02-2011; C.Peus,I.M.Welpe; Frauen in Fü · PDF fileOrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011...

9
47 OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011 Claudia Peus, Isabell M. Welpe | Frauen in Führungspositionen | Reflexion Frauen in Führungspositionen Was Unternehmen wissen sollten Die Förderung des Frauenanteils in Führungspositionen von Unternehmen ist seit längerer Zeit ein wichtiges Anlie- gen von Politik und Wirtschaft. Dieser Artikel zeigt aus Forschungssicht auf, welche Gründe sich für die aktuelle An- zahl von Frauen in Führungspositionen in wissenschaftlichen Arbeiten als besonders bedeutsam identifizieren lassen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung diskutieren wir, welche konkreten Maßnahmen Unternehmen ergreifen könnten, um den Anteil an Frauen in Führungspositionen nachhaltig zu erhöhen und liefern entsprechende Praxis- beispiele aus dem In- und Ausland. Ausgangslage Obwohl sich die Anzahl von Frauen im Management in den letzten 30 Jahren verdoppelt hat, sind Frauen in Führungsposi- tionen der Wirtschaft weltweit nach wie vor unterrepräsen- tiert. Kurz gefasst gilt dabei: Je höher die Führungsebene, desto niedriger der Frauenanteil. In Deutschland sind derzeit ledig- lich 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder und 10 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder der 200 größten deutschen Unterneh- men Frauen (DIW 2010). Die Situation in den Spitzengremien hat sich in den letzten Jahren insgesamt (trotz schlagzeilen- trächtiger Ausnahmen) kaum geändert. Die Bundesarbeitsmi- nisterin verkündete daher Mitte Januar 2011, sie schließe «eine gesetzliche Regelung über einen Mindestanteil von Frauen in Führungspositionen von Unternehmen nicht mehr aus» (Spie- gel online 19.1.11). Die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft ist aus einer Reihe von wirtschaftsrelevanten Gründen nicht zufrieden stellend (vgl. Peus und Traut-Mat- tausch 2007): Erstens wird der Talentpool qualifizierter Perso- nen nicht ausgeschöpft, zweitens wird der Großteil der Kauf- entscheidungen von Privathaushalten von Frauen getroffen, deren Perspektive in den Spitzengremien der Unternehmen aber bisher nicht ausreichend repräsentiert ist, drittens haben geschlechtshomogene Gruppen weniger innovatives Potenzial als geschlechtsgemischte Gruppen und viertens ist die Unter- repräsentation von Frauen in Führungspositionen gerade vor dem Hintergrund der sinkenden Bevölkerungszahlen und des damit verbundenen zukünftigen Fachkräftemangels ein Nach- teil für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland. Schließlich gibt es Hinweise darauf, dass Unternehmen mit ei- nem größeren Anteil von Frauen in Führungspositionen mehr finanziellen und strategischen Erfolg haben (z.B. Desvaux, Devillard und Sancier-Sultan 2009). Es stellt sich also die Fra- ge, warum Frauen in Führungspositionen nach wie vor so we- nig vertreten sind und was Unternehmen dagegen tun könn- ten. Anschließend werden einige Praxisbeispiele von Unter- nehmen innerhalb und außerhalb Europas vorgestellt. Warum sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert? In der wissenschaftlichen Diskussion dieser Frage wird zwi- schen Faktoren auf der Ebene der Person, der Organisation und des übergeordneten Systems (also gesellschaftlich vorherrschen- der Grundannahmen und Strukturen) unterschieden. Im Fol- genden stellen wir zentrale Einflussfaktoren auf jeder dieser Ebenen vor. Gründe auf der Ebene der Person Selbstvertrauen/Selbstdarstellung Eine Reihe von Studienergebnissen deutet darauf hin, dass weib- liche Führungskräfte sich selbst insgesamt meist kritischer se- hen als ihre männlichen Kollegen sich sehen. Beispielsweise nannten in einer Studie, in der über 100 weibliche Führungs- kräfte hinsichtlich förderlicher und hinderlicher Faktoren für ihre Karriereentwicklung befragt wurden, über 50 Prozent der befragten Frauen mangelndes Selbstvertrauen als ein schwer- wiegendes Hindernis für ihre Karriereentwicklung (Mallon und Cassell 1999). Überdies gibt es Hinweise darauf, dass Manage- rinnen ihre Erfolge mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf ihre Fähigkeiten und eher auf äußere Umstände oder Glück zu- rückführen als ihre männlichen Kollegen. Schließlich zeigen einige Studien, dass Frauen dazu tendieren, ihre Leistungen und Fähigkeiten eher zu unterschätzen, was häufig auch für Frauen mit außergewöhnlicher Fachkompetenz und nachge- wiesenen Spitzenleistungen gilt (Heilman, Simon und Repper 1987). Die Tendenz zur bescheideneren Selbstdarstellung führt

Transcript of 02-2011; C.Peus,I.M.Welpe; Frauen in Fü · PDF fileOrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011...

47OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Claudia Peus, Isabell M. Welpe | Frauen in Führungspositionen | Reflexion

Frauen in FührungspositionenWas Unternehmen wissen sollten

Die Förderung des Frauenanteils in Führungspositionen von Unternehmen ist seit längerer Zeit ein wichtiges Anlie-gen von Politik und Wirtschaft. Dieser Artikel zeigt aus Forschungssicht auf, welche Gründe sich für die aktuelle An-zahl von Frauen in Führungspositionen in wissenschaftlichen Arbeiten als besonders bedeutsam identifizieren lassen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung diskutieren wir, welche konkreten Maßnahmen Unternehmen ergreifen könnten, um den Anteil an Frauen in Führungspositionen nachhaltig zu erhöhen und liefern entsprechende Praxis-beispiele aus dem In- und Ausland.

AusgangslageObwohl sich die Anzahl von Frauen im Management in den letz ten 30 Jahren verdoppelt hat, sind Frauen in Führungsposi-tionen der Wirtschaft weltweit nach wie vor unterrepräsen-tiert. Kurz gefasst gilt dabei: Je höher die Führungsebene, desto nied riger der Frauenanteil. In Deutschland sind derzeit ledig-lich 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder und 10 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder der 200 größten deutschen Unterneh-men Frauen (DIW 2010). Die Situation in den Spitzengremien hat sich in den letzten Jahren insgesamt (trotz schlagzeilen-trächtiger Ausnahmen) kaum geändert. Die Bundesarbeitsmi-nisterin verkündete daher Mitte Januar 2011, sie schließe «eine gesetzliche Regelung über einen Mindestanteil von Frauen in Führungspositionen von Unternehmen nicht mehr aus» (Spie-gel online 19.1.11).

