besuchen. Offenbar sind sie dann zwar weiterhin Kinder und Jugendliche, sie erhalten aber die zusätzliche Funktion, Schülerinnen und Schüler zu sein. Es geht also offenbar ein Wandlungsprozess in dem Moment mit ihnen vor, in denen sie die Schule betreten.

Die Schule ist dabei nicht bloß ein normales Haus, sondern sie ist eine Institution. Eine Institution – und hierbei kann man auf anthropologische Erkenntnisse zurückgreifen – ist eine Einrichtung, bei der diejenigen, die sie nutzen, wissen, was sie zu erwarten hat (Fuchs 2012, 104 ff.; Merkens 2006). Eine Institution ist ein System von Regeln, dass eine bestimmte Verhalten Sicherheit garantiert. Dies bedeutet zum einen, dass das Regelsystem bekannt ist und anerkannt werden muss. Es bedeutet zum anderen, dass man eine gewisse Verhaltenssicherheit dadurch erhält, dass man diese Regeln einhält. Und es gibt ein drittes zu bedenken: Diese Verhaltenssicherheit entsteht nur dann, wenn das System von Regeln einigermaßen stabil ist. Der Anthropologe Arnold Gehlen (1956) hat vor diesem Hintergrund eine Theorie der Institutionen entwickelt, in der er dieser als notwendiges Unterstützungssystem für das „Mängelwesen Mensch“ erklärt: Man kann nämlich nicht in jedem Augenblick reflektierend und mit hoher Bewusstheit notwendige Entscheidungen über sein Handeln treffen, sondern man muss davon ausgehen, dass es einen gewissen Automatismus im Handeln gibt. Institutionen leisten dies, indem man sich ihr Regelsystem aneignet und danach handelt.

Genau dies ist es, was den Verwandlungsprozess von Kindern und Jugendlichen in Schülerinnen und Schüler (und auf der anderen Seite von Erwachsenen in Lehrerinnen und Lehrer) charakterisiert: Kinder und Jugendliche sind nicht freiwillig an diesem Ort Schule, sondern sie haben den gesellschaftlichen Auftrag, sich dort ein in bestimmter Weise kanonisiertes Wissen – und dies auch noch in einer bestimmten Organisationsform – anzueignen. Man geht zwar davon aus, dass dies für die Kinder und Jugendlichen wichtig ist, man muss allerdings auch davon ausgehen, dass es vor allen Dingen eine gesellschaftliche Notwendigkeit ist, die für die Einrichtung einer solchen Institution gesorgt hat. Es sind die gesellschaftlichen Funktionserwartungen an die Schule (Qualifikation, Legitimation, Allokation/Selektion, Enkulturation), die neben das Ziel der Entwicklung der Persönlichkeit treten und oft genug in ein gewisses Spannungsverhältnis dazu geraten.

Die Schule ist somit ein typisches Beispiel für die bereits von Kant formulierte Erkenntnis, dass es bei der Pädagogik zwar um die Entwicklung von Mündigkeit geht, aber dies bei „Freiheit bei dem Zwange“: Man zwingt die Kinder und Jugendlichen in eine Einrichtung, die sie mit notwendigen Kompetenzen ausstattet, ein Leben in Freiheit und Mündigkeit zu führen, aber man überlässt es nicht der Freiwilligkeit der Kinder und Jugendlichen bzw. ihrer Eltern, ob sie diese Einrichtung nutzen oder nicht.

Obwohl man inzwischen auch den Kindergarten als Bildungsort entdeckt hat, bei dem man – durchaus curricular gestützt – Lernaufgaben mit einer gewissen Verbindlichkeit vorschreibt, ist die

Page 21:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

21

Schule der erste entscheidende öffentliche Ort, bei dem Kinder und Jugendliche eine öffentliche Funktion übernehmen, nämlich Schülerinnen und Schüler zu sein: Es gibt eine ortsspezifische Disziplin, es gibt ein spezifisches Zeitregime, es gibt all die Strukturmerkmale, die oben im Hinblick auf Schule und Unterricht aufgezählt worden sind und die nunmehr das Verhalten der Schülerinnen und Schüler (und der Lehrerinnen und Lehrer) regeln.

Dies kann durchaus als Einübung in die Regeln der Gesellschaft verstanden werden, was in bestimmten Bildern von Schule auch zum Ausdruck gebracht wird. So spricht etwa der amerikanische Philosoph und Erziehungswissenschaftler John Dewey von der Schule als einer „embrionic society“. Hartmut von Hentig versteht die Schuhe als eine Polis, in der demokratische Grundkompetenzen eingeübt und praktiziert werden.

Neben diesen positiven Bewertungen des Regelsystems Schule als Einübung in demokratisches Handeln spielen in Darstellungen zur Geschichte der Schule auch ganz andere Ansichten eine entscheidende Rolle, nämlich das Ziel der Disziplinierung, ein Vorgehen gegen eine angebliche Sinnlosigkeit und Verwahrlosung der Jugend, gegen die durchaus mit Brutalität im Rahmen einer „schwarzen Pädagogik“ vorgegangen werden muss (Petrat 1987, Lenhardt 1984).

Mit Lehrerinnen und Lehrern werden Kinder und Jugendliche zum ersten Mal mit pädagogischen Profis konfrontiert, bei der trotz aller Rede von einem „pädagogischen Bezug“ (Nohl) weniger eine emotionale, sondern vielmehr eine sachliche Beziehung die Regel ist. Kinder und Jugendliche werden in der Schule mit Leistungserwartungen konfrontiert, die sich auf alle Dimensionen der Persönlichkeit erstrecken: Natürlich gibt es bestimmte Leistungserwartungen im Hinblick auf kognitives Lernen, es gibt aber auch Erwartungen im Hinblick auf die Artikulation von Emotionalität und auf eine bestimmte Qualität des sozialen und kommunikativen Verhaltens.

All dies kann man mit einem weiten Begriff von Lernen beschreiben (Fuchs 2012, 145ff.). Lernen ist dabei nicht nur eine kumulative Anhäufung von Wissen, sondern auch die durchaus widerspruchsvolle Aneignung von Persönlichkeitsdispositionen. Lernen bedeutet ein aktives Handeln, das entsprechend von Schülerinnen und Schülern erwartet wird. Lernen lässt sich nicht delegieren, weswegen es mit der Verantwortlichkeit für das eigene Leben zu tun hat. Lernen bedeutet dabei nicht nur kontinuierliche Anhäufung und Fortschritt, sondern Lernen bedeutet auch, zu erkennen, dass bestimmte Wissensbestände oder Dispositionen falsch oder unvollständig waren. Lernen bedeutet Umlernen, bedeutet eine Konfrontation mit der eigenen Unwissenheit und Inkompetenz: Eine Motivation für das Lernen ergibt sich daraus, dass man erkennt, dass man für die Bewältigung bestimmter Aufgaben nicht hinreichend gerüstet ist.

Das Problem in der Schule besteht darin, dass viele der Aufgaben, für die Kompetenzen zu erwerben sind, sich erst außerhalb der Schule und möglicherweise auch erst in der Zukunft stellen. Dies ist der erwähnte „duale Zeithorizont“ von Schule, der durchaus Motivationsprobleme mit sich bringen kann. Auch das oft zitierte Prinzip der Lebensweltorientierung kann nicht umstandslos auf die Schule angewandt werden: Die Schule macht nur dann Sinn, wenn Kinder und Jugendliche mit Erfahrungen konfrontiert werden, die sie in ihrer alltäglichen Lebenswelt eben nicht machen können, denn sonst wäre Schule bloß eine Verdoppelung dessen, was die Kinder und Jugendlichen ohnehin schon kennen. Schule bedeutet also Konfrontation mit Unbekanntem, was wiederum die Bereitschaft voraussetzt, sich auf Unbekanntes einzulassen. Der Mensch lässt sich aber nur dann auf Unbekanntes ein, wenn er von einer Position der Sicherheit aus agieren kann. Daher macht es Sinn, die Schule auch als Ort der Sicherheit und des Schutzes zu definieren.

Page 22:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

22

Daraus ergeben sich allerdings erhebliche Ansprüche an das soziale Zusammenleben in der Schule und auf das Verhalten der Menschen untereinander, da die Schule als sozialer Ort natürlich auch ein Ort ist, an den Demütigungen bzw. Anerkennung stattfinden kann. Der Begriff der Schulkultur erfasst unter anderem auch die Qualität dieses Zusammenlebens, so dass diese an der Messlatte der Anerkennung/Demütigung gemessen und bewertet werden kann.

Wie oben beschrieben, verbringen Menschen bis zu 15.000 Stunden in der Schule. Es ist die Zeit zwischen dem sechsten und dem 16. bzw. dem 18. Lebensjahr, was bedeutet, dass die Kinder und Jugendlichen eine erhebliche Entwicklung in dieser Zeit erleben. Es ist die Zeit der Pubertät, es ist die Zeit des Erwachsenwerdens, es ist eine Zeit, in der sich erhebliche Entwicklungsaufgaben für die Heranwachsenden stellen. Zu diesen Entwicklungsaufgaben gehört etwa die Bewältigung von Krankheit und Tod in der Familie, es gehört eventuell dazu, die Trennung von Eltern, Arbeitslosigkeit und andere Schicksalsschläge zu überstehen.

All dies sind nicht bloß große Belastungen für den einzelnen Heranwachsenden, es sind auch Herausforderungen für die Institution der Schule und insbesondere für die Lehrerinnen und Lehrer, die nicht immer in ihrer fachlichen Ausbildung auf die Bewältigung dieser Aufgaben vorbereitet werden. Man spricht zwar davon, dass im Bereich der formalen Bildung nur etwa 20 % der Lebenskompetenzen erworben werden. Allerdings handelt es sich um solche Kompetenzen, für die andere Erziehungs- und Sozialisationsinstanzen nicht zuständig sein können.

Eine besondere Berücksichtigung der Kinder und Jugendlichen findet man in reformpädagogischen Ansätzen. Dies mag verwundern, doch muss man sich zum einen in Erinnerung rufen, dass es sowohl eine besondere Phase der Kindheit (Ariès 1978) und der Jugend (Fend 1988) als eigenständige Phasen in der Entwicklung des Menschen nicht schon immer gegeben hat. Über lange Zeit hinweg hat man in den Kindern und erst recht in den Jugendlichen bloß unvollständige Erwachsene gesehen. Dass sich diese Zeit noch lange nicht überlebt hat, kann man daran erkennen, dass es in durchaus zivilisierten Staaten immer noch kein eigenes Strafrecht für Kinder gibt, sondern dieser gemäß dem Erwachsenenstrafrecht behandelt werden. So haben z. B. die Vereinigten Staaten die Kinderrechtskonvention (wie die meisten anderen Menschenrechtskonventionen) nicht verabschiedet.

Mit großer öffentlicher Resonanz publizierte die schwedische Reformpädagogin und Schriftstellerin Ellen Key im Jahre 1902 die Schrift „Das Jahrhundert des Kindes“, was sofort in vielen Ländern eine große Resonanz fand. Es wurde vor diesem Hintergrund eine Vielzahl reformpädagogische Ansätze entwickelt, die die Pädagogik „vom Kinde aus“ betrachteten (hierzu kritisch Oelkers 2005). Vor diesem Hintergrund wurde die auch wissenschaftliche Untersuchung der Gesetzmäßigkeiten der individuellen Entwicklung des Menschen und speziell der Kinder relevant (Fend 2005).

Vorstellungen über gesetzmäßige Entwicklungsverläufe des Heranwachsens sowie Annahmen über gelingendes Lernen spielten allerdings auch schon früher eine Rolle. Diese waren der Grund für die Einrichtung von Jahrgangsklassen, also von altershomogenen Gruppen, wobei der jeweiligen Klassenstufe ein nach Jahrgängen geordneter Stoff zugeteilt wurde. Ebenso spielten Vorstellungen über eine dem Einzelnen zugeschriebene und nicht weiter veränderbare Intelligenz dort eine Rolle, wo man den derart identifizierten Begabungstypen entsprechende Schulformen zugeordnet hat. In diesem Kontext spielt das über viele Jahre diskutierte und immer wieder aufflammende Thema des Verhältnisses von Anlage und Umwelt eine wichtige Rolle.

Page 23:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

23

Dass bei all diesen Erwägungen die schon von Francis Bacon formulierte Erkenntnis „Wissen ist Macht“ und die sich verschärfenden Klassengegensätze im 19. Jahrhundert ebenfalls eine Rolle bei der Zuordnung zu einer bestimmten Schule, der Zuteilung eines schulspezifischen Wissens und der damit verbundenen Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer spielten, liegt auf der Hand, wird aber bis heute in bildungspolitischen Debatten gerne vernachlässigt.

Page 24:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

24

6. Lehrerinnen und Lehrer

Während es eine Fülle an Literatur über das Lernen gibt, von klassischen Lehrbüchern der Pädagogischen Psychologie (z. B. Rost 2006, Krapp/Weidenmann 2001) bis hin zur pädagogischen Rückeroberung des Lernbegriffs (Göhlich/Wulf/Zirfas 2007, Göhlich/Zirfas 2007), gibt es zumindest dem Umfang nach keine entsprechende spezifische Auseinandersetzung mit dem Lehren (Gruschka 2014, Aebli 1985). Allerdings gibt es – wie oben erwähnt – eine Reihe didaktischer Modelle, die Unterricht aus der Perspektive des Lehrers betrachten („Didaktik als Berufswissenschaft des Lehrers“) und es gibt eine beachtliche Literatur über die Aus- und Fortbildung von Lehrern (Blömeke u. a. 2004), was auch deshalb einsichtig ist, weil es sich um eine große Berufsgruppe handelt und ein großer Bereich der Universitäten, z. T. sogar ganze Universitäten und Hochschulen, ausschließlich mit Lehrerbildung beschäftigt sind.

Interessanterweise kann man in den erwähnten „Handbuch Lehrerbildung“ (Blömeke 2004) zahlreiche Ausführungen über Orte, Ausbildungsgänge oder die Struktur von Fachdidaktiken lesen: Das Sachwort „Lehren“ findet sich im Sachwortverzeichnis – anders als eine größere Zahl von Begriffen, die mit Lernen zu tun haben – überraschenderweise nicht. Das Lehren wird abgehandelt unter Lehrerhandeln bzw. unter „Anregung und Unterstützung von Lernprozessen“ und letzteres gleichberechtigt mit den Themen „Mitwirkung an der Schulentwicklung“ oder „Beratung“, sodass man möglicherweise von einer Vernachlässigung derjenigen Tätigkeit sprechen kann, die dieser Berufsgruppe den Namen gibt.

An der Entwicklung des Lehrerberufs kann man das jeweilige Verständnis von Bildung, das jeweils unterstellte Menschenbild, die jeweils angenommene Verteilung von Begabung auf Geschlechter, Schichten und Klassen in der Bevölkerung und die daran damit verbundene Schulstruktur erkennen. So gilt die Rede von einer „Didaktik als Berufswissenschaft des Lehrers“ über lange Zeit bloß für Lehrer und später auch und primär für Lehrerinnen im Elementarschulwesen, während Gymnasiallehrer ihre Identifikation in ihrem an der Universität studierten Unterrichtsfach, in den ersten Jahrzehnten prioritär den alten Sprachen, fanden. Und selbst in diesem Feld gab es kräftige Auseinandersetzungen über die Hierarchie und Relevanz der unterschiedlichen Fächer, wie man etwa an der Auseinandersetzung zwischen dem klassischen humanistischen Gymnasium und den neu entstehenden Real-Gymnasien bzw. Oberrealschulen am Ende des 19. Jahrhunderts erkennen kann.

Ein Problem bei der Entwicklung des Bildungssystems in Deutschland und speziell bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern war von Anfang an die Zersplitterung Deutschlands in zahlreiche Kleinstaaten und ist bis heute die föderale Struktur. Vor diesem Hintergrund ist die „Vereinbarung zu den Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften“ der Kultusministerkonferenz vom 16.12. 2004 relevant, da hiermit eine Einheitlichkeit in der Lehrerbildung hergestellt werden sollte. Grundlage war eine gemeinsame Erklärung des Präsidenten der Kultusministerkonferenz und der Vorsitzenden der Lehrerverbände aus dem Oktober 2000, in der es heißt:

„1. Lehrerinnen und Lehrer sind Fachleute für das Lehren und Lernen.

2. Lehrerinnen und Lehrer sind sich bewusst, dass die Erziehungsaufgabe in der Schule eng mit dem Unterrichten im Schüler verknüpft ist.

Page 25:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

25

3. Lehrerinnen und Lehrer üben ihre Beurteilungs- und Beratungsaufgabe im Unterricht und bei der Vergabe von Berechtigungen für Ausbildungs- und Berufswege kompetent, gerecht und verantwortungsbewusst aus.

4. Lehrerinnen und Lehrer entwickeln ihre Kompetenzen ständig weiter und nutzen wie in anderen Berufen auch Fort- und Weiterbildungsangebote, um die neuen Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihrer beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen.

5. Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Schulentwicklung.“

Ich nenne zumindest die Überschrift der darauf aufbauenden Schwerpunkte der Ausbildung:

– Bildung und Erziehung: Begründung und Reflexion von Bildung und Erziehung in institutionellen Prozessen,

– Beruf und Rolle des Lehrers,

– Didaktik und Methodik,

– Lernen, Entwicklung und Sozialisation,

– Leistungs- und Lernmotivation,

– Differenzierung, Integration und Förderung,

– Diagnostik, Beurteilung und Beratung,

– Kommunikation,

– Medienbildung,

– Schulentwicklung,

– Bildungsforschung.

