1 2 3 4 OkulärePost-mortem-Befunde beianCOVID ......Leitthema Abb.39(Patient3, RA,Paraffinschnitt,...

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Der Ophthalmologe Leitthema Ophthalmologe 2020 · 117:648–651 https://doi.org/10.1007/s00347-020-01149-8 Online publiziert: 9. Juni 2020 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Karin U. Löffler 1,2 · Aja Reinhold 3 · Martina C. Herwig-Carl 1,2 · Alexandar Tzankov 4 · Frank G. Holz 1 · Hendrik P. N. Scholl 3 · Peter Meyer 3 1 Augenklinik, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland 2 Augenklinik, Sektion Ophthalmopathologie, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland 3 Augenklinik, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz 4 Institut für Pathologie, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz Okuläre Post-mortem-Befunde bei an COVID-19 verstorbenen Patienten Seit dem Ausbruch der SARS-CoV-2-In- fektion und dem Übergreifen der Pan- demie auf Europa wird zunehmend auch über die Bedeutung einer okulären Affek- tion diskutiert. Wir stellen hier die ersten ophthalmopathologischen Befunde von in der Universitätsklinik Basel an Coro- navirus Disease 2019 (COVID-19) ver- storbenen Patienten vor und diskutieren diese im Zusammenhang mit möglichen Ausbreitungswegen des Virus. Methodik Die Patienten wurden am Institut für Pathologie des Universitätsspitals Basel obduziert. Bei allen Patienten lag eine entsprechende Einverständniserklärung vor [1]. Nach Entnahme der Augen wur- den diese für 72h in Formalin (hygieni- sche Vorgaben des Instituts für Patho- logie/Virologie Basel) fixiert, anschlie- ßend diaphanoskopiert, makroskopisch begutachtet und bei dem ersten Patienten vertikal und den beiden anderen Patien- ten horizontal eröffnet. Nach Inspektion der intraokularen Strukturen wurde ein repräsentativer Block zugeschnitten und die Einbettung in Paraffin vorgenommen. Hiervon wurden jeweils Stufenschnitte angefertigt und mit Hämatoxylin-Eosin, Anmerkung der Autoren Einige der ansonsten recht oft zitierten Li- teraturstellen aus China waren leider nicht nachverfolgbar. Wir haben deswegen hier nur Arbeiten zitiert, wo zumindest ein englischspra- chiges Abstract zur Verfügung stand. Nicht alle Arbeitensind„peer-reviewed“. PAS, Elastika-van-Gieson und Masson- Trichrom gefärbt. Separat wurde auch jeweils ein Querschnitt des N. opticus untersucht. Die histologischen Schnitte wurden von 3 Ophthalmopathologen (KUL, MCH-C, PM) unabhängig voneinander ausgewertet. Fallbericht 1 Die 67-jährige Patientin verstarb 14 Tage nach initialen Symptomen an respirato- rischer Insuffizienz bei akuter Broncho- pneumonie und interstitieller lympho- zytärer Pneumonitis, bedingt durch ei- ne SARS-CoV-2-Infektion mit bakteri- eller Superinfektion. Als Grunderkran- kung bestand eine multiple Sklerose (di- agnostiziert 1991 im Alter von 39 Jah- ren) mit linksseitig- und beinbetonter Te- traparese und neurogener Blasenentlee- rungsstörung. Zum Zeitpunkt des Todes bestand seit Jahren keine immunmodu- latorische erapie mehr. Ophthalmologisch waren eine beid- seitige Optikusatrophie und eine Vi- susminderung auf bestkorrigiert 0,3 am rechten und 0,7 am linken Auge bekannt. Makroskopisch zeigt sich am rechten Auge (RA) eine intrakapsuläre Pseudo- phakie, am linken Auge (LA) eine Ka- tarakt. Die Papille wirkt beidseits blass. Sonst sind keine Auffälligkeiten zu er- kennen. Mikroskopisch finden sich diskrete autolytische Veränderungen, einzelne harte Drusen und eine mittelgradige Optikusatrophie rechts und eine gering- gradige Optikusatrophie links. Die am – etwas verbreiterten – Limbus verbliebene Bindehaut (. Abb. 1a) zeigt keine signi- fikant vermehrten Entzündungszeichen, und die verschiedenen intraokularen Gewebe sind reizfrei (. Abb. 1b). Fallbericht 2 Der 85-jährige Patient starb 4 Tage nach Symptombeginn am respiratori- schen Versagen bei COVID-19 mit einer rechtsseitigen Bronchopneumonie. Er litt zusätzlich an Diabetes mellitus Typ 2, einer myeloischen Neoplasie, einer arte- riellen Hypertonie und einem schweren obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Auf- grund der schweren Vorerkrankungen erfolgte die erapie im palliativen Set- ting. Ophthalmologisch war – bei epire- tinaler Gliose und beginnender Katarakt – ein bestkorrigierter Visus von 0,7 am rechten und 0,5 am linken Auge bekannt. Makroskopisch zeigen beide Augen eine kortikonukleäre Katarakt und in der Netzhautperipherie Pflastersteine. Am linken Auge finden sich zwischen Äquator und der Papille multiple unter- schiedlich große Punkt- und Fleckblu- tungen. Sonst sind keine Auffälligkeiten zu erkennen. Mikroskopisch zeigen sich neben dis- kreten autolytischen Veränderungen in beiden Augen altersentsprechende Be- funde wie einzelne harte Drusen und die makroskopisch beobachteten Pflas- 648 Der Ophthalmologe 7 · 2020

