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2 90. Jahrgang Februar 2013, S. 87-90 ISSN 0932-8351 A 1556 Sonderdruck Bautechnik Zeitschrift für den gesamten Ingenieurbau Grünbrücken als Verbundkonstruktion Andrea Suffner Christian Ommert Guido Schiller

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290. JahrgangFebruar 2013, S. 87-90ISSN 0932-8351A 1556

Sonderdruck

BautechnikZeitschrift für den gesamten Ingenieurbau

Grünbrücken als Verbundkonstruktion

Andrea SuffnerChristian OmmertGuido Schiller

U1_vorlage.qxp 15.02.2006 11:28 Seite 2

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 90 (2013), Heft 2, S. 87-90 3

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Andrea Suffner, Christian Ommert, Guido Schiller

Grünbrücken als Verbundkonstruktion

1 Bedeutung der Grünbrücken

Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wurden im LandBrandenburg Grünbrücken über bestehende Autobahnenerrichtet (Bild 1). Mit diesen Bauwerken soll der dringen-de Bedarf an Querungshilfen für Tiere zur Vernetzungvon Lebensräumen nachhaltig gedeckt werden. Ohnediese Maßnahmen stellen die Autobahnen, insbesonderein Verbindung mit den vorhandenen Wildschutzzäunen,eine unüberwindbare Barriere für bodenlebende Arten

DOI: 10.1002 / bate.201330030

Für die Bauaufgabe Grünbrücke sind verschiedene Bauwerks -konstruktionen bekannt und in der Vergangenheit ausgeführtworden. Unter den besonderen Bedingungen einer ebenenTopografie und der Errichtung der Bauwerke unter Aufrechter-haltung des Verkehrs über bestehenden Autobahnen mit hoherVerkehrsbelastung wird eine mittelstützenfreie Verbundkon-struktion beschrieben sowie auf die Besonderheiten in Planungund Herstellung eingegangen.Im Land Brandenburg wurden in den letzten drei Jahren dreidieser Grünbrücken gleicher Bauart mit Verbundfertigteilen er-richtet.

Keywords Brücken; Grünbrücken; Rahmenbauwerke;Verbundkonstruktionen; Mischkonstruktionen

Green bridges as composite structuresSeveral types of structures are known to build green bridgesand have been implemented in the past. Under the particularconditions of an even topography – even or flat terrain – and ofconstruction whilst maintaining traffic above existing highlyfrequented motorways, a composite structure without centralsupports is described and the particularities of its design andconstruction are explained.In the State of Brandenburg, in the last three years, three ofthese green bridges of the same construction type were erect-ed with prefabricated composite elements.

Keywords bridge; green bridge; frame construction; composite and mixedconstruction

BERICHT

Bild 1 Lage der GrünbrückenSite plan

dar. Hierzu zählen Rot- und Damwild, Wolf, Baummar-der und Dachs. Außerdem entsteht ein Potenzialraum fürElch, Luchs und Wildkatze. Erst die Grünbrücken ermög-lichen eine regionale und über regionale Vernetzung fürArten des Waldes und des Halboffenlandes sowie die Ent-wicklung eines Biotopverbundes, der entscheidend ist fürdie Erhaltung der genetischen Vielfalt.

2 Bauwerksgestaltung

Bestandteile der Baumaßnahme Grünbrücke sind das ei-gentliche Brückenbauwerk, die Irritationsschutzwände,die Rampen für die Anbindung an die Örtlichkeit und derLandschaftsbau.

Die Besonderheiten der hier beschriebenen Brückenbau-werke liegen sowohl in den Standort- als auch in denRandbedingungen für die Errichtung der Bauwerke.Diese sollen in eher flachem Gelände und unter Aufrecht-erhaltung des Verkehrs auf der Autobahn erstellt werden.

Der zu berücksichtigende Querschnitt der Autobahnen inden Beispielen entsprach einem RQ 35,5 mit einer Ge-samtbreite von 17,75 m je Richtungsfahrbahn.

Darüber hinaus waren für den Neubau vorgegeben:

– Minimierung der Einschränkungen und Eingriffe inden Autobahnverkehr

– vorzugsweise keine Mittelstütze im Endzustand– Minimierung der Eingriffe in den Naturraum– eine maximale Bauzeit von zwölf Monaten

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Für die Nutzungsqualität der Grünbrücke wurden folgen-de Parameter festgelegt:

– Breite zwischen den mindestens 2,00 m hohen Irritati-onsschutzwänden ≥ 50 m, die zu den Bauwerksendenund im Besonderen in der Anrampung aufweitet,

– mittlere Überschüttung des Bauwerkes ≥ 1,00 m,– Kreuzungswinkel zur Autobahn 100 gon,– Mindesthöhe der Irritationsschutzwand 2,00 m.