Interessanterweise tauchen Kompetenzfelder in dieser Auflistung nicht auf, die für alle Berufe, die es mit Menschen zu tun haben, speziell auch für pädagogische Berufe, eine wichtige Rolle spielen. Die Arbeit mit Menschen kostet nicht bloß erhebliche Energien, sie fordert nicht bloß die Einhaltung eines spezifischen humanistischen Ethos und die Übernahme einer erheblichen Verantwortung, sie hat auch sehr viel mit der Person der pädagogischen Fachkraft zu tun. In der Fachliteratur wird das Rollenmodell eines „reflektierten Praktikers“ vorgeschlagen. Zu dieser Reflexivität gehört entschieden „die Sorge um sich selbst“ (im Anschluss an Foucault).

Man muss sehen, dass man die Tätigkeit einer Lehrerin oder eines Lehrers über Jahrzehnte ausübt. Angenommen, man ist mit Beginn der Berufstätigkeit Ende 20 und hört – wie vorgesehen – Mitte 60 auf, dann hätte man fast 40 Berufsjahre hinter sich gebracht. Im Abschnitt über Schülerinnen und Schüler habe ich das Konzept der Entwicklungsaufgaben erwähnt: Heranwachsende haben in der Zeit zwischen dem sechsten und 18. Lebensjahr eine erhebliche Entwicklung zu bewältigen. Diese muss

Page 26:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

26

die Schule und müssen somit die Lehrerinnen und Lehrer mit den Schülerinnen und Schülern zusammen bewältigen.

Aber auch Lehrerinnen und Lehrer machen in den Jahrzehnten ihrer Berufstätigkeit erhebliche Entwicklungen durch und müssen Entwicklungsaufgaben bewältigen. Man überlege sich einmal, dass man mit seiner Berufstätigkeit als junger Erwachsener beginnt und als älterer Mensch endet. In dieser Zeit finden nicht bloß entscheidende Persönlichkeitsentwicklungen und Bildungsprozesse der Lehrperson selbst statt, es gibt berufliche Entwicklungen, etwa die Nutzung von Aufstiegschancen verbunden mit zahlreichen Revisionen und Rückmeldungen, die nicht immer so ausfallen, wie man sich das wünscht.

Dies hat entscheidende Auswirkungen auf das Selbstbild der Lehrperson. Man befindet sich in (sich verändernden) Kollegien, in denen man sich wohl fühlt oder nicht. Man hat es mit einer Schulleitung zu tun, mit der man mehr oder weniger gut zurechtkommt. In den Jahrzehnten der Lehrtätigkeit gibt es gravierende Veränderungen in der Jugendkultur, so dass sich die Kinder und Jugendlichen, mit denen man es am Anfang der Berufstätigkeit zu tun hatte, erheblich in ihrem Verhalten, in ihren Wünschen, in ihren Interessen und in ihren Perspektiven für das spätere Leben erheblich verändern.

All dies muss die Lehrkraft begleiten, muss die stattfindenden gesellschaftlichen und individuellen Veränderungen verstehen und darauf angemessen reagieren.

Auch in der Biografie der Lehrperson geschieht in dieser Zeit entscheidendes: Möglicherweise die Gründung einer Familie, Elternschaft, Schicksalsschläge und Widerfahrnisse, Krankheiten und Tod der eigenen Eltern, scheiternde Beziehungen sowie das Eingehen neuer Beziehungen etc.. Man muss sehen, dass Supervision als methodische Reflexion der beruflichen Tätigkeit und seiner eigenen Rolle in dieser Tätigkeit in anderen pädagogischen Berufen wie etwa in der Sozialpädagogik sehr viel verbreiteter ist als im Lehrerberuf und dort auch zum professionellen Standard gehört, während man die Nutzung einer solchen Beratung in Lehrerkreisen immer noch nicht als notwendigen Bestandteil der eigenen Tätigkeit betrachtet, zumindest nicht gerne im Kollegenkreis darüber spricht.

Page 27:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

27

7. Der Unterrichtsgegenstand

Geht man von dem berühmten didaktischen Dreieck aus, dann wird man sich nach der Thematisierung der Lehrerinnen und Lehrer und der Schülerinnen und Schüler nunmehr mit dem Unterrichtsinhalt befassen müssen. Es wurde bereits mehrfach erwähnt, dass es in der Geschichte des didaktischen und schulpädagogischen Denkens immer wieder Phasen gegeben hat, in denen eine der drei Dimensionen im Mittelpunkt stand und als die wichtigste angesehen wurde. So konnte man in früheren Zeiten durchaus eine Geschichte der Pädagogik als eine Geschichte der jeweils zu vermittelnden Inhalte beschreiben (Dolch 1971). Man hielt zudem das Stoffproblem insofern als lösbar, als man bis in die jüngere Vergangenheit glaubte, das gesamte Wissen der Menschheit in Enzyklopädien systematisch sammeln und darstellen zu können. Man hielt das Wissen für endlich, so dass man dem jungen d'Alembert, der später mit Denis Diderot zusammen das Riesenprojekt der französischen Enzyklopädie organisiert hat, dringend davon abgeraten hat, sich mit Mathematik zu befassen: dort gäbe es nach Newton, Kepler und Leibniz, nach Pascal und Descartes eigentlich nichts mehr zu entdecken. Bekanntlich hat sich der junge Mann trotz dieser Warnung nicht abhalten lassen und trug wesentlich dazu bei, dass es in der Mathematik ebenso wie in allen anderen Wissenschaften spätestens seit der Jahrhundertwende 1800 geradezu zu einer Wissensexplosion gekommen ist. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Wissen eben nicht endlich ist, sondern dass man es mit einem ständigen Wachstumsprozess zu tun hat.

Damit stellt sich für die Schule die Aufgabe, angesichts der Stofffülle eine Auswahl treffen zu müssen. Die Entwicklung der Schule und des Unterrichts kann daher auch aus der Perspektive betrachtet werden, welche Inhalte in welchem Umfang in welcher Schulform an welche Gruppe von Kindern und Jugendlichen – und dann auch durch was für Lehrerinnen und Lehrer – vermittelt werden sollen.

Die Sozialdemokratie nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Formulierung des englischen Philosophen Francis Bacon auf: „Wissen ist Macht!“ Denn es stellte sich gerade im 19. Jahrhundert verstärkt insofern die Machtfrage, als nach der Etablierung des Bürgertums als politischer Kraft nunmehr das Proletariat auf die politische Bühne trat und seinen Anteil an der Gestaltung der Gesellschaft einforderte. Bildung wurde von Anfang an als Schlüssel einer solchen Machtergreifung und -ausübung gesehen.

In der Tat ist die Geschichte des Bildungswesens auch eine Geschichte der Verteilung – und des Versuchs des Vorenthaltens – von Wissen (Alt 1978). Denn zum einen gab es das Wissen, das gerade die sich entwickelnde moderne Marktwirtschaft von den Arbeitern einforderte, zum anderen durfte die politische Ordnung nicht infrage gestellt werden.

Neben der Frage des Wissens rückten dessen Adressaten mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Es war dabei durchaus eine notwendige revolutionäre Entwicklung, dass man gegen Ende des 19. Jahrhunderts diese verstärkt in den Blick nahm. Comenius und später die Philanthropen gingen davon aus, dass die wissenschaftliche Erforschung der Natur, so wie sie sie verstanden, auch das richtige Modell für die Vermittlung von Wissen sei (Fuchs 1984b). Man kann durchaus von einer frühen und für selbstverständlich gehaltenen Wissenschaftsorientierung der Pädagogik sprechen.

Mit der reformpädagogischen Wende zum Kind konzentrierte man sich auf die tatsächlichen oder auch nur vermuteten psychologischen Prozesse bei den Lernenden. Damit ergab sich ein

Page 28:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

28

Spannungsverhältnis, das bis heute nicht gelöst ist: Welche Rolle spielt die Logik der Wissenschaften? Sollen es überhaupt die Wissenschaften sein, an denen sich die Pädagogik orientiert? Wie geht man mit den unterschiedlichen und auch kontroversen Auffassungen innerhalb der verschiedenen Wissenschaften um? Welche Rolle spielen die Strukturen des Lernens, so wie man sie jeweils erkannt zu haben glaubte? Wie trifft man eine Auswahl aus der wachsenden Fülle des Wissens und wer trifft dieser Auswahl? Wie entscheidet man sich bei der Frage nach dem Verhältnis von Bildung und Herrschaft (Heydorn)?

Dass der Unterrichtsinhalt in früheren Zeiten eine größere Rolle in der schulpädagogischen Debatte spielte als heute, lässt sich kaum bezweifeln (Dolch 1971). Dies hat sich jedoch gravierend geändert. Peter Menck (1986) gehört zu denen, die schon früh die Vernachlässigung des Unterrichtsinhaltes als Thema der Schulpädagogik beklagt haben. Vor dem Hintergrund seiner These, dass es im Unterricht und speziell bei dem Unterrichtsinhalt um den „Versuch über die Konstruktion der Wirklichkeit im Unterricht“ (so der Untertitel des genannten Buches) geht, wird man diese Vernachlässigung kritisieren müssen.

Dabei ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches von Peter Menck durchaus interessant. Denn immerhin gab es im Jahrzehnt vorher eine intensive Debatte über die Reform des Curriculums, bei der die Frage nach der „Findung, Auswahl und Begründung von Lernzielen und Inhalten Einführung Zeichen oben (Frey 1975, Bd. 3, Kapitel VI) im Mittelpunkt stand. Vorangegangen waren kontroverse Debatten über die Eignung unterschiedlicher didaktischer Modelle, wobei diese unterschiedlichen Modelle durchaus als kritische Auseinandersetzung mit der inhaltsbezogenen bildungstheoretischen Didaktik im Anschluss an den Göttinger Erziehungswissenschaftler Herman Nohl, einem Schüler von Wilhelm Dilthey, dem Begründer der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik, verstanden werden kann. Auch heute kann man nicht davon sprechen, dass im öffentlichen (nicht im wissenschaftlichen!) Diskurs die Bildungsinhalte keine Rolle spielten. Es ist nur etwa an den Bestseller des Hamburger Anglisten Dietrich Schwanitz „Bildung. Alles, was man wissen muss.“ (1999) und sein naturwissenschaftliches Gegenstück von Ernst P. Fischer „Die andere Bildung: Was man von den Naturwissenschaften wissen muss“ (2003) zu erinnern.

Auch der Alt-Philologe Manfred Fuhrmann hat sich publikumswirksam mit seinen Schriften zum „Europäischen Bildungskanon“ (1999) in diese Debatte eingemischt, und dies durchaus in politischer Absicht, nämlich als Plädoyer zur Verteidigung von „Europas kulturelle Identität“ (so der Untertitel in Fuhrmann 2002).

Wie bereits für das 19. Jahrhundert und seinem Kampf um Bildung auch für Arbeiter und Arbeiterinnen gesagt wurde, spielt auch heute die Frage der Bildungsinhalte nicht nur eine pädagogische, sondern auch eine politische Rolle, und dies in nationaler und internationaler Hinsicht. Die Frage nach dem Unterrichtsinhalt ist also durchaus präsent, wenngleich zunächst nur in der öffentlichen und nicht in der fachwissenschaftlichen Debatte.

In der Erziehungswissenschaft wiederum scheint das Thema des Lehrens allmählich wieder interessant zu werden, obwohl – wie oben beschrieben – selbst in Handbüchern zum Unterricht alles Mögliche thematisiert, das Lehren als zentrale Tätigkeit des Lehrers oder der Lehrerin aber eher am Rande behandelt wird.

Vor diesem Hintergrund wird die Kritik des Frankfurter Erziehungswissenschaftlers Andreas Gruschka an der mehrheitlich betriebenen Unterrichtsforschung interessant. So beklagt er in seinem Buch über

Page 29:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

29

das Lehren (Gruschka 2014), dass "die didaktisch geprägte Einführungsliteratur der jüngsten Zeit... mehr oder weniger misslungen" sei und er zeigt einige Beispiele aus unterschiedlichen Fachgebieten, wie er sich ein unterrichtliches Eingehen auf wissenschaftliche Inhalte ohne eine übertriebene Didaktisierung vorstellt:

„Bezogen auf das Didaktische bedeutet dies, dass die Schule sich erst dann ihrer sicher ist, wenn sie aus den Gegenständen Unterrichtsinhalte, aus dem möglichen Wissen Schulwissen und die sich für eine Sache Interessierenden zu Schülern gemacht hat. Dabei wird fraglos so getan, als ob dieser Transformationsprozess unvermeidbar, unhintergehbar sei. Es zählt wohl zu den großen Mythen der Schule, wenn behauptet wird, allein im Durchgang durch die didaktisierende Transformation der Sachen seien diese lehrbar.“ (ebd., 129).

Es geht also um das traditionelle Problem, was man zum einen über die Lernstruktur der Lernenden, über die Wissensstruktur des Inhalts und über den Zusammenhang von Lernstruktur und Wissensstruktur weiß.

Offensichtlich ist die Frage nach der Lernstruktur eine Frage an die Psychologie. In der Tat ist bis heute das Lernen fest in der Hand der Lernpsychologie, trotz der oben erwähnten Versuche von Pädagoginnen und Pädagogen, eine pädagogische Lerntheorie zu entwickeln, die die Inhalte und die Kontexte des Lernens besser berücksichtigt (Göhlich, Zirfas, Wulf u. a.).

Der Siegener Erziehungswissenschaftler Bernd Fichtner (1977) diskutierten diesem Zusammenhang psychologische Vorschläge der damals hochrelevanten Psychologen Gagné, Ausubel, Bruner und Piaget (zusätzlich zu Ansätzen von Wigotsky und Leontiew).

Die Frage nach der Wissensstruktur lässt sich wiederum kaum ohne Einbeziehung der Philosophie und speziell der Erkenntnistheorie beantworten. In seinem Konzept vom Unterrichtsinhalt, das er auf der Basis seiner grundlegenden Analysen (in Fichtner 1977) in Fichtner 1980 entwickelt, zeigt er, dass entgegen einer Verabsolutierung der Schülerperspektive „der Unterrichtsinhalt als Einheit seiner gegenständlichen, psychologischen und sozialen Dimension“ (so die Überschrift von Kapitel 2) verstanden werden muss.

Zur Ordnung des Wissens in der Schule

Das zentrale Instrument, das das für die Schule jeweils relevante (und politisch gewünschte) Wissen in eine verbindliche Form bringt, ist der Lehrplan:

„Dieses Buch stellt Lehrpläne und Lehrplanarbeit in den Kontext der veränderten Sicht auf Schule, Lernen und Steuerung in Bildungssystemen. Es versteht den Lehrplan als Beschreibung des gesellschaftlichen Auftrags an die Schule, d.h. als ihr mehr oder weniger kohärentes Bildungs- und Erziehungsprogramm.“ (Künzli 2013, 7)

Lehrpläne erfüllen unterschiedliche Zwecke:

– die Rechtfertigung von Unterrichtsinhalten (politischer Zweck)

– die Auswahl und Anordnung geeigneter Unterrichtsinhalte und Ziele zu einem Lehrprogramm (programmatischer Zweck)

Page 30:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

30

– die Rahmen Unterstützung der schulischen Unterrichtsplanung (praktischer Zweck) (ebd., 20).

Entsprechend gibt es

– eine gesellschaftlich-kulturelle Ebene, bei der eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure ihre Forderungen einbringt (Kirchen, gesellschaftliche Organisationen, politische Parteien, wissenschaftliche Interessensgruppen, Berufsverbände, Wissenschaften selbst, Kultur und Medienschaffende)

– die administrative Ebene, bei der die Bildungsverwaltung eine zentrale Rolle spielt sowie Schulleitungen und die Schulaufsicht

– die praktische Ebene mit den Lehrerinnen und Lehrern bzw. den Schülerinnen und Schülern als Akteuren.

Der Lehrplan wird als wichtiges Steuerungsinstrument des Bildungssystems und speziell der Schule dargestellt, wobei die oben vorgestellte Aufzählung unterschiedlicher Akteure und Interessensgruppen zeigt, dass der Lehrplan ein klassisches Modell für den Governance-Ansatz ist, der genau diese Vielzahl von Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen bei politischen Entscheidungsprozessen systematisch einbezieht.

Die Schule ist die einzige Bildungseinrichtung, die den Auftrag hat, ein systematisches Bild von Welt zu vermitteln. Bei Künzli heißt das knapp so:

„Lehrpläne formulieren den Auftrag der Gesellschaft an die Schule“ (43)

Den oben angesprochenen Bedeutungsverlust konkreter Unterrichtsinhalte in der Schulpolitik und in der Schulpädagogik sehen auch die Autoren dieses Buches:

„Ein gesellschaftlich akzeptierter Kanon des Wissenswerten und zu Wissenden scheint der Vergangenheit anzugehören, wozu neben den beschriebenen Faktoren auch die interkulturelle Globalisierung nationaler Kulturen beiträgt Eine inhaltlich bestimmte nationale Leitkultur ist weder verfügbar noch gesellschaftspolitisch zu rechtfertigen oder gar erwünscht. Curricular hat das zur Folge, dass positives Wissen und Können, obwohl weiterhin bedeutsam, immer weniger das Rückgrat für Lehrplanentscheidungen sein können. Statt auf positives Wissen werden Lehrpläne vermehrt auf Lernprozesse und Methoden und Strategien des Wissenserwerbs und des Umgangs mit Wissens gegründet…“ (72)

Neben Ansätzen, die einen der drei Pole des didaktischen Dreiecks einseitig in den Vordergrund stellen, gab es immer wieder Ansätze, diese unterschiedlichen Dimensionen von Unterricht miteinander zu vermitteln. Im Anschluss an die Bildungstheoretische Didaktik von Herman Nohl entwickelte Klafki das Konzept einer kategorialen Bildung (1959), bei dem formale und materiale Bildung miteinander in Einklang gebracht werden sollten. Es ging um die Identifikation von Bildungsinhalten, die auf beiden Seiten, der Seite des Wissens und der Inhalte und der Seite der Schülerinnen und Schüler eine Relevanz hatten. Das Konzept bestand zunächst darin, dass Elementare, das Fundamentale und das Exemplarische in dem jeweiligen Wissensbereich zu identifizieren, was wiederum die Basis für den Aufbau individuellen Wissens bildete. Später formulierte Klafki (1985) sogenannte Schlüsselprobleme, die für das Überleben des Einzelnen und

Page 31:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

31

der Menschheit insgesamt eine große Relevanz haben und von daher Teil einer individuellen Bildung sein müssten.