Transcript of 1 2 3 4 OkulärePost-mortem-Befunde beianCOVID ......Leitthema Abb.39(Patient3, RA,Paraffinschnitt,...

  • Der Ophthalmologe

    Leitthema

    Ophthalmologe 2020 · 117:648–651https://doi.org/10.1007/s00347-020-01149-8Online publiziert: 9. Juni 2020© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil vonSpringer Nature 2020

    Karin U. Löffler1,2 · Aja Reinhold3 · Martina C. Herwig-Carl1,2 · Alexandar Tzankov4 ·Frank G. Holz1 · Hendrik P. N. Scholl3 · Peter Meyer31 Augenklinik, UniversitätsklinikumBonn, Bonn, Deutschland2 Augenklinik, Sektion Ophthalmopathologie, UniversitätsklinikumBonn, Bonn, Deutschland3 Augenklinik, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz4 Institut für Pathologie, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz

    Okuläre Post-mortem-Befundebei an COVID-19 verstorbenenPatienten

    Seit demAusbruch der SARS-CoV-2-In-fektion und dem Übergreifen der Pan-demie auf Europa wird zunehmend auchüberdieBedeutungeinerokulärenAffek-tion diskutiert. Wir stellenhier die erstenophthalmopathologischen Befunde vonin der Universitätsklinik Basel an Coro-navirus Disease 2019 (COVID-19) ver-storbenen Patienten vor und diskutierendiese im Zusammenhang mit möglichenAusbreitungswegen des Virus.

    Methodik

    Die Patienten wurden am Institut fürPathologie des Universitätsspitals Baselobduziert. Bei allen Patienten lag eineentsprechende Einverständniserklärungvor [1]. Nach Entnahme der Augen wur-den diese für 72h in Formalin (hygieni-sche Vorgaben des Instituts für Patho-logie/Virologie Basel) fixiert, anschlie-ßend diaphanoskopiert, makroskopischbegutachtet undbei demerstenPatientenvertikal und den beiden anderen Patien-ten horizontal eröffnet. Nach Inspektionder intraokularen Strukturen wurde einrepräsentativer Block zugeschnitten unddieEinbettung inParaffinvorgenommen.Hiervon wurden jeweils Stufenschnitteangefertigt und mit Hämatoxylin-Eosin,

    Anmerkung der AutorenEinige der ansonsten recht oft zitierten Li-teraturstellen aus China waren leider nichtnachverfolgbar. Wir haben deswegen hier nurArbeitenzitiert,wozumindest einenglischspra-chiges Abstract zur Verfügung stand. Nicht alleArbeitensind„peer-reviewed“.

