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  • M I C H A E L E A S T M A N

    M Ü N C H E N • L O N D O N • N E W Y O R K

    Prestel

    VORWORT VON

    Achy Obejas

    TEXT VON

    Vicki Goldberg

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  • M I C H A E L E A S T M A N

    M Ü N C H E N • L O N D O N • N E W Y O R K

    Prestel

    VORWORT VON

    Achy Obejas

    TEXT VON

    Vicki Goldberg

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  • © Prestel Verlag, München · London · New York, 2011

    © für die abgebildeten Werke, Michael Eastman, 2011

    © für das Vorwort, Achy Obeja, 2011

    © für den Essay, Vicky Goldberg, 2011

    Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

    und von Barry Friedman Ltd., New York

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

    Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

    im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Prestel Verlag, München

    in der Verlagsgruppe Random House GmbH

    Neumarkter Straße 28

    81673 München

    Tel. +49 (0)89 4136-0

    Fax +49 (0)89 4136-2335

    www.prestel.de

    Projektleitung Verlag: Curt Holtz

    Übersetzung aus dem Englischen: Michael Sailer

    Satz und Lektorat: bookwise GmbH, München

    Gestaltung: Mark Melnick, New York

    Herstellung: The Production Department, New York

    Lithografie: GHP, West Haven, Connecticut

    Druck und Bindung: Midas Printing, China

    ISBN 978-3-7913-4623-6

    Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte

    Papier Era Silk liefert Sappi, Deutschland.

    Dieses Buch ist Gayle Eastman gewidmet

    Mein tiefer Dank gilt

    Barry Friedman · Mark Melnick · Charlotte Sheedy · Tuan Lee

    Chris Dombrowski · Achy Obejas · Vicki Goldberg

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  • VORWORT

    Achy Obejas

    DER FLUCHTPUNKT

    Vicki Goldberg

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    Achy Obejas

    DER FLUCHTPUNKT

    Vicki Goldberg

    BILDVERZEICHNIS

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  • Beide gehören zusammen, das eine lässt sich ohne das andere nicht angemessen würdigen. Eastmans Aufnahmen strah-len ehrfürchtige Ruhe aus. Ohne jegliches Geräusch – den Lärm der Stadt Havanna selbst, aber auch das politische Getöse, Protest und Gejammer – wird das Seufzen der Phantome beinahe hörbar.

    Die Stille der Bilder fordert auch vom Betrachter Ruhe, ein Innehalten, um zu erkennen, was dargestellt und was in Abwesenheit nur zu erahnen ist.

    Zum Beispiel das Doppelbild zweier Ses sel vor einer abblätternden Wand; da- rüber hängt ein Lüster wie eine gigantische Spinne. Im einen Bild: Leere. Im anderen treffen zwei Wäscheleinen in der Mitte der Wand aufeinander und bilden ein flaches

    umgedrehtes V zu den Bildrändern hin (S. 13). Die Wäsche suggeriert Weiblich-keit: auf der einen Seite eine rote Bluse mit offenen Armen, nahe der Mitte drän-gen sich Slips und Socken, dazu Kissen-bezüge und ärmellose schwarze Blusen.

    Schaut man die Bilder in dieser Rei-henfolge an, füllt sich der leere Raum mit Anzeichen von Leben. Bei genaue-rer Betrachtung drängt sich jedoch eine andere Lesart auf: Das Bild ohne Wäsche-leine ist das Nachspiel, das andere ent-stand zuvor. Die Bilder chronologisch anzusehen verkehrt die vorherige Deu-tung in ihr Gegenteil: der Kronleuchter ohne Kristallbehang, Farbspäne und Putzbrösel auf dem Boden und den Polstern, die veränderliche Landkarte

    V O R W O R T

    A c h y O b e j A s

    Als ich das erste Mal auf Michael Eastmans Fotos stieß, beeindruckten mich zwei Dinge sofort:

    die Stille und die Geister.