In eine ähnliche Richtung ging der sogenannte „Strukturgitteransatz“, den der Erziehungswissenschaftler Herwig Blankertz im Rahmen der Entwicklung der Kollegschule in Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen hat.

Wissenschaftliches Wissen – Alltagswissen – Schulwissen

Schule insgesamt und insbesondere der Unterricht in der Schule haben die Aufgabe, die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Anforderungen an die Schule in allen Dimensionen der Persönlichkeit zu entwickeln. Dies betrifft die emotionale Entwicklung, es betrifft die Entwicklung sozialer Verhaltensweisen, es betrifft Fantasie und Kreativität, es betrifft das moralische Verhalten und es betrifft den Bereich des Kognitiven, das Wissen, Beurteilen und Denken. Man muss immer wieder gerade angesichts immer neuer Forderungen an die Schule, wofür sie auch noch Verantwortung übernehmen solle, darauf hinweisen, dass die Schule nicht die einzige Bildungs- und Erziehungseinrichtung ist, sondern dass auch die Familie nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden darf, dass die Freunde und die Medien erziehen, dass auch der Bereich der außerschulischen Bildung Bildungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt.

Eine zentrale Aufgabe, die keine andere Erziehungsinstanz übernehmen kann, ist die Entwicklung eines systematischen Bildes von der Welt. Peter Menck nennt dies „Konstruktion der Wirklichkeit im Unterricht“. An anderer Stelle spricht er von der Aufgabe von Schule, dass diese in die symbolische Beherrschung von Welt einführen solle.

„Die Welt“ in diesem umfassenden Sinne ist natürlich nicht in der Schule präsent, sondern sie ist es nur indirekt, durch symbolische Repräsentation. Es ist also ein vermitteltes Wissen über die Welt, das Gegenstand des Unterrichtes wird.

Es wurde oben am Beispiel des Lehrplanes gezeigt, dass es durchaus ein hartes Ringen darum gibt, wie in der jeweiligen Gesellschaft dieses Bild von der Welt aussehen soll. Es geht dabei um eine spezifische Form von Wissen, wobei es durchaus die Klage in der Schulpädagogik gibt, dass das Wissen zurzeit in der wissenschaftlichen Diskussion eine eher untergeordnete Rolle spielt. Dies ist insofern überraschend, als heute allerorten die Rede von einer „Wissensgesellschaft“ ist, man offensichtlich Wissen als zentrale Produktivkraft in unserer Gesellschaft betrachtet.

In einem oben angeführten Zitat wurde darauf hingewiesen, dass man sich aufgrund des Anwachsens von Wissen nicht mehr in der Lage sieht, einen verbindlichen Kanon zu formulieren. Auch dies ist sicherlich ein Grund dafür, dass man anstelle von verbindlich festgelegten Wissensbereichen sich lieber auf Strategien konzentriert, dass sich Schülerinnen und Schüler eigenständig mit Wissen und insbesondere mit neuem Wissen – und dies möglichst ein Leben lang – auseinandersetzen. Man übersieht allerdings hierbei, dass sich solche Strategien, so attraktiv sie als Lösung des Problems eines unbegrenzbaren Wissenswachstums erscheinen mögen, nicht funktionieren. Man kann sich etwa an die Aussage aus der Kognitionspsychologie erinnern, dass das Denken kein Muskel sei, der sich

Page 32:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

32

unspezifisch trainieren ließe. Menck zitiert zudem die Erkenntnis aus der Kognitionspsychologie, dass allgemeine bereichsneutrale Strategien sich zwar lehren und lernen ließen, dass die Leistungsfähigkeit des Denkens allerdings nur wenig von solchen Strategien abhängt, sondern vielmehr von dem Ausmaß und der Beweglichkeit intelligent strukturierten Sachwissens (Kurt Reusser). Man wird also mit der Natur des Wissens auseinandersetzen müssen.

Eine solche Auseinandersetzung kann mit der oben erwähnten Relevanz des Symbolischen im Bereich des Wissens beginnen. Man kann hier auf Untersuchungen zur „Macht der Symbole“ (Fuchs 2011) hinweisen, so wie sie systematisch von Ernst Cassirer (1990) in seiner Philosophie der symbolischen Formen vorgenommen wurden: Mithilfe der Symbole löst sich der Mensch aus der Unmittelbarkeit seiner Realität, kann in eine Distanz zu ihr treten als Basis für ein reflexives Verhalten. Mithilfe der Symbole kann er Dinge und Handlungen vergegenwärtigen, die entweder in der Vergangenheit stattgefunden haben oder die er sich bloß ausgedacht hat. Symbole sind zugleich ein Kommunikationsmittel, mit denen sozialer Zusammenhang begründet werden kann. Symbole sind Mittel der Koordinierung von Handlungen und der Umgang mit Symbolen ist auch selbst eine Handlung.

Die Fähigkeit, Symbole zu erfinden und mit ihnen sachgerecht umzugehen, hat sich in der Anthropogenese entwickelt und sie ist die Basis für die kulturelle Evolution des Menschen (Fuchs 2017). Der Siegener Erziehungswissenschaftler Bernd Fichtner (1977) entwickelt als Basis für seine Theorie der Unterrichtsinhalte eine genetische Theorie des Wissens und der Wissenschaften, in der insbesondere die Operativität und Konstruktivität menschlichen Handelns eine zentrale Rolle spielen (vgl. auch Fuchs 1984). Er zeigt – unter anderem auf unter Bezug auf die Gruppe der (damaligen) Bielefelder Mathematikdidaktiker um Michaela Otte – die grundlegende Operativität der Mathematik als Basis für die Entstehung der exakten Wissenschaften. Er zeigt, wie der Gedanke der Operativität durch philosophische Konzeptionen etwa von Nikolaus von Kues unterstützt wurde und wie die großen Naturforscher wie Galilei, Newton oder Leibniz sich dieser Operativität der entstehenden Naturwissenschaft bewusst waren. Diese Traditionslinie verfolgt er bis zur Entwicklung der Quantenphysik im 20. Jahrhundert. Es kommt zu einer Einheit von gegenständlicher Tätigkeit in einer experimentell konstruierten Wirklichkeit und einer theoretischen Reflexion. Dabei handelt es sich um einen genuin sozialen Prozess, so dass er in seinem Buch über Lerninhalte (1980) von dem Unterrichtsinhalt als Einheit seiner gegenständlichen, psychologischen und sozialen Dimension sprechen kann (46 ff.; für die Mathematik siehe Fuchs 1984b).

Im Hinblick auf Wissen ist zudem zu berücksichtigen, dass man die Entwicklung von Wissen, seine Begründung und schließlich seine Darstellung unterscheiden muss. In meiner eigenen Praxis als Mathematiklehrer hat mich immer gestört, dass mathematische Lehrbücher sowohl in der Hochschule als auch in der allgemeinbildenden Schule alle sozialen, politischen und kulturellen Kontexte ausgeblendet haben, in denen mathematisches Wissen entstanden ist. Mathematik wurde so zu einem erratischen Block, bei dem nicht mehr erkennbar war, dass die Erkenntnisse mit Blut, Schweiß und Tränen entwickelt worden sind.

Vor diesem Hintergrund halte ich die Ausführungen von Fend 2006 für richtig, der im Hinblick auf Unterrichtsinhalte immer wieder von einer notwendigen Rekontextualisierung spricht.

Page 33:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

33

Wer über Wissen spricht, muss zudem die Verteilung des Wissens und die Zugangsberechtigungen mit reflektieren. Bereits der Begründer der Wissenssoziologie, Max Scheler, hat hier wichtige Unterscheidungen getroffen, als er Leitungs- und Herrschaftswissen, Bildungswissen und Erlösungs- und Heilswissen unterschied, die jeweils unterschiedliche Funktionen für den Menschen und für die Gesellschaft haben.

Dem oft kritisierten Buch von Dieter Schwanitz über Bildung muss man daher zugutehalten, dass er sich ausführlich damit beschäftigt, welches Wissen in welchen Situationen opportun und nicht opportun ist. Er kann sich dabei auf die Untersuchungen von Pierre Bourdieu (z. B. 1987) zur Bildungs- und Kultursoziologie stützen, der neben dem Erkenntniswert von Wissen die soziale Funktion bei der Segmentierung und Hierarchisierung von Gesellschaft beschreibt.

Eine weitere Unterscheidung hat Karl Popper mit seiner Drei-Welten-Theorie getroffen, als er die Welt der Dinge (Naturwissenschaft), die Welt des Sozialen (Gesellschaftswissenschaften) und die Welt des Geistes (Kulturwissenschaften) unterschied. Dieser Gedanke ist durchaus kompatibel mit dem Studium der Selbst- und Weltverhältnisse des Menschen, da man weiß, dass diese mit der Entwicklung der Weltverhältnisse des Menschen quasi synchron auch seine Selbstverhältnisse entwickelt.

Das Schulbuch

Vor dem Hintergrund der oben zitierten Defizitbeschreibung im Hinblick auf das Wissen verwundert es nicht, dass auch diejenigen, die sich mit Schulbuchforschung befassen, über eine weitgehende Vernachlässigung dieses zentralen Mediums des Unterrichtens beklagen. Dabei kann man am Beispiel des Schulbuches mit seinen komplizierten Zulassungs- und Genehmigungsverfahren, mit seiner wichtigen ökonomischen Rolle auf dem Lehrmittelmarkt, mit dem Streit um seine Inhalte, um das vertretene Welt- und Menschenbild alle Dimensionen aufzeigen, die das Wissen in der Schule und speziell im Unterricht spielt (Doll u. a. 2012, Höhne 2003 und 2004 , Heinze 2011).

Man muss nur an die Schulbuchkommissionen zu historischen Fragen – etwa zu dem Verhältnis zwischen Deutschland und Polen in der Geschichte – erinnern, um zu zeigen, dass Schulbuchwissen ein Politikum ersten Ranges sein kann. Im Kontext der Entwicklung der Hessischen Rahmenrichtlinien in den 1970er Jahren wiederum gab es einen weltanschaulichen Streit etwa um die Frage der Familie oder die Rolle der Frau.

Es überrascht dabei nicht, dass es insbesondere die Gesellschaftswissenschaften und vor allem das Feld der politischen Bildung waren, in denen dieser Streit ausgetragen wurde (Heinze 2011 zeigt dies an der Auseinandersetzung des Schulbuches Sehen-Beurteilen-Handeln von Wolfgang Hilligen).

Aber auch in Wissenschaften, bei denen man zunächst keine Grundsatzdebatten über die richtige Basistheorie vermutet, finden solche Auseinandersetzungen statt. Man erinnere sich nur einmal an die komplexe Debatte über New Math Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre, bei der es unter anderem um die Einführung der Mengenlehre als Leitprinzip des Mathematikunterrichts von der Grundschule bis zum Abitur ging. Diese Debatte betraf zum einen grundlagentheoretische Aspekte der Mathematik, denn man hatte sich daran erinnert, dass es auch in der Mathematik rund um die Jahrhundertwende 1900 erhebliche Auseinandersetzungen über die Begründung der jeweiligen Mathematik gab. Diese hatte insofern eine negative Lösung, als vor allem Kurt Gödel mit

Page 34:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

34

seinen Arbeiten zeigen konnte, dass bei allen reichhaltigeren mathematischen Theorien ein Beweis der Widerspruchsfreiheit nicht geführt werden kann. Eine radikale Konsequenz aus dieser Situation zog der Intuitionismus und Konstruktivismus (Brouwer, Lorenzen), indem sie große Teile der bisherigen Mathematik als unzulässig verwarfen und versuchten, alternative Begründungen zu finden, um so den in den Naturwissenschaften notwendigen Teil der Mathematik zu retten. Es gründete sich später eine geheimnisvolle Mathematikerschule, die sich selbst den Namen Nicolas Bourbaki gegeben hat und die sich aufmachte, die komplette Mathematik auf der Basis des Formalismus neu aufzubauen. Dieses Projekt gilt inzwischen als gescheitert.

Neben diesen wissenschaftstheoretischen Debatten spielten allerdings auch ökonomische Gründe eine entscheidende Rolle bei der Einführung der neuen Mathematik, denn es ging um die Erarbeitung vollständig neuer Schulbücher, was für Verlage ein lukratives Geschäft war.

Im Kontext der Vermittlung von Wissen ist der Vorschlag des Psychologen F. E. Weinert interessant:

– „Beim Erwerb grundlegenden systematisch aufgebauten Wissens ist die direkte Unterweisung als lehrergesteuerte, aber schülerzentrierte Form des Unterrichts am zweckmäßigsten.

– Zum Erwerb lebenspraktischen Anwendungswissens sind lebensnahe Lernarrangements, zum Beispiel in Gruppen- oder Projektarbeit, sowie kreative Übungsformen notwendig.

– Metakognitive Kompetenzen, Schlüsselqualifikationen wie Lern- und Arbeitstechniken erfordern ein Lernen des Lernens und Formen selbstständigen Lernens und offenen Unterrichts.

– Handlungs- und Wertorientierungen werden in Gruppendiskursen, im Aufbau persönlicher Gewohnheiten, durch vorbildhaftes Handeln in einer geregelten und fairen Schulkultur befördert.“ (in Arnold 2006, 35)

Dieser Hinweis auf den Vorschlag von Weinert verdeutlicht, dass es im Kontext von Unterricht nicht bloß um das Wissen geht, das im Unterricht vermittelt werden soll, es geht auch um das Wissen über Unterricht, es geht also um pädagogisches Wissen.

Auch hierbei kann man unterschiedliche Wissensformen unterscheiden, nämlich das Alltagswissen der Praktiker, also der Lehrerinnen und Lehrer, darüber, wie Unterricht zu gestalten ist. Es gibt zudem das Wissen der Forschung und der Wissenschaft. Und nicht zuletzt gibt es das Wissen, das politisch erwünscht ist.

Eine politische Dimension erhält dies zurzeit durch den Trend in der Politik und in der Verwaltung, „evidenzbasiert“ vorgehen zu wollen. Dabei ist zu berücksichtigen, was hierbei als evident anerkannt wird: Es ist nahezu ausschließlich empirisches, und hierbei vor allem quantitatives Wissen, dessen Gewinnung durch entsprechende Förderprogramme finanziert wird. Wissenschaftstheoretische Gütekriterien unterschiedlicher legitimer Wissensformen (historisches Wissen, theoretisches Wissen, hermeneutisch gewonnenes Wissen etc.) spielen in dieser politischen Setzung keine Rolle. Offensichtlich kann man sich zwar im Rahmen der Wissenschaftstheorie vorstellen, in einem herrschaftsfreien Raum zu agieren: In der Realität ist dies eine bloße Illusion.

Page 35:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

35

8. Zur Unterrichtsmethode

Mit Methoden hat es die Erziehungswissenschaft gleich mehrfach zu tun. Als Wissenschaft geht es ihr darum, mit geeigneten Methoden ein spezifisches Wissen zu entwickeln (Plöger 2003). Die Geschichte der Wissenschaft ist in dieser Hinsicht eine Geschichte von Methoden (Fuchs 1984a). Dies beginnt bereits bei der sokratischen Methode, der Hebammenkunst. Die Methode ist wörtlich der Weg zu einem Ziel, bei Sokrates ist dies der Weg des geschickten Fragens hin zu dem Ziel, das er für sich selbst so formuliert: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Es geht also um Gewissheit und Wahrheit, es geht aber auch um eine bloß vermeintliche Gewissheit, die Sokrates methodisch zerstört.

Bei Sokrates, so wie ihn Platon dargestellt hat, lässt sich zudem auch lernen, dass hinter der Anwendung bestimmter Methoden zum Teil sehr elaborierte Vorstellungen darüber liegen, wie das Ganze des Seins aufgebaut ist. Die Anthropologie, die methodische Erschließung des Wissens darüber, die systematische Darstellung dieses Wissens, die Annahme darüber, welchen Bezug der Einzelne zu diesem Wissen hat: All dies bildet ein Ganzes. Man hat es also bei diesem frühen pädagogischen Modell mit einem komplexen Zusammenhang zu tun, bei dem die später säuberlich getrennten philosophischen Einzeldisziplinen noch ein Ganzes bilden: Ontologie, Erkenntnistheorie, Anthropologie, Methodologie, Pädagogik, die Lehre von der richtigen Gestaltung der Polis, Ethik und Moral – all dies ist in diesem Kontext kaum voneinander zu trennen.

Bei den Griechen finden sich weitere Methoden, die bis heute Gültigkeit haben. So heißt nicht bloß die systematische Darstellung der Geometrie von Euklid „Elemente“. Dahinter steckt zudem ein folgenreicher Gedanke, dass nämlich die Welt aus kleinsten Bausteinen ebenso zusammengesetzt ist wie das Wissen über diese Welt. Man kann daher versuchen, diese kleinsten Bausteine, aus denen das Ganze zusammengesetzt ist, zu suchen.