    PAS, Elastika-van-Gieson und Masson-Trichrom gefärbt. Separat wurde auchjeweils ein Querschnitt des N. opticusuntersucht.

    Die histologischen Schnitte wurdenvon 3 Ophthalmopathologen (KUL,MCH-C, PM) unabhängig voneinanderausgewertet.

    Fallbericht 1

    Die 67-jährige Patientin verstarb 14 Tagenach initialen Symptomen an respirato-rischer Insuffizienz bei akuter Broncho-pneumonie und interstitieller lympho-zytärer Pneumonitis, bedingt durch ei-ne SARS-CoV-2-Infektion mit bakteri-eller Superinfektion. Als Grunderkran-kung bestand eine multiple Sklerose (di-agnostiziert 1991 im Alter von 39 Jah-ren)mit linksseitig-undbeinbetonterTe-traparese und neurogener Blasenentlee-rungsstörung. Zum Zeitpunkt des Todesbestand seit Jahren keine immunmodu-latorische Therapie mehr.

    Ophthalmologisch waren eine beid-seitige Optikusatrophie und eine Vi-susminderung auf bestkorrigiert 0,3 amrechten und 0,7 am linken Auge bekannt.

    Makroskopisch zeigt sich am rechtenAuge (RA) eine intrakapsuläre Pseudo-phakie, am linken Auge (LA) eine Ka-tarakt. Die Papille wirkt beidseits blass.Sonst sind keine Auffälligkeiten zu er-kennen.

    Mikroskopisch finden sich diskreteautolytische Veränderungen, einzelneharte Drusen und eine mittelgradige

    Optikusatrophie rechts und eine gering-gradige Optikusatrophie links. Die am –etwas verbreiterten–Limbus verbliebeneBindehaut (. Abb. 1a) zeigt keine signi-fikant vermehrten Entzündungszeichen,und die verschiedenen intraokularenGewebe sind reizfrei (. Abb. 1b).

    Fallbericht 2

    Der 85-jährige Patient starb 4 Tagenach Symptombeginn am respiratori-schen Versagen bei COVID-19mit einerrechtsseitigenBronchopneumonie.Er littzusätzlich an Diabetes mellitus Typ 2,einer myeloischen Neoplasie, einer arte-riellen Hypertonie und einem schwerenobstruktiven Schlafapnoesyndrom. Auf-grund der schweren Vorerkrankungenerfolgte die Therapie im palliativen Set-ting.

    Ophthalmologisch war – bei epire-tinaler Gliose und beginnender Katarakt– ein bestkorrigierter Visus von 0,7 amrechten und 0,5 am linken Auge bekannt.

    Makroskopisch zeigen beide Augeneine kortikonukleäre Katarakt und inder Netzhautperipherie Pflastersteine.Am linken Auge finden sich zwischenÄquator und der Papille multiple unter-schiedlich große Punkt- und Fleckblu-tungen. Sonst sind keine Auffälligkeitenzu erkennen.

    Mikroskopisch zeigen sich neben dis-kreten autolytischen Veränderungen inbeiden Augen altersentsprechende Be-funde wie einzelne harte Drusen unddie makroskopisch beobachteten Pflas-

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    https://doi.org/10.1007/s00347-020-01149-8http://crossmark.crossref.org/dialog/?doi=10.1007/s00347-020-01149-8&domain=pdf

  • Abb. 18 (Patient 1, RA, Paraffinschnitt, Hämatoxylin-Eosin-Färbung, Vergr. 100.!)a LimbusnaheBindehaut ohneHinweis aufvermehrte entzündliche Aktivität;bmittelperiphere Netzhaut undAderhaut ohneHinweis auf entzündlicheAktivität (dieNetzhaut ist artifiziell abgehoben; Pfeile: post-mortem-Artefakt imBereich der Photorezeptorenmit abgeschertenAußen-segmenten,AHAderhaut)