Die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft ist aus einer Reihe von wirtschaftsrelevanten Grün den nicht zufrieden stellend (vgl. Peus und Traut-Mat-tausch 2007): Erstens wird der Talentpool qualifizierter Perso-nen nicht ausgeschöpft, zweitens wird der Großteil der Kauf-entscheidungen von Privathaushalten von Frauen getroffen, de ren Perspektive in den Spitzengremien der Unternehmen aber bisher nicht ausreichend repräsentiert ist, drittens haben geschlechtshomogene Gruppen weniger innovatives Potenzial als geschlechtsgemischte Gruppen und viertens ist die Unter-repräsentation von Frauen in Führungspositionen gerade vor dem Hintergrund der sinkenden Bevölkerungszahlen und des damit verbundenen zukünftigen Fachkräftemangels ein Nach- teil für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland. Schließlich gibt es Hinweise darauf, dass Unternehmen mit ei-nem größeren Anteil von Frauen in Führungspositionen mehr finanziellen und strategischen Erfolg haben (z.B. Desvaux, De villard und Sancier-Sultan 2009). Es stellt sich also die Fra-

ge, warum Frauen in Führungspositionen nach wie vor so we-nig vertreten sind und was Unternehmen dagegen tun könn-ten. Anschließend werden einige Praxisbeispiele von Unter-neh men innerhalb und außerhalb Europas vorgestellt.

Warum sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert? In der wissenschaftlichen Diskussion dieser Frage wird zwi-schen Faktoren auf der Ebene der Person, der Organisation und des übergeordneten Systems (also gesellschaftlich vor herr schen- der Grundannahmen und Strukturen) unterschieden. Im Fol-gen den stellen wir zentrale Einflussfaktoren auf jeder dieser Ebenen vor.

Gründe auf der Ebene der PersonSelbstvertrauen/Selbstdarstellung

Eine Reihe von Studienergebnissen deutet darauf hin, dass weib-liche Führungskräfte sich selbst insgesamt meist kritischer se-hen als ihre männlichen Kollegen sich sehen. Beispielsweise nannten in einer Studie, in der über 100 weibliche Führungs-kräfte hinsichtlich förderlicher und hinderlicher Faktoren für ihre Karriereentwicklung befragt wurden, über 50 Prozent der befragten Frauen mangelndes Selbstvertrauen als ein schwer-wiegendes Hindernis für ihre Karriereentwicklung (Mallon und Cassell 1999). Überdies gibt es Hinweise darauf, dass Manage-rinnen ihre Erfolge mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf ihre Fähigkeiten und eher auf äußere Umstände oder Glück zu-rückführen als ihre männlichen Kollegen. Schließlich zeigen einige Studien, dass Frauen dazu tendieren, ihre Leistungen und Fähigkeiten eher zu unterschätzen, was häufig auch für Frauen mit außergewöhnlicher Fachkompetenz und nachge-wiesenen Spitzenleistungen gilt (Heilman, Simon und Repper 1987). Die Tendenz zur bescheideneren Selbstdarstellung führt

48 OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Reflexion | Frauen in Führungspositionen | Claudia Peus, Isabell M. Welpe

häufig dazu, dass die Leistung und das Potenzial von Frauen unterschätzt werden, was sich negativ auf ihre Karriere- ent wick lung auswirkt. Andererseits wird Frauen, die sehr auf-gabenorientiert und selbstbewusst auftreten, häufig eine nied-rigere so ziale Kompetenz zugeschrieben bzw. sie werden ein-fach nicht gemocht (Carli, LaFleur und Loeber 1995), was po-tenziell ebenfalls negative Konsequenzen für die Karriereent-wicklung hat.

Kommunikationsstil

Untersuchungen der Linguistin Deborah Tannen (1990) zeigen, dass der für Frauen typische Kommunikationsstil dazu führen kann, dass sie weniger Anerkennung für ihre Leistungen und Beiträge bekommen als Männer. Dies liegt einerseits daran, dass Frauen tendenziell eher in der Wir-Form sprechen, wenn von ihren Leistungen die Rede ist, wogegen Männer eher «ich» benutzen. Andererseits neigen Frauen dazu, viele Fragen zu stel len und ihre Vorschläge im Konjunktiv zu formulieren, was von Männern missverständlich als Unsicherheit interpretiert werden kann. Zudem praktizieren Männer häufig «rituelle Op-position», d.h. sie fordern Argumente und Ideen der Kollegen heraus, damit diese auf ihre Stichhaltigkeit und Tauglichkeit überprüft werden. Frauen interpretieren dieses Verhalten laut Tannen allerdings häufig als Kritik ihrer Beiträge oder sie be-trachten es gar als einen persönlichen Angriff. Die Befunde zum Kommunikationsstil zeigen, dass nicht ein

Stil besser ist als der andere, sondern dass ein eher typisch männ licher oder eher typisch weiblicher Stil vom jeweils an-deren Geschlecht häufig anders und damit missverständlich in terpretiert wird. Da Führungspositionen nach wie vor zu-meist von Männern besetzt sind und daher ein maskuliner Kom munikationsstil in Organisationen dominiert, kann sich der für Frauen typische Kommunikationsstil negativ auf ihre Karriereentwicklung auswirken.

Karriereplanung

Eine weitere Erklärungsmöglichkeit für den geringeren Frauen-anteil im Management besteht darin, dass Frauen ihre Karriere oftmals weniger strategisch planen als Männer. Allerdings be-steht über die Gründe Uneinigkeit: Während einige Forscher anführen, dass die weniger fokussierte Karriereplanung von Frauen möglicherweise in Zusammenhang mit ihrem teilweise geringeren Selbstvertrauen steht, argumentieren andere For-scher, dass Mädchen traditionell oft nicht explizit zu berufli-chen Karrieren ermutigt werden. Deshalb fällt es vor allem Frauen, die entsprechend klassischer Rollenerwartungen erzo-

gen wurden, schwer, eine eigene Karrierestrategie zielorien-tiert zu planen bzw. eine solche gegenüber anderen Personen zu vertreten. Einige Autoren sehen darin die entscheidende Barriere für die Karriereentwicklung von Frauen im Manage-ment, da nach außen der Eindruck entsteht, sie würden ihre Karriere nicht ernsthaft verfolgen.