Im Hinblick auf die Welt, so wie sie ist, spekulierten schon die frühen Atomisten über entsprechende kleinste Bausteine. Im Bereich des Wissens, vor allen Dingen in der Geometrie, suchte man nach grundlegenden Prinzipien (archei), aus denen man dann mithilfe der axiomatischen Methode deduktiv das Wissensgebiet aufbaute. Später kam zu dieser grundlegenden Methode, die bis heute ihre Gültigkeit hat, eine weitere mathematische Grundmethode dazu: das kombinatorische Spiel mit kleinsten Bausteinen, der Kalkül (nach der Bezeichnung der römischen Rechensteine, die aus Kalk angefertigt waren). Die Mathematik lieferte also schon in dieser Frühzeit gleich zwei anerkannte Methoden (mos geometricus, mathesis universalis), die man später in allen anderen Wissensgebieten nachahmen wollte.

Mit dem Übergang zur Neuzeit entwickelte man im Rahmen der sogenannten „experimentellen Philosophie“, nämlich der entstehenden Naturwissenschaft, als weitere Methode die experimentelle Methode, bei der in einer geschickten Versuchsanordnung Erfahrungen über vermutete Naturgesetze gemacht wurden. In der Darstellung seiner Naturphilosophie greift Newton allerdings wieder auf die axiomatisch-deduktive Methode zurück, als er formulierte, dass er auf der Basis dieser induktiv gewonnenen Erfahrungen zwei oder drei Prinzipien formulierte, aus denen dann der Rest des Wissensgebäudes gefolgert werden konnte.

Auch in der Pädagogik hat man diese Methoden benutzt. So versucht bereits Comenius in seiner Großen Didaktik, in der Natur (und der Naturwissenschaft, so wie er sie verstand) zentrale Prinzipien zu finden, aus denen dann das zu vermittelnde Lehrgebäude entstehen konnte (vgl. Fuchs 1984a, Kap. 2.1).

Page 36:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

36

Die Philanthropen versuchten Ähnliches, wobei hier bereits eine erste strengere Empirie in die Pädagogik als Lehrkunst aufgenommen wurde: Es ging um eine „Mechanisierung des Weltbildes“ (Dijksterhuis), wobei es Voltaire und seine Lebensgefährtin Madame de la Chatelet waren, die auf dem Kontinent die neuen physikalischen Kenntnisse nicht bloß verbreitet, sondern sogar zu einem Weltbild verdichtet haben (Fuchs 1984).

Der früh verstorbene Kölner Erziehungswissenschaftler Josef Leonhard Blass (1969) hat gezeigt, wie insbesondere der gerade im Hinblick auf Unterrichtsmethoden im 19. Jahrhundert äußerst einflussreiche Johann Friedrich Herbart ("Formalstufen des Unterrichts") die kombinatorische Methode als zentrale Denkform der allgemeinen Erziehungswissenschaft genutzt hat.

Es gibt also durchaus eine enge Verbindung zwischen der Methodendiskussion im Bereich der Wissenschaften und der Suche nach geeigneten Unterrichtsmethoden (zur Geschichte siehe den Artikel „Methode“ von Fritz Osterwalder in Benner/Oelkers 2010).

Es gibt allerdings auch einen gravierenden Paradigmenwechsel im Hinblick auf Methoden zu registrieren. So war im frühen 19. Jahrhundert jeder in der (Elementar-) Schule vermittelte Wissensbereich mit einer spezifischen Methode verbunden, so dass die Lehrerqualifikation im Wesentlichen eine Methodenqualifikation war. Später löste man sich bei der Anwendung und Diskussion von Methoden von dieser engen Verbindung mit einem spezifischen Inhalt, so dass sich die Methodendiskussion verselbstständigte.

In der reformpädagogischen Bewegung war man sich bei allen Unterschieden im Einzelnen einig in der Kritik an der von den Herbartianern verabsolutierten Formalstufentheorie. Man entwickelt eine Vielzahl alternativer Methoden, die zum einen den Adressaten der Pädagogik, das Kind, in den Mittelpunkt rückten und die sich sehr stark auf die Ermöglichung sinnlicher Erfahrungen bezogen.

Die Methodendebatte rückte trotz dieser Entwicklung aufgrund der Marginalität der Reformpädagogik dann Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts im Rahmen der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik und Didaktik in den Hintergrund zugunsten des Inhalts. Man sprach in der diesbezüglichen Didaktik von einem „Primat des Inhalts“. Später entwickelte didaktische Modelle gehen dann von einer Interdependenz der Ziele, Methoden und Inhalte aus.

Allerdings beginnt eine Textsammlung aus dem Jahre 1972 (Menck/Thoma 1972) mit einer Klage über die Vernachlässigung des Methodenthemas in der Erziehungswissenschaft:

„Im Großen und Ganzen bleibt die Unterrichtsmethode weiterhin der Intuition des einzelnen Lehrers überlassen. Ihre Erforschung durch die Erziehungswissenschaft ist weiterhin ein Desiderat, soll die Intuition nicht durch bildungspolitische Festlegungen und unterrichtspraktische Tradition zu einem schlimmeren, weil nicht mehr wissenschaftlich reflektierten Schematismus erstarren, als es die Methode der Herbartianer je gewesen ist.“ (10)

Überraschenderweise setzen die beiden Herausgeber dieses Buches dann einen Text an den Anfang, eine Meta-Analyse amerikanischer Studien über die Wirksamkeit unterschiedlicher Methoden, deren Ergebnis sehr plastisch in einer Zwischenüberschrift formuliert wird: „Viel Lärm um nichts“, denn man hatte keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf den Lernerfolg bei der Anwendung unterschiedlicher Lehrmethoden herausfinden können.

Page 37:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

37

Spätere Studien bis hin zu den PISA-Studien, die sich (auch) mit der Methodenkompetenz von Lehrerinnen und Lehrern befassten, kamen zu dem bekannten Ergebnis, dass diese in Deutschland nicht sonderlich entwickelt ist: Es dominiert der lehrerzentrierte fragend-entwickelnde Frontalunterricht.

Gerade im Hinblick auf internationalen Vergleichsuntersuchungen rückte die Frage nach der Qualität der Schule und insbesondere der Qualität des Unterrichts immer mehr in den Mittelpunkt der erziehungswissenschaftlichen Forschung. Ewald Terhart (in Hellekamps u. a. 2011, 349 ff.) stellt gleich vier durch empirische Forschung bestätigt Kriterienkataloge erfolgreichen Unterrichts vor, unter denen die Kriterienlisten von Helmke bzw. von Meyer die bekanntesten sein dürften.

Meyer nennt die folgenden Kriterien: klare Strukturierung des Unterrichts, hoher Anteil an echter Lernzeit, lernförderliches Klima, inhaltliche Klarheit, sinnstiftendes Kommunizieren, Methodenvielfalt, individuelles Fördern, intelligentes Üben, transparente Leistungserwartungen, vorbereitete Umgebung.

Terhart referiert die Aussage, dass man sich von der Annahme, durch Unterricht das Lernen der Schüler quasi automatisch erzeugen zu können, definitiv verabschiedet habe (360).

Er zitiert den Erziehungswissenschaftler Eckart Klieme mit folgenden Axiomen:

– „Unterricht als sozialer Prozess wie auch das darin verhandelte Wissen stellt eine Ko-„Produktion“ der beteiligten Personen dar.

– Lehrerhandeln „verursacht“ daher nicht Schülerlernen, sondern erschafft eine Lernumgebung als Raum von Lerngelegenheiten, die von den Beteiligten gemeinsam geformt und im Sinne eines Angebots je individuell genutzt werden.

– Prozesse und Ergebnisse von Unterrichts sind durch die jeweiligen Ziele und Inhalte mitgeprägt, also nur bedingt über Fächer und Inhalte hinweg verallgemeinerbar.

– Der institutionelle, soziale und kulturelle Kontext (zum Beispiel implizite und explizite Handlungsnormen des schulischen Settings) beeinflusst den Unterricht bis in einzelne Interaktionszüge hinein.“ (ebd. 360)

Page 38:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

38

C. UNTERRICHT UND ÄSTHETISCHE ERFARUNG

9. Ästhetische Erfahrungen im Unterricht – ein Überblick

Im Folgenden soll es nicht darum gehen, die grundsätzliche Bedeutung ästhetischer Erfahrungen oder – noch umfassender – die Bedeutung ästhetischer und kultureller Bildung insgesamt zu begründen (vgl. die zahlreichen Beiträge auf der Plattform www.kubi-online.de). Hierzu gibt es inzwischen nach einigen Jahren der Stagnation eine solche Fülle an Forschung, an Arbeitshilfen, an wissenschaftlicher Auseinandersetzung und an historischer und systematischer Literatur, so dass man inzwischen von einer Konjunktur kultureller und ästhetischer Bildung sprechen kann.

Diese Debatten über das Ästhetische können sich dabei auf eine ebenfalls sich dynamisierende Diskursaktivität über die Rolle des Ästhetischen in der Philosophie, in der Soziologie oder auch einer Psychologie stützen (Fuchs 2011). Dass dies seit einigen Jahren der Fall ist, war allerdings überfällig, denn schon vor einigen Jahrzehnten sprach man in der Erziehungswissenschaft von „vergessenen Zusammenhängen“ (Mollenhauer). Über viele Jahre hinweg hat der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Horst Rumpf (1981) „die übergangene Sinnlichkeit“ in der Pädagogik und speziell in der Schule angeprangert. Geht man ein Jahrhundert zurück, so kann man die zahlreichen reformpädagogischen Ansätze gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Protestbewegungen gegen eine verkopfte Buchschule verstehen, in der Lernen im Wesentlichen aus Auswendiglernen bestand. Neu ist also die Thematisierung der ästhetischen und kulturellen Bildung nicht.

Dies gilt für pädagogische Prozesse im Allgemeinen, es gilt auch speziell für die Schule. In dem vorliegenden Text bilden diese allgemeinen Diskurse über die Rolle des Ästhetischen in der Pädagogik den Rahmen. Der Text beschränkt sich allerdings auf die Rolle ästhetischer Praktiken im Fachunterricht. Dabei geht es auch nicht um eine Bilanzierung der künstlerischen Unterrichtsfächer, wobei auch bei denen gefragt werden muss, inwieweit neben einer analytischen und reflexiven Zugangsweise zu dem Ästhetischen in der jeweiligen Sparte auch eine entsprechende Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer eine Rolle spielt. Es geht vielmehr primär um die nichtkünstlerischen Unterrichtsfächern und die Möglichkeiten der Einbeziehung einer ästhetischen Zugangsweise in diesen Bereichen.

Wie eingangs erwähnt soll dieser Prozess kulturelle Unterrichtsentwicklung heißen, der ein Teilbereich der kulturellen Schulentwicklung ist. Schon vorab muss dabei an die Erkenntnis erinnert werden, dass Unterrichtsentwicklung und Schulentwicklung einander wechselseitig bedingen und nur gelingen können, wenn es eine entsprechende Personalentwicklung gibt Fuchs 2017a).

Ich beginne mit einer kurzen Erinnerung an den Kernbegriff der Definition einer Kulturschule: Denn eine solche ist eine Schule, in der allen Beteiligten umfangreiche Möglichkeiten gegeben werden, ästhetische Erfahrungen zu machen. Es geht also zunächst einmal um den Begriff der Erfahrung. Auch hierbei soll es bei Andeutungen und Hinweisen bleiben, da es inzwischen ausführliche Studien zu diesem Feld gibt.

Page 39:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

39

Basis von Erfahrungen sind Wahrnehmungen. Man weiß inzwischen, dass der Akt des Wahrnehmens keineswegs ein passiver Prozess der bloßen Aufnahme äußerer Impulse, sondern dass es ein konstruktiver Prozess der Verarbeitung von Impulsen ist. Auch geht man nicht mehr davon aus, dass man das Denken und die theoretische Reflexion von der Wahrnehmung trennen könnte. Bereits Kant sprach davon, dass Erfahrungen ohne Begriffe blind und Begriffe ohne Erfahrungen leer seien. Die Trennung von Wahrnehmung und Denken ist zunächst einmal bloß eine analytische Unterscheidung in dem komplexen Prozess des kognitiven Zugangs zur Welt und zu sich. Im Prozess des Wahrnehmens finden nämlich bereits begrifflich gestützte Bewertungs- und Sortierprozesse statt. Während das Wahrnehmen ein punktueller Akt ist, entstehen Erfahrungen durch Reflexion des mehrfach oder sogar auf Dauer Wahrgenommenen. Auch der Begriff des Fahrens, der in dem Wort Erfahrung steckt, macht Sinn. Denn das Bild, das dahinter steckt, bezieht sich auf eine aktive Erkundung eines möglicherweise fremden Gebietes.

Ist aufgrund dieses Erklärungsansatzes der Erfahrungsbegriffs bereits mit der Sinnlichkeit des Menschen und seiner Wahrnehmung verbunden, so wird dies durch das Attribut ästhetisch noch verstärkt. Die griechische Ursprungsbedeutung dieses Wortes geht nämlich auf aisthesis zurück, was sinnliche Erkenntnis bedeutet. Es geht zunächst einmal nicht um Kunst und Schönheit, sondern um die Erkenntnisfähigkeit des Menschen. Bekanntlich hat der Begründer der philosophischen Disziplin Ästhetik Mitte des 18. Jahrhunderts, Alexander Baumgarten, ganz bewusst den Ästhetikbegriff unter Bezug auf diese griechische Ursprungsbedeutung verwendet, weil es ihm um eine Rehabilitation der sinnlichen Erkenntnis gegangen ist. Erst später hat er sich in seinen entsprechenden Büchern mit Kunst und dem Schönen befasst.

Im Hinblick auf Schule war im 19. Jahrhundert der Begriff der Erfahrung bei den Schülern und Anhängern von Herbart nicht sonderlich hoch geschätzt. Reformpädagogik hatte – bei aller Diffusität und Problematik dieser Bewegung – daher das gemeinsame Anliegen, die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen, erneut Pädagogik hineinzubringen. Dabei konnten sie an die Grundsätze des auch in Deutschland intensiv rezipierten Schweizer Pädagogen Pestalozzi anknüpfen, der von einem Lernen mit Kopf, Herz und Hand gesprochen hat und dies in seinen eigenen pädagogischen Versuchsanstalten realisierte.

Im Grundsatz ist es also heute - etwa unter Bezug auf die Arbeiten von John Dewey - nicht mehr nötig, Erfahrung als notwendigen Teil pädagogischer Prozesse zu legitimieren (vgl. etwa auch Duncker 1987).

Eine ästhetische Erfahrung konzentriert sich dabei sehr stark auf Prozesse des Gestaltens und der Formgebung. Sie hat es mit einem konzentrierten Sicheinlassen auf Dinge und Prozesse zu tun, sie muss im Kontext ästhetischer Empfindungen, ästhetischer Wertungen und ästhetischer Wirkungen (so Dietrich u.a. 2012, Kapitel 2) betrachtet werden.

Ästhetische Erfahrung hat neben ihrer kognitiven wesentlich auch eine emotionale Dimension, bei der die sozialen Kontexte eine wichtige Rolle spielen. Auch dies ist keine neue Einsicht. Denn auch Kant sprach in seiner Ästhetik schon von einem sensus communis aestheticus und er meinte damit, dass bei jedem individuellen ästhetischen Werturteil entsprechende Werturteile der Gemeinschaft immer schon eine Rolle spielen.

Page 40:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

40

Auch ein weiterer Gedanke von Kant, nämlich der Gedanke eines interesselosen Wohlgefallens und der Zweckfreiheit einer ästhetischen Praxis, spielt in den aktuellen Diskursen über ästhetische Bildung eine entscheidende Rolle.

Eine weitere Frage ist die Frage danach, an welchen Gegenständen man ästhetische Erfahrungen machen kann. M. E. nach kann man an jedem Gegenstand Aspekte der Form, Farbe und Gestalt, kann man Strukturen des Materials oder Abläufe von Prozessen beobachten. Es kommt dabei auf den Modus der Wahrnehmung im Subjekt an: Betrachte ich Dinge oder Prozesse unter dem Aspekt der Nutzbarkeit für andere Zwecke oder lasse ich mich – durchaus kontemplativ – auf den Aspekt der Gestalt, der Farbe etc. ein. Künstlerische Gegenstände verstärken diese Form der ästhetischen Wahrnehmung noch dadurch, dass sie quasi immanent die Aufforderung in sich tragen, sich auf den ästhetischen Wahrnehmungsmodus einzulassen.

Durchaus in diesem Sinne definiert das „Lexikon der Ästhetik“ (Henckmann/Lotter 2004):

„Die ä.E. (ästhetische Erfahrung; M.F.) stellt sich als eine meist plötzlich eintretende, mit Lust empfundene Umfunktionierung der alltäglichen Erfahrung dar (Dewey), die deren gesamte Grundstruktur – das heißt das Subjekt, das Objekt und die Erfahrungsweise – ihres lebenspraktischen Realitätscharakters enthebt (Entlastungsfunktion). Die auf diese Weise an der gesamten Erfahrungsstruktur freigesetzten subjektiven und objektiven Erfahrungsmomente werden für eine gewisse Zeitspanne einer der ä.E. eigenen, immanenten Gesetzmäßigkeit und Entfaltungsdynamik überlassen. Die ä.E. weist somit einen deutlich empfundenen Anfang, eine durch das Objekt veranlasste und unmerklich gelenkte Entwicklungsstruktur und ein allmählich verbleibendes Ende auf, hat also eine bestimmte Verlaufsgestalt (Ingarden), in der sinnliche Wahrnehmung, Gefühl, Wollen und Denken auf der Grundlage einer das Realitätsbewusstsein neutralisierenden Einstellung spielerisch zusammenwirken.“ (83)

Bei der Nutzung ästhetischer Methoden im Fachunterricht wird man diese „reine Lehre“ des Ästhetischen nicht oder zumindest nicht immer anwenden können, da der Unterricht einen bestimmten Zweck erfüllt und auch die Anwendung ästhetischer Methoden diesem Zweck dienen muss.