    Abb. 28 (Patient2,RA,Paraffinschnitt,Hämatoxylin-Eosin-Färbung,Vergr.100:1).aLimbusnaheBindehautohneHinweisaufvermehrte entzündlicheAktivität;bNetzhautundAderhaut ohneHinweis auf entzündlicheAktivität (Netzhautpostmortemartifiziell abgehoben, Pfeile: Erythrozyten unter der Lamina limitans interna, korrespondierend zu den retinalenBlutungen,AHAderhaut)

    tersteine. Auch der Sehnerv ist beidseitsaltersentsprechend. Vereinzelt sind amLA in der Nervenfaserschicht die ma-kroskopisch auffälligen Netzhautblutun-gen sichtbar. Weder in der verbliebenenBindehaut (. Abb. 2a) noch intraokular(. Abb. 2b) lassen sich entzündliche Ver-änderungen erkennen.

    Fallbericht 3

    Der 95-jährige Patient starb 4 Tagenach Symptombeginn am respirato-rischen Versagen bei COVID-19. Anvorbestehenden Erkrankungen warenein Parkinson-Syndrom mit Demenzund Gleichgewichtsstörung sowie einehypertensive Kardiomyopathie und einekompensierte Hypothyreose bekannt.

    Ophthalmologisch war eine beidseiti-ge altersabhängige Makuladegenerationbekannt.

    Makroskopisch zeigt sich beidseits einArcus senilis und eine ca. 3 Papillen-durchmessergroßegelblicheAtrophie imMakulabereich. Das RA weist eine Ka-tarakt auf, das LA eine intrakapsulärePseudophakie mit deutlichem Nachstar.Sonst sind keine Auffälligkeiten zu er-kennen.

    Mikroskopisch finden sich diskreteautolytische Veränderungen; beidseitszeigen sich eine prominente Pingueculaund im Bereich der Makula eine ausge-dehnte Atrophie der äußeren Netzhautmit Verlust der Photorezeptoren unddes retinalen Pigmentepithels und einererheblichen Verdünnung der Aderhaut,insbesondere mit Atrophie der Cho-

    riokapillaris. Das RA weist eine kleineperiphere oberflächliche Hornhautnarbeauf; die Linse ist artifiziell nicht vorhan-den. ImLA erkenntman die Lokalisationder Hinterkammerlinse im Kapselsack,begleitet von einem ausgeprägten Nach-star im Äquatorbereich. Die am Limbusverbliebene Bindehaut zeigt geringfügi-ge Entzündungszeichen (. Abb. 3a), dieaber nicht über den im Rahmen einerintensivmedizinischen Behandlung zuerwartenden Befund hinausgehen. Dieverschiedenen intraokularen Gewebe(. Abb. 3b) sind reizfrei.

    Zusammenfassend zeigten sich bei al-len Augen lediglich patientenspezifischeVeränderungen entsprechend der jewei-ligen okulären Vorerkrankung. Hinweiseauf SARS-CoV-2 assoziierte entzünd-liche Prozesse waren nicht nachweis-

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  • Leitthema

    Abb. 39 (Patient 3,RA, Paraffinschnitt,Hämatoxylin-Eo-sin-Färbung, Vergr.100:1). a Limbusna-he Bindehautmitdeutlicher Pingue-cula (Stern), aberohne Entzündung;bNetzhaut im Be-reichderMakulamitfortgeschrittenerAtrophie der Photo-rezeptoren, des re-tinalen Pigmentepi-thels undder Ader-haut im Sinne eineraltersabhängigenMakuladegenera-tion; cNetzhaut inder Peripherie ohneentzündliche Verän-derungen

    bar. Die äußerst milde konjunktivaleEntzündungszellinfiltration unterschiedsich nicht von einem ansonsten übli-chen postmortalen Befund, zumal diesePatienten alle auf einer Intensivstationverstarben und es hier häufig zu ei-ner unspezifischen Bindehautchemosis/Injektion kommt.