Gründe auf der Ebene der OrganisationVorbilder

Im Rahmen einer europaweiten Befragungsstudie (Catalyst 2002), an der über 500 weibliche und männliche Führungs-kräfte mittlerer bis oberster Hierarchieebene teilnahmen, zeig-te sich, dass ein Mangel an weiblichen Rollenvorbildern über-einstimmend als Barriere für die Karriereentwicklung von Frau-en in Führungspositionen betrachtet wird. Gerade weil es Un-terschiede zwischen den für Männer und Frauen als angemes-sen angesehenen Verhaltensweisen gibt und sich eine Kopie männlicher Verhaltensweisen für Frauen mindestens genauso schädlich auswirken kann wie stereotyp weibliches Verhalten, sind weibliche Rollenvorbilder wichtig. Ihr Mangel kann darü-ber hinaus den Eindruck entstehen lassen, Frauen seien in be-stimmten Positionen unerwünscht, was wiederum leicht die Motivation potenzieller weiblicher Führungskräfte beinträch-tigen kann.

Netzwerke

Im Rahmen von Catalysts Umfragen in den USA, Kanada und Europa zeigte sich, dass der Ausschluss aus informellen Män-nernetzwerken zu den am häufigsten genannten Barrieren für die Karriereentwicklung weiblicher Führungskräfte zählt. Dies liegt daran, dass Netzwerke überwiegend nach dem Prinzip der Ähnlichkeit gebildet werden und zum Teil sogar offiziell Frauen ausschließen. Insgesamt zeigt die bisherige Forschung, dass Frauen nicht weniger stark in Netzwerke investieren als Män-ner, sie aber meist über weniger statushohe und mächtige Kon-takte verfügen als ihre männlichen Kollegen.

Mentoren

Ähnlich wie bei Netzwerken scheint es für Frauen zwar eben-so leicht zu sein, Mentoren im Unternehmen zu finden wie für Män ner, allerdings haben sie öfter weniger einflussreiche Füh-rungskräfte als Mentoren. Einflussreiche Mentoren verfügen aber wiederum über zahlreichere und bessere Ressourcen, um die Karrieren von Protegés zu fördern.

Gründe auf der Ebene des SystemsRollenerwartungen und Stereotype

Ein hohes Hindernis für den Aufstieg von Frauen stellen Rollen-erwartungen bezüglich ihres Verhaltens dar, denn diese beein-flussen die Bewertung der Leistung und des Potenzials von Frauen. Die Stereotypenforschung zeigt, dass der «typische

«Frauen sprechen eher in der Wir-Form, wenn von ihren Leistungen die Rede ist.»

49OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Mann» als durchsetzungsstark, an Leistung und Wettbewerb orientiert, unabhängig und selbstbewusst charakterisiert wird. Die «typische Frau» wird dagegen mit Attributen wie nachgie-big, empathisch, abhängig, sozial und fürsorglich charakteri-siert. Problematisch ist daran, dass das Stereotyp eines Man-nes mit dem Stereotyp einer Führungskraft gut übereinstimmt («think-manager-think-male»-Phänomen), das Stereotyp einer Frau jedoch nicht mit Führungseignung assoziiert ist. Diese man gelnde Übereinstimmung hat zwei Konsequenzen: Erstens wird das Führungspotenzial von Frauen im Vergleich zu Män-nern per se geringer eingeschätzt, da es nicht zu den bei Frauen erwarteten Eigenschaften gehört. Zweitens wird das tatsächli-che Führungsverhalten von Frauen deutlich kritischer bewer-tet. Wenn Frauen einen durchsetzungsstarken (stereotyp männ-lichen) Führungsstil zeigen, weichen sie von den Verhaltens-weisen ab, die von ihnen aufgrund ihres Geschlechts erwartet werden, was ihnen zum Vorwurf gemacht werden und ihnen Nachteile einbringen kann. Verhalten sich Frauen dagegen in Übereinstimmung mit den Erwartungen an sie (z.B. nachgie-big, kooperativ, empathisch) werden sie schnell als nicht ge-eignet für eine Führungsrolle angesehen. Die Herausforderung für weibliche Bewerber für Führungspositionen besteht daher darin, dass sie gleichzeitig als gute Führungskräfte (d.h. bei-spielsweise durchsetzungsstark) und sympathische Frauen (d.h. beispielsweise freundlich und empathisch) wahrgenommen werden müssen, um Erfolg zu haben. Häufig stehen sie daher vor dem Dilemma, sich teils «wie Männer» verhalten zu müs-sen, um in Führungspositionen zu gelangen, gleichzeitig aber für dieses Auftreten abgewertet und kritisiert werden.

Wie stark vorherrschende Stereotype die Aufstiegsmöglich-keiten von Frauen behindern, zeigt sich in zahlreichen empi-

rischen Untersuchungen. Beispielsweise beurteilten Manager (weib lich und männlich) einer Finanzinstitution die Lebens-läufe von fiktiven Personen dahingehend, ob sie die Person für die Einstellung in einer anderen Finanzinstitution empfehlen würden und ob sie das Potenzial besäße, zu einer höheren Führungsposition aufzusteigen. Wie erwartet zeigte sich, dass bei Vorliegen exakt gleicher Lebensläufe Männer auf beiden Dimensionen höher eingeschätzt wurden als Frauen (Marlo-we et al. 1996). Weitere Hinweise darauf, dass die (oft unbe-wusste) Annahme, dass Führungspotenzial mit Maskulinität korreliert, die Beurteilung von Bewerbungsunterlagen beein-flusst, erbrachten die Studien von Sczesny und Kollegen (2006). In zwei Experimenten zeigten sie, dass fiktiven Perso-nen aufgrund ihrer Unterlagen eine höhere Führungskompe-tenz zugeschrieben wurde, wenn sie ein maskulines Erschei-nungsbild hatten. Hin weise für die nicht bewusste Abwertung von Weiblichkeit im Hinblick auf Führungspotenzial erbrach-ten Sczesny et al. (2006) auch, indem sie Versuchspersonen Bewerbungsunterlagen vorlegten, die mit typisch männlichen bzw. typisch weiblichen Parfums besprüht worden waren: Wie erwartet zeigte sich, dass Personen, deren Unterlagen mit ty-pisch maskulinem Parfüm be handelt worden waren, mit hö-herer Sicherheit zur Einstellung empfohlen wurden und ihr Führungspotenzial als höher eingeschätzt wurde als Personen mit typisch femininem Parfüm.