Die wesentlichen Gestaltungsmerkmale der Grünbrü-cken entsprachen den Gestaltungstypologien der einzel-nen Autobahnabschnitte. Hierzu gehörten insbesonderedie Farbgestaltung der Träger, Geländer und Irritations-schutzwände.

3 Entwurfslösung

Unter Zugrundelegung der vielfältigen Planungsprämis-sen sah der Bauwerksentwurf als Resultat einer ergebnis-offenen Variantenuntersuchung ein mittelstützenfreiesRahmentragwerk in Montagebauweise als wirtschaftlichs-te und sowohl konstruktiv als auch bautechnologischgünstigste Lösung vor.

Aufgrund des flachen bzw. ebenen Geländes und damitfehlender Entwicklungshöhe für ein bogenförmiges Trag-werk konnte der Lastabtrag nur über Querkraft- und Mo-mentenschnittkräfte erfolgen.

Für das Rahmentragwerk in Mischbauweise kamen Ver-bundfertigteile als Rahmenriegel zum Einsatz. Zur Ver-kürzung der Riegelspannweite wurden die Widerlager-bzw. Rahmenwände zur Autobahn hin geneigt. Wegender relativ großen Lasten infolge Erdüberschüttung undzur Reduzierung der Montagegewichte wurde ein relativenger Achsabstand der Träger von 2,29 m gewählt.

Im Hinblick auf die große Konstruktionshöhe des Ver-bundfertigteilträgers am Rahmeneck und seines ausge-prägten Bogenstichs mussten bereits im Zuge der Ent-wurfsplanung die Möglichkeiten des Trägertransportes

sowie der Zwischenlagerung bis zur eigentlichen Monta-ge detailliert untersucht werden.

Entsprechend den örtlichen Baugrundbedingungen grün-den die Rahmentragwerke auf Flachfundamenten odertief auf einreihigen Bohrpfählen d = 1,20 m, die direktohne Pfahlkopfplatten in die aufgehenden Rahmenwändeübergehen.

In Tabelle 1 sind die Daten der Bauwerksgeometrie zu-sammengestellt. Die Bilder 2 bis 4 zeigen die Bauwerks-übersicht und Konstruktionsdetails.

4 Ausführungsplanung

Aufgrund der Vielzahl der einzubauenden Verbundfertig-teilträger mit 26 Stück je Grünbrücke im Vergleich zudrei bis sechs Trägern bei herkömmlichen Breiten vonÜberführungsbauwerken lohnte es sich, die Lastannah-men für Ausbauten, Überschüttung und einer möglichenVerkehrslast sowohl im Bau- als auch Endzustand sehrgenau zu hinterfragen.

Mit dem Ziel einer Massenoptimierung wurden schließ-lich abweichende Lastansätze in Absprache mit demPrüfingenieur gewählt (Tabelle 2). Diese haben sich imZuge der Bauausführung bestätigt und wurden exakt ein-

Tab. 1 BauwerksgeometrieConstruction geometry

Lichte Weite 38,70 m

Stützweite 55,20 m

Lichte Höhe über BAB ≥ 5,00 m

Nutzbreite ≥ 50,00 m

Konstruktionshöhe 1,60 m bis 2,40 m

Baustahl S 3555 JO+N/J2+N 500 t

Brückenfläche 2 765 m2

Planungszeitraum 05/2009 – 01/2010

Bauzeiten jeweils ≤ 12 Monate

Bild 2 Längsschnitt der GrünbrückeLongitudinal section of green bridge

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gehalten. Damit konnte die Baustahlmenge um ca. 80 t jeGrünbrücke gegenüber der vorstatischen Berechnung mitden herkömmlichen Lastansätzen reduziert werden.

Zukünftig sollten die anzusetzenden Eigengewichts- undVerkehrslasten auf Grünbrücken unter dem Gesichts-punkt der naturnahen Gestaltung der Überschüttung, ein-schließlich deren Mindestdicke, begründet und einerÜberfahrung nur im Einzel- bzw. Ausnahmefall eindeutigfestgelegt werden.

Im Bauzustand lassen sich die auftretenden Lasten undLastzustände durch entsprechende Vorgaben an die Aus-führung klar eingrenzen.

5 Herstellung

Der Neubau der Grünbrücken erfolgte unter Aufrechter-haltung des Autobahnverkehrs ohne wesentliche Ein-schränkungen. Die Rahmenwände und Flügel wurden inoffenen Baugruben hergestellt (Bilder 5 und 6). Für dieMontage der 54 t schweren und 43,00 m langen Verbund-fertigteile waren jeweils 20 min Verkehrshalte in denNachtstunden zum Einschwenken und direkten Aufla-gern der Verbundfertigteile auf den Rahmenwänden not-wendig. Auf Montageunterstützungen oder Aussteifungenkonnte verzichtet werden. Danach erfolgte zunächst dasBetonieren der Rahmenecken und anschließend der Feldbereiche der Ortbetonplatte.