    Diskussion

    Das neue Coronavirus SARS-CoV-2stellt für uns alle eine große Herausfor-derung dar. Jeden Tag werden wir kon-frontiertmit neuenZahlen, die allerdingsnicht unbedingt systematisch erhobenwerden. Laut Robert Koch-Institut (RKI)liegt die Inkubationszeit im Mittel bei 5bis 6 Tagen mit einer Spannweite von1 bis 14 Tagen [2, 3]. Als Hauptüber-tragungswege gelten laut RKI Tröpfchenund Aerosole [4–6]. Neben typischenGrippesymptomen wie Fieber und Hals-schmerzen kann die Erkrankung zu

    schweren Organbeteiligungen – insbe-sondere der Lunge – mit akutem respi-ratorischem Distress-Syndrom (ARDS)führen, oft verkompliziert durch super-ponierte Bronchopneumonien. COVID-19-Patienten haben auch eine ausge-prägte Thrombose-/Mikrothrombose-/Thrombembolieneigung [7–9]. Zu wei-teren Organbeteiligungen ist wenig inder Literatur beschrieben, und eineAugenbeteiligung bei SARS-CoV-2 istbislang nur als Konjunktivitis erwähnt.Je genauer wir das Virus und seine Inter-aktionen mit dem Menschen allerdingskennen, umso besser können wir uns –hoffentlich – auch davor schützen odersogar therapeutische Ansätze finden.

    Man unterscheidet bei den Corona-viren verschiedene Subtypen, die so-wohl verschiedene Tierspezies als auchden Menschen befallen – jeweils mitdurchaus unterschiedlicher Manifes-tation [10]. Bislang sind 7 humanpa-thogene Coronaviren bekannt, wobei

    insbesondere SARS-CoV, MERS-CoVund SARS-CoV-2 eine lebensbedroh-liche Erkrankung verursachen können[10]. Im Rahmen weiterer Symptomeeiner SARS-CoV-2-Infektion, aber auchder möglichen Ansteckungswege wurdeinsbesondere die Bindehaut bzw. eineKonjunktivitis diskutiert [11–16]. Vonder Tatsache, dass ein anderes Coronavi-rus (SARS-CoV) amAuge nachgewiesenwurde [17], lässt sich nicht automatischrückschließen, dass dies auch für dasjetzt agierende Coronavirus gilt, auchwenn die Viren sich sehr ähnlich sind.Nach der vorliegenden Literatur lässtsich das Virus – wenn überhaupt – nurbei Patienten mit Konjunktivitis nach-weisen [11], die aber wiederum keinklassisches Symptom der COVID-19-Infektion darstellt.

    Es gibt recht eindeutige Hinweise da-rauf, dass SARS-CoV-2 den ACE2-Re-zeptor als Andockstelle zur Penetrationder Zellmembran nutzt [18, 19]. Die-se Rezeptoren wurden auch in der Bin-dehaut des menschlichen Auges bereitsbeschrieben [20, 21], wenngleich auchin nichtsignifikantem Ausmaß [21]. Ei-ne mögliche Beteiligung der Bindehautim Rahmen der Infektionskette könnteman daher zwar theoretisch erwarten,dies scheint angesichts der vorliegendenErgebnisse jedoch eher unwahrschein-lich [21].

    Zusätzlich könnten andere Faktorenwie ein reduziertes Bindungspotenzialoder insbesondere auch ein protektiverEffekt der Umgebung (der Tränenfilmenthält viele Substanzen, die hier poten-ziell interagieren könnten) für das spezi-fische Viruspotenzial von SARS-CoV-2hinsichtlicheinerokulärenInfektioneineentscheidende Rolle spielen.