Nun könnte aufgrund dieser Befundlage angenommen wer-den, dass ein maskulines, dominantes und selbstsicheres Auf-treten in Bewerbungs- und Führungssituationen für Frauen för-derlich ist. Demgegenüber zeigen erste wissenschaftliche Ex-perimente, in denen die Verhaltensweisen von Männern und Frauen anhand von Videos beurteilt wurden, dass bei Frauen

Abbildung 1

Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen — Faktoren auf der Ebene der Person, der Organisation und des übergeordneten Systems

Claudia Peus, Isabell M. Welpe | Frauen in Führungspositionen | Reflexion

DIE EBENE DER PERSON DIE EBENE DER ORGANISATION DIE EBENE DES SySTEMS

Geringeres Selbstvertrauen/Selbstdarstellung Mangel an Vorbildern Einfluss von Rollenerwartungen

Unterschiedlicher Kommunikationsstil Weniger mächtige Netzwerke Mangelnde Vereinbarkeit Familie und Beruf

Unzureichende Karriereplanung Mangel an mächtigen Mentoren

50 OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Reflexion | Frauen in Führungspositionen | Claudia Peus, Isabell M. Welpe

stereotyp männliche Verhaltensweisen wie ein sehr aufgaben-orientiertes non-verbales Verhalten und zielsicheres, dominie-rendes Auftreten in Bewerbungssituationen tendenziell sank-tio niert und kritisiert wird.

Neben einer ungünstigeren Bewertung in Auswahlsituatio-nen für Führungspositionen sehen sich Frauen auch der Pro-blematik gegenüber, dass ihre Leistungen schlechter bewertet werden. In einem Experiment von Heilman und Haynes (2005) beispielsweise lasen Probanden Beschreibungen der Arbeit eines gemischt-geschlechtlichen Teams und sollten die bei-den Teammitglieder beurteilen. Dabei zeigte sich, dass Frauen als weniger kompetent und einflussreich angesehen wurden und ihnen mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine Führungs-rolle bei der Bewältigung der Aufgabe zugeschrieben wurde. Auf der anderen Seite zeigten andere Experimente, dass Frauen, die in einer dem männlichen Stereotyp entsprechenden Rolle erfolgreich waren, als Person abgewertet wurden. Diese Ab-wertung als Person führte wiederum dazu, dass sie mit gerin-gerer Wahrscheinlichkeit für höhere Führungspositionen emp-fohlen wurden.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die häufig diskutierten Faktoren Haushalt und Kinderversor-gung stellen nach wie vor eine Hürde für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen dar, wobei es für Frauen in Deutschland schwieriger ist, eine Karriere im Management mit Kindern zu vereinbaren als in anderen Ländern (z.B. Peus und Traut-Mattausch 2008). Wenn Karrierefrauen Mütter werden, schreibt man ihnen «Wärme» zu (was das zumeist negativ be-setzte Stereotyp der «Karrierefrau» abmildert); jedoch verlie-ren sie als Mütter in der Wahrnehmung anderer an fachlicher Kompetenz (Cuddy, Fiske und Glick 2004). Nachweislich wirkt sich Elternschaft bei Frauen negativer aus als bei Männern. Abele (2002) zeigt z.B. in einer Langzeitstudie, dass Mutter-schaft den Berufseinstieg eher erschwert, während bei Vater-schaft ein eher gegenteiliger Effekt festgestellt wird. Obwohl berufstätigen Eltern von Personalfachleuten häufig eine Teil-zeitbeschäftigung empfohlen wird, damit die Zugehörigkeit zum Unternehmen bestehen bleibt, wird diese nicht selten mit «teilkompetent» gleichgesetzt.

Nachdem wir die für den Aufstieg von Frauen in Führungs-positionen zentralen Barrieren aufgezeigt haben, widmen wir uns der Frage, was Unternehmen tun könnten, um diese zu überwinden.

Wie können Unternehmen den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen fördern?Laut einer Befragung der Personalberatung Egon Zehnder In-ternational strebt circa jedes dritte Unternehmen einen höhe-ren Frauenanteil an und knapp die Hälfte der Unternehmen verfügt bereits jetzt über eine gezielte Frauenförderung. Die meisten firmeninternen Programme zur Förderung von Frau-en in Führungspositionen zielen entweder darauf ab, die Hal-tung und das Auftreten von Frauen zu verändern oder ihnen bessere Verbindungen zu Vorbildern und Mentoren zu ermög-lichen. Zu Programmen der ersten Sorte gehören z.B. spezielle Selbstsicherheits- und Selbstdarstellungstrainings oder Work-shops zur Karriereplanung. Weiterhin zählen dazu auch ge-zielte Coachingprogramme, die Frauen auf dem Weg zu einer Führungsposition begleiten und z.B. auf eine Stärkung ihrer Durchsetzungsfähigkeit abzielen. Zur zweiten Sorte gehören z.B. Vortragsveranstaltungen mit erfolgreichen Frauen inner-halb und außerhalb der Organisation (wie z.B. der jährliche «Lea ding and Learning Summit», den General Electric mit 150 herausragenden weiblichen Führungskräften von Kunden- und Lieferantenorganisationen sowie von General Electric selbst durchführt) oder der Aufbau innerbetrieblicher Frauennetz-werke und Mentoring-Programme (wie das Münchner Cross-Mentoring Programm, bei dem Mentees und Mentoren aus un terschiedlichen Großunternehmen einander zugeordnet werden).

Der Großteil dieser Programme liefert wichtige Impulse für die persönliche Entwicklung weiblicher (Nachwuchs-)Füh-rungskräfte sowie die Erweiterung ihrer Netzwerke. Allein rei-chen diese Maßnahmen jedoch nicht aus, da sie nur bei den Frauen selbst ansetzen, organisationale Prozesse und Struktu-ren sowie gesellschaftliche Annahmen aber weitgehend unbe-rücksichtigt lassen. Da die letztgenannten Faktoren für die lang-fristige Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen aber zentral sind, beschreiben wir nun mögliche Interventions-maßnahmen auf organisationaler Ebene.