Insgesamt konnten die Eingriffe in den Autobahnverkehrauf ein Minimum reduziert werden. Sperrungen einesFahrstreifens pro Richtungsfahrbahn waren lediglich fürNebenleistungen wie den Auf- und Abbau der Schutzein-

Tab. 2 Abweichende LastannahmenDeviant design loads

Eigengewicht Überschüttung 18 kN/m3

Eigengewicht 10 cm Schutzbeton 22 kN/m3

Verkehrslast vollflächig 10 kN/m2

Bild 3 Detail BrückenquerschnittDetail bridge cross section

Bild 4 DraufsichtTop view

Bild 5 Rahmenwand und AuflagerFrame wall and bearings

Bild 6 TrägermontageMounting of girders

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richtungen und für die Herstellung der Baustellenzufahr-ten etc. kurzzeitig erforderlich.

6 Rampenausstattung und Landschaftsbau

Das maximale Längsgefälle der auffächernden Anram-pungen beträgt 15 %. Die Überschüttung auf dem Bau-werk erfolgt naturnah mit folgenden Maßnahmen aufeiner Gesamtfläche von 18 000 m2:

– Anpflanzung von Gehölzen auf 40 % der Fläche– Entwicklung einer artenreichen Kraut- bzw. Grasge-

sellschaft durch Ansaat und gelenkte Sukzession auf55 bis 65 % der Fläche

– punktuelles Aufbringen von Altholz- und Lesestein-haufen als Querungshilfen

Die Irritationsschutzwände wurden aus Gründen derDauerhaftigkeit und des Unterhaltungsaufwandes inStahlbeton und aus technologischen Gründen als Fertig-teile ausgeführt. Zur optimalen Abschirmung über derAutobahn wurde die Wandhöhe variabel und mit einemgrößeren Bogenstich in Bauwerksmitte gewählt. In derPraxis zeigte sich jedoch, dass diese Stahlbetonwändesehr massiv die Gesamtansicht prägen, zumindest solan-ge die Wände noch nicht mit Grün überwachsen sind(Bilder 7 und 8).

7 Fazit, Ausblick

Grundlage des Baus der Grünbrücken bildeten die Ergeb-nisse des Forschungsvorhabens „Prioritätensetzung zurVernetzung von Lebensraumkorridoren im überregiona-len Straßennetz“ des Bundesamtes für Naturschutz. Indiesem Gutachten wurden Standorte betrachtet, an

denen ein vordringlicher Bedarf für eine Wiederherstel-lung der alten durchgehenden Tierwanderachsen undWildwechsel über die Autobahn gegeben ist.

Bundesweit hatten die Maßnahmen zur Wiedervernet-zung von Lebensräumen im Land Brandenburg höchstePriorität. Dies liegt daran, dass die Autobahnen in Bran-denburg überwiegend im ebenen Gelände verlaufen unddadurch aus der Topographie heraus nur wenige als Que-rungsmöglichkeit für Tiere geeignete Bauwerke, wie Tal-brücken und Tunnel, vorhanden sind.

Im Land Brandenburg wurden weitere Standorte für der-artige Grünbrücken im o. g. Gutachten ausgewiesen. Soll-ten diese Grünbrücken zur Planung und Ausführungkommen, wird – bedingt durch die vorliegenden durch-weg positiven Erfahrungen mit der beschriebenen Monta-gebauweise mit Verbundfertigteilen – diese Konstruktionund Bauweise ein fester Bestandteil zukünftiger Pla-nungslösungen sein. Die Minimierung der Eingriffe inden Autobahnverkehr, eine Reduzierung der Bauzeit aufca. zwölf Monate, die Erhöhung der Sicherheit durch einmittelstützenfreies Bauwerk, ein durch die integrale Bau-weise im Unterhaltungsaufwand optimiertes Bauwerksowie die optisch ansprechende schlanke Gestaltungsprechen dabei für sich.

AutorenDipl.-Ing. Andrea SuffnerLandesbetrieb Straßenwesen BrandenburgDezernat Konstruktiver Ingenieurbau (BAB), BauwerksprüfungLindenallee 51, 15366 Dahlwitz Hoppegartenwww.LS.Brandenburg.de

Dipl.-Ing. Christian OmmertDipl.-Ing. Guido SchillerSSF Ingenieure AG, NL Berlin10435 Berlin, Schönhauser Allee 149www. ssf-ing.de

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