    Im klinischen Alltag gilt die akuteKonjunktivitis als eine der häufigstenokulären Erkrankungen, und in denallermeisten Fällen beruht sie auf einerviralen Infektion [22, 23]. Dies machtes zusätzlich extrem unwahrscheinlich,einen entsprechenden COVID-19-Pati-enten allein an diesem Symptom identifi-zieren zu können. Die Adenoviren Typ 8,19, 37, Erreger der hochansteckendenKeratoconjunctivitis epidemica, sind imBindehautabstrichnachweisbarundkön-nen somit auch über das Tränensekret

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  • übertragen werden. Im Gegensatz dazuscheint eine konjunktivale Übertragungbei COVID-19-Patienten (bei denender Erreger bislang nur in Einzelfällenim Bindehautabstrich nachweisbar war)nach bisheriger Datenlage eher unwahr-scheinlich, auch wenn es nicht gänzlichauszuschließen ist. Aus unseren Post-mortem-Befunden von 3 Augenpaarenkönnen wir für die Bindehaut derzeit we-dereine speziellediagnostischenocheineinfektiöse Rolle ableiten, insbesondereda uns auch keine entsprechendenmole-kulargenetischen Daten vorliegen. Mög-licherweise war eine Konjunktivitis zumTodeszeitpunkt nahezu ausgeheilt unddamit nicht mehr histologisch als solchezu diagnostizieren. Klinische Befundeund entsprechende Bindehautabstrichebei SARS-CoV-2-positiven Patienten so-wie entsprechende Untersuchungen zurkonjunktivalen Übertragung und Patho-genität des Erregers sollten zukünftighier mehr Klarheit bringen. Erfreuli-cherweise fanden sich aber auch keineHinweise auf eine direkteMitbeteiligunganderer okulärer Strukturen im Rahmenvon COVID-19.

    Zusammenfassend lässt sich aus un-seren Befunden keine generelle Emp-fehlung über die grundsätzlichen Hy-gienemaßnahmen hinaus oder eindeu-tige Erkenntnisse bezüglich einer mög-lichen Augenbeteiligung gewinnen, undwir sind uns bewusst, dass wir mit unse-rem Beitrag an negativen Befunden nureinen sehr kleinen Baustein zu diesemkomplexen Krankheitsbild liefern kön-nen.NachdenvorliegendenDaten–auchunter Einbeziehung der aktuellen Lite-ratur – scheint das Auge zumindest inder akuten Situation (abgesehen von ei-ner gelegentlich auftretenden Konjunk-tivitis) kein pathologisch relevantes Ziel-organ zu sein.

    Zusammenfassung

    Bei den von uns untersuchten Augenvon an COVID-19 verstorbenen Patien-ten zeigten sich keine eindeutigen Hin-weise auf SARS-CoV-2-assoziierte ent-zündliche Prozesse. Die äußerst mildekonjunktivale Entzündungszellinfiltrati-on unterschied sich nicht von einem an-sonsten üblichen postmortalen Befund.

    Nach den vorliegenden Daten – auchunter Einbeziehung der aktuellen Lite-ratur – scheint das Auge zumindest inder akuten Situation (abgesehen von ei-ner gelegentlich auftretenden Konjunk-tivitis) kein pathologisch relevantes Ziel-organ zu sein.

    Korrespondenzadresse

    Prof. Dr. med. Karin U. LöfflerAugenklinik, UniversitätsklinikumBonnErnst-Abbe-Str. 2, 53127 Bonn, [email protected]

    Danksagung. Besonderen Dank gebührt HerrnRalf Schoch aus dem Institut für Pathologie Basel fürUnterstützung bei der Autopsie, insbesondere beider Asservierungder Augen. Frau Claudine Strackdanken wir für die Erstellung der histologischenAbbildungen.

    Einhaltung ethischer Richtlinien

    Interessenkonflikt. K.U.Löffler,A.Reinhold,M.C.Her-wig-Carl, A. Tzankov, F.G.Holz,H.P.N. Scholl undP.Mey-er geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

    Für diesenBeitragwurden vondenAutoren keineStudien anMenschenoder Tierendurchgeführt.Für die aufgeführten Studiengelten die jeweils dortangegebenen ethischenRichtlinien.

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    Der Ophthalmologe 7 · 2020 651

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    Okuläre Post-mortem-Befunde bei an COVID-19 verstorbenen PatientenMethodikFallbericht 1Fallbericht 2Fallbericht 3

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