Dies ist insofern ein wichtiger Hinweis, als ästhetische Methoden im Fachunterricht nur einen Teil der ästhetischen Praxis in einer Kulturschule ausmachen: Im außerunterrichtlichen Bereich, in Arbeitsgemeinschaften, bei der Kooperation mit Kultureinrichtungen und mit Künstlerinnen und Künstlern wird man sehr viel mehr dieses Prinzip des „interesselosen Wohlgefallens“ realisieren können.

Neu ist übrigens „die Aufnahme der ästhetischen Dimension in der Schule“ (so die Überschrift des Kapitels 3.5.3 in Duncker 1987) nicht: Denn ästhetisches Material wird immer schon als „willkommener Schreib- und Sprechanlass und als Garant für die Bündelung von Aufmerksamkeit“ benutzt. „Es dient der Motivation und Veranschaulichung von – so ist jedenfalls die gängige Praxis – eigentlich sprachlich zu bewältigenden Lernprozessen. Als Untermalung, Illustration und Ausschmückung unterstreicht es die Vorherrschaft des Schreibens, Lesens und Sprechens.… Die Dienstleistungsfunktion des Ästhetischen wird in diesen Fächern auch deshalb besonders deutlich, weil hier von Lehrern und Schülern Ausgleich und Kompensation von den entsinnlichten Inhalten und Lernformen der übrigen Fächer erwartet werden.“ (199)

Page 41:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

41

Duncker weist zudem darauf hin, dass das Ästhetische in Form der Körperhaltung, der Mimik und Gestik, die den offiziellen ästhetischen Normen entgegengehalten werden, eine Protestfunktion für die Jugendlichen (die Schülerinnen und Schüler) hat. (ebd.)

Es scheint so zu sein, dass die Situation heute günstiger ist als zu der Zeit, als Duncker seine Analyse vorgelegt hat. Denn inzwischen ist auch in der Erziehungswissenschaft erkannt worden, dass es unterschiedliche Formen von Lernen gibt, nämlich mimetisches Lernen, performatives Lernen, leibliches Lernen, also Lernformen, bei denen es bereits unmittelbar einen Bezug zur Sinnlichkeit des Menschen gibt. Christian Rittelmeyer (aktuell 2016) weist in immer neuen Untersuchungen und Studien unter Einbeziehung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse und empirischer Forschungen darauf hin, wie notwendig die Einbeziehung des Ästhetischen und die damit verbundene Körperlichkeit des Menschen im pädagogischen Bereich und insbesondere auch in der Schule ist.

Vor diesem Hintergrund sind systematische Ansätze zu einer Erarbeitung einer pädagogischen Ästhetik interessant (siehe etwa den Beitrag von Armin Bernhard in Braun/Fuchs/Zacharias 2015 oder Teil 2: Pädagogische Ästhetik in Fuchs/Braun 2016 mit Beiträgen von Georg Bertram, Christian Allesch, Jens Kastner, Barbara Hornberger, Phillip Knobloch und Jörg Zirfas sowie von Max Fuchs).

Im Folgenden wird am Beispiel einzelner Aspekte, die relevant für das Unterrichten sind, gezeigt, was das „Prinzip Ästhetik“ jeweils bedeutet.

Page 42:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

42

10. Rahmenbedingungen und Kontexte und ihre Gestaltung

Menschen, die sich wohl fühlen, lernen besser. Auf der anderen Seite weiß man, dass Unwohlsein und Unbehagen oder vielleicht sogar Furcht und Angst geradezu Lernverhinderer sind. Es ist daher richtig, dass in den letzten Jahren auch die Politik erkannt hat, dass es bei der Frage um das "gute Leben" bei aller Relevanz der materiellen Basis auch auf die Rahmenbedingungen des Lebens ankommen. Man diskutiert dies heute unter dem Begriff des Wellbeing (McLellan 2012).

Zu diesem Rahmen gehört eindeutig die räumliche Gestaltung der Umgebung, in der man sich bewegt, dazu. In unserem Zusammenhang geht es dabei um die Architektur der Schule, um die innere und äußere Gestaltung des Gebäudes und der Räume. All dies prägt die Atmosphäre, die jeder sofort spürt, wenn er in das Schulgebäude eintritt. Man merkt, ob das Haus liebevoll oder lieblos gestaltet ist, ob es eine Sorgfalt gibt, die auch auf Kleinigkeiten achtet. All dies hat nicht nur mit dem Verfügen über entsprechende Geldmittel zu tun, denn die Kommune als der übliche Schulträger in Deutschland hat in der Regel wenig Geld.

Die Gestaltung des Hauses hat einen großen Einfluss auf das Verhalten der Menschen. Man weiß, dass Heranwachsende sich in sorgsam gestalteten Umgebungen selbst auch sorgsam verhalten. Vandalismus ist in derart gestalteten Schulen eher eine Seltenheit. Schularchitektur ist daher immer wieder Thema in der Erziehungswissenschaft gewesen. Schon in den 1990 er Jahren setzte sich Christian Rittelmeyer (1991) mit der Schularchitektur auseinander. Aktuell ist es die Essener Erziehungswissenschaftlerin Jeanette Böhme (2009), die zu diesem Thema arbeitet. Unter den reformpädagogischen Ansätzen ist es insbesondere die Waldorfpädagogik, die sich um dieses Thema gekümmert hat (die problematischen weltanschaulichen Grundlagen dieses Ansatzes seien hier nur erwähnt).

Was für das Haus der Schule gilt, gilt auch für die einzelnen Räume, gilt für die Klassenzimmer. Anders als an amerikanischen Schulen, wo ein Raum fest einem speziellen Lehrer zugeordnet ist, der diesen wie ein Büro oder sogar wie ein Wohnzimmer nach eigenen Geschmackskriterien einrichtet, ist es an deutschen Schulen zumindest bis zur Sekundarstufe II üblich, dass es Klassenzimmer gibt. Auch diese kann man „schön“, zumindest aber wohnlich gestalten, so dass eine anregende Lernatmosphäre entsteht. Da hierbei die Lehrerinnen und Lehrer ständig wechseln, muss in besonderer Weise darauf geachtet werden, dass ein einmal erreichter „kultivierter“ Zustand des Klassenraumes auch erhalten bleibt. Es geht um die Regelung einer besonderen Verantwortlichkeit für die Klassenraumgestaltung bei Schülerinnen und Schülern, aber auch bei Lehrerinnen und Lehrern. Gelegentlich brauchen ästhetische Praktiken mehr Platz, so dass es von der Organisation der Schule insgesamt abhängt, dass dieser Platz auch zur Verfügung steht.

Neben der Gestaltung des Raumes geht es auch um die Gestaltung der Zeit. Die Schule gilt als Institution eines strengen Zeitregimes. Dieses ist sicherlich auch notwendig, weil eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern sowie eine große Zahl von Lehrerinnen und Lehrern in eine gewisse verbindliche Organisationsform gebracht werden müssen. Doch haben inzwischen auch aufgrund der modernisierten Schulgesetze und veränderter Regelsysteme für die Schule die einzelnen Schulen eine große Autonomie in der Gestaltung ihrer zeitlichen Abläufe. So gibt es heute in Deutschland zwar noch an vielen Schulen die übliche Schulstunde mit einer Dauer von 45 Minuten, doch sind viele Schulen dazu übergegangen, diese Zeitregelung zu verändern. Man findet Blöcke von 60 Minuten,

Page 43:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

43

von 80 Minuten, man findet die Realisierung der Idee des Epochenunterrichts, kurz: Man schafft Freiräume für ein Lernen, das nicht bloß in den kleinen Portionen einer 45 Minuten Stunde stattfinden muss. Davon profitieren insbesondere ästhetische Praktiken. Es kehrt zudem mehr Ruhe - was auch eine ästhetisch-sinnliche Qualität ist - ein.

Bis tief ins 19. Jahrhundert hielt sich trotz der Dominanz der idealistischen Autonomieästhetik, so wie sie von Kant, Schiller und anderen entwickelt worden ist, der traditionelle Gedanke, dass die Ästhetik etwas mit Geschmack zu tun hat. Geschmack wiederum war keineswegs ein ausschließlich ästhetischer Begriff, sondern er war – wie man an dem bis heute immer wieder zitierten Buch des Freiherrn von Knigge erkennen kann – auch eine Kategorie der sozialen Ordnung, eines kultivierten Umgangs untereinander. Dies hatte etwas mit der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft zu tun, die für sich eigene Umgangsformen entwickeln musste. Die Kategorie des Geschmacks erfüllt so eine Brückenfunktion zwischen der Ästhetik und der Moralphilosophie.

Im Hinblick auf die kulturelle Unterrichtsentwicklung bedeutet dies, dass Ästhetik hier in diesem weiten Sinne verstanden werden soll: Es geht auch um die Frage eines „ästhetischen Umgangs“ miteinander. Dies macht auch einen der Unterschiede zwischen dem Begriff der kulturellen Bildung der ästhetischen Bildung aus. Denn der Kulturbegriff, der als Attribut des Bildungsbegriffs hier auftaucht, meint zumindest zweierlei: Zum einen geht es darum, dass „Kultur“ auf die Gesellschaftlichkeit des Verhaltens hinweist, denn der Kulturbegriff bezieht sich üblicherweise auf eine soziale Dimension. Zum anderen hat der Kulturbegriff – gerade in der deutschen Tradition – eine normative Dimension. Es geht um Kultivierung, es geht um Verbesserung, es geht um ein akzeptables Umgehen miteinander.

Im Hinblick auf eine kulturelle Unterrichtsentwicklung bedeutet dies, dass ein besonderer Wert auf die Kommunikation und Interaktion untereinander gelegt wird. Dies ist natürlich nichts Neues, denn die oben zitierten Kriterienkataloge für einen guten Unterricht enthalten immer diesen Aspekt eines kultivierten Umgangs. Dies betrifft dabei nicht bloß den Umgang der Schülerinnen und Schüler untereinander oder zu dem Lehrer, es betrifft auch und gerade den Umgang des Lehrers oder der Lehrerin mit seinen Schülerinnen und Schülern. Zwar wird immer wieder in der Presse davon berichtet, dass es auch im Unterricht zu Gewalt gegenüber Lehrerinnen und Lehrern kommt, muss man aber auch sehen, dass es so etwas wie eine verbale und kulturelle Gewalt gibt, dass es Formen einer Diskriminierung und Demütigung gibt, die durchaus auch von Lehrerinnen und Lehrern praktiziert werden. Eine Schule, die offensiv eine kulturelle Profilierung betreibt, muss daher auf diesen Aspekt des miteinander Umgehens einen großen Wert legen: Es genügt nicht, dass man schöne und vorzeigbare Kunstprojekte durchführt, um eine Kulturschule zu sein.

Zu den Kontexten und Voraussetzungen des Unterrichts gehören Regelungen, die außerhalb des Unterrichts getroffen werden. So kann die Schule im Rahmen „schulscharfer Einstellungen“ dafür sorgen, dass neu eingestellte Lehrerinnen und Lehrer von der Richtigkeit der kulturellen Profilierung überzeugt sind, sie mittragen und weiterentwickeln wollen. Man muss zudem sehen, dass auch in einer Schule viele Kulturen nebeneinander existieren. Damit sind nicht bloß die unterschiedlichen ethnischen Herkünfte der Schülerinnen und Schüler und zunehmend auch der Lehrerinnen und Lehrer gemeint: Es gibt auch unterschiedliche Spezialkulturen in den einzelnen Fachkonferenzen. Mathematiker oder Physiker gehen zum Teil anders miteinander, mit Schülern und mit ihrem Unterrichtsgegenstand um als Lehrerinnen und Lehrer mit geistes- oder sozialwissenschaftlichen Fächern.

Page 44:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

44

Bei einer Befragung von Schülerinnen und Schülern in einer Schule, die sich selbst Kulturschule nennt, definierten diese eine Kulturschule als eine multikulturelle Schule, die die Vielfalt der Kulturen nicht nur akzeptiert, sondern schätzt und auch nutzt in der täglichen Arbeit.

Diese Aspekte erfassten die Berliner und später auch die Hamburger Didaktik unter den "Bedingungsfeldern von Unterricht". Man muss allerdings sehen, dass auch diese Bedingungsfelder möglicherweise nicht in einer konkreten Unterrichtsstunde, wohl aber im Kontext der Schule insgesamt zu Entscheidungsfeldern werden, indem die Schule heute im Zuge der modernen Schulgesetzgebung einen erheblichen Einfluss darauf nehmen kann. Diese Chancen kann man gerade bei einer kulturellen Profilierung von Schule und des Unterrichts nutzen.

Page 45:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

45

11. Das Ästhetische am Unterrichtsinhalt

Wenn dafür plädiert werden soll, dass auch im nichtkünstlerischen Fachunterricht ästhetische bzw. künstlerische Methoden angewandt werden sollen, dass es also auch im Biologie-, Physik-, Chemie- oder Mathematikunterricht Möglichkeiten geben soll, ästhetische Erfahrungen zu machen, dann müsste das gemäß der obigen These deshalb möglich sein, weil man ästhetische Erfahrungen an jedem Gegenstand machen könne. Es komme dabei darauf an, dass man sich in einem entsprechenden Wahrnehmungsmodus befindet. Die Frage ist daher zunächst einmal, wie es gelingt, dass sich eine solche innere Disposition in der Klasse einstellt, denn offensichtlich funktioniert es nicht so, dass man bloß einen Schalter umlegen muss. Entscheidend für das Gelingen ist die Atmosphäre im Klassenzimmer. Gibt es eine Atmosphäre der Konzentration und Ruhe oder eine Atmosphäre der Hektik? Offensichtlich haben hier Lehrerin oder Lehrer eine besondere Verantwortung, denn es kommt auf die Fähigkeit und Kompetenz an, eine solche Atmosphäre herstellen zu können. Dies wiederum hat zu tun mit der Haltung, mit der man in den Unterricht geht und die man gegenüber den Schülerinnen und Schülern und dem Unterrichtsinhalt einnimmt.

Man kann also festhalten, dass es bei der Herstellung einer Atmosphäre, die ästhetische Erfahrungsprozesse unterstützt, zum einen auf die innere Haltung der Lehrperson ankommt, die selbst bereit sein muss, einen solchen Erfahrungs- und Wahrnehmungsprozess zu unterstützen, Atmosphäre ist zudem etwas, was durch Koproduktion aller Beteiligten entsteht, was also ein aktives Mitmachen von Seiten der Schülerinnen und Schülern erfordert. Eine dritte Dimension der Entstehung von Atmosphäre ist die oben angesprochene räumliche Gegebenheit.

Natürlich ist auch der Gegenstand, auf den sich die Aufmerksamkeit und Konzentration richten soll, von erheblicher Bedeutung.

Von dem Unterrichtsgegenstand her gibt es bei jedem Inhalt Möglichkeiten des Innehaltens. Man hat solche Möglichkeiten etwa bei der Beobachtung von Abläufen bei chemischen Experimenten, bei denen man sich in seiner Wahrnehmungsfähigkeit, d.h. mit allen Sinnen gegenüber dem stattfindenden Prozess öffnet. Ähnliches gilt für andere naturwissenschaftliche Fächer. Auch in der Mathematik lässt sich die Konzentration auf sinnliche Qualitäten richten.

Dass die Einbeziehung der Sinnlichkeit ein Problem ist, wird immer wieder thematisiert:

„Die Sinnlichkeit der Schüler wird häufig nur noch in Motivationsphasen oder in bestimmten Fächern (Kunst, Musik, Sport)... zugelassen. Ignoriert wird, dass in einem Unterrichtsraum Schüler sitzen, die sehen, hören, riechen, fühlen, gehen, greifen, spielen können und deren Identität sich zu einem großen Teil über körperliche Darstellung und Verständigung herstellt. Die Entsinnlichung des Unterrichts hat.... Folgen, die Lehrer immer wieder übersehen: die Unterrichtsinhalte bleiben den Schülern äußerlich, deren wirkliche Lernprozesse, die Ergebnisse und Erfahrungen, sich auf die sinnlichen Momente der Unterrichtssituation beziehen.“ (Scheller, zitiert nach Jahnke-Klein 2001, 191)

Damit komme ich zu einem weiteren Aspekt, der eine Rolle bei der Herstellung eines ästhetischen Wahrnehmungsmodus spielt: das Ästhetische am Gegenstand.