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  • abblätternder Farbe an der Wand, eine Plastikflasche, zurückgelassen auf einem Sessel. Alles Lebendige hat diesen Raum verlassen.

    Obwohl das Bild mit der Wäscheleine ein Jahr nach dem »leeren« Bild entstand, hat Eastman erkannt, dass beide Abfolgen schlüssig sind. In Havanna ist die Vergan-genheit immer gegenwärtig, die Zukunft stets vergangen, die sich wandelnde Ge-genwart eine Konstante. Havanna ist ein Palimpsest.

    Die kubanische Hauptstadt Havanna – die abwechselnd wie Madrid, Sevilla, Paris, Leningrad, Harlem, Lagos und Beirut wirkt – wurde 1515 gegründet, als etwa fünfzig spanische Siedler an der Mün-dung des Almendares an der Nordwest-küste der Insel landeten. Sie nannten ihre Stadt San Cristóbal de La Habana, nach dem Heiligen, dem »Entdecker« der Insel und nach den Ureinwohnern, die die Sied-ler bald darauf ausrotteten. Heute leben mehr als 2,4 von elf Millionen Kubanern in der Stadt.

    Was beeindruckte Eastman am meis-ten, als er nach Havanna kam? »Dass ich ein Zeitreisender war.« Sein Vorsatz: »Ich hatte keine Erwartungen.« Nichts also, was er zu retten, erzwingen oder zu ent-decken vorhatte.

    Reisende haben für gewöhnlich einen vorgefassten Plan oder wollen einfach etwas erkunden, sich treiben lassen, sich nur auf ihren inneren Kompass verlassen und schauen, was passiert. Aber wie stellt man eine Zeit maschine?

    Michaels Frau hatte in französischen Magazinen Ansichten von Havanna gese-hen: von verblasster Herrlichkeit und »Es war einmal«. »Ich hatte den Eindruck, mich im Jahr 1954 zu befinden«, sagt er. Suchen Sie in diesem Buch nach 1954 – es ist schwer fassbar. Schließen Sie es, und der Geist von 1954 wird Sie verfolgen wie ein Nachbild.

    Es war das Jahr, als Audrey Hepburn mit Ein Herz und eine Krone der US-Durchbruch gelang und ihre ikonenhafte Eleganz die Modewelt durcheinander-wirbelte. Sie gewann einen Oscar, ebenso wie der verwegene Frank Sinatra für seine Nebenrolle in Verdammt in alle Ewigkeit. (Beide hatten Verbindungen nach Havanna: Sinatra spielte dort gerne mit seinen Gangsterfreunden, Hepburn heiratete den Schauspieler Mel Ferrer, dessen Vater Kubaner war.)

    Einige von Michaels Bildern beschwö-ren ohne Zweifel das Havanna jener Zeit vor der Revolution herauf, bevor die Insel von neuen Trends in Mode, Architektur und Kochkunst abgeschnitten wurde. Hier finden wir die leuchtenden Farben der Nachkriegszeit, das Rot und Grün der Sofas und Sessel, Chromstühle und vinyl-bezogenen Barhocker, Fernsehkisten auf Rollwagen oder Tischchen mit grünen Bildschirmen wie verblichene Jade.

    Aber Havanna vereint die 1950er mit anderen Epochen, manchmal in einem Raum: die Ruinen der Sonderära nach dem Kalten Krieg, verblasste Sowjetpro-paganda aus den 1980ern, schwermütig-nostalgische Souvenirs aus den frühen

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  • Jahren der Revolution, dunkle, verbotene Wälder aus den 1940ern, kurvige Hori-zontalen aus der modernen Kunst der 1930er, Art déco aus Kubas Zuckerboom in den 1920ern, die Sepiafarben des frühen 20. Jahrhunderts, schemenhafte Decken-gemälde aus der Kolonialzeit.