Klar strukturierte, offene Rekrutierungs­ und

Beförderungswege

Eine Maßnahme, die sich nicht nur für Frauen, sondern auch für die Organisation insgesamt als förderlich und sinnvoll er-weist, ist die Einführung klar strukturierter, offener Rekrutie-rungs- und Beförderungswege. Dabei werden alle Stellen of-fen ausgeschrieben, die Anforderung für eine Position wird klar definiert und dabei wird erläutert, wie sich die geforder-ten Eigenschaften und Fähigkeiten in konkretem Verhalten äußern. Je stärker diese Aspekte umgesetzt werden, desto weniger sind Nachteile für weibliche Bewerber durch ihren geringeren Zugang zu mächtigen Netzwerken und Mentoren zu erwarten. Ebenso wird der Einfluss von Stereotypen ver-ringert, da vor der Interaktion mit Bewerbern um eine Füh-

«Häufig stehen Frauen vor dem Dilemma, sich wie Männer verhalten zu müssen, um in Führungspositionen zu gelangen, für dieses Auftreten aber kritisiert zu werden.»

51OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Claudia Peus, Isabell M. Welpe | Frauen in Führungspositionen | Reflexion

rungsposition genau festgelegt wurde, welche Charakteristika erwünscht sind und wie sich diese im Rahmen des Auswahl-prozesses erfassen lassen. Durch dieses Vorgehen wird die Wirkung von Stereotypen zwar nicht gänzlich beseitigt, aber dennoch deutlich reduziert. Dabei ist von Unternehmensseite zu beachten, dass der Anforderungskatalog an Bewerber dar-aufhin überprüft wird, inwiefern er typisch weibliche und ty-pisch männliche Attribute enthält oder inwiefern sich eine Anforderung ggf. im Verhalten von Männern und Frauen un-terschiedlich darstellt. Ebenso ist daran zu denken, dort, wo es möglich und sinnvoll ist, Leistungs- und Kompetenztests als Auswahlkriterium einzuführen (Heilman et al. 1987). Da den Entscheidungsträgern in Auswahl- und Beurteilungsverfahren eine zen trale Rolle zukommt, ist deren sorgfältige Auswahl so-wie Schu lung für den Erfolg des Verfahrens (mit-) entscheidend.

Schulung der Entscheidungsträger

Die Schulung der Entscheidungsträger sollte idealerweise drei Ziele verfolgen. Erstens sollten sie darin geschult werden, prä-zise Anforderungsprofile für die zu besetzende Position zu de-finieren und dabei zwischen notwendigen und förderlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zu unterscheiden. Dabei soll-ten sie klar definieren können, wie sich diese Anforderungs-profile in konkreten Verhaltensweisen ausdrücken und (ggf. mit Unterstützung von Personalabteilung oder Personalbera-tungen) fest legen, mit welchen Methoden diese Verhaltens-weisen am besten erfasst werden können.

Zweitens sollten Entscheidungsträger lernen, zwischen Beob-achtungen und Urteilen zu trennen. Um Urteilsverzerrungen aufgrund von Rollenerwartungen an Männer und Frau en («Gen der Bias») bei Auswahl- und Beurteilungssituationen ef-fektiv zu vermindern, sollten Entscheidungsträger drittens für Rollenstereotype und deren Wirkung bei der Beurteilung von Potenzial und Leistung von Männern und Frauen sensibilisiert werden. Geschlechtsstereotype haben unbewusst Einfluss auf den Wahrnehmungsprozess, indem zum jeweiligen Stereotyp passende bzw. nicht-passende Informationen über oder von Bewerbern selektiv wahrgenommen und verarbeitet werden. Die Veränderung bereits verinnerlichter Stereotypen ist nicht einfach und lässt sich nur durch länger währende Anstren-gungen, die Bereitschaft zu intensiver Selbstreflexion und die Absicht, die eigene Einstellung verändern zu wollen, wirklich erreichen. Zur diesbezüglichen Schulung von Entscheidungs-trägern bieten sich z.B. Maßnahmen an, in denen die Wirkung ein und desselben Verhaltens bzw. derselben Aussage von Män-nern und Frauen diskutiert wird. Übungen, bei denen Entschei-dungsträgern (Männern wie Frauen) ihr eigener Bias bewusst wird so wie Reflexionen über ihr bisheriges Vorgehen bei Aus-wahl- und Beförderungsentscheidungen sind dabei in beson-derem Maße geeignet.

Übertragung herausfordernder Aufgaben an Frauen

Da eine wichtige Voraussetzung für die Übernahme einer Füh-rungsposition Erfolge bei wichtigen Aufgaben sowie Erfahrung

Abbildung 2

Mögliche Interventionsmaßnahmen auf organisationaler Ebene

1. Klar strukturierte, offene Rekrutierungs- und Beförderungswege

2. Schulung der Entscheidungsträger

3. Übertragung herausfordernder Aufgaben an Frauen

4. Flexible Arbeitszeit-/Karrieremodelle

5. Zielvereinbarungen

INTE

RVEN

TION

SMAß

NAHM

EN

52 OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Reflexion | Frauen in Führungspositionen | Claudia Peus, Isabell M. Welpe

im Bereich der Mitarbeiterführung sind, sollten Unternehmen darauf achten, dass gerade Frauen die Möglichkeit bekom-men, solche Aufgaben zu übernehmen. Häufig werden ihnen weniger wichtige oder weniger herausfordernde Aufgaben übertragen, so dass ihnen später in der Karriere wichtige Er-fahrungen fehlen und sie eine geringere Chance hatten, ihr (Führungs-)Potenzial unter Beweis zu stellen. Auf der anderen Seite wird in der Literatur neben dem Phänomen des «glass ceiling» auch das «glass cliff» Phänomen diskutiert, das um-schreibt, dass Frau en häufig nur dann hoch verantwortungs-volle Aufgaben übertragen bekommen, wenn die situationa-len Bedingungen sehr risikoreich sind und die Erfolgsaussich-ten gering, so dass es kaum andere Bewerber für die Aufgabe gibt. Organisationen sollten also darauf achten, dass Frauen ge rade früh in ihrer Kar riere «risikoneutrale» Chancen bekom-men, ihr Können nachzuweisen und zu erweitern. Eine effek-tive Möglichkeit stellt da bei auch die Übertragung einer her-ausfordernden Aufgabe mit gleichzeitiger Begleitung durch einen Mentor oder Coach dar.