Zunächst einmal ist daran zu erinnern, dass die Basis des Ästhetischen das Aisthetische ist, also das, was mit den Sinnen wahrgenommen werden kann. Offensichtlich spielen die Sinne bei jedem Lern-und Erkenntnisprozess eine wichtige Rolle. Und offensichtlich gibt es keinen Gegenstand, bei dem die

Page 46:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

46

sinnliche Wahrnehmung keine Rolle spielt. Bei den Naturwissenschaften scheint dies unmittelbar klar zu sein, denn es geht um „Natur“, freilich in der spezifischen Dimension des jeweiligen Unterrichtsfachs. Bei den Gesellschaftswissenschaften spielen auch beobachtbare „Gegenstände“ eine wichtige Rolle: Es geht um Menschen in ihrem sozialen, politischen oder kulturellen Verhalten. Wenn es Aufgabe der Schule und des Unterrichts ist, ein systematisches Bild von Welt vorzustellen, so ist gleichzeitig zu berücksichtigen, dass diese „Welt“ nur begrenzt unmittelbar im Unterricht auftauchen kann, sondern normalerweise in Form symbolischer Repräsentation. Symbole wiederum können definiert werden über einen materiellen Träger, der mit bestimmten Bedeutungen versehen ist (Fuchs 2012). Mathematische Formeln in der Naturwissenschaft haben unmittelbar eine solche Bedeutung, weil es etwa um messbare Größen von Naturkräften geht. Zeichnungen, Bilder, Skizzen, Grafiken, Karten: Alle Medien sind solche symbolische Repräsentation von Wirklichkeitsausschnitten. Dies wusste schon Comenius, der insofern als Begründer einer Medienpädagogik in der Schule gelten kann, als er seine Pädagogik auf ein Verständnis von Lernen als Handlung stützte, die wiederum sehr stark auf der Anschauung basierte. Vor diesem Hintergrund entwickelte er sein Werk Orbis Sensualium Pictus, die sichtbare Welt in Bildern.

Damit ist eine wichtige Erkenntnis gewonnen, die Tatsache nämlich, dass die Nutzung ästhetischer Methoden im Fachunterricht keineswegs eine absolute Innovation ist, sondern vielmehr über Prinzipien der Handlungsorientierung und der Tätigkeit sowie der Anschaulichkeit schon längst zum Standardrepertoire jedes Unterrichtens gehört.

Nun wurde oben vermerkt, dass Ästhetische Erfahrung etwas mit dem „Umfunktionieren der alltäglichen Erfahrung“ zu tun hat. Interessanterweise ist das Einnehmen eines anderen Blickwinkels, das Heraustreten aus der Wahrnehmungsroutine, die Erprobung eines anderen Blicks ein zentrales Prinzip, das bei allen innovativen Forschern und Wissenschaftlern genutzt wird. Wissenschaftliche Forschung hat nämlich sehr viel mit Kreativität und Fantasie zu tun, und deren Basis besteht darin, die scheinbare Selbstverständlichkeit der Alltagswahrnehmung zu brechen. Die Alltagswahrnehmung suggeriert nämlich durchaus, dass die Erde eine Scheibe ist, die am Horizont endet. In der Alltagswahrnehmung dreht sich die Sonne um die Erde, in der Alltagswahrnehmung fällt ein Stück Eisen sehr viel schneller als eine Feder.

Der Physikdidaktiker Martin Wagenschein hat schon sehr früh Unterrichtsmethoden entwickelt, die diese scheinbare Selbstverständlichkeit der Alltagswahrnehmung zwar ernstgenommen, dann aber durchbrochen haben. Neue Sichtweisen, neue Fragen, überraschende Wahrnehmungen stehen am Anfang wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Damit man eine solche Disposition einnehmen kann, die gerade bei der Entwicklung von wissenschaftlichem Wissen notwendig ist, benötigt man eine solche Atmosphäre, wie sie oben beschrieben wurde. Neugierde muss sich entwickeln können. Also auch hier kann man feststellen, dass es eine große Gemeinsamkeit zwischen einer ästhetischen Erfahrung und einer wissenschaftlichen Erfahrung gibt, die beide die Basis für Lernerlebnisse sein können. Auch ein wissenschaftliches Interesse konzentriert sich auf Farben, Formen, auf sichtbare Strukturen.

So hat mir mal ein Holzbildhauer erklärt, dass er keineswegs eine vorgefasste Struktur jedem beliebigen Stück Holz aufzwingen will, sondern dass er sich auf die naturgegebene Struktur dieses Holzes bei seinem künstlerischen Schaffungsprozess einlässt. Die Struktur dieses Holzes wiederum ist ein Teil einer biologischen Entwicklung des Baumes.

Page 47:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

47

Es sollen hier nur Andeutungen gemacht werden, was unter einer ästhetischen Dimension eines Gegenstandes verstanden werden kann. In der Darstellung konkreter Unterrichtsbeispiele soll dies vertieft werden. Solche Beispiele liegen inzwischen in größerer Zahl vor. So haben kunstaffine Fachdidaktiker/innen in einer Lehrerfortbildung am Beispiel der Mathematik, der Geographie, des Sportes, der Biologie oder des Fremdsprachenunterrichts gezeigt, in welcher Weise das Ästhetische an den jeweiligen Gegenständen aufgezeigt und bei Lernprozessen genutzt werden kann (Fuchs/Braun 2015, Teil 3: Ästhetisches Lernen im Fachunterricht; vergleiche auch das Werkbuch .06 der Arbeitsstelle kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW 2014 mit zahlreichen weiteren Beispielen).

Gelegentlich wird man mit der Meinung konfrontiert, dass es zwar in Fächern, die es mit der gegenständlichen Welt zu tun haben, möglich ist, eine solche ästhetische Dimension aufzuzeigen und im Unterricht zu nutzen, dass dies aber etwa bei der Mathematik mit ihrer spezifischen Zeichensprache und ihrer Konzentration auf abstrakte Strukturen nicht ohne weiteres möglich sei. Vor diesem Hintergrund ist an Folgendes zu erinnern (vgl. Fuchs 1984b).

So findet man etwa im Lehrplan der mittelalterlichen Universität den Kanon der sieben freien Künste, die sich wiederum in das Trivium und das Quadrivium unterteilten. Das Quadrivium bestand aus den vier Gebieten Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Bei der Musik ging es dabei nicht um praktisches Musizieren, sondern um musiktheoretische, also mathematische Grundlagen der Musik. Man erinnere sich, dass Symmetrie oder Proportionen sowohl Kernbegriffe der Mathematik als auch der bildenden Kunst sind. Man erinnere sich, dass die Zentralperspektive von italienischen Künstlern in der Renaissance entwickelt worden ist. Bei den berühmten Renaissancekünstlern wie etwa Leonardo da Vinci kann man in der Regel kaum entscheiden, welchem Gebiet man sie überhaupt zuordnen kann. Auch die bedeutenden Physiker wie Galilei oder Newton illustrierten mit großer Sorgfalt ihre Werke selbst. Kepler wiederum schrieb über die „Harmonie der Welt“ und nutzte bewusst diese ästhetische Kategorie. Die Aussagen bedeutender Naturforscher über die Rolle eines künstlerisch-kreativen Zugangs zu ihrem Forschungsgebiet und als Quelle ihrer Entdeckungen sind Legion.

All dies ist natürlich nicht neu, sondern schon seit langem bekannt. So hat bereits im Jahr 1974 der ungarische Mathematiker und Psychologe Z. P. Dienes seine langjährigen Erfahrungen im Umgang mit Mathematik, Musik und Tanz in seinem Buch „Strukturen in Bewegung und Rhythmus“ beschrieben. Der Klappentext beschreibt dies so:

„Der besondere Reiz dieses Buches liegt in dem unkonventionellen Versuch, Bezüge zwischen Mathematik, Leibeserziehung, Tanz, Musik und Kunst aufzuzeigen, um daraus eine Bereicherung des Mathematikunterrichts zu erzielen. Dienes bietet eine Fülle von Anregungen: Tanz- und Gymnastikspiele, deren Struktur mathematischen Gruppen entspricht; Zahl- und Rechenspiele mit einer Fingersprache; rhythmische Melodiespiele. Die Darstellung erfolgt weitgehend in Beispielen, die der Verfasser und seine Mitarbeiter in Schulklassen verschiedenen Niveaus erprobt haben. Ausführungen über entsprechende Lernprozesse und den Aufbau einer mathematischen Sprache bieten darüber hinaus wertvolle Hilfen. Auch fachfremde Lehrkräfte werden hier angeregt, Kenntnisse aus ihren eigenen Fächern in den Mathematikunterricht einzubauen. Das Buch vermittelt Einsicht in den kulturellen Aspekt der neuen Mathematik.“

Mathematik und die Naturwissenschaften gehören nur bei wenigen Schülerinnen und Schülern zu den beliebtesten Fächern. In einer Denkschrift des „Vereins zur Förderung des mathematischen und

Page 48:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

48

naturwissenschaftlichen Unterrichts – Landesverband Bremen“ ist von Krisen die Rede. Diese Krisen manifestieren “sich in mindestens drei Aspekten als

– Akzeptanz-Krise auf Seiten der Schülerinnen und Schüler, die Naturwissenschaften, speziell Physik und Chemie als „schwierig“ und „unattraktiv“ bezeichnen und in der Oberstufe möglichst abwählen;

– Inhalts- und Methodenkrise: nach Meinung vieler Lehrer am Fachdidaktiker sind die Inhalte zu abstrakt, theoretisch und vom Alltag entfernt; die Wirkungen des Unterrichts beim Aufbau einer zur Teilnahme an gesellschaftlichen Entscheidungen befähigenden naturwissenschaftlich-technischen Bildung sind unbefriedigend…“

Als junger Mathematiklehrer und auch als Student der Mathematik habe ich ebenfalls vielfältige Erfahrungen mit dem Lernen von Mathematik gemacht. Ein Ärgernis für mich war immer, dass Mathematik in Lehrbüchern (sowohl an der Hochschule als auch in der Schule) als erratischer Block dargestellt wurde, als unangreifbares Wissensgebiet, das ohne jede Bezüge zu sozialen, kulturellen, politischen, weltanschaulichen etc. Kontexten entstanden ist und auf ewig unveränderlich bleibt. In meinem Mathematikunterricht habe ich daher immer wieder Beispiele dafür gegeben, inwieweit Mathematik eingebunden war in die weltanschaulichen Kämpfe ihrer Zeit, wie sie auch mit Blut, Schweiß und Tränen der Akteure entwickelt wurde. Mathematik war für mich Teil einer kulturellen Entwicklung. Für meine Praxis zu spät hat Jahrzehnte später der oben genannte Verein die These formuliert:

„Sinnfragen als Anteile eines bildenden Unterrichts

Ein Unterricht, der sich im Wesentlichen darüber definiert, welche Kenntnisse und Fähigkeiten er vermittelt, wird nicht als „bildend“ anerkannt. Zu den Kenntnissen und Fähigkeiten müssen Sinnfragen und Aspekte des Lebensbezuges als konstitutive und explizite Anteile des Fachunterrichts treten.“

Zustimmend wird der Erziehungswissenschaftler Dietrich Benner zitiert, der schreibt:

„Wissenschaftlicher Unterricht erfordert, um bildend in einem aufklärenden Sinne wirken zu können, dass die wissenschaftlichen Aussagesysteme unter Berücksichtigung ihrer historisch-gesellschaftlichen Entstehungs- und Anwendungshorizonte gelehrt und gelernt werden“ (ebd).

Ein weiteres wichtiges Bildungsprinzip hat der Mathematikdidaktiker Hans-Werner Heymann in seinem damals von der Fachwissenschaft heftig kritisierten Buch „Allgemeinbildung und Mathematik“ (1996) formuliert: nämlich kulturelle Kohärenz. Dies deckt sich mit der oben zitierten Forderung nach Einbettung einzelwissenschaftlicher Erkenntnisse in kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen. Ich möchte daher ein Beispiel dafür geben, wie sich bestimmte Grundgedanken quer durch unterschiedliche Fachdisziplinen ziehen können.

Page 49:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

49

Kulturelle Kohärenz: Aspekte der Sinnhaftigkeit von Mathematik und Naturwissenschaften

Die Zeit von 1770 bis 1830 nennt man im Anschluss an den Historiker Reinhart Koselleck „Sattelzeit“. Es ist eine Zeit der gesellschaftlichen und intellektuellen Veränderungen. Eine wesentliche Veränderung fand in der Theorie der Sprache statt. Die Philanthropen, eine erste erfolgreiche Schule von Pädagogen, gründeten nicht nur zahlreiche Versuchsschulen, sondern wurden sogar in einzelnen Fürstentümern Deutschlands mit der Entwicklung des Schulsystems beauftragt. Sie entwickelten umfangreiche Arbeitshilfen und Lehrtexte und waren in ihrer erkenntnistheoretischen und gesellschaftspolitischen Grundhaltung ein Teil der Aufklärung. Mit Ernst Christian Trapp (vgl. Fuchs 1984) stellten sie den ersten Universitätsprofessor, der ausschließlich für Pädagogik zuständig war (Universität Halle).

Obwohl also die Rahmenbedingungen ausgesprochen günstig waren, legte nach kurzer Zeit Trapp seine Professur nieder und wurde durch eine Person, nämlich Friedrich Wolf, ersetzt, der in wissenschaftstheoretischer und politischer Hinsicht das genaue Gegenteil von Trapp war. Dieser Wechsel hat mich so sehr interessiert, dass ich darüber meine Dissertation geschrieben habe. Trotz meiner Sympathie für die Aufklärung und ihre Repräsentanten kam ich zu dem Ergebnis, dass dieser personelle Wechsel, der zugleich ein Paradigmenwechsel in der vorherrschenden Geisteshaltung war, zu Recht stattgefunden. Wesentlich für die Begrenztheit dieses Zweiges der Aufklärung war ihre Erkenntnis- und Sprachtheorie. Man nennt diese Sprachtheorie eine „designative“ Sprachtheorie, bei der es eine eineindeutige Verbindung zwischen der Welt der Dinge und der Welt der sprachlichen Bezeichnungen gibt. Dies gilt insbesondere auch für die Mathematik, weil in dieser Auffassung mathematische Zeichen aufs engste mit Dingen der gegenständlichen Welt verbunden waren. Ein Vorteil einer solchen Sichtweise besteht darin, dass man sich nur noch mit der Welt der Zeichen befassen muss, weil diese quasi eine Verdopplung der gegenständlichen Welt ist. Ein Nachteil dieser Auffassung besteht allerdings darin, dass damit der operative Umgang mit den Zeichen erheblich eingeschränkt wurde, da man immer das von den Zeichen bezeichnete Objekt im Auge haben musste.

Die Neuhumanisten lösten in ihrer Sprachtheorie die Zeichenebene daher radikal von der Welt der Dinge und machten sie von dieser unabhängig. Damit konnte man frei mit den Zeichen operieren. In der Bildungstheorie von Humboldt drückt sich das darin aus, dass er die alten Sprachen, also Sprachen einer nicht mehr existenten Kultur, bevorzugte. Damit löste er das Lernen von Sprachen (und die damit transportierten geistigen Entwicklungen) von einer (schlechten) Gegenwart. Das Griechische bot zudem die Gelegenheit, sich mit der Welt eines (konstruierten) Griechenlandes zu befassen, das in dieser Form nie existierte. Griechenland wurde als Land der Freiheit gefeiert, obwohl es in der Realität ein Sklavenhalterstaat war, bei dem überhaupt nicht die Rede von einer Demokratie sein konnte.

Dieser bildungstheoretische Ansatz war ein Ansatz der Emanzipation, da auf diese Weise – so die Hoffnung von Humboldt – die Lernenden sich in eine emanzipatorische Haltung einüben konnten, so dass sie später die Gesellschaft entsprechend gestalten wollten.

In der Mathematik führte diese Sprachtheorie zu einer unglaublichen Entwicklung der Reinen Mathematik, wobei das Dialektische an dieser Situation darin gesehen werden kann, dass die im

Page 50:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

50

Rahmen dieser Reinen Mathematik entwickelten neuen mathematischen Theorien später sehr viel besser geeignet waren, neue naturwissenschaftliche Theorien zu beschreiben.

Diesen Prozess der Emanzipation kann man während des ganzen 19. Jahrhunderts verfolgen. Emanzipiert hat sich das Theater als eigenständige Kunstform von der Literatur, denn bis dahin wurde das Theater nur als Umsetzung der eigentlich wichtigen Kunstform Literatur verstanden. Es emanzipierte sich die Musik davon, bloß eine Begleitakustik für festliche Akte zu sein und wurde ebenfalls zu einer eigenständigen Kunstform. Am Ende des Jahrhunderts emanzipierte sich die Malerei davon, die gegenständliche Welt abbilden zu müssen. Dies wurde natürlich auch beschleunigt durch die Erfindung der Fotografie. Man weiß aber aus Tagebüchern und Debatten, dass die Vertreter der modernen Malerei sich sehr intensiv mit den Entwicklungen in der Physik befasst haben. Es waren die Entwicklungen, die von Einstein, Max Planck und Kollegen vorangetrieben worden sind. Der berühmte französische Physiker und Mathematiker Henri Poincaré schrieb einige ausgesprochen erfolgreiche populärwissenschaftliche Bücher, in denen er für naturwissenschaftliche Laien diese neuen Entwicklungen in der Physik erklärte. Es ging um ein neues Verständnis von Raum und Zeit, was diese neue Malergeneration mit großem Enthusiasmus aufnahm.

Diese hier skizzierte Entwicklung zeigt, dass bestimmte Entwicklungen in einzelnen Disziplinen im Zusammenhang mit der geistigen Entwicklung der gesamten Zeit gesehen werden müssen. Das Ästhetische erweist sich dabei nicht als ein verzichtbare Zusatz, sondern es ist eine genuine Dimension eines Gegenstandes, kurz es geht um eine kulturelle Kohärenz, in der die Erfassung der ästhetischen Dimension der Gegenstände eine wichtige Rolle spielt.