    Havannas nördlicher Nachbar wirft seinen Schatten: Die leer stehenden, ver-gessenen Kinos wirken wie Szenerien aus einem Fantasie-Amerika. Gleiches gilt für die Autos, aber sie sind eine Illusion: antike Chevys und Buicks; Leichen, die sich der Beerdigung widersetzen, Fran-kenstein-Monster, die nicht mehr für amerikanischen Ehrgeiz und Fortschritt, sondern für sowjetischen Schrott und kubanischen Einfallsreichtum stehen.

    Auf vier Reisen nach Kuba zwischen 1999 und 2010 – die letzten beiden im Abstand von acht Jahren – durchstreifte Michael die Straßen und Boulevards von Havanna, machte halt, wo sich ein faszinierender Anblick bot, öffnete mit Charme, Bitten oder Geld Türen, die ihm eigentlich nicht offen standen, und hielt mit seiner Kamera die Zeit an.

    Aber die Zeit steht nicht still in Havanna, das ist ein Mythos. Havanna ist ein Wir-belsturm: weltstädtisch, kosmopolitisch, international – immer in Bewegung. Es brummt, tickt und hupt. Die Geschichte geht weiter.

    Wir sind es, die stehen bleiben und hinschauen müssen, um etwas zu sehen. Dann stellen wir fest, dass in Havanna Zeit und Historie zusammenbrechen

    und wiederkehren. Schauen Sie sich die-ses Treppenhaus an. Die Stufen aus Mar-mor, italienisch, Alte Welt. Sie steigen über unser Blickfeld hinaus, das Gelän-der kunstvoll, aber rostig. Die Figur am Fuße der Treppe lehnt sich vor, klassisch, barfuß, rundbäuchig; der unverkennbar europäische Geist vergangener Glorie, schaurig enthauptet. Die Schrift an der Wand – ein Menetekel – in Rot, die letzten drei Wörter kaum zu entziffern: »Patria es vivir« (»Heimat ist Leben«).

    Ohne die Aufschrift, »FIDEL« in Groß-buchstaben, könnte das eine Ausgrabung sein, eine Nachkriegsruine, eine Parallel-welt. Aber auch so ist sie zeitlich schwer einzuordnen. Fidel Castros Revolution umfasst etwa die Hälfte der Geschichte des unabhängigen Kuba. Ist die Aufschrift eine Hommage an das Versprechen der Revolutionäre, die Insel von solch über-flüssigen Exzessen zu befreien, oder das Gegenteil: ein Bild des Scheiterns? Weder noch und sowohl als auch.

    Blättern Sie nun zu der siebenteiligen Serie eines Wohnhauses mit mehreren Türen, die maurischen Bogen, gekrönt von glasgerahmten, sechszackigen Ster-nen. Im 18. Jahrhundert finanzierte der katholische Bischof Morell Santa Cruz, Spross einer langen Linie von Anusim (zwangsbekehrten Juden), eine Phase fie-berhafter Bautätigkeit und ließ Symbole seines geheimen Glaubens in Gitter und Rahmen aus Glas und Holz einbetten. Sein Geist durchzieht das Haus, grüßt vielleicht das Pastellporträt von Che Guevara über dem roten Sofa, das wie-

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  • derum in trauter Einheit mit der antiken Figur eines Indianerhäuptlings lebt.

    Selbst was einfach scheint, ist kompli-ziert. Die Nahaufnahme eines Regals in einer Buchhandlung zeigt eine Vielzahl revolutionärer Titel. Guevaras Tagebuch, Castros Gedanken über Religion, sein Handbuch für territoriale Milizen Die Geschichte wird mich freisprechen, eine Geschichte der Revolution von 1959 bis 1983. Aber die Bücher sind weder chro-nologisch noch sonstwie geordnet. Zwei Bücher fallen aus der Reihe: eine spani-sche Ausgabe von Dantes Göttliche Komö-die und die Beschreibung der Insel Kuba von Nicolas Joseph de Ribera (1757), worin der Autor staunt: »Die Landwirtschaft der Insel ist auf Zucker und Tabak reduziert. Alles andere wird nur noch angebaut, um ihre Städte zu ernähren.« Vielleicht eine Vorahnung. Oder ein Kommentar. Oder beides. Oder Zufall.