Flexible Arbeitszeit­/Karrieremodelle

Die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben stellt für El-tern im Allgemeinen, nach wie vor aber besonders für Frauen, eine Herausforderung dar, die allerdings durch gezielte orga-nisationale Maßnahmen bewältigbarer werden kann. Geeig-nete Konzepte und Instrumente hierbei sind eine flexible Ar-beitszeit- und Arbeitsortgestaltung einerseits und flexible Kar-rieremöglichkeiten inklusive Wiedereinstiegsoptionen nach Aus-zeiten andererseits. In Unternehmen finden sich eine Reihe

an Maßnahmen, wie z.B. Telearbeitsplätze, Arbeitszeitkonten, Zeitsouveränität (Selbstbestimmung der Zeiteinteilung) und mobile Arbeitsplätze.

Zielvereinbarungen

Eine weitere mögliche Interventionsmaßnahme für Unterneh-men besteht darin, Zielvereinbarungen hinsichtlich des Frau-enanteils für bestimmte Hierarchieebenen einzuführen. Hin ter-

Praxisbeispiel

Umfangreiche Trainingsprogramme zur Schulung ihrer Entscheidungs-

träger im Hinblick auf Gender Bias in Auswahl- und Beförderungssituatio-

nen führen z.B. die University of Michigan sowie die Northeastern Univer-

sity in den USA durch. Eine sehr effektive Methode stellt dabei das ein-

gesetzte Multiplikatoren-Konzept dar, bei dem angesehene Professoren

zunächst für das Phänomen des Gender Bias sensibilisiert werden. In einem

nächsten Schritt trainieren diese Professoren dann ihre Kollegen im Hin-

blick auf die Optimierung von Auswahl- und Beurteilungsprozessen. Da-

durch, dass kritische Themen von angesehenen wissenschaftlichen Kolle-

gen (und nicht Diversity-Beauftragten oder externen Beratern) vorgetra-

gen werden, entsteht höhere Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft.

Quellen:

• http://sitemaker.umich.edu/advance/departmental_change_efforts__step_

• http://www.northeastern.edu/advance/about_nu_advance/

Praxisbeispiele

Best Buy: Übertragung herausfordernder Aufgaben

Eine systematische Methode, um Frauen wichtige Verantwortung zu über-

tragen, hat z.B. Best Buy installiert. Im Rahmen eines Programms zur För-

derung weiblicher Führungskräfte wird dabei einer ausgewählten Gruppe

weiblicher (Nachwuchs-)Führungskräfte (sogenannter WoLF packs — für

Women’s Leadership Forum) ein aktuelles wirtschaftliches Problem an-

vertraut, mit dem die Organisation gerade konfrontiert ist. Die Aufgabe

der Gruppe ist es dann, eine Lösung für das Problem zu entwickeln und in

einer Reihe von Filialen innerhalb von drei Monaten einzuführen. Bei Er-

folg der Maßnahme wird diese im Gesamtunternehmen umgesetzt.

Quelle:

• http://www.wolfatbestbuy.com/about_wolf/

UniCredit: Mentoring-Initiativen

Die europäische Bankengruppe UniCredit, Mutterkonzern der HypoVer-

einsbank (HVB), hat eine Reihe unterschiedlicher Mentoring-Initiativen

entwickelt. Die Mentees werden von ihren Führungskräften für die jeweili-

gen Programme nominiert, welche Workshops und Netzwerktreffen um-

fassen. Nach internen Evaluationen der UniCredit gelingt 50 Prozent aller

Teilnehmerinnen der Mentoring-Programme der Sprung in die nächsthö-

here Führungsebene. Zusätzlich werden die Mentees in das internationa-

le Frauen-Netzwerk der UniCredit (UniCreditWomen’s International Net-

work) aufgenommen. In einer weiteren Initiative begleiten Mitglieder des

HVB Frauenbeirats — dieses Gremium besteht derzeit aus rund 30 heraus-

ragenden Managerinnen aus unterschiedlichen Unternehmen — als Men-

torinnen ausgewählte Frauen aus dem mittleren Management und weibli-

che Nachwuchsführungskräfte der HVB auf ihrem Karriereweg.

Quellen:

• http://www.unicreditgroup.eu/en/Careers/Our_people.htm

• http://www.hvb-frauenbeirat.de

53OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Claudia Peus, Isabell M. Welpe | Frauen in Führungspositionen | Reflexion

Praxisbeispiele

Douglas: Flexible Arbeitszeitmodelle

Der Hagener Parfümerie- und Handelskonzern Douglas fördert die Berufs-

tätigkeit und die berufliche Entwicklung von Frauen (und Männern) durch

zeitlich und räumlich flexible Arbeitszeitmodelle auf allen Hierarchieebe-

nen. Da der Fokus auf der Effizienz — nicht der Präsenz — der Beschäftigten

liegt, ist es auch für Führungskräfte möglich, flexible Arbeitszeitmodelle

und Teilzeit arbeit in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus hat Douglas

einen Betriebs kindergarten und vermittelt Betreuungsangebote für Kin-

der der Beschäftigten.

Quellen:

• http://www.dhag-gb.com/index.php?id=359

Deloitte: Individualisierte Karriereplanung

Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte hat ein System entwi-

ckelt, das individuelle Lebenssituationen und Karriereverläufe berücksich-

tigt: die individualisierte Karriereentwicklung oder «Mass Career Customi-

zation». Geplante Seitwärts- oder sogar Abwärtsbewegungen sind in die-

sem Modell ebenso möglich wie Wartepositionen oder Auszeiten. Über vier

Stellschrauben ist eine begrenzte Anzahl von Variationen und Wahlmög-

lichkeiten hinsichtlich folgender vier Karrieredimensionen denkbar: Ge-

schwindigkeit der Karriereentwicklung, Arbeitspensum, Arbeitsort/Arbeits-

zeiteinteilung und mit der Position verbundene Verantwortung. Diese Di-

mensionen und deren Ausprägungen sind individuell anpassbar — d.h. dass

eine Führungsposition nicht notwendigerweise mit Vollzeitarbeit und ho-

hem Reisepensum einhergeht und dass es möglich ist, von einer Führungs-

position für einige Zeit in eine Position ohne Personalverantwortung zu

wechseln, dann aber wieder in eine Führungsposition zurück zu kehren und

die eigene Karriereentwicklung intensiv voran zu treiben. Diese Flexibilität

fehlt in den meisten deutschen Unternehmen und stellt ein bedeutendes

Hindernis für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen dar (vgl. Peus

und Traut-Mattausch 2008). Ein weiterer wichtiger Aspekt des Programms

von Deloitte ist, dass es vom Top Management getragen wird und dass es

genau wie andere Geschäftsziele gemanagt wird, d.h. dass ein Mitglied des

Senior Management dafür verantwortlich ist und die Erreichung der quan-

titativen Zielvorgaben hinsichtlich des Frauenanteils auf bestimmten Füh-

rungsetagen einen Einfluss auf dessen leistungsbezogene Vergütung hat.