Damit ist man bei einem weiteren didaktischen Prinzip, dem Prinzip des Entdeckenden Lernens. Auch dieses hat etwas damit zu tun, dass man dem Lernen Raum und Zeit gibt, damit man – quasi spielerisch – mit entsprechenden Materialien umgehen kann. Diese „Materialien“ können durchaus die Symbole und Zeichen sein, die man im Unterricht an der Stelle der realen „Welt“ verwendet. Auch die Mathematik hat auf diese Weise ihre materielle Basis. Denn die Art der Zeichen und Symbole, mit der bestimmte mathematische Zusammenhänge dargestellt werden, ist nicht beliebig. Eine der genialen Taten von Leibniz besteht etwa darin, eine solche Zeichensprache entwickelt zu haben, die bestimmte Operationen erst möglich macht. Und hierbei spielt die ästhetische Qualität dieser Zeichen durchaus eine Rolle bei der Unterstützung von Erfindungen und Erkenntnissen („ars inveniendi“).

Nicht zuletzt geht es um die Anwendung unterschiedlicher künstlerischer Methoden im Unterricht, auf die an dieser Stelle nur hingewiesen werden soll.

12. Ästhetisches Lernen im Unterricht

Page 51:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

51

Ästhetisches Lernen im Unterricht ist ein Spezialfall von ästhetischem Lernen generell, was wiederum ein Spezialfall von Lernen ist (vgl. Fuchs 2012, 142 ff.). Zu dem Lernen wurden oben schon einige Aspekte benannt: So gibt es zwar ein aufbauendes Lernen, das Lernen erfolgt aber nicht bloß kumulativ, sondern Lernen bedeutet gelegentlich auch Umlernen und Verlernen. Es wurde darauf hingewiesen, dass es im Rahmen einer (pädagogischen) allgemeinen Lerntheorie inzwischen zu einer Rehabilitation des sinnlichen Lernens gekommen ist, insofern leibliches, mimetisches oder performatives Lernen ausdrücklich einbezogen werden.

Damit sind in einer allgemeinen Lerntheorie bereits enge Beziehungen zu ästhetischem Lernen geknüpft, denn eine enge Verbindung wird durch die Einbeziehung der sinnlichen und leiblichen Seite des Menschen hergestellt.

Das Lernen im Unterricht bezieht sich auf vorgegebene Unterrichtsinhalte und findet in einem streng organisierten schulischen Rahmen statt. Dies bedeutet, dass die Kontexte des unterrichtlichen Lernens berücksichtigt werden müssen. Lernen im Unterricht ist zudem auch nur ein Teil des Lernens in der Schule, weil in der Schule auch im außerunterrichtlichen Bereich gelernt wird. Zudem ist daran zu erinnern, dass eine oft vorgenommene Zuordnung, dass Lernen im Unterricht zugleich ausschließlich formales Lernen sei, falsch ist. Denn im Unterricht finden alle Lernformen, nämlich formales, nonformales und informelles Lernen, gleichzeitig statt.

Auch das ästhetische Lernen im Unterricht muss daher die spezifischen Rahmenbedingungen unterrichtlichen Handelns berücksichtigen. Auch für ästhetisches Lernen in der Schule gilt, dass es nicht bloß im Unterricht stattfindet, sondern dass vielfältige Aktivitäten außerhalb des Unterrichts ebenfalls Möglichkeiten zu ästhetischem Lernen bieten. Auch bei ästhetischem Lernen kann man zudem formales, nonformales und informelles ästhetisches Lernen unterscheiden. Alle drei Lernformen im Bereich des ästhetischen Lernens finden zudem auch im Unterricht statt.

Ästhetisches Lernen findet – im Anschluss an die obigen Ausführungen – sowohl an beliebigen Gegenständen als auch an spezifischen künstlerischen Werken statt. Ästhetisches Lernen findet sowohl beabsichtigt als auch unbeabsichtigt statt. Das bedeutet insbesondere für die Lehrenden, dass die ästhetische Dimension auch dann eine Rolle spielt, wenn diese nicht ausdrücklich berücksichtigt worden ist.

Auf die besondere Atmosphäre, die für ästhetisches Lernen förderlich ist, wurde bereits oben hingewiesen. Ästhetisches Lernen hilft dabei, spezifische ästhetische Kompetenzen zu entwickeln. Von daher spielt es insbesondere in künstlerischen Fächern eine wichtige Rolle. Über ästhetisches Lernen entwickeln sich jedoch nicht bloß spezifische ästhetische Kompetenzen – etwa im Rahmen des Konzeptes einer ästhetischen Alphabetisierung –, über ästhetisches Lernen werden alle Dimensionen der Persönlichkeit angesprochen.

Daher sind mehrere Dimensionen im ästhetischen Lernen relevant:

– Mit ästhetischem Lernen erwirbt man spezifische ästhetische Kompetenzen an künstlerischen Gegenständen.

– Mit ästhetischem Lernen erwirbt man spezifische Kompetenzen an beliebigen Gegenständen.

– Mit ästhetischem Lernen erwirbt man allgemeine Kompetenzen sowohl an künstlerischen als auch an beliebigen Gegenständen

Page 52:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

52

– Ästhetisches Lernen ist also beides: sowohl ein relativ autonomes Feld (durchaus im Sinne der idealistischen Autonomieästhetik), als auch ein bloßes Instrument für außerästhetische Zwecke (Learning through the Arts bzw. Learning to the Arts).

Meike Aissen-Crewitt (1998) beschreibt dies so:

„Die Umsetzung des Prinzips der ästhetisch-aisthetischen Wahrnehmung und Erkenntnis erfordert, soll sie im Unterricht gelingen, Konsequenzen für Unterrichtsmittel und -ziele. Ohne hier eine abschließende Erörterung liefern zu wollen, scheint mir die Ermöglichung oder Inszenierung folgender Gelegenheiten sinnvoll:

– Gelegenheit, die Kunst der Wahrnehmung zu praktizieren: ästhetisch-aisthetische Erkenntnis setzt ästhetisch-aisthetische Wahrnehmung und Erfahrung voraus. Die Kinder sollten deshalb lernen bzw. ihnen sollte die Gelegenheit gegeben werden, mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu erkennen, und zwar ohne Festlegungen und Vorgaben.

– Gelegenheit, zu kreieren, zu erfinden, zu improvisieren: die Gelegenheit für genuine Intuition, Improvisation und Kreativität auf Seiten der Kinder ist im konventionellen Unterricht relativ selten anzutreffen. Wenn es richtig ist, dass viele der komplexesten Probleme, denen wir uns gegenüber sehen, nicht mittels Messung, Kalkulation und logischer Deduktion gelöst werden können, ist es notwendig, dass Kinder Gelegenheit zu ästhetischen Erfahrungen haben, in denen inventive, intuitive Denkweisen gefordert und gefördert werden.

– Gelegenheit, Vorstellungen und Erfahrungen darzustellen: Wahrnehmen reicht nicht. Es ist ebenso wichtig, in der Lage zu sein, dass, was man wahrnimmt, zu strukturieren, zu deuten, zu bewerten, darzustellen und zu kommunizieren. Hierzu sollten den Kindern vielfältige Möglichkeiten gegeben werden.

– Gelegenheit, sich in genuinen Untersuchungen zu engagieren: Untersuchung bedeutet immer ein „Herausfinden“. Kindern sollte deshalb Gelegenheit gegeben werden, ohne Festlegungen, mit „offenem Ende“ Probleme zu identifizieren und Hypothesen aufzustellen, um Erfahrungen zu machen, diese zu sammeln, zu synthetisieren und zu analysieren, um hierdurch zu lernen, Hypothesen zu verifizieren oder falsifizieren, möglicherweise auch eine Theorie zu bilden und diese mit anderen Kindern zu diskutieren.“

Diese Prinzipien des ästhetischen Lernens im Unterricht sind (in bestimmten Grenzen, die mit der Institution Schule zu tun haben) kompatibel mit den in der außerschulischen Kulturpädagogik entwickelten kulturpädagogischen Prinzipien:

– Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit

– Freiwilligkeit

– Partizipation

– Lebensweltorientierung

Page 53:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

53

– Erfahrung von Selbstwirksamkeit

– Fehlerfreundlichkeit und stärkere Orientierung

– selbstgesteuertes Lernen in Gruppen

– Offenheit für Vielfalt

– Zusammenarbeit mit Kulturpädagoginnen und Künstlerinnen

– Öffentlichkeit und Anerkennung.

Wie die Realisierung dieses Ansatzes im Unterricht geschieht, kann man nicht mehr auf dieser allgemeinen Ebene beschreiben, sondern muss man am Beispiel konkreter Unterrichtsinhalte aufzeigen. Dies muss an anderer Stelle geschehen.

13. Ästhetisches Lehren

Page 54:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

54

Wie oben erwähnt ist eigentümlicher Weise der Begriff des Lehrens in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion unterbelichtet. Einige Belege für diese Behauptung wurden oben benannt. Einen weiteren Beleg findet man in dem Buch von Hermann Giesecke (1997), der fünf pädagogische Handlungsformen unterscheidet (Unterrichten, Informieren, Beraten, Arrangieren und Animieren), unter denen Lehren nicht explizit auftaucht. Man spricht heute offensichtlich lieber von Lernbegleitung und Lernanregung, von der Gestaltung von Lernumgebungen und der Entwicklung einer Lernkultur.

Dieser allgemeine Befund gilt auch für unseren spezifischen Kontext. Möglicherweise ist sogar im Bereich der kulturellen und ästhetischen Bildung der Begriff des Lehrens noch mehr verpönt, da man in ihm ein eine Art Unterdrückungsverhältnis, eine Form der Indoktrination und Manipulation sieht, die eine kreative Entfaltung der Jugendlichen eher verhindern.

Die bislang ausführlichste Studie zum ästhetischen Lehren stammt von Klepacki/Klepacki/Lohwasser (2016). Diese Studie diskutiert ästhetisches Lehren im Kontext zweier unterschiedlicher Felder: im Kontext allgemeiner Erwägungen über das Lehren (mit der erwähnten Defizitbehauptung über die Thematisierung des Lehrens in der Pädagogik) und im Horizont des ästhetischen Denkens. Beides ist natürlich sinnvoll und könnte ergänzt werden durch den Horizont des institutionellen Rahmens der Schule. Eine weitere Facette könnte die unterschiedlichen Professionalitäten berücksichtigen, die auch bei einem ästhetischen Lehren im Schulunterricht eine Rolle spielen können: Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite und Künstlerinnen und Künstler auf der anderen Seite.

Eine erste Bestimmung ästhetischen Lehrens sieht dessen Aufgabe vor allem in der Anbahnung einer differenzierten sinnlichen Wahrnehmungs- und Erfahrungsfähigkeit des Subjekts: Es geht um die didaktische Restrukturierung von Wahrnehmungs- oder Gestaltungsformen und Wahrnehmungs- oder Gestaltungsinhalten in einer Weise, „dass ein In-Bezug-Setzen von Wahrnehmungen, Erfahrungen, Imaginationen und performativen Handlungsvollzügen derart möglich wird, dass sich ein differenziertes und kritisches ästhetisches Auffassungs- und Gestaltungsvermögen entwickeln kann.“ (51)

Im Hinblick auf diese Aufgabenbestimmung lässt sich feststellen, dass entsprechende sinnliche Momente im Unterricht immer schon stattfinden: So wir das Zeigen als Grundbegriff des Unterrichtens und der Pädagogik insgesamt gewürdigt (Klaus Prange), es wird von einer – vom Lehrer zu gestaltenden „Dramaturgie des Unterrichts“ gesprochen (Gottfried Hausmann). Und auch der „fruchtbare Moment“ (Friedrich Copei) ist ein Phänomen, bei dem kunstbezogene Ereignisse die Unterrichtslehre befruchten und das etwa Holzkamp (1993) in seiner Lerntheorie aufgenommen hat.

Bei der Entwicklung einer weiteren Bestimmung des ästhetischen Lehrens greift das Autorenteam auf das Konzept des ästhetischen Denkens von Wolfgang Welsch zurück. Diese sieht es in einem weitergreifenden Wahrnehmen, „bei dem man hinter dem Offenbaren auch noch etwas anderes erahnt und letztendlich auch in der Lage ist, dieses zu erfassen. Die Idee eines dezidiert ästhetischen Denkens bezieht sich bei Welsch daher insbesondere auch auf ästhetische und emotionale bzw. gefühlsbezogene Implikationen von Argumentationstypen und Denkstilen.“ (52)

Ästhetisches Lehren hätte in diesem Kontext das Ziel, ein solches Denkvermögen zu unterstützen.

Page 55:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

55

Im Hinblick auf die Inhalte des Unterrichts bestünde ästhetisches Lehren darin, die ästhetische und speziell die sinnliche Seite des jeweiligen Gegenstandes herauszuarbeiten:

„Das heißt, sowohl das sinnliche wie auch das kognitive Wahrnehmen bzw. Vernehmen des Lehrinhalts stehen in dem Sinne im Vordergrund, als es um ein Gewahrwerden der phänomenalen Komplexität ebendieses Inhalts oder Gegenstands geht, das wiederum die Basis für ein subjektives Verstehen von Komplexität generiert.“ (63)

Damit wird das Ästhetische zu einem besonderen Erkenntnisprinzip, wobei die Autoren eine durchaus ambitionierte Zielvorstellung formulieren:

„Ästhetisches Lehren wäre demnach eine Basis für die Entwicklung eines mündigen, differenziert und sensibel wahrnehmungsfähigen Individuums, das sich reflexiv auf kulturelle und soziale Transformationsprozesse einlassen, diese kritisch hinterfragen und aktiv mitgestalten kann. Schule und Unterricht könnten somit durch eine Betonung des Ästhetischen zu einem konkreten Erfahrungsraum werden, der nicht nur die Möglichkeit des Wahrnehmens und Verstehens der kontingenten, komplexen und emergenten Lebenswelt erschafft, sondern auch verschiedene Wege für die wahrnehmende, denkende und handelnde Auseinandersetzung mit den Erscheinungen und Strukturen der sogenannten Postmoderne und ihren Herausforderungen aufzeigen und vermitteln kann.“ (62).

Ein solches ästhetisches Lehren im Sinne der Autoren ist daher nicht bloß in den spezifisch ästhetischen Fächern möglich, sondern es geht um ein kategoriales, wahrnehmungs- und erfahrungsbasiertes Verstehen von Inhalten und Phänomenen (59) in jedem Fach, wobei sich die Autoren hier auf den auch schon oben zitierten Andreas Gruschka (2011) beziehen.

Es finden sich in dieser Analyse des ästhetischen Lehrens einige Grundgedanken wieder, die auch für meine eigene Grundkonzeption von Bildung und Schule wichtig sind. Wenn die Schule die Aufgabe hat, ein systematisches Bild von Welt zu entwickeln, so bedeutet dies, dass bei aller notwendigen Reduktion des jeweiligen Gegenstandes dessen Komplexität nicht vernachlässigt werden. Jeder Gegenstand lässt sich auf unterschiedliche Weisen erfassen, so wie es etwa Ernst Cassirer in seiner Philosophie der symbolischen Formen beschrieben hat. Wenn es also darum geht, einen Gegenstand in seiner Komplexität zu verstehen, dann bedeutet dies eben auch, in einer ästhetischen Zugriffsweise entsprechende Facetten dieses Gegenstandes zu verdeutlichen. Ein solcher ästhetischer Zugriff auf Dinge und Prozesse verschafft den Schülerinnen und Schülern in besonderer Weise das Erlebnis von Sinnhaftigkeit, auch weil sonst brachliegende Dispositionen seiner Persönlichkeit auf diese Weise gefordert und gefördert werden.

Es gibt allerdings bislang kaum Forschungen zu der Wirksamkeit eines so verstandenen ästhetischen Lehrens. Ebenso gibt es kaum Forschungen dazu, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich ergeben, wenn die Anleitung in solchen Lehr-Lern-Prozessen durch Lehrer und Lehrerinnen bzw. durch Künstler und Künstlerinnen erfolgt.

Sicher ist jedoch, dass es notwendig ist, entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen. Wir sind damit in dem Bereich der Personalentwicklung als wesentlichem Element der

Page 56:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

56

Schulentwicklung. Ein erster Schritt besteht dabei darin, dass Lehrerinnen und Lehrer sich mit ihrer eigenen Person davon überzeugen können, dass die einer ästhetischen Praxis zugeschriebenen Bildungswirkungen tatsächlich zutreffen.

Page 57:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

57

14. Schlussbemerkungen:

Kulturelle Unterrichtsentwicklung - Kulturelle Schulentwicklung

Unterrichtsentwicklung ist – wie die meisten Themen rund um die Schule – ein gut bearbeitetes Thema. Angesichts der riesigen Zahl von Unterrichtsstunden, die jeden Tag gegeben werden, überrascht das nicht. Über Unterricht denkt derjenige nach, der ihn geben muss. Über Unterricht denkt aber auch jeder nach, der ihn als Schüler oder Schülerinnen durchstehen muss. Unterricht entwickelt sich daher ständig.

Hilfreich ist der Gedanke, Unterricht als Koproduktion zu verstehen. Denn diese Sichtweise öffnet den Blick darauf, dass es nicht bloß der Lehrer oder die Lehrerin ist, die den Unterricht gestaltet. Allerdings versteht man oft unter Koproduktion lediglich zwei Seiten: die Seite der Lehrerinnen und Lehrer und die Seite der Schülerinnen und Schüler. Das ist natürlich richtig, doch gibt es erheblich mehr Einflussfaktoren, die letztlich darüber mitentscheiden, ob eine Unterrichtsstunde gelungen oder nicht gelungen ist. Einige dieser Wirkfaktoren sind im vorliegenden Text angesprochen worden. So ist es zunächst einmal die räumliche Situation, in der der Unterricht stattfindet. Die räumliche Unterrichtssituation entscheidet oft genug darüber, dass bestimmte Methoden wie etwa Gruppenunterricht durchgeführt werden können oder auch nicht. Haben die Räume eine katastrophale Akustik, so trägt dies auch nicht zu einer guten Unterrichtskultur bei.