    Virgilio Piñera schreibt in seinem ora-kelhaften Gedicht La Isla en Peso (1943): »Eine Tasse Kaffee kann die fixe Idee nicht vertreiben / dass ich zu einer ande-ren Zeit wie Adam lebte.« Ob vor oder nach dem Sündenfall, verrät er nicht.

    Als Michael mich das erste Mal kontak-tierte und über seine Arbeit berichtete, war ich – bevor ich seine Bilder sah – skeptisch. Seit Kuba und die USA das Reisen leichter – wenn auch nicht unbe-dingt leicht – gemacht haben, sind Horden von Fotografen in Havanna ein gefallen. Fremde verbringen hier eine oder zwei Wochen und kehren als Experten für

    mein Land heim. Zum Beleg ihrer Ken-nerschaft knipsen sie sich vor einer Büste von José Marti oder an der Kathedrale.

    Die Bilder, die sie mitbringen, gleichen sich: die müde wirkende Alte, die Mulat-tin mit Zigarre im Mund, halb nackte Kin-der beim Baseballspielen auf der Straße, der Fahrer eines US-Autos, kurvenreiche junge Frauen an der Ufermauer, eine Pla-katwand mit Guevara und anderen Män-nern, die sie nicht kennen.

    Die wenigen Kubaner auf Michaels Fotos hingegen bleiben meist in einiger Entfernung: überqueren eine Straße, flanieren an einem Theater vorbei, war-ten auf den Bus; uniformierte Liebende, überragt von politischen Parolen. Viele strahlen Gelassenheit aus, ob sie sich aus einem Auto lehnen, auf Stühlen oder Treppen sitzen, um einen Tisch gedrängt, Schatten in einem Türrahmen.

    Ich schätze diese Ehrlichkeit der Dis-tanz, die Einsicht, dass die Kamera zwar eine flüchtige – manchmal schreckliche, manchmal peinliche – Intimität herstellt, die Menschen jedoch ein Rätsel bleiben.

    »Ich werde Kuba nie verstehen, aber es zieht mich immer dorthin«, sagt Michael. Er gibt nicht vor, das wahre Kuba zu begreifen (selbst wir Einheimischen wären damit vorsichtig), uns zu kennen oder für uns zu sprechen. Diese Beschei-denheit, diese Offenheit ist, ganz ehrlich, erleichternd. Das macht seine Arbeit in Havanna unvergleichlich. Aufrich-tig. Erstaunlich. Und so schön, dass es manchmal schmerzt.

    Genau wie Havanna selbst.

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  • UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

    Michael Eastman

    Havanna

    Gebundenes Buch, Pappband mit Schutzumschlag, 144 Seiten,24,5x30100 farbige AbbildungenISBN: 978-3-7913-4623-6

    Prestel

    Erscheinungstermin: Oktober 2011

    Hommage an eine einzigartige Stadt In seinen zahlreichen Büchern richtet der international gefeierte Fotograf Michael Eastmanseinen Blick auf die Fassaden und Innenräume der Metropolen der Welt: Paris, Rom, NewOrleans. Seine im Großformat aufgenommenen Bilder erkunden die Häuser und Straßenzügevon Havanna. Anhand von etwa 100 Fotografien der letzten zwei Jahrzehnte markiert Eastmanden Kontrast von glorreicher Vergangenheit und karger Gegenwart. Das Ergebnis ist einLiebesgedicht in Bildern, adressiert an eine Stadt, die reich ist an Geschichte, Kultur und Gefühl.