Auch die Tatsache, dass die Erhöhung des Frauenanteils in Führungsposi-

tionen genau wie andere Unternehmensziele gemanagt wird, ist bisher

eine absolute Seltenheit.

Quelle:

• Benko, C. & Weisberg, A. (2007). Mass Career Customization: Aligning

the workplace with today’s nontraditional workforce. Harvard Business

School Press.

Praxisbeispiele

Norwegen

Norwegen hat im Jahr 2003 als erstes Land der Welt eine Frauenquote von

40 Prozent für Aufsichtsräte öffentlich gehandelter Unternehmen einge-

führt. Dies hat in vielen europäischen Ländern eine gesellschaftliche De-

batte ausgelöst. Die Einführung der Quote kann als erfolgreich betrachtet

werden, denn im Jahr 2009 waren 42 Prozent der Aufsichtsräte weiblich.

Allerdings wäre die Umsetzung der Quote ohne die Androhung von Sank-

tionen sicher nicht in diesem Maße erfolgt. Als härteste Sanktion drohte

Unternehmen, die die Quote auch nach vier Jahren nicht erfüllten, die Auf-

lösung. Die Umsetzung der Quote wurde dadurch unterstützt, dass eine

Reihe von Datenbanken von geeigneten und an Aufsichtsratsmandaten

interessierten Frauen eingerichtet wurden. Weiterhin schuf der Arbeitge-

berverband ein Trainingsprogramm für Frauen, zu dem Unternehmen Mit-

arbeiterinnen zur Vorbereitung auf ein Aufsichtsratsmandat schicken konn-

ten. Sieben Jahre nachdem die Quote eingeführt wurde, ist sie in Nor we gen

weitgehend akzeptiert. Dem Beispiel Norwegens folgend haben 2009 die

Niederlande eine Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte sowie für

Vorstände eingeführt. Am 14. Januar 2011 hat Frankreich ein Gesetz verab-

schiedet, nach dem die Verwaltungs- und Aufsichtsräte aller börsennotier-

ten Unternehmen sowie aller Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro

Umsatz und 500 Mitarbeitern in den nächsten drei Jahren mindestens zu

einem Fünftel mit Frauen besetzt werden müssen.

Quelle:

• Storvik, A. und Teigen, M. (2010). Das norwegische Experiment —

eine Frauenquote für Aufsichtsräte. Friedrich-Ebert-Stiftung.

Deutsche Telekom

«Mehr Frauen in Führungspositionen ist (...) vor allem eine handfeste Not-

wendigkeit für unseren Erfolg. Mit mehr Frauen an der Spitze werden wir

einfach besser», begründete Telekom-Chef René Obermann die Entschei-

dung des Konzernvorstands, sich zu einer 30 Prozent-Frauenquote im

mitt leren und oberen Management für das Jahr 2015 zu verpflichten. An-

lass war für Personalchef Thomas Sattelberger, dass er — als der durch-

schla gen de Er folg früherer Maßnahmen ausgeblieben war — eingesehen

habe, dass sich «traditionelle Rollenmuster und etablierte ‘Old-Boys-Netz-

werke’ nicht durch Mentoren- und Frauenprogramme durchbrechen lie-

ßen». Ziel dieser aktuellen Maßnahme sei es nun, «die Basis von unten her

zu verbreitern, um auch in Zukunft unter den Besten auswählen zu kön-

nen». Bereits nach einem hal ben Jahr nach Einführung einer Frauenquote

meldete die Deutsche Telekom, dass die Zwischenbilanz sehr positiv aus-

falle: Der Anteil von Frauen bei der Einstellung von Top-Nachwuchskräften

von 33 auf 52 Prozent erhöht. Ihr Anteil in Manage ment-Entwick lungs pro-

grammen sei seit 2009 von 18 auf 31 Prozent gestiegen.

Quelle:

• Deutsche Telekom (2010). Bekanntmachung vom 15.3.2010.

54 OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Reflexion | Frauen in Führungspositionen | Claudia Peus, Isabell M. Welpe

gedanke dieser Zielvereinbarungen ist es, für einen gewissen Zeitraum Ziele bezüglich der angestrebten Anzahl an Frau en auf bestimmten Führungsebenen zu vereinbaren, um langfris-tig zu einem Kulturwandel zu gelangen, der Frauen in Führungs-positionen selbstverständlich und die Aufrechterhaltung der Zielvorgabe somit obsolet macht. Durch die Zielvereinbarun-gen sollen al so nicht nur aktuell geeignete Frauen in Führungs-positionen befördert werden, sondern auch Rollenvorbilder und Mentorinnen sowie vor allem ein Wandel der vorherrschenden Stereotype entstehen, der den Aufstieg zukünftiger weiblicher Führungskräfte ermöglicht und erleichtert. Für eine Zielverein-barung spricht aus wissenschaftlicher Sicht, dass solange nur einzelne Frauen auf den Managementebenen oder in Teams vertreten sind, diese einen sogenannten Token-Status (Minder-heitenstatus) aufweisen, was oft dazu führt, dass die Beiträge einzelner Frauen in Führungspositionen oder Teams ignoriert werden. Obwohl derartige Zielvereinbarungen häufig – sowohl von Männern als auch von Frauen – mit Ablehnung begegnet wird, stellen sie die effektivste Methode dar, um den Frauen-anteil in Führungspositionen zu erhöhen.