Eltern spielen beim Unterricht eine Rolle, da sie in vielfacher Hinsicht sowohl direkt über ihre Möglichkeit der Elternvertretung als auch indirekt über ihren Einfluss auf ihre Kinder Einfluss nehmen können.

Die Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer ist natürlich ein wichtiger Einflussfaktor, so dass indirekt die Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, sowohl diejenigen, die es gibt, als auch diejenigen, die in der Realität genutzt werden, eine Rolle spielen.

Auch die Uhrzeit, wann der Unterricht stattfindet, ist eine wichtige Einflussgröße. Schülerinnen und Schüler in der achten oder 9. Stunde verhalten sich sicherlich anders als in der ersten und 2. Stunde. Ist es zudem ein Montag, so muss man im Unterricht auch die Auswirkungen des Wochenendes auffangen.

Der Lehrplan hat Einfluss auf den Unterricht ebenso wie die Entscheidungen der Fachkonferenz.

All diese Einflussfaktoren sind zugleich Stellschrauben bei der Entwicklung von Unterricht. Entwickelt sich Unterricht also immer schon alleine deshalb, weil es Veränderungen bei diesen Stellschrauben gibt, so gibt es auch gewünschte und absichtsvolle Veränderungen. Wird etwa Inklusion, individuelle Förderung oder kooperatives Lernen vorgeschrieben, so wird dies auch und gerade einen Einfluss auf die Gestaltung des Unterrichts haben.

Man kann also danach fragen, warum überhaupt Unterrichtsentwicklung stattfinden kann und muss, man kann danach fragen, wer die zentralen Akteure bei diesem Unterrichtsentwicklungsprozess sind, welche Ressourcen dafür zur Verfügung stehen, was am Unterricht entwickelt werden soll und nicht zuletzt mit welchen Methoden der Unterricht entwickelt wird.

Page 58:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

58

Zu all diesen Fragen gibt es eine reichhaltige Literatur bis hin zu veritablen Handbücher, die umfangreich und kompakt über unterschiedliche Dimensionen von Unterrichtsentwicklung informieren (zuletzt Rolff 2015).

Natürlich gibt es auch unterschiedliche Lehrmeinung darüber, wie Unterrichtsentwicklung zu geschehen habe. Es gibt Ansätze einer Unterrichtsentwicklung durch empirische Unterrichtsforschung und speziell durch Evaluation (durch Schülerinnen und Schüler und durch Lehrerinnen und Lehrer). Es gibt eine Unterrichtsentwicklung durch Veränderung der Lehrpläne, durch die Festlegung von Bildungsstandards, durch eine Veränderung der baulichen Gegebenheiten der Schule, durch eine Veränderung der Zeitstruktur in der Schule. Es gibt eine Unterrichtsentwicklung durch die Qualifizierung der Lehrkräfte, also durch Prozesse der Personalentwicklung, wobei insbesondere die Entwicklung der Methodenkompetenz eine wichtige Rolle spielt. Das entsprechende Kapitel in dem Handbuch Bohl und andere (2010) trägt die Überschrift: „Unterricht entwickeln, Lernumgebungen und Lernprozesse gestalten“. Es gibt eine Unterrichtsentwicklung, die zwangsläufig der Schulentwicklung stattfindet und es gibt Ansätze, die eine Schulentwicklung auf der Basis von Unterrichtsentwicklung durchführen wollen (Bastian 2007).

All diese Entwicklungsmöglichkeiten und Einflussfaktoren gelten natürlich auch im Rahmen einer kulturellen Unterrichtsentwicklung. Auch hier gilt in besonderer Weise, dass Unterricht im Kontext von Schule stattfindet und somit Unterrichtsentwicklung eingebunden ist in Prozesse der Schulentwicklung. Dies gilt etwa im Hinblick auf die Bereitstellung notwendiger Ressourcen im Hinblick auf Raum und Zeit. Es gilt natürlich auch im Hinblick auf eine spezifische ästhetische Qualifizierung der Lehrkräfte. In Hessen hatte man in früheren Jahren sehr gute Erfahrungen mit einer mobilen Lehrerfortbildung gemacht, bei der ein Team von Schauspielern und Theaterpädagogen Schulen aufsuchte und sie ganztägig theaterpädagogisch fortbildete.

Es gibt inzwischen hinreichende Erfahrungen mit pädagogischen Fortbildungstagen in Schulen, bei denen Lehrerinnen und Lehrer mit Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlicher Sparten arbeiten. Gute Erfahrungen wurden zudem mit dem Einsatz von kunstaffinen Fachdidaktikern, speziell in naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern gemacht (Fuchs/Braun 2016).

Im Rahmen von Unterrichtsentwicklung und speziell auch bei kultureller Unterrichtsentwicklung muss man dabei darauf achten, dass bewusst eine gewisse Nachhaltigkeit hergestellt wird. Nachhaltigkeit kann etwa dadurch entstehen, dass gute Erfahrungen, die bei einer Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern oder kunstaffinen Fachdidaktikern gemacht wurden, auch in den schulbezogenen Fach-Curriculum verankert werden. Das bedeutet, dass der erste soziale Kontext, in dem Unterrichtsentwicklung stattfindet, die jeweilige Fachkonferenz ist.

Bei dem oben zitierten Entwurf neuer Standards der Lehrerbildung der Kultusministerkonferenz spielt der Aspekt der Beteiligung an der Schulentwicklung eine wichtige Rolle. Gerade im Hinblick auf eine kulturelle Unterrichtsentwicklung ist dieses schulbezogene Engagement des Fachlehrers von besonderer Bedeutung, weil man zwar allein und isoliert gelegentlich eine ästhetische Methode im Unterricht anwenden kann, dass aber eine nachhaltige und systematische Anwendung des Prinzips Ästhetik nur dann funktioniert, wenn die Schule als Ganzes eine geeignete Umgebung für eine solche Initiative darstellt.

Page 59:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

59

Literatur

Aebli, Hans (1985): Zwölf Grundformen des Lehrens. Stuttgart: Klett-Cotta.

Aissen-Crewett, Meike (1998): Grundriss der ästhetisch-aisthetischen Erziehung. Potsdam: Universität.

Alt, Robert (1956): Die Erziehung auf frühen Stufen der Menschheitsentwicklung. Berlin: Volk und Wissen.

Alt Robert (1978): Das Bildungsmonopol. Berlin: Akademie.

Arbeitsstelle Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW (2014): Lernen mit Kunst und Kultur. Werkbuch .06. Remscheid: Selbstverlag.

Ariès, Philippe (1978): Geschichte der Kindheit. München: dtv.

Arnold, Karl-Heinz/Sandfuchs, Uwe/Wiechmann, Jürgen (Hrsg.)(2006): Handbuch Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Bastian, Johannes (2007): Einführung in die Unterrichtsentwicklung. Weinheim/Basel: Beltz.

Baumgart, Franzjörg/Lange, Ute/Wigger, Lothar (Hrsg.)(2005): Theorien des Unterrichts. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Benner, Dietrich/Oelkers, Jürgen (Hrsg.)(2010): Historisches Wörterbuch der Pädagogik. Weinheim/Basel: Beltz.

Berg, Christa u. a. (Hrsg.)(1996 ff.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Sechs Bde. München: Beck.

Blass, Josef Leonhard (1969): Herbarts Denkform oder Allgemeine Pädagogik und Topik. Düsseldorf: Henn.

Blömeke, Sigrid u.a. (2009): Handbuch Schule. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Boehme, Jeanette (Hrsg.)(2009): Schularchitektur im interdisziplinären Diskurs. Wiesbaden: VS.

Bourdieu, Pierre (1987): Die feinen Unterschiede. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Braun, Tom/Fuchs, Max/Kelb, Viola (2010): Auf dem Weg zur Kulturschule. München: Kopaed.

Braun, Tom/Fuchs, Max/Zacharias, Wolfgang (Hrsg.)(2015): Theorien der Kulturpädagogik. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Bruner, Jerome (1976): Der Prozess der Erziehung. Düsseldorf: Schwann.

Cassirer, Ernst (1990): Versuch über den Menschen. Frankfurt/M.: Fischer.

Coriand, Rotraut (2015): Allgemeine Didaktik. Stuttgart: Kohlhammer.

Dienes, Zoltan (1974): Strukturen in Bewegung und Rhythmus. Freiburg etc.: Herder.

Dietrich, Cornelie u. a.(2012): Einführung in die ästhetische Bildung. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Page 60:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

60

Dolch, Josef (1971): Lehrplan des Abendlandes. Ratingen: Henn.

Doll Jörg u. a. (Hrsg.)(2012): Schulbücher im Fokus. Münster: Waxmann.

Duncker, Ludwig (1987): Erfahrung und Methode. Ulm: Vaas.

Faulstich, Peter/Becker, Rosa(2015): Lernen – Kontexte und Biographie. Bielefeld: Transcript.

Fend, Helmut (1988): Sozialgeschichte des Aufwachsens. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Fend, Helmut (2005): Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Wiesbaden: VS.

Fend, Helmut (2006): Geschichte des Bildungswesens. Wiesbaden: VS.

Fend, Helmut (2008): Schule gestalten. Wiesbaden: VS.

Fichtner, Bernd (1977): Der Zusammenhang von Wissensstruktur und Lernstruktur als ein Grundproblem der Didaktik. Ratingen: Henn.

Fichtner, Bernd (1980): Lerninhalte in Bildungstheorie und Unterrichtspraxis. Köln: Pahl-Rugenstein.

Fischer, Ernst P. (2003): Die andere Bildung. Was man von den Naturwissenschaften wissen sollte. Berlin: Ullstein.

Frey, Karl u. a. (Hrsg.)(1975): Curriculum Handbuch. Drei Bde. München/Zürich: Piper.

Friedrich Jahresheft XXV (2007): Guter Unterricht. Maßstäbe & Merkmale, Wege & Werkzeuge. Velber: Kallmeyer.

Fuchs, Max (1983): Zur Entwicklung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Denkens. Weinheim/Basel: Beltz.

Fuchs, Max (1984a): Didaktische Prinzipien. Köln: Pahl-Rugenstein.

Fuchs, Max (1984b): Mathematik in der Schule. Köln: Pahl-Rugenstein.

Fuchs, Max (1984): Das Scheitern des Philanthropen Ernst Christian Trapp. Weinheim/Basel: Beltz.

Fuchs, Max (2011): Die Macht der Symbole. München: Utz.

Fuchs, Max (2011a): Kunst als kulturelle Praxis. München: Kopaed.

Fuchs, Max (2012): Die Kulturschule. München: Kopaed.

Fuchs, Max (2017): Bildung und kulturelle Evolution des Menschen. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa (i.E.)

Fuchs, Max/Bösel-Fuchs, Anette (2017): Kulturelle Schulentwicklung – Eine Einführung. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Fuchs, Max/Braun, Tom (Hrsg.)(2016): Die kulturschule und kulturelle Schulentwicklung. Bd. 2: Zur ästhetischen Dimension von Schule. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Page 61:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

61

Fuhrmann, Manfred (1999): Der europäische Bildungskanon des bürgerlichen Zeitalters. München: Insel.

Fuhrmann, Manfred (2002): Bildung. Europas kulturelle Identität. Stuttgart: Reclam.

Gehlen, Arnold (1956): Urmensch und Spätkultur. Bonn: Athenäum.

Giesecke, Hermann (1997): Pädagogik als Beruf. Weinheim/München: Juventa.

Göhlich, Michael/Zirfas, Jörg(2007): Lernen. Ein pädagogischer Grundbegriff. Stuttgart: Kohlhammer.

Göhlich, Michael/Wulf, Christoph/Zirfas, Jörg (Hrsg.)(2007): Pädagogische Theorien des Lernens. Weinheim/Basel: Beltz.

Gruschka, Andreas (2011): Verstehen lehren. Stuttgart: Reclam.

Gruschka, Andreas (2014): Lehren. Stuttgart: Kohlhammer.

Gruschka, Andreas (2013): Unterrichten – eine pädagogische Theorie. Opladen: Budrich.

Heinze, Carsten (2011): Das Schulbuch im Innovationsprozess. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Hellekamps, Stephanie u.a.(2011): Schule. Paderborn usw.: Schöningh.

Herrlitz, Hans-Georg/Hopf, Wulf/Titze, Hartmut (1993): Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart. Eine Einführung. Weinheim/Basel: Juventa.

Heymann, Hans Werner (1996): Allgemeinbildung und Mathematik. Weinheim/Basel: Belrz.

Höhne, Thomas (2003): Schulbuchwissen. Frankfurt/M.: Universität.

Höhne, Thomas (2004): Pädagogik und das Wissen der Gesellschaft. Gießen: Universität.

Holzkamp, Klaus (1993): Lernen. Frankfurt/M.: Campus.

Jaeger, Werner (1936): PAIDEIA. Die Formung des griechischen Menschen. Berlin: de Gruyter.

Jahnke-Klein, Sylvia (2001): Sinnstiftender Mathematikunterricht. Hohengehren: Schneider.

Jank, Werner/Meyer, Hilbert (1991): Didaktische Modelle. Frankfurt/M.: Scriptor.

Klafki, Wolfgang (1959): Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der kategorialen Bildung. Weinheim: Beltz.

Klafki, Wolfgang (1985): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim: Beltz.

Klepackki, Leopold/Klepacki, Tanja/Lohwasser, Diana (2016): Ästhetisches Lehren. Eine kritisch-reflexive Begriffsbefragung. In: Fuchs/Braun 2016, 22-66.

Koesel, Edmund (1997): Die Modellierung von Lernwelten. Elztal: Laub.

Koller, Hans-Christoph (2014): Grundbegriffe, Theorien und Methoden der Erziehungswissenschaft. Stuttgart: Kohlhammer.

Page 62:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

62

Komensky, Jan Amos (1970): Allgemeine Beratung über die Verbesserung der menschlichen Dinge. Berlin: Volk und Wissen.

Kron, Friedrich (2000): Grundwissen Didaktik. München: Reinhardt.

Künzli, Rudolf u. a. (2013): Der Lehrplan – Programm der Schule. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Kuschel, Sarah (2015): Ästhetisches Lernen – eine Standortbestimmung. In: Fuchs/Braun 2015, 26-87.

Lenhardt, Gero (1984): Schule und bürokratische Rationalität. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Leschinsky, Achim/Roeder, Peter Martin (1983): Schule im historischen Prozess. Stuttgart: Klett-Cotta.

Mattenklott, Gundel (2007): Grundschule der Künste. Hohengehren: Schneider.

McLellan, Ros u.a.: The Impact of Creative Initiatives on Wellbeing: A Literature Review. New Castle: CCE.

Menck, Peter/Thoma, Gösta (Hrsg.)(1972): Unterrichtsmethode. München: Kösel.

Menck, Peter (1986): Unterrichtsinhalt oder Versuch über die Konstruktion der Wirklichkeit im Unterricht. Frankfurt/M.: Lang.

Merkens, Hans (2010): Unterricht. Eine Einführung. Wiesbaden: VS.

Meseth, Wolfgang u. a. (Hrsg.)(2011): Unterrichtstheorien in Forschung und Lehre. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Meyer, Hilbert (1987): Unterrichtsmethoden. Zwei Bde. Berlin: Scriptor.

Meyer, Hilbert (1997): Schulpädagogik. Zwei Bde. Berlin: Scriptor.

Oelkers, Jürgen (2005): Reformpädagogik- Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim/Basel: Juventa.

Petrat, Gerhardt (1979): Schulunterricht. Seine Sozialgeschichte in Deutschland 1750-1850. München: Ehrenwirth.

Petrat, Gerhardt (1987): Schulerziehung. Ihre Sozialgeschichte in Deutschland bis 1945. München: Ehrenwirth.

Plöger, Wilfried (1999): Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik. München: Fink/UTB.

Plöger, Wilfried (2003): Grundkurs Wissenschaftstheorie für Pädagogen. München: Fink.

Rittelmeyer, Christian (1991): Schulbauarchitektur. Göttingen

Rittelmeyer, Christian (2016): Bildende Wirkungen ästhetischer Erfahrungen. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Roessler, Wilhelm (1961): Die Entstehung des modernen Erziehungswesens in Deutschland. Stuttgart: Kohlhammer.

Rolff, Hans Günther (Hrsg.)(2015): Handbuch Unterrichtsentwicklung. Weinheim/Basel: Beltz.

Page 63:  · Web viewDas Problem besteht jeweils darin, wie einzelne Dimensionen gewichtet werden, ob man in der Tat eine Hierarchisierung dieser Dimensionen vornehmen darf oder ob einzelne

63

Rumpf, Horst (1981): Die übergangene Sinnlichkeit. München: Juventa.

Schwanitz, Dietrich (2002): Bildung. Alles was man wissen muss. München: Goldmann.

Tenorth, Heinz-Elmar (2000): Geschichte der Erziehung. Weinheim/Basel: Juventa.

Terhart, Ewald (2009): Didaktik. Eine Einführung. Stuttgart: Reclam.

Tewes, Bernhard (Hrsg.)(1979): Schulbuch und Politik. Paderborn: Schöningh.

Weniger, Erich (1960): Didaktik als Bildungslehre. Weinheim: Beltz.

Wittenberg, Alexander Israel (1963): Bildung und Mathematik. Stuttgart: Klett.