Ein in diesem Zusammenhang häufig aufkommender Ein-wand ist, es gäbe nicht genügend geeignete Kandidatinnen. Um dem entgegen zu wirken, plant der Verband deutscher Un ter neh merinnen (VdU) gemeinsam mit der Wirtschaftsprü-

fungsgesell schaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) in den nächs- ten zwei Jahren rund 150 Frauen für die Aufsichtsratstätigkeit zu qualifizieren. Zudem wird in Zusammenarbeit mit der Ge-sellschaft für Softwareentwicklung eine Datenbank mit geeig-neten Kandidatinnen aufgebaut. Die Seminare sollen für Teil-nehmerinnen, die über Führungserfahrung verfügen sollen, ebenso kos tenlos sein wie die Kandidatinnen-Abfrage für Un-ternehmer und Personalberater.

Insgesamt stehen Unternehmen eine Vielzahl an Maßnahmen zur Verfügung, die zur Erhöhung des Frauenanteils in Füh-rungspositionen beitragen können. Für alle Interventionsmaß-nahmen innerhalb einer Organisation gilt dabei, dass sie nur dann Wirkung zeigen, wenn die Unternehmensleitung die Maß-nahmen wirklich unterstützt. Eine Förderung des Frauenan-teils in Führungspositionen ist nicht zuletzt aufgrund der Tat-sache ratsam, dass es zahlreiche Hinweise darauf gibt, dass Un-ternehmen mit einem hohen Frauenanteil in Führungspositio-nen wirtschaftlich erfolgreicher sind (Desvaux et al. 2007, Des-vaux et al. 2010).

Dr. Claudia PeusProjektleiterin, LMU Center for Leader­ship and People Management, Ludwig­Maximilians­Universität München

Kontakt: [email protected]

Prof. Isabell M. WelpeInhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation, TUM School of Management, Technische UniversitätMünchen

Kontakt: [email protected]

Praxisbeispiel

Axel Springer Verlag

Nach der Deutschen Telekom hat sich auch der Axel Springer Verlag für

die Einführung einer Frauenquote entschieden. Von derzeit 16 Prozent soll

die Frauenquote in den nächsten fünf bis acht Jahren auf über 30 Prozent

gesteigert werden. Chief Executive Officer Mathias Döpfner nennt konkre-

te Maßnahmen, mit denen er unter anderem die Zielvorgabe erreichen

will: Im Zuge der Nachfolgeregelung sollen immer jeweils ein männlicher

und ein weiblicher Kandidat vorgeschlagen werden. Außerdem sollen die

Rahmenbedingungen wie flexible Arbeitszeiten, eine neue Regelung für

die Elternzeit sowie eine Notfallgruppe für die Kinderbetreuung angebo-

ten werden. Neben einer moderneren Unternehmenskultur und dem

Wunsch, Kreativität zu fördern, habe das Förderprogramm auch damit zu

tun, dass Kaufentscheidungen zunehmend von Frauen getroffen werden.

Quelle:

• Axel Springer Verlag. Nachhaltigkeitsbericht 2009

http://www.axelspringer.de/artikel/Ausblick_1318222.html

«Interventionsmaßnahmen zeigen nur Wirkung, wenn die Unternehmensleitung sie wirklich unterstützt.»

55OrganisationsEntwicklung Nr. 2 |2011

Claudia Peus, Isabell M. Welpe | Frauen in Führungspositionen | Reflexion

Literatur

• Abele, A. E. (2002). A theoretical model and empirical findings on oc-

cupational career development with social emphasis on gender. Psycho-

logische Rundschau, 53 (3), 119—118.

• Carli, L. L., LaFleur, S., und Loeber, C. C. (1995). Nonverbal beha-

vior, gender, and influence. Journal of Personality and Social Psychology,

68 (6), 1030—1041.

• Catalyst (2002). Women in Leadership: A European Business Imperative.

• Cuddy A. J. C., Fiske S. T. und Glick P. (2004). When professionals be-

come mothers, warmth doesn’t cut the ice. Journal of Social Issues, 60

(4), 701—718.

• Desvaux, G., Devillard-Hoellinger, S. und Baumgarten, P. (2007).

Women matter 1: Performancesteigerung durch Frauen an der Spitze.

McKinsey & Company.

• Desvaux, G., Devillard, S. und Sancier-Sultan, S. (2009). Women Mat-

ter 3: Führungsqualitäten in der Krise. McKinsey & Company.

• Desvaux , G., Devillard, S. und Sancier-Sultan, S. (2010). Women Mat-

ter 2010. Women at the top of corporations: Making it happen. McKinsey

& Company.

• DIW (2010). Frauen in Spitzengremien großer Unternehmen weiterhin

massiv unterrepräsentiert. Wochenbericht Nr. 4 vom 27. Januar 2010.

• Heilman, M. E., und Haynes, M. C. (2005). No credit where credit is

due: Attributional rationalization of women’s success in male-female

teams. Journal of Applied Psychology, 90 (5), 905—916.

• Heilman, M. E., Simon, M. C. und Repper, D. P. (1987). Intentionally fa-

vored, unintentionally harmed? Impact of sex-based preferential

selection on self- perceptions and self- evaluations. Journal of Applied

Psychology, 72 (1), 62—68.

• Mallon, M. und Cassell, C. (1999). What do women want? The per-cei-

ved development needs of women managers. Journal of Management

Development,18 (2), 137—154.

• Marlowe, C. M., Schneider, S. L. und Nelson, C. E. (1996). Gender and

attractiveness biases in hiring decisions: Are more experienced mana-

gers less biased? Journal of Applied Psychology, 81 (1), 11—21.

• Peus, C. und Traut-Mattausch, E. (2007). Factors influencing women

managers’ success. In C. Wankel (Hrsg.), Handbook of 21st century ma-

nagement (157—166). Sage.

• Peus, C. und Traut-Mattausch, E. (2008). Manager and mommy?

A cross-cultural comparison. Journal of Managerial Psychology, 23 (5),

558—575.

• Sczesny, S. und Stahlberg, D. (2006). The influence of gender-

stereotyped perfumes on leadership attribution. European Journal of

Social Psychology, 32 (6), 815—828.

• Spiegel online 19.1.2011. Von der Leyen stellt Macho-Firmen Ultimatum.

• Tannen, D. (1990). You Just Don’t Understand, Women and Men in Con-

versation. New York: William Morrow and Co.